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Vivien Barlen

Zwischen
zwei Arenen
Betriebliche Mitbestimmung
bei Leiharbeit und Werkverträgen
Zwischen zwei Arenen
Vivien Barlen

Zwischen zwei Arenen


Betriebliche Mitbestimmung
bei Leiharbeit und Werkverträgen
Vivien Barlen
Bremen, Deutschland

Dissertation Universität Bremen, 2017

u. d. T.: Vivien Barlen: „Defizitäre betriebliche Mitbestimmung als Prekaritätsdimension


bei Leiharbeit und Werkverträgen. Eine Typisierung der Beschäftigtenperspektive

ISBN 978-3-658-20574-4 ISBN 978-3-658-20575-1 (eBook)


https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1

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Danksagung

Allen voran möchte ich mich sehr herzlich bei PD Dr. Irene Dingeldey und Prof.
Dr. Hajo Holst für die umfassende, zu jeder Zeit unterstützende und sehr vertrau-
ensvolle Betreuung meiner Dissertation bedanken. Ihre wissenschaftliche Beglei-
tung und konstruktiven Anmerkungen haben maßgeblich zum Gelingen dieser
Arbeit beigetragen.
Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus allen Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen, die sich zu den zahlreichen Interviews für die vorliegende
Studie bereit erklärten und mir in der Folge sehr aufschlussreiche Einblicke in
ihre Arbeits- und Lebenswelt erlaubten. Gleichzeitig bin ich den Betriebsräten,
den Arbeitgeber/-innen sowie der IG Metall für die Unterstützung beim Feldzu-
gang verbunden.
Darüber hinaus danke ich allen Kolleginnen und Kollegen des Instituts Ar-
beit und Wirtschaft der Universität Bremen. Die sehr wertschätzende und kolle-
giale Arbeitsatmosphäre am iaw hat in vielfacher Hinsicht zur Fertigstellung
dieser Arbeit beigetragen.
Ein großer Dank gilt zudem meiner Familie sowie meinen Freundinnen und
Freunden, die mich auf meinem Weg durch die Promotionszeit begleitet, moti-
viert und unterstützt haben. Sie haben zugleich umfangreiche Passagen meiner
Dissertation lektoriert und wertvolle Anregungen gegeben. Von ganzem Herzen
danke ich Matti, der mich stets liebevoll ermutigt hat und für mich da war.
Abschließend danke ich der Hans-Böckler-Stiftung, die dieses Forschungs-
projekt im Rahmen eines Promotionsstipendiums sowohl materiell, als auch die-
ell unterstützt und dadurch für mich überhaupt möglich gemacht hat.

Vivien Barlen
Inhalt

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ................................................................. 11

Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 13

1 Einleitung ........................................................................................................ 15
2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/innen ............................................................... 21
2.1 Rechtliche Abgrenzung der Beschäftigungsformen Leih- und
Werkvertragsarbeit ............................................................................ 21
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit vor dem
Hintergrund von De- und (Re-)Regulierung ...................................... 25
2.2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen ................................................. 25
2.2.2 Tarifvertragliche Regelungen ....................................................... 29
2.2.3 Quantitative Entwicklung und Charakteristika von Leih- und
Werkvertragsarbeit........................................................................ 31

3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der


Prekarität ........................................................................................................ 37
3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der
Prekarität ........................................................................................... 37
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von
Leih- und Werkvertragsarbeit ............................................................ 47
3.2.1 Forschungsergebnisse zu Arbeitsbedingungen und der
Beschäftigtenperspektive von Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen .................................................. 47
3.2.2 Die (betriebliche) Mitbestimmung bei Leiharbeit und
Werkverträgen als Forschungsgegenstand .................................... 55
3.2.3 Zusammenfassung und Identifizierung der Forschungslücke ....... 63

4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen ....... 65


4.1 Konkretisierung der Forschungsfragen ............................................. 65
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung ........................... 67
8 Inhalt

5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie .... 79


5.1 Orientierung an der Grounded Theory zur Beantwortung der
Forschungsfragen .............................................................................. 79
5.2 Das problemzentrierte Leitfadeninterview als Erhebungsmethode ... 81
5.3 Feldzugang und Interviewdurchführung ........................................... 85
5.4 Auswertungsmethoden ...................................................................... 86
5.5 Samplingstrategie .............................................................................. 88
5.6 Zusammensetzung des Betriebs- und Beschäftigtensamples............. 89

6 Analyse objektiver Prekaritätspotenziale der betrieblichen


Mitbestimmung bei Leih- und Werkvertragsarbeit .................................. 93
6.1 Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatz- und Entsendebetrieb .. 93
6.2 Zur Rolle der Betriebsräte in Einsatzbetrieben.................................. 99

7 Bewertungen und Handlungen bezüglich der betrieblichen


Mitbestimmung – Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum. 103
7.1 Vorgehensweise bei der Einordnung in den Merkmalsraum ........... 104
7.2 Überblick über die Einordnung der Leiharbeitnehmer/-innen
in die Merkmalsräume ..................................................................... 110
7.3 Überblick über die Einordnung der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in die Merkmalsräume .............. 112

8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei


Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien .............................................. 115
8.1 Übersicht über die Typologien und Wirkungszusammenhänge ...... 116
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale
Wirkungszusammenhänge ............................................................... 120
8.2.1 Typologie der Leiharbeitnehmer/-innen ..................................... 120
8.2.2 Zentrale Wirkungszusammenhänge der Leiharbeitnehmer/
-innentypen ................................................................................. 133
8.2.2.1 Der/die integrierte Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale
Wirkungszusammenhänge.................................................. 133
8.2.2.2 Der/die autarke Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 139
8.2.2.3 Der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 145
8.2.2.4 Der/die prekäre Verweigernde: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 151
8.2.3 Zwischenfazit: Der Umgang der Leiharbeitnehmer/-innen
mit der betrieblichen Mitbestimmung ......................................... 155
Inhalt 9

8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale


Wirkungszusammenhänge ............................................................... 162
8.3.1 Typologie der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ....................... 162
8.3.2 Zentrale Wirkungszusammenhänge der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innentypen ...................................... 175
8.3.2.1 Der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 175
8.3.2.2 Der/die autarke Werkvertragsarbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 179
8.3.2.3 Der/die prekäre, aktive Werkvertragsarbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 182
8.3.2.4 Der/die prekäre Konforme: Zentrale
Wirkungszusammenhänge.................................................. 191
8.3.3 Zwischenfazit: Der Umgang der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen mit der betrieblichen
Mitbestimmung ........................................................................... 194

9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge .... 205


9.1 Vergleichende Betrachtung der Typologien – ein Überblick .......... 205
9.1.1 Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als
(nicht-)prekär ............................................................................... 208
9.1.2 Handlungskonsequenzen und Rolle der jeweiligen
Mitbestimmungsarenen................................................................ 210
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und
Wirkungszusammenhänge ............................................................... 213
9.2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen ............................................... 216
9.2.2 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen .. 219
9.2.3 Existenz bzw. Nicht-Existenz eines Betriebsrats ........................ 221
9.2.4 Interne Akteur/-innen (Betriebsräte und Vorgesetzte) ................ 222
9.2.5 (Externe) Akteur/-innen im Zusammenhang mit einer
Betriebsratsgründung .................................................................. 224
9.2.6 Zugehörigkeitsgefühl und Wunsch nach Übernahme ................. 225
9.2.7 Mitbestimmungsaffinität, Erwartungen an und Erlebnisse
mit der betrieblichen Mitbestimmung ......................................... 229
9.2.8 Der biografische Status (Einsatzdauer, Erwerbsverlauf und
Qualifikationsniveau) .................................................................. 231

10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick .................................... 235


10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................. 235
10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe............................... 244
10 Inhalt

10.2.1 Spannungsverhältnis zwischen prekärer Beschäftigung und


Teilnahme an betrieblicher Mitbestimmung ........................... 244
10.2.2 Mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Institution der
(betrieblichen) Mitbestimmung und Reformbedarfe .............. 247
10.3 Kritische Würdigung der Ergebnisse und weiterer
Forschungsbedarf ............................................................................ 252

Literaturverzeichnis ............................................................................................. 255

Anhang................................................................................................................... 271
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Rechtliche Änderungen in der Leiharbeit ............................... 26


Tabelle 2: Kurzüberblick über das Betriebssample ................................. 90
Tabelle 3: Kurzüberblick über das Beschäftigtensample ......................... 91
Tabelle 4: Übersicht über die Typologie ............................................... 117
Tabelle 5: Einflussfaktoren auf die Situationsdefinition und
anschließende Handlungswahl in Bezug auf die
betriebliche Mitbestimmung ................................................. 119
Tabelle 6: Kurzüberblick über die Typologien ...................................... 206
Tabelle 7: Wirkungszusammenhänge der Typen ................................... 214
Tabelle 8: Zentrale Typen des Umgangs mit betrieblicher
Mitbestimmung..................................................................... 237

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Akteursbeziehungen bei Leiharbeit ........................................ 22


Abbildung 2: Akteursbeziehungen bei Werkvertragsarbeit .......................... 23
Abbildung 3: Entwicklung des Bestands an Leiharbeitnehmer/-innen
1994-2015 (Jahresdurchschnitte) ............................................ 32
Abbildung 4: Die Selektionen zur „Definition“ der Situation ...................... 69
Abbildung 5: Die Selektionen zur „Definition“ der Situation in Bezug
auf die betriebliche Mitbestimmung ....................................... 73
Abbildung 6: Merkmalsraum zur Typenbildung ........................................ 109
Abbildung 7: Einordnung der Leiharbeitnehmer/-innen in die
Merkmalsräume .................................................................... 111
Abbildung 8: Einordnung der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in die
Merkmalsräume .................................................................... 113
Abbildung 9: Der/die integrierte Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale
Wirkungszusammenhänge .................................................... 134
Abbildung 10: Der/die unbefangene, autarke Leiharbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge...................................... 140
12 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildung 11: Der/die distanzierte, autarke Leiharbeitnehmer/-in:


Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 143
Abbildung 12: Der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 146
Abbildung 13: Der/die prekäre Verweigernde: Zentrale
Wirkungszusammenhänge.................................................. 152
Abbildung 14: Der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 176
Abbildung 15: Der/die autarke Werkvertragsarbeitnehmer/-in:
Zentrale Wirkungszusammenhänge ................................... 179
Abbildung 16: Der/die prekäre Ratsuchende: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 182
Abbildung 17: Der/die prekäre Aktivist/-in: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 187
Abbildung 18: Der/die prekäre Konforme: Zentrale
Wirkungszusammenhänge ................................................. 192
Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BT-Drs. Bundestags-Drucksache
WU Werkvertragsunternehmen
IG Metall Industriegewerkschaft Metall
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
CDU Christlich Demokratische Union
CSU Christlich-Soziale Union
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
BAP Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister
iGZ Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V.
1 Einleitung

Wenn es um die Arbeitswelt geht, spielen derzeit wenige Themen in der öffentli-
chen, aber auch wissenschaftlichen Debatte eine so große Rolle wie die beiden
Beschäftigungsformen Leiharbeit1 und Werkverträge. Diese Arten der Fremd-
personalnutzung gelten als wachsende Bereiche: Die Zahl der Leiharbeitneh-
mer/-innen ist im langfristigen Vergleich mit hoher Dynamik gewachsen und lag
in Deutschland zuletzt (Stand: Juni 2016) bei 1,006 Millionen Beschäftigten
(Bundesagentur für Arbeit 2017). Zugleich gewinnt der Einsatz von Werkverträ-
gen an Bedeutung und ergänzt Leiharbeit im Betrieb. Grundsätzlich sind Werk-
verträge eine durchaus etablierte Form der Auslagerung von Tätigkeiten
und/oder Produktionsschritten. Neu ist jedoch, dass Unternehmen Werkverträge
mittlerweile häufig auf Dauer abschließen und solche Werke zukaufen, die bis-
her zu ihrem eigenen Kernbereich gehörten. Die Aufträge werden dabei durch
Werkvertragsunternehmen mit wiederum eigenem Personal verrichtet. Zudem
erfolgt die Erstellung der Werke nun oftmals „onsite“, also nicht nur auf dem
Betriebsgelände, sondern zum Teil auch an den Arbeitsplätzen und Maschinen
des beauftragenden Unternehmens (Hertwig et al. 2015a; Klein-Schneider/Beut-
ler 2013).
Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht die betriebliche Mitbestimmungssi-
tuation der Arbeitnehmer/-innen der genannten Beschäftigungsformen Onsite-
Werkvertragsarbeit und Leiharbeit. Bisher wird im Zusammenhang mit Leih-
und Werkvertragsarbeit einerseits der wachsende Bedarf an Flexibilität seitens
der Unternehmen diskutiert, der sich aus der zunehmenden wirtschaftlichen Glo-
balisierung und damit verbundenen Notwendigkeit von Wettbewerbsfähigkeit
ergibt (Bellmann et al. 2013). So werden durch den Einsatz von Fremdpersonal
sowohl die numerische, als auch die funktionale Flexibilität erhöht und zugleich
Lohn- und Transaktionskosten eingespart (Nienhüser/Baumhus 2002). Anderer-
seits stehen die damit einhergehenden Beschäftigungsbedingungen von Leih-
und Werkvertragsarbeit im Zentrum der Debatte. Dabei werden in der arbeitsso-
ziologischen Forschung die Prekaritätsaspekte dieser Beschäftigungsformen fo-
kussiert. Zahlreiche Untersuchungen bescheinigen Leiharbeit diverse Benachtei-
ligungen im Vergleich zum sogenannten Normalarbeitsverhältnis, die sich unter

1 Im Folgenden wird ausschließlich der Begriff Leiharbeit verwendet, der synonym zu den
ebenso üblichen Begriffen Arbeitnehmerüberlassung und Zeitarbeit ist.

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V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_1
16 1 Einleitung

anderem auf die Entlohnung, Beschäftigungsstabilität und soziale Sicherung


beziehen (vgl. beispielsweise Brehmer/Seifert 2008; Dütsch 2011; Jahn/Pozzoli
2013). Auch für Werkvertragsbeschäftigte wird hervorgehoben, dass diese bran-
chenübergreifend tendenziell unter schlechteren Bedingungen arbeiten und ge-
ringere Löhne als Stamm- und Leiharbeitskräfte beziehen (vgl. zum Beispiel
Obermeier/Sell 2016; Siebenhüter 2014). Nicht zuletzt stehen Werkverträge auch
deshalb im Lichte der Öffentlichkeit, weil Unternehmen verdächtigt werden, sie
mithilfe von „Scheinwerkverträgen“ systematisch zum Zwecke des Lohndum-
pings zu missbrauchen (Hertwig 2016: 77).
Entsprechend stehen Leih- und Werkvertragsarbeit vergleichsweise weit
oben auf der politischen Agenda: Im Juni 2016 einigten sich die Koalitionspar-
teien SPD und CDU/CSU auf das von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles
vorgeschlagene „Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
und anderer Gesetze“. Das Gesetz trat am 1. April 2017 in Kraft und sieht zur
Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen unter anderem
die Einführung einer Equal Pay-Regelung nach neun Monaten für Leiharbeit-
nehmer/-innen sowie eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten vor. In
Bezug auf Werkverträge ist ein Verbot für Arbeitgeber/-innen vorgesehen,
Scheinwerkverträge nachträglich durch die Vorlage einer Verleiherlaubnis als
Leiharbeit zu deklarieren. Ebenso enthält das Gesetz eine Klarstellung der In-
formationsrechte von Betriebsräten in Entleihbetrieben (BGBl. I 2017).
Das Gesetz weist damit auf einen zentralen Aspekt der Debatte hin: Die
Fragmentierung der Belegschaften – und damit die Auflösung eines einheitlichen
Betriebs – stellt die (betriebliche) Mitbestimmung vor eine doppelte Heraus-
forderung. Die Gewerkschaften stehen vor der Aufgabe, Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen zu organisieren und die Arbeitsbedingungen mithilfe
von Tarifverträgen zu regulieren, um die Ausbreitung prekärer Beschäftigungs-
verhältnisse einzudämmen. Die Betriebsräte sehen sich in den Einsatzbetrieben
veränderten Belegschaftsstrukturen gegenüber, die nicht mehr nur aus Stammbe-
schäftigten, sondern zunehmend auch aus Randbelegschaften bestehen. Während
allerdings in Bezug auf Leiharbeit in der Vergangenheit diverse Reformen des
Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) erfolgten, die den Handlungsspielraum
der Einsatzbetriebsräte bedeutend erweiterten, sind für Werkverträge hingegen
bislang keine weitreichenden Neuerungen in Kraft getreten (Barlen 2014).
Dem Umgang der Einsatzbetriebsräte mit Leih- und Werkvertragsarbeit
wird seitens der Industrial Relations-Forschung seit einiger Zeit große Aufmerk-
samkeit gewidmet. Dabei wird hervorgehoben, dass Betriebsräte zwar für das
Thema Leiharbeit mittlerweile sensibilisiert sind, allerdings ihre Handlungsmög-
lichkeiten nicht immer ausschöpfen (Artus 2014; Promberger 2012; Wasser-
mann/Rudolph 2007). Für Werkverträge hingegen besteht – so die übereinstim-
1 Einleitung 17

menden Ergebnisse – eine Regelungslücke. Die Betriebsräte in den Einsatzbe-


trieben sind dazu gezwungen, sich in dieses neue Themenfeld einzuarbeiten und
(trotz fehlender, rechtlicher Möglichkeiten) Handlungsstrategien zu entwickeln
(Hertwig et al. 2016; Koch 2012; Siebenhüter 2013). Diskutiert wird in diesem
Kontext auch, ob mit dem Ende des – hinsichtlich der Belegschaften – einheitli-
chen „Normalbetriebs“ und dem gleichzeitigen Aufkommen von Betriebskonglo-
meraten, bei denen die einzelnen Betriebe unterschiedlichen Unternehmungen
und Branchen angehören, das Ende des dualen Systems industrieller Beziehun-
gen eingeläutet ist, weil sowohl Betriebsratszuständigkeiten, als auch Tarifbin-
dungen prekär werden (Hertwig et al. 2016; Sydow/Wirth 1999).
Der Themenkomplex „Leiharbeit, Werkverträge und betriebliche Mitbestim-
mung“ fand seither vorwiegend aus der Perspektive der Betriebsräte und Ge-
werkschaften (d.h. expertenorientiert) und im Hinblick auf deren Umgang mit der
zunehmenden Fragmentierung der Belegschaften Berücksichtigung. Wenig Beach-
tung fand bislang der Blickwinkel der Beschäftigten selber, die sich ebenfalls neu-
en Konstellationen und Anforderungen gegenübersehen. Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen arbeiten als externe Beschäftigungskräfte in einem
„fremden“ Betrieb und sehen sich daher mit zwei Mitbestimmungsarenen konfron-
tiert: In ihrem jeweiligen Entsendebetrieb sind sie – sofern dort ein Betriebsrats-
gremium vorhanden ist – rein rechtlich in die betriebliche Mitbestimmung inte-
griert, allerdings räumlich von dieser entfernt. Im Einsatzbetrieb hingegen sind
Leiharbeitnehmer/-innen zwar theoretisch in die betriebliche Mitbestimmung inte-
griert und verfügen somit über ein „doppeltes Wahlrecht“ (Wassermann/Rudolph
2005: 156 f.), können aber nur eingeschränkt daran teilnehmen: Das aktive Wahl-
recht haben sie erst nach drei Monaten; zudem können sie nicht selber für den
Betriebsrat kandidieren. Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen sind im Ein-
satzbetrieb vollständig von der betrieblichen Mitbestimmung ausgeschlossen.
Brinkmann/Nachtwey (2014: 96) kommen daher zu dem Schluss: „Der Finalbe-
trieb verliert damit seine Funktion als rechte- und gleichheitsabsichernde Instituti-
on für die prekär Beschäftigten.“
Wie aber beurteilen die Beschäftigten selber diese „prekäre Demokratie“
(ebd.)? Der Grad der Teilhabe an betrieblicher Mitbestimmung ist auch aus dem
Blickwinkel der Beschäftigten als eine Dimension von Prekarität zu sehen
(Brinkmann et al. 2006: 18; Promberger 2012: 225), wenn die Beteiligungsmög-
lichkeiten von denen eines sogenannten Normalarbeitsverhältnisses negativ ab-
weichen. Eine wissenschaftliche Untersuchung der Perspektive der Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sowie ihres tatsächlichen Umgangs mit ihrer
betrieblichen Mitbestimmungssituation ist bislang nicht erfolgt. Damit fehlt ein
entscheidendes Puzzlestück innerhalb des genannten Forschungsgebiets der
betrieblichen Mitbestimmung bei Leih- und Werkvertragsarbeit, denn die Be-
18 1 Einleitung

schäftigten sind ebenso wie die Betriebsräte und Geschäftsführungen Teil der
betrieblichen Arbeitsbeziehungen (Wilkesmann et al. 2011a: 206). Sie sind an
der Gestaltung der Regulierung von Arbeit „[a]ls politische Wahlbürger, als
potenzielle Mitglieder oder Nicht-Mitglieder von gewerkschaftlichen Organisa-
tionen, als Teil eines betrieblichen Sozialgefüges“ (Holtrup 2008: 161) durchaus
beteiligt. Eine Betrachtung des Systems der betrieblichen Mitbestimmung aus
der Beschäftigtenperspektive ist in Konsequenz notwendig, um den Wandel der
Arbeitswelt und mögliche Auswirkungen für Beschäftigte, aber auch für die (be-
trieblichen) Interessenvertretungen ganzheitlich zu eruieren.
Vor diesem Hintergrund ist es Ziel und Gegenstand der vorliegenden Stu-
die, die betriebliche Mitbestimmung bei Leih- und Werkvertragsarbeit aus der
Perspektive der betroffenen Beschäftigten zu beleuchten. Die Befassung mit
diesen Aspekten führt zu einer Forschungsfrage, die leitend für das Vorgehen der
gesamten Studie ist:

Inwiefern bewerten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ihre betriebli-


che Mitbestimmungssituation subjektiv als prekär und wie gehen sie mit der
Koexistenz zweier Arenen der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatz- und
Entsendebetrieb um?

Damit sind die folgenden Fragenkomplexe verbunden:

 Wie werden die bestehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten im jeweiligen


Einsatz- bzw. Entsendebetrieb von den Leih- und Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen wahrgenommen und beurteilt?
 Welche Handlungskonsequenzen für den jeweiligen Umgang mit ihrer Mit-
bestimmungssituation ergeben sich für die Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen? Wird dabei jeweils eine Mitbestimmungsarena durch die
Beschäftigten bevorzugt, und wenn ja, welche?
 Durch welche Bedingungen lassen sich die verschiedenen Bewertungen und
Handlungen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen erklären?

Neben Sekundärliteratur besteht die Datenbasis dieser Studie aus 30 qualitativen,


problemzentrierten Interviews mit Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
aus fünf Einsatzbetrieben der Metall- und Elektroindustrie. Diese wurden im
Hinblick auf die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der individuellen
Mitbestimmungssituation sowie auf die jeweilige Beteiligung innerhalb der bei-
den Mitbestimmungsarenen ausgewertet und durch die Erstellung von je einer
Typologie pro Beschäftigungsform systematisiert. Ferner erfolgte eine Identifi-
zierung relevanter Bewertungs- und Handlungsbedingungen, welche die Typen
1 Einleitung 19

begründen. Dieses Vorgehen ermöglicht, insbesondere jene Faktoren zu ermit-


teln, die mit den spezifischen Beschäftigungsbedingungen von Leih- und Werk-
vertragsarbeit zusammenhängen. Die vorliegende Studie bietet aufgrund der
subjektorientierten Forschungsperspektive einerseits Einblicke in die Arbeits-
und Mitbestimmungsrealität von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen.
Andererseits bieten die Ergebnisse Anknüpfungspunkte für die Diskussion um
gesetzliche Reformbedarfe und die (künftigen) Handlungsspielräume der Akteu-
re der betrieblichen Mitbestimmung.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel wird zu-
nächst ein Überblick über die beiden Untersuchungsgruppen gegeben, indem die
rechtlichen Definitionen und die quantitative Entwicklung von Leih- und Werk-
vertragsarbeit vor dem Hintergrund von De- und Re-Regulierung anhand von
Sekundärliteratur erörtert wird. In Kapitel 3 wird der theoretische und empirische
Forschungsstand zum Begriff der Prekarität dargestellt. Besondere Berück-
sichtigung finden dabei die bisherigen Erkenntnisse zu Leih- und Werkvertrags-
arbeit als potenziell prekäre Beschäftigungsformen. Nach der Identifizierung der
Forschungslücke werden in Kapitel 4 die Forschungsfragen konkretisiert und
handlungstheoretisch eingebettet. Daran schließt die Vorstellung des For-
schungsdesigns und des konkreten methodischen Vorgehens an (Kapitel 5). In
Kapitel 6 wird analysiert, wie das objektive Prekaritätspotenzial von Leih- und
Werkvertragsarbeit in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung ausgestaltet ist.
Dazu wird untersucht, welche Mitbestimmungsbedingungen und -möglichkeiten
auf Basis gesetzlicher Regelungen für Leih- und Werkvertragsbeschäftigte im
Vergleich zu Normalarbeitnehmer/-innen bestehen. Die empirische Studie
schließt sich ab Kapitel 7 an: Die subjektiven Bewertungen sowie die Handlun-
gen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen werden anhand von zwei
Typologien systematisiert und anhand zentraler Bedingungen begründet (Kapitel
7 und 8). Im neunten Kapitel erfolgen eine Gegenüberstellung der beiden Be-
schäftigtentypologien und eine vergleichende Betrachtung der zugrundeliegen-
den Bedingungen. Schließlich werden in Kapitel 10 die zentralen Ergebnisse
resümiert, diskutiert und abschließend – auch vor dem Hintergrund weiterer For-
schungsperspektiven – betrachtet.
2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/innen

In diesem Kapitel werden zunächst die rechtliche Abgrenzung von Leiharbeit


und Werkverträgen sowie ihre gesetzlichen und tarifvertraglichen Rahmenbedin-
gungen behandelt, um daran anschließend auf die quantitative Entwicklung und
mögliche, zugrundeliegenden Faktoren einzugehen.2

2.1 Rechtliche Abgrenzung der Beschäftigungsformen Leih- und


Werkvertragsarbeit

Sowohl Leih-, als auch Werkvertragsarbeit zeichnet sich – im Gegensatz zu


Standardarbeitsverhältnissen – durch ‚Dreiecksarbeitsverhältnisse‘ aus, bei de-
nen drei Akteure zentral sind:
Leiharbeit findet statt, wenn ein/e Arbeitnehmer/-in (Leiharbeitnehmer/-in)
durch ein/e Arbeitgeber-/in (Leiharbeitsfirma) einem Dritten (Einsatz- bzw. Ent-
leihbetrieb) für Arbeitseinsätze überlassen wird. Der/die Leiharbeitnehmer/-in
steht also bei der Leiharbeitsfirma unter Vertrag, leistet die Arbeit jedoch im
Entleihbetrieb (Deich 2009: 412 f.). Abbildung 1 verdeutlicht diese Akteursbe-
ziehungen.
Die in dieser Forschungsarbeit behandelten Werkverträge hingegen beruhen
auf einem Vertragsverhältnis zwischen einem/einer Auftraggeber/-in (Werkbe-
steller/-in) und einem/einer Auftragnehmer/-in (Werkvertragsunternehmen) über
die Erstellung eines im Vertrag exakt festgelegten Werkes. Es wird ein konkreter
Leistungserfolg vereinbart (Deich 2009: 412). In dieser Forschungsarbeit werden
ausschließlich die sogenannten Onsite-Werkverträge betrachtet, bei denen der
Werkvertragsabschluss zwischen zwei Unternehmen zustande kommt.3 Diese
Werkverträge verfügen über vier Merkmale: Erstens erbringt das Werkvertrags-
unternehmen die Werkleistungen im Betrieb bzw. auf dem Betriebsgelände des
Werkbestellers (d.h. im Einsatzbetrieb). Zweitens gehören die per Werkvertrag

2 Kapitel 2 stellt eine überarbeitete Fassung von Abschnitten meines Beitrages „Herausforderung
Leiharbeit und Werkverträge“ (Barlen 2014) dar.
3 Neben dieser Form von Werkverträgen existiert die Auslagerung von Tätigkeiten an natürliche
Personen, die das Werk im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit erstellen (auch Freelancer
oder Solo-Selbstständige genannt) (Koch 2012: 9 ff.).

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V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_2
22 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

vergebenen Leistungen zum Kernbereich der Wertschöpfung bzw. des Betriebs-


zwecks des Werkbestellers. Drittens ist die Werkvertragsbeziehung auf Dauer
angelegt. Viertens schließlich lässt das Werkvertragsunternehmen das vereinbar-
te Werk von den eigenen Angestellten verrichten (Hertwig et al. 2015a: 458).
Diese Angestellten werden im Folgenden als Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
bezeichnet.

Arbeitnehmer-
überlassungsvertrag
Leiharbeitsfirma Einsatz-/
Entleihbetrieb

Vergütung

Entgelt Weisungs-
Arbeitsvertrag befugnis
Arbeitsleistung

Leiharbeitnehmer/-in

Abbildung 1: Akteursbeziehungen bei Leiharbeit


Quelle: Modifizierte Darstellung nach Crimmann et al. (2009: 5).

Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sind im Grunde qua ihres Arbeitsvertrags re-


guläre Arbeitnehmer/-innen, unterscheiden sich von diesen aber aufgrund ihres
Arbeitsortes im fremden Betrieb. Abbildung 2 stellt die Akteursbeziehungen bei
Werkverträgen zwischen Unternehmen dar.
2.1 Rechtliche Abgrenzung der Beschäftigungsformen Leih- und Werkvertragsarbeit 23

Werkvertrag
Werkvertrags- Vergütung Einsatzbetrieb
unternehmen (Werkbesteller/-in)
Werk

Entgelt und
Arbeitsvertrag Weisungsbefugnis Ausführung der
Weisung des
Werkvertragsunter-
nehmens

Werkvertragsarbeit-
nehmer/-in

Abbildung 2: Akteursbeziehungen bei Werkvertragsarbeit


Quelle: Modifizierte Darstellung nach Lorig (2012: 8).

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Leiharbeit und Werkverträgen stellt die


Organisation des Fremdpersonals im Einsatzbetrieb dar: Bei Abschluss eines
Werkvertrags obliegt es dem Werkvertragsunternehmen, die Arbeit seines Per-
sonals, den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, im Fremdbetrieb zu organisieren.
Der/die Werkbesteller/-in kann den Arbeitseinsatz nicht direkt steuern, sondern
verfügt nur über ein gegenstandsbezogenes Anweisungsrecht, mit dem er die
Werkleistung mitgestalten kann. Bei der Leiharbeit hingegen liegt das Weisungs-
recht beim Entleihbetrieb: Er kann den Arbeitseinsatz der Leiharbeitnehmer/-
innen wie den des eigenen Personals lenken.
Eine weitere Differenz zwischen Leih- und Werkvertragsarbeit stellen au-
ßerdem die bereits erwähnten Vertragsziele dar: Bei der Leiharbeit sind diese nur
unbestimmt festgelegt, also zum Beispiel ‚Mitarbeit im Betrieb XY‘. In Werk-
verträgen hingegen sind das Werkergebnis sowie ein Fertigstellungstermin ver-
einbart. Bis zur Abnahme des Werkes verbleibt jegliches Risiko beim Werkver-
tragsunternehmen (Hamann 2003: 20 ff.).4

4 Neben dem Werkvertrag existiert im Fremdpersonaleinsatz das Modell des Dienstvertrags.


Dieser verpflichtet zu einer bestimmten Arbeitsleistung; geschuldet ist nur das Wirken, nicht
aber der Erfolg. Dieser erlangte bisher in der Praxis aber nur eine relativ geringe Bedeutung
(Hamann 2003). So sind zum Beispiel auch Verträge über die Reinigung von Gebäuden als
Werkverträge zu qualifizieren, da sie erfolgsbezogen (= Sauberkeit von Räumen oder
Gebäuden) sind (vgl. LG Köln, Urteil vom 10.01.2012 - 5 O 51/11). Zwischen diesen beiden
24 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

Werkverträge und Leiharbeit sind also rechtlich klar voneinander abgrenz-


bar. In der Diskussion um Leih- und Werkvertragsarbeit fällt jedoch immer wie-
der der Begriff des Scheinwerkvertrags (auch: illegale Arbeitnehmerüberlas-
sung). Dabei werden Tätigkeiten mit Werkverträgen an ein anderes Unternehmen
vergeben; die Tätigkeit weist aber Merkmale von Leiharbeit auf. Beispiele dafür
sind eine unpräzise Beschreibung des Werkes im Vertrag oder die Erledigung
bestimmter betrieblicher Aufgaben von Fremd- und Eigenpersonal. Zur Beurtei-
lung, ob es sich um ‚echte‘ Werkverträge oder um Scheinwerkverträge handelt,
reicht jedoch ein einzelnes Kriterium nicht aus. Stattdessen ist das ganze Ver-
tragsverhältnis sowie die Praxis im Betrieb zu betrachten (Deich 2009: 413 f.).
Für Betriebsräte im Einsatzbetrieb ist es daher in der Praxis schwierig, Leih- und
Werkvertragsarbeit voneinander abzugrenzen und gegebenenfalls Scheinwerk-
verträge zu identifizieren (vgl. z. B. IG Metall Vorstand 2012: 43 ff.; Lorig 2012:
19 f.)
In den hier betrachteten Formen haben Leih- und Werkvertragsarbeit aller-
dings die „heterogene Betriebs- und Unternehmenszugehörigkeit“ (Promberger
2006: 5) gemeinsam: Die Arbeitsleistung wird als externe Arbeitskraft für das
jeweilige Entleih- bzw. Werkbestellerunternehmen erbracht. Die Beschäftigten
gehören aber formal dem Verleih-/Werkvertragsunternehmen an, das auch für
ihre Entlohnung zuständig ist. Leiharbeitnehmer/-innen sind somit „Diener zwei-
er Herren“ (Wassermann 2005: 23), weil ihr Arbeitsvertrag mit dem Verleih-
unternehmen geschlossen ist, das Weisungsrecht hingegen vom Entleihbetrieb
übernommen wird und dieser die wichtigen Entscheidungen bzgl. Art, Umfang,
Ort und Dauer der Arbeitsleistung trifft. Die Rolle des Arbeitgebers wird gegen-
über den Leiharbeitnehmer/-innen also zumindest teilweise vom Entleihbetrieb
übernommen. Für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen gilt dies aufgrund der Wei-
sungsbefugnis nicht – das Weisungsrecht und die komplette Organisation der
Arbeit sind klar dem Werkvertragsunternehmen zugeordnet (Deich 2009: 412 f.).
Eben diese klaren Grenzziehungen werden bei einem Vorliegen von Schein-
werkverträgen umgangen.

Vertragsformen bestehen aber Überschneidungsbereiche, die im Folgenden nicht weiter


behandelt werden können und sollen.
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit 25

2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit vor dem


Hintergrund von De- und (Re-)Regulierung
Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit

Neben diversen Gesetzesreformen und ausgehandelten Tarifverträgen hat die


Durchsetzung des Arbeitsrechts durch die Arbeitsgerichtsbarkeit5 in der Vergan-
genheit mehrfach Einfluss auf die Gestaltung von Leiharbeit genommen. Im
folgenden Unterkapitel werden die gesetzlichen und tarifvertraglichen Rahmen-
bedingungen von Leih- und Werkvertragsarbeit dargestellt, um daran anschlie-
ßend vor diesem Hintergrund ihre quantitative Entwicklung zu diskutieren.

2.2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Werkverträge sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 631 - 651 BGB) geregelt


und erfuhren diesbezüglich bisher keinerlei gesetzliche Reformen. Die Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen sind Beschäftige des jeweiligen Werkvertragsunter-
nehmens; für sie gilt das allgemeine deutsche Arbeitsrecht beziehungsweise die
tarifvertraglichen Regelungen der jeweiligen Branche oder des jeweiligen Unter-
nehmens.
Leiharbeit verfügt im Gegensatz dazu über eine lange Regulierungsge-
schichte: Sie ist in der Bundesrepublik Deutschland im Arbeitnehmerüberlas-
sungsgesetz (AÜG) vom 7.8.1972 geregelt. Die ‚Urform‘ des AÜG umfasste den
Schutz der Leiharbeitnehmer/-innen durch Befristungs-, Wiedereinstellungs- und
Synchronisationsverbote6 einerseits sowie den Schutz der Stammbelegschaften
durch eine vorgegebene Überlassungshöchstdauer von drei Monaten anderer-
seits. Seit 1972 ist das AÜG, aber auch das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG),
mehrfach modifiziert worden. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die
wichtigsten Reformen seit Anfang der 1980er Jahre.

5 Die Arbeitsgerichtsbarkeit besteht aus den Arbeitsgerichten, den Landes- und Bundesarbeits-
gerichten, die u.a. in Streitigkeiten des kollektiven wie des individuellen Arbeitsrechts ent-
scheiden (Keller 1991: 38; Müller-Jentsch 1986: 253),
6 Das Befristungsverbot macht eine wiederholte Befristung einer Leiharbeitsbeschäftigung
unzulässig, sofern kein sachlicher Grund für die Befristung vorliegt. Das Wiedereinstellungs-
verbot schließt die Wiedereinstellung eines/r Leiharbeiters bzw. Leiharbeiterin durch denselben
Verleiher innerhalb drei Monate nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Das Synchroni-
sationsverbot beinhaltet, dass sich die Dauer des Leiharbeitsverhältnisses nicht auf einen Ent-
leiheinsatz beschränken darf (Antoni/Jahn 2006: 2).
26
Tabelle 1: Rechtliche Änderungen in der Leiharbeit
Ab 1.1.1982 Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Bauhauptgewerbe
Ab 1.5.1985 Beschäftigungsförderungsgesetz
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von 3 auf 6
Verlängerung der Regelung zum 1.5.1990 bis 31.12.1995
Monate bis 31.12.1989
Ab 1.1.1994 Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von 6 auf 9 Aufhebung des Synchronisationsverbots für von der BA zuge-
Monate bis 31.12.2000 wiesene schwer vermittelbare Arbeitslose
Ab 1.4.1997 Wiederholte Zulassung lückenlos
Verlängerung der Zulassung der Synchronisa-
Erlaubnis einmaliger Be- aufeinander folgender Befristun-
Überlassungshöchst- tion von Ersteinsatz und Ar-
fristung ohne sachlichen gen mit demselben Leiharbeit-
dauer von 9 auf 12 beitsvertrag beim erstmaligen
Grund nehmer bzw. derselben Leihar-
Monate Verleih
beitnehmerin
Ab 28.7.2001 Reform des Betriebsverfassungsgesetzes
Wahlberechtigung von Leiharbeitnehmer/-innen bei Betriebsratswahlen
Ab 1.1.2002 Job-AQTIV-Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von 12 auf
Gleichbehandlungsgrundsatz nach 12 Monaten
24 Monate
Ab 1.1.2003 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Lockerung des Entleih- Gleichbehandlungsgrundsatz
Wegfall des Synchronisations- und Wieder-
verbotes im Bauhauptge- sofern keine abweichenden
einstellungsverbots und der Überlassungshöchstdauer
werbe Tarifvereinbarungen
Ab 1.2.2009 Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität
Möglichkeit der Inanspruchnahme von Kurzarbeit in der Leiharbeit (gültig bis Ende 2012)
2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen
Ab 1.12.2011 Europäische Richtlinie über Leiharbeit (umgesetzt als Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes
– Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung)
Gleichberechtigter
Informationspflicht Vorübergehender Einsatz Möglichkeit der Fest-
Zugang zu Ge- Drehtür-
des Entleihers über von Leiharbeitnehmer/- setzung einer Lohnun-
meinschaft- klausel
freie Arbeitsplätze innen tergrenze
seinrichtungen
Ab 1.1.2012 Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung
Einführung eines Mindestlohns mit Ost-/West-Differenzierung und stufenweiser Erhöhung (zunächst vereinbart bis zum
31.12.2019)
Ab 1.4.2017 Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze
Einführung
Gleichstellung spätestens Definitorische
einer Überlas- Berücksichtigung von
nach 9 Monaten hinsicht- kein Einsatz von Leihar- Abgrenzung
sungs- Leiharbeitnehmer/-innen
lich des Arbeitsentgelts beitnehmer/-innen als von Leih- und
höchstdauer bei der Berechnung von
mit Stammarbeitnehmer/- Streikbrecher/-innen Werkvertrags-
von 18 Mona- Schwellenwerten
innen (Equal Pay) arbeit
ten
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit

Quellen: Eigene Darstellung nach Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2013d: 5) mit Ergänzungen nach BMAS (21.03.2014; 26.05.2017) und
Reichold (2001: 861)
27
28 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

Einschneidend sind die Reformen des AÜG aus den Jahren 1997, 2002 und
2003, bei denen die vorher geltenden, oben genannten Verbote deutlich gelockert
bzw. abgeschafft wurden.
Im Rahmen des Job-AQTIV-Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpoliti-
schen Instrumente (2002) wurde darüber hinaus der Gleichstellungsgrundsatz
eingeführt. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmer/-innen ab dem dreizehnten
Monat ihrer Tätigkeit im selben Entleihunternehmen für denselben Lohn sowie
unter denselben Arbeitsbedingungen wie die Festangestellten arbeiten müssen
(equal pay/equal treatment-Prinzip). Seit dem Ersten Gesetz für moderne Dienst-
leistungen am Arbeitsmarkt (2003) ist der Gleichstellungsgrundsatz vom ersten
Tag des Verleihs an einzuhalten, sofern kein Branchentarifvertrag angewandt
wird. Infolge dieser Gesetzesänderung wurde eine Vielzahl von Tarifverträgen
abgeschlossen, die Arbeitsbedingungen und -lohn regeln und die den Leihar-
beitsfirmen eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz ermöglichen (Anto-
ni/Jahn 2006: 2 f.; siehe auch Kapitel 2.2.2).
Seit 2011 ist eine Kehrtwende hin zu einer stärkeren gesetzlichen Regulie-
rung der Leiharbeit zu beobachten: Mit der Umsetzung der Europäischen Richtli-
nie über Leiharbeit wurden die Rechte der Leiharbeitnehmer/-innen im AÜG da-
hingehend gestärkt, dass in den Einsatzbetrieben eine Informationspflicht über
freie Arbeitsplätze besteht. Zweck dieser Reform ist die Unterstützung des Über-
gangs von Leiharbeitnehmer/-innen in die Stammbelegschaft. Außerdem sind
Leiharbeitskräfte von nun an per Gesetz hinsichtlich des Zugangs zu Gemein-
schaftseinrichtungen und -diensten im Einsatzunternehmen den Stammbeschäftigten
gleichgestellt. Die Möglichkeit, zuvor arbeitslose Leiharbeitnehmer/-innen für sechs
Wochen zu einem Gehalt zu beschäftigten, das dem zuletzt gezahlten Ar-
beitslosengeld entspricht, wurde gestrichen. Schließlich beinhaltet die Änderung
des AÜG die sogenannte Drehtürklausel: Seitdem ist es nicht mehr möglich,
Arbeitnehmer/-innen zu entlassen und diese anschließend innerhalb von sechs
Monaten als Leiharbeitskräfte im gleichen Betrieb – aber zu schlechteren Ar-
beitsbedingungen – einzusetzen. Sie haben dann laut Klausel einen Anspruch auf
Equal Pay (BGBl. I 2011; BT-Drs. 17/4804 2011).
Zusätzlich zu diesen Reformen des AÜG und dem 2012 eingeführten Min-
destlohn wurde das BetrVG mehrfach novelliert: Seit 2001 sind darin diverse
Informations- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich Leiharbeit
verankert; außerdem haben Leiharbeitnehmer/-innen seitdem ein aktives Wahl-
recht bei Betriebsratswahlen (Priebe 2012: 6 f.).7 Das Bundesarbeitsgericht ent-
schied darüber hinaus mit einem Urteil, dass Leiharbeitskräfte bei der Berech-

7 Die Teilnahme an den Wahlen ist zulässig, sofern die Leiharbeitnehmer/-innen länger als drei
Monate im Betrieb eingesetzt sind. Dabei ist nicht der tatsächliche Einsatz maßgeblich, son-
dern die geplante Dauer des Einsatzes (Priebe 2012: 6 f.).
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit 29

nung der Betriebsratsgröße eines Entleihbetriebes mitgezählt werden müssen


(BAG Beschluss vom 13.3.2013, 7 ABR 69/11; vgl. Haufe Online 13.03.2013).
Auf die Gesetzgebung in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung wird in
Kapitel 6 gesondert eingegangen.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und
anderer Gesetze wurden 2017 überdies weitere Regulierungen von Leih- und
Werkvertragsarbeit eingeführt. Das Gesetz sieht für Leiharbeit erstens die Ein-
führung einer Equal Pay-Regelung nach neun Monaten vor. Abweichungen da-
von sind jedoch in Form von (Branchen-) Zuschlagstarifverträgen möglich.
Zweitens wurde eine Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten eingeführt.
Auch diesbezüglich können in einem Tarifvertrag der Einsatzbranche abwie-
chende Regelungen vereinbart werden. Drittens wurde mit Inkrafttreten des Ge-
setzes der Einsatz von Leiharbeitskräften als Streikbrecher/-innen untersagt. Für
Werkverträge ist zudem die gesetzliche Klarstellung der Informationsrechte von
Betriebsräten in Einsatzbetrieben festgeschrieben. Arbeitgeber/-innen wird au-
ßerdem die Möglichkeit entzogen, verdeckte Arbeitnehmerüberlassung (sog.
Scheinwerkverträge) nachträglich durch die Vorlage einer Verleiherlaubnis als
Leiharbeit zu deklarieren und damit zu legalisieren.
Aktuell (Stand: August 2017) gilt für Leiharbeitnehmer/-innen folglich das
equal pay/ equal treatment-Prinzip (sofern kein Branchentarifvertrag angewandt
wird), eine Informationspflicht über freie Arbeitsplätze im Einsatzbetrieb, der
gleichberechtigte Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten im Ein-
satzunternehmen sowie die Lohnuntergrenze. Dazu kommen diverse Regelungen
in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung, die in Kapitel 6 näher behandelt
werden. Es existiert ferner eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18
Monaten (Ausnahmen möglich bei anderslautenden Tarifverträgen); es ist außer-
dem festgelegt, dass ein Leiharbeitseinsatz nur vorübergehend und nicht unter
den genannten Bedingungen der Drehtürklausel erfolgen darf.
Da die empirische Erhebung der vorliegenden Forschungsarbeit bereits
2014/2015 erfolgte, gelten für die zum Sample gehörenden Leiharbeitnehmer/-in-
nen entsprechend noch nicht die Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze.

2.2.2 Tarifvertragliche Regelungen

Der erste Tarifvertrag in der Leiharbeitsbranche wurde 2002/2003 abgeschlos-


sen. Die damalige Reform des AÜG im Zuge des Ersten Gesetzes für moderne
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt erwies sich als Impulsgeber für die Tarifpar-
teien, da der damit eingeführte Gleichstellungsgrundsatz hinfällig wird, wenn ein
Tarifvertrag besteht (Wassermann/Rudolph 2005: 179). Vor der Inkraftsetzung
30 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

dieses Prinzips gab es in Deutschland kaum Unternehmen mit Tarifvertrag in der


Leiharbeitsbranche (Weinkopf/Vanselow 2008: 8 f.). Im Jahre 2010 waren dann
bereits 72% aller Betriebe des Wirtschaftszweiges ‚Vermittlung und Überlassung
von Arbeitskräften‘ an einen Branchen- oder Firmentarifvertrag gebunden
(Statistisches Bundesamt 2013: 11).
Aktuell existieren – neben Haus- und Änderungstarifverträgen – zwei Flä-
chentarifverträge in der Leiharbeitsbranche.8 2006 vereinbarte die DGB-Tarifge-
meinschaft gemeinsam mit den damaligen Arbeitgeberverbänden der Leiharbeits-
branche zudem einen tariflichen Mindestlohn, der 2012 in das AÜG aufgenommen
wurde (Meyer 2013: 375 ff.). Als bahnbrechend gilt jedoch der von der IG Metall
2012 verhandelte Pilotabschluss über Branchenzuschläge in der Metall- und Elekt-
roindustrie. Danach haben Leiharbeitnehmer/-innen zusätzlich zum tariflich festge-
legten Entgelt einen Anspruch auf eine Zuschlagszahlung, die sich aus der je-
weiligen Einsatzdauer errechnet (WSI-Tarifarchiv 2013: 8). Zugleich konnten in
einem weiteren Tarifvertrag mehr Rechte für die Betriebsräte in den Entleihbetrie-
ben sowie eine Übernahmeregelung für Leiharbeitnehmer/-innen der Metall- und
Elektroindustrie ausgehandelt werden (Bispinck 2013: 19 ff.).
Vor dem Hintergrund des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung des Ar-
beitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze wurden jüngst neue tarifli-
che Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien der Metall- und Elektro-
industrie getroffen. Den Betriebsparteien im Einsatzbetrieb wird es durch den
veränderten Tarifvertrag ermöglicht, in einer Betriebsvereinbarung die Überlas-
sungshöchstdauer auf bis zu 48 Monaten zu erhöhen. Gilt keine Betriebsverein-
barung, muss der/die Arbeitgeber/-in den Leiharbeitnehmer/-innen nach 24 Mo-
naten die Übernahme in den Einsatzbetrieb anbieten. Darüber hinaus wurde eine
neue Stufe der Branchenzuschläge eingeführt, die ab dem 15. Einsatzmonat
greift. Mit einem Zuschlag von 65% soll damit ein Lohn gezahlt werden, der
gleichwertig mit dem Entgelt in der Metall- und Elektroindustrie ist (IG Metall
13.05.2017).
Für Werkverträge existieren hingegen keine speziellen Flächen- bzw. Bran-
chentarifverträge. Anders als Leiharbeit stellt Werkvertragsarbeit keinen eigen-
ständigen Wirtschaftszweig dar, so dass zugleich kein branchenspezifischer
Arbeitgeberverband als potenzieller Tarifpartner der IG Metall bzw. der DGB-
Tarifgemeinschaft existiert. Das Prinzip der Tarifeinheit („Ein Betrieb – eine Ge-
werkschaft“) wird im Falle der Werkverträge folglich dadurch aufgehoben, dass
sich Kernbelegschaften im Geltungsbereich der Branchentarifverträge der Me-
tall- und Elektroindustrie wiederfinden, für die Werkvertragsbeschäftigten aller-

8 Diese bestehen zwischen DGB / Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP)


und DGB / Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e.V. (iGZ).
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit 31

dings andere Tarifverträge gelten (Dribbusch 2010: 14).9 Eine Aussage über den
Tarifbindungsgrad von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist daher quasi unmög-
lich.10 Bislang wurde lediglich ein Haustarifvertrag in der Metall- und Elektroin-
dustrie bundesweit speziell zu Werkverträgen in einem Einsatzbetrieb zwischen
dem IG Metall-Bezirk Küste und der Meyer Werft abgeschlossen. Das sogenann-
te Papenburger Modell enthält u.a. Mindeststandards im Arbeits- und Gesund-
heitsschutz, einen Mindeststundenlohn sowie gestärkte Informations- und Mit-
wirkungsrecht des Betriebsrats (Meyer Werft 2013).11
Neben den bereits genannten Regulierungen auf gesetzlicher bzw. tarifver-
traglicher Ebene existiert die Möglichkeit, Leih- und Werkvertragsarbeit auf
betrieblicher Ebene im Rahmen von Betriebsvereinbarungen zu regulieren. Auf
diesen Aspekt der betrieblichen Mitbestimmung wird gesondert in Kapitel 6
eingegangen.

2.2.3 Quantitative Entwicklung und Charakteristika von Leih- und


Werkvertragsarbeit

Die folgende kurze empirische Analyse gibt einen Überblick über die Entwick-
lung von Leiharbeit und Werkverträgen in Deutschland.
Der Anteil der Leiharbeitnehmer/-innen an der Gesamtbeschäftigung ist
zwar relativ gering und beträgt knapp drei Prozent (Statistik der Bundesagentur
für Arbeit 2016b: 9)  die Bedeutung der Leiharbeit am Arbeitsmarkt zeigt sich
jedoch in ihrer starken Dynamik: Die Zahl der Leiharbeitnehmer/-innen hat sich
seit Mitte der 2000er mehr als verdoppelt. Nach einer kurzen Phase des Rück-
gangs im Jahr 2012 bzw. einer Stagnation in der ersten Jahreshälfte 2013 zeich-

9 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang allerdings die von den Gewerkschaften IG Metall
und ver.di geschlossene Kooperationsvereinbarung, welche die Zuständigkeiten und Geltungs-
bereiche für Tarifverträge in der industriellen Kontraktlogistik regeln soll. Die IG Metall ist
demnach u.a. dann zuständig, wenn ein Kontraktlogistiker die Tätigkeiten auf dem Werksge-
lände eines Betriebs erbringt, der in den Organisationsbereich der IG Metall fällt und/oder
wenn die Tätigkeiten zu mehr als 75 Prozent für einen Endkunden erbracht werden, der in den
Organisationsbereich der IG Metall fällt (IG Metall online 12.01.2016).
10 Lediglich für einzelne Wirtschaftszweige existieren Daten zur Tarifbindung, dabei waren zum
Beispiel im Jahr 2011 im Verarbeitenden Gewerbe 32% der Betriebe (und damit 60% der Be-
schäftigten) entweder mit einem Branchen- oder mit einem Haustarifvertrag tariflich gebunden
(WSI-Tarifarchiv 2014: 22) – wie viele Unternehmen davon Werkvertragsunternehmen sind,
ist nicht bekannt.
11 Die IG Metall schloss zudem 2014 in der Stahlindustrie einen Tarifvertrag ab, in den der Ar-
beitsschutz sowie ein Beschwerderecht für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen aufgenommen
wurde (IG Metall 08.07.2014).
32 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

net sich seit Mitte 2013 wieder ein Aufwärtstrend der Leiharbeitnehmer/-innen-
zahl ab (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2015b: 6 ff.).
Die nachfolgende Abbildung 3 verdeutlicht die Bestandsentwicklung an
Leiharbeitnehmer/-innen seit den 1990er Jahren.

1200000

1000000

800000
Bestand

600000

400000

200000

Jahre

Bestand Linear (Bestand)

Abbildung 3: Entwicklung des Bestands an Leiharbeitnehmer/-innen 1994-


2015 (Jahresdurchschnitte)12
Quelle: Eigene Darstellung nach Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2010: 10) und Statistik der
Bundesagentur für Arbeit (2013a: Tabelle II.1.5.1; 2015a: Tabelle I.1.5.1; 2016a: Tabelle 1.1.1).

Leiharbeitnehmer/-innen werden insbesondere in Großbetrieben mit mindestens


500 Beschäftigten eingesetzt: Im Jahre 2008 wurde in mehr als 50 Prozent dieser
Betriebsgröße Leiharbeit genutzt, während es beispielsweise in Kleinbetrieben
(mit weniger als 50 Beschäftigten) lediglich gut zwei Prozent waren (Promberger
2012: 114). Die Branche ist durch einen hohen Anteil von männlichen Beschäf-
tigten gekennzeichnet (im Jahr 2015 betrug der Anteil der männlichen Leihar-
beitnehmer an allen Leiharbeitnehmer/-innen knapp 70 Prozent). Die Gründe
dafür liegen im häufigen Vorkommen von Leiharbeit im gewerblichen Bereich
sowie in der Verkehr-/Logistikbranche; bei den Frauen spielen Dienstleistungs-

12 Zu Beginn des Jahres 2016 wurde die Statistik zur Arbeitnehmerüberlassung der Bundesagen-
tur für Arbeit auf ein neues Verfahren umgestellt, so dass die Zahl der Leiharbeitnehmer/-innen
aus der neuen Arbeitnehmerüberlassungsstatistik über der Zahl aus der bisherigen Statistik
nach dem AÜG liegt (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2016b: 6 f.). Die Zeitreihe in Ab-
bildung 3 basiert dementsprechend ab 2013 auf revidierten Daten.
2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit 33

berufe eine wichtigere Rolle. Hoch ist in der Leiharbeitsbranche die Bedeutung
von Hilfstätigkeiten: Jede/r Zweite übt eine Helfer/-innentätigkeit mit niedrigem
Anforderungsniveau aus. Zum Vergleich: Im Durchschnitt über alle Wirtschafts-
branchen ist es jede/r Fünfte. Knapp 30 Prozent aller Leiharbeitskräfte arbeiten
in Berufen, die direkt der Metall- und Elektroindustrie zuzuordnen sind (Statistik
der Bundesagentur für Arbeit 2016b: 10 f. ).13
Während in der wissenschaftlichen Literatur zu Leiharbeit durchgehend der
geringe Anteil an der Gesamtbeschäftigung wie auch das starke Wachstum her-
vorstechen (Bellmann 2004; Brenke/Eichhorst 2008; Keller/Seifert 2005; 2007;
Spermann 2011), existieren für Werkverträge keine offiziellen Statistiken – unter
anderem aufgrund der Schwierigkeiten bei der rechtlichen Differenzierung sowie
der Nutzung rechtlicher Graubereiche, die zu einem enormen Aufwand bei einer
quantitativen Erfassung führen würden (Bonin/Zierahn 2012). Zwar gehören
Werkverträge ebenso wie Leiharbeit seit längerem zu den Flexibilisierungsins-
trumenten in Unternehmen  ein Bedeutungswandel hinsichtlich dieser Vertrags-
form scheint jedoch erst seit kurzem eingetreten zu sein. Dies lässt sich aus der
Existenz zahlreicher medialer Berichte, aber auch verschiedener juristischer und
sozialwissenschaftlicher Einschätzungen (vgl. z.B. Däubler 2011; Klein-
Schneider/Beutler 2013; Koch 2012) sowie erster empirischer Untersuchungen
des Phänomens auf Grundlage von Betriebsrätebefragungen schließen (vgl.
beispielsweise Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten 2012; IG Metall
2011; Nienhüser/Bonnes 2009). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um reprä-
sentative Untersuchungen, so dass sich auf dieser Grundlage keine Aussagen
über die tatsächliche Verbreitung von Werkverträgen treffen lassen. Eine erste
repräsentative Studie für das Verarbeitende Gewerbe, dem auch die Metall- und
Elektroindustrie zugeordnet ist, haben Hertwig et al. (2015) erstellt. Sie kommen
zu dem Ergebnis, dass in gut acht Prozent aller Betriebe dieses Wirtschafts-
zweigs Werkverträge genutzt werden. Onsite-Werkverträge als eine Unterkate-
gorie von Werkverträgen werden von 2,4 Prozent vergeben. Differenziert man
nach Betriebsgrößen, so vergeben 44 Prozent aller Großbetriebe mit mindestens
500 Beschäftigten Werkverträge und 20,2 Prozent derselben Unternehmensgröße
Onsite-Werkverträge (Hertwig et al. 2015b: 41 ff.). Vermutet wird jedoch, dass
die Zahlen in der Realität höher liegen, da einige Werkvertragsnutzer aufgrund
der Sensibilität des Themas sozial gewünschte Antworten gegeben haben könn-
ten (Hertwig 2016: 77). Detaillierte Daten zu sozio-ökonomischen Merkmalen

13 Dies umfasst Berufe der Metallerzeugung, -bearbeitung und des Metallbaus, Maschinen- und
Fahrzeugtechnikberufe sowie Mechatronik-, Energie- u. Elektroberufe. Die Gesamtzahl an
Leiharbeitskräften, die in Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie arbeiten, dürfte jedoch
– wenn man auch Tätigkeiten in den Bereichen Logistik, Schutz und Sicherheit sowie Verwal-
tung in die Rechnung einbezieht – weitaus höher sein.
34 2 Die Untersuchungsgruppe der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/innen

von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen liegen nicht vor. Bekannt ist jedoch, dass


Werkverträge über alle Qualifikationsniveaus hinweg angewandt werden – von
einfachen Lagerarbeiten bis hin zu Ingenieurstätigkeiten (Siebenhüter 2014).
Als Gründe für die zunehmende Nutzung von Leih- und Werkvertragsarbeit
werden in der Literatur verschiedene Faktoren identifiziert: Zunächst sind wirt-
schaftliche Konjunkturschwankungen und eine gestiegene Konkurrenz auf dem
Weltmarkt zu nennen. Unternehmen sehen sich häufiger ungewissen Entwick-
lungen auf den Absatzmärkten und erhöhtem Wettbewerb gegenüber, so dass
ihre Nachfrage nach externer Flexibilität steigt. Leiharbeit dient ihnen – neben
den Funktionen als Anpassung an Schwankungen des Auftragsvolumens und
Ad-hoc-Ersatz − als strategisches „Instrument der Ungewissheitskontrolle“
(Holst et al. 2009: 17).14 Ein konjunktureller Abschwung spiegelt sich zudem
schnell in der Leiharbeitsbranche wider, da in einem solchen Fall zunächst die
flexible Randbelegschaft entlassen wird. So wird zum Beispiel der Rückgang an
Leiharbeitnehmer/-innen in den Jahren 2008/2009 auf die Wirtschafts- und Fi-
nanzkrise zurückgeführt (vgl. hierzu Baumgarten/Kvasnicka 2012: 11; Statistik
der Bundesagentur für Arbeit 2013b: 10). Auch Werkverträge dienen als Mittel
zur Risikosenkung bzw. zur besseren wirtschaftlichen Anpassungsfähigkeit –
trotz der gleichzeitigen Gefahr eines Know-How-Abflusses aus Unterneh-
mensperspektive (Siebenhüter/Meyer 2012). Darüber hinaus sind Leiharbeit und
Werkverträge für Arbeitgeber/-innen eine attraktive Alternative zu unbefristeten,
aber auch befristeten Vollzeitstellen: Zusätzliche Personalkosten werden einge-
spart (Alewell et al. 2005: 4 ff.; Nienhüser/Baumhus 2002: 80 ff.). Die Tarifbin-
dung der Leiharbeitsbranche standardisiert zwar die Arbeitsentgelte und -
bedingungen – allerdings liegen die Tarifentgelte laut mehreren Studien (vgl.
z.B. Baumgarten/Kvasnicka 2012: 25 ff.; Promberger 2012: 245) deutlich unter
dem Durchschnitt der Vergleichsbranche.
In Anbetracht diverser Gesetzesänderungen auf nationaler bzw. europäi-
scher Ebene wird in jüngster Zeit diskutiert, ob Leiharbeit mittlerweile vermehrt
durch Werkverträge substituiert wird: So bewirkten die deregulierenden AÜG-
Reformen 2002/2003 zunächst eine starke, quantitative Zunahme von Leiharbeit
(vgl. beispielsweise Antoni/Jahn 2006; Brenke/Eichhorst 2008; Crimmann et al.
2009; Promberger 2006). Nach der Deregulierung der Leiharbeit wurden zuletzt
jedoch einige Besserstellungen für Leiharbeitnehmer/-innen im Sinne einer Re-
Regulierung eingeführt, die zu einer Substitution dieser Beschäftigungsform
durch Werkvertragsarbeit geführt haben könnten: Durch den im Jahr 2012 ver-
bindlich eingeführten Mindestlohn, aber auch durch die Änderungen des AÜG
im Rahmen der EU-Leiharbeitsrichtlinie (2011) sind Werkvertragsarbeitnehmer/-

14 Zu Leiharbeit als ein personalpolitisches Instrument vgl. auch Seifert/Brehmer (2008).


2.2 Entwicklung der Leih- und Werkvertragsarbeit 35

innen nun ‚kostengünstiger‘ als Leiharbeitnehmer/-innen, da für sie lediglich


allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze gelten (Däubler 2011: 6; Siebenhüter
2013: 9 f.).
Eine weitere, mögliche Erklärung für eine zunehmende Nutzung von Werk-
verträgen ist das negative Image der Leiharbeitsbranche in der medialen Öffent-
lichkeit. Beispielhaft zu nennen ist hier die (mittlerweile insolvente) Drogeriekette
Schlecker, in der im Jahr 2009 Stammbeschäftigte gekündigt und durch Leihar-
beitnehmer/-innen substituiert wurden (Frankfurter Rundschau online 20.03.2011).
Däubler (2011: 4) konstatiert, dass das mittlerweile so schlechte Image von Leihar-
beitsnutzung letztendlich auch auf das Image des Entleihunternehmens zu-
rückfallen kann, was Absatzeinbußen zur Folge haben könnte. Um diesen Nachteil
auszugleichen, wird möglicherweise auf andere Formen flexibler Beschäftigung
(also z. B. Werkverträge) zurückgegriffen. Außerdem ist es denkbar, dass die Be-
mühungen der Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes
(DGB), den Einsatz von Leiharbeitnehmer/-innen durch Nutzung der Betriebrats-
mitbestimmung zu beschränken, eine Rolle für die Bevorzugung von Werkverträ-
gen spielen (Däubler 2011: 5).
Schließlich ist die EU-Osterweiterung als Grund für den Bedeutungszu-
wachs von Werkverträgen aufzuzählen. Seitdem werden vor allem in der Metall-
und Elektroindustrie, sowie im Lebensmittel- und Baugewerbe Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen beschäftigt (Gewerkschaft Nahrung - Genuss - Gaststätten
2013: 17 ff.; Lippert 2006: 13 ff.; Siebenhüter 2013: 10).
Der Schluss, dass die sich langsam stabilisierenden Leiharbeitnehmer/-in-
nenzahlen und der Bedeutungszuwachs von Werkverträgen mit den genannten
Besserstellungen der Leiharbeitskräfte und dem gleichzeitigen Negativ-Image
der Branche zusammenhängen, liegt auf den ersten Blick nahe - ein eindeutiger
Zusammenhang der beiden Phänomene Werkverträge und Leiharbeit ist jedoch
bislang nicht nachgewiesen worden. Faktoren wie die gesamtwirtschaftliche
Entwicklung und politische Ereignisse müssten zudem bei der Erklärung des
Wachstums bzw. der Abnahme einbezogen werden. Dennoch ist es nach obiger
Analyse denkbar, dass viele Arbeitgeber/-innen auf die beschriebenen Gegeben-
heiten reagieren und nach neuen Gestaltungsoptionen hinsichtlich ihres Perso-
nals suchen. Wie schon Däubler (2011) feststellt, manifestiert sich diese Vermu-
tung beispielsweise auch in einer Wirtschaftstagung mit dem Titel Freie In-
dustriedienstleistungen als Alternative zur regulierten Zeitarbeit. Die weitere
Entwicklung der beiden Beschäftigungsverhältnisse bleibt abzuwarten. In Er-
mangelung repräsentativer Zahlen für Werkverträge sind belastbare Aussagen
und Prognosen derzeit allerdings nicht zu treffen.
3 Theoretischer und empirischer
Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

In diesem Kapitel wird der Forschungsstand zu den Prekaritätspotentialen von


Leih- und Werkvertragsarbeit präsentiert. Dazu wird zunächst auf die theoreti-
sche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Prekarität eingegangen und die in
der vorliegenden Forschungsarbeit verwendete, analytische Konzeption von
Prekarität erläutert (Kapitel 3.1). Im darauffolgenden Kapitel 3.2 werden die
bisherigen empirischen Erkenntnisse über Leih- und Werkvertragsarbeit im Zu-
sammenhang mit Prekarität vorgestellt und die Forschungslücke identifiziert.

3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der


Prekarität

Der Begriff der Prekarität blickt auf eine relativ lange Geschichte zurück und
wird seit seinem ersten Auftauchen vielseitig verwendet, aber auch kritisch dis-
kutiert. Das Wort „prekär“ stammt vom französischen „précaire“ ab und wird im
Duden mit der Bedeutung „widerruflich; unsicher, heikel“ umschrieben. Prekäre
Beschäftigung ist demnach eine unsichere Erwerbssituation, was zunächst ein-
mal eine relativ unscharfe Statusbeschreibung darstellt. Im Folgenden soll daher
in gebotener Kürze und mit Fokus auf die gängigsten Definitionen dargestellt
werden, in welchen Kontexten der Begriff benutzt bzw. auf welche Weise defi-
niert wird und an welche Definition sich die vorliegende Forschungsarbeit an-
lehnt.

Geschichte und Konzept des Prekaritätsbegriffs

Zurückverfolgen lässt sich die Geschichte des Begriffs mindestens bis in das 19.
Jahrhundert. Bereits Karl Marx nutzte den Begriff prekär – wenn auch eher bei-
läufig – zur Charakterisierung der Beschäftigungsverhältnisse von Arbeitern
unter industriekapitalistischen Bedingungen (Marx 1962: 735). Eine eigenstän-
dige Anwendung findet Prekarität erst seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts, und zwar insbesondere in der sozialwissenschaftlichen Literatur Frank-
reichs. Der Begriff wurde dabei unter anderem von Pierre Bourdieu geprägt

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_3
38 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

(Bourdieu 1998a; Bourdieu 1998b). Bei Bourdieu beschreibt Prekarität eine


Veränderungstendenz in der Gesellschaft hin zur Verallgemeinerung sozialer
Unsicherheit, deren Ursprung im ökonomischen und im Erwerbssystem zu veror-
ten ist. Prekarität wird von ihm betrachtet als „Teil einer neuartigen Herrschafts-
form, die auf der Errichtung einer zum Dauerzustand gewordenen Unsicherheit
fußt und das Ziel hat, die Arbeitnehmer zur Unterwerfung, zur Hinnahme ihrer
Ausbeutung zu zwingen“ (Bourdieu 1998a: 100). Prekarität ist dabei aus Sicht
des Autors kein Produkt der Globalisierung bzw. einer ökonomischen Fatalität,
sondern das Produkt eines politischen Willens: Das flexible Unternehmen beute
bewusst eine von Unsicherheit geprägte Arbeitsmarktsituation aus und verschär-
fe diese noch weiter, indem es die Arbeitnehmer/-innen der permanenten Dro-
hung des Arbeitsplatzverlustes aussetze. Dadurch werde die gesamte Welt der
materiellen, kulturellen, öffentlichen sowie privaten Produktion in einen Prekari-
sierungsstrom hineingezogen (Bourdieu 1998a: 99). Prekarität ist bei Bourdieu
folglich kein Randphänomen, sondern ein Wirkungsmechanismus, der den Ar-
beitsmarkt und die restliche Gesellschaft durchdringt: „Prekarität ist überall“
(Bourdieu 1998a).
Der genannte Wirkungsmechanismus wird bei Bourdieu durch einen Ver-
lust an Zukunftsgewissheit einerseits und einen Verlust an Handlungsmacht der
Beschäftigten andererseits charakterisiert (vgl. dazu auch die Ausführungen bei
Bultemeier et al. 2008: 245 ff.). Von einem Verlust an (objektiver) Zukunftsge-
wissheit seien vorwiegend Arbeitslose und befristet Beschäftigte betroffen, da
die Ermöglichung einer Zukunftsplanung an Sicherheitsbedingungen (beispiels-
weise in Form der Sicherheit eines Arbeitsplatzes und dem damit verknüpften
materiellen Einkommen) geknüpft ist. Der Verlust an Handlungsmacht hingegen
betreffe sämtliche Arbeitnehmer/-innen: Das subjektive Gefühl der Ersetzbarkeit
könne prinzipiell zu jedem/jeder Beschäftigten durchdringen, weil der Arbeits-
platz zu einem bedrohten Privileg werde bzw. als ein solches empfunden werde.
Auch Robert Castel hat mit seinem Zonenmodell der Arbeitsgesellschaft (Castel
2000) die Debatte um Prekarität entscheidend mitgeprägt. Er geht davon aus,
dass bis in die 1970er Jahre hinein „die soziale Unsicherheit durch die Ausge-
staltung von Strukturen kollektiver Absicherung“ (Castel 2009: 23) gebändigt
wurde. Der „soziale Kompromiss des Industriekapitalismus“ (Castel 2009: 21)
gewährleistete einen Ausgleich zwischen Marktinteressen (d.h. den Erwartungen
der Unternehmer/-innen bezüglich Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit) und
den Arbeitnehmer/-inneninteressen andererseits. Kollektivvereinbarungen, Tarif-
verträge, kollektive Garantien des Arbeitsrechts und der sozialen Sicherungs-
systeme sowie der Sozialstaat als übergeordnete Instanz sorgten dafür, dass die
Mehrheit der Bevölkerung vor den wichtigsten gesellschaftlichen Risiken ge-
schützt wurde (Castel 2009: 21 ff.). Der unbefristete Arbeitsvertrag galt als ge-
3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Prekarität 39

sellschaftliche Norm und konnte als Garantie der Beschäftigungssicherheit gel-


ten (Castel 2000: 341).
Für den weiteren Verlauf der Erwerbsarbeit diagnostiziert Castel ab Mitte
der 1970er Jahre jedoch eine „Wiederkehr der sozialen Unsicherheit“ (Castel
2009: 25). Er versteht darunter eine Dynamik, die insbesondere durch einen
zunehmenden internationalen Wettbewerb, vermehrt flexiblen Produktionsmo-
dellen sowie daraus resultierender verstärkter Flexibilisierung und Prekarisierung
der Beschäftigungsverhältnisse – etwa in Form von Leih- und Teilzeitarbeit –
gekennzeichnet ist (Castel 2000: 348 ff.). Infolgedessen spalte sich die Arbeits-
gesellschaft in verschiedene Zonen, die Castel mithilfe seines Zonenmodells
darstellt:
„Ich habe eine allgemeine Hypothese vorgeschlagen, die der Komplementarität zwi-
schen dem, was sich auf einer Achse der Integration durch Arbeit – stabile Beschäf-
tigung, prekäre Beschäftigung, Ausschluss aus Arbeit – und durch die Dichte der In-
tegration in den Beziehungsnetzwerken der Familie und der Gemeinschaft – solide
Verankerung in den Beziehungsnetzwerken, Brüchigwerden der Beziehungen, sozia-
le Isolation – abspielt. Das so aufgespannte Koordinatensystem umfasst Zonen un-
terschiedlicher Dichte der sozialen Verhältnisse, die Zone der Integration, die Zone
der Verwundbarkeit, die Zone der Fürsorge und die Zone der Exklusion oder viel
mehr der Entkoppelung. Es handelt sich dabei jedoch nicht um mechanische Korre-
lationen, da eine starke Wertigkeit auf der einen Achse eine Schwäche auf der ande-
ren kompensieren kann […]“ (Castel 2000: 360 f.).
Laut Castel lassen sich drei Kristallisationskerne der Erwerbsarbeit ausmachen:
Erstens finde eine „Destabilisierung der Stabilen“ (Castel 2000: 357) statt, weil
ein Teil der integrierten Beschäftigten in Folge der geschwächten und sich auflö-
senden schützenden Strukturen ständig davon bedroht sei, in die Prekarität abzu-
stürzen. Zweitens entstehe eine soziale Lage, in der die jeweils betroffenen Per-
sonen zwischen unsicherer Beschäftigung und Arbeitslosigkeit alternieren. Cas-
tel bezeichnet dies als ein „Sich-Einrichten in der Prekarität“ (Castel 2000: 357).
Drittens existiere ein „Platzmangel in der Sozialstruktur“ (Castel 2000: 359): Es
bilde sich eine Bevölkerungsgruppe der „Überzähligen“ heraus, die keinen Platz
in der Erwerbsgesellschaft findet. Die verschiedenen Zonen von Integration,
Prekarität und Entkopplung (vgl. dazu auch die Weiterentwicklung des Modells
von Dörre 2007b) existieren folglich nicht in einem klar voneinander abgegrenz-
tem Nebeneinander von Stabilität, Instabilität und Ausgrenzung. Vielmehr zieht
sich der Prekarisierungsprozess selbst durch die Zone der Integration hindurch
(Castel 2000: 357 ff.).
Im Gegensatz zu Bourdieus Überlegungen existiert laut Castel demnach
durchaus noch eine Zone des Stabilen: Prekarität ist nicht „überall“, nehme aller-
40 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

dings stark zu und dringe zum Teil in die Bereiche stabiler Beschäftigung ein.15
Betont wird weiterhin die Integrationsfunktion – und damit auch die Zentralität –
von Erwerbsarbeit (Castel 2000: 360; Castel/Dörre 2009: 15 f.).

Analytische Konzeptionen des Prekaritätsbegriffs

Mittlerweile existieren auch in der deutschen sozialwissenschaftlichen Literatur


zahlreiche Beiträge zum Thema Prekarität (für einen Überblick vgl. Castel/Dörre
2009). Zum Teil wird dabei die Verwendung eines eher „weiten“ Prekaritätsbe-
griffs als eine zeitdiagnostische Kategorie wie bei Bourdieu (1998) und Castel
(2000) kritisiert. So wird an Bourdieus Ausführungen etwa bemängelt, es hande-
le sich bei dem Terminus eher um einen politischen Kampfbegriff denn um eine
wissenschaftlich-analytische Konzeption: „Die Kategorie steht im Zentrum einer
Anklage, die sich gegen die Theodizee, das Glaubenssystem der neoklassischen
Ökonomie richtet. Um Begriffe wie prekäre Beschäftigung, Prekarität und Preka-
risierung analytisch-wissenschaftlich verwenden zu können, müssen die damit
bezeichneten Phänomene jedoch präziser bestimmt werden als Bourdieu dies in
seiner politischen Publizistik leistet“ (Brinkmann et al. 2006: 8; für weitere
kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff der Prekarität bei Bourdieu vgl.
auch zum Beispiel Schimank 2000; Schwingel 2003).
Gemeinsam ist allen bereits vorgestellten Begriffen trotz genannter Kritik,
dass sich der konkrete Inhalt und die Bedeutung von Prekarität mit der Entwick-
lung der Erwerbstätigkeit verändern können. Die Kategorie „prekäre Beschäfti-
gung“ steht stets in Relation zu jenen Normen, die unter dem Begriff des Nor-
malarbeitsverhältnisses zusammengefasst werden und gewissermaßen als Maß-
stab für „gute Arbeit“ gelten können (Brinkmann et al. 2006: 16 f.). Das Nor-
malarbeitsverhältnis erfüllt nach Mückenberger (1985) die folgenden Kriterien:

15 Damit wendet sich Castel zugleich gegen die Verwendung eines eng gefassten Begriffs der Ex-
klusion. Dieser sei erstens ein Begriff mit relativ geringer analytischer Reichweite, der hetero-
gene Verhältnisse – etwa jugendliche Arbeitslose, ältere Langezeitarbeitslose und Obdachlose
– in einer Kategorie vereinheitliche. Zweitens sei der Begriff zu statisch, weil er einen fortwäh-
renden Zustand unterstelle. Laut Castel sei Exklusion erst das Ergebnis eines längeren Pro-
zesses mit mehreren Abstufungen. Die vorherigen „Stationen“ der Prekarität würden in einer
Analyse von Exklusion nicht ausreichend berücksichtigt. Drittens kritisiert er am Begriff von
Exklusion, dass dieser eine „atomisierte Sichtweise der Gesellschaft“ (Castel 2009: 29) beför-
dere. Exkludierte Personen seien eben nicht komplett von der Gesellschaft ausgeschlossen,
sondern lebten immer noch innerhalb des Sozialen. Zudem gebe es nicht nur isolierte Einzelne,
sondern ganze Gruppen – etwa „große Teile der integrierten industriellen Arbeiterklasse“ (Cas-
tel 2009: 30) – die auf der Strecke bleiben und sich über ihre unsichere Zukunft aufgrund der
globalisierten Ökonomie bewusst sind (Castel 2009: 28 ff.). Die soziale Frage könne demnach
nicht auf das Problem eines mehr oder minder vollständigen Herausfallens aus der Funktions-
logik gesellschaftlicher Subsysteme reduziert werden (Castel/Dörre 2009).
3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Prekarität 41

 Vollzeittätigkeit mit entsprechendem subsistenzsicherndem Einkommen;


 unbefristetes Beschäftigungsverhältnis;
 vollständige Integration in die sozialen Sicherungssysteme (vor allem Ar-
beitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung);
 Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis;
 Weisungsgebundenheit des/der Beschäftigten vom Arbeitgeber bzw. von
der Arbeitgeberin.

Ausgehend von dieser Definition des Normalarbeitsverhältnisses können in Ab-


grenzung dazu unter den Begriff der atypischen Beschäftigung sämtliche Be-
schäftigungsformen subsumiert werden, die nicht der Referenzgröße des Nor-
malarbeitsverhältnisses entsprechen bzw. sich qualitativ davon unterscheiden.
Darunter fallen demzufolge Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, befristete
Beschäftigung sowie Leiharbeit (Keller/Seifert 2007: 12). Leih- und Werkver-
tragsarbeit, wie sie in dieser Forschungsarbeit verstanden werden (siehe die De-
finitionen in Kapitel 2) sind demnach beide als atypische Beschäftigungsformen
zu klassifizieren: Sie unterscheiden sich vom Normalarbeitsverhältnis dadurch,
dass das jeweilige Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis räumlich bzw. örtlich
auseinanderfallen und somit nicht identisch sind. Sie verfügen über eine „hetero-
gene Betriebs- und Unternehmenszugehörigkeit“ (Promberger 2006: 3). Die
Arbeitsleistung wird als externe Arbeitskraft für das jeweilige Entleih-/Werkbe-
stellerunternehmen erbracht. Darüber hinaus wurde bereits mehrfach herausgear-
beitet, dass die Beschäftigungsbedingungen von Leih- und Werkvertragsarbeit
auch im Hinblick auf weitere Merkmale (Entlohnung, Repräsentanz durch be-
triebliche Interessenvertretungen, tarifliche Bindung) zum Teil von Normalar-
beitsverhältnissen abweichen (vgl. Kapitel 3.2).
Prekäre Beschäftigung wird in deutschen Publikationen oftmals als eine
Ausprägung atypischer Beschäftigung definiert (vgl. dazu beispielsweise
Kraemer/Speidel 2004b; Mayer-Ahuja 2003). Prekarität wird dabei häufig an-
hand struktureller Kriterien wie die Einkommenshöhe, die Integration in die Sys-
teme sozialer Sicherung, Beschäftigungsstabilität und Beschäftigungsfähigkeit
(employability) festgemacht (vgl. zum Beispiel Brehmer/Seifert 2008; Keller/
Seifert 2007: 20 ff.). Mayer-Ahuja (2003: 14 ff. und 51 ff.) präzisiert die grund-
legenden Differenzen zwischen prekärer Beschäftigung und Normalarbeitsver-
hältnis anhand von drei Maßstäben. Demnach beinhaltet Prekarität die Unter-
schreitung materieller Standards (materielle Prekarität), die Unterschreitung von
durch Arbeits- und Sozialrecht, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung festge-
legten rechtlichen Standards (rechtliche Prekarität), sowie die Unterschreitung
von betrieblichen Integrationsstandards, die vor allem in der geringeren Einbin-
dung in kollegiale Strukturen aufgrund geringer Betriebszugehörigkeit und der
42 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

eingeschränkten Repräsentanz durch betriebliche und gewerkschaftliche Interes-


senvertretungen zum Ausdruck kommt (betriebliche Prekarität). Bei letztgenann-
ter Prekaritätsausprägung bestehen geringere Möglichkeiten der Einflussnahme
auf Arbeitsbedingungen, Löhne oder Arbeitsabläufe als im Normalarbeitsver-
hältnis. Prekär Beschäftigte sind nach Mayer-Auhja in diesen drei Dimensionen
relativ benachteiligt gegenüber den Personen, „die einer für die jeweilige histori-
sche Situation prägenden Form der Erwerbsarbeit nachgehen“ (Mayer-Ahuja
2003: 15). Die Betroffenen sinken deutlich unter das Einkommens-, Schutz und
betriebliche Integrationsniveau, das ein Großteil ihrer abhängig beschäftigten
Zeitgenossen beanspruchen kann.
Allerdings ist nicht jedes Arbeitsverhältnis, das obige Kriterien erfüllt,
zwangsläufig als prekäre Lebenssituation zu klassifizieren – etwa, wenn die
Betroffenen finanziell durch ihre haushaltsökonomische Situation abgesichert
sind. Die Arbeitsverhältnisse schlagen jedoch in Prekarität der Lebenssituation
um, wenn dies nicht (mehr) der Fall ist. Mayer-Ahuja nutzt daher den Begriff der
potenziell prekären Beschäftigungsverhältnisse, deren Inhaber/-innen durch die
Kombination der drei genannten Aspekte keine eigenständige Absicherung er-
langen (Mayer-Ahuja 2003: 52).
Kraemer (2008) unterscheidet Prekarität auf unterschiedlichen Ebenen –
prekäre Erwerbsarbeit, prekäre Erwerbslage und prekärer Lebenslage – und
schlägt vor, bei der Analyse von prekärer Erwerbsarbeit diese zugleich in die je-
wielige individuelle Erwerbs- und Lebenslage der jeweiligen Individuen einzu-
betten. Erst durch die erwerbsbiografische Einordnung der jeweiligen potenziell
prekären Beschäftigung in den Erwerbsverlauf sowie durch die Berücksichtigung
des Haushaltskontexts könnten differenzierte Aussagen über Prekarität, aber
auch Prekarisierungsprozesse16 getroffen werden.
Bei der Frage, ob eine Beschäftigung potenziell prekär ist, spielt darüber hin-
aus die subjektive Verarbeitung, d.h. die individuelle Bewertung und Wahrneh-
mung einer Erwerbstätigkeit eine Rolle, denn: „Eine Erwerbstätigkeit, die nach
ihren strukturellen Kriterien als prekär zu bezeichnen ist, muss von denen, die eine
solche Tätigkeit ausüben, subjektiv keineswegs als heikel eingestuft werden.“
(Brinkmann et al. 2006: 17). Eine Erwerbsarbeit kann nicht alleine aufgrund spezi-
fischer Merkmale als prekär bezeichnet werden. Vielmehr spielt die subjektive
Wahrnehmung und Bewertung einer Beschäftigung als prekär eine maßgebliche
Rolle.17 Den Referenzmaßstab bildet auch hier das Normalarbeitsverhältnis, das

16 Im Unterschied zu Prekarität als eher statischer Begriff wird durch Prekarisierung der Gefähr-
dungsprozess von stabilen Erwerbs- und Wohlfahrtslagen im Sinne einer Dynamisierung be-
tont (Kraemer 2008: 87).
17 Zum Einfluss von internen und externen Ressourcen auf die Wahrnehmung einer Lage als pre-
kär vgl. auch Bude/Lantermann (2006).
3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Prekarität 43

mit bestimmten Erwartungsmustern (Kontinuität von Erwerbsverläufen, soziale


Sicherheit etc.) verbunden ist. Werden diese mit regulärer Beschäftigung verbun-
denen normativen Sicherheitserwartungen enttäuscht, so kann man von gefühlter
Prekarisierung sprechen – sogar unabhängig davon, ob die eigene Erwerbsstelle
objektiv davon gefährdet ist oder nicht (Kraemer 2008: 84 f.).
Die Kategorie „prekäre Beschäftigung“ bildet somit auch eine besondere
Beziehung von Erwerbstätigen zu ihrer Berufsbiografie ab. Jedes Beschäfti-
gungsverhältnis, das nach strukturellen Kriterien prekär ist, konstituiert eine
erwerbsbiografische Problemlage, die individuell bearbeitet und bewertet wird.
Die Art der Auseinandersetzung und die Bewertung eines Beschäftigungsver-
hältnisses wird dabei unter anderem vom Neigungswinkel der Erwerbsbiografie
(Erwerbsverlauf), von individuellen Qualifikationen und Kompetenzen, Ge-
schlecht und/oder Lebensalter beeinflusst (Brinkmann et al. 2006: 17).
Es muss also bei einer Analyse von prekärer Beschäftigung zwischen der
objektiven (strukturellen), sowie der subjektiv wahrgenommenen Prekarität dif-
ferenziert werden. Entsprechend kann eine vorläufige Definition prekärer Be-
schäftigung wie folgt lauten:
„Als prekär kann ein Erwerbsverhältnis bezeichnet werden, wenn die Beschäftigten
aufgrund ihrer Tätigkeit deutlich unter ein Einkommens-, Schutz- und soziales In-
tegrationsniveau sinken, das in der Gegenwartsgesellschaft als Standard definiert
und mehrheitlich anerkannt wird. Und prekär ist Erwerbsarbeit auch, sofern sie sub-
jektiv mit Sinnverlusten, Anerkennungsdefiziten und Planungsunsicherheit in einem
Ausmaß verbunden ist, das gesellschaftliche Standards deutlich zuungunsten der Be-
schäftigten korrigiert.“ (Brinkmann et al. 2006: 17).
Eine solch eng gefasste Definition von Prekarität erfasst analytisch sowohl die
strukturellen Kriterien von Prekarität, als auch die subjektiven Verarbeitungs-
formen unsicherer Arbeitsverhältnisse (vgl. auch Castel/Dörre 2009: 16). Brink-
mann et al. (2006: 18) schlagen daraus folgernd eine Prekaritätsdefinition vor,
welche sich an die Castel’sche Integrationsfunktion von Erwerbsarbeit anlehnt
und die subjektiven Verarbeitungsformen der unter problematischen Bedingun-
gen Beschäftigten in ihre Bewertungsraster einbezieht. Danach lässt sich Prekari-
tät anhand von fünf Dimensionen mit je eigenen (Des-)Integrationspotenzialen
operationalisieren:

1. Die reproduktiv-materielle Dimension (kein existenzsicherndes Einkommen)


2. Die sozial-kommunikative Dimension (keine gleichberechtigte Integration
in soziale Netze, die sich am Arbeitsort und über die Arbeitstätigkeit her-
ausbilden)
44 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

3. Die rechtlich-institutionelle oder Partizipationsdimension (tendenzieller Aus-


schluss von institutionell verankerten sozialen Rechte und Partizipationschan-
cen)
4. Die Status- und Anerkennungsdimension (Vorenthaltung einer gesellschaft-
lich anerkannten Position)
5. Die arbeitsinhaltliche Dimension (dauerhafter Sinnverlust oder Überidenti-
fikation mit der beruflichen Tätigkeit).

Diese Definition setzt an der Arbeitstätigkeit selber an, schließt jedoch Haus-
haltskontexte, Erwerbsverläufe und weitere Faktoren, die die Bewertung einer
Beschäftigung als prekär beeinflussen, bei der Analyse von Prekarität nicht aus.
Im Mittelpunkt des Interesses soll in der vorliegenden Forschungsarbeit je-
doch nur ein Aspekt von Prekarität stehen: Die betriebliche Mitbestimmung als
ein Element der Partizipationsdimension.18 Dieser Aspekt umfasst die Regulie-
rung des Teilhabegrads an der betrieblichen Mitbestimmung von Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Jene Facette von Prekarität sowie die diesbe-
züglich bestehende theoretische Literatur soll im folgenden Abschnitt erläutert
werden.

Die betriebliche Mitbestimmung als Element der Partizipationsdimension von


Prekarität

Wenn in dieser Forschungsarbeit die Rede von Mitbestimmung ist, so ist damit
die betriebliche Mitbestimmung im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes ge-
meint. Doch zunächst einmal muss geklärt werden, was exakt unter diesen Ter-
minus fällt und welche theoretischen Anknüpfungspunkte bestehen. Der nach-
folgende Abschnitt orientiert sich dabei in Teilen an der Argumentationslinie
von Brinkmann/Nachtwey (2014), die bereits die Teilhabe von Leih- und Werk-
vertragsbeschäftigten an der betrieblichen Mitbestimmung unter demokratietheo-
retischen Gesichtspunkten diskutiert haben.
Mitbestimmung bzw. Partizipation ist als ein konstitutives Prinzip demokra-
tisch verfasster Gesellschaften anzusehen, welches im Arbeits- und Wirtschafts-
leben strukturell verankert ist (Ittermann 2007: 11). Nach Alex Demirović setzt
sich Mitbestimmung in der Wirtschaft aus mehreren Elementen zusammen. Da-
runter fallen die demokratische Haltung der Lohnabhängigen, ihre Selbstorgani-

18 Brinkmann et al. (2006: 18) fassen unter der rechtlich-institutionellen bzw. Partizipationsdi-
mension von Prekarität den tendenziellen Ausschluss von Beschäftigten von der Nutzung insti-
tutionell verankerter sozialer Rechte und Partizipationschancen und führen beispielhaft tarifli-
che Rechte, Betriebsvereinbarungen, Kündigungsschutz und Rentenversicherung, aber auch
Mitbestimmungsmöglichkeiten an.
3.1 Zur theoretischen Auseinandersetzung mit dem Begriff der Prekarität 45

sation in Gewerkschaften, Kollektiverträgen und Tarifverhandlungen, die Ver-


trauenskörperschaften, die Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsräte, Aufsichtsratsbe-
teiligungen, die Beteiligung der Gewerkschaften an öffentlichen Institutionen
sowie die wissenschaftliche Expertise und Beratung (Demirovic 2007: 30).
Die Mitbestimmungsidee in Bezug auf die Ökonomie reicht bis in die Revo-
lutionsjahre 1848/49 zurück und gehört zur demokratischen Tradition. Als eine
wirtschaftsdemokratische Forderung der Gewerkschaften wurzelt sie im Pro-
gramm des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahre 1928,
welcher einen Vorläufer des heutigen DGB darstellt. Das besagte Programm sah
eine mitbestimmte Wirtschaft vor, die sich durch die direkte Partizipation der
Beschäftigten sowie die Mitbestimmung des Betriebsrats, des Aufsichtsrats und
der Wirtschafts- und Sozialräte auszeichnete. Auf betrieblicher Ebene ist die
Mitbestimmung heute im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes verankert
und umfasst Wahlrechte (etwa die Teilnahme an Betriebsrats- und Personalrats-
wahlen) sowie das individuelle Beschwerderecht eines jeden Beschäftigten
(Kißler et al. 2011: 25). Gemeinsam mit der Tarifautonomie bildet die betriebli-
che Mitbestimmung die duale Struktur im „deutschen Modell der industriellen
Beziehungen“ (Müller-Jentsch 1995) ab.
Das zentrale Organ der betrieblichen Mitbestimmung der Beschäftigten
stellt in der Privatwirtschaft der Betriebsrat dar. Er ist die gewählte Interessen-
vertretung der Arbeitnehmer/-innen im Betrieb und besitzt das Verhandlungs-
monopols gegenüber der Betriebsleitung. Nach §1 BetrVG kann er in Betrieben
mit mindestens fünf Beschäftigten, von denen drei wählbar sein müssen, gewählt
werden. Wählbar sind alle Arbeitnehmer/-innen, die dem Betrieb seit mindestens
sechs Monaten angehören (Kißler et al. 2011: 59 f.). Die Institution des Betriebs-
rats beruht auf der repräsentativen Demokratie: Durch die Wahl delegieren die
Beschäftigten die Ausübung von Partizipationsrechten an ihre Repräsentant/-in-
nen – also an das Betriebsratsgremium, welches im Rahmen des Betriebsverfas-
sungsgesetzes über rechtlich abgesicherte Möglichkeiten der Mitbestimmung
verfügt. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer/-innen bleibt in Bezug auf be-
triebliche Entscheidungsprozesse folglich indirekt. Einen direkten Einfluss kön-
nen sie nur durch den Wahlakt sowie durch informelle Gespräche mit dem Be-
triebsrat ausüben (Greifenstein et al. 1991: 31).19 Die Repräsentation der Beleg-
schaft durch den Betriebsrat setzt einen Kommunikationsfluss zwischen den
beiden Parteien voraus. Dieser wird durch Betriebs- und Abteilungsversammlun-

19 An dieser Stelle ist der Begriff der betrieblichen Mitbestimmung von der Arbeitnehmer/-innen-
partizipation abzugrenzen. Der Begriff der Partizipation umfasst verschiedene Formen
faktischer, nicht institutionalisierter Beteiligung der Beschäftigten (zum Beispiel die Einbe-
ziehung von Beschäftigten in Entscheidungen, die die Arbeitsorganisation betreffen) (Mikl-
Horke 1991: 259 f.).
46 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

gen, Sprechstunden während der Arbeitszeit, Kontakte am Arbeitsplatz, das


individuelle Beschwerderecht jedes bzw. jeder Beschäftigten sowie zum Teil
über gewerkschaftliche Vertrauensleute aufrechterhalten (Kißler et al. 2011: 63).
Der Betriebsrat ist allerdings per BetrVG dazu verpflichtet, konsensorien-
tiert zu handeln und vertrauensvoll mit dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin
zusammenzuarbeiten. Dabei muss er zugleich die Arbeitnehmer/-innen im Be-
trieb vertreten und die wirtschaftlichen Betriebsziele berücksichtigen – diese
Leitidee verknüpft jene zwei Handlungslogiken, die den Interessengegensatz
zwischen Kapital und Arbeit konstituieren (Müller-Jentsch 2008: 168).
Die beschriebene Mitbestimmung im deutschen System der industriellen
Beziehungen, und damit auch die Interessenvertretung durch einen Betriebsrat,
begreift Müller-Jentsch (2001: 210) einer demokratietheoretischen Perspektive20
folgend in Tradition von T.H. Marshall (1992) als ein industrielles Bürgerrecht,
das demokratische Teilhalbe ermöglicht und somit zur sozialen Integration der
arbeitenden Menschen in der Gesellschaft und in den Betrieben beiträgt.21 Die
verfasste Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene lässt sich als eine Ausdrucks-
form demokratisch legitimierter Partizipation begreifen (Ittermann 2007: 24) und
stellt folglich auch ein Bürgerrecht im Sinne Marshalls dar. Aus eben diesem
Blickwinkel, dass Mitbestimmung ein Bürgerrecht konstituiert, stellt Promberger
(2012) in Bezug auf prekäre Beschäftigung fest: „Prekarität kann demnach nicht
nur aus instabiler Beschäftigung und niedrigem Lohn bestehen, sondern auch aus
unzureichenden Chancen, Bürgerrechte wahrzunehmen“ (Promberger 2012:
225). Die Möglichkeit, auf Betriebsebene (sowie auf Tarifebene) Mitbestim-
mung auszuüben ist demnach als eine entscheidende Stellgröße in der Frage nach
Prekarität und Normalität von ‚abweichenden’ Arbeitsformen zu sehen (Prom-
berger 2006: 5).

20 Für einen kurzen Überblick über die Differenzierung verschiedener theoretischer Perspektiven
auf Demokratie vgl. Ittermann (2007: 24 ff.).
21 Müller-Jentsch baut hier auf dem von Marshall entworfenen Stufenmodell auf, das die histo-
rische Entwicklung der Staatsbürgerrechte nachzeichnet. Danach existieren vier Kategorien der
Rechte von Staatsbürgerschaft: Die erste Kategorie umfasst die bürgerlichen (bzw. zivilen)
Rechte, die im Wesentlichen Rechte wie die Redefreiheit, Gedanken- und Glaubensfreiheit, das
Recht, Eigentum zu besitzen und Verträge abzuschließen, das Recht auf Rechtsprechung sowie
das Recht auf die freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl beinhalten. Die zweite Kategorie umfasst
die politischen Bürgerrechte. Darunter fallen vor allem die Wahlen der politischen Autoritäten.
Die dritte Kategorie umfasst die sozialen Bürgerrechte, die jedem Gesellschaftsmitglied ein
Minimum an wirtschaftlicher Wohlfahrt und Sicherheit garantieren. Die vierte Kategorie wird
von Marshall eher am Rande erwähnt und umfasst industrielle bzw. wirtschaftliche Bürger-
rechte, die mit dem Gewerkschafts- und Kollektivvertragswesen zusammenhängen. Diese vier
einzelnen Kategorien haben sich nach Marshall aufeinander aufbauend seit Beginn des 18.
Jahrhunderts ausdifferenziert, institutionalisiert, inhaltlich gesteigert sowie personal ausge-
dehnt (zitiert nach Müller-Jentsch 2008: 17ff. und Brinkmann/Nachtwey 2014: 79 f.; im Origi-
nal nachzulesen bei Marshall 1992: 40 ff.).
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 47

Im folgenden Teilkapitel wird vorgestellt, inwiefern die genannte ‚Stellgrö-


ße‘ der betrieblichen Mitbestimmung bisher empirisch in der Prekaritätsfor-
schung hinsichtlich Leih- und Werkvertragsarbeit berücksichtigt wurde. Es zeigt
sich, dass primär andere Aspekte (wie zum Beispiel Einkommen oder Beschäfti-
gungsstabilität) im Vordergrund stehen, so dass letztlich eine Forschungslücke
hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung als eine Prekaritätsdimension
identifiziert werden kann.

3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von


Leih- und Werkvertragsarbeit

Die Flexibilität des Arbeitsmarktes ist seit langem Gegenstand sozialwissenschaft-


licher Forschung. Mittlerweile steht die Flexibilisierung des Arbeitseinsatzes hin-
sichtlich Zeit, Raum und Qualifikation im Fokus (vgl. Vobruba 2006: 26 ff.). Da-
bei hat sich die Differenzierung zwischen interner und externer Flexibilität heraus-
gebildet (vgl. z.B. Keller/Seifert 2005; OECD 1986; 1989). Werkverträge und
Leiharbeit als externe Flexibilisierungsinstrumente wurden bereits in diversen
Publikationen hinsichtlich ihrer quantitativen Entwicklung, den zugrundeliegenden
Nutzungsmotiven aus unternehmerischer Perspektive sowie der Beschäftigten-
struktur untersucht, die vorangehend in Kapitel 2 dargestellt wurden.
Die wissenschaftliche Bearbeitung der Arbeitsbedingungen und subjektiven
Wahrnehmungen von Leih- und Werkvertragsarbeit unterscheidet sich in quanti-
tativer Hinsicht allerdings stark. So wurde Leiharbeit schon vielfach bescheinigt,
zu den potenziell prekären Beschäftigungsformen zu gehören, während für
Werkvertragsarbeit vergleichsweise wenige Forschungsergebnisse vorliegen. Im
Folgenden wird der Forschungsstand in Bezug auf diese beiden Beschäftigungs-
formen vorgestellt.

3.2.1 Forschungsergebnisse zu Arbeitsbedingungen und der


Beschäftigtenperspektive von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen

Leiharbeit wurde bereits in zahlreichen Publikationen vergleichend mit den ande-


ren flexiblen, atypischen Beschäftigungsformen Teilzeitarbeit, geringfügige und
befristete Beschäftigung betrachtet. Im Mittelpunkt stehen dabei überwiegend
quantitativ erfassbare Aspekte in Form von Entlohnung, Beschäftigungsdauer bzw.
-mobilität und/oder sozialer Sicherung (vgl. beispielsweise Brülle 2013; Fuchs
2006; Gensicke et al. 2010; Keller/Seifert 2011; 2013; Wagner 2010). Relativ
weitreichend erforscht sind auch das Ausmaß, die Dynamiken und die Strukturen
des Leiharbeitsmarktes, die Einsatzfelder sowie die Arbeitsbedingungen von Leih-
48 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

arbeit (Linne/Vogel 2003; Promberger 2006; 2012; Schwaab/Durian 2009; Vogel


2004b). Der Großteil der Forschungsliteratur konzentriert sich hingegen vorwie-
gend auf einzelne Teilaspekte von Leiharbeit:
Das Einkommen von Leiharbeitnehmer/-innen ist im Durchschnitt niedriger
als das von Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis (Brehmer/Seifert 2008;
Kvasnicka/Werwatz 2002). Nach Befunden von Jahn/Pozzoli (2013) liegt die
Lohnlücke zwischen 14 und 20 Prozent beziehungsweise bei rund 17 Prozent
(Dütsch 2011). Nach Ansicht einiger Autoren (so zum Beispiel Kvasnick-
a/Werwatz 2002) ist das Lohndifferential jedoch nicht auf die Beschäfti-
gungsform Leiharbeit an sich zurückzuführen, sondern variiert je nach berufli-
cher Qualifikation, der Stellung im Beruf und des Erwerbsstatus des/der Leihar-
beitnehmer/-in vor Beginn der Tätigkeitsaufnahme. Nienhüser/Matiaske (2003)
kommen im Zusammenhang einer europabezogenen Untersuchung allerdings zu
dem Schluss, dass man „auch bei statistischer Kontrolle weiterer Einflussgrößen
und im Durchschnitt aller von uns einbezogenen Länder, von einer Benachteili-
gung der Leiharbeiter sprechen kann“ (Nienhüser/Matiaske 2003: 472). Die
mittlere Entlohnung der Leiharbeit liegt dabei über der Niedriglohnschwelle der
OECD, so dass nicht zwangsläufig auf Prekarität geschlossen werden kann. Al-
lerdings ist die Wahrscheinlichkeit, einen Niedrig- und damit Prekärlohn zu
erhalten, als Leiharbeitnehmer/-in wesentlich höher (Dütsch 2011: 306).
Die Forschungsliteratur zum Einkommen von Werkvertragsbeschäftigten ist im
Gegensatz dazu übersichtlich; viele Fallstudienuntersuchungen weisen aber durchaus
auf objektive Prekaritätspotenziale hin. Hervorgehoben wird, dass Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen branchenübergreifend tendenziell unter schlechteren Bedingun-
gen arbeiten und geringere Löhne als Stammbeschäftigte und Leiharbeitnehmer/-in-
nen erhalten (Brinkmann/Nachtwey 2014; Haubner 2014; Koch 2012; Lorig 2012;
Sell 2013; Siebenhüter 2014), da die beauftragten Werkvertragsunternehmen entwe-
der nicht oder aber zu niedrigeren Entlohnungsbedingungen tarifgebunden sind. In
der Metall- und Elektroindustrie spielt bezüglich der Personalkostensenkungsstrate-
gie unter anderem die Vergabe von Werkverträgen an Firmen aus mittel- und ost-
europäischen Ländern eine Rolle (Lippert 2006). Für Ingenieur/-innen und Techni-
ker/-innen, die als entsandte Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in einem Einsatzbe-
trieb beschäftigt sind, wurde ein Lohnabstand zu Stammbeschäftigten von bis zu
sieben Prozent ermittelt. Diese Lücke verringert sich bei Vorliegen einer Tarifbin-
dung des Werkvertragsunternehmens (Bispinck/Stoll 2013: 9 f.).
Was den Zugang zu Weiterbildungsmöglichkeiten anbelangt, so wurde ge-
zeigt, dass Leiharbeitnehmer/-innen insgesamt seltener an formalen Weiterbil-
dungsmaßnahmen teilnehmen (Mitlacher 2006: 74). Bouncken et al. (2012: 135)
stellen allerdings heraus, dass dies nicht für alle Leiharbeitnehmer/-innen gilt,
sondern unter anderem von der Beschäftigungsdauer abhängt. Diese trägt dazu
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 49

bei, Informationsasymmetrien auf Seiten des Verleihers abzubauen, im Gegen-


zug Vertrauen aufzubauen und schließlich den Amortisationszeitraum für die
Weiterbildungskosten zu verlängern. Weitere quantitative Studien kommen zu
dem Ergebnis, dass es keine größeren Unterschiede in den Weiterbildungsmög-
lichkeiten von Leiharbeitnehmer/-innen und Stammbeschäftigten gibt (Breh-
mer/Seifert 2008: 515; Dütsch 2011: 309), sondern dass vielmehr auch ver-
gleichbare Normalbeschäftigte benachteiligt werden. Ursächlich kann dafür die
Tatsache ein, dass Humankapitalinvestitionen in eher gering qualifizierte Be-
schäftigte, die einfache Tätigkeiten ausüben, nicht rentabel sind (Dütsch 2011:
309).
Übereinstimmend wird festgestellt, dass Leiharbeitnehmer/-innen einer ver-
gleichsweise geringen Beschäftigungsstabilität ausgesetzt sind (Antoni/Jahn
2006; Haller/Jahn 2014; Schlese 2014): Die durchschnittliche Beschäftigungs-
dauer von Leiharbeitnehmer/-innen betrug 2011 6,1 Monate (Median: 3,4 Mona-
te) (Haller/Jahn 2014: 7). Mehr als die Hälfte aller beendeten Arbeitsverhältnisse
in der Leiharbeit endeten im zweiten Halbjahr 2014 nach weniger als drei Mona-
ten; neun Prozent dauern gar weniger als eine Woche (Statistik der Bundesagen-
tur für Arbeit 2015b: 17 f.). Insgesamt ist die Leiharbeitsbranche also aufgrund
einer hohen Fluktuation von einer geringen Beschäftigungsstabilität gekenn-
zeichnet; der Personalumschlag ist vier- bis fünfmal höher als in der Gesamtwirt-
schaft (Adamy 2010). Leiharbeitnehmer/-innen sind diesbezüglich folglich be-
nachteiligt– nicht zuletzt auch deshalb, weil durch die diskontinuierliche Er-
werbstätigkeit geringere Ansprüche im Sozialversicherungssystem generiert
werden (Dütsch 2011: 306 ff.; Keller/Seifert 2006: 238).
Aber auch die einzelnen Einsätze von Leiharbeitnehmer/-innen sind mehr-
heitlich von eher kürzerer Dauer: In 56 Prozent der Betriebe mit Leiharbeit sind
die typischen Einsätze höchstens sechs Wochen lang und nur in gut vier Prozent
der Betriebe sind Einsätze mit einer Dauer von über einem Jahr der häufigste
Fall. Die jeweilige Dauer der einzelnen Einsätze kann einen Einfluss auf die
funktionale und soziale Integration der Leiharbeitsbeschäftigten in den Einsatz-
betrieb haben. Zudem wird vermutet, dass mit zunehmender Einsatzdauer das
betriebliche Erfahrungswissen und damit auch die Übernahmechancen in eine
Festanstellung steigen (Promberger 2006: 62 f.).
Der letztgenannte Aspekt wird in der Literatur vorwiegend unter dem Be-
griff der Brückenfunktion von Leiharbeit (auch: Klebeeffekt, Bleibe- bzw. Be-
standseffekt oder Integrationseffekt) diskutiert. Damit ist gemeint, inwiefern
Arbeitslosen durch Leiharbeit der Wechsel in eine reguläre Beschäftigung jen-
seits der Leiharbeit gelingt. Leiharbeit wird dabei übereinstimmend nur sehr
begrenzt die Funktion einer Brücke in den Normalarbeitsmarkt zugeschrieben
(Baumgarten et al. 2012; Brülle 2013; Lehmer/Ziegler 2010). Nach zwei Jahren
50 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

gelingt nur 8% der Arbeitslosen der Übergang in eine reguläre Beschäftigung


(Crimmann et al. 2009: 88).
Der bisherige Forschungsstand in Bezug auf Leiharbeit weist darauf hin,
dass diese Beschäftigungsform in zentralen Dimensionen wie Einkommen und
Beschäftigungsstabilität objektive Prekaritätsrisiken aufweist (vgl. auch Prom-
berger 2006; Schlese et al. 2005; Weinkopf et al. 2009). Demgegenüber liegen
für Werkvertragsarbeit keine weiteren, empirisch geprüften Ergebnisse hinsicht-
lich objektiver Prekaritätspotenziale – etwa in Bezug auf Weiterbildungsmög-
lichkeiten, Beschäftigungsstabilität oder soziale Sicherheit – vor.
Die beschriebenen, tendenziell schlechteren Arbeitsbedingungen der Leih-
arbeitnehmer/-innen spiegeln sich auch in ihrer Beschäftigtenperspektive wider,
wie diverse, vorwiegend quantitative Untersuchungen zeigen. Im Mittelpunkt
steht vor allem die Erfassung der Arbeitszufriedenheit: Grundsätzlich ist diese
bei Leiharbeitnehmer/-innen niedriger als bei Normalbeschäftigten (Dütsch
2011; Grund et al. 2014). Diese Unterschiede sind nicht mit der Beschäftigungs-
form Leiharbeit an sich zu begründen, sondern resultieren aus mit der Beschäfti-
gungsform einhergehenden, schlechteren Arbeitsbedingungen und insbesondere
durch die von Leiharbeitnehmer/-innen als deutlich höher empfundene Arbeits-
platzunsicherheit (Grund et al. 2014: 14 f.). Dies deckt sich mit den Ergebnissen
von Jahn (2013), die feststellt, dass die subjektiv wahrgenommene Arbeitsplatz-
sicherheit eine größere Rolle bei der Jobzufriedenheit spielt, als die formal gege-
bene Jobsicherheit.
Darüber hinaus beeinflusst die Tatsache, ob die Beschäftigung in Leiharbeit
ein frei gewählter Zustand ist, die Arbeitszufriedenheit: Leiharbeitnehmer/-in-
nen, die sich unfreiwillig in dieser Beschäftigung befinden, sind weniger zufrie-
den als jene, die sich freiwillig in Leiharbeit begeben haben (Galais 2003: 57).
Zusätzlich haben Änderungen von gesetzlichen Rahmenbedingungen einen Ef-
fekt: Busk et al. (2015) stellen nach der deregulierenden Reform des AÜG im
Jahre 2003 einen maßgeblichen Rückgang der Arbeitszufriedenheit von Leihar-
beitnehmer/-innen fest. Ursächlich für die gestiegene Unzufriedenheit sind sin-
kende Löhne, eine Steigerung der wahrgenommenen Arbeitsplatzunsicherheit
sowie eine soziale Isolation der Beschäftigten, die aus dem häufigen Wechsel des
Arbeitsplatzes resultiert.
Eng verknüpft mit der subjektiv empfundenen Arbeitsplatzunsicherheit ist
laut Dütsch (2011: 309 f.) der quantitative Befund, dass Leiharbeitnehmer/-innen
ihre psychische Gesundheit signifikant schlechter bewerten als regulär Beschäf-
tigte. Auch Galais et al. (2012) kommen zu dem Ergebnis, dass es sich bei Leih-
arbeitnehmer/-innen „um eine hoch beanspruchte Arbeitnehmergruppe handelt“
(Galais et al. 2012: 116), da das hohe Belastungspotenzial dieser Beschäfti-
gungsform – unter anderem in Form von Unsicherheit, Bewährungsdruck und
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 51

sozialer Benachteiligung – negative Auswirkungen für die psychische und physi-


sche Gesundheit der Beschäftigten hat. Darüber hinaus führen die Faktoren Ein-
kommen, Weiterbildung und Entscheidungsspielräume, die sich in Leiharbeit als
oftmals defizitär erweisen, zu Fehlbelastungen und resultieren in Gesundheitsbe-
einträchtigungen der Beschäftigten (Becker et al. 2013).
Schließlich zeichnen sich Leiharbeitnehmer/-innen durch ein deutlich ge-
ringeres, gesellschaftliches Zugehörigkeitsgefühl (im Sinne einer sozialen In-
tegration) aus als regulär Beschäftigte (Gundert/Hohendanner 2014). Dabei spie-
len sowohl sozio-ökonomische Effekte (wie Lohnabschläge und die wahrge-
nommene, eingeschränkte Lebensplanbarkeit), als auch eine schwerer erreichba-
re soziale Integration und Anerkennung im Einsatzbetrieb (vor allem aufgrund
kurzer Beschäftigungsdauern) eine Rolle.
Nicht verwunderlich ist es daher, dass eine Übernahme in das Einsatzunter-
nehmen von der Mehrheit der Leiharbeitnehmer/-innen gewünscht ist (Ellingson
et al. 1998; Galais/Moser 2009). Dementsprechend bilden diejenigen Personen,
die Leiharbeit unfreiwillig ausüben, eine höhere Bindung zum Einsatzbetrieb aus
(Connelly et al. 2007). Jene Leiharbeitnehmer/-innen mit einem ausgeprägten or-
ganisationalem Commitment zum Einsatzbetrieb erleben bei einem Einsatzwech-
sel eine Zunahme psychosomatischer Beschwerden, so dass man von einer er-
höhten Verletzlichkeit sprechen kann (Galais/Moser 2009).
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Leiharbeit sowohl hinsichtlich ob-
jektiver Merkmale, als auch in Bezug auf die subjektive Verarbeitung der Be-
schäftigungssituation quantitativ-empirisch recht umfassend erforscht ist; die
Arbeitsbedingungen bzw. Prekaritätsrisiken von Onsite-Werkvertragsarbeit bis-
lang jedoch – vor allem im Vergleich zu Leiharbeit – nicht systematisch auf
Basis quantitativer Daten untersucht wurden.
Die Ergebnisse der qualitativ-empirischen Forschungsliteratur zur subjekti-
ven Verarbeitung prekärer Beschäftigungsformen sind im Gegensatz dazu relativ
überschaubar. Die Perspektive von Leiharbeitnehmer/-innen spielt dabei zum
Teil nur im Vergleich mit anderen atypischen Beschäftigungsformen eine Rolle
(vgl. beispielsweise Noller et al. 2004; Schiek 2010). Zur subjektiven Wahrneh-
mung und Verarbeitung der Beschäftigungsform Werkvertragsarbeit durch die
Beschäftigten liegen demgegenüber keinerlei qualitativ-empirischen Ergebnisse
vor.
Hervorzuheben sind in diesem Forschungsstrang die Ergebnisse um Dörre
et al. (2006), die sich bei ihrer Fallauswahl am bereits erläuterten Zonenmodell
Castels (2000) orientieren und als Ergebnis eine Typologie mit insgesamt neun
Typen der (Des-)Integration vorlegen (vgl. unter anderem Brinkmann et al.
2006; Dörre 2005; Dörre 2007a; Kraemer/Speidel 2004a). Zentral bei der Syste-
matisierung der subjektiven Verarbeitung von prekärer Beschäftigung sind zwei
52 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

Kategorien: Die Arbeitskraft- sowie die Tätigkeitsperspektive. Die Arbeitskraft-


perspektive meint die formale Struktur und arbeitsrechtliche Ausgestaltung des
Beschäftigungsverhältnisses, während die Tätigkeitsperspektive durch Aspekte
wie Arbeitsinhalte, Professionalisierungsansprüche oder die Teilhabe an sozialen
Netzwerken gekennzeichnet ist (Dörre et al. 2006: 75). Ein zentrales Ergebnis
der Studie ist der starke Einfluss der Arbeitskraftperspektive: Erst wenn eine
Tätigkeit formal im Sinne der Arbeitskraftperspektive abgesichert ist, wird die
Tätigkeitsperspektive zur Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses einge-
nommen. Die Autoren stellen unter Bezugnahme auf Bourdieu (2000) heraus,
dass eine zunehmende prekäre Beschäftigung dazu führt, dass qualitative Ar-
beitsansprüche in den Hintergrund treten und stattdessen die Sorge um den eige-
nen Arbeitsplatz dominiert (Brinkmann et al. 2006: 58; Dörre et al. 2006: 87).
Prekäre Arbeit wirkt damit disziplinierend und nimmt zugleich Voraussetzungen
für Widerständigkeit im Sinne einer Selbst-, aber auch kollektiven Interessenver-
tretung, weil den Beschäftigten die ständige Ersetzbarkeit vor Augen geführt
wird und sie daher alle Ressourcen für den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes
verbrauchen (Dörre 2006). Offen ist in diesem Zusammenhang jedoch, wie Leih-
und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen konkret ihre Situation der betrieblichen
Mitbestimmung bewerten und wie sie damit im jeweiligen Betrieb umgehen.
Neben der Arbeitskraft- und Tätigkeitsperspektive sind bei der subjektiven
Bewertung bzw. bei der Reaktion auf Prekaritätserfahrungen darüber hinaus
(erwerbs-)biografische Einflusse, aber auch vorhandene Beispiele einer an den
Normalitätsmaßstäben gemessenen, gelungenen Erwerbsintegration (beispiels-
weise durch die Kollegen in der Stammbelegschaft oder andere nahestehende
Personen sowie eigene frühere Erfahrungen) relevant (Gefken et al. 2015).
In wenigen, qualitativ-empirisch angelegten Studien wird der Fokus einzig
auf die Beschäftigung in Leiharbeit, deren subjektive Wahrnehmung und Verar-
beitung der prekären Potentiale gelegt. Einen zentralen Stellenwert in den Wahr-
nehmungen und Deutungen der Beschäftigten nehmen demnach der Wunsch
nach einer Übernahme, die Planungsunsicherheit aufgrund von Beschäftigungs-
und Einkommensinstabilität sowie Diskriminierungs- bzw. Ausgrenzungserfah-
rungen ein.
Holst (2012) zufolge mündet die von den Leiharbeitnehmer/-innen zuneh-
mend verlangte Flexibilität und Mobilität in einer Zukunftsungewissheit, die ein
planvolles, zukunftsgerichtetes Handeln (bezogen auf den Arbeitsmarkt) der
Beschäftigten blockiert und zu einer Überanpassung des eigenen Verhaltens
führt. Zu den zentralen Ergebnissen gehört zudem, dass die Übernahme in eine
feste Anstellung zwar für alle interviewten Leiharbeitenden ein erstrebenswertes
Ziel darstellt, die Realisierung dessen allerdings als skeptisch bzw. nicht prog-
nostizierbar gesehen wird (Holst 2012: 230 f.). Zu diesbezüglich ähnlichen Er-
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 53

gebnissen kommen auch Holtrup (2009: 158 ff.) und Smith (1998). Insgesamt
hebt nur eine Minderheit von Leiharbeitnehmer/-innen die Sprungbrettfunktion
in den Arbeitsmarkt aus der (Dauer-)Erwerbslosigkeit heraus positiv hervor (De
Cuyper et al. 2008; Kraemer/Speidel 2004b: 139 ff.). Die wahrgenommene Un-
sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes kann einerseits dazu führen, dass die Leih-
arbeitnehmer/-innen zusätzliche Arbeitsbelastungen auf sich zu nehmen, um ihre
Übernahmechancen zu erhöhen. Andererseits setzen die Leiharbeitskräfte zum
Teil Hoffnung in die Unterstützung der Betriebsräte in den Einsatzbetrieben und
erkundigen sich beispielsweise persönlich nach der Möglichkeit einer Übernah-
me (Artus/Roßmeißl 2012: 32 ff.).
Der soziale Status von Leiharbeitenden ist oftmals mit Diskriminierungser-
fahrungen und Außenseitergefühlen (Holtrup 2009; Noller et al. 2004; Vogel 2003;
2004a), aber auch einem Gefühl der Stigmatisierung und Exklusion gegenüber der
Stammbelegschaft (Bosmans et al. 2015) verknüpft. Hervorzuheben ist in diesem
Zusammenhang die relativ groß angelegte, qualitativ-empirische Studie von Noller
et al. (2004; vgl. auch Vogel 2003; Vogel 2004a) über Leiharbeitnehmer/-innen
und befristet Beschäftigten der Automobilindustrie und ihren Zulieferbetrieben. In
ihrer Typologie erwerbsbiographischer Erfahrungen und Haltungen zeigen sie,
dass sehr heterogene Erfahrungen und zugleich sehr unterschiedliche Formen der
Auseinandersetzung mit prekärer Beschäftigung existieren, die von erwerbsbiogra-
phischen Voraussetzungen und betrieblichem bzw. regionalem Kontext beeinflusst
werden. Als zentrales Belastungsmoment für die befragten Beschäftigten wird –
neben der Unsicherheit in Bezug auf ihre berufliche Zukunft und Konflikte mit den
Verleihfirmen – insbesondere die Nichtzugehörigkeit zur Stammbelegschaft identi-
fiziert. Das damit verbundene Ausgrenzungsgefühl resultiert aus klaren bzw. sym-
bolischen Grenzziehungen wie sprachlichen Abgrenzungen, Missachtungserfah-
rungen der eigenen Arbeitsleistung, Differenzen in der Arbeitskleidung und der
Trennung von Sozialräumen (Vogel 2004a: 161 ff.). Eine weitere Rolle bei der
empfundenen Ausgrenzung spielt der Verstoß gegen symbolische Anerkennungs-
bedürfnisse, etwa in Form des im Unterschied zu den Stammbeschäftigten als
ungerecht empfundene, geringere Einkommen, das „als mangelnde Anerkennung,
als Kritik an der eigenen Wertigkeit in der symbolischen Hierarchie der Entleihbe-
triebe verstanden“ (Holtrup 2009: 154) wird. Missachtung wird auch durch die
Bezeichnung von Leiharbeitnehmer/-innen als „Materialkosten“, in der andersarti-
gen Arbeitskleidung sowie in der Zuweisung weniger attraktiver Arbeiten erfahren
(Holtrup 2009: 179 ff.).
Das Einkommen und die soziale Anerkennung werden auch bei Helfen et al.
(2015) als zentrale Ungleichheitsdimensionen identifiziert, anhand derer sich die
Leiharbeitnehmer/-innen mit Normalarbeitnehmer/-innen vergleichen und ihre
Beschäftigungsform dementsprechend als inferior wahrnehmen. Erschwerend bei
54 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

der sozialen Integration in den Einsatzbetrieb wirkt zudem der häufige Wechsel
des Einsatzortes (Holtrup 2009: 177 ff.).
Kraemer/Speidel (2004b) werten in ihrem Beitrag die Ergebnisse des bereits
erwähnten Projektes von Dörre et al. (2006) hinsichtlich der Beschäftigungsform
Leiharbeit anhand von qualitativen, leitfadenorientierten Interviews in einem
Automobilunternehmen aus. Im Ergebnis beschreiben alle Leiharbeitnehmer/-in-
nen ihre Arbeitssituation „als unbefriedigend, belastend, eben als prekär“ (Krae-
mer/Speidel 2004b: 129). Zentral ist der folgende Befund, der die bisherigen
Forschungserkenntnisse über die subjektive Verarbeitung gut zusammenfasst:
„Dauerhafte Beschäftigungs- und Einkommensunsicherheit, geringe Partizipati-
onschancen und die allenfalls schwach entwickelte Identifikation mit der eigenen
Arbeitstätigkeit verstärken sich gegenseitig und münden in eine Erwerbslage, die
sich durch massive soziale Desintegrationseffekte auszeichnet“ (Kraemer/Spei-
del 2004b: 132). Die betriebliche Mitbestimmung als Prekaritätsdimension wird
hier allerdings thematisch lediglich angerissen und nicht weiter ausgeführt. Of-
fen bleibt daher, inwiefern die beschriebenen Diskriminierungserfahrungen der
Beschäftigten auch hinsichtlich des Ausschlusses von betrieblichen Mitbestim-
mungsrechten eine Rolle spielen.
Bei der individuellen Bewältigung der prekären Merkmale von Leiharbeit
wird das Qualifikationsniveau als ein beeinflussender Faktor hervorgehoben. Der
Fokus lag dabei bislang jedoch nur auf dem Privatleben der betroffenen Beschäf-
tigten, etwa im Hinblick auf die Partnerschaftsqualität und die Realisierung von
Kinderwünschen. Eine zentrale Erkenntnis ist dabei, dass die negativen Merkma-
le der Beschäftigungsform Leiharbeit individuell umso besser bewältigbar sind,
je mehr Ressourcen – beispielsweise Strategien zur Konfliktbearbeitung – ver-
fügbar sind (Niehaus 2013). Dies wirft die Frage auf, ob das Qualifikationsni-
veau auch beim Umgang mit der betrieblichen Mitbestimmungssituation im
Einsatzbetrieb eine Rolle spielt.
Als Fazit dieses Abschnitts ist zu konstatieren, dass die bisherigen For-
schungserkenntnisse über die Arbeitsbedingungen von Leih- und Werkvertrags-
arbeit und den subjektiven Umgang damit weit auseinander klaffen und sich der
Wissensstand über die beiden Beschäftigungsformen stark unterscheidet. Auf-
grund der Aktualität des Themas ist die Menge an wissenschaftlicher Literatur in
Bezug auf Werkverträge in jüngster Zeit allerdings angestiegen. Vermehrt Be-
achtung findet dabei der insbesondere der Aspekt der Mitbestimmung auf tarifli-
cher sowie betrieblicher Ebene bei Leiharbeit und Werkverträgen gleichermaßen,
auf den im folgenden Abschnitt eingegangen werden soll.
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 55

3.2.2 Die (betriebliche) Mitbestimmung bei Leiharbeit und Werkverträgen


als Forschungsgegenstand

Die bisherige Mitbestimmungsforschung betreffend Leih- und Werkvertragsar-


beit fokussiert vorwiegend auf die traditionellen Kollektivakteure der Arbeitsbe-
ziehungen auf Arbeitnehmer/-innenseite. Dabei wird einerseits die Perspektive
der Gewerkschaften auf überbetrieblicher Ebene beleuchtet, und andererseits die
Betriebsräte auf betrieblicher Ebene behandelt.
So stellen verschiedene empirische Studien die Organisations- und Reprä-
sentationsprobleme von Leiharbeitnehmer/-innen als Herausforderung für die
Gewerkschaften in den Mittelpunkt. Aust/Holst (2006) widmen sich gewerk-
schaftlichen Reaktionsmustern auf Leiharbeit und konstatieren Organisationspro-
bleme: Die Etablierung einer ausreichenden Mitgliederbasis mithilfe der tradi-
tionellen Rekrutierungsmechanismen über Betriebsräte und Tariferfolge gelingt
hier bisher nicht (ähnliche Beiträge vgl. Aust et al. 2007a; Holst et al. 2008;
Pernicka/Aust 2007).
Hinsichtlich der gewerkschaftlichen Strategien benennen Bispinck/Schulten
(2011) allgemein ein wachsendes Engagement der Gewerkschaften für atypische
Beschäftigung und arbeiten speziell in Bezug auf Leiharbeit eine Politik der
Begrenzung und Regulierung heraus. Zugleich stellen die Autoren jedoch eine
durch fehlende gewerkschaftliche Strukturen bedingte, begrenzte Reichweite
ihrer Organisationsfähigkeit im Bereich der atypischen Beschäftigung insgesamt
fest. Übereinstimmend wird von einem strategischen Wandel von Exklusion hin
zu Inklusion von Leiharbeit in die gewerkschaftliche Arbeit ausgegangen, der
sich aus dem Bestreben zur tarifvertraglichen Regulierung, der Etablierung parti-
zipativer Strukturen und Kampagnenarbeit ableiten lässt (Benassi/Dorigatti
2014; Wölfle 2008). Empirisch nachvollzogen wird dieser Prozess auch im Hin-
blick auf die wachsende Ressourcenbereitstellung der IG Metall für entsprechen-
de Kampagnen angesichts der Zunahme von Leiharbeit (Meyer 2013). Als ein
zentrales, gewerkschaftliches Ziel wird dabei die Reduktion von Einkommensun-
terschieden zwischen Leiharbeitnehmer/-innen und Stammbeschäftigten heraus-
gearbeitet, um Leiharbeit sozial aufzuwerten (Helfen et al. 2015).
Für die Metall- und Elektroindustrie fasst Barlen (2014) die kurz- und mit-
telfristig orientierten Ziele der IG Metall unter den Schlagwörtern „Regulierung
und Beschränkung von Leih- und Werkvertragsarbeit“ sowie „Integration der
Beschäftigten“ zusammen. Zur Erreichung dieser Ziele sollen insbesondere die
Betriebsräte in den Einsatzbetrieben für den Abschluss von Betriebsvereinbarun-
gen, die Kontrolle der Einhaltung von Tarifverträgen sowie für die Werbung von
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen als Gewerkschaftsmitglieder sensi-
bilisiert und mobilisiert werden.
56 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

Die Mitbestimmung bei Leih- und Werkvertragsarbeit auf betrieblicher


Ebene ist bislang Gegenstand mehrerer – überwiegend sekundär-analytischer und
qualitativ-empirischer – Untersuchungen gewesen. Dabei stehen allerdings aus-
schließlich die Betriebsräte in den Einsatzbetrieben und ihre Handlungskompe-
tenzen und Reaktionen in Bezug auf Leih- und Werkvertragsbeschäftigte im
Fokus der Betrachtung. Demgegenüber weitestgehend unerforscht ist die betrieb-
liche Mitbestimmung in den Leih- und Werkvertragsfirmen selber – obwohl der
jeweilige Entsendebetrieb eine weitere Mitbestimmungsarena dieser Beschäfti-
gungsformen darstellt.
Als ein zentrales Erkenntnis dieses Forschungsstrang ist hervorzuheben,
dass den Betriebsräten in den Einsatzbetrieben durch das BetrVG und das AÜG
weitaus vielfältigere Handlungsoptionen in Bezug auf Leiharbeit als im Bereich
der Werkverträge offen stehen. Gründe dafür sind mehrere Schübe des institutio-
nellen Machtgewinns durch die Reformen des BetrVG, AÜG und Urteile der
Arbeitsgerichte (Barlen 2014). Daneben sind die Anforderungen an die Betriebs-
räte gewachsen: Sie müssen nun einerseits dazu in der Lage sein, die Relevanz
von Leiharbeit in ihrem Unternehmen zu analysieren. Andererseits müssen sie
Kenntnisse der ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente des BetrVG, des
AÜG sowie der Tarifverträge haben, damit sie den Leiharbeitseinsatz mitgestal-
ten können (Weinkopf/Vanselow 2008: 26). Diese Anforderungen gelten auch in
Bezug auf Werkverträge, wobei hier derzeit wohl die Informationsdefizite über
den Einsatz von Werkverträgen im Unternehmen sowie über die Möglichkeiten
der Mitwirkung hinderlich sein könnten (Lorig 2012).
Der konkrete Umgang mit Leiharbeit durch Betriebsräte in der betriebli-
chen Praxis steht bei Promberger (2006; 2009; 2012) sowie Wassermann/Ru-
dolph (2007) im Mittelpunkt. Beide stellen auf Basis von leitfadengestützten,
qualitativen Interviews mit Betriebsratsmitgliedern eine große Heterogenität der
Betriebsratspraktiken im Einsatzbetrieb fest. Zwar sind die Betriebsräte zuneh-
mend für diese Beschäftigungsform sensibilisiert, schöpfen ihre Mitbestim-
mungsmöglichkeiten jedoch häufig nicht aus. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen
Artus/Roßmeißl (2012) in ihrer – ebenfalls auf qualitativen Betriebsratsinter-
views basierten – Untersuchung mit dem Fokus auf den Organisationsbereich der
IG Metall Bayern. Bitterwolf/Seeliger (2013) verweisen allerdings auf die Mög-
lichkeit von Betriebsräten, Leiharbeit durch die taktische Nutzung von Medien
öffentlich zu skandalisieren. Zudem ist – den Ergebnissen einer Auswertung von
132 Betriebsvereinbarungen (aus den Jahren 1986-2013) in Bezug auf Leiharbeit
zufolge – tendenziell das Bemühen von Betriebsräten zu erkennen, Leiharbeits-
kräften den Zugang zum innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu eröffnen (Hamm
2015).
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 57

Auch die betriebliche Interessenvertretung von Werkvertragsarbeitnehmer/-


innen wird zunehmend zum Gegenstand empirischer Untersuchungen. Lorig
(2012) und Nienhüser/Bonnes (2009) verweisen in Bezug auf Werkverträge auf
eine problematische Mitbestimmungssituation. Gewerkschaftliche Einflussmög-
lichkeiten und die Interessenvertretung der Arbeitnehmer/-innen werden durch
fehlende betriebliche Regelungen, Informationsdefizite und durch die Hetero-
genität der Belegschaft erschwert bzw. unmöglich gemacht. Zu dem Ergebnis
einer deutlichen Regelungslücke bei Werkverträgen kommt auch Schulze Bu-
schoff (2014).
Brinkmann/Nachtwey (2014) zeigen anhand empirischer Untersuchungen
über Leiharbeit und einer Fallstudie über Werkverträge in der Fleischindustrie,
welche Effekte die Ausweitung atypischer Beschäftigung auf die betriebliche Mit-
bestimmung haben können. Danach ist die betriebliche Mitbestimmung in den
letzten Jahren zwar stabil geblieben und teilweise mit der Reform des BetrVG gar
ausgebaut worden − allerdings erodiert in der informellen betrieblichen Praxis die
Mitbestimmung: Die Betriebsräte in den Einsatzbetrieben stoßen im Umgang mit
Leiharbeit und Werkverträgen an ihre Grenzen; dazu kommt, dass Werkver-
tragsbeschäftigte im Gegensatz zu LeiharbeitnehmerInnen komplett von Beteili-
gungsrechten im Einsatzbetrieb ausgeschlossen sind. Somit führt der Zuwachs an
Werkverträgen zu einem feststellbaren Absinken des Rechte- und Beteiligungsni-
veaus.
Bromberg (2011) stellt mithilfe von qualitativen Betriebsratsinterviews in
der Automobilindustrie fest, dass die Werkvertragsvergabe lediglich punktuell
eine Rolle in der betrieblichen Praxis spielt – im Anschluss an die Entscheidung
für oder gegen eine Vergabe bestehen nämlich keine Einflussmöglichkeiten des
Betriebsrats mehr. Für Leiharbeit hingegen konstatiert auch sie Ansatzpunkte für
die Mitbestimmung der Betriebsräte; negativ wirkt sich hier allerdings ein „bei-
derseitige[r] Bindungsverlust in ihrer Beziehung zu den überlassenen Inge-
nieuren“ (Bromberg 2011: 184) aus. Folgen sind ein größerer Arbeitsaufwand
und die Verlagerung ihrer Arbeitsschwerpunkte auf die Interessenvertretung der
Stammbelegschaft. Als problematisch für die Betriebsratsarbeit wird zudem her-
vorgehoben, dass die längerfristige Nutzung von Werkverträgen als Ersatz der
Stammbelegschaft in einer reduzierten Größe des Betriebsratsgremiums sowie in
einer geringeren Zahl an freigestellten Betriebsratsmitgliedern resultiert (Sieben-
hüter 2013).
Hertwig et al. (2015b; 2016) erstellen auf Basis qualitativer Betriebsfallstu-
dien eine Typologie des Betriebsratshandelns in Bezug auf Werkverträge. Die
Typologie spannt sich über die zwei Grundhaltungen Ablehnung und Akzeptanz
von Werkverträgen, die jeweils wieder durch Unsicherheit oder Konfrontation
bzw. Ausgestaltung oder Kooperation charakterisiert sind. Deutlich wird – kon-
58 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

gruent zu den Ergebnissen von Siebenhüter (2013) – laut der Autorengemein-


schaft, dass die Betriebsratspraktiken sehr uneinheitlich sind. Die Betriebsrats-
mitglieder sind damit konfrontiert, sich in dieses neue Themenfeld einzuarbeiten
und Strategien zu entwickeln. In den untersuchten Fällen bewirken sie beispiels-
weise die Rückholung von Werkverträgen in den Einsatzbetrieb oder nehmen
durch die Aufdeckung von Scheinwerkverträgen Einfluss auf die Werkvertrags-
praktiken.
Aus den bis hierher vorgestellten Forschungsergebnissen sind folgende
Konsequenzen für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen festzuhalten: Für
Leiharbeitnehmer/-innen haben sich die Rahmenbedingungen der betrieblichen
Mitbestimmung ein Stück weit dem Wandel der Unternehmens- und Beschäftig-
tenstrukturen angepasst. Sie können zwar – zumindest theoretisch – an zwei
Mitbestimmungsarenen teilhaben, nämlich im Einsatzbetrieb sowie in ihrem
Verleihunternehmen; im Einsatzunternehmen selber sind sie jedoch im Vergleich
zu den Festangestellten „Betriebsbürger zweiter Klasse“ (Brinkmann/Nachtwey
2014: 96). Dies ist einerseits der Fall, weil sie innerhalb der ersten drei Einsatz-
monate im Entleihbetrieb von der demokratischen Teilhabe ausgeschlossen sind
und andererseits, weil in der betrieblichen Praxis empirisch feststellbar ist, dass
Leiharbeitnehmer/-innen oftmals gar nicht in die Wählerlisten aufgenommen
werden und ihnen die Wahl somit verwehrt wird (Brinkmann/Nachtwey 2014:
88). Zudem verfügen sie nicht über das Recht, sich im Einsatzbetrieb in den
Betriebsrat wählen zu lassen. Ihnen steht nur das passive Wahlrecht zu. Demge-
genüber sind Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – wie Brinkmann/Nachtwey be-
reits anmerken – „gar keine Betriebsbürger“ (Brinkmann/Nachtwey 2014: 96).
Sie sind somit im betrieblichen Alltag zwar mit zwei Mitbestimmungsarenen in
Berührung, verfügen aber lediglich über Mitbestimmungsmöglichkeiten in dem
Werkvertragsunternehmen, in welchem sie angestellt sind.
Allerdings werden die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Entsendebetrieb
dadurch erschwert, dass zumindest in Leiharbeitsfirmen – über Werkvertragsun-
ternehmen liegen diesbezüglich keine Daten vor – oftmals kein Betriebsrat vor-
handen (Promberger 2006: 137) oder aber dieser – vor allem bei größeren Unter-
nehmen – zentral eingesetzt ist und für eine Kontaktaufnahme zwischen Beschäf-
tigten und Betriebsrat aufgrund der räumlichen Distanz ein erhöhter Aufwand
betrieben werden muss. Benachteiligend für beide Beschäftigtengruppen kommt
hinzu, dass die Betriebsräte der Einsatzbetriebe aus Gründen der Ressourcen-
knappheit ihre Politik oftmals an den Interessen sowie am Erhalt der Stammbe-
legschaft ausrichten (müssen). Zudem trägt die größere Beschäftigungsstabilität
der Festangestellten dazu bei, dass Betriebsräte, die an einer Wiederwahl interes-
siert sind, eher die Interessen derjenigen Gruppen repräsentieren, die auch bei
der nächsten Wahl noch wahlberechtigt sind (Keller/Seifert 2013: 126).
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 59

Die Konzentration der hier vorgestellten Untersuchungen auf Betriebsrats-


handeln – und praktiken in Bezug auf Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen führt dazu, dass die betriebliche Mitbestimmung aus Beschäftigtenperspekti-
ve bislang weitestgehend unerforscht ist. Dieses Forschungsdesiderat umfasst
allerdings tendenziell alle Beschäftigtengruppen. Auch Wilkesmann et al.
(2011a: 206) sowie Kißler et al. (2011: 180) kommen zu dem Schluss, dass die
Sichtweise der abhängig Beschäftigten und ihre Erwartungen an die betrieb-
lichen Interessenvertretungen generell bislang kaum systematisch erfasst bzw.
empirisch erforscht wurden. In der Tat existieren nur äußerst wenige, relativ
junge Studien, die dieses Defizit aufgreifen. Davon bezieht sich zwar keine ex-
plizit auf Leih- und/oder Werkvertragsarbeitnehmer/-innen; gleichwohl sind die
Ergebnisse (möglicherweise) relevant für das in der vorliegenden Arbeit er-
forschte Phänomen.
Nienhüser et al. (2016) analysieren auf Grundlage quantitativer Daten die
Einstellungen von Erwerbstätigen zur Mitbestimmung von Arbeitnehmer/-innen
nach dem BetrVG und in Aufsichtsräten. Die Haltungen stellen sich als „ausge-
sprochen positiv“ (Nienhüser et al. 2016: 169) heraus, wobei lediglich betriebs-
ratsfähige Arbeitgeber/-innen eine schwächere Befürwortung der Mitbestim-
mung von Arbeitnehmer/-innen aufweisen. Bei einer überdurchschnittlich positi-
ven Einstellung zur Mitbestimmung spielen unter anderem direkte Erfahrungen
in Form einer Betriebsratsmitgliedschaft sowie eine Gewerkschaftsmitglied-
schaft eine beeinflussende Rolle. Das Bildungsniveau, die Existenz eines Be-
triebsrats sowie eine mitbestimmungsfreundliche Haltung des Arbeitgebers bzw.
der Arbeitgeberin haben hingegen kaum Wirkungen auf die Einstellungen.
Holtrup (2008) untersucht qualitativ-empirisch die subjektive Bedeutung des
Betriebsrats und damit verbundene Ansprüche und Erwartungen an betriebliche
Interessenvertretungen aus Beschäftigtenperspektive. Im Ergebnis kommt er zu
vier Funktionen, die Beschäftigte mit dem Betriebsrat in Verbindung bringen:
Eine advokatorische sowie informatorische Funktion, eine Funktion als betriebli-
che Ordnungs- und Partizipationsinstanz bzw. eine Funktion als nachgelagerter
Tarifakteur im Betrieb. Auch wenn sich ein prinzipiell positiver Bezug der Be-
schäftigten zur Institution des Betriebsrats feststellen lässt, so lässt er sich doch
insgesamt als „Hintergrundinstitution des Arbeitsplatzes“ (Holtrup 2008: 145)
charakterisieren, die eher selten thematisiert wird. Die advokatorische Funktion
eines Betriebsrats erfährt dabei auch für Beschäftigte mit Berufsausbildung einen
sinkenden Stellenwert – sie schreiben sich selbst eine „betriebsbürgerschaftliche
Mündigkeit“ (Holtrup 2008: 173), also eine hohe Selbstaushandlungs- und
Durchsetzungsfähigkeit, zu. Der Betriebsrat wird zwar allgemein als eine wichti-
ge und legitime Institution im Betrieb angesehen; zentraler ist für die Befragten
jedoch seine Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz bzw. als Gegen-
60 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

gewicht zu Geschäftsführung und Management, um deren Machtpotential und


Entscheidungshoheit durch Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte zu begren-
zen.
Hervorzuheben im Zusammenhang mit der Perspektive prekär Beschäftig-
ter auf die betriebliche Mitbestimmung ist die repräsentative, quantitativ-empi-
rische Studie von Wilkesmann et al. (2011a; 2011b). Sie kommen zu dem Ergeb-
nis, dass Prekarisierung zu deutlich höheren und umfangreicheren Erwartungen
an die betrieblichen Interessenvertretungen führt. Dies betrifft speziell die als das
„mitbestimmungsbedürftige Prekärmilieu“ (Wilkesmann et al. 2011: 223) klassi-
fizierten Beschäftigten, welche insbesondere den an Holtrup (2008) angelehnten,
untersuchten Erwartungskategorien der persönlichen Unterstützung, der Funkti-
on eines Sprachrohrs der Belegschaft und der Informationsfunktion des Betriebs-
/Personalrats eine hohe Bedeutung beimessen. Zu dieser Beschäftigtengruppe
dürften – zumindest potenziell – auch Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen zählen.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsrat und Beschäftigten wird laut
Rami/Hunger (2011) durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Ihren quantitativ-
empirischen Ergebnissen zufolge ist erstens das Arbeitsverhältnis ausschlagge-
bend, da Angestellte dem Betriebsrat ein höheres Vertrauen schenken als Arbei-
ter. Die Autor/-innen begründen dieses unterschiedlich vergebene Vertrauen mit
einer besseren Nachvollziehbarkeit der Betriebsratsaktivitäten durch die Ange-
stellten aufgrund ähnlicher Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata.
Zweitens ist für das Vertrauensverhältnis der soziale Kontakt, und zwar insbe-
sondere zum Betriebsratsvorsitzenden, in Form von Gesprächen in der Pause
oder Begehungen des Betriebs bedeutend. Drittens nimmt das jeweilige Unter-
nehmen durch die Unternehmensgeschichte, die Branche, die Unternehmenskul-
tur sowie personelle und strukturelle Gegebenheiten der Betriebsratsgremien
(etwa die räumliche Position des Betriebsratsbüros) Einfluss auf die Wahrneh-
mung der Betriebsratsarbeit. Viertens kommt der (zum Teil generationsüber-
greifenden) betrieblichen Sozialisation und damit auch der Betriebszugehörig-
keitsdauer eine besondere Bedeutung beim Vertrauensaufbau zu. Die Autor/-in-
nen stellen dahingehend fest: „Vertrauen ist damit kein „Kurzzeitphänomen“,
sondern wird über Jahre und möglicherweise über Generationen aufgebaut“
(Rami/Hunger 2011: 185 f.). Vor diesem Hintergrund eröffnet sich die Frage, ob
die zum Teil sehr kurzfristigen Einsatzzeiten und der daraus resultierende, mög-
licherweise geringere Betriebsratskontakt von Leih- und Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen einen Einfluss auf die Beziehung zwischen Betriebsratsmitgliedern
und Beschäftigten haben.
Die Zufriedenheit von Beschäftigten mit ihrem Betriebsrat wurde von
Schardt (1979) anhand einer quantitativen Fallstudie, für die männliche Arbeiter
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 61

und Angestellte befragt wurden, erhoben. Danach beurteilen zwei Drittel der
Beschäftigten den Betriebsrat allgemein als „positiv“ (Schardt 1979: 161). Aller-
dings werden konkrete Details der Betriebsratsarbeit als negativ bewertet: So
fühlen sich zwei Drittel der Beschäftigten nicht ausreichend bei Problem- und
Konfliktlösungen einbezogen. Zudem fühlt sich knapp die Hälfte der Beschäftig-
ten vom Betriebsrat entfremdet. Zugleich wird von Teilen eine als unzureichend
empfundene Vertrauensbasis bezüglich der Lösung persönlicher bzw. betriebli-
cher Konflikte angegeben.
Mögliche Erklärungen für eine Verdrossenheit von abhängig Beschäftigten
gegenüber Betriebsräten erforscht Musiol (2014). Seine Datenbasis bilden fünf
leitfadengestützte Interviews mit Betriebsratsmitgliedern diverser Branchen,
zwei Gruppendiskussionen mit Betriebsratsmitgliedern sowie eine systematische
Auswertung von über 400 Beiträgen von Beschäftigten in Internetforen, in denen
die Betriebsratsarbeit beurteilt wird. Als Ursachen für die Verdrossenheit von
Beschäftigten mit der betrieblichen Mitbestimmung identifiziert der Autor zwei
Aspekte: Die Missachtung von Selbstbestimmungsbedürfnissen einerseits und
die Missachtung von Beteiligungswünschen andererseits, die insbesondere auf
mangelhafter Informationsarbeit der Betriebsräte sowie auf fehlender Kommuni-
kation zwischen den Betriebsräten und Belegschaften beruhen. Beide Ursachen
lassen sich unter dem Schlagwort „fehlende Anerkennung“ der Beschäftigten
durch den Betriebsrat subsumieren.
In Bezug auf die Mitbestimmungsaffinität nach Beschäftigtenstatus bzw. –
qualifikation wird hervorgehoben, dass die die Mitbestimmungsaffinität steigt, je
niedriger das Berufsprestige – bzw. prekärer die Erwerbstätigkeit – der befragten
Personen ist. Zu begründen ist dies unter anderem mit der höher eingestuften,
subjektiv wahrgenommenen Selbstaushandlungsfähigkeit von Personen in pres-
tigereicheren Berufen (Wilkesmann et al. 2011a). Dies deckt sich mit den Er-
kenntnissen bezüglich der Interessenvertretung hochqualifizierter Beschäftigter,
bei denen die Relevanz eigenverantwortlicher Vertretung und Regulierung der
Interessen aus Sicht der Beschäftigten betont wird (Boes/Trinks 2006; Holtrup
2008; Kotthoff 1997; Mehlis 2008; Städler et al. 2004). Abel/Pries (2005) kom-
men zu einem ähnlichen Befund für die Branche der Neuen Medien und begrün-
den diesen mit der Arbeitsidentität und Beitragsorientierung der Beschäftigten,
aber auch mit einer in den Unternehmen herrschenden Vertrauenskultur. Sichtbar
wird dies beispielsweise an der Gewährung weitreichender Partizipations- und
Autonomiespielräume (zum Beispiel in Bezug auf die Arbeitszeitregulierung)
und an der engen Bindung zwischen Belegschaft und Geschäftsführung. Letztere
ist notwendig, da die Beschäftigten und ihr Expert/-innenwissen als zentrales
„Kapital“ in den Dienstleistungsunternehmen gesehen werden. Folglich werden
seitens der Geschäftsführung Anstrengungen unternommen, die Bindung durch
62 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

ein positives Arbeitsklima, ein materielles Entgegenkommen und eine Anerken-


nung des Beitrags der hochqualifizierten Beschäftigten zum Unternehmenserfolg
zu verstärken (Abel/Pries 2005: 150). Die qualitativ-empirischen Ergebnisse von
Holtrup (2008) weisen allerdings – wie bereits erwähnt – darauf hin, dass die
advokatorische Funktion eines Betriebsrats auch für Beschäftigte mit Berufsaus-
bildung von abnehmender Bedeutung ist.
Die Gründung eines Betriebsrats ist äußerst voraussetzungsvoll, wie Artus
et al. (2015) in ihrer qualitativen Studie feststellen. Die Autor/-innen decken fünf
typische Muster der Betriebsratsgründung auf, zu denen unter anderem Betriebs-
ratsgründungen als ein Mittel der kollektiven Emanzipation zählen. Diese kom-
men oftmals in Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes sowie im Dienstleis-
tungsbereich vor, in denen die Arbeitsbedingungen unterhalb rechtlicher und
tariflicher Standards angesiedelt sind. Im Falle einer ausreichenden, internen
Solidarisierung, der Existenz von durchsetzungsfähigen und qualifizierten Akti-
vist/-innen sowie einer engen gewerkschaftlichen Anbindung kann eine Betriebs-
ratsgründung in dieser Art von Betrieben trotz repressiver Managementstrategien
gelingen (Artus et al. 2015: 61 ff.). Die Akteur/-innen, die Betriebsratsgründun-
gen initiieren, zeichnen sich typischerweise durch eine langjährige Angehörig-
keit zur Stammbelegschaft, eine überdurchschnittlich hohe Ausstattung mit fach-
lichen Kompetenzen, überwiegend positiven sozialen Beziehungen zur den Kol-
leg/-innen und Vorgesetzten sowie durch persönliche Erfahrungen mit betriebli-
cher Mitbestimmung aus (Artus et al. 2015: 259 f.). Ungeklärt ist jedoch bislang,
ob bzw. inwiefern die Arbeitsstandards im Falle von Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen eine besondere Hürde bei der Gründung von Betriebsratsgre-
mien darstellen.
Offen bleibt auch, wie sich die besonderen Beschäftigungsbedingungen von
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – relativ kurze Einsatzzeiten und
wechselnde Einsatzbetriebe, ein tendenziell geringeres Einkommensniveau,
mögliche Ausgrenzungserfahrungen, geringere Mitbestimmungsrechte im Ein-
satzbetrieb – allgemein auf die subjektive Verarbeitung und den Umgang mit der
betrieblichen Mitbestimmung auswirken. Es bleibt bislang ebenfalls ungeklärt,
inwiefern die Beschäftigung als externe Arbeitskraft einen Einfluss auf die indi-
viduelle Mitbestimmungsaffinität und die Einschätzung der eigenen Selbstaus-
handlungsfähigkeit bzw. Verhandlungsposition nimmt. Im Hinblick auf die be-
triebliche Mitbestimmung aus der Perspektive von Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen ist folglich eine klare Forschungslücke festzustellen. Diese
wird – wenn überhaupt – eher am Rande thematisiert. Hervorzuheben ist dabei
das Ergebnis, dass von Leiharbeitnehmer/-innen strukturelle Benachteiligungen
hinsichtlich institutionell abgesicherter Partizipationschancen in Form eines
Betriebsrats empfunden werden. So werden sowohl die Nichtexistenz eines Be-
3.2 Zum empirischen Forschungsstand im Bereich Prekarität von Leih- und Werkvertragsarbeit 63

triebsrats in der Verleihfirma, als auch das begrenzte Engagement der Interes-
senvertretung im Einsatzbetrieb beklagt (Kraemer/Speidel 2004b: 131). Generell
wird das Fehlen von Ansprechpartner/-innen im Betrieb als negativ bewertet:
„Gerade die Leiharbeitskräfte sehen sich vor das Problem gestellt, dass es in den
Verleihfirmen in der Regel keine betriebliche Interessenvertretung gibt, und dass
die Betriebsräte der Entleihfirmen formal mit ihnen nichts zu tun haben und
oftmals praktisch mit ihnen auch nichts zu tun haben wollen“ (Vogel 2004a:
162). Die Ergebnisse zur betrieblichen Mitbestimmung werden in den beiden
zitierten Studien jedoch nicht weiter spezifiziert, so dass eine umfassende Unter-
suchung der Beschäftigtenperspektive auf die betriebliche Mitbestimmung von
Leiharbeitnehmer/-innen – und ebenso von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen –
weiterhin aussteht.

3.2.3 Zusammenfassung und Identifizierung der Forschungslücke

Alle bisherigen Forschungsergebnisse verweisen übereinstimmend einerseits auf


die begrenzte Reichweite betriebsrätlicher Aktivitäten bei Leiharbeit sowie ins-
besondere bei Werkverträgen im Einsatzbetrieb. Andererseits wird deutlich, dass
Leiharbeit und Werkverträge insofern ein objektives prekäres Potenzial in Bezug
auf die betriebliche Mitbestimmung bergen, als dass ihr Teilhabegrad im Ein-
satzbetrieb als defizitär einzustufen ist. Gegenüber den Festangestellten sind sie
in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbetrieb strukturell be-
nachteiligt und können ihre Rechtsansprüche auf Betriebsratswahl, die Konsul-
tation des Betriebsrats, die Teilnahme an Betriebsversammlungen etc. nur einge-
schränkt wahrnehmen. Die Autoren Brinkmann/Nachtwey (2014: 83) kommen
somit zu dem Schluss einer „Prekarisierung der Mitbestimmung“. Zugleich sind
die Möglichkeiten der Beschäftigten zur Teilnahme an der betrieblichen Mitbe-
stimmung im Verleih- bzw. Werkvertragsunternehmen durch räumliche Entfer-
nung, das eventuelle Fehlen eines Betriebsrats etc. eingeschränkt. Folgt man den
Überlegungen Bourdieus (1998a), kommt zu den oben genannten defizitären Mit-
bestimmungschancen prekär Beschäftigter verstärkend hinzu, dass sich diese – sei
ihre prekäre Situation nun vornehmlich geprägt durch objektive oder subjektive
Unsicherheit – nur in geringem Maße mobilisieren, da sie in ihrer Fähigkeit,
Zukunftsprojekte zu entwerfen, beeinträchtigt sind. Diese Fähigkeit aber ist nach
Bourdieu die Voraussetzung für rationales Verhalten (beispielsweise in Form
ökonomischen Kalküls) sowie für die politische Organisation (Bourdieu 1998a:
98). Der Verlust der Zukunftszentrierung hat somit Auswirkungen auf die kol-
lektive Interessenformulierung und –durchsetzung durch die Arbeitnehmer/-in-
nen (Bultemeier et al. 2008: 246 f.).
64 3 Theoretischer und empirischer Forschungsstand zum Begriff der Prekarität

Der Fokus der bisherigen Forschung lag bislang fast ausschließlich auf der
rechtlich-institutionellen Ebene von Mitbestimmung sowie auf der expertenori-
entierten Forschung. Soziale Prozesse der Gestaltung und der Aushandlung von
Arbeitsbedingungen wurden in Bezug auf Leih- und Werkvertragsarbeit nur aus
Expertenperspektive, also einseitig, sowie vorwiegend in Bezug auf die Mitbe-
stimmungsarena des Einsatzbetriebs betrachtet. Die Fragen aber, wie die betrieb-
liche Mitbestimmung von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen subjektiv
wahrgenommen wird und wie sie mit der objektiv prekären Mitbestimmungssi-
tuation im Einsatzbetrieb auf der einen Seite und jener im Entsendebetrieb auf
der anderen Seite umgehen, bleiben unbeantwortet. Die vorliegende Arbeit
schließt diese Forschungslücke, indem mithilfe einer subjektorientierten For-
schung die Bewertungen, aber auch die Handlungsentscheidungen, die die Be-
schäftigten aus ihrer Wahrnehmung der Mitbestimmungssituation heraus treffen,
empirisch erfasst und analysiert werden. Die bisherigen Forschungsergebnisse
der Prekaritäts- bzw. Mitbestimmungsforschung werden somit durch eine Analy-
se der Auswirkungen des Wandels der Erwerbsarbeit auf die Beschäftigten und
ihre demokratische Teilhabe im Betrieb um ein weiteres Element ergänzt.
Die Konkretisierung der aus der Forschungslücke erwachsenden For-
schungsfragen sowie die in dieser Arbeit eingenommene, theoretische Perspekti-
ve werden im nachfolgenden Kapitel erläutert.
4 Konkretisierung und theoretische Einbettung
der Fragestellungen

4.1 Konkretisierung der Forschungsfragen

Die vorangegangene Darstellung des Forschungsstands zu den Beschäftigungs-


formen Leih- und Werkvertragsarbeit hat verdeutlicht, dass hinsichtlich der Be-
schäftigtenperspektive auf die betriebliche Mitbestimmung in den beiden Mitbe-
stimmungsarenen des Einsatz- und Entsendebetriebs ein Forschungsdesiderat
besteht. Das Ziel der vorliegenden Forschungsarbeit ist es daher, die subjektive
Wahrnehmung und Bewertung sowie den Umgang mit der betrieblichen Mitbe-
stimmung seitens der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu analy-
sieren. Im Mittelpunkt steht die folgende, leitende Forschungsfrage:

Inwiefern bewerten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ihre betriebli-


che Mitbestimmungssituation subjektiv als prekär und wie gehen sie mit der Ko-
existenz zweier Arenen der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatz- und Ent-
sendebetrieb um?

Damit sind vier Forschungsfragenkomplexe verbunden:

 Wie werden die bestehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten im jeweiligen


Einsatz- bzw. Entsendebetrieb von den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/
-innen wahrgenommen und beurteilt?
 Welche Handlungskonsequenzen für den jeweiligen Umgang mit ihrer Mit-
bestimmungssituation ergeben sich für die Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen?
 Wie verhalten sich die Wahrnehmungen, Bewertungen und Handlungen in
den beiden Mitbestimmungsarenen des Einsatz- und Entsendebetriebs zuei-
nander? Mit anderen Worten: Wird jeweils eine Mitbestimmungsarena
durch die Beschäftigten fokussiert, und wenn ja, welche?
 Durch welche Faktoren bzw. Bedingungen lassen sich die verschiedenen
Bewertungen und Handlungen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen erklären?

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_4
66 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

In einem ersten Schritt ist zu analysieren, welche Mitbestimmungsbedingungen


und -möglichkeiten sowohl im Entsendebetrieb, als auch im Einsatzbetrieb tat-
sächlich – auf Basis gesetzlicher Regelungen – für Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen bestehen (Kapitel 6). Die jeweiligen Mitbestimmungssituatio-
nen werden dann als objektiv prekär beurteilt, wenn die Bedingungen und Rech-
te negativ von denen des in Kapitel 3 definierten Normalarbeitsverhältnisses
abweichen.
In einem zweiten Schritt (Kapitel 7) erfolgt auf Grundlage des empirischen
Materials die Untersuchung der Wahrnehmungen und Bewertungen der Leih-
und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in Bezug auf die betriebliche Mitbestim-
mung. Es wird dabei der Frage nachgegangen, inwieweit diese jeweils subjektiv
als prekär beurteilt wird. Das Interviewmaterial wird dabei anhand diverser Kri-
terien systematisiert, die in Kapitel 7 ausführlich definiert werden. Darüber hin-
aus gilt es in diesem Schritt zu untersuchen, wie die Beschäftigten mit ihrer (po-
tenziell als prekär empfundenen) Mitbestimmungssituation im Einsatz- und Ent-
sendebetrieb umgehen und welche Handlungskonsequenzen sie aus ihr ziehen.
Ziel ist es, konkrete Handlungen der Beschäftigten in Bezug auf die Mitbestim-
mungssituation offenzulegen. Die Einordnung der einzelnen Beschäftigtenfälle
in einen Merkmalsraum ermöglicht dabei die Systematisierung der subjektiven
Prekaritätsbewertung und des Umgangs mit betrieblicher Mitbestimmung. Dabei
wird zunächst nach Beschäftigungsformen und Einsatz- und Entsendebetrieb
differenziert.
In einem dritten Schritt wird jeweils eine Typologie der Bewertungen und
Handlungen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung pro Beschäftigungs-
form entwickelt (Kapitel 8). Das Ziel dieses Schrittes ist es, den Umgang der
Beschäftigten mit den beiden Mitbestimmungsarenen in einem Gesamtkontext
zu betrachten. Zugleich ist zu beantworten, wodurch sich die verschiedenen
Typen erklären lassen und welche Faktoren und Bedingungen dabei eine Rolle
spielen. Ein besonderer Fokus wird dabei auf Sinnzusammenhänge zwischen
Einsatz- und Entsendebetrieb gelegt – um beispielsweise zu erklären, weshalb
ein Typus seine Handlungsressourcen ausschließlich auf den Einsatzbetrieb kon-
zentriert und der Entsendebetrieb eine marginale Rolle in Wahrnehmung, Bewer-
tung und Handlungen einnimmt. Anhand von Fallvergleichen und -kontrastierun-
gen werden diejenigen Erklärungsfaktoren identifiziert, welche die Bewertung
und den Umgang mit der betrieblichen Mitbestimmung beeinflussen. Als theore-
tische Analyseheuristik dient dabei das Modell der Situationsdefinition nach
Esser (1999; vgl. dazu ausführlicher Kapitel 4.2). Die Untersuchung der Fakto-
ren erfolgt allerdings weitestgehend offen und sich an der Grounded Theory
Method orientierend – wenngleich das bereits aufbereitete theoretische und fakti-
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 67

sche Vorwissen eine Untersuchungsrichtung vorgibt (für methodische Erläute-


rungen vgl. Kapitel 5).
Abschließend werden in einem vierten Schritt (Kapitel 9) die entstandenen
Typologien vergleichend diskutiert. Ein besonderer Fokus liegt dabei auch auf
den jeweiligen Erklärungsmustern für die einzelnen Beschäftigungsformen.
Die in der vorliegenden Forschungsarbeit eingenommene, theoretische Per-
spektive auf die subjektive Bewertung und das daraus abgeleitete Handeln bzw.
den Umgang mit den gegebenen Bedingungen wird im nachfolgenden Unterka-
pitel erläutert.

4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung

Der Fokus der vorliegenden Forschungsarbeit liegt auf der individuellen Wahr-
nehmung und Bewertung von Partizipationsmöglichkeiten bzw. -defiziten durch
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen und dem daraus erwachsenen Han-
deln. Aufgrund dieser subjektorientierten Forschungsperspektive bietet sich die
Verwendung einer Analyseheuristik an, die zunächst am individuellen Akteur
bzw. an der individuellen Akteurin ansetzt. In dieser Arbeit soll sich zur Erklä-
rung subjektiver Bewertungen und daraus folgenden Handlungen daher an einer
Auslegung der Rational-Choice-Theorie22 nach Hartmut Esser (1993; 1999b)
orientiert werden. Rational Choice dient zunächst einmal als ein Sammelbegriff
für eine Art der Theoriebildung, die den jeweiligen Handlungsträgern (z.B. Per-
sonen oder Organisationen) jeweils spezifische Intentionen und anreizgeleitetes
Entscheidungsverhalten unter bestimmten Gegebenheiten unterstellt, um daraus
resultierende soziale Folgen zu erklären (Braun 2009: 395). Grundlegende An-
nahme der Rational-Choice-Theorie ist, dass das menschliche Handeln durch das
Ziel der rationalen Maximierung individuellen Nutzens erklärt werden kann. Die
rationale Nutzenmaximierung hat in diesem Verständnis den Status eines Gene-
ralmotivs (Schneider 2009: 400). Rationalität kann dabei als
„zielgerichtetes (d.h. vorausschauendes) und optimierendes (d.h. maximierendes o-
der minimierendes) Entscheidungsverhalten unter bestmöglich gebildeten (d.h. rati-
onalen) Erwartungen bei Verwendung aller verfügbaren oder beschafften Informati-

22 Die Rational-Choice-Theorie ist dem Methodologischen Individualismus zuzuordnen (Miebach


2014: 32). Danach werden Phänomene und Prozesse stets als Ergebnis menschlicher Entschei-
dungen begriffen. Diese individuellen Entscheidungen und Handlungen sind dabei ausnahms-
los durch soziale Bedingungen und strukturelle Gegebenheiten geprägt und können ihrerseits
kollektive Konsequenzen nach sich ziehen. Es existieren folglich immer Makroeinflüsse auf
das individuelle Entscheidungsverhalten, was auch unter dem Begriff Makro-Mikro-Übergang
gefasst werden kann. Zugleich beeinflusst das Zusammenspiel einzelner Verhaltensweisen die
Beziehungen zwischen Makrovariablen (Mikro-Makro-Übergang) (Braun 2009: 398).
68 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

onen konzeptualisiert [werden], das mit zeitkonsistenten (d.h. entscheidungskonfor-


men oder plantreuen) Handlungen einhergeht und wohlgeordnete stabile Präferenzen
sowie gegebene Restriktionen reflektiert“ (Braun 2009: 402).
Auch Esser richtet den Fokus stark auf das handelnde Individuum und integriert
damit subjektive Prozesse und die Wahrnehmung von Situationen in die Analyse
von Handlungen. Zentral bei der Erklärung von Handlungen ist dabei jedoch,
wie Akteur/-innen die äußeren, strukturellen Bedingungen wahrnehmen. Anders
als in reinen Mikro-Theorien finden in Essers Modell der soziologischen Erklä-
rung (Esser 1993) demnach auch die Strukturen, in denen Handeln stattfindet,
sowie Handlungsfolgen Beachtung. Die Mikro- und Makroebene beeinflussen
sich dabei wechselseitig:
„Die Gesellschaft ist nichts weiter als eine Konstruktion, fortwährend neu konstitu-
iert durch die unzähligen einzelnen Handlungen der miteinander in antagonistischer
Kooperation stehenden Menschen. Und auch die Individuen sind wiederum nichts
als die ebenfalls in ihrer Subjektivität simultan, immer wieder neu konstituierten
Produkte des wechselseitig aufeinander bezogenen Handelns und dessen externer,
gesellschaftlich objektivierter Folgen.“ (Esser 1999a: 469; Kursivsetzung im Origi-
nal)
Esser (1999b) ergänzt das klassische Rational-Choice-Modell mit der Annahme,
dass auch der soziale Kontext einen Effekt auf die Entscheidungen der Akteure
hat. Dieser zu berücksichtigende soziale Kontext wird von Esser systematisch in
einer vom interpretativ-interaktionistischen Paradigma geprägten Methode na-
mens Situationsanalyse verankert (Miebach 2014: 417 f.). Esser bezieht sich
unter anderem auf William I. Thomas (1928; 2004), der erstmalig das Konzept
der Definition der Situation formulierte. Thomas geht davon aus, dass menschli-
ches Handeln stets eine routinierte oder kreative Form der Auseinandersetzung
mit einer Situation darstellt und somit als ein situationsbezogenes „Problemlö-
sen“ verstanden werden kann. Damit bezeichnet der Begriff grundlegend jeden
menschlichen Eingriff in eine Situation (und schließt damit zum Beispiel auch
Passivität ein). Eine Situation beinhaltet nach Thomas‘ Konzept drei Arten von
Daten: Erstens die objektiven Bedingungen, wie beispielsweise der räumliche
Kontext oder die Zahl der Anwesenden; zweitens die bestehenden Einstellungen
der Beteiligten, die das Geschehen beeinflussen; drittens die subjektive Wahr-
nehmung der beiden erstgenannten Faktoren, also die Definition der Situation
durch den Akteur (Keller 2012: 41 ff.). Esser betont in diesem Zusammenhang,
dass die subjektiven Vorstellungen, die das Handeln bestimmen, unverzichtbare
Faktoren zur Erklärung des Handelns sind. So kann die gleiche objektive Situati-
on von verschiedenen Akteuren ganz anders gesehen und definiert werden (Esser
1999b: 64 f.).
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 69

Essers Erklärungsansatz der Situationsanalyse kombiniert die rationale


Handlungswahl eines Menschen mit normativen Orientierungen. Er definiert ihn
wie folgt:
„Die Situationsanalyse zielt auf die Untersuchung der typischen Anpassungen der
Akteure an die aktuell gegebene äußere Situation angesichts eines jeweils vorliegen-
den Repertoires an inneren Tendenzen und Zielen des Handelns, die der Akteur vor-
her kulturell erworben oder biologisch geerbt hat.“ (Esser 1999b: 32)
Das Handeln der Menschen ist dabei das Ergebnis einer prinzipiell stets selektie-
renden, intelligenten, aktiven und kreativen Anpassung der Akteure an die vor-
gefundenen Gegebenheiten (Esser 1999b: 35). Die Situation selber besteht aus
zwei grundlegenden Komponenten: Den äußeren und den inneren Bedingungen.
Die äußeren Bedingungen sind Opportunitäten, institutionelle Regeln und Be-
zugsrahmen, während die inneren Bedingungen aus der Gesamtheit des Wissens,
der Werte und der Einstellungen des Akteurs bestehen, die ein strukturiertes
System und eine soziale Identität bilden. Aus dem Zusammenspiel dieser Be-
standteile ergibt sich dann die subjektive „Definition“ der Situation durch den
Akteur, also eine „zuspitzende Rahmung, die der Akteur der Situation gibt und
von der her er dann alle Aspekte sieht“ (Esser 1999b: 161) und letztendlich seine
Handlungsentscheidung trifft (Esser 1999b: 161 ff.).
Die folgende Abbildung verdeutlicht die Selektionen zur „Definition“ der
Situation.

äußere Bedingungen
(1a)

Kognition (2)

innere Bedingungen
(1b)

Orientierung (3)

subjektive Definition der Situation:

mentales Modell/ Code und Programm overtes Handeln


(4)

Abbildung 4: Die Selektionen zur „Definition“ der Situation


Quelle: Eigene Darstellung nach Esser (1999b: 166).
70 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

Drei Schritte führen letztendlich zur Situationsdefinition: Der erste Schritt ist die
Vorgeschichte der Situation (in Abbildung 4 als 1a und 1b gekennzeichnet). Damit
ist die Genese der äußeren und inneren Bedingungen der Situation gemeint – also
die Entstehung der sozialen Strukturen, in die das aktuelle Geschehen eingebettet
ist, aber auch die Biografie und ‚Lerngeschichte‘ des Akteurs bzw. der Akteurin
durch Erfahrungen in vergangenen Situationen, die zur Genese des Wissens, der
Werte und der Einstellungen beitragen (Esser 1999b: 161 ff.). Die äußeren Bedin-
gungen bilden nach Esser den objektiven Rahmen des Handelns einer Person und
umfassen drei Elemente: Materielle Opportunitäten (die gesamte Anzahl der wähl-
baren Alternativen des Akteurs bzw. der Akteurin, bestimmt durch ökonomisches,
aber auch durch Human- und Sozialkapital), institutionelle Regeln (z. B. Normen,
Sitten, Konventionen und Gesetze/Regelungen, die den sozialen Sinn einer Situati-
on definieren) sowie signifikante Symbole. Letztere stellen die jeweils in der Situa-
tion vorhandenen oder von anderen Akteur/-innen angezeigten, kulturell definier-
ten und mit Sinn belegten Zeichen für die Geltung eines spezifischen Bezugsrah-
mens dar, durch den die Situation definiert ist. Die Akteur/-innen können aus den
signifikanten Symbolen Schlüsse über nicht unmittelbar feststellbare Eigenschaften
der Situation ziehen und erkennen, welche Opportunitäten bzw. institutionelle
Regeln vorgegeben sind. Beispiele für signifikante Symbole sind Sprache oder
Kleidung(sstile).
Die inneren Bedingungen umfassen das Wissen und die Werte des Akteurs
bzw. der Akteurin über die Wahrscheinlichkeiten und Präferenzen sowie den
Satz an inneren Einstellungen, die er bzw. sie für bestimmte Situationen verin-
nerlicht hat und an die er/sie sich in der Situation halten kann bzw. muss. Esser
bezeichnet das Wissen, die Werte und den Satz der inneren Einstellungen ge-
meinsam als Identität des Akteurs bzw. der Akteurin. Die soziale Identität, also
der gesamte Bestand an Wissen und Bewertungen für sozial typisierte Situatio-
nen, das dort angemessene Handeln und die Beziehungsart der handelnden Per-
son zu ihrer Umgebung, ist dabei von besonderer Bedeutung für das Handeln.
Die soziale Identität stellt ein Registersystem typischer Situationen und Modelle
dar, auf das der Akteur bzw. die Akteurin zugreifen kann (Esser 1999b: 51 ff.).
Im Modell zur „Definition“ der Situation ist der handelnde Mensch als ein von
den äußeren Bedingungen abgegrenztes, personales System zu sehen, das durch
eine eigenständige Identität gekennzeichnet ist (Esser 1999b: 165).23
Der zweite Schritt, der zur „Definition“ der Situation führt, ist die Kogniti-
on (2). Damit bezeichnet Esser das Zusammenspiel von Erleben, selektiver

23 Hervorzuheben ist jedoch an dieser Stelle, dass die Biografien der Akteur/-innen auch über die
Genese der sozialen Strukturen beeinflusst und die Identitäten der Individuen somit maßgeb-
lich von den äußeren Bedingungen konstituiert werden. Umgekehrt wirken die Identitäten
ebenso bei der Genese sozialer Strukturen mit (Esser 1999b: 163).
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 71

Wahrnehmung und die schließende Konstruktion der subjektiven Wirklichkeit


durch den Akteur oder die Akteurin, durch das er bzw. sie mit der sozialen sowie
nicht-sozialen Umgebung in Kontakt tritt.
Im dritten Schritt schließlich erfolgen die Orientierung des Akteurs/der Ak-
teurin und die Wahl eines mentalen Modells über die Situation (3). Diesen Vor-
gang nennt Esser Framing.24 Bevor es also zu einer Handlung kommt, reflektiert
und interpretiert die Person den wahrgenommen sozialen Kontext vor dem Hinter-
grund der inneren Bedingungen von Einstellungen und Identität und entscheidet
sich für ein mentales Modell der Situation, welches dann die Grundlage für das
konkrete (overte) Handeln darstellt (Esser 1999b: 165; Miebach 2014: 419 f.).
Ist die Situationsdefinition abgeschlossen, muss sich der/die Akteur/-in ent-
scheiden und eine Handlung auswählen (4). Diesen Entscheidungsprozess (auch:
„Logik der Selektion“) erklärt Esser mithilfe der Wert-Erwartungstheorie. Deren
grundlegende Regel lautet: „Versuche Dich vorzugsweise an solchen Handlun-
gen, deren Folgen nicht nur wahrscheinlich, sondern Dir gleichzeitig auch etwas
wert sind! Und meide ein Handeln, das schädlich bzw. zu aufwendig für Dich ist
und/oder für Dein Wohlbefinden keine Wirkung hat!“ (Esser 1999b: 248). Eine
Grundannahme dabei ist, dass jedes Handeln eine Selektion und damit eine Ent-
scheidung zwischen Alternativen ist (Esser 1999b: 248). Darüber hinaus wird
angenommen, dass jedes Handeln Folgen hat, die für den Akteur bzw. die Akteu-
rin mit unterschiedlichen Bewertungen versehen sind. Die Konsequenzen des
Handelns treten mit dem Vollzug des Handelns mit einer unterschiedlichen
Wahrscheinlichkeit ein, die die entsprechende Person als Erwartungen gespei-
chert hat. Die Handlungsalternativen werden vor dem Hintergrund der Bewer-
tung von Zielsituationen und der Einschätzung der Wahrscheinlichkeit darüber,
dass eine bestimmte Handlung zu einer bestimmten Folge führt, einer Evaluation
unterzogen und unterschiedlich gewichtet. Diese Gewichtungen der Alternativen
werden als Wert-Erwartungen bezeichnet. Selektiert wird letztendlich diejenige
Handlung, deren Gewichtung in Relation zu anderen am höchsten ist – also jene,
welche den höchsten Wert der subjektiven Nutzenerwartung besitzt. Die han-
delnde Person ist damit an den Folgen ihres Handelns vor dem Hintergrund der
inneren und äußeren Bedingungen in der Situation orientiert (Esser 1999b: 247 ff.).
Erst die Ausführung der Handlung hat reale Folgen und zieht externe Effek-
te nach sich, die zu der Entstehung einer neuen, objektiven Situation führen (Es-
ser 1999b: 165; in Abbildung 4 durch den gestrichelten Pfeil visualisiert). Mithil-
fe der „Logik der Aggregation“ kann schließlich von der Mikroebene des Ak-
teurs bzw. der Akteurin wieder zur Makroebene gewechselt werden und der
Übergang von individuellem Handeln zu kollektiven Handlungsfolgen erklärt

24 Dieses Modell hat Esser zu einem späteren Zeitpunkt zum Frame/Skript-Modell weiterentwi-
ckelt. Für eine Erläuterung dieses Modells siehe Esser (2001) und Miebach (2014: 419 ff.)
72 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

werden (Miebach 2014: 400). Durch die Aggregation einzelner Handlungen


kommt es zur Entstehung neuer oder gleichbleibender (sozialer) Strukturen.

Übertragung des handlungstheoretischen Modells auf den


Forschungsgegenstand

Esser legt mit seinem Erklärungsansatz der Situationsanalyse dar, wie Handlun-
gen durch die subjektive Wahrnehmung der Handlungsumwelt geprägt werden.
Es zeigen sich dabei Parallelen zu den bereits vorangegangen Überlegungen zur
Analyse von objektiver und subjektiver Prekarität: Esser geht ebenfalls davon
aus, dass die Definition einer Situation sowie die anschließende Handlungswahl
von den äußeren – also institutionellen bzw. objektiven – Rahmenbedingungen,
von den inneren Bedingungen wie Biographie, Werten und Einstellungen, und
letztendlich von den subjektiven Wahrnehmungen des jeweiligen Akteurs bzw.
der jeweiligen Akteurin abhängt. Mithilfe von Essers theoretischer Systematisie-
rung können die individuelle Wahrnehmung und Bewertung von sowie der Um-
gang mit der Mitbestimmungssituation der Leih- und Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen somit umfassend erklärt werden, da individuelle und strukturelle
Faktoren in der Analyse miteinander verbunden werden. Zugleich ist das Modell
relativ allgemein gehalten und kann damit jegliche – auch unvorhergesehene –
Phänomene, die in der Forschung gegebenenfalls auftauchen, in einen theoreti-
schen Rahmen einbetten.25 An dieser Stelle sei allerdings hervorgehoben, dass in
dieser Forschungsarbeit nicht das Ziel einer Theorieüberprüfung verfolgt wird.
Essers Modell wird als Heuristik eingesetzt und dient dabei als theoretisches
Raster, welches durch empirische Daten zunehmend gefüllt wird (vgl. dazu auch
Kelle/Kluge 2010: 63). Damit erfüllt es vor allem die Funktion der Strukturie-
rung der empirischen Daten.
Zum Zwecke der Beantwortung der Forschungsfrage wird Essers Modell
der „Definition“ der Situation in der vorliegenden Forschungsarbeit auf eine spe-
zifische Situationsdefinition zugespitzt: Die Bewertung der betrieblichen Mitbe-
stimmungssituation durch die Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen als
prekär bzw. nicht prekär. Durch diese Übertragung des Modells auf den For-
schungsgegenstand ist es einerseits möglich, jene Faktoren zu identifizieren, die
beeinflussend auf die jeweiligen Situationsdefinitionen wirken. Andererseits
kann analysiert werden, welche Handlungen auf dieser Grundlage gewählt wer-
den. Nachfolgende Abbildung visualisiert die Übertragung des handlungstheore-
tischen Modells auf die Forschungsfrage.

25 Denkbar ist beispielsweise, dass Verknüpfungspunkte zwischen der Prekaritätsdimension der


betrieblichen Mitbestimmung zu anderen Prekaritätsdimensionen bestehen.
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 73

Äußere Bedingungen:
 rechtliche Rahmenbedingungen (BGB / BetrVG / AÜG)
 Existenz eines Betriebsratsgremiums
 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen
 interne Akteure im betrieblichen Kontext (Betriebsrat und
Vorgesetzte)
 externe Akteure (Gewerkschaften und Gesamt- bzw. Kon-
zernbetriebsräte)

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der  Wissen, Werte und Einstellungen gegenüber
betrieblichen der betrieblichen Mitbestimmung (Mitbestim-
Mitbestimmung mungsaffinität)
 Wissen, Werte und Einstellungen gegenüber
der spezifischen Beschäftigungssituation
 biografischer Status
 sozialstrukturelle Faktoren

Orientierung

Subjektive Definition der Situation:


Handeln in Bezug auf die be-
Inwiefern bewerten die Leih- und Werkvertrags-
triebliche Mitbestimmung (Nut-
arbeitnehmer/-innen ihre bestehenden Mitbe-
zung der gesetzlich festgeleg-
stimmungsmöglichkeiten im jeweiligen Einsatz-
Handlungs- ten Möglichkeiten / Aktivitäten
bzw. Entsendebetrieb als prekär bzw. nicht-
wahl darüber hinaus / Passivität)
prekär?

Abbildung 5: Die Selektionen zur „Definition“ der Situation in Bezug auf die
betriebliche Mitbestimmung
Quelle: Modifiziertes Modell auf Grundlage von Esser (1999b: 166).

Zur Analyse der äußeren Bedingungen26 werden in der vorliegenden For-


schungsarbeit diejenigen sozialen Strukturen herangezogen, in die das aktuelle
Geschehen rund um das Individuum eingebettet ist (Esser 1999b: 162). Ein be-
sonderes Augenmerk wird dabei auf die gesetzliche Regulierung von Leih- und
Werkvertragsarbeit in Form des BGB, BetrVG und (im Falle von Leiharbeit) des
AÜG gelegt. Diese Gesetze stellen die übergeordneten bzw. grundlegenden Rah-
menbedingungen für die Arbeitsbedingungen sowie betrieblichen Mitbestim-
mungsmöglichkeiten im Einsatz- und Entsendebetrieb dar und gelten für alle
Leih- bzw. Werkvertragsarbeitnehmer/-innen der Metall- und Elektro-Industrie
gleichermaßen. Gleichzeitig wird die Frage nach den jeweiligen Mitbestim-
mungsmöglichkeiten insbesondere im Entsendebetrieb berücksichtigt. Dies um-

26 Die Genese der äußeren Bedingungen – also die Entstehung der sozialen und institutionellen
Strukturen – findet im Fortlauf der Analyse keine Berücksichtigung.
74 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

fasst die dortige Existenz eines Betriebsrats, zu dem die Beschäftigten gegebe-
nenfalls Kontakt aufnehmen können.27
Ein weiterer Fokus liegt darauf, inwiefern die Erreichbarkeit des jeweiligen
Betriebsratsgremiums bzw. die Partizipation an betrieblichen Mitbestimmungs-
prozessen mit Hürden verknüpft ist (niedrig- bzw. hochschwellige Zugänglich-
keit der betrieblichen Mitbestimmung). Dazu zählt unter anderem die räumliche
Distanz oder die Informationszugänglichkeit (etwa im Hinblick auf Betriebs-
ratswahlen).
Darüber hinaus soll – zumindest partiell – der betriebliche Kontext28 der je-
weiligen Betriebe bei der Analyse Berücksichtigung finden. Dazu zählt insbe-
sondere die Rolle interner Akteure, und zwar konkret die Handlungsstrategien
des Betriebsrats sowie die Führungskultur des bzw. der jeweiligen Vorgesetz-
ten/Geschäftsleitung. Die Handlungsstrategien der Betriebsräte im Einsatzbetrieb
können sich prinzipiell in einem Spektrum von Ablehnung, Regulierung und
Integration von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen bewegen (Barlen
2014). Hier ist zu klären, inwieweit etwaige Aktivitäten des Einsatzbetriebsrats –
zum Beispiel die persönliche Kontaktaufnahme zu den Beschäftigten – beein-
flussend auf das Prekaritätsempfinden und die daraus folgenden Handlungen der
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen wirken. In Bezug auf das Verhältnis
zu den Vorgesetzten ist beispielsweise anzunehmen, dass die Kommunikation
und der Umgang zwischen ihnen und den Arbeitnehmer/-innen einen Einfluss
darauf hat, wie die individuelle Verhandlungsposition und damit auch die Not-
wendigkeit eines Betriebsrats seitens der Beschäftigten eingeschätzt wird.
Schließlich werden als Einflussfaktoren auf die Situationsdefinition bzw. Hand-
lungswahl externe Akteure betrachtet. Dies bezieht sich auf Gewerkschaften

27 In den Einsatzbetrieben war gemäß der Vorgehensweise des theoretischen Samplings jeweils
ein Betriebsrat vorhanden; in den Entsendebetrieben war dies jedoch nicht zwangsläufig der
Fall.
28 Zu den betrieblichen Kontextfaktoren gehört auch die Grundstruktur des Einsatzbetriebes.
Darunter ist vor allem die Größe und formelle Organisation zu verstehen. Die Untersuchung
dieser Merkmale findet in der vorliegenden Forschungsarbeit allerdings aus zwei Gründen kei-
ne Berücksichtigung: Erstens wurden die Einsatzbetriebe unter dem Gesichtspunkt größtmögli-
cher Homogenität ausgewählt, um die Varianz in den institutionellen Rahmenbedingungen
möglichst gering zu halten und einen Vergleich der Beschäftigten zu ermöglichen (vgl. dazu
auch Kapitel 5). Bedingt durch die Ähnlichkeit der Betriebe kann somit der Einfluss der be-
trieblichen Rahmenbedingungen nicht identifiziert werden. Zweitens kann aus Datenschutz-
gründen keine detaillierte Charakterisierung der Betriebe erfolgen. Für eine Analyse der
Grundstrukturen müsste eine ausführliche Darstellung erfolgen, so dass die Anonymität der
Betriebe (und damit gegebenenfalls auch der Beschäftigten) nicht mehr gewährleistet werden
könnte.
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 75

sowie Gesamt- bzw. Konzernbetriebsräte, die insbesondere im Zuge von Be-


triebsratsgründungen wichtige Akteure darstellen (Artus et al 2015: 219 ff.). 29
Esser weist selbst darauf hin, dass die Unterscheidung der äußeren Bedin-
gungen in drei Elemente (Opportunitäten, institutionelle Regeln und Bezugsrah-
men) eher theoretischer Natur ist. In der Empirie ist selten eine scharfe Trennung
möglich; vielmehr treten sie in diversen Kombinationen auf (Esser 1999b: 51):
So stellen die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung
– und damit auch die Institution des Betriebsrats – eine institutionelle Regelung
dar, welche zugleich die materiellen Opportunitäten der Beschäftigten in Bezug
auf die betriebliche Mitbestimmung bilden. Der betriebliche Kontext wiederum
ist durch alle drei Elemente geprägt: Das gesamte Arbeitsumfeld ist mit signifi-
kanten Symbolen belegt (beispielhaft zu nennen sei hier die Arbeitskleidung von
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, die sich teilweise von denen der
Stammbeschäftigten unterscheidet), und gleichzeitig durch institutionelle Regeln
im Sinne von Werten, Normen, Konventionen und Regelungen geprägt, die wie-
derum die materiellen Opportunitäten beeinflussen.
Unter den inneren Bedingungen bzw. der sozialen Identität der Akteur/-in-
nen werden in dieser Forschungsarbeit erstens das Wissen, die Werte und Ein-
stellungen gegenüber der betrieblichen Mitbestimmung unter dem Oberbegriff
der betrieblichen Mitbestimmungsaffinität erfasst. Mitbestimmungsaffinität ist
im Kontext der vorliegenden Arbeit als die subjektive Relevanzzuweisung zu be-
trieblicher Mitbestimmung zu verstehen. Dies umfasst einerseits die Frage, in-
wieweit eine Person die Institution der betrieblichen Mitbestimmung als richtig
und nötig bewertet.30 Andererseits ist hierbei zu berücksichtigen, ob die Person
die kollektive Interessenvertretung oder aber die individuelle Selbstvertretung in
Bezug auf den jeweiligen Betrieb bevorzugt. Auch eine Gewerkschaftsmitglied-
schaft kann als ein Indikator für Mitbestimmungsaffinität gesehen werden. Die
Mitbestimmungsaffinität, aber auch das generelle Verhältnis zu bzw. die Erwar-
tungen an die Institutionen der betrieblichen Mitbestimmung können durch vo-
rangegangene, biografische Erfahrungen – etwa positive und negative Verstär-
kungen, die der Akteur bzw. die Akteurin als Reaktion auf sein bzw. ihr Handeln
in vorherigen Situationen seiner/ihrer Biografie erlebt hat – beeinflusst werden
(Genese der inneren Bedingungen). Fokussiert werden in der vorliegenden For-

29 Die internen und externen Akteure werden in dieser Untersuchung als Kontextfaktoren begrif-
fen, die die subjektive Situationsdefinition der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen be-
einflussen. Deswegen werden ihre Handlungen auf Grundlage der Wahrnehmungen und Be-
wertungen der Beschäftigten beschrieben und herangezogen und nicht auf Expert/-inneninter-
views basierend ausgewertet.
30 Diese Definition erfolgt in Anlehnung an Wilkesmann et al. (2011: 38 f.), die die Mitbestim-
mungsaffinität über die Bewertung von Tarifverträgen und Gewerkschaften als richtig und not-
wendig festmachen.
76 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

schungsarbeit insbesondere Erlebnisse und Kontakte mit der Institution des Be-
triebsrats (auch in vorhergehenden Beschäftigungsverhältnissen).
Zweitens sollen unter den inneren Bedingungen das Wissen, die Werte und
die Einstellungen gegenüber der speziellen Beschäftigungssituation als Leih-
bzw. Werkvertragsarbeitnehmer/-in erfasst werden. Nicht außer Acht gelassen
wird dabei die individuelle Beziehung zur sozialen Umgebung (Esser 1999b:
55), und dabei speziell das Zugehörigkeitsgefühl bzw. die emotionale Bindung
der Beschäftigten zum Einsatz- bzw. Entsendebetrieb, welche das Verhältnis zur
betrieblichen Mitbestimmung und den damit verbundenen Aktivitäten beein-
flussen kann. Zugehörigkeit wird dabei verstanden als „eine emotionsgeladene
soziale Verortung, die durch das Wechselspiel (1) der Wahrnehmungen und der
Performanz der Gemeinsamkeit, (2) der sozialen Beziehungen der Gegenseitig-
keit und (3) der materiellen und immateriellen Anbindungen oder auch Anhaf-
tungen entsteht“ (Pfaff-Czarnecka 2012: 12).
Drittens soll der biografische Status der Beschäftigten Berücksichtigung
finden. Darunter werden zunächst der zum Zeitpunkt der Befragung bestehende
Beschäftigtenstatus (inklusive der Dauer des aktuellen Einsatzes im Einsatzbe-
trieb) und das Qualifikationsniveau verstanden. Zugleich wird jedoch auch der
Erwerbsverlauf in die Analyse einbezogen, der wiederum die Entstehung des
Wissens, der Werte und der Einstellungen gegenüber der betrieblichen Mitbe-
stimmung und der aktuellen Beschäftigungssituation beeinflussen kann.31
Schließlich sollen viertens auch sozialstrukturelle Faktoren wie das Alter
und das Geschlecht der Befragten miteinbezogen werden.
In die subjektive „Definition“ der Situation gehen sowohl die äußeren Be-
dingungen, als auch die inneren Bedingungen des Akteurs bzw. der Akteurin ein
– im Kontext mit der Forschungsfrage bedeutet dies, dass der oder die Beschäf-
tigte die genannten äußeren Bedingungen der betrieblichen Mitbestimmung vor
dem Hintergrund der inneren Bedingungen wahrnimmt und anschließend ein
spezifisches Modell der betrieblichen Mitbestimmungssituation selektiert (d.h.
er/sie definiert sie als prekär bzw. nicht-prekär; zur konkreten Operationalisie-
rung dieser Begriffe vgl. Kapitel 7.1), auf dessen Grundlage alle weiteren Hand-
lungen vorgenommen werden. Bei einer Orientierung an Essers Modell der Situ-
ationsdefinition bedeutet dies, dass hierbei ein kausaler Zusammenhang zwi-
schen Situationsdefinition und Handlungswahl besteht: Einzig die Situationsde-
finition leitet das darauf folgende Handeln (Esser 1999b: 68). In der Empirie der
vorliegenden Studie zeigt sich, dass hierbei verschiedene Ausprägungen existie-

31 Dies weist bereits darauf hin, dass eine exakte analytische Trennung von der Genese sowie den
tatsächlichen, „aktuellen“ inneren Bedingungen nicht immer möglich ist. In der Analyse wer-
den die inneren Bedingungen daher stets in enger Verknüpfung zur Vorgeschichte der inneren
Bedingungen (in Form von biografischen und Mitbestimmungserlebnissen) betrachtet.
4.2 Handlungstheoretische Einordnung der Forschung 77

ren. Die Bewertung der Mitbestimmungssituation als prekär zieht bei den befrag-
ten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zum Teil ein hohes, zum Teil
ein niedriges Aktivitätsniveau nach sich – je nach dem, auf welcher Kombination
von inneren und äußeren Bedingungen die Situationsdefinition basiert. Insofern
ist zu berücksichtigen, dass die Bewertung der Mitbestimmungssituation als
prekär oder nicht-prekär nicht die alleinige Erklärung von Handlungen darstellt,
sondern im Zusammenspiel mit den inneren und äußeren Bedingungen als Vo-
raussetzung für das jeweilige Aktivitätsniveau der Beschäftigten zu begreifen
ist.32 Es sei an dieser Stelle erneut darauf hingewiesen, dass hierbei nicht die
Überprüfung der theoretischen Reichweite des Modells im Fokus steht. Zweck
der Heranziehung des Esser’schen Modells ist es, die empirischen Daten zu sys-
tematisieren und sowohl die Situationsdefinition, als auch die Handlungswahl
unter Berücksichtigung individueller und struktureller Faktoren zu erklären.
Die ausgeführten Handlungen werden durch das qualitativ-empirische Ma-
terial gefüllt und hinsichtlich der Partizipationsintensitäten und -ausprägungen
der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ausdifferenziert und begründet.
Untersucht werden dabei sowohl die Handlungen, die sich innerhalb der gesetz-
lichen Rahmenbedingungen für die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbe-
trieb bewegen bzw. gegebenenfalls sogar darüber hinausgehen, als auch die
Handlungen, die sich auf die Nutzung der Rechte im jeweiligen Verleih/-Werk-
vertragsunternehmen beziehen. Ebenfalls Berücksichtigung finden mögliche In-
terdependenzen der Handlungen in den beiden Mitbestimmungsarenen des Ein-
satz- und des Entsendebetriebs. Die Auswirkungen der jeweiligen Situationsde-
finitionen und Handlungen auf das kollektive (Akteurs-) Umfeld des individuel-
len Akteurs – dies umfasst vor allem die Institution der betrieblichen Mitbe-
stimmung sowie Gewerkschaften – werden im Fazit aufgegriffen und diskutiert.
Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass bei der Untersuchung mit
größtmöglicher inhaltlicher Offenheit und sich an der Grounded Theory Method
orientierend vorgegangen wurde (für methodische Erläuterungen im Detail vgl.
Kapitel 5): Weder die im vorherigen Abschnitt aufgezählten Elemente, die bei
der Definition einer Situation eine Rolle spielen (könnten), noch die diversen
Handlungsmöglichkeiten der Beschäftigten wurden vollständig ex ante festge-
legt, sondern auch am Material selbst erhoben. Das bereits aufbereitete theo-
retische und faktische Vorwissen geben allerdings eine Untersuchungsrichtung
vor.

32 Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf der Erklärung der Situationsbewertung und Hand-
lungen durch innere und äußere Bedingungen. Der eigentliche Entscheidungsprozess – also die
verschiedenen Phasen der Handlungswahl auf Subjektebene auf Grundlage der Wert-Erwar-
tungstheorie – ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit und wird daher im empirischen
Teil nicht detailliert berücksichtigt.
78 4 Konkretisierung und theoretische Einbettung der Fragestellungen

Das methodische Vorgehen der empirischen Untersuchung zur Beantwor-


tung der in Kapitel 4.1 vorgestellten Forschungsfragen wird im nachfolgenden
Kapitel 5 erläutert. Im Anschluss daran erfolgt die Darstellung der Forschungs-
ergebnisse. Dabei wird zunächst die Frage nach den rechtlich-institutionellen
Rahmenbedingungen für die betriebliche Mitbestimmung im Einsatz- und Ent-
sendebetrieb beantwortet, um anschließend die Bewertung und den Umgang mit
dieser auf Grundlage der Empirie zu analysieren und schließlich mittels genann-
ter äußerer und innerer Bedingungen zu erklären.
5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik
der empirischen Studie

In diesem Kapitel werden die gewählten Forschungsstrategien, das zugrundege-


legte Untersuchungsdesign sowie das methodische Vorgehen vorgestellt. Zu-
nächst erfolgt eine kurze Erläuterung der Grounded Theory Method, an welcher
sich bei der grundlegenden Vorgehensweise dieser Untersuchung orientiert wur-
de. Daran anschließend werden die Erhebungs- und Auswertungsmethoden so-
wie das Sample der Betriebe und der Werkvertrags- und Leiharbeitnehmer/-
innen erläutert.

5.1 Orientierung an der Grounded Theory zur Beantwortung der


Forschungsfragen

Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln gezeigt wurde, ist das Gebiet der
subjektiven Wahrnehmung der betrieblichen Mitbestimmung durch Leih- und
Werkvertragsbeschäftigte bislang weitestgehend unerforscht. Um diese Gege-
benheit zu berücksichtigen, wurde eine Forschungsstrategie mit vergleichsweise
großer Offenheit gegenüber dem Forschungsgegenstand verfolgt. Die vorliegen-
de Studie greift daher verschiedene Elemente des Forschungsstils der Grounded
Theory nach Strauss (1998) bzw. Strauss/Corbin (1990) auf. Die Grounded The-
ory stellt keine Methode im Sinne eines Instrumentariums von Verfahrensregeln
dar, nach denen Daten analysiert und interpretiert werden – vielmehr handelt es
sich um Leitlinien, die entsprechend des Forschungsgegenstandes modifiziert
werden können (Strauss 1998: 32 f.).
Das Hauptpostulat der Grounded Theory ist die Bildung einer gegenstands-
begründeten (= „grounded“) Theorie (Breuer 2010: 39). Ein Ziel dieser Arbeit ist
es ausdrücklich nicht, repräsentative Ergebnisse zu produzieren, sondern anhand
qualitativer Daten theoretische Konzepte zur Beschreibung und Erklärung der
Bewertung und des Umgangs mit betrieblicher Mitbestimmung seitens Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu entwickeln. Ein zentrales Merkmal der
Grounded Theory ist in diesem Zusammenhang die theoretische Sensibilität. Das
Vorwissen des Forschers bzw. der Forscherin soll explizit in den Prozess der
Datenanalyse integriert werden (sowohl theoretisches Wissen aus Fach- und
sonstiger Literatur, als auch Wissen aus beruflicher und persönlicher Erfahrung)

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V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_5
80 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

(Strauss 1998: 36 f.; Strübing 2008b: 58 f.). Die Forschungsfragen werden somit
vor dem Hintergrund des bereits in den Kapiteln 3 und 4 theoretischen Vor- und
Kontextwissens über das Feld analysiert und dieses als theoretische Sensibilität
anerkannt und reflektiert.
Der Forschungsprozess in der Grounded Theory vollzieht sich im Sinne ei-
ner „geplante[n] Flexibilität“ (Alheit 2005: 10): Geplant ist der Prozess insofern,
als dass bestimmte Vorannahmen und Vorwissen auch über ein neues For-
schungsfeld sinnvoll und nötig sind. Flexibel und offen ist der Prozess, weil sich
während der Forschung die Vorannahmen ändern können, indem sie mit neuen
Informationen angereichert und erweitert werden können (Alheit 2005: 10).
Dieser Flexibilität wurde durch eine relativ offene Herangehensweise an den
Forschungsgegenstand Rechnung getragen. Zu Beginn des Forschungsprozesses
stand eine eher breite Fragestellung; erst im Verlauf der Erhebung – nach schritt-
weiser Auswertung von Interviews – wurde diese immer weiter zugespitzt. Diese
Offenheit war aufgrund des defizitären Forschungsstandes unerlässlich: Abgese-
hen von den bereits aufgezeigten bisherigen Forschungsergebnissen zu betriebli-
cher Mitbestimmung existiert keine konkrete Operationalisierung der Wahrneh-
mung von bzw. des Umgangs mit betrieblicher Mitbestimmung seitens Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Die entscheidenden Kategorien und Erklä-
rungsfaktoren wurden entsprechend sowohl aus der bestehenden Literatur, als
auch aus dem empirischen Material abgeleitet und konnten damit erst im Laufe
des Forschungsvorhabens endgültig festgelegt werden. Bei der Interpretation und
Analyse der qualitativen Interviews ging es daher auch um die Entdeckung neuer
Phänomene und um die persönlichen Relevanzsetzungen der Befragten.
In Bezug auf den Forschungsprozess der Grounded Theory werden zudem
insbesondere die zeitliche Parallelität und die wechselseitige Abhängigkeit der
Prozesse der Datenerhebung, Datenanalyse und Theoriebildung betont. Dies be-
deutet, dass alle drei Forschungstätigkeiten (mehr oder weniger) parallel betrie-
ben werden und sich gegenseitig produktiv beeinflussen. So können beispiels-
weise analytische Ideen bei der Datenauswertung sowohl die Entwicklung einer
gegenstandsbezogenen Theorie beeinflussen, als auch modifizierend auf den Pro-
zess der Datenerhebung wirken (Strübing 2010: 12). In der vorliegenden For-
schungsarbeit wurde dies beispielsweise gewinnbringend genutzt, indem der
verwendete Leitfaden schrittweise an die Erkenntnisse angepasst wurde.
Auf die Vorgehensweise der Datenerhebung und –analyse (Theoretical
Sampling und Kodieren) im Sinne der Grounded Theory wird in den Kapiteln 5.3
bis 5.5 näher eingegangen.
5.2 Das problemzentrierte Leitfadeninterview als Erhebungsmethode 81

5.2 Das problemzentrierte Leitfadeninterview als Erhebungsmethode

Das empirische Kernelement der vorliegenden Forschungsarbeit stellen prob-


lemzentrierte Leitfadeninterviews mit Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen aus der Metall- und Elektroindustrie dar. Daneben wurden – zum Zwecke
der Felderkundung sowie zur Erhebung betriebsspezifischer Daten – Expert/-in-
neninterviews mit Betriebsratsmitgliedern und Personaler/-innen der Einsatzbe-
triebe geführt.

Problemzentrierte Leitfadeninterviews mit Leih- und Werkvertrags-


arbeitnehmer/-innen

Als Erhebungsverfahren zur Beantwortung der Fragestellungen wurde das prob-


lemzentrierte Interview (PZI) nach Witzel (1989; 2000; Witzel/Reiter 2012) für
die Beschäftigtenbefragung gewählt. Diese Interviewform hat den Vorteil der
flexiblen Einsatzfähigkeit und ist in besonderer Weise dafür geeignet, subjektive
Problemsichten zu erheben bzw. darzustellen.
Grundelemente des PZI-Konzepts sind die Problemzentrierung, die Gegen-
standsorientierung und die Prozessorientierung. Problemzentrierung meint, dass
die äußeren, objektiven Rahmenbedingungen vorher zur Kenntnis genommen
werden und dazu dienen, die Ausführungen des bzw. der Interviewten verstehend
nachzuvollziehen. Während des Interviews können zugleich am Forschungsprob-
lem orientierte (Nach-)Fragen gestellt werden. Die Gegenstandsorientierung
betont die Flexibilität der Methode gegenüber den diversen Anforderungen des
Untersuchungsgegenstandes. Flexibilität bezieht sich hier einerseits auf die Me-
thodenkombination innerhalb der Forschung, andererseits werden Gesprächs-
techniken flexibel eingesetzt: Der Fokus liegt – je nach Verhalten des/der Be-
fragten – entweder auf der Narration oder auf dem Nachfragen im Dialog. Pro-
zessorientierung schließlich bedeutet die schrittweise Gewinnung bzw. Prüfung
von Daten, was eine prozesshafte Theoriegenerierung ermöglicht. In Bezug auf
das eigentliche Interview bedeutet Prozessorientierung den Aufbau einer vertrau-
lichen Beziehung zum/zur Gesprächspartner/-in, welche die Erinnerungsfähig-
keit und die Selbstreflexion stärken (Witzel 2000: 2 ff.).
Die Erhebungsmethode des PZI nach Witzel kombiniert eine leitfadenorien-
tierte mit einer offenen Befragung („induktiv-deduktives Wechselspiel“ (Witzel
2000: 1)). Der Problembereich wird gegenüber dem bzw. der Befragten mithilfe
eines Leitfadens durch gezielte, offene Fragen eingegrenzt, und damit sicherge-
stellt, dass alle inhaltlich relevanten Aspekte für die Fragestellung abgedeckt
werden. Darüber hinaus dient der Leitfaden als Gedächtnisstütze (Witzel 2000:
4). Er folgt jedoch keiner starren Reihenfolge: Die Interviewpartner/-innen sollen
82 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

möglichst frei mit eigenen Worten erzählen und selbst auf Themen kommen, die
ihnen wichtig erschienen.
Neben dem Leitfaden definiert Witzel drei weitere, zum PZI gehörende Ins-
trumente, die allesamt in dieser Untersuchung Anwendung fanden: Der Kurzfra-
gebogen, die Tonträgeraufzeichnung sowie die Postskripte. Der Kurzfragebogen
wurde – je nach Situation – kurz vor oder nach dem Interview ausgehändigt. Er
diente der Erfassung von Sozialdaten (beispielsweise Alter und Bildungsstand).
Das Interview wurde digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert und
anonymisiert. Die Postskripte wurden direkt nach dem Gespräch erstellt, um
Anmerkungen zu Verlauf und Schwerpunktsetzungen des Gesprächs zu notieren
und erste Interpretationsideen sowie Anmerkungen zu Verbesserungen der fol-
genden Interviews schriftlich festzuhalten.

Expert/-inneninterviews mit Betriebsratsmitgliedern und Personaler/-innen

Neben den PZI mit den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen kamen Ex-
pert/-inneninterviews mit Betriebsratsmitgliedern und Personaler/-innen der
jeweiligen Betriebe als Erhebungsmethode zum Einsatz. Expert/-inneninterviews
verschaffen einen schnellen Zugang zu speziellem Wissen über das Unter-
suchungsfeld und machen zugleich die Orientierung im Feld möglich (Pflüger et
al. 2010: 39). Das Erkenntnisinteresse bei den Betriebsrats-/Personaler/-innen-
interviews lag daher vornehmlich darin, zusätzliche Informationen und betriebs-
spezifisches Hintergrundwissen zur Belegschaftsstruktur und der Aushandlung
von Haustarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zu generieren sowie teilwei-
se auch darin, einen Feldzugang zu den Beschäftigten herzustellen. Methodisch
wurde der Definition von Meuser/Nagel (1991; 2009) gefolgt. Laut ihnen steht −
im Unterschied zu anderen offenen Interviewformen − bei Expert/-inneninter-
views nicht die Gesamtperson als solche im Zentrum der Aufmerksamkeit, son-
dern das spezielle Fachwissen der bzw. des Expert/-in, über das sie aufgrund
ihrer Rolle als Funktionsträger/-innen innerhalb eines organisatorischen oder
institutionellen Kontextes, also zum Beispiel aufgrund ihrer beruflichen Stellung,
verfügt (Meuser/Nagel 1991: 441 ff.).33 Auch diese Interviews wurden mithilfe
eines Leitfadens geführt; dieser unterschied sich jedoch inhaltlich von dem Leit-
faden für die Beschäftigten.

33 Im Gegensatz dazu grenzen Gläser/Laudel (Gläser/Laudel 2010: 13) Expert/-innen durch die
exklusive Stellung und das daraus folgende besondere Wissen im zu untersuchenden sozialen
Kontext ab – der oder die Expert/-in wird allein durch die Befragtenrolle zu einem bzw. einer
Expert/-in.
5.2 Das problemzentrierte Leitfadeninterview als Erhebungsmethode 83

Im Vorfeld der Hauptuntersuchung wurden darüber hinaus (zum Zwecke


der Felderkundung) Interviews und Gespräche mit lokalen Gewerkschaftsvertre-
ter/-innen der IG Metall geführt, um den Fokus für das Forschungsfeld zu schär-
fen, die Forschungsfrage zu präzisieren und branchenspezifisches Hintergrund-
wissen zu erlangen. Letztendlich dienten diese Gespräche dem Feldzugang, der
in Kapitel 5.3 näher erläutert wird.

Leitfadenkonstruktion

Sowohl die Beschäftigten-, als auch die Expert/-inneninterviews wurden mithilfe


von verschiedenen Leitfäden im Sinne des bereits erläuterten PZI geführt. Die
erzähl- und verständnisgenerierenden, offenen Kommunikationsstrategien ermög-
lichten es dem bzw. der Befragten, eigene Relevanzen zu setzen, d.h. er oder sie
konnte denjenigen Aspekt in den Vordergrund rücken, der ihn/sie am meisten
betrifft. Durch dieses Prinzip der Offenheit wird dem/der Interviewpartner/-in die
Entscheidung über den Inhalt der Antwort überlassen (Gläser/Laudel 2010: 131 ff.;
Witzel 2000: 4 ff.).
Für die Leitfadenkonstruktion wurde dem SPSS34-Prinzip (Helfferich 2005:
161 ff.) gefolgt. Dieses sieht vor, zunächst jegliche Fragen zu sammeln, die im
Zusammenhang mit dem Forschungsthema interessant erscheinen. Die konkrete
Formulierung und Relevanz der Fragen spielen dabei zunächst keine Rolle. An-
schließend werden die gesammelten Fragen anhand einer Liste von Prüffragen
überarbeitet. Dabei werden unter anderem methodisch ungeeignete Fragen ge-
strichen sowie geschlossene bzw. suggestive Fragen zu offenen Fragen umfor-
muliert. Danach werden die verbliebenen Fragen nach inhaltlichen und zeitlichen
Aspekten sortiert. Schließlich erfolgt eine Subsumierung der einzelnen Fragen
unter möglichst einfach gehaltene Erzählaufforderungen, die erzählgenerierend
wirken sollen. Insgesamt galt bei der Erstellung der Leitfäden die Maxime: „So
offen und flexibel − mit der Generierung monologischer Passagen – wie mög-
lich, so strukturiert wie aufgrund des Forschungsinteresses notwendig“ (Helffe-
rich 2005: 161). Darüber hinaus wurde das Gebot der Neutralität befolgt (Gläser/
Laudel 2010: 135 ff.).
Für die verschiedenen Interviewpartner/-innen wurden unterschiedliche
Leitfäden benötigt. Es wurden jeweils ein Leitfaden für Leih- und Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen, sowie jeweils ein „Expert/-innenleitfaden“ für Betriebs-
ratsmitglieder und Personaler/-innen erstellt, und diese somit an den/die jeweili-
ge/n Interviewpartner/-in und –situation angepasst.

34 Die Abkürzung SPSS steht für Sammeln, Prüfen, Sortieren und Subsumieren.
84 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

Der Aufbau der Beschäftigteninterviews als Kernstück dieser Forschungs-


arbeit setzte sich aus einer biografischen Erzählung35 zu Beginn des Interviews
und anschließenden erzählgenerierenden Fragen für die verschiedenen Themen-
blöcke zusammen. Eine vorformulierte Einstiegsfrage lenkte das Gespräch direkt
auf das Untersuchungsthema; danach wurden allgemeine und spezifische Son-
dierungsfragen gestellt. Bei Ausklammerung bestimmter Themenbereiche durch
den Interviewten dienten Ad-hoc-Fragen dazu, diese abzudecken (Witzel 1989:
244 ff.; Witzel/Reiter 2012). Am Ende des Interviews hatten die Interviewten
jeweils die Möglichkeit, aus ihrer Sicht fehlende Aspekte anzusprechen.
Nach den einzelnen Interviews erfolgte eine Reflexion (sowohl alleine als
auch im Austausch mit anderen Forscher/-innen), um die Leitfäden hinsichtlich
ihrer Handhabbarkeit und eventuell bisher nicht berücksichtigter Aspekte und
Fragen zu optimieren. Somit wurden die Leitfadenkonstruktion und das Frage-
verhalten kontinuierlich im Forschungsprozess überprüft, optimiert und den je-
weiligen Erkenntnissen angepasst.
Da sich die Fragestellung der Forschungsarbeit im Verlaufe des Forschungs-
prozesses immer weiter zugespitzt hat, fokussierte der Leitfaden – neben der be-
trieblichen Mitbestimmung – gleichgewichtig die Thematik der sozialen Integrati-
on der Beschäftigten in den Einsatzbetrieb. In die Auswertung wurde – gemäß des
Offenheitsprinzips in der Grounded Theory Method – das komplette Interview
einbezogen und nicht etwa nur die Antworten auf die Mitbestimmungsfragen, weil
dies die Aufdeckung eventueller Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung und Beur-
teilung der betrieblichen Mitbestimmung ermöglichte.

Transkription & Anonymisierung

Die Transkription der Interviews orientierte sich an dem erweiterten Transkripti-


onsregelsystem nach Dresing/Pehl (2013: 20 ff.), bei dem alle Äußerungen wört-
lich transkribiert, und Wort- und Satzabbrüche, Pausen, Fülllaute im Transkript
dargestellt werden. Die Interviews wurden zudem sorgfältig anonymisiert bzw.
pseudonymisiert. Dabei werden die Interviewdaten mit dem Ziel der starken
Erschwernis bzw. der Verunmöglichung einer Re-Identifizierung verändert, etwa
durch die Klassenbildung von Merkmalsausprägungen (beispielsweise die Al-
tersgruppe der 31 – 40jährigen) oder durch die Verringerung des Detailgrads
(zum Beispiel bei Berufsangaben) (Kinder-Kurlanda/Watteler 2015).
Die Benennung der Einsatzbetriebe und Beschäftigten erfolgte nach folgen-
dem System: Zunächst wurden die fünf Betriebe mit den Buchstaben A bis E
gekennzeichnet. Die Beschäftigten erhielten anschließend ein Kürzel, das sich

35 Bei den Betriebsrats- und Personaler/-inneninterviews entfiel die biografische Perspektive.


5.3 Feldzugang und Interviewdurchführung 85

aus dem Einsatzbetrieb und der Beschäftigungsform zusammensetzt. Die Abkür-


zung LA steht dabei für Leiharbeitnehmer/-in, WV für Werkvertragsarbeitneh-
mer/-in. Die jeweilige Zahl am Ende des Kürzels dient der Unterscheidung der
Fälle innerhalb eines Betriebs und einer Beschäftigungsform.36

5.3 Feldzugang und Interviewdurchführung

Der Feldzugang erfolgte über Gatekeepers (Wolff 2010: 342): Vertreter/-innen


des gewerkschaftlichen Umfelds stellten Kontakt zu den Betriebsratsvorsitzen-
den der Betriebe her. Nach dieser Kontaktherstellung erfolgten die weitere Ter-
minvereinbarung und -organisation mit den Interviewpartner/-innen jedoch ei-
genständig.
Die Akquise der Beschäftigten wurde größtenteils mit Unterstützung der be-
reits interviewten Betriebsratsmitglieder, Vertrauensleute und zum Teil auch der
Personaler/-innen durchgeführt. Diese verteilten Flyer an die Beschäftigten,
brachten Aushänge an oder warben durch persönliche Ansprache für eine Inter-
viewteilnahme. Einige Beschäftigte konnten auch mithilfe des Schneeballsys-
tems gewonnen werden.
Insgesamt erwies sich der Feldzugang als sehr mühsam. Zwar waren die Be-
triebsräte meist relativ schnell für eine Teilnahme an der Studie zu begeistern –
bei den Verantwortlichen auf der Unternehmensseite gestaltete sich dies jedoch
anders: Dem Projekt wurde seitens der Personaler/-innen zunächst überwiegend
mit Skepsis gegenübergetreten, was vermutlich der Aktualität und Brisanz des
Themas ‚Leiharbeit und Werkverträge‘ geschuldet ist. Das Misstrauen und die
Zweifel an einer Interviewteilnahme konnten allerdings jeweils ausgeräumt wer-
den, indem detaillierte Vereinbarungen zum Datenschutz bzw. zur Anonymisie-
rung der der Interviews getroffen wurden.
Auch die Interviewakquise und -organisation mit den Beschäftigten (ins-
besondere mit den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen) gestaltete sich äußerst
zeitaufwendig. Anzunehmen ist, dass der relativ hohe Zeitaufwand für ein
Interview (mindestens anderthalb Stunden) sowie die Thematisierung eher
privater Sachverhalte (Beurteilung der Arbeitsbedingungen) Hürden für eine
Teilnahme darstellten und somit die Teilnahmemotivation senkten. Rückmel-
dungen auf eine Interviewanfrage erfolgten seitens der Beschäftigten zudem
(auch bei wiederholter Nachfrage) oftmals erst nach längerer Zeit. Der Erhe-
bungszeitraum der Interviews erstreckte sich über die Monate Juni 2014 bis
Juni 2015.

36 Beispiel: Der Beschäftigte B-LA2 ist als Leiharbeitnehmer in Einsatzbetrieb B tätig.


86 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

Die individuelle Motivation der Beschäftigten zur Interviewteilnahme, wel-


che in den Gesprächen abgefragt wurde, war einerseits von persönlichem Inte-
resse und dem Wunsch, wissenschaftliche Forschung zu unterstützen, geprägt.
Andererseits wurde die Aufwandsentschädigung37 genannt, welche insbesondere
bei den Beschäftigten mit Hilfs- und Anlerntätigkeiten wesentlich höher als der
Stundenlohn war. Schließlich war ein relativ oft genannter Grund für die Inter-
viewteilnahme der Wunsch bzw. die Hoffnung, dass durch die Studie die Ar-
beitsbedingungen von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen publik ge-
macht und die Ergebnisse an verantwortliche Stellen (wie etwa die Bundesregie-
rung) weitergeleitet werden.
Die Beschäftigteninterviews wurden zum Teil im Büro der Forscherin so-
wie in einigen wenigen Fällen bei den Befragten zuhause geführt. Ein Großteil
der Interviews (insgesamt 25 Gespräche) fand allerdings im jeweiligen Einsatz-
betrieb statt (entweder in einem vorher für die Interviewdurchführung reservier-
ten Raum oder – bei den Hochqualifizierten – im eigenen Büro der Beschäftig-
ten). Ursprünglich war die Durchführung der Interviews ausschließlich an Orten
außerhalb des Einsatzbetriebes geplant, um eine möglichst vertrauensvolle Inter-
viewatmosphäre zu schaffen. Es stellte sich jedoch sehr schnell heraus, dass die
Beschäftigten aus pragmatischen Gründen (vor allem wegen des geringen Zeit-
aufwandes) von sich aus eher ein Treffen im betrieblichen Umfeld präferierten.
Die ohnehin sehr schwierige Akquise sprach letztendlich zudem dafür, die Hür-
den für eine Befragung – etwa durch eine längere Anreise – so weit wie möglich
abzubauen. Möglicherweise vorteilhaft erwies sich außerdem, dass die Beschäf-
tigten zum Zeitpunkt des Interviews oftmals gerade erst Feierabend hatten, somit
gedanklich noch im Arbeitsumfeld waren und in ihren Erzählungen problemlos
auf Erinnerungen und praktische Beispiele aus dem betrieblichen Alltag zurück-
greifen konnten.

5.4 Auswertungsmethoden

Die Auswertung der problemzentrierten Beschäftigteninterviews orientierte sich


an dem dreistufigen Kodierprozess der Grounded Theory (Strauss 1998; Strauss/
Corbin 1990; Strübing 2008a). Leitidee des Kodierens ist die des ständigen Ver-
gleichs der Daten auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten.
In einem ersten Schritt wurden durch offenes Kodieren direkt am Textmate-
rial Oberbegriffe erhoben. Dabei galt es, die Zahl potenzieller Lesarten zu ma-
ximieren. Im daran anschließenden axialen Kodieren wurden diese Konzepte

37 Die Beschäftigten erhielten für die Teilnahme am Interview eine Aufwandsentschädigung in


Höhe von 25 Euro.
5.4 Auswertungsmethoden 87

verfeinert und Kategorien erstellt. Ziel war es hierbei, Zusammenhänge und


Beziehungen zwischen den Kodes am Material zu erarbeiten und diese durch
kontinuierliches Vergleichen zu prüfen. Dadurch ergeben sich zentrale Kodes
bzw. Konzepte, welche die anderen zu Schlüsselkategorien bündeln und relevant
für die Klärung der Forschungsfrage sind. Damit ging zugleich eine thematische
Sortierung des Datenmaterials einher, indem die zuvor erstellten, einzelnen Ko-
des Überkategorien zugewiesen wurden. Im dritten Schritt des selektiven Kodie-
rens schließlich wurde das komplette Material systematisch nach den erarbeite-
ten Schlüsselkategorien kodiert und diese auf ihre Bedeutung für die Beantwor-
tung der Forschungsfrage überprüft.38
Das Kodieren und alle weiteren Auswertungsschritte wurden mithilfe der
Auswertungssoftware MAXQDA durchgeführt.39 Während der gesamten Datener-
hebung und -auswertung wurden zudem fortwährend Memos geschrieben, um
theoretische Ideen zu entwickeln, zu sichern und zu strukturieren (Strauss 1998:
45).
Das Ziel der Auswertung war das Erstellen von spezifischen Typen der Be-
wertungen und Handlungen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung einer-
seits, und die Rekonstruktion der jeweiligen Erklärungsmuster andererseits. Da-
zu wurde das von Kelle/Kluge (2010: 85 ff.) vorgeschlagene, vierstufige Pro-
zessmodell zur Typenbildung herangezogen. Dieses Modell umfasst erstens die
Erarbeitung relevanter Vergleichsdimensionen, zweitens die Gruppierung der
Fälle und Analyse empirischer Regelmäßigkeiten, drittens die Analyse inhaltli-
cher Sinnzusammenhänge und viertens die Charakterisierung der gebildeten
Typen. Kelle/Kluge definieren eine Typologie als „das Ergebnis eines Gruppie-
rungsprozesses, bei dem ein Objektbereich anhand eines oder mehrerer Merkma-
le in Gruppen bzw. Typen eingeteilt wird“ (Kelle/Kluge 2010: 85). Die Fälle
innerhalb eines Typs sollen dabei eine möglichst große Homogenität aufweisen,
während die einzelnen Typen möglichst heterogen (d.h. klar voneinander ab-
grenzbar) sein sollen. Der Begriff Typus bezeichnet jene Teil- oder Untergrup-
pen, die übereinstimmende Merkmale aufweisen und anhand der spezifischen
Konstellation dieser Merkmale charakterisiert werden können (Kelle/Kluge
2010: 85). Eine derartige Typologie ermöglicht folglich die systematische Ana-
lyse und Erklärung von Bewertungen und den daraus folgenden Handlungen der
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Die Anzahl der zugeordneten Fälle
zu einem Typ gibt dabei keinen Hinweis auf eine repräsentative Verteilung der
Beschäftigten. Vielmehr geht es darum, die Heterogenität des Feldes abzubilden.

38 Für vertiefende Erläuterungen zum Auswertungsverfahren der Grounded Theory Method vgl.
auch Muckel (2011: 341 ff.) und Strübing (2008a: 18 ff.).
39 Die Quellenverweise der Interviewstellen innerhalb dieser Forschungsarbeit beziehen sich
daher auf Abschnittsnummern, die mit der Auswertungssoftware MAXQDA erstellt wurden.
88 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

Die Bildung der Typologie folgte in der vorliegenden Forschungsarbeit einem


induktiv-deduktiven Wechselspiel: Unter dem Prinzip der größtmöglichen Of-
fenheit wurden zunächst induktiv Kategorien entwickelt, um diese anschließend
deduktiv unter Einbindung des theoretischen Vorwissens zu sortieren. Um die
Wirkungszusammenhänge und Erklärungsfaktoren innerhalb der einzelnen Ty-
pen zu untersuchen, wurden nach der Bildung der Typologien Fallvergleiche und
-kontrastierungen durchgeführt. Dem in Kapitel 4 dargestellten, handlungstheo-
retischen Erklärungsmodell kommt dabei eine strukturierende Funktion zu, da
die jeweiligen Kategorien entlang der Unterscheidung von inneren und äußeren
Bedingungen und den daraus folgenden Handlungen systematisiert wurden.

5.5 Samplingstrategie

Wie bereits beschrieben, erfolgte der Feldzugang zu den Beschäftigten über die
betriebliche Ebene. Die Auswahl der Betriebe wurde dabei auf die Metall- und
Elektroindustrie begrenzt. Wie schon Holst et al. (2009: 8) in ihrem qualitativen
Forschungsprojekt über betriebliche Nutzungsstrategien von Leiharbeit anmer-
ken, erweist sich die Konzentration auf Betriebe der Wirtschaftsklassifikation
des Verarbeitenden Gewerbes als gewinnbringend für die Forschungsergebnisse,
da die Varianz in den institutionellen Rahmenbedingungen so relativ gering
gehalten und ein Vergleich der Beschäftigten ermöglicht wird. Die Konzentrati-
on auf Betriebe aus der Metall- und Elektroindustrie eignet sich zudem gut für
die Erhebung, da Statistiken auf eine vermehrte Nutzung von Leih- und Werk-
vertragsarbeit in diesem Wirtschaftszweig hinweisen (vgl. Kapitel 2).
Die Auswahl der Beschäftigten vollzog sich entlang der Definition der Un-
tersuchungsgruppe (Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen der Metall- und
Elektroindustrie) und orientierte sich an der Strategie des Theoretical Samplings
(Strauss/Corbin 1990: 176 ff.). Danach erhebt, kodiert und analysiert der bzw.
die Forschende Daten parallel und entscheidet schrittweise, welche Daten im
nächsten Schritt erhoben werden sollen. Der Zweck ist es dabei, sämtliche Ei-
genschaften und Dimensionen der relevanten theoretischen Konzepte abzude-
cken (Strübing 2008b: 30 ff.).
Übergeordnetes Ziel des Samplings war es, die Heterogenität und Varianzen
im Untersuchungsfeld anhand von sozialstrukturellen Merkmalen der Beschäf-
tigten abzubilden. Das Sample verfolgt dabei keinerlei Anspruch auf statistische
Repräsentativität; vielmehr wurde beabsichtigt, theoretisch bedeutsame Merk-
malskombinationen bei der Fallauswahl möglichst umfassend zu berücksichtigen
und somit gegebenenfalls bislang unbekannte Phänomene zu identifizieren und
neue Kategorien bzw. Typologien zu entwickeln (vgl. dazu auch Kelle/Kluge
2010: 41 ff.).
5.6 Zusammensetzung des Betriebs- und Beschäftigtensamples 89

Die Merkmale standen jedoch nicht detailliert vor der Untersuchung fest;
vielmehr existierte lediglich eine grobe Vorstrukturierung. Angestrebt war es,
verschiedene Ausprägungen der Merkmale wie die bisherige Dauer der Beschäf-
tigung, die Qualifikation, die Tätigkeit im Betrieb oder die Gewerkschaftsmit-
gliedschaft abzubilden. Dementsprechend wurde auch bei der Auswahl der Be-
triebe darauf geachtet, eine Bandbreite von Merkmalen abzudecken – etwa bei
der Beschäftigtenstruktur hinsichtlich Qualifikationsniveaus etc.
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die beim Theoretical Sampling als ge-
geben vorausgesetzte Entscheidungsfreiheit der bzw. des Forschenden über die
Datenerhebung in dieser Forschungsarbeit nur bedingt umzusetzen war. Zwar
wurde versucht, die Betriebe und Gesprächspartner/-innen gezielt auszuwählen
und anzusprechen – aufgrund des bereits erläuterten, problematischen Feldzu-
gangs war es jedoch kaum möglich, die Betriebe sowie den/die jeweils nächste/n
Interviewpartner/-in komplett frei und systematisch zu selektieren. Vielmehr
bestand eine große Abhängigkeit von der Resonanz der Beschäftigten, sowie von
der Bereitwilligkeit der Betriebsräte und Personaler/-innen, bezüglich der Inter-
viewakquise zu kooperieren. Eine 1:1-Umsetzung der Forschungsstrategie des
Theoretical Samplings war daher in der Forschungsrealität nicht möglich.
Die Akquise der Beschäftigten wurde mit dem Erreichen einer the-
oretischen Sättigung (Glaser/Strauss 1998: 76 f.) – als die Erhebung zusätzlicher
Daten nicht mehr zur Weiterentwicklung der bereits bestehenden Kodes und
Kategorien führte – beendet.

5.6 Zusammensetzung des Betriebs- und Beschäftigtensamples

Das Sample besteht aus insgesamt 30 Beschäftigten40 aus fünf Einsatzbetrieben41


der Metall- und Elektroindustrie, sowie jeweils einem Expert/-inneninterview

40 Insgesamt wurden 31 Beschäftigte befragt; der Fall E-WV2 (LA) wurde jedoch aufgrund seiner
vom übrigen Sample abweichenden Beschäftigungssituation – er ist als Leiharbeitnehmer im
Werkvertragsunternehmen tätig – nicht in das endgültige Untersuchungssample aufgenommen.
Wegen seines Leiharbeitnehmerstatus gelten für ihn wiederum andere Rahmenbedingungen als
für die direkt beim Werkvertragsunternehmen angestellten Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
(etwa bleiben ihm Aktivitäten wie eine Betriebsratsgründung im Werkvertragsunternehmen
verwehrt). Welche Auswirkungen eine solche weitere „Verkettung“ von Outsourcing auf die
Wahrnehmungen, Bewertungen und Aktivitäten im Hinblick auf die betriebliche Mitbestim-
mung hat, kann im Rahmen der vorliegenden Forschungsarbeit keine Berücksichtigung finden.
41 Mit dem Begriff Betrieb ist in dieser Arbeit „eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit, in
der Sachgüter und/oder Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden“ (Töpfer 2007: 80) ge-
meint. Demgegenüber ist ein Unternehmen „eine wirtschaftlich selbstständige Erzeugungsein-
heit für materielle und/ oder immaterielle Güter zur Fremdbedarfsdeckung, bei der das mit der
gesamtgesellschaftlichen Arbeitsteilung verbundene Risiko freiwillig übernommen wird“
(Töpfer 2007: 80). Um ihre Wertschöpfungsziele zu realisieren, bilden Unternehmen Betriebe
90 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

mit Betriebsratsmitgliedern und Personaler/-innen pro Betrieb.42 Bei den Betrie-


ben handelt es sich um Großbetriebe43, die jeweils über eine institutionalisierte
Arbeitnehmer/-inneninteressenvertretung in Form eines Betriebsrats verfügen.44
Folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick über das Betriebssample und die
jeweiligen Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innenquoten.45 Auf eine detail-
liertere Beschreibung der untersuchten Betriebe muss aus Gründen der Anony-
mitätswahrung verzichtet werden.

Tabelle 2: Kurzüberblick über das Betriebssample


Befragte Beschäftigte
Leiharbeit- Werkvertrags-
Be- Werkvertrags-
nehmer/-innen- arbeitnehmer/-in- Leiharbeitneh-
trieb arbeitneh-
quote nenquote mer/-innen
mer/-innen

A 10 – 15 % Keine Informationen 3 2

B 10 – 15 % <5 % (geschätzt) 4 2

C 10 – 15 % Keine Informationen 3 2

D 2–5% Keine Informationen 4 2

E 2–5% Keine Informationen 3 5

Von den 30 befragten Beschäftigten sind 17 Personen als Leiharbeitnehmer/-


innen tätig (davon vier weiblich) sowie 13 Personen Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen (davon eine weiblich). Im Sample zeigen sich die durch Statistiken be-
kannten Unterschiede in der Geschlechterverteilung innerhalb industrieller Wirt-
schaftszweige (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2015c). Die Interviewten

als produzierende Einheiten (Töpfer 2007: 81), die sich jeweils an verschiedenen Orten befin-
den können. Kennzeichnend für einen Betrieb ist also, dass er eine örtlich gebundene Einheit
darstellt.
42 Lediglich bei einem Betrieb stellte sich kein/e Personaler/-in für ein Interview zur Verfügung.
43 Großbetrieb ist in diesem Fall definiert als ein Unternehmen mit mehr als 249 Beschäftigten.
Diese Definition orientiert sich an der Empfehlung der Kommission der Europäischen Gemein-
schaften (2003/361/EG).
44 Ob jeweils ein Betriebsratsgremium in den Leiharbeits- bzw. Werkvertragsfirmen existent war,
konnte anhand der Beschäftigteninterviews nicht systematisch erhoben werden. Die subjektive
Wahrnehmung der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen lässt diesbezüglich nicht
zwangsläufig eine Aussage zu: Zum Teil waren sich die Beschäftigten ob der Existenz eines
Betriebsrats unsicher, so dass an dieser Stelle zusätzliche Expert/-inneninterviews mit der Viel-
zahl an Entsendebetrieben des Samples erfolgt hätten müssen.
45 Die Beschäftigtenquoten beruhen auf Aussagen der jeweiligen Betriebsratsmitglieder und Per-
sonaler/-innen.
5.6 Zusammensetzung des Betriebs- und Beschäftigtensamples 91

sind zum Zeitpunkt des Interviews zwischen 18 und 60 Jahre alt; ein größerer
Teil (20 Personen) ist jedoch zwischen 31 und 50 Jahren alt.
Im Beschäftigtensample besteht eine relativ heterogene Verteilung mit
Blick auf das Alter, den Bildungsstand und das jeweilige Anforderungsniveau
der Tätigkeit. Die nachfolgende Tabelle 3 stellt in kurzer Form die wesentlichen
Merkmale des Beschäftigtensamples dar.

Tabelle 3: Kurzüberblick über das Beschäftigtensample


Werkvertrags-
Leiharbeitnehmer/-innen
arbeitnehmer/-innen
Geschlecht
männlich 13 12
weiblich 4 1
Alter
18-30 3 3
31-40 8 2
41-50 5 5
51-60 1 3
Bildungsstand
Keine Berufsausbildung 2 0
Berufsausbildung 7 6
Berufsausbildung + Fach-
2 3
hochschulabschluss
Berufsausbildung + Hoch-
1 0
schulabschluss
Fachhochschulabschluss 0 1
Hochschulabschluss 5 3
Anforderungsniveau der Tätigkeit46
Hilfs- und Anlerntätigkeit 6 4
Fachlich ausgerichtete
1 2
Tätigkeit
Komplexe Spezialisten-
4 1
tätigkeit
Hoch komplexe Tätigkeit 6 6
Gewerkschaftliche Organisation
Gewerkschaftsmitglied 2 2

Mit insgesamt drei Personen sind diejenigen Beschäftigten im Sample relativ we-
nig vertreten, die fachlich ausgerichtete Tätigkeiten ausüben (für diese ist übli-
cherweise eine zwei- bis dreijährige Berufsausbildung nötig). Zehn von den übri-
gen Beschäftigten üben Hilfs- und Anlerntätigkeiten aus und 17 Personen hoch

46 Für einen Überblick über die Anforderungsniveaus verschiedener Tätigkeiten vgl. die Definiti-
on nach Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2013c).
92 5 Forschungsdesign und Forschungsmethodik der empirischen Studie

komplexe bzw. komplexe Spezialistentätigkeiten, die mindestens eine Meister-


oder Technikerausbildung bzw. einen gleichwertigen Fachschul- oder Hochschul-
abschluss voraussetzen.
Bis auf eine Leiharbeitnehmerin und einen Werkvertragsarbeitnehmer ar-
beiteten zum Zeitpunkt der Befragung alle Beschäftigten in Vollzeit.
Nachdem die methodische Vorgehensweise und das Sample vorgestellt
wurden, soll im nachfolgenden Kapitel analysiert werden, wie die betrieblichen
Mitbestimmungsmöglichkeiten von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
in Einsatz- und Entsendebetrieb rechtlich ausgestaltet sind. Das Ziel ist es dabei,
zunächst die objektiven Prekaritätspotenziale in Bezug auf die betriebliche Mit-
bestimmung zu eruieren, um anschließend anhand des empirischen Materials die
diesbezüglichen subjektiven Wahrnehmungen, Bewertungen und Handlungen
der Beschäftigten zu untersuchen.
6 Analyse objektiver Prekaritätspotenziale der
betrieblichen Mitbestimmung bei Leih- und
Werkvertragsarbeit

Objektive Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbestimmung

In diesem Kapitel47 wird anhand einer detaillierten Analyse der rechtlichen Rah-
menbedingungen gezeigt, welche Mitbestimmungsbedingungen und -möglich-
keiten48 auf Basis gesetzlicher Regelungen für Leih- und Werkvertragsbeschäf-
tigte im Vergleich zu Stammbeschäftigten bestehen und inwiefern diese als pre-
kär definiert werden können. Berücksichtigung finden ferner die Handlungsopti-
onen des Betriebsrats als eine zentrale Institution der betrieblichen Mitbestim-
mung, die eine Vertretung der genannten Beschäftigtengruppen erlauben.

6.1 Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatz- und Entsendebetrieb

Bedingt durch die bereits in Kapitel 2 dargelegte heterogene Betriebszugehörig-


keit sehen sich Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im betrieblichen
Alltag zwei Mitbestimmungsarenen gegenüber: Der des Einsatzbetriebs sowie
der des Entsendebetriebs (d.h. Leiharbeitsfirma bzw. Werkvertragsunternehmen).
Im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung sind die Beschäftigten zunächst
einmal organisatorisch ihrem Leih- bzw. Werkvertragsunternehmen zugeordnet.
Dies bedeutet, dass sie dort (zumindest theoretisch) ohne Einschränkungen in die
betriebliche Mitbestimmung integriert sind und ihnen die vollen Beteiligungs-
rechte zustehen – sei es zum Beispiel durch die Teilnahme an einer Betriebsrats-
wahl, an Betriebsversammlungen oder an einer Konsultation des Betriebsrats.
Bei den in dieser Arbeit behandelten Onsite-Werkverträgen und bei Leihar-
beit ist jedoch anzunehmen, dass in der betrieblichen Praxis Probleme bei der
Ausschöpfung genannter Rechte auftreten. Auf der einen Seite kann die räumli-
che Entfernung zum eigentlichen Arbeitgeberbetrieb ein Hindernis darstellen:

47 Das Kapitel 6 stellt eine überarbeitete Fassung von Teilen meines Beitrags „Herausforderung
Leiharbeit und Werkverträge“ (Barlen 2014) dar.
48 Mit dem Begriff der betrieblichen Mitbestimmung sind in diesem Zusammenhang jegliche Ge-
staltungsmöglichkeiten des Betriebsrats gemeint. Dies umfasst auch seine Mitwirkungsrechte,
die im arbeitsrechtlichen Sinne von der Mitbestimmung abgegrenzt werden und eine schwä-
chere Form der Beteiligungsrechte darstellen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_6
94 6 Objektive Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbestimmung

Vor allem bei größeren Unternehmen ist der Betriebsrat zentral eingesetzt, so
dass für eine Kontaktaufnahme zwischen Beschäftigten und Betriebsrat, aber
auch für die Teilnahme an Betriebsratswahlen bzw. Betriebsversammlungen ein
erhöhter Aufwand betrieben werden muss. Auf der anderen Seite ist fraglich, in-
wiefern Betriebsräte in Leih- und Werkvertragsfirmen verbreitet sind. In der
Leiharbeitsbranche existieren betriebliche Interessenvertretungen wesentlich sel-
tener als in der Gesamtwirtschaft (Promberger 2012: 226); speziell über Onsite-
Werkvertragsfirmen liegen diesbezüglich keine Daten vor. Zumindest in der un-
ternehmensnahen Dienstleistungsbranche werden weit weniger Beschäftigte
durch einen Betriebsrat vertreten als in anderen Branchen (Hauser-Ditz et al.
2009: 141), was einen Hinweis auf die Betriebsratsdichte bei Werkvertragsunter-
nehmen geben könnte. Insgesamt kann demnach angenommen werden, dass die
Art der Arbeitsorganisation bei Leih- und Werkvertragsarbeit durch die Tren-
nung von Einsatzort und eigentlichem Arbeitgeber eine Hürde für die Beteili-
gung an der betrieblichen Mitbestimmung darstellt.
Wie aber sind die betrieblichen Mitbestimmungsmöglichkeiten im Einsatz-
betrieb für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ausgestaltet? In Kapitel 2
wurde bereits angedeutet, dass sich in der Vergangenheit diverse Reformen des
BetrVG bzw. des AÜG sowie Tarifabschlüsse ereigneten, die sich insbesondere
auf die Mitbestimmungsmöglichkeiten von Leiharbeitnehmer/-innen in der Mit-
bestimmungsarena des Einsatzbetriebs ausgewirkt haben. Es werden im Folgen-
den – in Anlehnung an den auf Leiharbeit bezogenen Vorschlag von Promberger
(2006: 138 f.) – drei Aspekte der Mitbestimmung unterschieden: Die Interessen-
vertretung von im Betrieb befindlichen Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen durch den Betriebsrat, die Mitbestimmung des Betriebsrats über die Einsatz-
bedingungen von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sowie die Mitbe-
stimmungsmöglichkeiten des Betriebsrats über den Einsatz von Leih- und Werk-
vertragsarbeit.

Interessenvertretung von im Betrieb befindlichen Leih- und Werkvertrags-


arbeitnehmer/-innen

Die Teilhabe an der Interessenvertretung von Leih- und Werkvertragsarbeitneh-


mer/-innen durch den Betriebsrat im Einsatzbetrieb sind konträr ausgestaltet:
Leiharbeitskräfte sind den Stammbeschäftigten diesbezüglich beinahe gleichge-
stellt. Durch die Gesetzesreformen des BetrVG und des AÜG vollzog sich eine
Akzentverschiebung in Richtung von Gleichbehandlung und Integration, die sich
u.a. in der Zurechnung des Arbeitnehmer/-innenstatus im Einsatzbetrieb zeigt
(Promberger 2006: 137 f.).
6.1 Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatz- und Entsendebetrieb 95

Dies äußert sich insbesondere im Zuspruch des aktiven Wahlrechtes für die
Betriebsratswahl im Entleihbetrieb (seit der Novellierung des BetrVG 2001), so
dass Leiharbeitnehmer/-innen einen Vertretungsanspruch durch den Betriebsrat
haben (Deich 2009: 415; Priebe 2009: 3).49 Dem Betriebsrat stehen für die Ver-
tretung von Leiharbeitskräften Ressourcen zur Verfügung: Seit 2013 werden
nach einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auch Leiharbeitneh-
mer/-innen bei der Berechnung der Betriebsratsgröße berücksichtigt (BAG Be-
schluss vom 13.3.2013, 7 ABR 69/11; vgl. Bundesarbeitsgericht online 2013).
Ebenso wie Festangestellte dürfen Leiharbeitskräfte die Sprechstunden des Be-
triebsrats aufsuchen, um Beratung zu suchen oder Beschwerden bzw. Wünsche
zu kommunizieren, sowie an Betriebs- und Abteilungsversammlungen teilneh-
men (§ 14 Abs. 2 AÜG).
Zuletzt wurden Leiharbeitnehmer/-innen bei der Unternehmensmitbestim-
mung gestärkt, indem das BAG entschied, dass wahlberechtigte Leiharbeitskräf-
te im Einsatzbetrieb im Zuge von Aufsichtsratswahlen als Teil der Belegschaft
gezählt werden und dementsprechend der Wahlmodus (unmittelbare und Dele-
giertenwahl) festzulegen ist (BAG Beschluss vom 04.11.2015, 7 ABR 42/13;
vgl. Bundesarbeitsgericht online 2015).
Im Falle eines Arbeitskampfes im Entleiherbetrieb dürfen Leiharbeitneh-
mer/-innen zudem nicht dazu gezwungen werden, als Streikbrecher zu arbeiten –
sie dürfen Streikbrecherarbeiten im Einsatzbetrieb verweigern (§11 Abs. 5
AÜG).
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen sind im wahrsten Sinne des
Wortes externe Beschäftigte und können nicht durch die Interessenvertretung des
Betriebsrats im Einsatzbetrieb profitieren. Während ihres Einsatzes sind sie ‚ih-
rem‘ Werkvertragsunternehmen betriebsverfassungsrechtlich zugeordnet (Deich
2009: 415). Daher wird ihnen auch z. B. ein eventueller Arbeitsausfall durch
einen Sprechstundenbesuch nicht vergütet. Eine Beratung bzw. Anhörung der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen seitens des Betriebsrats könnte beispielsweise
aber in informellen Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeit stattfinden. Die
dadurch entstehenden Kosten sowie die erforderlichen Sachmittel und Räume,
die der Betriebsrat benötigt, werden hierfür von dem/der Arbeitgeber/-in auf-
grund der fehlenden Zuständigkeit jedoch nicht erstattet. Eine Kontaktaufnahme
mit den betroffenen Beschäftigten ist in Folge erschwert.

49 Die Teilnahme an den Wahlen ist zulässig, sofern sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt
sind. Dabei ist nicht der tatsächliche Einsatz maßgeblich, sondern die geplante Dauer des Ein-
satzes. Das passive Wahlrecht, also die Möglichkeit, selbst für den Betriebsrat zu kandidieren,
bleibt ihnen – im Gegensatz zu den anderen Beschäftigten – aber verwehrt (Priebe 2012: 6 f.).
96 6 Objektive Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbestimmung

Mitbestimmung über die Einsatzbedingungen von Leih- und Werkvertrags-


arbeitnehmer/-innen

Bedingt durch das Mandat des Betriebsrats für Leiharbeitnehmer/-innen im Ein-


satzbetrieb eröffnet der rechtliche Rahmen diverse Möglichkeiten der Mitbe-
stimmung und Vertretung von Leiharbeitnehmer/-innen hinsichtlich ihrer Ein-
satzbedingungen. So ist es dem Betriebsrat möglich, sein Mitbestimmungsrecht
nach § 87 Abs. 1 BetrVG hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit und anderer
Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmer/-innen wahrzunehmen (Scheriau
2012: 67). Auch bestehende Betriebsvereinbarungen im Einsatzbetrieb gelten für
die Leiharbeitskräfte (sofern die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im
Einsatzbetrieb zur Anwendung kommen) (Priebe 2009: 4). Da die Pflicht zur
Unterweisung der Leiharbeitskräfte in puncto Sicherheit und Gesundheitsschutz
dem Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin des Einsatzbetriebes obliegt, kann der
Betriebsrat des Einsatzbetriebes zudem überwachen, dass diese Unterweisungen
regelmäßig und vor der Tätigkeitsaufnahme durchgeführt werden (Herbst 2011:
18 f. u. 33).
Seit Umsetzung der EU-Leiharbeitsrichtlinie 2011 kontrolliert der Betriebs-
rat außerdem die Sicherstellung eines gleichberechtigten Zugangs zu Sozialein-
richtungen für Leiharbeitnehmer/-innen (Priebe 2012: 5 ff.).50 Fragen der be-
trieblichen Lohngestaltung hingegen fallen nicht in das Aufgabengebiet des
Betriebsrats, da dafür das jeweilige Verleihunternehmen zuständig ist. Allerdings
kann die Einhaltung der Lohnuntergrenze durch den Betriebsrat im Ein-
satzbetrieb überwacht werden (Priebe 2012: 12 ff.).
Im Gegensatz dazu besitzt der Betriebsrat kaum Mitbestimmungsrechte im
Hinblick auf die Einsatzbedingungen von Werkvertragsbeschäftigten – in allen
sozialen Angelegenheiten (zum Beispiel das Festlegen der Arbeitszeit, Urlaub
und Entgelt) ist der Betriebsrat des Werkvertragsunternehmens zuständig. Aller-
dings befugt §89 BetrVG den Betriebsrat dazu, die Durchführung von Sicher-
heits- und Gesundheitsschutzunterweisungen zu überwachen. Dies gilt für
Werkvertragsbeschäftigte ebenso wie für Leiharbeitnehmer/-innen.
Seiner Überwachungspflicht über die Einhaltung von Gesetzen, Verordnun-
gen und Tarifverträgen (und damit auch über die für Leiharbeit vereinbarten
Branchenzuschläge) kann der Betriebsrat außerdem durch §80 BetrVG nach-
kommen, indem er eine Auflistung aller Leih- und Werkvertragsarbeitskräfte

50 Der Zugangsanspruch existiert allerdings nicht, wenn die unterschiedliche Behandlung von
Stammbelegschaft und LeiharbeitnehmerInnen aus sachlichen Gründen gerechtfertigt wird
(Priebe 2012: 15).
6.1 Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatz- und Entsendebetrieb 97

verlangt (Karthaus/Klebe 2012: 419).51 Mithilfe dieser Maßnahme ist eine Prü-
fung auf Scheinwerkverträge (Deich 2009: 415) sowie die Identifizierung von
Werkvertragsbeschäftigten im Betrieb möglich.

Mitbestimmungsmöglichkeiten über den Einsatz von Leih- und Werkvertrags-


arbeit

Schließlich verfügt der Betriebsrat im Einsatzbetrieb noch über Mitbestim-


mungsmöglichkeiten über den Einsatz von Leih- und Werkvertragsarbeit. Damit
vertritt er jedoch nur indirekt die Interessen der Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen; etwa indem er sich für eine numerische Einschränkung externer
Beschäftigter einsetzt und so ihre Chancen (zumindest potenziell) erhöht, eine
feste Anstellung im Einsatzbetrieb zu erhalten.
Die Begrenzung von Leiharbeit ist dem Betriebsrat durch Nutzung seines
Mitbestimmungsrechts möglich: Grundsätzlich muss der/die Arbeitgeber/-in in
Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Beschäftigten bei der Einstellung
von Leiharbeitnehmer/-innen seine Zustimmung einholen (§99 BetrVG). Die
Zustimmung kann unter anderem dann verweigert werden, wenn die Einstellung
gegen ein Gesetz oder einen Tarifvertrag verstößt. Laut Tarifvertrag Leih-
/Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie zählt zu den Zustimmungsverwei-
gerungsgründen auch die Gefährdung von Arbeitsplätzen durch den Leiharbeits-
einsatz. Darüber hinaus darf der Leiharbeitseinsatz nur unter bestimmten Bedin-
gungen erfolgen, wie etwa der Abarbeitung von Auftragsspitzen (Bispinck 2013:
20).
Bei der Vergabe von Arbeiten in Form von Werkverträgen besitzt der Be-
triebsrat hingegen kein direktes Mitbestimmungsrecht wie bei Leiharbeit – ein
zustimmungspflichtiger Einsatz liegt nur vor, wenn die Arbeitnehmer/-innen in
den Betrieb eingegliedert werden und sie dort weisungsgebundene Tätigkeiten
verrichten (Karthaus/Klebe 2012: 419 f.) – was bei ‚echten‘ Werkvertragsbe-
schäftigten nicht der Fall sein darf.52

51 In tarifgebundenen Betrieben der Metall- und Elektroindustrie ist das Recht des Betriebsrats
über Umfang, Einsatzbereiche und Verträge zwischen Arbeitgeber/-in und Verleiher/-in infor-
miert zu werden, explizit im Tarifvertrag Leih-/Zeitarbeit 2012 festgeschrieben (Bispinck
2013: 20).
52 Darüber hinaus kann der Betriebsrat Widerspruch einlegen, wenn eine/r Stammbeschäftigte/r
entlassen wird und die gleichen Arbeiten danach von einer Leiharbeitskraft erledigt werden
(sog. Austauschkündigung). Der Abschluss eines Werkvertrags zur Übertragung der bisher von
den Mitarbeiter/-innen des Betriebes durchgeführten Arbeiten kann nach einem Urteil des Bun-
desarbeitsgerichts hingegen nicht durch den Betriebsrat verhindert werden, da dies Bestandteil
der unternehmerischen Freiheit ist (Beschluss des LAG Rheinland-Pfalz vom 03.02.2011, 11
Sa, 314/10; vgl. Haufe Online 02.08.2011).
98 6 Objektive Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbestimmung

Trotz insgesamt eher geringer Mitbestimmungsmöglichkeiten, insbesondere


in Bezug auf Werkverträge, eröffnet das BetrVG allerdings an verschiedenen
Stellen Optionen der Regulierung für den Betriebsrat des Einsatzbetriebes:
Durch die in §92 bzw. 92a BetrVG festgelegten Mitwirkungsrechte bei Perso-
nalplanung bzw. Beschäftigungssicherung besteht die Möglichkeit, Alternativen
zur Ausgliederung von Arbeit oder ihrer Vergabe an andere Unternehmen vorzu-
schlagen, um Beschäftigung zu sichern. Ein potenzielles Ergebnis dieser Ver-
handlungen ist eine freiwillige Betriebsvereinbarung zum Einsatz von Werkver-
trags- und Leiharbeit, die entweder die Beschäftigung externer Mitarbeiter/-in-
nen weitestgehend ausschließt, innerbetriebliche Alternativen beinhaltet und/
oder Kriterien festlegt, nach denen Arbeiten an Verleih- und Subunternehmen
vergeben werden bzw. wann vergebene Arbeiten wieder ins Unternehmen ‚zu-
rückgeholt‘ werden (Karthaus/Klebe 2012: 419 ff.). In tarifgebundenen Entlei-
hunternehmen der Metall- und Elektroindustrie wird es laut Tarifvertrag Leih-
/Zeitarbeit seit 2012 darüber hinaus explizit ermöglicht, Betriebsvereinbarungen
mit Regelungen zu Einsatzzweck, -bereichen und Volumen von Leiharbeit, zu
Entgelt, Einsatzdauer und zur Übernahme in unbefristete Arbeitsverhältnisse
abzuschließen. Gilt keine Betriebsvereinbarung, muss der/die Arbeitgeber/-in
den Leiharbeitsbeschäftigten nach 24 Monaten die unbefristete Übernahme in
den Einsatzbetrieb anbieten (Bispinck 2013: 20).
Aus der Perspektive des Betriebsrats ist folglich die Quotierung des Einsat-
zes externer Beschäftigung im Rahmen von Betriebsvereinbarungen die einzige
Option, Einfluss auf Werkvertragseinsätze zu nehmen. Für Leiharbeit gilt, dass
zusätzlich zur betrieblichen Regulierung die Möglichkeit der Zustimmungsver-
weigerung gegeben ist und daher die Zahl der Leiharbeitnehmer/-innen aktiv
durch den Betriebsrat limitiert werden kann.
Nach obiger Analyse lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die betrieb-
liche Mitbestimmungssituation von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in
beiden Mitbestimmungsarenen objektive Prekaritätsmerkmale aufweist, weil sie in
diversen Rechten und Handlungsmöglichkeiten negativ von der eines Normalar-
beitsverhältnisses abweicht.
In ihrem jeweiligen Entsendebetrieb sind Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen – sofern dort ein Betriebsratsgremium vorhanden ist – rein recht-
lich zwar in die betriebliche Mitbestimmung integriert. Ihre Möglichkeiten zur
Teilnahme an der betrieblichen Mitbestimmung im Verleih- bzw. Werkvertrags-
unternehmen sind jedoch durch räumliche Entfernung und das eventuelle Fehlen
eines Betriebsrats vermutlich eingeschränkt.
Im Einsatzbetrieb sind Leiharbeitnehmer/-innen rein rechtlich zwar eben-
falls (zumindest partiell) in die betriebliche Mitbestimmung integriert. Sie verfü-
gen damit sogar über ein „doppeltes Wahlrecht“ (Wassermann/Rudolph 2005:
6.2 Zur Rolle der Betriebsräte in Einsatzbetrieben 99

156 f.) im Einsatz- und Entsendebetrieb. Der Einsatzbetriebsrat verfügt entspre-


chend über ein Mandat für diese Beschäftigtengruppe und muss ihre Interessen
ebenso repräsentieren wie diejenigen der Stammbeschäftigten. Die Leiharbeit-
nehmer/-innen dürfen jedoch erst nach einer bestimmten Einsatzdauer an der Be-
triebsratswahl im Einsatzbetrieb teilnehmen und zudem nicht selber kandidieren.
Werkvertragsbeschäftigte verfügen demgegenüber über keine betriebliche Inte-
ressenvertretung im Einsatzbetrieb. Gegenüber den Festangestellten sind sie in
Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbetrieb – noch stärker als
Leiharbeitnehmer/-innen – strukturell benachteiligt.
In beiden Mitbestimmungsarenen bestehen damit negative Abweichungen
vom Normalarbeitsverhältnis. Daran knüpft die Frage an, wie die Beschäftigten
selber diese Situation subjektiv bewerten und wie sie mit der Koexistenz der
Mitbestimmungsarenen umgehen. Zu untersuchen ist dabei auch, inwiefern die
betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen im Entsendebetrieb zur Kompensati-
on der objektiven Prekaritätspotenziale im Einsatzbetrieb genutzt werden.

6.2 Zur Rolle der Betriebsräte in Einsatzbetrieben

Die Repräsentation von Leiharbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb geht für die


Betriebsräte mit gestiegenen Anforderungen einher: Sie müssen nun einerseits
dazu in der Lage sein, die Relevanz von Leiharbeit in ihrem Unternehmen zu
analysieren. Andererseits müssen sie Kenntnisse der ihnen zur Verfügung ste-
henden Instrumente des BetrVG, des AÜG sowie der Tarifverträge haben, damit
sie den Leiharbeitseinsatz mitgestalten können (Weinkopf/Vanselow 2008: 26).
Diese Anforderungen gelten auch in Bezug auf Werkverträge, wobei hier derzeit
wohl die Informationsdefizite über den Einsatz von Werkverträgen im Unter-
nehmen einerseits und über die Möglichkeiten der Mitwirkung andererseits hin-
derlich sein könnten (Lorig 2012).
Inwieweit Betriebsräte die oben skizzierten Möglichkeiten konkret nutzen,
muss nicht unbedingt mit den im BetrVG festgelegten Rechten und Pflichten
deckungsgleich sein, sondern dürfte zusätzlich zu den genannten Anforderungen
von der Betriebsgröße, der Zahl der gewerkschaftlichen Vertrauensleute sowie
der jeweiligen betrieblichen Sozialordnung im Unternehmen abhängen (Behrens
2003: 172; Keller 1991: 63 ff.). Eine weitere Rolle spielt die jeweilige Hand-
lungskonstellation, in der sich die Betriebsräte befinden. Diese besteht im We-
sentlich aus den drei Akteursgruppen der Belegschaft, der Gewerkschaft und des
Managements (Schmidt/Trinczek 1999: 111 ff.). Nicht zuletzt deswegen werden
Betriebsräte als „Grenzinstitution“ (Fürstenberg 1958) beziehungsweise als „in-
termediäre Institution“ (Müller-Jentsch 1995) charakterisiert: Als Repräsentanten
der Belegschaft wird den Betriebsräten die Rolle des „ideellen Gesamtbeschäf-
100 6 Objektive Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbestimmung

tigten“ der jeweiligen Betriebe zugewiesen, indem sie die Interessen unterschied-
licher Belegschaftsgruppen vor Verhandlungen mit dem Management bündeln
(Schmidt/Trinczek 1999: 111 ff.). Zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften
besteht zwar eine formaljuristische Unabhängigkeit; ihr Verhältnis ist aber den-
noch von Dependenzen geprägt: Erstens benötigen die Gewerkschaften die Be-
triebsräte um Mitglieder in den Betrieben zu rekrutieren; aber auch um Beschäf-
tigte bei Tarifrunden zu mobilisieren. Zugleich versorgt die Gewerkschaft die
Betriebsräte mit Informations- und Beratungsangeboten (Schmidt/Trinczek
1999: 113 f.). Zweitens ist die betriebliche Ebene in der Tarifpolitik von zuneh-
mender Relevanz (Stichwort „Verbetrieblichung“ (Bispinck/Schulten 2003)).
Auch spielt die Regulierung von qualitativen Arbeitsaspekten (z.B. Arbeitsbe-
dingungen) eine zunehmend signifikante Rolle. Somit dienen die Betriebsräte als
betriebliche Kontroll- und Überprüfungsinstanzen (vgl. Baethge/Wolf 1995;
zitiert nach Pernicka/Holst 2007: 34). Schließlich ist der Betriebsrat per BetrVG
dazu verpflichtet, konsensorientiert zu handeln und vertrauensvoll mit dem Ma-
nagement zusammenzuarbeiten. Die Interaktionsmuster der Betriebsräte können
dabei verschiedenste Formen annehmen – von einem konfliktorisch geprägten
Interessenhandeln bis hin zu einem Agieren, das im Vergleich zu den normativen
Vorgaben des BetrVG als defizitär bezeichnet werden kann. Es sticht jedoch
heraus, dass die Interaktionsbeziehungen zwischen Management und Betriebsrä-
ten dominant kooperativ sind (Schmidt/Trinczek 1999: 114 ff.). Zum Teil wer-
den Betriebsräte gar gleichberechtigt in Unternehmensentscheidungen involviert,
so dass sie die Rolle eines ‚Co-Managers‘ einnehmen (Müller-Jentsch 2007). Es
kann für die Betriebsräte in jedem Fall zum Balanceakt werden, gleichzeitig die
Lage des Unternehmens am Markt und die Belange der Arbeitnehmer/-innen im
Blick zu haben (Kißler et al. 2011: 64 f.).
Nicht zuletzt stehen die Betriebsräte mit der zunehmenden Spaltung der Be-
legschaften in Stamm- und Randbelegschaften auch vor einem Interessenkon-
flikt: Auf der einen Seite stellt der Einsatz von Leiharbeit für sie ein Mittel dar,
um die jeweilige Stammbelegschaft bei rezessiven wirtschaftlichen Entwicklun-
gen vor Kündigungen zu schützen. Trotz prinzipieller, moralischer Ablehnung
wird Leiharbeit daher aus den genannten Gründen oftmals akzeptiert (Promber-
ger 2012: 243 f.). Auf der anderen Seite besitzen die Betriebsräte ein Mandat für
die Leiharbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb und müssen ihre Interessen eben-
so wie die der Stammbeschäftigten vertreten. Dazu gehört die Regulierung ar-
beitspolitischer Fragen, aber auch die Forcierung von Übernahmen in Festanstel-
lungen, um Leiharbeitnehmer/-innen aus potenziell prekären Beschäftigungsver-
hältnissen in sichere Anstellungen zu verhelfen. Im Hinblick auf Werkverträge
dürfte für die Betriebsräte zum Teil ein ähnlicher Interessenkonflikt gelten, aller-
dings besitzen die Betriebsräte – wie gezeigt – kein Mandat für die entsprechen-
6.2 Zur Rolle der Betriebsräte in Einsatzbetrieben 101

de Beschäftigtengruppe. Das Erstreiten von Erweiterungen der Mitbestimmungs-


rechte in Betriebsvereinbarungen oder die Festlegung von Mindestarbeitsbedin-
gungen für Werkvertragsunternehmen sind dabei ebenso vergleichsweise neue
Handlungsherausforderungen wie das Aufdecken von illegalen Praktiken wie
Scheinwerkverträgen (Hertwig et al. 2016).
Nachfolgend soll es darum gehen, die subjektiven Wahrnehmungen und
Bewertungen der in diesem Kapitel herausgearbeiteten, objektiven Prekaritätspo-
tenziale in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung sowie die Handlungen der
Beschäftigten zu analysieren. Zum Zwecke der Systematisierung und der Ge-
winnung eines umfassenden Überblicks wird dazu jeweils eine Typologie für die
Beschäftigtengruppen entwickelt.
7 Bewertungen und Handlungen bezüglich der
betrieblichen Mitbestimmung – Einordnung
der Einzelfälle in den Merkmalsraum

Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

Das zentrale Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie besteht in der Analyse


der Bewertung von und des Umgangs mit den beiden Mitbestimmungsarenen
von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im Einsatz- und Entsendebe-
trieb. Die Handlungen resultieren dabei aus der jeweiligen Situationsdefinition
durch die Beschäftigten, die wiederum durch die äußeren und inneren Bedingun-
gen beeinflusst wird (vgl. Kapitel 4).
Übergeordnetes Ziel des empirischen Teils dieser Arbeit ist es, jeweils eine
Typologie für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu erstellen, anhand
derer die beiden Wahrnehmungs- und Handlungsebenen des Einsatz- und Ent-
sendebetriebs miteinander verbunden und in Beziehung zueinander gesetzt wer-
den können. Um dies zu erreichen, ist zunächst eine separate Analyse der Bewer-
tungen und Handlungen in Einsatz- und Entsendebetrieb erforderlich. Im folgen-
den Abschnitt werden die Beschäftigten daher anhand der Einordnung in einen
Merkmalsraum erfasst und systematisiert.
Insgesamt bilden vier Analyseschritte den Prozess der Typenbildung: Die
Erarbeitung von Vergleichsdimensionen, die Gruppierung von Einzelfällen, die
Analyse von Sinnzusammenhängen und schließlich die Charakterisierung der
Typen (Kelle/Kluge 2010: 91 ff.). Die Erläuterung der zugrundeliegenden Ver-
gleichsdimensionen sowie die Gruppierung der Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen erfolgt in den nächsten Unterkapiteln (Kapitel 7.1 bis 7.3). Im
Anschluss daran werden in Kapitel 8 die Beschäftigtengruppierungen pro Ein-
satz- und Entsendebetrieb zu jeweils einer Typologie zusammengeführt, die
einzelnen Typen charakterisiert sowie die zugrundeliegenden Sinn- und Wirkzu-
sammenhänge analysiert. Der nachfolgende Abschnitt ist somit als ein notwen-
diger, empirischer Zwischenschritt zur Erreichung des Ziels einer Typologieer-
stellung zu erachten.

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V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_7
104 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

7.1 Vorgehensweise bei der Einordnung in den Merkmalsraum

Zur Beantwortung der Forschungsfrage nach der Bewertung und Handlung in


Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung im jeweiligen Einsatz- und Entsende-
betrieb werden zwei zentrale Vergleichsdimensionen herangezogen, mit Hilfe
derer die Aussagen der Beschäftigten in einen Merkmalsraum (Hempel/Oppen-
heim 1936; Kelle/Kluge 2010: 96 ff.) analysiert und eingeordnet werden können.
Die erste Dimension stellt die Prekaritätswahrnehmung und -bewertung in Bezug
auf die betriebliche Mitbestimmung dar. Diese ermöglicht es, die Bewertungen
der Beschäftigten hinsichtlich der Mitbestimmungssituation und ihrer objektiven
Prekaritätspotenziale (vgl. Kapitel 6) zu systematisieren. Die zweite Dimension
betrifft das Aktivitätsniveau im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Beide
Dimensionen werden jeweils mittels Unterkategorien und -kriterien ausdifferen-
ziert und analysiert. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass bei der Einordnung
der Beschäftigten die Bewertungen und Handlungen bezüglich der jeweils aktu-
ellen Beschäftigungssituation im Vordergrund stehen. Mögliche individuelle
Erfahrungen mit der betrieblichen Mitbestimmung in vorherigen Beschäfti-
gungsverhältnissen werden im Zusammenhang mit der Erklärung der Bewertun-
gen und Handlungen herangezogen.
Im Folgenden werden zunächst die Vergleichsdimensionen erläutert, um
danach die Einordnung in den daraus entstehenden Merkmalsraum vorzuneh-
men.

Prekaritätswahrnehmung und -bewertung in Bezug auf die betriebliche


Mitbestimmung

Unter Rückbezug auf das in Kapitel 4 vorgestellte handlungstheoretische Modell


geht der Handlungsentscheidung des bzw. der jeweiligen Beschäftigten die Situ-
ationswahrnehmung und -bewertung voraus. Die Wahrnehmung und Bewertung
der aktuellen betrieblichen Mitbestimmungssituation spielen demnach eine zent-
rale Rolle für die letztendliche Handlungswahl. Ziel ist die Beantwortung der
Frage, wie die Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen die bereits in Kapitel
6 herausgestellten, objektiven Prekaritätspotenziale der betrieblichen Mitbe-
stimmung subjektiv wahrnehmen und bewerten. Der Begriff der Prekarität wird
in diesem Zusammenhang im Sinne einer Abweichung der betrieblichen Mitbe-
stimmungsbedingungen vom Normalarbeitsverhältnis verwendet (vgl. dazu auch
Kapitel 4 und 6).
Zum Zwecke der Systematisierung wurde eine Dimensionierung der Bewer-
tungen in die beiden Pole nicht-prekär und prekär vorgenommen. Da die explizi-
te Bewertung einer Situation durch die Beschäftigten als nicht-prekär oder prekär
7.1 Vorgehensweise bei der Einordnung in den Merkmalsraum 105

jedoch in der Interviewsituation als eher unwahrscheinlich erscheint, wurden


mittels einer induktiv-deduktiven Vorgehensweise (d.h. unter Heranziehung des
Interviewmaterials und des theoretischen Vorwissens) verschiedene Kriterien zur
Operationalisierung des „Prekaritätsgrads“ der Wahrnehmung in Bezug auf die
betriebliche Mitbestimmung entwickelt. Es handelt sich dabei um die folgenden:

a) Eigene Rolle in der betrieblichen Mitbestimmung

Hierbei wurde untersucht, in welcher Rolle sich die Beschäftigten selbst in der
betrieblichen Mitbestimmung des jeweiligen Einsatz- bzw. Entsendebetriebs
verorten. Dies beinhaltet insbesondere Fragen nach der Wahrnehmung einer
(Des-)Integration in die betriebliche Mitbestimmung, d.h. welche Möglichkeiten
aus Sicht der Beschäftigten bestehen, sich als Leih- bzw. Werkvertragsarbeit-
nehmer/-in einzubringen und wie dies bewertet wird. Unter Rückbezug auf die in
Kapitel 3 vorgestellten theoretischen Ansatzpunkte war anhand dieses Kriteri-
ums folglich zu untersuchen, wie die Beschäftigten ihre Chance, Bürgerrechte in
Form der betrieblichen Mitbestimmung wahrzunehmen, wahrnehmen und be-
werten.

b) Subjektives Repräsentationsgefühl durch den Betriebsrat

Hierbei wurde in den Blick genommen, wie die Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen das Engagement bzw. Aktivitäten, aber auch die Handlungsmög-
lichkeiten des Betriebsrats im Hinblick auf eine Interessenvertretung der be-
troffenen Beschäftigtengruppen wahrnehmen und bewerten. Schließlich wurde
berücksichtigt, ob bzw. inwiefern der Betriebsrat für die Beschäftigten einen
potenziellen Ansprechpartner bei Problemen darstellt. Dadurch können letztend-
lich auch Rückschlüsse auf das Vertrauen in das Gremium gezogen werden.

c) Erwartungen und Wünsche an die betriebliche Mitbestimmung

In dieser Kategorie wurde analysiert, welche Erwartungen53 und Wünsche an die


betriebliche Mitbestimmung seitens der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in-

53 Wilkesmann et al. (2011b: 25) definieren Erwartungen „als eine sozial gelernte, subjektiv
wahrscheinliche Annahme über das eigene Handeln und das Handeln anderer Akteure auf-
grund von verbindlichen Regeln, Normen und geteilten Sinnzusammenhängen […]. Erwartun-
gen beziehen sich dabei sowohl auf die prädiktiven und normativen Zielvorstellungen als auch
auf ihre affektiven Aufladungen. Die prädiktiven Zielvorstellungen stellen dabei eine Einschät-
zung über Gegebenheiten dar, d. h. sie schätzen den Ist-Zustand ein, während die normativen
Zielvorstellungen den Idealwert, d. h. den Soll-Zustand einschätzen. Stehen beide Einschät-
zungen nicht im Einklang, d. h. sie erzeugen einen Widerspruch, dann kann das Individuum da-
raus lernen und seine Erwartungen verändern. Erwartungen können auf der normativen und
106 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

nen existieren. Insgesamt lassen sich vier Funktionen und damit verknüpfte Erwar-
tungen an die betriebliche Mitbestimmung bzw. den Betriebsrat differenzieren
(Holtrup 2008: 130 ff.; Wilkesmann et al. 2011b: 27 ff.), anhand derer die Aussa-
gen der Beschäftigten untersucht wurden:

 advokatorische Funktion (praktische Hilfe bei individuellen Problemen und


Konflikten am Arbeitsplatz)
 informatorische Funktion (Informationsverbreitung über gesamtbetrieblich
relevante Themen durch Betriebsversammlungen, informelle Gespräche o. ä.),
 Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz (Sicherstellung der Be-
rücksichtigung von Arbeitnehmer/-inneninteressen in Bezug auf Arbeitsge-
staltung, Unternehmensorganisation etc.)
 Funktion als Tarifakteur (betriebsspezifische Anwendung der Tarifbestim-
mungen).

Bei der Analyse des empirischen Materials zeigte sich, dass die Erwartungen und
Wünsche an den Betriebsrat bei den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
zum Teil über die oben genannten hinaus gehen bzw. diese nicht unbedingt in
die Funktionskategorien einzuordnen sind. Beispiele dafür sind die Wünsche
nach einer niedrigschwelligen Erreichbarkeit des Betriebsrats sowie nach einer
angemessenen Betreuungsrelation. Die Erwartungen und Wünsche wurden zu-
dem nicht zwangsläufig explizit, sondern teilweise auch implizit – etwa durch
kritische Äußerungen über die betriebliche Mitbestimmung – geäußert.
Die Wahrnehmung und Bewertung der aktuellen betrieblichen Mitbestim-
mungssituation wurde dann als prekär eingestuft, wenn folgende Kriterien zutra-
fen und diese zugleich als Missstand bzw. Benachteiligung von den Beschäftig-
ten bewertet wurden:
Erstens wenn sich die Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen von der
betrieblichen Mitbestimmung im jeweiligen Betrieb ausgeschlossen sehen und
sich diesbezüglich selber eine randständige, desintegrierte Rolle zuweisen.
Zweitens wenn die Beschäftigten über ein schwach ausgeprägtes Repräsen-
tationsgefühl durch das jeweilige Betriebsratsgremium verfügen und sie die
Aktivitäten und Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrats für Leih- bzw. Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen als eingeschränkt betrachten.
Drittens wenn die von den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im
Interview angesprochenen Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung nicht
erfüllt sind bzw. wenn die Beschäftigten Wünsche bezüglich der betrieblichen

prädiktiven Ebene durchaus unrealistisch sein. Aufgrund eigener oder vermittelter Erfahrungen
können sich Erwartungen verändern.“
7.1 Vorgehensweise bei der Einordnung in den Merkmalsraum 107

Mitbestimmungssituation äußern, die über die rechtlichen Rahmenbedingungen


hinausgehen und zum Zeitpunkt des Interviews nicht erfüllt waren.
Trafen diese Kriterien nicht zu bzw. wurden nicht negativ oder benachteili-
gend von den Beschäftigten gesehen, so erfolgte eine Einstufung der Bewertung
als nicht-prekär. Letztendlich fand hierbei somit eine „Bewertung der Bewer-
tung“ statt, indem die Aussagen der Beschäftigten durch die Forscherin interpre-
tiert und in die Dimension nicht-prekär/prekär eingestuft wurden.

Aktivitätsniveau in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung

In der Vergleichsdimension des Aktivitätsniveaus in Bezug auf die betriebliche


Mitbestimmung gilt es zu erfassen, ob bzw. inwiefern sich die Beschäftigten an
der betrieblichen Mitbestimmung beteiligen. Das jeweilige Aktivitätslevel der
Beschäftigten wurde anhand der folgenden Kriterien analysiert:

a) Teilnahme an den institutionalisierten betrieblichen Mitbestimmungs-


prozessen

Hierbei wurde analysiert, in welchem Umfang die Leih- und Werkvertragsarbeit-


nehmer/-innen an den formellen Mitbestimmungsvorgängen im Einsatz- bzw.
Entsendebetrieb teilnehmen. Dies betrifft die Betriebsratswahlen und Betriebs-
versammlungen.

b) Art und Häufigkeit des Kontakts zum Betriebsrat

Dabei war zu untersuchen, in welchem Ausmaß die Leih- und Werkvertragsar-


beitnehmer/-innen in Kontakt zum jeweiligen Betriebsratsgremium stehen. Be-
rücksichtigung fanden sowohl formelle, als auch informelle Gespräche (etwa
während der Arbeitsverrichtung) – insbesondere solche, bei dem das Betriebs-
ratsgremium als Ansprechpartner zur Lösung individueller Probleme genutzt
wird.

c) Betriebsratsmitgliedschaft, Kandidatur oder Initiierung einer Betriebs-


ratsgründung im Entsendebetrieb

Als Aktivität wurde zudem gewertet, ob sich ein/e Beschäftigte/r zur Wahl eines
Betriebsratsgremiums aufstellen lässt bzw. bereits Betriebsratsmitglied im jewei-
108 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

ligen Entsendebetrieb ist. Berücksichtigung fanden hierbei auch Aktivitäten, die


auf die Gründung eines Betriebsratsgremiums abzielen.54
Das Aktivitätsniveau der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen wur-
de entsprechend der Quantität der Aktivitäten bewertet: Je mehr Handlungen
dieser Art im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung durchgeführt werden,
als desto aktiver wurde der/die jeweilige Beschäftigte eingestuft. Bei Ausübung
aller Aktivitäten im Sinne der Kriterien a) und b) erfolgte eine Zuweisung eines
hohen Aktivitätsniveaus; ebenso wenn eine Person zum Zeitpunkt des Interviews
amtierendes Betriebsratsmitglied im Entsendebetrieb war bzw. für ein Amt kan-
didierte. Ebenfalls wurde denjenigen Personen ein hohes Aktivitätsniveau zuge-
wiesen, die in ihrem Entsendebetrieb bei der Gründung eines Betriebsratsgremi-
ums beteiligt waren – entsprechend der Nichtexistenz eines Betriebsrats konnte
bei diesen Beschäftigten schließlich keine Teilnahme an den institutionalisierten
Mitbestimmungsprozessen im Sinne von a) und b) erfolgen.
Ein mittleres Aktivitätsniveau wurde dann zugewiesen, wenn nur partiell
Aktivitäten der Kriterien a) und b) ausgeübt wurden: Beispielsweise, wenn aus-
schließlich Betriebsversammlungen besucht werden oder ausschließlich der
Kontakt zum Betriebsrat gesucht wird (ohne Ausübung anderweitiger Aktivitä-
ten).
Lagen gar keine Aktivitäten in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung
vor, so wurde den Beschäftigten ein niedriges Aktivitätsniveau bzw. Passivität
attestiert. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass die Handlungsmöglichkeiten
für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb durch die gesetzlichen
Rahmenbedingungen eingeschränkt sind. Daher wurde das Aktivitätsniveau der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb anhand des Kriteriums der
informellen Aktivitäten beurteilt (vgl. ausführlicher dazu Kapitel 7.3).
Die beiden vorgestellten, zentralen Vergleichsdimensionen Prekaritätswahr-
nehmung und –bewertung und Aktivitätsniveau in Bezug auf die betriebliche Mit-
bestimmung definieren den Merkmalsraum (Hempel/Oppenheim 1936; Kelle/Klu-
ge 2010: 96 ff.), welcher der Typenbildung letztendlich zugrunde liegt. Der in
Abbildung 6 visualisierte Merkmalsraum bietet einen Überblick über alle potenzi-
ellen Kombinationsmöglichkeiten der Ausprägungen innerhalb der Vergleichsdi-
mensionen.

54 Da diese Handlungsoptionen aufgrund der rechtlichen Regulierungen ausschließlich im Ent-


sendebetrieb bestehen (vgl. auch Kapitel 6), wurde das Kriterium c) nur bei der Analyse des
Aktivitätsniveaus in der Leih- bzw. Werkvertragsfirma einbezogen.
7.1 Vorgehensweise bei der Einordnung in den Merkmalsraum 109

hoch

Aktivitätsniveau

niedrig

nicht-prekär Wahrnehmung und Bewertung der betrieblichen prekär


Mitbestimmungssituation

Abbildung 6: Merkmalsraum zur Typenbildung

Auf der horizontalen Achse sind die Prekaritätswahrnehmungen und -bewertun-


gen, auf der vertikalen Achse die Handlungen abgetragen. Jedes der vier Felder
innerhalb des Merkmalsraums stellt somit eine Kombination der beiden Ver-
gleichsdimensionen dar, so dass insgesamt jede Ausprägung der Bewertung und
Handlung in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung abgedeckt ist. Die Ein-
ordnung der Beschäftigten auf den beiden Achsen erfolgt anhand der Vergleichs-
dimensionen.55 Da es sich bei den Kategorien Prekaritätsbewertung und Hand-
lungen jedoch nicht um messbare Größen im mathematischen Sinne handelt, er-
folgte – wie im vorherigen Abschnitt erläutert – eine auf den genannten Kriterien
– d. h. auf qualitativen Maßstäben – gründende Einordnung der Fälle im Merk-
malsraum. Die Achsen ermöglichen dabei die Darstellung unterschiedlicher
Ausprägungsgrade.
Die Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen wurden anhand des Inter-
viewmaterials entlang der definierten Vergleichsdimensionen analysiert, im
Merkmalsraum verortet und gruppiert. Im Ergebnis erhält man einen Überblick

55 Nimmt ein/e Beschäftigte/r beispielsweise an den Betriebsratswahlen sowie an Betriebsver-


sammlungen teil und wendet sich bei Problemen an den Betriebsrat des Einsatzbetriebs, so sind
seine/ihre Handlungen als sehr aktiv einzustufen. Fühlt er/sie sich zugleich durch den Be-
triebsrat vertreten und bewertet auch darüber hinaus die betriebliche Mitbestimmungssituation
positiv, wäre er/sie im oberen, linken Viertel des Merkmalsraums (nicht-prekär | aktiv) einzu-
ordnen.
110 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

über die Bewertung der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen der betrieb-


lichen Mitbestimmungssituation und ihre Aktivitäten im Einsatz- bzw. Entsen-
debetrieb.
Die Fälle innerhalb der Gruppierungen besitzen zwar wiederum zum Teil –
bedingt durch soziostrukturelle Unterschiede und individuelle Ausgangslagen,
wie beispielsweise die Beschäftigungsdauer – spezifische Besonderheiten; diese
wurden jedoch für die Zuweisung der Merkmalskombinationen zunächst wei-
testgehend ausgeblendet. Vielmehr stehen dabei die grundlegenden Gemeinsam-
keiten im Vordergrund.
Die Einordnung der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in den
Merkmalsraum erfolgte separat nach Beschäftigungsform bzw. Einsatzbetrieb
und Leiharbeits-/Werkvertragsfirma. Diese Vorgehensweise stellt sicher, die ver-
schiedenen Bewertungen, Handlungen sowie auch die Erklärungsfaktoren vor
dem jeweiligen Hintergrund der institutionellen Rahmenbedingungen systema-
tisch und umfassend zu erfassen – schließlich gelten pro Beschäftigungsform in
den unterschiedlichen Betrieben diverse Regelungen für die Teilhabe an der
betrieblichen Mitbestimmung (vgl. Kapitel 6). In Folge sind in einem ersten
Schritt vier Merkmalsräume zu betrachten: Pro Beschäftigtengruppe jeweils ein
Merkmalsraum für den Einsatz-, und einer für den Entsendebetrieb. Um Zusam-
menhänge zwischen den Bewertungs- und Handlungsmustern in den einzelnen
Mitbestimmungsarenen zu erkennen, wurde erst in einem zweiten Schritt die
systematische Trennung der Analyseebenen aufgehoben (Kapitel 8).
Im Folgenden wird – zur besseren Nachvollziehbarkeit der Typenbildung in
Kapitel 8 – die Einordnung der Fälle in die jeweiligen Merkmalsräume über-
blicksartig dargestellt und erläutert. Eine ausführliche Charakterisierung der Ty-
pen erfolgt (ebenso wie die Diskussion der Verteilungsmuster der Beschäftigten
in den Merkmalsräumen) in den Kapiteln 8 bzw. 9.

7.2 Überblick über die Einordnung der Leiharbeitnehmer/-innen in


die Merkmalsräume

Auf Grundlage des Samples (bestehend aus siebzehn Leiharbeitnehmer/-innen)


bilden sich fünf Gruppierungen im Merkmalsraum für den Einsatzbetrieb bzw.
zwei Gruppierungen im Merkmalsraum für die Leiharbeitsfirma. Die folgende
Abbildung 7 zeigt die Verteilung der Fälle.
7.2 Überblick über die Einordnung der Leiharbeitnehmer/-innen in die Merkmalsräume 111

Einsatzbetrieb Leiharbeitsfirma
hoch A-LA1; A-LA3
hoch
B-LA1; B-LA2 E-LA1
C-LA3
D-LA2
E-LA2
Aktivitätsniveau

Aktivitätsniveau
B-LA3
C-LA2 E-LA1

A-LA1; A-LA2; A-LA3


A-LA2 B-LA1; B-LA2; B-LA3; B-LA4
B-LA4 C-LA1, C-LA2, C-LA3
D-LA1; D-LA3; D-LA4 C-LA1 D-LA1, D-LA2; D-LA3; D-LA4
niedrig E-LA3 niedrig E-LA2; E-LA3

nicht- Wahrnehmung und Bewertung der prekär nicht- Wahrnehmung und Bewertung der prekär
prekär betrieblichen prekär betrieblichen
Mitbestimmungssituation Mitbestimmungssituation

Abbildung 7: Einordnung der Leiharbeitnehmer/-innen in die


Merkmalsräume

Auffällig ist, dass die Leiharbeitnehmer/-innen bezogen auf die betriebliche Mit-
bestimmung im Einsatzbetrieb wesentlich mehr Varianzen aufweisen als im
Hinblick auf die Leiharbeitsfirma. Bezüglich des Einsatzbetriebs wurde sieben
Leiharbeitnehmer/-innen die Merkmalskombination nicht-prekär | aktiv zuge-
ordnet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die betriebliche Mitbestimmungs-
situation im Einsatzbetrieb nicht als prekär bewerten und zugleich ein hohes
Aktivitätslevel aufweisen, da sie alle gegebenen Möglichkeiten der Beteiligung
an der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb nutzen. Die Merkmals-
kombination nicht-prekär | passiv wurde sechs der Leiharbeitnehmer/-innen zu-
geordnet. Im Unterschied zur letztgenannten Beschäftigtengruppe beteiligen sie
sich in keiner Form an der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb. Je-
weils ein Fall ist den Merkmalskombinationen prekär | aktiv bzw. prekär | passiv
zuzuordnen. Beide Beschäftigte zeichnen sich durch eine ausgeprägte, subjektive
Prekaritätswahrnehmung in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung aus, un-
terscheiden sich aber hinsichtlich ihres Aktivitätsniveaus. Schließlich wurde
zweien der Leiharbeitnehmer/-innen die Merkmalskombination prekär | partiell-
aktiv zugewiesen. Sie üben nur teilweise Aktivitäten in Bezug auf die betriebli-
che Mitbestimmung im Einsatzbetrieb aus. Dazu zählen der Besuch von Be-
triebsversammlungen und der Kontakt zum dortigen Betriebsratsgremium. Eine
112 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

Teilnahme an Betriebsratswahlen wird jedoch nicht wahrgenommen, weshalb


ihnen ein mittleres Aktivitätsniveau zugewiesen wurde.
Bezüglich der Leiharbeitsfirma weisen alle Leiharbeitnehmer/-innen (bis auf
eine Ausnahme) nur eine Variante (nicht-prekär | passiv) der Merkmalskombinati-
onen auf. Sie haben keine bzw. nur geringfügige Berührungspunkte mit der dorti-
gen betrieblichen Mitbestimmung, bewerten dies aber nicht negativ. Ihre Handlun-
gen sind durchgängig durch Passivität geprägt. Der Fall der Leiharbeitskraft
E-LA1 sticht insofern heraus, als dass er als einziger des Leiharbeitnehmer/-in-
nensamples die betriebliche Mitbestimmungssituation in der Leiharbeitsfirma ex-
plizit als negativ bewertet. Die gegebenen Handlungsoptionen werden von ihm nur
teilweise ausgeschöpft, indem der Betriebsrat als Ansprechpartner/-in genutzt wird.
Weitere Aktivitäten in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung werden nicht
ausgeübt.

7.3 Überblick über die Einordnung der Werkvertragsarbeitnehmer/-


innen in die Merkmalsräume

Für die Analyse der Werkvertragsbeschäftigten wurden ebenfalls die in Kapitel


7.1 vorgestellten Vergleichsdimensionen verwendet, so dass auch für diese Be-
schäftigtengruppe eine Einordnung in zwei Merkmalsräume (Einsatz- bzw. Ent-
sendebetrieb) mit den Dimensionen Prekaritätswahrnehmung und -bewertung
und Aktivitätsniveau erfolgte. Folgende Abbildung 8 illustriert die Verteilung
der Fälle in den Merkmalsräumen.
Insgesamt bilden sich bei der Einordnung auf Grundlage des Samples – be-
stehend aus 13 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – bezüglich des Einsatzbetrie-
bes drei Beschäftigtengruppierungen. Die Merkmalskombination nicht-prekär |
aktiv wird im Einsatzbetrieb von keinem der Beschäftigten vertreten. Für die
Einordnung bezüglich des Einsatzbetriebes ist allerdings zu berücksichtigen,
dass das Aktivitätsniveau im Sinne der Beteiligung an der betrieblichen Mitbe-
stimmung bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen weder qualitativ, noch
quantitativ mit jenem der Leiharbeitnehmer/-innen gleichgesetzt werden kann.
Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen sind ihre Handlungsoptionen von
vornherein limitiert (vgl. dazu auch Kapitel 6). Da ihnen folglich ein anderer
Handlungsspielraum als den Leiharbeitnehmer/-innen zur Verfügung steht, wird
das Aktivitätsniveau der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb
anhand des Kriteriums der informellen Aktivitäten beurteilt. Dazu gehört ins-
besondere die Kontaktaufnahme zum Betriebsrat – da dieser offiziell kein Man-
dat für diese Beschäftigtengruppe innehat, stellt dies eine Handlung außerhalb
der rechtlichen Rahmenbedingungen dar. Der Extrempol passiv bedeutet folglich
nicht zwangsläufig, dass die betreffenden Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
7.3 Überblick über die Einordnung der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in die Merkmalsräume 113

grundsätzlich inaktiv oder gar desinteressiert sind – vielmehr verbleiben sie in-
nerhalb der institutionellen Einschränkungen, die ihnen in Bezug auf die betrieb-
liche Mitbestimmung rechtlich vorgegeben sind.
Einsatzbetrieb Werkvertragsunternehmen
hoch hoch
D-WV2
C-WV2 E-WV4
E-WV1
Aktivitätsniveau

Aktivitätsniveau

A-WV1; A-WV2 A-WV1; A-WV2


B-WV1; B-WV2 B-WV1; B-WV2
C-WV1, C-WV2 C-WV1
D-WV1 E-WV4; D-WV1; D-WV2 E-WV1
niedrig E-WV3; E-WV6 E-WV5 niedrig E-WV3; E-WV5; E-WV6

nicht- Wahrnehmung und Bewertung der prekär nicht- Wahrnehmung und Bewertung der prekär
prekär betrieblichen prekär betrieblichen
Mitbestimmungssituation Mitbestimmungssituation

Abbildung 8: Einordnung der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in die


Merkmalsräume

Die Merkmalskombination nicht-prekär | passiv im Hinblick auf den Einsatzbe-


trieb tragen insgesamt neun Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Sie zeichnen sich
auf der einen Seite dadurch aus, dass sie ihre betriebliche Mitbestimmungsstim-
mungssituation im Einsatzbetrieb nicht negativ bewerten und keine Erwartungen
äußern, die diesbezüglich nicht erfüllt sind. Auf der anderen Seite verbleiben sie
hinsichtlich ihres Aktivitätsniveaus innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Hand-
lungsoptionen. Zwei der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen tragen die Merkmals-
kombination prekär | aktiv. Kennzeichnend für diese Beschäftigten ist die Wahr-
nehmung von Desintegration in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung des
Einsatzbetriebs. Charakteristisch ist darüber hinaus, dass sie informell den Kon-
takt zu Betriebsratsmitgliedern suchen, um Beratungen einzuholen. Dementspre-
chend erfolgte eine Einordnung als aktiv. Ebenfalls zwei Werkvertragsbeschäf-
tigte weisen die Merkmalskombination prekär | passiv im Einsatzbetrieb auf.
Auch für diese Beschäftigten ist der starke (unerfüllte) Wunsch nach einer In-
tegration in die betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbetriebs kennzeichnend.
Dementsprechend wurde ihnen das Merkmal prekär zugewiesen. Ihr Aktivitäts-
114 7 Einordnung der Einzelfälle in den Merkmalsraum

niveau im Sinne der Teilhabe an der betrieblichen Mitbestimmung ist niedrig –


ihre Handlungen verbleiben innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen; es
erfolgen keine informellen Umgehungsstrategien.
Für das Werkvertragsunternehmen bilden sich insgesamt vier Beschäftig-
tengruppierungen. Die Merkmalskombination nicht-prekär | aktiv wird dabei von
einem Werkvertragsarbeitnehmer des Samples getragen. Die Merkmalskombina-
tion nicht-prekär | passiv weisen insgesamt zehn Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen des Samples auf. Diese Beschäftigten bewerten ihre individuelle Mitbe-
stimmungssituation nicht negativ oder als Missstand. Ihr Aktivitätsniveau liegt
im Hinblick auf eine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung in der
Werkvertragsfirma bei null. Einem Werkvertragsarbeitnehmer wurde die Merk-
malskombination prekär | aktiv zugewiesen. Die Einstufung seiner Bewertung
der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär beruht hauptsächlich da-
rauf, dass er diese aufgrund eines fehlenden, lokalen Betriebsratsgremiums als
stark defizitär beurteilt. Das Aktivitätslevel des Beschäftigten ist vergleichsweise
hoch einzustufen, da er erstens bereits den Kontakt zum bestehenden Gremium
suchte, um Informationen einzuholen und zweitens – gemeinsam mit Kolleg/-
innen – die Gründung eines Betriebsrats in seinem Betriebsteil des Werkver-
tragsunternehmens voranzutreiben versucht. Die Merkmalskombination prekär |
passiv weist schließlich ein Werkvertragsarbeitnehmer des Samples auf, der die
Mitbestimmungssituation in seinem Werkvertragsunternehmen zwar ebenfalls
als defizitär bewertet, im Unterschied zum letztgenannten Beschäftigten aber
keine Aktivitäten ausübt.
8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei
Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Im vorangegangenen Kapitel 7 wurden die Leih- und Werkvertragsarbeitneh-


mer/-innen im Hinblick auf zwei Vergleichsdimensionen – die Wahrnehmung
und Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung als prekär bzw. nicht-prekär
sowie das Aktivitätsniveau in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung – sys-
tematisch analysiert und in je einem Merkmalsraum für den Einsatz- und Ent-
sendebetrieb verortet. Feststellbar ist eine Vielzahl von Merkmalskombinationen
bei den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen; zudem unterscheidet sich
die Verteilung der Beschäftigten in den Merkmalsräumen zum Teil stark nach
Einsatz- und Entsendebetrieb. Offen ist bislang aber die Frage, wie sich die Be-
wertungen und Handlungen in Bezug auf die beiden einzelnen Mitbestimmungs-
arenen bei den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen jeweils zueinander
verhalten – also, ob beispielsweise eine Mitbestimmungsarena gegenüber der
anderen bevorzugt wird. Zudem fand noch keine Berücksichtigung, welche Be-
dingungen zu den entsprechenden Bewertungen und Handlungen führen. Das
übergeordnete Ziel dieses Kapitels ist es daher einerseits, die bisher separat be-
handelten Wahrnehmungen, Bewertungen und Handlungen in einem Gesamtzu-
sammenhang zu betrachten, um den Umgang mit der betrieblichen Mitbestim-
mung der Beschäftigten vor dem Hintergrund der Koexistenz zweier Mitbestim-
mungsarenen zu analysieren. Andererseits sollen – unter Rückbezug auf das in
Kapitel 4 explizierte, handlungstheoretische Erklärungsmodell – die Erklärungs-
faktoren und Wirkungszusammenhänge der einzelnen Typen herausgearbeitet
werden. Um diese Ziele zu erreichen, erfolgt in diesem Kapitel eine Zusammen-
legung der einzelnen Merkmalskombinationen in Einsatz- und Entsendebetrieb
zu zwei „Gesamttypologien“ – jeweils eine Typologie für Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen – der Bewertung und des Umgangs mit der betriebli-
chen Mitbestimmung. Die daraus entstehenden Typen werden charakterisiert und
im Anschluss daran diejenigen Bedingungen und Wirkungszusammenhänge analy-
siert, die zu den jeweiligen Bewertungen und Handlungen führen. Anschließend
soll in Kapitel 9 vergleichend analysiert werden, welche Erklärungsmuster bei den
jeweiligen Beschäftigungsformen dominant sind und inwieweit die Wahr-
nehmungen, Bewertungen und Handlungen in den beiden Mitbestimmungsarenen
miteinander zusammenhängen.

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V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_8
116 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

8.1 Übersicht über die Typologien und Wirkungszusammenhänge

Jede/-r Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in des Samples verfügt durch die


Einordnung in den Merkmalsraum über jeweils eine Merkmalskombination56 pro
Einsatz- und Entsendebetrieb. Zum Zwecke der „Fusion“ der Analysen bezüg-
lich des Einsatz- und Entsendebetriebs wurden den vier möglichen Merkmals-
kombinationen des Merkmalsraums Ziffern zugewiesen und den einzelnen Fäl-
len jeweils eine Ziffer für den Einsatz-, und eine Ziffer für den Entsendebetrieb
zugeordnet. Die Fälle wurden anschließend tabellarisch aufgelistet und bei glei-
chen Merkmalskombinationen im Einsatz- und Entsendebetrieb gruppiert. Im Er-
gebnis entstanden fünf Merkmalsgruppen bei den Leiharbeitnehmer/-innen bzw.
sechs Gruppen bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, die die Bewertung und
den Umgang mit den beiden Mitbestimmungsarenen widerspiegeln (die beiden
entsprechenden Tabellen befinden sich im Anhang).
Für die anschließende Erstellung der Typologien wurde die analytische
Trennung zwischen Einsatz- und Entsendebetrieb zunächst aufgehoben. Das aus-
schlaggebende Kriterium für die Bildung eines Typus war erstens, ob eine Be-
wertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär in mindestens ei-
nem Betrieb vorlag und zweitens, ob eine Beteiligung an der betrieblichen Mit-
bestimmung in mindestens einem Betrieb erfolgte. In welcher Mitbestimmungs-
arena diese Eigenschaften zum Tragen kamen, war für die Typenbildung zu-
nächst unerheblich. Im Ergebnis entstanden pro Beschäftigungsform vier zentra-
le Typen der Bewertung von und des Umgangs mit der betrieblichen Mitbestim-
mung (vgl. Tabelle 4).
In welcher Mitbestimmungsarena eine Bewertung als prekär bzw. nicht-
prekär vorkommt und in welcher eine Beteiligung an den institutionalisierten
Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung erfolgt, wird in den einzelnen Ty-
pencharakterisierungen näher analysiert. Subtypen wurden dann erstellt, wenn ei-
ne Mitbestimmungsarena stark dominierte oder wenn sich die Art der Prekari-
tätswahrnehmung/ -bewertung stark voneinander unterschied.

56 Möglich sind jeweils die Merkmalskombinationen nicht-prekär | aktiv, nicht-prekär | passiv,


prekär | aktiv und prekär | passiv.
8.1 Übersicht über die Typologien und Wirkungszusammenhänge 117

Tabelle 4: Übersicht über die Typologie


Leiharbeitnehmer/-innen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
Typenbezeichnung Merkmale Typenbezeichnung Merkmale

Prekär Aktiv Prekär Aktiv


Der/die Integrierte Der/die Integrierte
   

Prekär Aktiv Prekär Aktiv

Der/die Autarke* Der/die Autarke


   

Prekär Aktiv Prekär Aktiv


Der/die prekäre Der/die prekäre
Aktive Aktive**
   

Prekär Aktiv Prekär Aktiv


Der/die prekäre Der/die prekäre
Verweigernde Konforme
   

* Bei dem Leiharbeitnehmer/-innentypus des/der Autarken existieren zwei Subtypen (der/die unbe-
fangene bzw. distanzierte Autarke).
** Der Werkvertragsarbeitnehmer/-innentypus des/der prekären Aktiven ist in zwei Subtypen unter-
gliedert: Der/die prekäre Ratsuchende und der/die prekäre Aktivist/-in. Diese erklären sich durch die
jeweils unterschiedliche Fokussierung von Mitbestimmungsarenen.

Bei der Erstellung der Typologie wurde innerhalb des Merkmals nicht-prekär
zwischen zwei Ausprägungen differenziert: Eine Bewertung der betrieblichen
Mitbestimmungssituation als nicht-prekär bedeutet demnach nicht zwangsläufig,
dass sich die Beschäftigten als in die Mitbestimmungsprozesse integriert sehen
und dies als positiv empfinden. Vielmehr kann darunter auch Gleichgültigkeit
bzw. eine bewusste Distanzierung von der betrieblichen Mitbestimmung gefasst
werden, bei der die eigene Situation jedoch nicht negativ bewertet wird. Mit der
Bewertung der Mitbestimmungssituation als prekär ist hingegen stets das subjek-
tive Gefühl von Desintegration und nicht erfüllten Erwartungen verbunden, wel-
ches als negativ bzw. benachteiligend eingestuft wird (vgl. dazu auch Kapitel
7.1). Die Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sind damit im Einsatz-
118 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

bzw. Entsendebetrieb jeweils in einem Dreieck der Bewertung der betrieblichen


Mitbestimmungssituation zu verorten, das sich durch die Ausprägungen prekär
(desintegriert), nicht-prekär (integriert) und nicht-prekär (gleichgültig/distanziert)
auszeichnet. Diese drei Bewertungsformen der betrieblichen Mitbestimmungs-
situation sind in der Typologie jeweils mit Aktivitäten verschiedener Art und In-
tensität kombiniert (hohes bzw. mittelhohes Aktivitätsniveau oder Passivität; siehe
dazu im Detail Kapitel 7.1). Einige Kombinationen existieren dabei im vorliegen-
den Sample allerdings nicht – beispielsweise besteht kein Typus, der eine distan-
zierte Haltung aufweist, sich aber zugleich rege an den institutionalisierten Mitbe-
stimmungsprozessen in zumindest einer Mitbestimmungsarena beteiligt. Ebenfalls
wurde auf Grundlage des Samples kein Typus gebildet, der sich als integriert an-
sieht und gleichzeitig passiv ist. Innerhalb der vorliegenden Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innentypologien treten folglich vier Kombinationen auf: Nicht-
prekär (integriert) & aktiv, nicht-prekär (gleichgültig / distanziert) & passiv, pre-
kär (desintegriert) & aktiv sowie prekär (desintegriert) & passiv.
Die Systematisierung der möglichen Erklärungsfaktoren und Wirkungszu-
sammenhänge der einzelnen Typen erfolgte in Orientierung an der Analyseheu-
ristik des in Kapitel 4 vorgestellten, handlungstheoretischen Erklärungsmodells
zur Definition der Situation mit anschließender Handlungswahl. Ziel war es, jene
Muster nachzuzeichnen, die bestimmend für die Bewertung der Mitbestim-
mungssituation und damit letztendlich für die Handlungswahl der Beschäftigten
sind.
Durch Fallvergleiche und –kontrastierungen sowohl zwischen als auch in-
nerhalb den Typen wurde das Interviewmaterial – auch abseits der Prekaritäts-
bewertung und Handlungen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung – auf
weitere Gemeinsamkeiten und Unterscheidungen hin analysiert. Im Ergebnis
konnten somit typische Erklärungsmuster und Wirkungszusammenhänge inner-
halb der Gruppen bzw. Typen identifiziert werden, die für die Gesamttypologie
von Bedeutung sind (vgl. ausführlicher zu dieser Methodik Kelle/Kluge 2010:
101 ff.). Diese wurden schließlich unter Orientierung an dem in Kapitel 4 vorge-
stellten, handlungstheoretischen Modell systematisiert und in innere und äußere
Bedingungen kategorisiert (vgl. zur ausführlicheren Erläuterung der inneren und
äußeren Bedingungen Kapitel 4). Nachfolgende Tabelle 5 listet die inneren und
äußeren Bedingungen der Situationsdefinitionen und letztendlichen Handlungs-
wahl auf.
8.1 Übersicht über die Typologien und Wirkungszusammenhänge 119

Tabelle 5: Einflussfaktoren auf die Situationsdefinition und anschließende


Handlungswahl in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung
Äußere Bedingungen Gesetzliche Rahmenbedingungen
(Kontextfaktoren) - BGB / BetrVG / AÜG
Existenz bzw. Nicht-Existenz eines Betriebsratsgremiums
Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitu-
tionen
Interne Akteur/-innen im betrieblichen Kontext
- Betriebsrat
- Vorgesetzte
Externe Akteur/-innen
- Gewerkschaften und/oder Gesamt- bzw. Konzernbe-
triebsräte
Innere Bedingungen Wissen, Werte und Einstellungen ggü. der betrieblichen
(persönliche Disposi- Mitbestimmung
tion / soziale Identität - Mitbestimmungsaffinität
des Akteurs) - Vorangegangene, biografische Erfahrungen und Erleb-
nisse
Wissen, Werte und Einstellungen gegenüber der spezifi-
schen Beschäftigungssituation
- institutionelles Zugehörigkeitsgefühl bzw. Nicht-
Zugehörigkeitsgefühl zum jeweiligen Betrieb
- Wunsch nach Übernahme
Biografischer Status
- Einsatzdauer im jeweiligen Einsatzbetrieb
- Erwerbsverlauf
- Qualifikationsniveau
Sozialstrukturelle Faktoren
- Alter
- Geschlecht

Betont sei an dieser Stelle, dass bei den äußeren Bedingungen die subjektive
Wahrnehmung bzw. Bewertung der äußeren Bedingungen fokussiert werden. So
wurden beispielsweise nicht die jeweiligen Strategien interner und externer Ak-
teure anhand von Expert/-inneninterviews und Dokumentenanalysen erfasst, son-
dern diese auf Basis der Beschäftigteninterviews analysiert. Diese Vorgehens-
weise stellt die individuellen Situationsdefinitionen und ihre Erklärung in den
Vordergrund. Denn das Ziel war es nicht, die „tatsächlichen“ Bedingungen mit
den Wahrnehmungen der Beschäftigten abzugleichen. Stattdessen soll untersucht
werden, wie die individuelle Situationsdefinition durch die Wahrnehmung und
Bewertung verschiedener Bedingungen beeinflusst wird.
120 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Zugleich spielen nicht alle in Tabelle 5 aufgeführten Bedingungen bei jeder


individuellen Situationsdefinition bzw. bei jedem Typus in gleicher Intensität
eine Rolle. Es bestehen darüber hinaus zum Teil Wechselwirkungen zwischen
ihnen, die eine strikte, analytische Trennung erschweren.57 Dennoch ist es mög-
lich, anhand dieser zentralen Faktoren Erklärungsmuster nachzuzeichnen, die zur
Definition der Situation und schließlich der Handlungswahl in Bezug auf die
betriebliche Mitbestimmung beitragen.
Die einzelnen Typen werden im folgenden Abschnitt separat für jede Be-
schäftigungsform charakterisiert und die jeweiligen Wirkungszusammenhänge
anhand der oben genannten, inneren und äußeren Bedingungen erklärt. Im An-
schluss daran erfolgen eine vergleichende Betrachtung und eine Diskussion der
Ergebnisse.

8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale


Wirkungszusammenhänge

8.2.1 Typologie der Leiharbeitnehmer/-innen

Durch die Zusammenführung der Analysen hinsichtlich Einsatz- und Entsende-


betrieb sind für die Leiharbeitnehmer/-innen vier zentrale Typen der Haltung zur
betrieblichen Mitbestimmung zu identifizieren, die im Folgenden charakterisiert
werden. Es handelt sich dabei um den/die Integrierte/-n, den/die Autarke/-n,
den/die prekäre/-n Aktive/-n sowie um den/die prekäre/-n Verweigernde/-n.

Der/die integrierte Leiharbeitnehmer/-in

Zentrales Merkmal der Integrierten ist, dass sie ihre betriebliche Mitbestim-
mungssituation weder im Einsatz-, noch im Entsendebetrieb als prekär bewerten.
Die zentrale Mitbestimmungsarena stellt für diese Beschäftigten der Einsatzbe-
trieb dar. Diesem Typus konnten sieben Leiharbeitnehmer/-innen58 des Samples
zugeordnet werden. Die entsprechenden Beschäftigten stellen diverse Funktions-
erwartungen an den Einsatzbetriebsrat – nicht jedoch an den (nur zum Teil exis-
tenten) Betriebsrat der Leiharbeitsfirma. Dabei handelt es sich um die advokato-
rische und informatorische Funktion, die Funktion als Ordnungs- und Partizipati-

57 Um einerseits diese Wechselwirkungen sprachlich zu verdeutlichen und andererseits das


Zusammenspiel der verschiedenen Bedingungen zu betonen, wird im Folgenden auch der
Terminus „Wirkungszusammenhang“ verwendet.
58 Es handelt sich dabei um die Beschäftigten A-LA1, A-LA3, B-LA1, B-LA2, C-LA3, D-LA2
und E-LA2.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 121

onsinstanz sowie als Tarifakteur. Charakteristisch für die Integrierten ist, dass
sie diese Funktionen als erfüllt ansehen und daher den Einsatzbetriebsrat positiv
bewerten. Aus Perspektive der Beschäftigten füllt er sein Mandat für die Leihar-
beitnehmer/-innen aus. Dazu zählt unter anderem die Aushandlung und Durch-
setzung von Arbeits- und Vergütungsstandards für die Leiharbeitnehmer/-innen,
wie die folgenden Interviewausschnitte beispielhaft zeigen:
„Aber hier hat der Betriebsrat auch durchgesetzt, dass, wenn man achtzehn Monate
hier ist, übernommen/ 'N Vertrag kriegen muss.“ (A-LA1; 243)
„Die kümmern sich schon irgendwie auch um Leiharbeiter. Also, dass wir hier
[haustarifvertragliche Regelung] haben. Das wird ja auch der Betriebsrat mit
durchgesetzt haben. Oder wenn's […] um Stellenabbau geht, sowohl Leiharbeits-
kräfte, als auch feste, dann ist der Betriebsrat da auch immer involviert.“ (C-LA3;
240)
Der Betriebsrat wird von den Integrierten zudem als potenzieller, vertrauens-
würdiger Ansprechpartner für Leih- und Stammbeschäftigte gleichermaßen cha-
rakterisiert. So antwortet beispielsweise D-LA2 auf die Frage, inwiefern der
Betriebsrat ihn als Leiharbeitnehmer vertreten könne:
„Da gibt's schon ein paar Sachen. Zum Beispiel wenn man mit Vorgesetzten oder so
nicht klarkommt oder irgendwas schiefgelaufen ist, dann kann man genauso da hin-
gehen zu diesem Betriebsrat und sagen: ‚Hör mal zu, was ist hier los?‘, wie die ei-
genen Leute auch, ne. Also die vertreten einen auch dann.“ (D-LA2; 269)
Insgesamt fühlen sich die Leiharbeitnehmer/-innen dieses Typs demnach in die
betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbetriebs integriert und weisen ein ausge-
prägtes, subjektives Repräsentationsgefühl durch den Betriebsrat auf.
Das Aktivitätsniveau dieser Beschäftigten ist im Einsatzbetrieb als mittel-
hoch bis hoch einzustufen: Sie nehmen sowohl an Betriebsratswahlen, als auch
an Betriebsversammlungen teil. Sie stehen – mehr oder weniger – regelmäßig in
Kontakt zu Betriebsratsmitgliedern und würden diese als Ansprechpersonen bei
bestehenden Problemen nutzen. Zwar bestand bei keinem der Beschäftigten
dieses Typs bislang ein konkreter Anlass, den Einsatzbetriebsrat in seiner Funk-
tion als eine beratende oder interessenvertretende Institution persönlich zu kon-
taktieren. Einige standen jedoch aufgrund eines seitens des Betriebsrats initiier-
ten Begrüßungsgesprächs zu Beginn des Leiharbeitseinsatzes in Kontakt. Zum
Teil werden Sachverhalte darüber hinaus auch während der Arbeit besprochen
bzw. beraten.
Im Kontrast dazu weisen die Integrierten keine bzw. nur geringe Berüh-
rungspunkte mit der betrieblichen Mitbestimmung ihrer jeweiligen Leiharbeits-
firma auf. Sie formulieren keinerlei Wünsche oder Erwartungen an die betriebli-
che Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma, die nicht abgedeckt werden. Insge-
122 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

samt bewerten sie dies aber nicht negativ, weshalb ihre Wahrnehmung und Be-
wertung der diesbezüglichen Situation als nicht-prekär eingestuft werden kann.
Ihre Handlungen sind durch Passivität geprägt: Weder nehmen sie an Betriebs-
ratswahlen teil, noch besuchen sie Betriebsversammlungen. Dies ist zu Teilen
zwar dem Umstand geschuldet, dass kein Betriebsratsgremium in der Leihar-
beitsfirma besteht, trifft aber auch auf diejenigen zu, denen diese Optionen prin-
zipiell zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus wird im Falle der Nicht-Existenz eines Betriebsrats in der
Leiharbeitsfirma von den Integrierten keine Gründung eines solchen Gremiums
in Betracht bezogen. Im Falle einer Beschwerde oder eines Problems in der
Leiharbeitsfirma wird entweder die Selbstaushandlung in der Leiharbeitsfirma
oder das Hinzuziehen von Betriebsratsmitgliedern des Einsatzbetriebs gewählt.
Das folgende Zitat spiegelt die Haltung der Integrierten zur betrieblichen Mitbe-
stimmung in der Leiharbeitsfirma exemplarisch wider:
„Keine Ahnung. Da sitzen fünf Leute im Büro. Also, ich weiß nicht, ob es da 'nen
Betriebsrat gibt. Also die sitzen natürlich nicht nur in [Standort], ne? Das Haupt-
ding ist glaub ich in [andere Stadt], ich weiß es gar nicht. Es interessiert mich auch
ehrlich gesagt nicht. Also, wenn ich irgendwie Probleme mit meinem Job hab oder
so, dann […] klär ich das erstmal jobintern. Weil, wäre Schwachsinn, das zu umge-
hen und dann hinten rum.“ (A-LA3; 461)
Insgesamt ist für den Beschäftigtentypus des/ der integrierten Leiharbeitneh-
mer/-in festzuhalten, dass hinsichtlich des Einsatzbetriebs wesentlich größere,
subjektive Relevanzen als in Bezug auf die Leiharbeitsfirma gesetzt werden und
auch das Spektrum der Handlungen ausnahmslos auf den Einsatzbetrieb kon-
zentriert ist.

Der/die autarke Leiharbeitnehmer/-in

Charakteristisch für die Autarken ist, dass die betriebliche Mitbestimmungssitua-


tion weder im Einsatz-, noch in der Leiharbeitsfirma als prekär bewertet wird, da
sie dieser entweder distanziert oder verhältnismäßig gleichgültig gegenüber ste-
hen. Sie beteiligen sich in keinem der beiden Betriebe an Prozessen der betriebli-
chen Mitbestimmung, sondern betonen – mehr oder weniger stark – ihre Selbst-
vertretungsfähigkeiten. Dem Typus des bzw. der Autarken entsprechen sechs
Leiharbeitnehmer/-innen59 des Samples.
Innerhalb dieses Typs existieren zwei verschiedene Wahrnehmungs- und
Bewertungsmuster: Ein Teil der Beschäftigten (A-LA2, E-LA3 und D-LA4)

59 Es handelt sich dabei um A-LA2, B-LA4, D-LA1, D-LA3, D-LA4 und E-LA3.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 123

zeichnet sich dadurch aus, dass sie zum Zeitpunkt des Interviews noch nie inten-
siv mit der Thematik der betrieblichen Mitbestimmung in Berührung standen.
Zugleich weisen sie aber eine relativ offene Haltung dazu auf und schließen
diesbezüglich künftige Aktivitäten nicht aus. Sie formieren den Subtypus des
bzw. der unbefangenen Autarken. Eine weitere Gruppe bilden Personen, die –
sowohl im Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb – eine ausdrücklich distanzierte
Haltung zur Thematik der betrieblichen Mitbestimmung aufweisen (B-LA4, D-
LA1 und D-LA3). Sie bilden den Subtypus des bzw. der distanzierten Autarken.
Aufgrund der jeweils sehr unterschiedlichen Haltungen bei gleichzeitiger Über-
einstimmung der grundsätzlichen Merkmale werden diese Beschäftigtengruppen
im Folgenden separat charakterisiert.

Der/die unbefangene Autarke

Zentrales Charakteristikum der unbefangenen Autarken ist unter anderem der


geringe Informationsgrad über die betriebliche Mitbestimmung. Daraus resultie-
ren bei den entsprechenden Leiharbeitnehmer/-innen Unsicherheiten über die
eigene Rolle in der betrieblichen Mitbestimmung des Einsatzbetriebs und die
damit verknüpften Zuständigkeiten des Betriebsrats. Beispielhaft belegt dies das
folgende Zitat von D-LA4:
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, in welcher Form sich der Betriebsrat jetzt für – in
Anführungsstrichen – 'ne Leihbanane krumm machen würde. Also ich bin der Mei-
nung, und so wird's ja auch über viele Unternehmen berichtet, dass der Betriebsrat
eher die Stammbelegschaft im Auge behält.“ (D-LA4; 277)
Zum Zeitpunkt des Interviews haben sich die unbefangenen Autarken noch nicht
intensiv mit der Thematik der betrieblichen Mitbestimmung im Zusammenhang
mit Leiharbeit beschäftigt; zudem spielt diese – wenn überhaupt – nur eine peri-
phere Rolle im betrieblichen Alltag. In Konsequenz nehmen bei dieser Beschäf-
tigtengruppe konkrete Missstände oder nicht erfüllte Erwartungen an die betrieb-
liche Mitbestimmung, die auf eine subjektive Prekaritätsbewertung hinweisen –
etwa in Form eines mangelnden Repräsentationsgefühls o.ä. –, keinen Stellen-
wert im Interview ein. Sie äußern zwar durchaus Erwartungen an einen „guten“
Betriebsrat; diese verbleiben aber auf einer relativ abstrakten, allgemeinen Ebene
und entsprechen zum Teil nicht den tatsächlichen Handlungsspielräumen eines
Betriebsrats.60

60 E-LA3 formuliert den Handlungsspielraum des Betriebsrats für Leiharbeitskräfte etwa wie
folgt: „Im Endeffekt 'ne gesicherte Zukunft. […] Nicht nur für mich als Leiharbeiter, sag ich.
Sondern so für das ganze Stammpersonal. Oder für jeden, der so irgendwie was da mit diesem
Betrieb zu tun hat.“ (E-LA3; 329)
124 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Das Aktivitätslevel der unbefangenen Autarken im Einsatzbetrieb liegt bei


null. Kennzeichnend für diesen Typus ist jedoch vor allem, dass er der künftigen
Partizipation an der betrieblichen Mitbestimmung gegenüber eine relativ unvor-
eingenommene und offene Haltung einnimmt und eine spätere Beteiligung daran
durchaus in Betracht gezogen wird. E-LA3 möchte sich beispielsweise weitere
Informationen über diese Thematik einholen: „Ja, Betriebsversammlung. Ich hör
mir das erst mal an, was da überhaupt abgeht. Ich weiß nämlich von gar nichts.
Ich kenn das wirklich nicht“ (E-LA3; 319). Die Teilnahme an einer Betriebs-
ratswahl wird als eine Bürgerpflicht angesehen, der die unbefangenen Autarken
im Falle einer Wahl nachkommen würden:
„Ja, wenn ich die Möglichkeit habe, dann mache ich das. Das mache ich auch bei
allen anderen Wahlen. Also, seit ich darf, habe ich auch noch keine versäumt. Da
lege ich schon Wert drauf. Wenn ich denn schon mal gefragt werde. Die kleine Mei-
nung in die Waagschale werfen darf. Dann tue ich das auch.“ (A-LA2; 478)
Auch eine Kontaktierung des Einsatzbetriebsrats im Falle eines Problems oder
einer Beschwerde wird von den Beschäftigten dieses Typs nicht ausgeschlossen.
Für die Haltung der unbefangenen Autarken in Bezug auf die betriebliche
Mitbestimmung in ihrer Leiharbeitsfirma gilt, dass diese im direkten Vergleich
zum Einsatzbetrieb eine noch randständigere Rolle in den Wahrnehmungen, Be-
wertungen und Handlungen einnimmt. Es werden von ihnen keinerlei Erwartungen
an die dortige betriebliche Mitbestimmung gestellt und keinerlei Aktivitäten aus-
geübt. Insgesamt ist an dieser Stelle demnach festzuhalten, dass der Wahrneh-
mungs- und Handlungsfokus dieses Subtyps – wenn überhaupt – auf dem Einsatz-
betrieb liegt und die Leiharbeitsfirma nur eine marginale Rolle im betrieblichen
Alltag spielt. In Folge besitzt auch die betriebliche Mitbestimmung dort keinen
Stellenwert für die unbefangenen Autarken. Die Entwicklung dieser Beschäftigten
im weiteren Zeitverlauf ist jedoch ungewiss. Bei einer erneuten Befragung zu ei-
nem späteren Zeitpunkt würden sie möglicherweise ein höheres Aktivitätslevel
aufweisen und einem anderen Typus zuzuordnen sein, da sie eine grundsätzliche
Bereitschaft zu Aktivitäten in der betrieblichen Mitbestimmung – zumindest im
Einsatzbetrieb – aufweisen.

Der/die distanzierte Autarke

Im Unterschied zu den unbefangenen Autarken weisen die distanzierten Autar-


ken eine klar abgrenzende Haltung zur Thematik der betrieblichen Mitbestim-
mung auf. Weder nimmt diese bei ihnen eine größere Rolle im betrieblichen All-
tag ein, noch besteht Interesse, sich tiefergehend inhaltlich mit diesem Themen-
komplex auseinanderzusetzen. Dies bezieht sich sowohl auf den jeweiligen Ein-
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 125

satzbetrieb, als auch auf die Leiharbeitsfirma. B-LA4, eine hochqualifizierte


Leiharbeitskraft aus dem europäischen Ausland, äußert sich auf die Frage nach
der Relevanz der betrieblichen Mitbestimmung beispielsweise wie folgt: „Non-
existence. They just don't exist in my life. It's just like not part of my life” (B-
LA4; 361). Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang sind die Aussagen
von D-LA3, der sich selbst das Recht zur Teilnahme an der betrieblichen Mitbe-
stimmung im Einsatzbetrieb abspricht:
„Halt ich mich raus. Weil ich, äh, innerbetriebliche Mitbestimmung als Leihbanane
nicht als sinnvoll ansehe. […] Ich möchte im Endeffekt entweder fest eingestellt sein.
Dann hab ich Mitspracherecht. Und so bin ich der Gast. Der die Gegebenheiten
erstmal so hinnimmt, wie sie sind. Natürlich möchte ich Mitspracherecht haben,
wenn's um meine Tätigkeit geht. Das schon. Aber was die Rahmenbedingungen hier
angeht, das dürfen die Kollegen, die wirklich hier sind, selbst entscheiden. Außer-
dem möchte ich da auch nicht rein funken, denn meine Meinung kann ja 'ne komplett
falsche sein. Denn die sind hier verknüpft mit dem Unternehmen. Und ich bin eh
zurzeit Gast. Also pass ich mich als Gast an.“ (D-LA3; 311)
Er schreibt sich die Rolle eines Gastes in einem fremden Betrieb zu, der nicht
über ausreichende Expertise verfügt, um zu partizipieren. Da diese Distanzierung
jedoch freiwillig bzw. bewusst gewählt ist, wird diese Situation von dem Be-
schäftigten – und auch von den anderen Leiharbeitnehmer/-innen dieses Typs –
nicht als negativ bewertet.
Von den distanzierten Autarken werden keinerlei Wünsche oder Erwartun-
gen formuliert, die die betriebliche Mitbestimmung in Bezug auf ihre Position
als Leiharbeitnehmer/-innen betreffen und zum Zeitpunkt des Interviews nicht
erfüllt sind. Die Interessenvertretungsfunktion des Betriebsrats ist für diesen Ty-
pus nicht zentral; vielmehr wird die Fähigkeit zur Selbstvertretung und -aus-
handlung stark betont. Die Beschäftigten bevorzugen bei etwaigen Problemen im
Einsatzbetrieb die persönliche Aussprache mit Kolleg/-innen oder direkt mit den
Vorgesetzten, anstatt beispielsweise ihr Beschwerderecht beim Betriebsrat in
Anspruch zu nehmen. D-LA1 betont in diesem Zusammenhang die Position des
Betriebsrats als Gegenspieler der Geschäftsleitung:
„Wenn ich jetzt wirklich Probleme hätte/ Ich würde aber als allererstes trotzdem
immer auf meinen direkten Vorgesetzten erstmal zugehen und mit dem sprechen.
[…] Ja, ich find's eigentlich nicht so gut, dann immer gleich mit dem Betriebsrat zu
drohen.“ (D-LA1; 354)
Auch D-LA3 präferiert es, eventuell auftretende Schwierigkeiten selber zu lösen:
„Nee, ich bin kein Mensch für indirekte Dinge, die dann hinten rum laufen. Ich geh
direkt auf die Person zu. Ich warte, wenn ich ein bisschen zu stinkig bin, dann warte
ich halt 'n Tag, damit ich sachlich mit den Sachen umgehen kann. Und dann disku-
126 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

tier ich das aus. Dann geh ich zu meinem Vorgesetzten oder zu der Person, mit der
es mir halt stinkt. Und dann klär ich das.“ (D-LA3; 349)
Das Aktivitätslevel der distanzierten Autarken ist insgesamt sehr gering; bis auf
den vereinzelten Besuch von Betriebsversammlungen im Einsatzbetrieb, die mit
dem Informationserhalt zu Übernahme oder Einsatzdauer sowie mit generellem
Interesse an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens begründet werden, sind
keine Aktivitäten festzustellen. Seitens der distanzierten Autarken wird jedoch
auch kein Wunsch nach Integration in die betriebliche Mitbestimmung geäußert.

Der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in

Diesem Typus entsprechen drei Beschäftigte des Samples: E-LA1, B-LA3 und
C-LA2. Charakteristisch für die prekären Aktiven ist insbesondere die Bewer-
tung der Mitbestimmungssituation im Einsatzbetrieb als prekär. Auffällig ist,
dass sie der Institution des Einsatzbetriebsrats eine hohe Relevanz zuweisen und
in diesem Zusammenhang mehrere Erwartungen an ihn richten. Er stellt für sie
sowohl einen Informationsträger bezüglich des individuellen Einsatzes und einer
eventuellen Übernahme, als auch einen Ansprechpartner in Problemfällen dar
(informatorische und advokatorische Funktion). Ferner ist er aus ihrer Per-
spektive für das Wachen über die Einhaltung von Regeln zuständig (Funktion als
Ordnungs- bzw. Partizipationsinstanz). Ihre Wahrnehmung von Desintegration
wird einerseits durch negative Erfahrungen mit dem Gremium gespeist, bei de-
nen die erwartete Unterstützung in konkreten Fällen aus Sicht der Beschäftigten
nicht geleistet wurde (vgl. dazu im Detail den Abschnitt 8.2.2). Andererseits
wird der Einsatzbetriebsrat von den Beschäftigten dieses Typs als eine weitest-
gehend passive Institution wahrgenommen, die für Leiharbeitnehmer/-innen über
geringere Einflussmöglichkeiten als für Festangestellte verfügt. Die prekären
Aktiven weisen sich damit selbst eine randständige Rolle in der betrieblichen
Mitbestimmung des Einsatzbetriebs zu und bewerten dies als negativ. Der Be-
schäftigte B-LA3 empfindet die Aktivitäten des Einsatzbetriebsrats gar als eine
bewusste Priorisierung der Festangestellten.61 Für sich selbst sieht er im Ver-
gleich zur Stammbelegschaft lediglich ein formales Mitbestimmungsrecht auf
dem Papier:

61 „Also bezüglich [Betrieb B] ist es einfach so meines Erachtens, dass natürlich - und das kann
ich auch gar nicht ankreiden, dass es denen eigentlich viel mehr um tatsächlich die Sache für
[Betrieb B] geht, als um die Sache für die Leiharbeiter. Auch wenn's denn auch mal Sitzungen
gibt, wo dann Leiharbeiter/ Dann wird mal so 'n bisschen was dargestellt. Was für Rechte man
theoretisch hätte. Ähm. (...) Aber im Großen und Ganzen finde ich halt doch, dass der Be-
triebsrat eher sich hauptsächlich um halt entsprechend nur die Angelegenheiten von [Betrieb
B] kümmert.“ (B-LA3; 382)
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 127

„Aber ich glaub einfach, dadurch, dass wir nicht [Betrieb B] sind - in dem Fall sind
wir dann nämlich nicht [Betrieb B] - ist das Mitspracherecht relativ. Also es gibt die
gesetzlichen Bestimmungen, das heißt, wenn der Betriebsrat neu gewählt wird, ja,
dann dürfen die Leiharbeiter tatsächlich mitbestimmen. Ob Person XY, ähm, nun
Betriebsrat wird oder nicht. Aber das ist es dann auch. (Lacht.)“ (B-LA3; 302)
Die formale Zuständigkeit des Einsatzbetriebsrats für die Leiharbeitskräfte wird
von den prekären Aktiven dennoch anerkannt. Dies zeigt sich durch die Ansicht,
das Gremium müsse über negative Vorgänge im Betrieb informiert werden. Die
tatsächliche Durchsetzungsfähigkeit im Sinne einer Interessenvertretung wird
jedoch von den Beschäftigten in Frage gestellt:
„Er hat ja leider gar keinen Einfluss. Also er bemüht sich ja mit allem und sagt:
‚Wir sind dagegen und wir wollen das nicht. Und wir möchten, dass das anders
läuft.‘ Aber (...) das ist, das ist in einem Bereich, wo die Handhabe nicht so groß ist,
wie bei einem Festangestellten. Das ist einfach so.“ (C-LA2; 220)
B-LA3 formuliert konkrete Forderungen an den Einsatzbetriebsrat, die sich auf
die Gleichstellung von Leih- und Stammarbeitskräften und damit auf die Funkti-
on des Betriebsrats als Ordnungs- und Partizipationsinstanz beziehen. Diese
werden jedoch aus Sicht des Beschäftigten derzeit nicht durchgesetzt.
„Naja, sich auf jeden Fall mehr einsetzen, dass es tatsächlich, was ja theoretisch al-
les sein muss, 'ne absolute Gleichbehandlung gibt. Zwischen festen Mitarbeitern und
halt den Leiharbeitern. Und die gibt's ja eben nicht. Das ist es ja eben. Also, die gibt
es auf dem Papier. Aber wenn man die absolute Gleichbehandlung haben möchte,
müsste man tatsächlich auch dafür sorgen. Dann muss auch das Sportangebot ge-
macht werden für diejenigen. Der Englischunterricht. Weihnachtsfeier. Und solche
Sachen müssten dann auch mit drin sein. Und das ist es halt nicht. Und da knickt der
Betriebsrat dann doch immer ein.“ (B-LA3; 384)
Auch bei E-LA1 fällt die Gesamtbewertung des Gremiums negativ aus:
„Also ich denke nur immer, ähm, keine Ahnung, denken die nur an ihr eigenes Wohl
oder denken da auch einige an mich zum Beispiel? […] Wenn ich heute, sagen wir
mal zum Betriebsrat gehe: ‚Hi, ich bin [E-LA1] oder was, und, du wie sieht's aus
damit?‘ Und am nächsten Tag kommt dann: ‚Ach, du warst gestern hier?‘ Hm.
Dann ist das schon 'n bisschen doof. […] Deswegen, hier wurden glaub ich auch ei-
nige in die Liste gewählt, oder in den Betriebsrat gewählt, die glaub ich gar nicht
dafür geeignet sind.“ (E-LA1; 332)
Trotz dieser negativen Bewertungen beteiligen sich die prekären Aktiven –
wenngleich graduell unterschiedlich – an der betrieblichen Mitbestimmung des
Einsatzbetriebs. Die Beschäftigten dieses Typs besuchen die jeweiligen Be-
triebsversammlungen; auffällig sind zudem der bereits bestehende Kontakt zum
128 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Einsatzbetriebsrat sowie die noch immer offen gehaltene Option der Nutzung als
Kontaktpunkt bei Problemen:
„Aber der Betriebsrat in dem Sinne ist dann schon der richtige Ansprechpartner,
wenn halt Missstände vorhanden sind. Dann hilft der auch. Also, wenn's jetzt darum
geht: Wir brauchen neue Stühle, Computer oder sonst was. Geht natürlich erst mal
an den Abteilungsleiter. Aber wenn wirklich hier Missstände sind, dann kann man
direkt zum Betriebsrat. Und dann wird das auch geregelt.“ (B-LA3; 320)
An der Betriebsratswahl des Einsatzbetriebs wird allerdings nicht durchgängig
teilgenommen: Im Gegensatz zu E-LA1 verneinen B-LA3 und C-LA2 eine Be-
teiligung. C-LA2 begründet dies erneut konkret mit der Machtlosigkeit des Be-
triebsrats gegenüber den Leiharbeitnehmer/-innen und der daraus resultierenden
Sinnlosigkeit einer Teilnahme an der Betriebsratswahl:
„Ich hab mich nie dran beteiligt, weil ich die Leute auch nicht kenne. Und ich hab
mich damit ehrlich gesagt auch nicht sonderlich auseinandergesetzt. Weil sie für
mich eher zweitrangig waren. Weil sie für mich nicht so viel ausrichten können, wie
für jemanden, der hier direkt angestellt ist.“ (C-LA2; 206)
B-LA3 war zum Zeitpunkt der BR-Wahl verhindert: „Und ich hab das, äh, ver-
passt mit der Briefwahl. […] Sonst hätt ich teilgenommen. Und, ja, irgendwen
gewählt“ (B-LA3; 306-308).62 Insgesamt lässt diese Aussage die Interpretation
zu, dass B-LA3 eigentlich nicht an einer Teilnahme interessiert ist, jedoch sozial
erwünschtes Antwortverhalten zeigen muss. Allgemein ist er nämlich der Auf-
fassung, eine Teilnahme bzw. die Wahl bestimmter Personen hätte ohnehin kei-
nen Effekt für ihn in seiner Position eines Leiharbeitnehmers.63
Die betriebliche Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma spielt für die pre-
kären Aktiven hingegen – speziell im Vergleich zum Einsatzbetrieb – eine eher
randständige Rolle. Sowohl der Informationsgrad als auch das Interesse an den
institutionalisierten Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung ist wesentlich
geringer als im Hinblick auf den Einsatzbetrieb, wie das folgende Zitat (als Ant-

62 Mit „irgendwen“ bezieht sich B-LA3 auf einen konkreten Kollegen, dem er ausreichend
Kompetenz für das Amt eines Betriebsratsmitglieds zuspricht.
63 Die These des erwünschten Antwortverhaltens lässt sich mithilfe der folgenden Interviewpas-
sage untermauern, in der er danach gefragt wird, was er sich von einer Betriebsratswahl erhof-
fen kann: „Persönlich gesagt, äh, glaube ich, kann ich mir gar nichts davon erhoffen. Denn
der Betriebsrat kann zwar viele Dinge machen und nimmt auch immer Beschwerden an oder
Kritikpunkte. Die Frage ist ja aber immer noch: Wie reagiert der Vorstand darauf? Und so-
lange man unter so 'nem Leiharbeitervertrag steht, ist man im Betrieb, ja auch irgendwie von
der Seite aus natürlich das kleinste, das kleinste Übel. […] Man möchte ja seine Festangestell-
ten schon am liebsten dann ja auch halten“ (B-LA3; 312). Die subjektiv wahrgenommene, un-
abänderlich untergeordnete Position als Leiharbeitskraft im Belegschaftsgefüge wird hier als
Begründung für einen geringen Nutzen einer Wahlbeteiligung angeführt.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 129

wort auf die Frage, ob ein Betriebsrat in der Leiharbeitsfirma existiert) beispiel-
haft belegt: „Das weiß ich nicht mal. Ich weiß über meinen Verleiher wirklich
nicht sonderlich viel“ (C-LA2; 200). Es existieren – abgesehen von formalem
Schriftverkehr im Rahmen der Lohnabrechnung – wenige Berührungspunkte mit
der Leiharbeitsfirma. Dies wird jedoch von den Beschäftigten nicht negativ be-
wertet; vielmehr erachten sie einen vermehrten Kontakt als nicht notwendig:
„Aber ich finde das auch gar nicht so schlimm. Weil meine Arbeit findet hier
statt und nicht dort“ (C-LA2; 154).
Das Aktivitätsniveau in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung in der
Leiharbeitsfirma ist in Folge niedrig. Insgesamt fokussieren sich also auch bei
diesem Typus – wie schon bei den Integrierten herausgestellt – die Wahrneh-
mungen, Bewertungen und Handlungen eher auf den Einsatzbetrieb und nicht
auf die Leiharbeitsfirma.
Hervorstechend ist im Zusammenhang der prekären Aktiven der Fall des
Beschäftigten E-LA1. Dieser stellt insofern einen Sonderfall dar, als dass er als
einziger Leiharbeitnehmer des Samples in Kontakt zum Betriebsrat seiner Leih-
arbeitsfirma steht. Abgesehen davon ist aber auch bei E-LA1 eine Passivität bei
der Wahrnehmung des Wahl- und Informationsrechts (etwa durch Betriebsver-
sammlungen) festzustellen. So wird aufgrund fehlender Informationen weder an
Betriebsratswahlen, noch an Betriebsversammlungen teilgenommen. Den Groß-
teil seiner Handlungsressourcen wendet also auch er für die betriebliche Mitbe-
stimmung im Einsatzbetrieb, nicht aber in der Leiharbeitsfirma auf. Die Kon-
taktaufnahme zum Leiharbeitsbetriebsrat erfolgt bei E-LA1 aufgrund einer An-
weisung des Einsatzbetriebsrats:
„Wir von der Zeitarbeit oder von der [Leiharbeitsfirma] haben unseren eigenen Be-
triebsrat. Und ich glaube, die haben das auch nicht so gerne, wenn wir jetzt zu [Ein-
satzbetriebsrat] gehen. Also die haben's ganz gerne, wenn wir zu unseren Betriebs-
räten gehen. Ich meine, hier ab und zu hab ich mal was mit [Einsatzbetriebsratsmit-
glied] kurz zu bequatschen. Aber, das ist nur 'ne Frage. Aber wir haben unseren ei-
genen Betriebsrat und da sollten wir auch hingehen, so hab ich das verstanden.“ (E-
LA1; 242)
Obwohl das Engagement des Betriebsrats der Leiharbeitsfirma als individuell
gewinnbringend beschrieben wird64, ist bei tiefergehender Analyse entsprechen-
der Interviewpassagen ein eingeschränktes, subjektives Repräsentationsgefühl
festzustellen. Im Interview wird immer wieder deutlich, dass E-LA1 dem Be-

64 „[B]is jetzt hat er mich sehr gut vertreten und hat mir auch geholfen. Also/ Wo ich in [anderer
Einsatzbetrieb] war, hat er mir auch geholfen/ Hat er gesagt, ich weiß ja nicht, ob's stimmt,
aber hat er geholfen, dass ich wieder nach [Betrieb E] komme. Sonst hätten wir noch 'n halbes
Jahr in [anderer Einsatzbetrieb] sein müssen. Und er hätte sich dafür eingesetzt. Ich glaub ihm
das auch wohl. Also das Verhältnis ist eigentlich ziemlich gut.“ (E-LA1; 252)
130 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

triebsrat seiner Leiharbeitsfirma nur begrenzt Vertrauen entgegen bringt. Dies


wird unter anderem dadurch beeinflusst, dass das Büro des Betriebsratsmitglieds
neben dem der Geschäftsleitung der Leiharbeitsfirma positioniert ist: „Irgendwie
hab ich das Gefühl, die stecken auch alle unter einer Decke“ (E-LA1; 270). Der
Betriebsrat wird hier in der Rolle eines Verbündeten der Geschäftsleitung gesehen,
der nur scheinbar im Interesse der Leiharbeitnehmer/-innen handelt, in Wahrheit
jedoch Absprachen mit der Geschäftsleitung trifft. Möglicherweise auch aufgrund
dieses Vertrauensdefizits wünscht sich E-LA1 eine Verbesserung der Betreuungs-
relation:
„Das ist leider nur eine Person. Und, ja, gut, ich komm super mit ihr klar, aber viel-
leicht wär's auch mal ganz gut, wenn hier ein, zwei oder drei andere wären. Aber
dafür sind/ Wenn sie nicht da ist, sind dann natürlich wieder [Einsatzbetriebsrats-
mitglied] und Co. für uns zuständig.“ (E-LA1; 338)
Die geringe Betreuungskapazität des Betriebsrats der Leiharbeitsfirma kann
folglich teilweise durch den Einsatzbetriebsrat kompensiert werden. Im Inter-
view wird zudem deutlich, dass E-LA1 den Kontakt zum Einsatzbetriebsrat prä-
ferieren würde (vgl. dazu den entsprechenden Abschnitt der Wirkungszusam-
menhänge in Kapitel 8.2.2). Insgesamt ist bei E-LA1 die Wahrnehmung und
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation in der Leiharbeitsfirma –
trotz einmaliger, positiver Erfahrung mit dem Betriebsrat – als prekär einzustu-
fen, da das Repräsentationsgefühl durch mangelndes Vertrauen in den Betriebs-
rat zumindest eingeschränkt ist und eine bessere Betreuungsrelation gewünscht
wird. Eine Rolle bei der Prekaritätswahrnehmung spielen zudem vergangene, ne-
gative Erfahrungen mit dem Betriebsrat der Leiharbeitsfirma.65

Der/die prekäre Verweigernde

Der/die prekäre Verweigernde wird durch den Leiharbeitnehmer C-LA1 reprä-


sentiert. Charakteristisch für diesen Typus ist eine ausgeprägte Wahrnehmung
von Prekarität im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbe-

65 Beispielhaft dafür kann ein Erlebnis des Beschäftigten mit anderen Betriebsratsmitgliedern
der Leiharbeitsfirma im Rahmen eines Leiharbeitseinsatzes in einem anderen Einsatzbetrieb
angeführt werden. An diese wandte er sich aufgrund von Problemen bei seiner Lohnzah-
lung:
„Wir standen da und mussten unsere Miete zahlen. […] Dann sind wir da in [anderer Einsatz-
betrieb] zum Betriebsrat gegangen. […] Ich hab gesagt: ‚Wir haben kein Geld mehr.‘ Da
wurd‘ wortwörtlich gesagt: ‚Du, ich hab noch 'n paar Kekse und Kaffee hier. Wenn du Hunger
hast, dann nimmst du davon was.‘ […] Also blödere Sprüche kann man sich nicht anhören.
[…] Vielleicht war's witzig für ihn gemeint. Aber ich fand das in dem Moment nicht witzig.“
(E-LA1; 278-281)
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 131

trieb, welche in einer weitestgehenden Verweigerungshaltung mündet. Auffal-


lend ist in diesem Zusammenhang das geringe Repräsentationsgefühl durch den
Einsatzbetriebsrat. So bewertet C-LA1 den Betriebsrat als eine macht-, und zu-
gleich nutzlose Institution in Bezug auf Leiharbeitnehmer/-innen:
I: „Verstehe. Und, für Sie persönlich als Leiharbeitnehmer/“
C-LA1: „Kann unser Betriebsrat gar nichts machen. Also entweder ist er dazu zu
klein. Und hat aber glaub ich auch nicht wirklich den Einfluss. Also eher: Wir ma-
chen eine tolle Show und hoffen, dass keiner hinter den Vorhang schaut.“ (C-LA1;
351 – 352)
Dementsprechend wird das Engagement des Betriebsrats in Bezug auf Leihar-
beitsbeschäftigte durchweg negativ beurteilt. Der Beschäftigte schreibt dem
Betriebsrat die Rolle eines „Industriebeamte[n]“ (C-LA1; 98) zu. Durch dieses
Sinnbild verdeutlicht er seine Wahrnehmung des Betriebsrats als eine passive
und zugleich undynamische Institution, die auch bei Fehlverhalten keine Sankti-
onen zu erwarten hat (beispielsweise durch eine Kündigung). Diese Sichtweise
illustriert er wie folgt:
„Und wenn der [Betriebsrat; VB] da schon mal ist, ist er gekommen um zu bleiben,
ne. Also irgendwie mal 'ne kleine Show auf 'ner Betriebsversammlung. 'N bisschen
rummotzen. Aber hm. Ich halt da nicht allzu viel von. Also ich war zwar früher auch
mal Jugendvertreter, all diese ganzen Geschichten. Also deshalb ist es nicht so, dass
ich standardmäßig das Dagegen-Schild hochhalte. Aber ich weiß halt auch, wie Ge-
haltsverhandlungen und so was abgehen. Also die sind hier immer alle ganz böse
aufeinander und gehen dann aber gleich mal zusammen Bier trinken und essen.
Find ich, passt dann immer nicht ganz so, wenn man da klare Forderungen und so
was fährt. Und ich denke, so ist das hier auch.“ (C-LA1; 274)
Um die Wahrnehmung und Bewertung des Beschäftigten besser deuten zu kön-
nen, ist an dieser Stelle eine genaue Bestimmung des Begriffs „Show“ hilfreich:
Er bezeichnet laut Duden die „Vorführung eines großen, bunten Unterhaltungs-
programms in einem Theater, Varieté o.Ä.“, welche vor einem Publikum statt-
findet. Das Agieren des Einsatzbetriebsrats und die damit verbundenen offiziel-
len Prozesse werden hier demnach als eine Darbietung begriffen, bei der sich der
Betriebsrat als Gegenspieler der Geschäftsleitung inszeniert, in Wahrheit jedoch
– um in seiner Metapher zu bleiben – hinter der Bühne intransparent mit ihr
kooperiert. Diese Wahrnehmung von einer Diskrepanz zwischen Anschein und
Wirklichkeit hat negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit bzw. auf das
Vertrauen in den Betriebsrat.66 Der Beschäftigte verortet sich in dem Bildnis der

66 Zur Analyse von sozialen Situationen als Bühne bzw. Theaterstück sei an dieser Stelle auf
Goffman (2010) verwiesen.
132 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

betrieblichen Mitbestimmung in der Rolle des interaktionslosen, auf Unterhal-


tung wartenden Publikums – und nicht als integrierter, mitwirkender Beschäftig-
ter. Diese Selbstpositionierung manifestiert sich auch bei der Thematisierung
von Betriebsversammlungen. Auf die Frage, ob er den Besuch der nächsten Be-
triebsversammlung beabsichtigt, antwortet er:
„Natürlich. Also ich werd mir das mal anschauen. Aber eigentlich bereu ich's jedes
Mal. Ich find, da kommt nicht wirklich/ Es ist ja eigentlich eher 'ne Show, die da auf
der Bühne stattfindet. Mit der Diskussion mit der Geschäftsleitung und klagen auf
großem Niveau.“ (C-LA1; 302-306)
Die Wahrnehmung des Betriebsrats als Schauspieler, der sich als Gegenspieler der
Geschäftsleitung inszeniert, real jedoch keine Durchsetzungsmacht bzw. -willen in
Bezug auf die Leiharbeitskräfte besitzt, wurde bereits im Zusammenhang mit dem
Typ des distanzierten Autarken diskutiert. Im Unterschied zum letztgenannten
empfindet der bzw. die prekäre Verweigernde diese Situation jedoch als Miss-
stand.
Deutlich wird bei der Analyse des Interviewmaterials, dass er vom Einsatz-
betriebsrat insbesondere eine advokatorische und die informatorische Funktion
erwartet. Damit einher geht bei ihm ein relativ hoher Informationsgrad über die
offizielle Zuständigkeit des Einsatzbetriebsrats für Leiharbeitnehmer/-innen.
Seine Erwartungen, der Einsatzbetriebsrat nehme sich seiner Probleme als Leih-
arbeitnehmer an, wurden im Rahmen einer Beratungsanfrage allerdings ent-
täuscht. Künftig stellt der Einsatzbetriebsrat keinen Ansprechpartner mehr für
Beratungen, Informationen oder für die Interessenvertretung dar. Auch an der
Betriebsratswahl nimmt der/die prekäre Verweigernde nicht mehr teil. C-LA1
begründet dies mit dem Mangel an wählbaren Kandidat/-innen: „Die Nasen
gefielen mir alle nicht“ (C-LA1; 334). An etwas späterer Stelle des Interviews
erläutert er: „Dabei reden wir nicht über die Frisur, sondern schon so von den
Optionen. Wie mach ich etwas, oder wie vertret ich etwas“ (C-LA1; 346). Deut-
lich wird hier eine Verdrossenheit im Hinblick auf die Betriebsratspolitik, die auf
einer grundsätzlichen Unzufriedenheit mit dem Betriebsrat und seinem Engage-
ment für Leiharbeitnehmer/-innen beruht.
Hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma un-
terscheidet sich der/die prekäre Verweigernde nicht von der Haltung der Inte-
grierten, Autarken oder prekären Aktiven: Der entsprechende Beschäftigte äußert
diesbezüglich kein Interesse und stellt dementsprechend auch keine Erwartungen
an die dortige betriebliche Mitbestimmung. Ob der Existenz eines Betriebsrats ist
er sich unsicher:
„Uh, ich weiß gar nicht, ob wir einen haben. (..) Nee, nee, wir haben da keinen.
(Lacht.) Oder doch? Doch, doch, wir haben einen. 'Tschuldigung. Wir haben einen.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 133

Wir einigen uns final auf: Wir haben einen, den ich aber nicht kenne.“ (C-LA1;
290)
Es werden infolgedessen keine Aktivitäten in Bezug auf die betriebliche Mitbe-
stimmung in der Leiharbeitsfirma ausgeübt.

8.2.2 Zentrale Wirkungszusammenhänge der Leiharbeitnehmer/-innentypen

In diesem Unterkapitel werden jene Wirkungszusammenhänge analysiert, die


anhand von Fallvergleichen und -kontrastierungen als zentral für die subjektiven
Situationsdefinitionen und Handlungen der einzelnen Leiharbeitnehmer/-innen-
typen identifiziert wurden. Die Darstellung orientiert sich an der Reihenfolge der
Typencharakterisierung im letzten Abschnitt. Das in Kapitel 4 vorgestellte, hand-
lungstheoretische Modell dient dabei – wie bereits erläutert – als systematisie-
rende Analyseheuristik für die verschiedenen Erklärungsfaktoren und -bedingun-
gen. Die jeweiligen Abbildungen visualisieren die zentralen Einflussfaktoren und
-bedingungen für die Situationsdefinitionen und Handlungen.

8.2.2.1 Der/die integrierte Leiharbeitnehmer/-in:


Zentrale Wirkungszusammenhänge

Bei den Integrierten ist – insbesondere für den Einsatzbetrieb – ein komplexes
Wechselspiel verschiedener äußerer und innerer Bedingungen zu identifizieren,
welches letztendlich zur Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation
und der Beteiligung daran führt. Dazu gehören auf der einen Seite der gesetzli-
che Rahmen, eine niedrigschwellige Erreichbarkeit der Einsatzbetriebsräte sowie
zum Teil auch die Wahrnehmung ihrer Handlungsstrategien. Diese Faktoren er-
möglichen sowohl eine Integration in die betriebliche Mitbestimmung, als auch
positive Erlebnisse damit. Zudem besteht bei den Integrierten ein starkes Zuge-
hörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb, das durch die kognitive Verarbeitung der
genannten äußeren Bedingungen verstärkt wird. Folgende Abbildung verdeut-
licht die zentralen inneren und äußeren Bedingungen des/der Integrierten, die zur
Situationsdefinition sowie zu den jeweiligen Handlungen in den beiden Mitbe-
stimmungsarenen führen.
134 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen
 Handlungsstrategie des Einsatzbetriebsrats

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der
 Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb
betrieblichen Mit-
 kein Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeits-
bestimmung im
firma
Einsatzbetrieb

Orientierung

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Handeln in Bezug auf


situation des Einsatzbetriebs als nicht-prekär die betriebliche Mitbe-
(integriert) stimmung:

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Beteiligung im Einsatz-


Handlungs-
situation der Leiharbeitsfirma als nicht-prekär betrieb; keine Beteili-
wahl
(gleichgültig) gung in der Leih-
arbeitsfirma

Abbildung 9: Der/die integrierte Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Vordergründig bestimmen vorangegangene, positive Erlebnisse mit der betrieb-


lichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb die Einstellung der Integrierten gegen-
über dieser und der letztendlichen Bewertung der Mitbestimmungssituation als
nicht-prekär. Sie werden beispielsweise im Kontext von Betriebsversammlungen
oder im persönlichen Gespräch mit Betriebsratsmitgliedern gesammelt. Das
folgende Zitat kann dafür exemplarisch als Beleg herangezogen werden:
„Also die kümmern sich halt wirklich auch drum. […] Sie sind aber auch generell
vertreten in sämtlichen Gebäuden oftmals. […] Man trifft sich einfach immer wie-
der. Ob's Mittagessen ist, ob's vielleicht in der Stadt ist. Ob's einfach auf dem
Werksgelände ist. Irgendwer hält immer den Kontakt irgendwo. Oder man kriegt
einfach mal 'nen Anruf: ‚Lange nix gehört. Wie geht's dir denn so?‘ ‚Joah, eigent-
lich gut.‘ ‚Sollen wir mal ein bisschen drüber reden, was es vielleicht Neues gibt?‘
[…] Man spricht halt einfach, und das ist halt sehr angenehm.“ (B-LA2; 181)
Dieser Interviewausschnitt verdeutlicht gleichzeitig, dass bei der positiven Be-
wertung auch die niedrigschwellige Erreichbarkeit des Betriebsratsgremiums
relevant ist. Von allen Beschäftigten dieses Typus wird betont, dass der Einsatz-
betriebsrat im betrieblichen Alltag kontinuierlich präsent und ansprechbar ist.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 135

Dass auch die Wahrnehmung der Handlungsstrategien des jeweiligen Be-


triebsratsgremiums eine relevante Rolle bei der – in diesem Falle positiven – Beur-
teilung der betrieblichen Mitbestimmungssituation spielen können, zeigt bei den
Integrierten insbesondere der Einsatzbetrieb B. Sowohl B-LA1, als auch B-LA2
heben das Engagement des Betriebsrats für Leiharbeitskräfte, und dabei speziell
die Initiierung von Gesprächen, mehrfach positiv hervor. Zudem fanden in diesem
Betrieb Betriebsversammlungen speziell für Leiharbeitnehmer/-innen statt.67 Die
Durchführung solcher gesonderter Versammlungen wird vom Beschäftigten B-
LA1 als notwendig empfunden und als positives Engagement des Betriebsrats für
die Leiharbeitnehmer/-innen gewertet:
„Weil Leiharbeiter halt gewisse Punkte haben, die nur die betreffen. Gewisse Pro-
bleme und sowas. […] Aber es ist schon ein positives Zeichen, dass der Betriebsrat,
sag ich mal, die Themen kennt und sich auch darum bemüht.“ (B-LA1; 434)
Neben der niedrigschwelligen Erreichbarkeit und den zu Teilen als explizit posi-
tiv wahrgenommenen Handlungsstrategien der Einsatzbetriebsräte sind es primär
die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung im Ein-
satzbetrieb, die die Integration in die entsprechenden Prozesse sowie das Sam-
meln positiver Erfahrungen überhaupt erst ermöglichen. Das allgemeine Bedürf-
nis nach einer Einbindung in den Einsatzbetrieb ist bei den Integrierten hervor-
zuheben. Wie die folgenden beiden Interviewausschnitte exemplarisch deutlich
machen, kann die betriebliche Mitbestimmung dazu beitragen, dieses Bedürfnis
zu befriedigen und ein Zugehörigkeitsgefühl zu erzeugen bzw. zu verstärken:
„Ich möchte mich gerne einbringen, weil, ja, gehört für mich dazu. Wenn ich ein
Unternehmen kennenlernen möchte, wenn ich mich wohlfühle im Team, dann ja.
Wenn ich mich nicht wohlfühlen würde, dann würd ich's vielleicht auch nicht ma-
chen. Dann würd ich sagen: Nee, das ist mir egal.“ (B-LA2; 203)
„Man wird halt echt integriert, ne? Sei es jetzt wirklich, ob's um Betriebswahl geht,
also um die Betriebsratswahl oder um Betriebsversammlungen, dass auch Leihar-
beitnehmer nicht irgendwie in eine Ecke gesteckt werden. Sondern sitzen halt mit-
tendrin, hören sich das an. Gucken. So, dürfen sich natürlich auch zu Wort melden,
wenn sie Einwände haben oder dergleichen.“ (A-LA3; 441)
Der gesetzliche Rahmen ermöglicht den Leiharbeitnehmer/-innen damit nicht nur
die Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung, sondern erfüllt in diesem
Zusammenhang auch eine Integrationsfunktion für den Einsatzbetrieb, indem die
Beschäftigten formal den Status eines/einer Festangestellten besitzen. Dies trägt

67 Dies wird nur allerdings nur von B-LA1 erwähnt – obwohl die Einsatzzeitpunkte und jeweilige
-dauer von B-LA1 und B-LA2 beinahe deckungsgleich sind.
136 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

bei diesem Typus essentiell zur Bewertung der Mitbestimmungssituation als


nicht-prekär bei.
Die integrierten Leiharbeitnehmer/-innen wünschen sich jedoch – ebenso
wie fast alle anderen Leiharbeitskräfte des Samples – nicht nur eine psychologi-
sche, sondern auch eine arbeitsvertragliche Zugehörigkeit zum Einsatzbetrieb
und damit die Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis, wie das folgende Zitat
prägnant verdeutlicht: „Aber ich will auch hier festangestellt werden. Um jeden
Preis. Ist mir scheißegal, wie“ (A-LA3; 300). Die Beteiligung an der betriebli-
chen Mitbestimmung des Einsatzbetriebs wird in Folge bei den Integrierten zum
Teil zur Erhöhung der individuellen Übernahmechancen instrumentalisiert. So
dient ihnen die Teilnahme an Betriebsversammlungen nicht nur einer Einbezie-
hung in betriebliche Prozesse, sondern auch dem Erhalt von Informationen zum
Einsatz und zu Übernahmechancen. Dem Einsatzbetriebsrat wird außerdem die
Kompetenz zugesprochen, sich für eine Festanstellung einzusetzen. So ermög-
licht es die Teilnahme an der Betriebsratswahl, die Zusammensetzung des Gre-
miums im Sinne der Leiharbeitnehmer/-innen zu beeinflussen, wie die folgenden
Zitate des Falls E-LA2 zeigen:
„Damit da dann jemand oben sitzt, wenn ich mal was habe, dem ich dann auch ver-
trauen kann oder meine, dass der mich dann auch in dem Sinne vertreten könnte.“
(E-LA2; 246)
„Würde ich schon eher zu tendieren, dass das [der Einsatzbetriebsrat; VB] sogar für
so 'nen [Leiharbeiter] wichtiger ist als der [Leiharbeitsfirma]-Betriebsrat. Würde
ich eher zu tendieren. Weil die ja eigentlich diejenigen sind, die die Hebel hier mit
legen. Der [Leiharbeitsfirma]-Betriebsrat, der legt die Hebel nur bei [Leiharbeits-
firma].“ (E-LA2; 274)
Zu begründen ist der starke Übernahmewunsch in allen Fällen mit der Wahrneh-
mung und negativen Beurteilung von Distinktionen zwischen Leiharbeitnehmer/-in-
nen und Festangestellten. Dazu gehören auf der einen Seite materielle Distinktionen
wie ein Lohnunterschied (betont wird dies insbesondere bei den geringqualifizier-
ten Beschäftigten ohne Ausbildung bzw. bei jenen mit einer Berufsausbildung).
Auf der anderen Seite werden diesbezüglich – speziell von den hochqualifizierten
Leiharbeitnehmer/-innen dieses Typs – die besseren, beruflichen Aufstiegs- und
Weiterentwicklungsmöglichkeiten bei einer Festanstellung genannt. Einheitlich
wird allerdings die Unsicherheit des Leiharbeitsverhältnisses betont. Von den Be-
schäftigten wird eine Planungs- und Finanzsicherheit angestrebt, die für sie mit der
Leiharbeitsstelle offenbar nicht gegeben ist.
Auffällig ist bei den Integrierten allerdings, dass hinsichtlich der Mitbe-
stimmungsaffinität – im Unterschied zu allen anderen Typen des Samples – kein
übergreifendes Muster zu erkennen ist. Das Interesse an betrieblicher Mitbe-
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 137

stimmung im Einsatzbetrieb variiert – ebenso wie der individuelle Informations-


grad – fallweise relativ stark, wie anhand der folgenden beiden Interviewaus-
schnitte deutlich gemacht werden kann:
„Also ich denke schon, dass so ein Betriebsrat wichtig ist. Weil, ähm, die wahr-
scheinlich auch maßgeblich zu diesen Bedingungen, die wir hier vorfinden, beige-
tragen haben.“ (C-LA3; 252)
„Also ich persönlich merk davon ja nix, ne. Ich hab ja mit Betriebsrat und dergleichen
eigentlich nichts am Hut. Ich hab auch keine Ahnung, was die da machen.“ (A-LA3;
491)
Unter den sieben Integrierten befindet sich zudem nur ein Gewerkschaftsmitglied
(E-LA2); die Mitgliedschaft weist in diesem Fall allerdings eher einen funktiona-
len als einen mitbestimmungsaffinen Charakter auf.68 Die kognitive Verarbeitung
der äußeren Bedingungen sowie die letztendliche, nicht-prekäre Situationsdefiniti-
on im Einsatzbetrieb wird bei diesem Typus folglich vorwiegend von den positiven
Erlebnissen und dem eng damit verknüpften Zugehörigkeitsgefühl bzw. -wunsch
bestimmt. Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbetrieb ist vor allem auf-
grund des integrierenden Moments relevant für die Beschäftigten.
Der betrieblichen Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma wird von den In-
tegrierten hingegen keine oder nur eine geringe Relevanz zugeschrieben; das
Desinteresse an dieser Thematik überwiegt und die Mitbestimmungssituation
wird dort als nicht-prekär bewertet. Als ein übergeordneter Erklärungsfaktor die-
ses Phänomens kann – nicht nur bei den Integrierten, sondern bei allen Typen
der vorliegenden Forschungsarbeit, wie sich noch zeigen wird – das geringe Zu-
gehörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma herangezogen werden. Die Leiharbeits-
firma hat in der Wahrnehmung der Beschäftigten zum Großteil einen Stellenwert
als „Verwalter“, „Verdiener“ oder dient als Sprungbrett in eine Festanstellung,
wie das folgende Zitat beispielhaft zeigt:
„Deswegen mach ich das alles. Den Umweg über die [Leiharbeitsfirma]. Das ist ja
nicht/ Mein Traumziel war ja nicht [Leiharbeitsfirma]. Wo ich hier hingekommen bin
oder hier hin wollte, war mein Traumziel [Betrieb E]. Und nicht [Leiharbeitsfirma].
Den Weg über [Leiharbeitsfirma], ja den nimmst du jetzt als Hürde mit.“ (E-LA2; 60)
Zur Erklärung des geringen Zugehörigkeitsgefühls und der geringen Relevanz
betrieblicher Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma kann – neben dem dringli-

68 „Der Betriebsrat hat sich halt vorgestellt. Und die hatten dann halt die Aufgabe, uns erstmal in
die IG Metall aufzunehmen. Und von da aus ging's dann weiter zum [Büro der Leiharbeitsfir-
ma-Geschäftsleitung]. Hörte sich jetzt von mir aus so an, als wenn ich sonst nicht weiterge-
kommen wäre. […] Und ich sag mal, bei der IG Metall hast du ja auch ein paar Vorteile. […]
Und von daher hat man die Unterschrift dann ja auch gerne gemacht und ist dann weiterge-
gangen.“ (E-LA2; 222)“
138 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

chen Wunsch nach einer Übernahme in den Einsatzbetrieb – auch die räumliche
Distanz zur Leiharbeitsfirma herangezogen werden, die das Sammeln von Erfah-
rungen mit der betrieblichen Mitbestimmung in Form von Betriebsratswahlen
bzw. -versammlungen oder eines Kontakts mit dem entsprechenden Betriebsrat
erschwert. Ein Austausch über die betriebliche Mitbestimmung oder gar eine
Solidarisierung mit direkten Leiharbeitskolleg/-innen kommt in Folge ebenfalls
nicht zustande. In der überwiegenden Zahl der Leiharbeitsfirmen, in denen die
Leiharbeitnehmer/-innen dieses Typs angestellt sind, besteht zwar ohnehin kein
Betriebsrat und damit auch kein Erfahrungskontext  aber selbst für jene Be-
schäftigte dieses Typs, die sich der Existenz eines Betriebsrats im Verleihbetrieb
sicher sind69, spielt der Betriebsrat aufgrund des Zusammenspiels der genannten
inneren und äußeren Bedingungen keine größere Rolle im betrieblichen Alltag
und wird größtenteils nicht als zuständige Interessenvertretung wahrgenommen.
Im Hinblick auf Betriebsratswahlen wird zudem unter anderem die Schwierigkeit
problematisiert, aufgrund eines geringen Informationsgrads eine Wahlentschei-
dung zu treffen: „Aber da hatte ich ja überhaupt gar kein Bild von wem oder
was, wen du wählen willst“ (E-LA2; 242). Es besteht – abgesehen von formaler
Kommunikation, etwa bei der Lohnabrechnung – keinerlei Kontakt zur Leihar-
beitsfirma.
„Bei der Verleihfirma ist das so, da hat man so gut wie keinen Kontakt, wenn man
länger hier ist. Da ruf ich nur an: Ist es verlängert? Oder ich brauch meine Stun-
denzettel. Und ich brauch 'nen neuen Block. Und wenn irgendwas mit Urlaub oder
so ist. Sonst nix. Meine Stundenzettel, wenn die ausgefüllt sind, die schick ich per E-
Mail von zuhause aus. Man hat praktisch so gut wie gar keinen Kontakt. Und dann
fühl ich mich da immer zugehörig, wo ich jetzt gerade bin, ne. (Lacht.)“ (D-LA2;
406)
Insgesamt führen diese Umstände dazu, dass jegliche Ressourcen der integrier-
ten Leiharbeitnehmer/-innen im bzw. für den Einsatzbetrieb aufgewendet wer-
den. Die Leiharbeitsfirma nimmt – vor dem Hintergrund positiver Erlebnisse im
Einsatzbetrieb und des Wunsches nach Integration und Zugehörigkeit – eine
marginale Rolle in den Wahrnehmungen und Handlungen der Beschäftigten ein.
Es folgt eine Passivität in allen Belangen der betrieblichen Mitbestimmung der
Leiharbeitsfirma – obgleich die Möglichkeit dazu rein theoretisch gegeben wäre.
Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bzgl. einer Beteiligung der Leiharbeit-
nehmer/-innen an der betrieblichen Mitbestimmung des Einsatzbetriebs hingegen
ermöglichen den Integrierten ein Zugehörigkeitsgefühl, welches durch positive
Erlebnisse im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung weiter verstärkt wird.

69 Dies ist bei den Leiharbeitnehmer/-innen D-LA2 und E-LA2 der Fall.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 139

8.2.2.2 Der/die autarke Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Die beiden Subtypen des/der unbefangenen bzw. distanzierten, autarken Leihar-


beitnehmers bzw. Leiharbeitnehmerin unterscheiden sich vorwiegend in ihrer
grundsätzlichen Sichtweise auf die betriebliche Mitbestimmung und der Intenti-
on, gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt an den damit verbundenen, insti-
tutionalisierten Prozessen teilzunehmen. Für diese unterschiedlichen Perspekti-
ven auf die betriebliche Mitbestimmung sind in logischer Folge auch unter-
schiedliche Wirkungszusammenhänge für die Situationsbewertung und Hand-
lungswahl auszumachen. Hervorzuheben ist, dass es sich dabei primär um inne-
re, nicht um äußere bzw. strukturelle Bedingungen handelt. Die zentralen Wir-
kungszusammenhänge werden im Folgenden separat dargelegt.

Zentrale Wirkungszusammenhänge des/der unbefangenen Autarken

Bei den unbefangenen Autarken nehmen insbesondere der biografische Status,


eine damit verbundene, geringe Mitbestimmungsaffinität sowie ein geringes Zu-
gehörigkeitsgefühl als innere Bedingungen eine zentrale Rolle zur Erklärung der
Situationsdefinition und Handlungswahl ein, wie Abbildung 10 visualisiert.
Auffällig ist, dass die Beschäftigten erst seit relativ kurzer Zeit im Einsatz-
betrieb bzw. zum Teil zum ersten Mal in ihrer Erwerbsbiografie als Leiharbeit-
nehmer/-in tätig sind.70 Darauf lässt sich einerseits zu Teilen der geringe Infor-
mationsgrad über die betriebliche Mitbestimmung für Leiharbeitnehmer/-innen
im Einsatzbetrieb und die diesbezüglichen rechtlichen Rahmenbedingungen zu-
rückführen. Anderseits verfügen sie deshalb über keinen Erfahrungshorizont in
Form von positiven oder negativen (in-)direkten Erlebnissen mit der Institution
des Betriebsrats. Dies trägt dazu bei, dass die Arbeitnehmer/-inneninteressenver-
tretung im Einsatzbetrieb keine wesentliche Rolle in ihrem Wissen, ihren Werten
und Einstellungen einnimmt und die Mitbestimmungsaffinität wenig ausgeprägt
ist: Die subjektive Relevanz betrieblicher Mitbestimmung kann zum Zeitpunkt
des Interviews als gering eingestuft werden, weshalb keine Erwartungen an die
betriebliche Mitbestimmung gestellt werden. Für eine eher geringe Mitbestim-
mungsaffinität spricht bei den unbefangenen Autarken darüber hinaus, dass bei
diesen Leiharbeitnehmer/-innen keine Gewerkschaftsmitgliedschaft vorliegt –
bis auf den Beschäftigten E-LA3. Hervorzuheben ist bei ihm jedoch, dass der
Beitritt mit dem Ziel einer Übernahme in den Einsatzbetrieb erfolgt ist: „Eigent-

70 Die Beschäftigten sind alle seit weniger als sechs Monaten, zum Teil sogar erst seit wenigen
Wochen im Einsatzbetrieb eingesetzt.
140 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

lich ist von vornherein klar, dass wenn du im Betrieb bleiben willst, dann trittst
du ein“ (E-LA3; 247). Die Gewerkschaftsmitgliedschaft weist in diesem Fall
folglich einen funktionalen Charakter auf und hängt nicht mit den persönlichen
Wertvorstellungen im Sinne einer ausgeprägten Mitbestimmungsaffinität zu-
sammen.

Äußere Bedingungen:
Keine subjektive Relevanz äußerer Bedingungen

Kognition

Innere Bedingungen:
Keine Erlebnisse
mit der  niedrige Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-  geringes Zugehörigkeitsgefühl zu Einsatz-
bestimmung und Entsendebetrieb
 biografischer Status

Orientierung Handeln in Bezug auf


die betriebliche Mitbe-
stimmung:
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs-
situation in beiden Mitbestimmungsarenen als Handlungs- Keine Beteiligung (we-
nicht-prekär (gleichgültig) wahl der im Einsatz-, noch
im Entsendebetrieb)

Abbildung 10: Der/die unbefangene, autarke Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Die verhältnismäßig geringe, subjektive Relevanz betrieblicher Mitbestimmung


lässt sich bei den unbefangenen Autarken jedoch nicht ausschließlich auf die
Kürze der Einsatzdauer zurückführen, sondern ist auch durch den Stellenwert der
Leiharbeitstätigkeit in der individuellen Erwerbsbiografie zu erklären. Auf der
einen Seite wird die Leiharbeitstätigkeit bei diesen Beschäftigten als „Über-
gangsstation“ (D-LA4) im Lebenslauf angesehen:
„Also ich hab da selber jetzt keine Prägung, was das betrifft. Das ist meine erste
Anstellung, wenn man so will. Und die erstbeste Möglichkeit, die ich bekomme, um
mich zu verbessern, dann bin ich auch weg hier. Da ist jetzt nichts, wo ich großes
Herzblut oder sowas reinstecken würde. Also für mich ist das wirklich eigentlich nur
'ne Übergangsstation in der Hoffnung, irgendwann mal 'ne Festanstellung zu be-
kommen. Und dann ist, glaub ich, so 'n Gremium was ganz anderes.“ (D-LA4; 257)
Auf der anderen Seite hat die Unsicherheit über die Einsatzdauer bzw. über den
Einsatzort sowie die Kürze des aktuellen Leiharbeitseinsatzes Auswirkungen auf
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 141

das Zugehörigkeitsgefühl und die Bindung zum Einsatzbetrieb, wie der folgende
Ausschnitt beispielhaft zeigt:
„Also im Prinzip weiß ich nicht, was morgen ist. Es kann irgendwas schieflaufen,
dann bin ich morgen in irgend 'ner anderen Fabrik oder Tätigkeit eingesetzt. Oder
gar nicht. […] Man geht hier schon rein als Gast. Man ist jetzt nicht zuhause, sag
ich mal, in der Firma, sondern es ist schon so 'n Gastauftritt. Wie gesagt, jetzt steht
ja auch an, dass ich mir ausmalen kann, dass es begrenzt ist. Gut, ich bemühe mich
trotzdem. Und äh, ja, hoffe das Beste und, aber, es würde mich dann auch nicht
wundern, wenn's dann eben nicht mehr so ist. Insofern so, die Identifizierung mit
dem Arbeitsplatz, also in dem Sinne, ist die nicht da.“ (A-LA2; 405)
Die beiden Interviewausschnitte weisen darauf hin, dass die Thematik der be-
trieblichen Mitbestimmung bei diesem Typus insbesondere vor dem Hintergrund
eines häufigen Arbeitsplatzwechsels und dem übergeordneten Ziel einer Festan-
stellung eine vergleichsweise geringe Relevanzzuweisung erfährt. In Folge wird
keine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung in einer der beiden Mit-
bestimmungsarenen ausgeübt. Zum Zeitpunkt des Interviews bestand zum Bei-
spiel – anders als etwa bei den Integrierten – kein Wunsch danach, in Form der
Teilnahme an einer Betriebsratswahl Einfluss auf die Arbeitnehmer/-inneninte-
ressenvertretung im Einsatzbetrieb zu nehmen. Es ist in diesem Zusammenhang
zu vermuten, dass die vorhandenen Handlungsressourcen der Beschäftigten – ge-
rade zu Beginn eines Einsatzes – vorwiegend in anderen Bereichen, etwa der
Einarbeitung in die neue Tätigkeit, aber auch der fortwährenden Suche nach ei-
ner Festanstellung, aufgewendet werden.
Die jeweilige Leiharbeitsfirma und die dortige, betriebliche Mitbestimmung
nehmen bei den unbefangenen Autarken einen ähnlichen Stellenwert ein wie
beispielsweise bei den integrierten Leiharbeitnehmer/-innen. Sie wird (wie bei
allen übrigen Typen der Leiharbeitnehmer/-innen) als „verwaltende“ Institution
angesehen, zu der kein näherer Kontakt gesucht bzw. gewünscht ist: „[F]ür mich
braucht es keine Zeitarbeitsfirma. Also für mich ist die vollkommen (...) nutzlos
eigentlich so“ (D-LA4; 199). Zu vermuten ist, dass aufgrund dieser peripheren
Rolle der Leiharbeitsfirma auch die dortige betriebliche Mitbestimmung in den
Hintergrund rückt. Die Leiharbeitsfirma – und damit vermutlich auch die dort
angesiedelten, betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen und eine Beteiligung
daran – sind „nutzlos“; weshalb die individuellen Handlungsressourcen seitens
der unbefangenen Autarken für andere Aspekte der Arbeit aufgewendet werden.
Eng verknüpft ist damit wiederum der biografische Status der Beschäftigten: Die
erst kurzwährende Beschäftigung als Leiharbeitnehmer/-in macht ein stark aus-
geprägtes Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma kaum möglich; zudem ist
das Sammeln von Erfahrungen mit der dortigen betrieblichen Mitbestimmung,
142 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

die beispielsweise die Wertvorstellung diesbezüglich prägen könnten, unwahr-


scheinlicher als bei langjährigen Leiharbeitnehmer/-innen.
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass – sollte es letztendlich
doch zu der Entscheidung kommen, Aktivitäten hinsichtlich der betrieblichen
Mitbestimmung aufzunehmen – diese vermutlich auf den Einsatzbetrieb, nicht
aber auf die Leiharbeitsfirma fokussiert wären. Eine Rolle könnte dabei auch die
Möglichkeit einer niedrigschwelligen Kontaktaufnahme zu Betriebsratsmitglie-
dern, etwa durch gemeinsame Arbeitsorte oder –inhalte, spielen. Dies zeigt die
folgende Sequenz exemplarisch:
„[I]ch hab den Vorteil, die eine Kollegin, die bei mir im Büro sitzt, die gehört halt
zum Betriebsrat. Von daher hab ich da wahrscheinlich 'nen zu direkten Draht, um
mir groß vorher Gedanken gemacht zu haben. Aber wenn irgendwas ist, dann würd
ich erst mal sie fragen. Wenn ich da irgendwie in die Situation kommen würde, ob
ich den Betriebsrat einschalte oder ob ich mir da irgendwie Beratung holen sollte.“
(D-LA4; 229)
Insgesamt hängen also sowohl die Bewertung der Mitbestimmungssituation, als
auch das geringe Aktivitätslevel der unbefangenen Autarken eng mit den inneren
Bedingungen des biografischen Status im Sinne der Einsatzdauer und der subjek-
tiv unsicher wahrgenommenen Beschäftigungssituation als Leiharbeitnehmer/-in
zusammen. Der biografische Status wirkt sich sowohl auf die Mitbestimmungs-
affinität, als auch auf das Zugehörigkeitsgefühl zum jeweiligen Betrieb aus und
beeinflusst letztendlich dadurch auch die Handlungswahl. Jegliche äußere Be-
dingungen – wie etwa die Existenz eines Betriebsrats in der Leiharbeitsfirma
oder die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Einsatzbetrieb – rücken somit in
den Hintergrund der individuellen Situationsdefinition.

Zentrale Wirkungszusammenhänge des/der distanzierten Autarken

Zur Erklärung der Bewertungen und Handlungen der distanzierten Autarken


können ebenfalls primär die geringe Mitbestimmungsaffinität, aber auch der bio-
grafische Status herangezogen werden. Die Beschäftigten weisen der betriebli-
chen Mitbestimmung insgesamt eine relativ geringe subjektive Relevanz zu und
distanzieren sich vor diesem Hintergrund von dieser Thematik und jeglichen da-
mit verknüpften Prozessen. Wenig überraschend ist keine/r der Leiharbeitneh-
mer/-innen Gewerkschaftsmitglied. Anstelle der kollektiven Interessenvertretung
präferieren sie die individuelle Selbstvertretung und trauen sich – wie die bereits
in der Typologie herangezogenen Interviewausschnitte belegen – die Aushand-
lung ihrer Interessen selbst zu.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 143

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Verhältnis zum/zur Vorgesetzten

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der
betrieblichen Mit-  keine Mitbestimmungsaffinität
bestimmung  biografischer Status

Handeln in Bezug auf


Orientierung
die betriebliche Mitbe-
stimmung:
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Keine Beteiligung (we-
situation in beiden Mitbestimmungsarenen als Handlungs-
der im Einsatz-, noch
nicht-prekär (distanziert) wahl
im Entsendebetrieb);
Selbstvertretung

Abbildung 11: Der/die distanzierte, autarke Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Die bewusste Distanzierung von der betrieblichen Mitbestimmung (und den


damit verbundenen, gesetzlichen Rahmenbedingungen) bei gleichzeitiger Selbst-
vertretungspräferenz ist im Wesentlichen durch drei Aspekte bedingt (vgl. dazu
auch Abbildung 11):
Erstens umfasst dies den biografischen Status. Bei den Beschäftigten des
distanzierten, autarken Typus ist zunächst das relativ hohe Qualifikationsniveau
auffällig. Alle drei Fälle üben eine komplexe Spezialist/-innentätigkeit bzw. eine
hoch komplexe Tätigkeit aus, für die entweder ein Hochschulabschluss oder eine
Fachausbildung mit Hochschulzugangsberechtigung benötigt wird. Die von
ihnen präferierte Selbstaushandlung deckt sich daher mit den bislang bekannten
Forschungsergebnissen, dass bei höher qualifizierten Wissensarbeiter/-innen die
eigenverantwortliche Vertretung und Interessensregulierung im Vordergrund ste-
hen. Eine weitere Rolle bei der bewussten Distanzierung von der betrieblichen
Mitbestimmung – insbesondere im Einsatzbetrieb – scheint in diesem Zusam-
menhang der Beschäftigtenstatus als Leiharbeitnehmer/-in zu spielen. Dies geht
zum Teil auch mit einer verbalen Abwertung des eigenen Status einher, wie die
Selbsttitulierung als „Leihbanane“ (D-LA3) verdeutlicht. Trotz gegebener, recht-
licher Handlungsmöglichkeiten für Leiharbeitnehmer/-innen erfolgt hier dem-
nach eine Selbstbeschränkung; der Beschäftigtenstatus selbst wird als Grenze für
die Handlungen und Ansprüche im Einsatzbetrieb begriffen. Im Gegensatz zu
den integrierten Leiharbeitnehmer/-innen werden die äußeren Bedingungen der
144 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

gesetzlichen Rahmenbedingungen vor diesem Hintergrund demnach nicht als


integrierendes Moment wahrgenommen und bewertet.
Die bewusste Abgrenzung von der betrieblichen Mitbestimmung und gerin-
ge Mitbestimmungsaffinität wird im Falle der distanzierten Autarken zweitens
durch vorausgegangene negative Erlebnisse flankiert bzw. verstärkt. So gehen
mit der distanzierten Haltung zum Teil kritische Bewertungen des Betriebsrats-
gremiums des Einsatzbetriebs und dessen Aktivitäten einher, die auf verschiede-
nen Erfahrungen beruhen. D-LA1 charakterisiert den Einsatzbetriebsrat bei-
spielsweise als einen Gegenspieler der Geschäftsleitung, der seine Position ohne
Bereitschaft zu konstruktiven Verhandlungen vertritt. Am Beispiel einer geplan-
ten Einstellung erläutert die Leiharbeitskraft:
„Ja, oder ich bin so ein bisschen zwiegespalten irgendwie. Also, also, klar vertreten
die die Arbeitnehmerseite. Aber gerad ich in der Personalabteilung sehe, was die
letztens da auch für 'n Stress gemacht haben, als wir ihnen jemanden einstellen
wollten. Weil sie teilweise eben auch einfach nur, um irgendwie ihre Ansichten
durchzuboxen, dann da auch Sachen machen, die ich dann nicht unbedingt vertreten
kann.“ (D-LA1; 354)
Diese Argumentationsweise lässt sich möglicherweise auch mit der (in diesem Fall
bestehenden) Verbundenheit mit der Abteilung begründen. Deutlich wird dies auch
durch die Formulierung „[…] als wir ihnen jemanden einstellen wollten“.
D-LA3 kritisiert die betriebliche Interessenvertretung, indem er dem Be-
triebsrat die Rolle eines Verbündeten der Geschäftsleitung zuschreibt. Für ihn
erfüllt dieser nur nach außen hin seine Rolle der Interessenvertretung, unter-
scheidet sich in der Realität inhaltlich nicht von der ‚Gegenseite‘, sondern ko-
operiert sogar mit ihr:
„Der Betriebsrat ist wie bei der Politik. Er ist zwar da. Er ist ein Schauspieler, der
für die Öffentlichkeit was tun soll. Oder darstellt, dass er was tut. Im Endeffekt sit-
zen die aber alle zusammen in einem Boot. Der Betriebsrat hat eigentlich nicht viel
zu melden. Die gehen abends auch zusammen einen trinken und essen und sind viel-
leicht sogar befreundet.“ (D-LA3; 319)
Ausschlaggebend für diese Betriebsratswahrnehmung sind auch in diesem kon-
kreten Fall mehrere direkte, negative Erfahrungen aus der Vergangenheit.71 Es ist

71 So berichtet D-LA3 beispielsweise von einem Vorfall in einem früheren Einsatzbetrieb, bei
dem ihm das dortige Betriebsratsgremium – gemeinsam mit der Geschäftsleitung – aufgrund
von Kostenvorteilen zu einem Wechsel seiner Leiharbeitsfirma riet. Im Gegenzug wurden ihm
weitere, garantierte Einsatzmonate im gleichen Einsatzbetrieb angeboten. D-LA3 lehnte jedoch
ab und musste in Folge seinen Einsatzort wechseln: „Und dann bin ich an meinen Chef [der
Leiharbeitsfirma; VB] gegangen. Da war ich dann loyal zu meiner Firma natürlich. Hab ich
gesagt: ‚Pass auf, was hier passiert, ist echt nicht in Ordnung. Klär das. Das geht so nicht.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 145

daher anzunehmen, dass derartige, negative Erlebnisse beeinflussend auf die


Wahrnehmung und Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung und letztlich
auch auf die abgrenzende Haltung dazu wirken.
Drittens ist hervorzuheben, dass die distanzierten Autarken das Verhältnis
zu sowie die Kommunikation mit ihren Vorgesetzten positiv bewerten, wie das
folgende Zitat beispielhaft zeigt: „And I have very good relationships with some
of my colleagues from [Leiharbeitsfirma]. And even responsibles. I really like
them very much” (B-LA4; 310). Das gute Verhältnis als Ausgangsbasis bei
eventuellen Konflikten trägt somit ebenfalls zu der Einschätzung einer relativ
starken, individuellen Verhandlungsposition und der Abgrenzung von der be-
trieblichen Mitbestimmung bei.
Wie bereits bei den unbefangenen Autarken gezeigt, spielen demnach auch
bei den distanzierten Autarken die Ausprägung der äußeren Bedingungen der
betrieblichen Mitbestimmung bei der Situationsdefinition und der Entwicklung
handlungsleitender Deutungsmuster nur eine untergeordnete Rolle: Die Selbst-
vertretungspräferenz wird beispielsweise unabhängig von der gegebenenfalls
vorhandenen Möglichkeit, sich niedrigschwellig an den Einsatzbetriebsrat zu
wenden, beibehalten.

8.2.2.3 Der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Der/die prekäre Aktive äußert insbesondere in Bezug auf die betriebliche Interes-
senvertretung des Einsatzbetriebes Kritik und empfindet in dieser Mitbestim-
mungsarena Desintegration. Der Mitbestimmungsarena der Leiharbeitsfirma
steht dieser Typ hingegen primär gleichgültig gegenüber. Die folgende Abbil-
dung 12 zeigt die zentralen Wirkungszusammenhänge des/der prekären Aktiven.
Sie setzen sich vorwiegend aus der Gesetzgebung und der Erreichbarkeit der
jeweiligen Betriebsratsgremien als äußere Bedingungen zusammen, die vor dem
Hintergrund einer hohen Mitbestimmungsaffinität, verbunden mit negativen
Erlebnissen, dem individuellen biografischen Status sowie dem Zugehörigkeits-
gefühl zum Einsatzbetrieb, bewertet werden.

Ne.‘ Dann wurd‘ der Betriebsrat eingeladen und dann gab's auch Tumult. Ich war natürlich
raus“ (D-LA3; 279).
146 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Handlungsstrategie des Einsatzbetriebsrats
 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der  hohe Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-  biografischer Status
bestimmung im  Zugehörigkeitsgefühl zum bzw. Wunsch
Einsatzbetrieb nach Übernahme in Einsatzbetrieb
 kein Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeits-
firma

Orientierung
Handeln in Bezug auf
die betriebliche Mitbe-
stimmung:
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs-
situation insbesondere im Einsatzbetrieb als Beteiligung im Einsatz-
Handlungs-
prekär betrieb; keine Beteili-
wahl
gung in der Leihar-
beitsfirma

Abbildung 12: Der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Die stark ausgeprägte Mitbestimmungsaffinität nimmt bei der Erklärung der Situ-
ationswahrnehmung und –bewertung des/der prekären Aktiven eine zentrale Rolle
ein. Die subjektive Relevanz der betrieblichen Mitbestimmung im Allgemeinen,
aber auch im Einsatzbetrieb, wird an verschiedenen Stellen der Interviews deutlich:
„Generell find ich das unglaublich wichtig. Ich hab nämlich einmal in einem vori-
gen Unternehmen ohne Betriebsrat gearbeitet und da gab es keine Gleitzeit. Und es
gab niemanden, der darauf geachtet hat, dass man länger als zehn Stunden im Be-
trieb ist. Und es gab niemanden, der drauf geachtet hat, dass die Wochenendrege-
lungen eingehalten werden oder dass es irgendwelche Gehaltsentwicklungsstufen
gab. Das fand ich schon gut. Also ich finde es gut, dass jemand da ist, der sich ein-
setzt.“ (C-LA2; 216)
„Also, ich finde es gut, dass es Betriebsräte gibt, die halt entsprechend auch Prob-
leme oder auch Missstände, ähm, behandeln können und vielleicht auch dafür sor-
gen, dass sie beseitigt werden. Aber ich seh‘ die Macht des Betriebsrats als, äh, zu-
mindest so wie ich das bei [Betrieb B] mitkrieg, als relativ gering im Verhältnis zu
dem, was einem oftmals so erzählt wird.“ (B-LA3; 350)
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 147

Vor diesem Hintergrund der starken Mitbestimmungsaffinität und damit verbun-


denen, relativ hohen Erwartungen an die betriebliche Interessenvertretung (ins-
besondere des Einsatzbetriebs), die allerdings durch vorangegangene negative
Erlebnisse enttäuscht wurden, werden die äußeren Bedingungen der betriebli-
chen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb als negativ beurteilt. In Konsequenz er-
folgt eine Definition der Mitbestimmungssituation als prekär. Das letztgenannte
Zitat weist bereits darauf hin, dass die Beschäftigten das Engagement des Ein-
satzbetriebsrats vor allem anhand von vergangenen negativen Erlebnissen mit
diesem bewerten. Als eine Beispielsituation ist zu nennen, dass der Leiharbeits-
einsatz von E-LA1 – weiterhin unter Vertrag der Leiharbeitsfirma sowie unter
Lohnfortzahlung – für die Dauer mehrerer Monate pausiert wurde. Infolgedessen
reduzierte sich seine durch die Einsatzdauer erreichte Höhe der Branchenzu-
schläge wieder auf das Anfangsniveau. Zur Klärung dieses Vorkommnisses mit
dem Verdacht, es könne sich um die Absicht handeln, Lohnkosten zu sparen,
wandte sich der Beschäftigte an den Betriebsrat des Einsatzbetriebes:
„Ja, ich hab hier beim Betriebsrat den [Vorname] angefragt. Und, äh, wir können
froh sein, dass wir ’nen festen [Vertrag; VB] haben. Andere hätten das Glück noch
nicht. Aber ob ich ’nen festen bei ’ner Zeitarbeitsfirma hab und ständig hier die Ein-
satzbetriebe wechseln muss, und, äh, verarscht werde wieder in ’nem halben Jahr,
wieder vom Lohn vorne anfangen muss. Ich glaube, das wird alles stillschweigend
hier, tja, hingenommen einfach, ne.“ (E-LA1; 196)
Aus dieser Interviewpassage geht hervor, dass die Erwartung an den Betriebsrat,
die Beschwerde entgegenzunehmen und Unterstützung zu leisten, nicht erfüllt
wurde. Stattdessen wurde das Anliegen aus Perspektive des Beschäftigten durch
die Aussage des Betriebsratsmitglieds bagatellisiert, er könne die als ungerecht
empfundene Behandlung durch seinen Status als Festangestellter der Leiharbeits-
firma ausgleichen. Deutlich wird hier, dass die strukturelle Ungerechtigkeit, die
mit der Beendigung von Leiharbeitseinsätzen und damit einhergehenden Lohn-
verlusten einhergeht, jeweils individuell durch die Beschäftigten kompensiert
werden muss.72 Der Beschäftigte fühlt sich daher nicht ernst genommen und
empfindet eine Abwertung seiner Anliegen. Vorkommnisse solcher Art prägen

72 Die Enttäuschung hinsichtlich der Arbeitnehmer/-inneninteressenvertretung zeigt sich im


konkreten Fall nicht nur auf betrieblicher, sondern auch auf gewerkschaftlicher Ebene: Der Be-
schäftigte trat aufgrund von negativen, direkten Erfahrungen aus der IG Metall aus und sieht
keinen Nutzen (mehr) in einer Gewerkschaftsmitgliedschaft: „Und, aber, ehrlich gesagt, ich
bin ausgetreten, das Geld hab ich mir dann lieber gespart und mach 'ne normale Rechtsschutz-
versicherung als die Gewerkschaft. Weil, also da einen ans Telefon zu kriegen oder mal 'n
Rückruf oder dass sich einer drum kümmert, das war immer gleich null. Und deswegen, ähm,
das einzige, ja gut, man streikt für mehr Geld und dies. Aber so im Großen und Ganzen bin ich
ziemlich enttäuscht gewesen und deswegen bin ich damals ausgetreten.“ (E-LA1; 352)
148 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

demnach die Wahrnehmung des jeweiligen Betriebsrats und beeinflussen somit


die Prekaritätswahrnehmung in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung.
Zentral ist zudem, dass der Einsatzbetriebsrat von den prekären Aktiven vor
allem im Vergleich mit den Stammbeschäftigten als eine machtlose Institution
charakterisiert wird. Dazu trägt auch der gemeinsame Arbeitsort des Einsatzbe-
triebs bei, der den Leiharbeitskräften eine direkte Kontrastierung der Hand-
lungsmöglichkeiten des Betriebsrats für Stamm- bzw. Leiharbeitnehmer/-innen
ermöglicht. C-LA2, der dort eine hoch komplexe Tätigkeit ausübt, äußert sich
diesbezüglich wie folgt:
„Ich kriegte irgendwann mal 'ne E-Mail vom Betriebsrat, wo drin stand: ‚Sie krie-
gen immer noch nicht [tarifvertraglich vereinbarte Entlohnung]. Und das finden wir
nicht in Ordnung. Und da setzen wir uns jetzt für ein.‘ Und es ist irgendwie nichts
passiert. Also finde ich, dass der Betriebsrat nicht die größte Handhabe hinsichtlich
Leiharbeitskräften hat. Ich denke schon, dass die mehr durchgreifen können, wenn
es um einen Festangestellten geht. Aber bei Leiharbeitskräften eben halt nicht.“ (C-
LA2; 182)
Auch B-LA3 berichtet im Interview mehrfach über das direkte Erleben von Be-
nachteiligung gegenüber den Stammbeschäftigten. Ein Beispiel dafür ist seine
Beschwerde über den Ausschluss der Leiharbeitskräfte von einer Betriebsfeier
des Einsatzbetriebes.
„Wir haben das dann dem Betriebsrat gesagt. […] Aber solche Sachen kriegt der
dann auch nicht durch. Ne, dass man dann die Leute mit einlädt zur Weihnachtsfeier
oder sonst was. Das interessiert den meines Erachtens nicht wirklich.“ (B-LA3;
233)
Das gesetzlich festgelegte Vertretungsmandat des Einsatzbetriebsrat für Leihar-
beitnehmer/-innen wird aus Sicht der Beschäftigten dieses Typs demnach nicht
bzw. nur teilweise eingehalten und die Situation auch deshalb als prekär bewertet.
Wie schon in der Typencharakterisierung gezeigt, wird der Einsatzbetriebs-
rat jedoch trotz der zum Teil massiven Kritik noch immer als anzusprechendes
und für die Leiharbeitnehmer/-innen verantwortliches Gremium gesehen. Wel-
ches die ausschlaggebenden Erklärungsfaktoren hierfür sind, muss an dieser
Stelle offen bleiben – im vorhandenen Interviewmaterial begründen die prekären
Aktiven diese Handlungswahl nicht explizit. Anzunehmen wäre beispielsweise,
dass die Beschäftigten gewissermaßen aus Gewohnheit den „offiziellen“ Instan-
zenweg gemäß des BetrVG bzw. AÜG wählen. Eine weitere Hypothese ist dies-
bezüglich, dass die prekären Aktiven die Hoffnung auf Hilfestellungen durch den
Einsatzbetriebsrat noch nicht aufgegeben haben. Für den Besuch von Betriebs-
versammlungen hingegen ist der Wunsch nach Informationen zum individuellen
Leiharbeitseinsatz bzw. der damit verbundene Wunsch nach Übernahme als Be-
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 149

gründung für die Aktivitäten zu ermitteln. Die Teilnahme an der Betriebsrats-


wahl im Einsatzbetrieb eröffnet zudem – entsprechend der hohen Mitbestim-
mungsaffinität – die Möglichkeit, die Zusammensetzung des Gremiums im eige-
nen Sinne zu beeinflussen bzw. zu verändern:
„[N]ur weil da einer auf dem Poster gut aussieht, 'ne Frau, wähl ich die nicht. Mir
geht's ja darum, dass der auch was für mich macht. Oder dass man ihn wie [Vorna-
me eines Einsatzbetriebsratsmitglieds] zum Beispiel, dass man ihn ansprechen kann.
Dass er immer 'n offenes Ohr für einen hat. Und deswegen eigentlich. Ich hätte zwar
mehr wählen können, aber ich hab in dem Grunde dann/ Ist ja anonym, da hab ich
nur drei gewählt, die ich kenne und die sich auch für einen einsetzen.“ (E-LA1; 296)
Dies verdeutlicht einerseits erneut die subjektive Relevanz der advokatorischen
Funktion des Einsatzbetriebsrats. Anderseits zeigt sich, dass sowohl die Teil-
nahme, als auch die Praxis der Wahlentscheidung wiederum durch die persönli-
che Bekanntschaft der Kandidat/-innen beeinflusst werden kann. Auch eine lang-
jährige Betriebszugehörigkeit – und damit der biografische Status – kann dazu
führen, dass der Kontakt zum Einsatzbetriebsrat aufgrund persönlicher Bekannt-
schaft als vergleichsweise vertrauensvoll eingestuft und – wie wiederum am
Beispiel von E-LA173 deutlich wird – gegenüber dem der Leiharbeitsfirma präfe-
riert wird:
„Unseren [Vorname], den kenn ich ja auch von [Betrieb E]-Zeiten noch, ne? Der
hat ja selber am Band gearbeitet. Ähm, joah, noch so ein, zwei, die kenn ich auch
noch von früher. Mit dem einen oder anderen hab ich sogar noch früher zusammen
am Band gearbeitet. Die sind jetzt im Betriebsrat. Da kenn ich einige von. Unseren
Betriebsrat [der Leiharbeitsfirma; VB] kenn ich erst seit, ich glaub seit 'nem halben
Jahr. Aber sie ist ganz nett. Ist in Ordnung.“ (E-LA1; 262)
Die Teilnahme an den betrieblichen Mitbestimmungsprozessen des Einsatzbe-
triebs wird zudem durch die vergleichsweise niedrigschwellige Erreichbarkeit
des Betriebsratsgremiums begünstigt – insbesondere im Vergleich zur Leihar-
beitsfirma.74 Die räumliche Distanz zur Leiharbeitsfirma stellt offenbar eine

73 E-LA1 steht zum Zeitpunkt des Interviews unter einem unbefristeten Vertrag bei seiner Leih-
arbeitsfirma und ist seit mehreren Jahren als Leiharbeitnehmer im Einsatzbetrieb E bzw. zum
Teil auch in anderen Einsatzbetrieben eingesetzt. Vor seiner Tätigkeit als Leiharbeitnehmer
war er diverse Jahre als Festangestellter im Einsatzbetrieb E tätig.
74 Eine Ausnahme bildet hier E-LA1, dessen Leiharbeitsfirma samt Betriebsrat in direkter Nach-
barschaft zum Einsatzbetrieb angesiedelt ist. Dies ermöglicht ihm eine niedrigschwellige Kon-
taktaufnahme. Wie bereits in der Typologie gezeigt, ist das Aktivitätsniveau dieses Leiharbeit-
nehmers jedoch – abgesehen von der Nutzung des Betriebsrats der Leiharbeitsfirma als An-
sprechpartner – sehr gering und wird auch durch die diesbezügliche „Anweisung“ des Einsatz-
betriebsrats beeinflusst. Vor dem Hintergrund der bereits aufgezeigten Wahrnehmungen,
Handlungen und deren Erklärungen lässt dies daher die Interpretation zu, dass der Betriebsrat
der Leiharbeitsfirma als Ansprechpartner vom Beschäftigten zwar akzeptiert, jedoch nur auf-
150 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Hürde zur Beteiligung dar und wird von den Beschäftigten unter anderem im
Zusammenhang mit der Betriebsversammlung problematisiert, wie der folgende
Interviewausschnitt exemplarisch zeigt:
„Ist mir bislang nicht geläufig. Also bisher war keine. […] Weil das Problem natür-
lich tatsächlich ist, wenn man so ganz Deutschland sieht, ist das schwer natürlich,
da Versammlungen zu machen. Es gibt Jahreshauptversammlungen. Gut, ob man
dann hinfährt nach [Stadt] oder irgendwo anders hin, das ist natürlich dann immer
so 'ne Sache.“ (B-LA3; 374)
Insgesamt ist der Informationsgrad über die betriebliche Mitbestimmung in der
Leiharbeitsfirma, aber auch die diesbezügliche Mitbestimmungsaffinität bei den
prekären Aktiven als sehr gering einzustufen.75 In diesem Zusammenhang ist –
neben der Erreichbarkeit der Mitbestimmungsinstitutionen – auch das starke
Zugehörigkeitsgefühl der prekären Aktiven zum Einsatzbetrieb bzw. die schwach
ausgeprägte Bindung zur Leiharbeitsfirma als innere Bedingung zu identifizie-
ren, welche die Situationsdefinition und das Aktivitätsniveau in der jeweiligen
Mitbestimmungsarena maßgeblich beeinflusst. Die Beschäftigten verfügen über
keinerlei gemeinsamen Erfahrungen, die ein Zugehörigkeitsgefühl zur Leihar-
beitsfirma herstellen könnten:
„Weil ich mit meiner Leiharbeitsfirma nicht viel zu tun habe, außer dass ich meine
Urlaubsanträge dort hinschicke und die mir das Geld überweisen. Aber ich bin hier
in allen Teammeetings und ich bin hier in Entscheidungsprozesse mit eingebunden.
Ähm. Und arbeite hier selbstverantwortlich und werde von hier delegiert. Oder ent-
scheide von hier aus eigenverantwortlich. Ich habe nicht sonderlich viel Mitbestim-
mung in dem, wie meine Verleihfirma funktioniert. Das ist einfach/ Meine Verleih-
firma ist das Bindeglied zwischen mir und [Betrieb C].“ (C-LA2; 170)
Die Leiharbeitsfirma wird von den Beschäftigten einmal mehr als Sprungbrett in
den Einsatzbetrieb wahrgenommen:
„Aber letztendlich will ich hier auch, äh, fest übernommen werden. Dafür ist die
Zeitarbeit ja schließlich auch da. Da komm ich mir schon ’n bisschen verarscht vor,
weil ich jetzt [mehrere Jahre] hier bin. Und davor mehrere Jahre bei [Betrieb E].
[…] Wie lange soll ich denn noch bleiben?“ (E-LA1; 164)

grund der offiziellen, rechtlichen Zuständigkeit – und nicht auf Basis eines Vertrauensverhält-
nisses – genutzt wird.
75 Infolge der fehlenden Informationen über das Wahlprozedere und etwaige Kandidat/-innen
wird auch an Betriebsratswahlen nicht teilgenommen: „Ich kenn da keinen. Außer unseren Be-
triebsrat vielleicht. Aber ich/ Was soll ich da wählen, ne? […] Unseren Betriebsrat vielleicht.
Aber ich weiß auch gar nicht, wie man das macht. Ich hab noch nie gehört, dass man da so
'nen Betriebsrat wählen kann. Ich glaube, das läuft auch alles über [Hauptsitz der Leiharbeits-
firma] oder so. Und wir sind ja in [Stadt] und wir haben ja hier nur einen Betriebsrat oder ei-
ne Betriebsrätin.“ (E-LA1; 302-304)
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 151

In Konsequenz rückt die Leiharbeitsfirma sowohl allgemein, als auch im Hin-


blick auf die Mitbestimmung bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen o. ä. in
den Hintergrund der subjektiven Wahrnehmung. Der dortigen betrieblichen Mit-
bestimmungssituation wird daher gleichgültig begegnet; zudem kann vermutlich
kein individueller Nutzen einer Beteiligung gesehen werden. Ein Großteil der
Handlungsressourcen der Beschäftigten wird deshalb für die betriebliche Mitbe-
stimmung im Einsatzbetrieb, nicht aber in der Leiharbeitsfirma aufgewendet. Die
rechtlichen Rahmenbedingungen zur betrieblichen Mitbestimmung bieten zwar
auch dort Handlungsmöglichkeiten – die Rechte werden jedoch vor dem Hinter-
grund des Zugehörigkeitsgefühls und der subjektiven Relevanz der betrieblichen
Mitbestimmung im Einsatzbetrieb, aber auch aufgrund der leichteren Erreichbar-
keit der Mitbestimmungsinstitutionen nur dort wahrgenommen.

8.2.2.4 Der/die prekäre Verweigernde: Zentrale Wirkungszusammenhänge

Die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär sowie die


daraus resultierende, verweigernde Haltung insbesondere im Einsatzbetrieb las-
sen sich bei der bzw. dem prekären Verweigernden primär durch die inneren Be-
dingungen einer hohen Mitbestimmungsaffinität und vorangegangenen, negati-
ven Erlebnissen mit dem dortigen Betriebsrat erklären. Letztere sind eng ver-
knüpft mit seinem Beschäftigungsstatus als Leiharbeitnehmer und dem Wunsch
nach einer Übernahme in den Einsatzbetrieb. Nicht zuletzt dienen auch das ge-
ringe Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma und die eher hohe Identifikation
mit dem Einsatzbetrieb als Erklärung für die Situationsdefinition und anschlie-
ßende Handlungswahl. Die folgende Abbildung zeigt die zentralen Wirkungszu-
sammenhänge des/der prekären Verweigernden im Überblick.
152 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Handlungsstrategie des Einsatzbetriebsrats
 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der
 hohe Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-
 biografischer Status
bestimmung im
 Zugehörigkeitsgefühl zum bzw. Wunsch
Einsatzbetrieb
nach Übernahme in Einsatzbetrieb
 kein Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeits-
firma

Orientierung

Handeln in Bezug auf


Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- die betriebliche Mitbe-
situation im Einsatzbetrieb als prekär stimmung:

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Handlungs- Keine Beteiligung (we-


situation in Leiharbeitsfirma als nicht-prekär wahl der im Einsatz-, noch
(gleichgültig) im Entsendebetrieb)

Abbildung 13: Der/die prekäre Verweigernde: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Auffällig bei jenem Beschäftigten, der dem prekären Verweigernden zuzuordnen


ist, ist zunächst die politische Sozialisation im Hinblick auf die Arbeitnehmer/-
inneninteressenvertretung, die insgesamt von einer (zumindest vormaligen) stark
ausgeprägten Mitbestimmungsaffinität ausgehen lassen. So war der Beschäftigte
C-LA1 während seiner Berufsausbildung sowohl Mitglied in der Jugend- und
Auszubildendenvertretung seines Ausbildungsbetriebs, als auch Gewerkschafts-
mitglied.76 Mit diesen Eigenschaften lassen sich die an den Einsatzbetriebsrat
gestellten, hohen Erwartungen begründen. Ein zentraler Erklärungsfaktor für die
Enttäuschung derselben ist insbesondere ein negativer Erfahrungshorizont, der
sich letztendlich auch auf die Handlungswahl in Bezug auf die betriebliche Mit-
bestimmung auswirkt. Am Fallbeispiel C-LA1 wird deutlich, wie sehr an den
Einsatzbetriebsrat gestellte, jedoch unerfüllte Erwartungen die Bewertungen und
letztendlich auch die Handlungen beeinflussen können. So erzählt der Leihar-

76 Der Gewerkschaftsaustritt erfolgte nach Angaben des Beschäftigten aus finanziellen Gründen.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 153

beitnehmer im Interview ausführlich von einer erlebten Situation, bei der er eine
Beratung vom Einsatzbetriebsrat einholen wollte:
C-LA1: „Also es war ja eigentlich diese Geschichte aus [Abteilungs]-Zeiten, wo es
dann irgendwann hieß: Nee, die Leiharbeiter müssen hier langsam mal ein bisschen
raus. Da hab ich natürlich geschaut: Wie sieht's denn aus? Weil meine Stelle wird
weiterhin gebraucht, aber ich weg. Und, äh, war so 'n bisschen mit: ‚Ich schreib's
mal auf. Wir befassen uns da später mit.‘ Und genauso war auch dieses Feedback,
ne. Es hieß dann: ‚Entweder gibt's innerhalb von zwei Wochen sowieso 'nen Rund-
brief, was da passiert. Ansonsten ruf nach drei Wochen nochmal an.‘ Ich hab dann
nach vier Wochen angerufen und da hast du dann schon gemerkt: ‚Ach ja! Nee, nee,
da ist eigentlich alles ruhig. Da ist nichts passiert.‘ Und du hast genau gemerkt: Ah,
wir haben uns also gar nicht drum gekümmert. Und, ja, so mit der Einstellung bin
ich dann da eigentlich auch wieder rausgegangen. Also 'ne schöne Selbstverwaltung
und Arbeitsverhinderer, würd ich sagen.“
I: „Was hätten Sie sich denn erhofft davon?“
C-LA1: „Also entweder so 'ne klare Aussage wie von wegen: ‚Da kann man einfach
nichts machen.‘ Also, ich hab mich da schon sehr abgespeist gefühlt, ne. Ähm. Naja,
oder aber irgendwie: ‚Ja, du musst hier mal eintreten und dann machen wir mal
ganz tolle Sachen.‘“ (C-LA1; 270-272)
Die Interviewpassage zeigt deutlich die enttäuschten Erwartungen des Beschäftig-
ten an den Betriebsrat: Jede Art einer Reaktion auf seine Anfrage, bei der es um
seine Weiterbeschäftigung im Einsatzbetrieb ging, wäre von ihm begrüßt worden;
allerdings fühlt er sich vollständig ignoriert. In diesem Zusammenhang spielt auch
der biografische Status des Beschäftigten eine wesentliche Rolle: C-LA1 ist zum
Zeitpunkt des Interviews seit mehreren Jahren als Leiharbeitnehmer in Betrieb C
eingesetzt und äußert im Interview mehrfach den Wunsch, seine Tätigkeit weiter-
hin – bevorzugt als Festangestellter – im Einsatzbetrieb ausüben zu können.77
Durch seine langjährige Leiharbeitstätigkeit fühlt er sich permanent mit der Unsi-
cherheit hinsichtlich seines Einsatzes konfrontiert: „Also, es hat glaub ich immer
sehr viel mit Hoffen zu tun, dass der Kelch mal wieder an mir vorbei geht“ (C-
LA1; 120).
Das Zusammenspiel dieser inneren Bedingungen – eine starke Mitbestim-
mungsaffinität und relativ hohe Erwartungen an den Einsatzbetriebsrat, die mit
dem biografischen Status als Leiharbeitskraft verknüpft sind, jedoch enttäuscht
wurden – bewirkt, dass das Engagement des Einsatzbetriebsrats und in Konse-
quenz auch die betriebliche Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs als prekär
bewertet wird. Die bereits erläuterte Nutzung des Betriebsrats als Ansprechpart-

77 Exemplarisch belegt dies das folgende Zitat: „Also ich würd's auf jeden Fall versuchen, denn
ich glaube, einen besseren Arbeitgeber gibt es da eigentlich so gar nicht“ (C-LA1; 108).
154 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

ner zeigt zwar, dass der Beschäftigte im Grunde eine Zuständigkeit des Ein-
satzbetriebsrats für Leiharbeitnehmer/-innen sieht, um diese Unsicherheit abzu-
federn – insgesamt können die Aussagen von C-LA1 aber dahingehend interpre-
tiert werden, dass eine weitere Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung
aufgrund der negativen Erlebnisse als sinnlos erachtet wird. Der Einsatzbetriebs-
rat stellt für ihn künftig keinen Anlaufpunkt mehr für Beratungen, Informationen
oder die Interessenvertretung dar:
„Also ich glaube, es ist irgendwie, wie arbeitslos zu sein und zu hoffen, dass das Ar-
beitsamt sich um einen neuen Job kümmert. Erfahrungsgemäß muss man das einfach
selber machen.“ (C-LA1; 279 – 280)
Mit dieser Aussage spricht C-LA1 dem Betriebsrat jede Kompetenz ab, sich für
ihn einzusetzen. Dies verlangt von ihm, seine Selbstaushandlungsfähigkeiten zu
nutzen und etwaige Schwierigkeiten mit dem/der Vorgesetzten individuell zu
lösen. Im Unterschied zu den distanzierten Autarken erfolgt diese Selbstvertre-
tung allerdings gezwungenermaßen und ist nicht freiwillig gewählt. Trotz der
äußeren Bedingungen einer grundsätzlich niedrigschwelligen Erreichbarkeit und
der offiziellen Zuständigkeit des Einsatzbetriebsrats werden die Handlungsoptio-
nen hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung von der bzw. dem prekären
Verweigernden nicht (mehr) genutzt.
Passivität ist bei diesem Typus auch hinsichtlich der betrieblichen Mitbe-
stimmung in der Leiharbeitsfirma festzustellen – allerdings beziehen sich die
Gründe dafür weniger auf negative Erlebnisse mit dem Betriebsrat. Vielmehr
lässt sich die Inaktivität mit einem vergleichsweise schwach ausgeprägten Zuge-
hörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma erklären. Diese nimmt bei dem bzw. der
prekären Verweigernden den Stellenwert als eine primär die Arbeitskraft verwal-
tende Institution und als „Sprungbrett“ in den Arbeitsmarkt bzw. Einsatzbetrieb
ein. Insgesamt bestehen im Falle des/der prekären Verweigernden – auch auf-
grund der räumlichen Distanz – kaum Berührungspunkte mit der Leiharbeitsfir-
ma, so dass dementsprechend keine Erfahrungen mit der dortigen betrieblichen
Mitbestimmung gesammelt werden (obgleich dort ein Betriebsratsgremium be-
steht). Die betriebliche Arbeitnehmer/-inneninteressenvertretung in der Leihar-
beitsfirma rückt in Folge dieser inneren und äußeren Bedingungen in den Hinter-
grund der Wahrnehmungen der Leiharbeitskraft und resultiert in einer nicht-pre-
kären, gleichgültigen Bewertung der dortigen Mitbestimmungssituation, die kei-
nerlei Beteiligung zur Folge hat.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 155

8.2.3 Zwischenfazit: Der Umgang der Leiharbeitnehmer/-innen mit der


betrieblichen Mitbestimmung

Im vorherigen Abschnitt wurden vier Leiharbeitstypen vorgestellt, die sich hin-


sichtlich ihrer Bewertung und ihres Aktivitätsniveaus in Bezug auf die betriebli-
che Mitbestimmung unterscheiden: Der/die Integrierte, der/die Autarke (mit den
beiden Subtypen des/der unbefangenen bzw. distanzierten Autarken), der/die
prekäre Aktive, sowie der/die prekäre Verweigernde. Auffällig ist der Befund,
dass ausnahmslos die Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs im Fokus der
Wahrnehmungen, aber auch gegebenenfalls vorhandener Beteiligung an der be-
trieblichen Mitbestimmung der Leiharbeitnehmer/-innen steht. Dabei existieren
diverse Ausprägungen unter den Leiharbeitsbeschäftigten – sowohl im Hinblick
auf ihre Situationsdefinition, als auch auf ihr Aktivitätsniveau: Während die Inte-
grierten ihre Interessenvertretung im Einsatzbetrieb als positiv bewerten und sich
durchgängig an den damit zusammenhängenden Prozessen beteiligen, fühlt sich
der/die prekäre Verweigernde von der betrieblichen Mitbestimmung ausge-
schlossen und verweigert jegliche Aktivitäten. Der/die prekäre Aktive bewertet
seine betriebliche Mitbestimmungssituation ähnlich wie der/die prekäre Verwei-
gernde, ist allerdings im Unterschied zu ihm im Hinblick auf Betriebsversamm-
lungen, Kontakt zum Betriebsrat sowie zum Teil bei Betriebsratswahlen aktiv.
Die Autarken schließlich bewerten keine der beiden Mitbestimmungsarenen als
prekär, sondern stehen ihnen entweder gleichgültig oder distanziert gegenüber.
Bei ihnen ist keine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung auszuma-
chen. Gemeinsam haben jedoch alle Typen der Gruppe der Leiharbeitnehmer/
-innen, dass die betriebliche Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma keine bzw.
höchstens marginal eine Rolle im betrieblichen Alltag der Beschäftigten ein-
nimmt.
Bei der Analyse der Wirkungszusammenhänge der einzelnen Typen haben
sich diverse äußere und innere Bedingungen als zentral für die Erklärung der
Situationsdefinitionen und Handlungen herausgestellt, die im Folgenden zusam-
menfassend dargestellt werden.

Äußere Bedingungen

Im Hinblick auf die äußeren Bedingungen sind zunächst die gesetzlichen Rah-
menbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb zu nennen.
Diese erweisen sich bei der Typologie der vorliegenden Forschungsarbeit als
basale Voraussetzung für jegliche Handlungen der Leiharbeitnehmer/-innen. Die
Beteiligungsrechte eröffnen jedoch nicht nur den institutionellen Handlungs-
spielraum für die Beschäftigten, sondern haben – wie sich speziell bei den Inte-
156 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

grierten zeigt – eine egalisierende Wirkung. Durch die Möglichkeit der ebenbür-
tigen Teilnahme an den formalen Mitbestimmungsprozessen wie Betriebsrats-
wahlen oder -versammlungen kann zugleich das Zugehörigkeitsgefühl zum Ein-
satzbetrieb gesteigert werden, so dass letztendlich eine nicht-prekäre Bewertung
der betrieblichen Mitbestimmung erfolgt. Gleichzeitig dienen die gesetzlichen
Rahmenbedingungen den Leiharbeitnehmer/-innen als Maßstab zur Bewertung der
betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb im Vergleich mit den Stamm-
beschäftigten. So wissen etwa die prekären Aktiven sowie der/die prekäre Ver-
weigernde um die (theoretische) Gleichstellung mit den Stammbeschäftigten, se-
hen diese jedoch vor dem Hintergrund direkter, vergangener Erfahrungen in der
Praxis nicht durch den Betriebsrat des Einsatzbetriebs umgesetzt.
Darüber hinaus stellt die hoch- bzw. niedrigschwellige Erreichbarkeit der
betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen eine zentrale äußere Bedingung für
die Bewertungen und Handlungen der Leiharbeitnehmer/-innen dar. Dies wird
insbesondere im Vergleich der Einsatz- und Entsendebetriebe deutlich: Der Ein-
satzbetriebsrat wird – im Gegensatz zu demjenigen der Leiharbeitsfirma – als
jederzeit und problemlos erreichbar charakterisiert, da Mitglieder in den Schich-
ten bzw. im gleichen Büro mitarbeiten oder die Sprechstunden während der Ar-
beitszeit genutzt werden können. Der gegebene, gesetzliche Handlungsspielraum
wird von den Leiharbeitnehmer/-innen des Samples anscheinend nur dann ge-
nutzt, wenn niedrigschwellige Möglichkeiten der Beteiligung an Betriebsrats-
wahlen und -versammlungen, aber auch der Kontaktaufnahme zum Betriebsrat
bestehen. Das Fallbeispiel von E-LA1 als prekärer Aktiver zeigt zudem, dass die
Erreichbarkeit des Gremiums der Leiharbeitsfirma etwa durch eine große räum-
liche Nähe zum Einsatzbetrieb vereinfacht wird.
Eine wesentliche Rolle spielt für die Leiharbeitnehmer/-innen demnach die
räumliche Distanz zur Leiharbeitsfirma: Sowohl die Inanspruchnahme eines
gegebenenfalls dort existenten Betriebsratsgremiums im Falle eines Problems,
als auch die Teilnahme an Betriebsversammlungen und Betriebsratswahlen be-
deuten im Vergleich zum Einsatzbetrieb einen wesentlich höheren, zeitlichen
Aufwand für sie. Weiterhin wurde der Mangel an Informationen, zum Beispiel
über die Kandidat/-innen einer Betriebsratswahl, von den Beschäftigten oftmals
als Hindernis für eine Teilnahme genannt. Der Informationsfluss verläuft – zum
Beispiel mangels Mund-zu-Mund-Propaganda oder fehlender Informationsaus-
hänge – stockender als im Einsatzbetrieb. Die betriebliche Mitbestimmung der
Leiharbeitsfirma rückt dadurch in den Hintergrund der subjektiven Wahrneh-
mung. Dies führt zu einer Bewertung der dortigen Mitbestimmungsarena als
nicht-prekär sowie zu einem niedrigem Aktivitätsniveau.
Weiterhin relevant ist die Existenz bzw. Nicht-Existenz eines Betriebsrats in
den jeweiligen Betrieben. In den Einsatzbetrieben existierte – gemäß des theore-
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 157

tischen Samplings – jeweils ein Betriebsrat; in den jeweiligen Leiharbeitsfirmen


hingegen nur teilweise. Diese Rahmenbedingungen führen zu einem geringen
Aktivitätsniveau: Es kann dort schlicht keine Teilnahme an institutionalisierten
Mitbestimmungsprozessen (Betriebsratswahlen oder –versammlungen) erfolgen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang aber erstens, dass selbst bei der
Existenz eines Betriebsrats in der Leiharbeitsfirma das Aktivitätsniveau der Ty-
pen weitestgehend gering bleibt. Zweitens ist auffällig, dass diesbezüglich die
Bewertungen der Leiharbeitnehmer/-innen fast ausnahmslos als nicht-prekär (im
Sinne einer Gleichgültigkeit bzw. Distanzierung) eingestuft wurden und auch
nicht der Wunsch nach einem Betriebsratsgremium besteht – obwohl die gesetz-
lichen Rahmenbedingungen diese Möglichkeit auch in der Leiharbeitsfirma vor-
sieht. Ebenfalls wird die Gründung eines Betriebsratsgremiums von keinem bzw.
keiner der Beschäftigten forciert.
In Bezug auf die Wahrnehmung der Strategien der jeweiligen Betriebsräte
lässt sich kein durchgehendes Muster erkennen. Zwar können die Aktivitäten des
Betriebsrats durchaus eine Rolle bei der Bewertung der betrieblichen Mitbestim-
mungssituation spielen – deutlich wird aber, dass das gleiche Betriebsratsgremium
von den Beschäftigten völlig unterschiedlich wahrgenommen werden kann. So
bewerten die Integrierten B-LA1 und B-LA2 das Engagement des Einsatzbetriebs-
rats als überaus positiv, während B-LA3 über kein subjektives Repräsentationsge-
fühl verfügt und den prekären Aktiven zuzuordnen ist. Dies zeigt, wie stark der
Einfluss individueller Erfahrungen und Erlebnisse auf die Wahrnehmung und
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation sein kann.
Mit Blick auf die Vorgesetzten als interne Akteure der Betriebe ist festzu-
halten, dass bei den befragten Leiharbeitnehmer/-innen eine Abgrenzung von der
betrieblichen Mitbestimmung insbesondere dann erfolgt, wenn die individuelle
Verhandlungsposition und die Möglichkeit, Konflikte selber – d.h. ohne die Un-
terstützung durch einen Betriebsrat – zu lösen, aufgrund eines positiv bewerteten
Verhältnisses zum/zur Vorgesetzten als gut eingeschätzt werden. Dies zeigt sich
im Falle der distanzierten Autarken.

Innere Bedingungen

Mit Blick auf die inneren Bedingungen ist zunächst festzuhalten, dass bei den
sozialstrukturellen Faktoren wie Alter und Geschlecht keine Auffälligkeiten der
Verteilung auf die Typen festzustellen sind.78 Hingegen stellt das zum Teil starke

78 Zu erwarten wäre gegebenenfalls gewesen, dass bei den älteren Leiharbeitnehmer/-innen das
Normalarbeitsverhältnis und die damit verbundenen Beteiligungsrechte an der betrieblichen
Mitbestimmung als normative Wertvorstellung verankert sind. Bei einem Abgleich der Mitbe-
158 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb bzw. die geringe Bindung zur Leihar-


beitsfirma eine zentrale Bedingung für die Bewertungen und Handlungen dar.
Bis auf wenige Ausnahmen treffen alle Leiharbeitnehmer/-innen des Samples
Aussagen, die auf eine stärkere Bindung zum Einsatzbetrieb schließen lassen.
Dies stellt ein zentrales Erklärungsmuster für die randständige Stellung der dor-
tigen, betrieblichen Mitbestimmung in der Wahrnehmung und letztendlich auch
der Bewertung der Beschäftigten dar. Die Anstellung bei einer Leiharbeitsfirma
weist für die Beschäftigten einen funktionalen Charakter auf: Sie wird primär als
eine den/die Leiharbeitnehmer/-in verwaltende Institution gesehen, zu der meist
nur im Rahmen der Lohnabrechnung o.ä. Kontakt existiert. Es besteht – auch
bedingt durch die räumliche Distanz; im Gegensatz zur Situation im Einsatzbe-
trieb – kein langfristig angelegter, sozialer Austausch unter den Beschäftigten
bzw. zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber/-in, der wechselseitige Erfahrun-
gen und Anerkennung hervorruft und damit eine emotionale und/oder soziale
Verortung in der Leiharbeitsfirma entstehen lassen könnte. Die institutionalisier-
ten, betrieblichen Mitbestimmungsprozesse im Einsatzbetrieb spielen hingegen –
als gemeinsame Erfahrung und soziale Interaktion unter den Beschäftigten – eine
Rolle dabei, das Zugehörigkeits- und Integrationsgefühl zum Einsatzbetrieb her-
zustellen bzw. zu verstärken. Die Berechtigung, ebenbürtig zu den Stammbe-
schäftigten daran zu partizipieren, wirkt dabei teilweise als Anerkennung, wie
am Typus des/der Integrierten deutlich wird.
Das geringe Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma zeigt sich bei den
Leiharbeitnehmer/-innen auch in der hohen Bereitschaft zu einem Betriebswech-
sel. Die Leiharbeitstätigkeit wurde von einem überwiegenden Teil der Befragten
mangels einer Alternative in Form einer Festanstellung aufgenommen und soll
deshalb als Sprungbrett in den Arbeitsmarkt bzw. in den Einsatzbetrieb fungie-

stimmungssituationen als Leih- und Festangestellte/-r wäre damit möglicherweise eine negati-
ve Bewertung der individuellen Mitbestimmungssituation verbunden, da diese von der eines
Festangestellten abweicht. Mit Blick auf die Fallverteilung zeigt sich allerdings, dass auch ver-
gleichsweise junge Leiharbeitnehmer/-innen Prekarität bezüglich der betrieblichen Mitbestim-
mung empfinden. So sind beispielsweise zwei Personen der prekären Aktiven zwischen 31 und
40 Jahre alt. Bei der Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär kommen
in diesen Fällen offensichtlich andere Bedingungen und nicht der Vergleich mit einer früheren
Beschäftigung in einem Normalarbeitsverhältnis zum Tragen.
Auch hinsichtlich des Geschlechts lassen sich auf Grundlage dieses Samples keine Aussage
treffen, da nur vier Leiharbeitnehmerinnen befragt wurden. Ihre Aussagen unterscheiden sich
zudem nicht von den Aussagen der männlichen Leiharbeitnehmer; so wurden beispielsweise
keine Aussagen zu geschlechtsspezifischen Themen – etwa der Wunsch nach weiblichen Be-
triebsratsmitgliedern – geäußert. Insgesamt scheint in Bezug auf die Erforschung der Bewer-
tung der betrieblichen Mitbestimmung aus gendertheoretischer Perspektive eine Forschungslü-
cke zu bestehen, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht geschlossen werden kann.
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 159

ren.79 So führt beispielsweise die Teilnahme an Betriebsversammlungen des


Einsatzbetriebs nicht nur zu einem Zugehörigkeitsgefühl, sondern wird auch
dafür instrumentalisiert, um Informationen zum Einsatz und zu einer eventuellen
Übernahme zu erhalten. Zum Teil wird dem Betriebsratsgremium die Kompe-
tenz zugesprochen, sich für die individuelle Übernahme einzusetzen (vgl. dazu
beispielsweise die Integrierten). Dies lässt insgesamt den Schluss zu, dass das
geringe Zugehörigkeitsgefühl zur Leiharbeitsfirma eine Bewertung dieser Mitbe-
stimmungsarena als nicht-prekär im Sinne einer gleichgültigen Haltung nach sich
zieht. Die Geschehnisse in der Leiharbeitsfirma werden insbesondere vor dem
Hintergrund des Wunsches nach einer Festanstellung irrelevant, so dass alle
Handlungsressourcen auf den jeweiligen Einsatzbetrieb konzentriert werden.
Weiterhin lässt sich festhalten, dass die individuelle Mitbestimmungsaffini-
tät (also als wie wichtig und notwendig die betriebliche Mitbestimmung im je-
weiligen Betrieb erachtet wird), die damit zusammenhängenden Erwartungen an
die betriebliche Interessenvertretung sowie die Erfahrungen und Erlebnisse mit
der betrieblichen Mitbestimmung eng damit zusammenhängen, wie die jeweilige
Mitbestimmungsarena bewertet wird. Besteht eine Präferenz der kollektiven
Interessenvertretung gegenüber individueller Selbstvertretung werden seitens der
Leiharbeitnehmer/-innen spezifische Erwartungen an den Betriebsrat herangetra-
gen, die wiederum durch positive oder negative Erlebnisse erfüllt bzw. ent-
täuscht werden und somit Einfluss auf die Bewertung der Situation als prekär
oder nicht-prekär nehmen können. Positive Erlebnisse führen – vgl. dazu die In-
tegrierten – dazu, dass die individuellen Erwartungen an die betriebliche Mitbe-
stimmung als erfüllt angesehen werden. Dies ruft ein subjektives Repräsentati-
onsgefühl durch den Betriebsrat sowie eine positive Bewertung des Engagements
für die Belange von Leiharbeitnehmer/-innen hervor. Negative Erlebnisse mit
dem Betriebsrat hingegen bewirken, dass die an ihn gerichteten Erwartungen als
nicht erfüllt angesehen werden. Eine Möglichkeit der Reaktion auf negative Er-
fahrungen ist die bewusste Distanzierung von der betrieblichen Mitbestimmung,
die letztendlich in Passivität mündet. Dies ist im Falle der vorliegenden For-
schungsarbeit insbesondere bei dem bzw. der prekären Verweigernden der Fall.
Eine weitere zu beobachtende Reaktion auf negative Erfahrungen ist die Auf-
rechterhaltung des jeweiligen Aktivitätsniveaus – dies manifestiert sich bei den
prekären Aktiven. Die Beschäftigten dieses Typs erkennen die Funktion des
Betriebsrats als zuständiges Gremium für Leiharbeitnehmer/-innen weiterhin an
und haben auch weiterhin Erwartungen an ihn. Dies zeigt zugleich, dass negative
Erlebnisse mit dem Betriebsratsgremium nicht eine bestimmte Handlung deter-

79 Als Gründe für den Wunsch nach einer Festanstellung werden vorwiegend materielle und im-
materielle Distinktionen, etwa in Bezug auf die Entlohnung oder Arbeitsplatzsicherheit, zwi-
schen Stammbeschäftigten und Leiharbeitnehmer/-innen genannt.
160 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

minieren, sondern nur einen Einflussfaktor unter zahlreichen darstellen. Wird


hingegen die individuelle Selbstvertretung grundsätzlich gegenüber der kollekti-
ven Interessenvertretung bevorzugt und ist die Mitbestimmungsaffinität gering,
bestehen keine speziellen Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung; statt-
dessen erfolgt eine bewusste Abgrenzung (vgl. dazu die Autarken).
Die Mitbestimmungsaffinität bei den Leiharbeitnehmer/-innen variiert stark
nach Mitbestimmungsarena: Während die betriebliche Mitbestimmung in der
Leiharbeitsfirma bei allen Typen weitestgehend irrelevant für die Beschäftigten
ist, wird ihr im Einsatzbetrieb insbesondere von dem/der prekären Aktiven sowie
dem/der prekären Verweigernden eine subjektiv hohe Relevanz zugewiesen und
in Folge verschiedene Erwartungen an den dortigen Betriebsrat herangetragen.
Diese Erwartungen sind jeweils eng mit dem speziellen Status als Leiharbeit-
nehmer/-in verknüpft und zielen primär auf die Integration bzw. Übernahme in
den Einsatzbetrieb oder auf die Gleichstellung von Leih- und Stammbeschäftig-
ten durch den Betriebsrat (Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz) ab.
Die mit dem Beschäftigungsverhältnis einhergehenden Konsequenzen – bei-
spielsweise subjektiv empfundene Planungsunsicherheiten aufgrund von häufi-
gen Einsatzwechseln und (im)materielle Distinktionen zwischen Rand- und
Stammbelegschaft – werden also von großen Teilen der Leiharbeitnehmer/-innen
problematisiert und deren Bewältigung als Erwartung an den Einsatzbetriebsrat
herangetragen. Darüber hinaus ist die advokatorische Funktion des Betriebsrats
für fast alle mitbestimmungsaffinen Leiharbeitnehmer/-innen von Bedeutung
(vgl. dazu alle Typen bis auf die Autarken).
Der Indikator einer Gewerkschaftsmitgliedschaft hat sich im Zusammen-
hang mit der Mitbestimmungsaffinität der befragten Leiharbeitnehmer/-innen als
eher irrelevant erwiesen. Lediglich zwei der Leiharbeitnehmer des Samples sind
Gewerkschaftsmitglied – bei ihnen weist die Mitgliedschaft allerdings einen
funktionalen Charakter auf, da sie ihrer Ansicht nach die Chancen auf eine
Übernahme in den Einsatzbetrieb steigert. Im Allgemeinen werden von den
Leiharbeitnehmer/-innen verschiedenste Gründe geäußert, warum sie kein Ge-
werkschaftsmitglied (mehr) sind. Dazu gehören generelles Desinteresse, finanzi-
elle Nachteile oder die Ansicht, dass sich die Gewerkschaft vorwiegend für Fest-
angestellte denn für Leiharbeitnehmer/-innen einsetzt. Auffällig ist, dass einige
Beschäftigte häufige Einsatzwechsel, zum Teil auch zwischen verschiedenen
Branchen, als Begründung für ihre Nicht-Mitgliedschaft heranziehen. Dies er-
scheint teilweise hinderlich für ein langfristiges, gewerkschaftliches Engagement
in ein- und derselben Gewerkschaft.80 Folglich sind selbst die mitbestimmungs-

80 Exemplarisch belegen lässt sich dies mit der folgenden Textstelle: „Also es ist eben diese
Unbeständigkeit. […] Also, ich sage mal, wenn man jetzt wüsste, Theorie, Festeinstellung.
Dann wäre ich sicherlich jemand, der in die Gewerkschaft eintreten würde. Unbedingt. Aber in
8.2 Leiharbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 161

affinsten Leiharbeitnehmer/-innen des Samples keine Gewerkschaftsmitglieder.


Man kann also festhalten, dass der subjektiven Relevanz von betrieblicher Mit-
bestimmung im Falle der hier untersuchten Leiharbeitnehmer/-innen nicht zwin-
gend zugleich eine Gewerkschaftsaffinität zugrunde liegen muss. Zudem stellt
die Unbeständigkeit der Leiharbeitseinsätze offenbar eine Beitrittshürde dar.
Schließlich weisen die Analysen darauf hin, dass der individuelle biografi-
sche Status (also die Einsatzdauer, der Erwerbsverlauf und die Qualifikation) die
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation und letztendlich auch die
diesbezügliche Handlungswahl beeinflussen kann. Dies zeigt sich insbesondere
bei den unbefangenen Autarken: Ihre verhältnismäßig kurze Einsatzdauer lässt
die betriebliche Mitbestimmung (zunächst) in den Hintergrund der individuellen
Wahrnehmungen rücken, so dass vermutlich anderweitig Relevanzen (etwa hin-
sichtlich der Einarbeitung) gesetzt werden. Ein häufiger Einsatzwechsel kann
zudem zu der Ansicht führen, dass kein größerer, subjektiver Nutzen aus einem
Engagement in der betrieblichen Mitbestimmung resultiert.
Anzunehmen ist außerdem, dass mit steigender Einsatzdauer im Einsatzbe-
trieb die Wahrscheinlichkeit steigt, positive oder negative Erfahrungen mit der
betrieblichen Mitbestimmung zu sammeln und eine Mitbestimmungsaffinität sowie
Vertrauen zum Betriebsratsgremium zu entwickeln (vgl. dazu u. a. die Integrier-
ten). Als Beispiel ist in diesem Zusammenhang auch der Beschäftigte E-LA1 zu
nennen, der als prekärer Aktiver charakterisiert wurde. Die langjährige persönliche
Bekanntschaft mit Einsatzbetriebsratsmitgliedern führt in seinem Falle dazu, dass
der Kontakt zu ihnen statt zum Leiharbeitsbetriebsrat präferiert wird.
Hinsichtlich der Qualifikation ist kein übergreifendes Muster zur Erklärung
von Situationsbewertung und Aktivitätsniveau zu erkennen. Auffallend ist zwar,
dass die distanzierten Autarken, die ihre individuelle Selbstaushandlungsposition
als vergleichsweise gut einstufen, allesamt über ein hohes Qualifikationsniveau
verfügen. Es finden sich jedoch auch viele hochqualifizierte unter den Leiharbeit-
nehmer/-innen, die eine kollektive Interessenvertretung gegenüber der individuel-
len Selbstvertretung präferieren, eine hohe Mitbestimmungsaffinität und zugleich
hohe Erwartungen an den Einsatzbetriebsrat aufweisen (vgl. dazu beispielsweise
die prekären Aktiven sowie diverse Beschäftigte unter den Integrierten). Anzuneh-
men ist, dass hier der spezifische Leiharbeitnehmer/-innenstatus und die bereits
genannten, damit einhergehenden, subjektiv wahrgenommen Distinktionen eine
Rolle bei der Selbsteinschätzung der Verhandlungsposition spielen.

dieser Situation, da ist man irgendwo dabei, und bumms, ist man weg. Und hat mit dem Thema
gar nichts mehr zu tun. Dann gibt's wieder diese Abmeldung. Das ist ein Hin und Her. Also
wenn, dann möchte man auch wissen, dass das, ja, fruchtbaren Boden trifft.“ (A-LA2; 510)
162 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale


Wirkungszusammenhänge

Nachdem im vorangegangenen Unterkapitel 8.2 die Leiharbeitnehmer/-innen-


typologie sowie zwischenbilanzierend deren dominante Erklärungsmuster und
Wirkungszusammenhänge der Situationsdefinitionen und Handlungen vorgestellt
wurden, sollen – diesem Vorgehen folgend – in diesem Unterkapitel die Typolo-
gie der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen und die dazugehörigen Erklärungsmus-
ter vorgestellt werden.

8.3.1 Typologie der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen

Insgesamt konnten vier zentrale Typen von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen


identifiziert werden, die jeweils unterschiedliche Haltungen zur betrieblichen
Mitbestimmung in den beiden Mitbestimmungsarenen widerspiegeln: Der/die
Integrierte, der/die Autarke, der/die prekäre Aktive und der/die prekäre Konfor-
me. Diese werden im Folgenden charakterisiert.

Der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in

Der bzw. die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in ist dadurch gekennzeich-


net, dass er/sie die betriebliche Mitbestimmungssituation in seinem Werkver-
tragsunternehmen als positiv bewertet und dort ein hohes Aktivitätsniveau auf-
weist. Die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbetrieb nimmt indes nur eine
randständige Rolle in den Wahrnehmungen und Bewertungen ein; es erfolgt
diesbezüglich eine bewusste Distanzierung. Damit stellt dieser Beschäftigtenty-
pus das spiegelbildliche Pendant zum Typus des bzw. der integrierten Leihar-
beitnehmers/Leiharbeitnehmerin dar. Im Sample der vorliegenden Forschungs-
arbeit ist der Werkvertragsarbeitnehmer C-WV2 diesem Typus zuzuordnen.
Im Falle des Beschäftigten C-WV2, der als Hochqualifizierter in Betrieb C
eingesetzt ist, äußert sich die Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung
durch seine seit mehreren Jahren währende Betriebsratsmitgliedschaft im Werk-
vertragsunternehmen.81

81 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass C-WV2 im Interview nicht ausschließlich seine Per-
spektive als Werkvertragsarbeitnehmer, sondern – bedingt durch sein Amt als Betriebsratsmit-
glied – auch als Experte äußert. Zusätzlich führt seine Selbstwahrnehmung als „eine Art von
Polizist“ (C-WV2; 257) dazu, dass sein vorhandenes Betriebs- und Kontextwissen (vor allem
in Bezug auf die generelle Beschäftigungssituation von Werkvertragsbeschäftigten) eine zen-
trale Rolle im Interview einnimmt.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 163

Insbesondere die advokatorische Funktion sowie die Funktion einer Ord-


nungs- und Partizipationsinstanz eines Betriebsrats, verbunden mit Vertrauen
und fachlicher Kompetenz, bilden bei diesem Typus zentrale Erwartungen an die
betriebliche Interessenvertretung. Mit der Existenz eines Betriebsrats im Werk-
vertragsunternehmen sind diese Anforderungen erfüllt, denn „wenn man einen
Betriebsrat hat, kann man schneller und effektiver alles lösen“ (C-WV2; 227).
Die als individuell positiv wahrgenommene Mitbestimmungssituation manifes-
tiert sich für den Beschäftigten besonders im Vergleich zu anderen Werkver-
tragsunternehmen:
„Was glaubst du, wie viele gar keinen Betriebsrat haben? Was glaubst du, wie viele
darunter leiden? Und viele Firmen sagen: ‚Wieso brauchen wir so einen scheiß Be-
triebsrat?‘ Das sagen die. Das höre ich von anderen.“ (C-WV2; 225)
Der/die Integrierte verfügt – im Falle von C-WV2 insbesondere bedingt durch
seine eigene Mitgliedschaft im Betriebsrat – über ein ausgeprägtes, subjektives
Repräsentationsgefühl und bewertet die betriebliche Mitbestimmungssituation
nicht als defizitär. Sein Aktivitätslevel ist uneingeschränkt hoch: Er partizipiert
sowohl an Betriebsratswahlen, als auch an Betriebsversammlungen des Werkver-
tragsunternehmens und setzt sich qua seines Amtes für die Interessen seiner Kol-
leg/-innen ein.
Konträr dazu sind die Wahrnehmungen, Bewertungen und Handlungen die-
ses Typs im Einsatzbetrieb einzustufen: Eine Zuständigkeit des dortigen Be-
triebsratsgremiums wird kategorisch ausgeschlossen; der Beschäftigte weist sich
selber eine desintegrierte Rolle hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung zu:
„Ich hab damit auch nichts zu tun. Das ist deren Betrieb. Und die haben einen
eigenen Betriebsrat“ (C-WV2; 255). Dieser Umstand erfährt jedoch keine nega-
tive Bewertung. Es werden zudem weder Erwartungen, noch Wünsche an die be-
triebliche Mitbestimmung des Einsatzbetriebs geäußert, die nicht erfüllt sind.
Vielmehr findet eine bewusste Distanzierung von der betrieblichen Mitbestim-
mung und jeglichen Mitbestimmungsrechten im Einsatzbetrieb statt. Wenig
überraschend schließt der Beschäftigte C-WV2 jeglichen Kontakt zum Einsatz-
betriebsrat aus. Hervorzuheben ist aber in diesem Zusammenhang, dass er sich
damit vorwiegend auf seine Rolle als Betriebsratsmitglied bezieht:
„Nee. Darf ich auch nicht. […] Mit dem Betriebsrat haben wir nichts zu tun. […]
Wir kümmern uns um unsere eigenen Mitarbeiter. […] Und hier, was beim Kunden
geschieht, das ist deren eigene Welt. Man muss sich das so vorstellen: Wir sind so
wie Fliesenleger in einem fremden Zuhause.“ (C-WV2; 205-207)
Die institutionellen Grenzziehungen zwischen Einsatz- und Werkvertragsunter-
nehmen werden bei diesem Typus demnach bei der betrieblichen Mitbestim-
mung konsequent nachvollzogen.
164 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Der/die autarke Werkvertragsarbeitnehmer/-in

Dem Typus des bzw. der Autarken konnten acht Werkvertragsarbeitnehmer/-


innen82 des Samples zugeordnet werden. Charakteristisch für die autarken Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen ist, dass die betriebliche Mitbestimmungssituation
weder im Einsatz-, noch im Entsendebetrieb als prekär wahrgenommen bzw.
bewertet wird. Sie äußern diesbezüglich weder Erwartungen, noch Wünsche, die
nicht befriedigt sind. Vielmehr findet eine bewusste Abgrenzung von der betrieb-
lichen Mitbestimmung allgemein bzw. jeglichen Mitbestimmungsrechten im
Einsatzbetrieb statt. So schließt dieser Typ eine Zuständigkeit des Einsatzbe-
triebsrats für sich konsequent aus, wie die folgenden Zitate beispielhaft belegen:
„Und hier bei [Betrieb A] ist Mitbestimmung für einen Fremdarbeiter nichts. Das
ist kategorisch ausgeschlossen. Das ist schlichtweg unmöglich.“ (A-WV2; 524)
„Also mein Betriebsrat ist halt in meiner Firma. Und ich denke mal dass/ Also ir-
gendwo muss man halt die Grenze ziehen.“ (C-WV1; 243)
Bis auf vereinzelte Gespräche auf der Arbeitsebene (etwa im Rahmen der ge-
meinsamen Verrichtung von Tätigkeiten oder von Smalltalk in der Pause) be-
steht kein Kontakt mit dem Einsatzbetriebsrat – dies wird auch nicht als nötig
erachtet:
„Nein. Nein, im Ernst. Nein. […] Mein Chef würde sagen: ‚Was ist los? Wieso gehst
du da hin?‘“ (A-WV1; 370-372)
„Nee. Wir haben in diese Richtung auch keine Ansprechpartner. Also vom Betriebs-
rat nicht, nee. Brauchen wir nicht.“ (D-WV1; 246)
Zwar wird eine Kontaktaufnahme zum Betriebsrat nicht von allen Beschäftigten
dieses Typus so kategorisch abgelehnt wie in den Beispielen A-WV1 und D-WV1.
Die übergreifende Haltung dieses Typus ist aber, dass der Betriebsrat nicht die
erste Anlaufstelle im Sinne einer Interessenvertretung darstellt, wie das folgende
Zitat von E-WV6 beispielhaft zeigt:

82 Es handelt sich dabei um A-WV1, A-WV2, B-WV1, B-WV2, C-WV1, D-WV1, E-WV3 und
E-WV6. Der Beschäftigte B-WV2 stellt hierbei einen Sonderfall dar. Er weist zwar die
gleichen Merkmalskombinationen (nicht-prekär | passiv im Einsatzbetrieb; nicht-prekär | passiv
im Entsendebetrieb) auf, weicht aber im Hinblick auf seinen biografischen Status massiv von
den übrigen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen dieses Typs ab. B-WV2 stammt aus dem
europäischen Ausland, arbeitet das erste Mal in einem deutschen Unternehmen und verfügt
über keinerlei Wissen hinsichtlich des Systems der betrieblichen Mitbestimmung – auch, weil
sein Einsatz erst seit weniger als vier Wochen andauert. Aufgrund dieses vom übrigen Sample
stark abweichenden Status wird dieser Fall nicht in die nachfolgende Analyse einbezogen.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 165

„Ja, dann würd ich mich in erster Linie an [Werkvertragsunternehmen], an meinen


Chef wenden. […] Aber man kann natürlich, wenn man welche kennt, im Vertrauen
da mal über gewisse Sachen sprechen vielleicht. Aber offiziell so ist das glaub ich
nicht mein Ansprechpartner im Moment.“ (E-WV6; 310)
Die Integration in die betriebliche Mitbestimmung ist von den Beschäftigten dieses
Typus nicht gewünscht oder wird als sinnlos erachtet. Sie nehmen nicht an Be-
triebsversammlungen teil und äußern diesbezüglich auch kein Interesse.83 B-WV1
würde beispielsweise auch bei einer expliziten Einladung nicht an der Betriebsver-
sammlung des Einsatzbetriebs teilnehmen.
„Diese Informationen sind eigentlich egal. Weil es, es hat nichts mit meiner Arbeit
zu tun. […] Es ist eigentlich reine Zeitverschwendung. Wenn ich mehr wissen will,
dann kann ich in's Internet gehen und gucken.“ (B-WV1; 302)
Ebenso würde die Teilnahme an Betriebsratswahlen im Einsatzbetrieb vom au-
tarken Typ nicht als vorteilhaft oder wünschenswert empfunden.
Hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung im Werkvertragsunternehmen
ist den Beschäftigten dieses Typs zunächst gemeinsam, dass dort jeweils – bis auf
zwei Ausnahmen (dies bezieht sich auf die Beschäftigten C-WV1 und E-WV3) –
kein Betriebsrat existiert bzw. diesbezüglich Unsicherheit besteht. Die Beschäftig-
ten ohne betriebliche Interessenvertretung im Werkvertragsunternehmen bewerten
ihre Mitbestimmungssituation allerdings auch hier nicht negativ oder als Miss-
stand. Vielmehr sind sie übereinstimmend der Auffassung, dass ein Betriebsrat für
sie nicht notwendig ist. Das folgende Zitat belegt diese Einstellung beispielhaft:
„Brauchen wir nicht. Wozu? Unsere Firma kommt wunderbar so klar. Bei so 'ner
großen Firma, klar. […] Es kann ja mal sein, dass Mitarbeiter unter sich nicht klar
kommen. Da muss es irgendjemand schlichten oder regeln halt. Oder halt, dass
durch 'nen Krankheitsfall oder sonst irgendwas, ne/ Das muss schon da sein. Aber
bei uns, 'ne kleine Firma, eigentlich nicht.“ (A-WV1; 395)
Von den autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen werden auch im Falle der
Existenz eines Betriebsrats im Werkvertragsunternehmen – wie etwa bei C-WV1
– keinerlei Defizite bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung wahrgenommen.

83 Zwei Ausnahmen hinsichtlich der Teilnahme an Betriebsversammlungen bilden die Fälle A-WV2
und D-WV1, die jeweils einmal eine solche Veranstaltung in der Vergangenheit besuchten. Bei
beiden Beschäftigten ist dies jedoch nicht als eine Aktivität im Sinne der betrieblichen Mitbe-
stimmung zu werten – vielmehr kann auf Grundlage des Interviewmaterials als Motivation die ge-
schlossene Teilnahme der Schichtbesetzung sowie generelle Neugierde ausgemacht werden. Die
Beschäftigten distanzieren sich im gesamten Interview zudem konsequent von der betrieblichen
Mitbestimmung und schreiben ihr keine persönliche Relevanz zu. Ein erneuter Besuch von Be-
triebsversammlungen ist aufgrund des fehlenden individuellen Nutzens nicht geplant. Somit sind
sie ebenfalls als passiv einzustufen.
166 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

„Also das Angebot ist hundertprozentig. Also da kann ich auch nicht sagen, dass
mir da irgendwas fehlt. Oder es mir nicht angeboten wird. Aber ich hab jetzt, wie
gesagt, auch keine Themen, womit ich dringend Gesprächsbedarf hätte.“ (C-WV1;
217)
Das passive Verhalten ist ein generelles, zentrales Merkmal des autarken Typus.
Eine Teilnahme an Betriebsratswahlen und -versammlungen im Werkvertragsun-
ternehmen wird vom Autarken – auch wenn die Möglichkeit gegeben ist – nicht
ausgeübt.84 Eine entsprechend geringe Rolle spielt der Kontakt zum Betriebsrat
des Werkvertragsunternehmens – selbst wenn, wie im Fall von C-WV1, eine
wöchentliche Sprechstunde angeboten wird.
„Der Betriebsrat gehört auch zu den Institutionen, wo ich eigentlich auch nicht viel
Kontakt zu suche.“ (C-WV1; 215)
„Nö. Gar nichts. Also, hat sich auch nicht gemeldet. Falls es den noch gibt, sag ich
mal so. Ich weiß, vor zwei Jahren hab ich mal einen Brief gesehen: Betriebsrat in
[Hauptstandort] ist Madame Soundso und Soundso, aber danach auch nie wieder
was von denen gehört.“ (E-WV3; 154)
Die Typenbezeichnung der autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen liegt in der
starken Betonung der Selbstvertretungsfähigkeit im Falle von Konflikten oder Be-
nachteiligungen begründet – sowohl im Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb,
weshalb sie dem Typus des/der distanziert-autarken Leiharbeitnehmers/Leihar-
beitnehmerin ähneln. Die Beschäftigten vertreten die Auffassung, dass sie nicht auf
eine betriebliche Interessenvertretung zur Lösung von Problemen angewiesen sind.
Ein Beispiel dafür ist der Beschäftigte D-WV1, der die Funktion eines Vorarbeiters
ausübt und somit selbst als Ansprechpartner für die seinem Werkvertragsunter-
nehmen zugehörigen Mitarbeiter/-innen fungiert:
„Den [Konflikt; VB] würd ich lösen. […] Erst mal irgendwie selber versuchen. Bis-
her hat das auch immer geklappt. Wir haben auch hier bei [Betrieb D] schon mit
Vorgesetzten sprechen müssen, weil's Konflikte gab. Aber es ist immer so gewesen,
dass wir es mit einem Gespräch lösen konnten. Und auch alle anderen Probleme, da
braucht ich keinen Betriebsrat zu. […] Definitiv nicht.“ (D-WV1; 244)
Die nicht vorhandene Bereitschaft, sich selber in den Betriebsrat des Werkver-
tragsunternehmens wählen zu lassen bzw. bezüglich einer Gründung aktiv zu
werden, ist in logischer Konsequenz ebenfalls kennzeichnend für den autarken

84 In Bezug auf eine eventuelle Betriebsratswahl ist bei C-WV1 zwar eine grundsätzliche Bereit-
schaft zur Teilnahme vorhanden; offen bleiben im Interview jedoch die Beweggründe. Auf-
grund seiner übrigen Aussagen, die stark von Abgrenzung und Betonung der Selbstaushand-
lung geprägt sind, kann es jedoch als unwahrscheinlich erachtet werden, dass Aktivitäten der
betrieblichen Mitbestimmung künftig einen größeren Raum in seinem betrieblichen Alltag ein-
nehmen werden.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 167

Typus. Dahinter steht vor allem die gering ausgeprägte Überzeugung hinsichtlich
eines Engagements:
„Das kam nie in Frage. Also selber wählen lassen/ Nicht so. Nee. Da muss man
auch so voll dahinter stehen und, ne, sich da, ich sag mal einsetzen für die ganzen
Themen. […] Man muss es wirklich wollen, denk ich. Und nicht einfach mal sagen:
Ich lass mich mal wählen.“ (E-WV6; 348)

Der/die prekäre, aktive Werkvertragsarbeitnehmer/-in

Zu den zentralen Merkmalen des Typus des bzw. der prekären Aktiven gehört die
Bewertung der Mitbestimmungssituation in mindestens einem Betrieb – Einsatz-
oder Werkvertragsunternehmen – als prekär. Darüber hinaus üben die entspre-
chenden Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in irgendeiner Form Aktivitäten in
Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung aus – sei es, indem sie in ihrem
Werkvertragsunternehmen an den diesbezüglichen Prozessen partizipieren, oder
indem sie im Einsatzbetrieb in Kontakt mit dem dortigen Einsatzbetriebsrat ste-
hen. Insgesamt weisen drei Werkvertragsbeschäftigte des Samples die genannten
Charakteristika auf (D-WV2, E-WV1 und E-WV4).
Der/die prekäre Aktive ist in zwei Subtypen zu untergliedern, die sich nach
der Schwerpunktsetzung der Beschäftigten auf eine Mitbestimmungsarena unter-
scheiden: Die Aktivitäten des/der prekären Ratsuchenden konzentrieren sich
ausschließlich auf den jeweiligen Einsatzbetrieb, während der/die prekäre Akti-
vist/-in im Werkvertragsunternehmen aktiv ist. Diese beiden Subtypen werden
im Folgenden separat detaillierter charakterisiert.

Der/die prekäre Ratsuchende

Dem/der prekären Ratsuchenden entsprechen die beiden Werkvertragsarbeit-


nehmer D-WV2 und E-WV1. Kennzeichnend für diesen Typus ist der dringliche
Wunsch nach einer Integration in die betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbe-
triebs. Auffällig ist dabei insbesondere das Gefühl einer Diskriminierung im Ver-
gleich zu den Leiharbeitsbeschäftigten, wie der folgende Interviewausschnitt
zeigt:
„Also ich arbeite genauso drei Monate85 hier wie 'n Zeitarbeiter. Also ich würde da
keinen Unterschied sehen. […] Ob da jetzt vorsteht, dass der Werkvertragler ist oder

85 Der Beschäftigte bezieht sich mit „drei Monate“ auf das Wahlrecht von Leiharbeitnehmer/-
innen ab einer Einsatzdauer von drei Monaten. Seine eigene Einsatzzeit in Betrieb D beträgt
mehrere Jahre.
168 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Zeitarbeiter. Ich arbeite ja trotzdem in diesem Betrieb mit. […] Die Bestimmung über
den Betriebsrat wär natürlich noch mal was, was man erstreben sollte.“ (D-WV2;
337-339)
Bei E-WV1 wird das Diskriminierungsempfinden deutlich, als er nach seiner
Meinung in Bezug auf die Wahlrechte von Leiharbeitnehmer/-innen im Einsatz-
betrieb gefragt wird: „Das finde ich diskriminierend. Scheiße. Wir machen die
gleiche Arbeit für das gleiche [Produkt]. Leisten was“ (E-WV1; 488). Die Ex-
klusion von der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb stellt für die
Beschäftigten dieses Subtyps eine relative Abwertung der individuellen Arbeits-
kraft und -leistung dar. Dies mündet in einem starken Bedürfnis nach einer In-
tegration in die Mitbestimmungsprozesse des Einsatzbetriebs. E-WV1 wünscht
sich beispielsweise eine/-n Ansprechpartner/-in und würde es begrüßen, wenn
der Betriebsrat von Betrieb E diese Rolle, und damit auch die offizielle Zu-
ständigkeit für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen übernehmen würde:
„Natürlich, wenn der Betriebsrat von [Betrieb E] es übernimmt, okay. Dann bin ich
ganz zufrieden. (...) Dann brauchen wir nicht den eigenen und kämpfen. Dann kön-
nen wir verzichten.“ (E-WV1; 490)
Wenig überraschend verorten sich die Beschäftigten dieses Typs klar in der Rolle
des Outsiders in der betrieblichen Mitbestimmung des Einsatzbetriebs: „Hab ich
kein Recht. […] Also zumindest hier bei [Betrieb D] hab ich […] kein Recht da-
rauf, irgendwie, irgendwas zu wählen oder mich aufstellen zu lassen“ (D-WV2;
329).
Charakteristisch ist für den/die prekären Ratsuchenden allerdings, dass
er/sie – trotz des Bewusstseins darüber, dass der Einsatzbetriebsrat nicht für
ihn/sie zuständig ist – in regelmäßigem Kontakt zu Betriebsratsmitgliedern steht,
um Beratungen einzuholen. Damit schöpft dieser Typus seine gegebenen Hand-
lungsmöglichkeiten im Einsatzbetrieb als Werkvertragsarbeitnehmer/-in weitest-
gehend aus und ist dementsprechend als aktiv einzuordnen. E-WV1 wendet sich
beispielsweise zwecks Einholung von Auskünften in arbeitsrechtlichen Fragen,
etwa bei Änderungen seines Arbeitsvertrages, an den Einsatzbetriebsrat. Die
Kontaktaufnahme erfolgt nach Arbeitsende oder telefonisch; auch weil E-WV1
bei offener Durchführung dieser Handlungen Sanktionen seitens seines Arbeit-
gebers befürchtet: „Wenn unser Chef das hört, krieg ich Stress“ (E-WV1; 396).
Bei D-WV2 nehmen die gesundheitsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes
sowie der Wunsch nach einer Übernahme in den Einsatzbetrieb einen zentralen
Raum im bestehenden Kontakt zum Einsatzbetriebsrat ein. Diesbezüglich finden
gemeinsame, strategische Überlegungen zwischen Beschäftigtem und Betriebs-
ratsmitgliedern statt, um einen potenziellen Wechsel von D-WV2 in eine Festan-
stellung nicht zu gefährden.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 169

„Und dann hatte ich das mit [Betriebsratsmitgliedern] besprochen. Und so. Dann
sagten die: ‚Das ist gefährlich. Weil nachher merken die so: Da will jeder rein, wo-
für kein Platz ist. Kicken wir den mal raus, anstatt den zu behalten.‘“ (D-WV2; 283)
Ein weiteres zentrales Merkmal der prekären Ratsuchenden ist die weitestgehen-
de Inaktivität in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung im Werkvertragsun-
ternehmen. Allerdings sind bei den einzelnen Beschäftigten dieses Typs bei der
Bewertung der Mitbestimmungssituation im Werkvertragsunternehmen graduelle
Unterschiede festzustellen: Während E-WV1 diese als defizitär beurteilt, zeich-
net sich D-WV2 diesbezüglich überwiegend durch Desinteresse und einen gerin-
gen Informationsgrad aus. So ist sich D-WV2 über die Existenz eines Betriebs-
rats in seiner Werkvertragsfirma unsicher, weist aber zugleich keine Motivation
auf, diesbezüglich Informationen einzuholen: „Wie gesagt, es gab bisher noch
keinen Grund, da irgendwie nachzuhaken“ (D-WV2; 333). An die Stelle der
betrieblichen bzw. kollektiven Interessenvertretung tritt für ihn die individuelle
Selbstaushandlung im Werkvertragsunternehmen, denn für D-WV2 ist der Vor-
gesetzte des Werkvertragsunternehmens jederzeit und unproblematisch an-
sprechbar.86
Im Falle von E-WV1 existiert ein Betriebsrat am Hauptstandort des Werk-
vertragsunternehmens, nicht jedoch am Einsatzort.87 Dieser Umstand wird je-
doch als unzureichend empfunden:
„Wir haben keinen Betriebsrat. Doch, wir haben einen Betriebsrat in [Hauptstand-
ort des Werkvertragsunternehmens]. Aber hier am Ort gibt's keinen. Solche Kleinig-
keiten, wie Nachfragen, bestimmte Infos, die kriegen wir nicht.“ (E-WV1; 52)
Dem Beschäftigten fehlt daher erstens ein persönlicher Ansprechpartner vor Ort,
so dass die advokatorische und informatorische Funktion des Betriebsrats als
nicht erfüllt angesehen wird. Zweitens nimmt der Beschäftigte die Überwachung
von Regeln und Gesetzen im Werkvertragsunternehmen mangels eines örtlichen
Betriebsrats als defizitär wahr.
„Aber die Vorgesetzten, die behandeln uns nicht so toll. Zurzeit haben wir keinen
Betriebsrat. Gar nichts. Wir haben einen Vertrag für 39 Stunden arbeiten. Aber die
zwingen uns: ‚Ihr müsst um fünf Uhr anfangen.‘ Oder: ‚Ihr müsst Samstag arbei-
ten.‘“ (E-WV1; 47)

86 „Also mein Vorgesetzter bei [Werkvertragsunternehmen], der sich um meine ganze Belange
kümmert. Den würd ich dann immer direkt als erstes ansprechen. und dann würde er mich je-
weils daraufhin verweisen, wo ich dann wirklich hinmüsste. Oder er kümmert sich direkt um
mich.“ (D-WV2; 311)
87 Unklar ist, ob der Betriebsrat rechtlich tatsächlich zuständig wäre, da die exakte Unterneh-
mensstruktur des Werkvertragsunternehmens unbekannt ist. Für die Analyse der Wahrneh-
mung und Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation ist dies allerdings irrelevant.
170 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Auch die Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz ist demnach aus Per-
spektive des Beschäftigten nicht gegeben. Eine individuelle Selbstvertretung der
Beschäftigten wird jedoch aufgrund des autoritären Verhaltens der Geschäftsfüh-
rung ausgeschlossen. Dies zieht den Wunsch nach einem örtlichen Betriebsrat
nach sich: „Also das fehlt bei uns. Aber nicht jeder ist in der Lage, zum Chef zu
gehen. […] Weil der ist ein Typ, der macht viel Druck“ (E-WV1; 368). Die
grundsätzliche Bereitschaft, im Werkvertragsunternehmen eine Betriebsrats-
gründung zu initiieren88, wird von E-WV1 allerdings nicht in konkrete Handlun-
gen umgesetzt; er verbleibt wie D-WV2 passiv und sucht auch nicht den Kontakt
zum bestehenden Gremium.

Der/die prekäre Aktivist/-in

Der/die prekäre Aktivist/-in zeichnet sich dadurch aus, dass er/sie sowohl die
betriebliche Mitbestimmungssituation im Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb
als defizitär bewertet. Eine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung
erfolgt ausschließlich im Entsendebetrieb, indem dort gemeinsam mit anderen
Beschäftigten die Gründung eines Betriebsratsgremiums vorangetrieben wird.
Dieser Typus wird durch den Werkvertragsarbeitnehmer E-WV4 repräsentiert.
Zentral bei diesem Typus ist der Wunsch der Erfüllung einer advokatori-
schen Funktion für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen durch den Einsatzbe-
triebsrat. Der Werkvertragsarbeitnehmer E-WV4 empfindet insbesondere im di-
rekten Vergleich zu den Leiharbeitnehmer/-innen des Einsatzbetriebs eine Be-
nachteiligung bezüglich der betrieblichen Interessenvertretung und wünscht sich
eine Inklusion in diese:
„Wenn wir alle einen Betriebsrat haben, das wäre schön. Der sich natürlich dann
auch mit uns beschäftigt. Auch wenn wir vielleicht nicht unbedingt zu [Betrieb E]
gehören. Aber ob das so rechtlich ist, weil wir ja arbeiten ja schließlich/ Obwohl.
(...) Die Leiharbeiter von [Leiharbeitsfirma] arbeiten ja auch für [Betrieb E]. Wir
machen dasselbe in Grün. Wir stehen zwei Meter neben denen und stellen die Kiste
an 's Band.“ (E-WV4; 157)
Der Informationsgrad des Beschäftigten E-WV4 ist vergleichsweise hoch; er ist
exakt über die Zuständigkeiten des Einsatzbetriebsrats informiert:
„Sicherlich kann man da irgendwelche Informationen oder Unterstützung erwarten.
Aber einem helfen, glaub ich nicht, dass der Betriebsrat das (unv.). Es ist ein klipp
und klarer Werkvertrag, der da gemacht wird. Und das sind zwei getrennte Firmen.
Punkt, Schluss, Aus.“ (E-WV4; 99)

88 „Ich bin bereit sozusagen. Das ist eine gute Sache.“ (E-WV1; 412)
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 171

Das „Helfen“ wird offensichtlich von dem Beschäftigten als genuine Aufgabe
des Betriebsrats empfunden, welche aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingun-
gen ihm gegenüber nicht erfüllt werden kann. Speziell der Betriebsrat des Ein-
satzbetriebs stellt für ihn eine einflussreiche Institution dar, die er wie folgt cha-
rakterisiert: „Der Betriebsrat, wenn der hustet, dann hat die Firma Erkältung“
(E-WV4; 45). Betonung finden hier insbesondere die Handlungs- und Gestal-
tungsoptionen des Betriebsrats im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen (Ord-
nungs- und Partizipationsinstanz). Insgesamt wünscht sich der Beschäftigte eine
uneingeschränkte Integration in die betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbe-
triebs:
„Wenn wir zu diesem Betriebsrat hier dazu gehören würden, […] das wär 'ne super
Sache. Je mehr sich hier organisieren, desto mehr Einfluss kann man haben.“ (E-
WV4; 155)
Bei diesem Subtypus sind keine Aktivitäten im Einsatzbetrieb festzustellen; er
verbleibt in den durch den rechtlichen Rahmen vorgesehenen Handlungsoptio-
nen. Kontakt zum Einsatzbetriebsrat besteht nur auf Arbeitsebene oder in infor-
mellen Situationen.89 Das Gremium stellt – wenngleich der Wunsch danach
besteht – keine Anlaufstelle im Falle eines Problems dar; stattdessen wird auf die
Selbstaushandlung zurückgegriffen („Alle Probleme hab ich leider immer selber
geklärt.“ (E-WV4; 117)). Eine Teilnahme an den Betriebsratswahlen und Be-
triebsversammlungen ist dem Beschäftigten schon allein aufgrund der rechtli-
chen Rahmenbedingungen nicht möglich. Die folgende Aussage von E-WV4 un-
terstreicht, wie sehr dies zu einem Gefühl der Exklusion führen kann:
„Nee. Werden wir nicht zu eingeladen. Dürften glaub ich auch gar nicht dran teil-
nehmen. Wir dürfen ja nicht mal in die Nähe mit dem Stapler fahren, weil sie ja
Krach machen könnten. So viel zum Thema Verhältnis.“ (E-WV4; 167)
Auch in seinem Werkvertragsunternehmen bewertet dieser Subtypus die betrieb-
liche Mitbestimmungssituation als prekär. E-WV4 arbeitet seit mehreren Jahren
in einer Niederlassung, in der – im Gegensatz zum Hauptstandort des Unterneh-
mens – kein örtlicher Betriebsrat vorhanden ist. Dem Betriebsrat der Zentrale90
wirft der Beschäftigte eine bewusste Ignoranz und die Verletzung seiner eigentli-
chen Aufgaben vor:
„Was wir allerdings haben, ist dass der Firmenhauptsitz in [Stadt] ist. Und die ha-
ben wohl einen Betriebsrat. Nur dieser Betriebsrat will nichts mit uns zu tun haben,

89 „Persönlich ja. Moin sagen, oder hallo, wenn man sich unten trifft.“ (E-WV4; 101)
90 Unklar ist auch in diesem Fall, ob der Betriebsrat rechtlich tatsächlich zuständig wäre, da die
exakte Unternehmensstruktur unbekannt ist.
172 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

hier in [Stadt]. Die halten sich nicht hier für zuständig. Obwohl's eigentlich dieselbe
Firma ist.“ (E-WV4; 111)
Die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär manifes-
tiert sich in diesem Fall vorwiegend in den enttäuschten Erwartungen, die an das
Betriebsratsgremium gerichtet sind. Ihm wird die Aufgabe zugesprochen, die
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu unterstützen und Einfluss zu nehmen (ad-
vokatorische Funktion bzw. Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz) –
die tatsächlichen Handlungen des Betriebsrats werden jedoch als gegenläufig
empfunden. Ein Versuch der Kontaktaufnahme ist nach Auffassung von E-WV4
beispielsweise aufgrund der verweigernden Haltung des Betriebsrats gescheitert:
„Wir haben's versucht. Aber die haben kein Interesse, hier hinzukommen und zu
sagen: So und so geht's. Und so und so läuft's“ (E-WV4; 113). Ein Repräsentati-
onsgefühl durch das existente Gremium ist somit nicht gegeben – auch, weil
keine Integration in die dortigen Prozesse der betrieblichen Mitbestimmung
geschieht. E-WV4 verfügt beispielsweise weder hinsichtlich Betriebsratswah-
len91 oder -versammlungen, noch bezüglich etwaiger Sprechstunden o.ä. über
Informationen. Dies resultiert in einem starken Wunsch nach einem örtlichen
Betriebsrat:
„Es fehlt hier definitiv ein Betriebsrat in der Firma, der auch mal dem Chef seine
Grenzen im Rahmen der Möglichkeiten sagt. Bis hierhin und nicht weiter. Weil die
können mit uns machen, was sie wollen.“ (E-WV4; 119)
Die Handlungen dieses Typus sind durch sein Bestreben, gemeinsam mit seinen
direkten Kolleg/-innen und mit Unterstützung der örtlichen Gewerkschaft einen
Betriebsrat in seinem Betriebsteil des Werkvertragsunternehmens zu gründen,
gekennzeichnet. Aus seiner vergleichsweise starken Prekaritätswahrnehmung
resultiert für ihn die folgende Handlungskonsequenz: „Dann müssen wir's halt
selber machen“ (E-WV4; 115). Die grundsätzliche Motivation zur Organisierung
ist vorhanden und wird aktiv vorangetrieben. (Noch) hat der Beschäftigte jedoch
leichte Zweifel an einer eigenen Betriebsratskandidatur. Ausschlaggebend ist
dabei vor allem die ausgeprägte Autorität der Geschäftsführung gegenüber den
Beschäftigten. So reagierte der Vorgesetzte auf das Vorhaben mit der Bemer-
kung, eine Betriebsratsgründung könnte die Streichung von Arbeitsplätzen nach
sich ziehen:

91 Möglicherweise greift diesbezüglich § 4 Abs. 1 BetrVG, nach der für die betroffenen Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen die Möglichkeit bestünde, an der Wahl des vorhandenen Betriebsrats
am Hauptsitz teilzunehmen. Einer Teilnahme muss aber ein formloser Beschluss der Arbeit-
nehmer/-innen der Niederlassung oder die Veranlassung vom Betriebsrat des Hauptbetriebs vo-
rausgehen. Beide Optionen werden hier anscheinend nicht genutzt.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 173

„[M]uss ich mir noch überlegen, weil das ist ein ganz schönes, hartes Stück Arbeit
dann. Das ist nicht mal eben so gemacht. Denn, ich sag mal, die Firma [Werkver-
tragsunternehmen] lebt davon, keinen Betriebsrat zu haben. […] 'Ne direkte Kolle-
gin von mir, mit der ich zusammenarbeite, die ging dann zum Chef hin und erzählte,
dass wir vorhaben, hier einen Betriebsrat zu gründen. Da sagte er mit eigenen Wor-
ten, dass er das für sehr riskant hält. Weil sonst die Firma [Werkvertragsunterneh-
men] hier erhebliche Probleme kriegt. Um wirtschaftlich hier zu arbeiten.“ (E-WV4
37-39)
Einen weiterhin problematischen Aspekt sieht E-WV4 in seiner Position des
leitenden Angestellten:
„Und das ist da so ein bisschen, ja, zwei Stühle hätt ich beinahe gesagt. […] Das
wird sich ein bisschen beißen. Entweder mach ich zu hundert Prozent den Betriebs-
rat. Dann steh ich auch dazu. Oder halt das andere.“ (E-WV4; 85-87)
Trotz dieser Befürchtungen tendiert er jedoch aufgrund seines dringlichen Wun-
sches nach einem Betriebsrat dazu, sich für die Betriebsratswahl aufstellen zu
lassen: „Ich tendiere eher in Ja. […] Dass ich mich wählen lasse. Es MUSS was
passieren“ (E-WV4; 91-93).

Der/die prekäre Konforme

Charakteristisch für den/die prekäre/-n Konforme/-n ist, dass im Einsatzbetrieb


eine Ausgrenzung von der betrieblichen Mitbestimmung empfunden wird und
die Bewertung der Mitbestimmungssituation somit als prekär eingestuft werden
kann. Allerdings verbleibt dieser Typus – im Gegensatz zum prekären Ratsu-
chenden – in seinen Handlungen konform und damit innerhalb der gesetzlichen
Rahmenbedingungen, d.h. es werden keine Aktivitäten abseits des vorgegebenen
Rahmens durchgeführt. Die betriebliche Mitbestimmung im Entsendebetrieb
wird hingegen als nicht notwendig erachtet. Dort wird die individuelle Selbstver-
tretung präferiert; die Handlungen sind durch Passivität geprägt. Diesem Typus
konnte ein Werkvertragsarbeitnehmer zugeordnet werden: E-WV5.
Zentrales Merkmal des/der prekären Konformen ist der Wunsch nach einem
Ansprechpartner im Einsatzbetrieb. Diese advokatorische Funktion soll im Falle
von E-WV5 vom Einsatzbetriebsrat erfüllt werden, indem er sich im Falle von
Problemen den Belangen der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen annimmt.
„Also solche Sachen find ich halt traurig. […] Da müsste man das mal anders or-
ganisieren, dass man jemanden hat, der auch die Externen mitbetreut. Und der sich
dann auch dementsprechend vorstellt und sagt: ‚So, wenn das und das ist, oder in
dem Bereich, dann können wir euch weiterhelfen.‘ Also ich fände das schon ganz
wichtig.“ (E-WV5; 327)
174 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Hintergrund dieser Forderung ist ein Erlebnis im Kontext von Problemen des
Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz, nach der „die Externen wirklich mit allem
auf sich alleine gestellt sind“ (E-WV5; 313). Das Gremium ist hier demnach
weniger in Bezug auf normative Aspekte wie die Überwachung von Arbeitsbe-
dingungen, sondern eher im Hinblick auf die moralische und „menschliche Seite“
relevant, wie im folgenden Abschnitt deutlich wird:
„Das eine ist ja, die Gesundheitsgefährdung. Da muss ja derjenige, der dafür, für
die Gebäude und so diesbezüglich verantwortlich ist, der ist dann da in der Pflicht.
Aber es gibt ja auch diese menschliche Seite. Dass man sich nicht drum kümmert.
Dass dann Leute alleine gelassen werden. Aber da denke ich mal dann, wäre es viel-
leicht der Betriebsrat, ne. Dass man jemanden hat, der einen unterstützt.“ (E-WV5;
317)
Sich selbst weist E-WV5 eine randständige Rolle in der betrieblichen Mitbestim-
mung des Einsatzbetriebs zu: „Aber, äh, also ich hab das Gefühl, dass der gar
nicht für uns zuständig ist. Dass wir da eigentlich rausfallen“ (E-WV5; 325).
Der/die prekäre Konforme übt – entsprechend der rechtlichen Rahmenbedin-
gungen – keine Aktivitäten in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung im Ein-
satzbetrieb aus. Bei den Betriebsversammlungen erfolgt ein Ausschluss der Werk-
vertragsbeschäftigten. Hinsichtlich der Betriebsratswahlen ist festzuhalten, dass E-
WV5 eine Teilnahme als Werkvertragsbeschäftigte als „unfair“ (E-WV5; 367)
gegenüber den Festangestellten empfinden würde. Die befragte Person spricht sich
selber das Wahlrecht ab, da sie als Werkvertragsarbeitnehmer mit gegebenenfalls
kurzer Einsatzzeit keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gremiums neh-
men möchte. Deutlich wird, dass in diesem Fall vornehmlich der Wunsch nach
einem/ einer Ansprechpartner/-in im Falle von Problemen und nicht nach einer
langfristigen Beteiligung an Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung im origi-
nären Sinne im Vordergrund steht. Die advokatorische Funktion des Betriebsrats
nimmt hier also eine besonders wichtige Rolle ein. Bei der Zusprechung eines
entsprechenden Wahlrechts für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen würde E-WV5
dies jedoch auch nicht verfallen lassen:
„Ja, ich wähle immer. […] Wählen ist Pflicht. Weil ich denke, das sind so Rechte,
da haben Leute für gekämpft. Und dann muss sich damit auch auseinandersetzen.
Dann würd ich mich damit auch beschäftigen. Dann würd ich das auch machen.“
(E-WV5; 371)
Kontakt zum Einsatzbetriebsrat besteht bei diesem Beschäftigtentypus nur auf
Arbeitsebene oder in informellen Situationen. Das Gremium stellt – wenngleich
der Wunsch danach besteht – entsprechend der gesetzlichen Rahmenbedingun-
gen keine Anlaufstelle im Falle eines Problems dar; stattdessen wird gezwun-
genermaßen auf die Selbstaushandlung zurückgegriffen.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 175

Konträr zur Haltung im Einsatzbetrieb stellt dieser Typus in Bezug auf das
Werkvertragsunternehmen die individuellen Selbstvertretungsfähigkeiten hervor,
die ein Betriebsratsgremium als nicht notwendig erscheinen lassen. E-WV5
macht dies insbesondere durch eine Abgrenzung zu den eigenen Werkvertrags-
kolleg/-innen deutlich. Während für diese einen Betriebsrat wünschenswert sei92,
benötigt E-WV5 selber keine betriebliche Interessenvertretung. Dies zeigt sich
auch bei der Frage nach der Motivation, ggf. selbst für eine Betriebsratsgründung
im Werkvertragsunternehmen einzutreten:
„Und, äh, also ich setz mich gerne für andere ein, aber ich würd das [eine Betriebs-
ratsgründung; VB] jetzt auch nicht […] wahrnehmen, weil ich kann ja meine Positi-
on vertreten. Wenn ich meine, da funktioniert irgendwas nicht, dann sag ich ihm
[dem Vorgesetzten; VB] das.“ (E-WV5; 349)

8.3.2 Zentrale Wirkungszusammenhänge der Werkvertragsarbeitnehmer/-


innentypen

In diesem Unterkapitel erfolgt – der Vorgehensweise der Leiharbeitnehmer/-in-


nentypologie folgend – die Analyse der zentralen Wirkungszusammenhänge der
einzelnen Typen der Werkvertragsbeschäftigten. Die zentralen Bedingungen für
die Situationsdefinitionen und Handlungen werden auch hier jeweils anhand von
Grafiken visualisiert.

8.3.2.1 Der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Dieser Typus ist in die betriebliche Mitbestimmung des Werkvertragsunterneh-


mens integriert und kommt zu einer Bewertung der dortigen Mitbestimmungssi-
tuation als nicht-prekär. Von jeglichen Prozessen der Interessenvertretung im
Einsatzbetrieb distanziert er sich hingegen. Eine tragende Rolle zur Erklärung
des Umgangs des/der integrierten Werkvertragsarbeitnehmers/-in mit den zwei
Mitbestimmungsarenen spielen als innere Bedingungen insbesondere eine hohe
Mitbestimmungsaffinität, der biografische Status als externer Beschäftigter so-
wie das Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertragsunternehmen. Als äußere Be-
dingung ist einerseits die Existenz eines Betriebsrats im Werkvertragsunterneh-

92 „Ich glaube, dass es für manche von meinen Kollegen schon ganz gut wäre, wenn die 'nen
Sprecher hätten. Ne. Weil da auch Sachen chaotisch laufen und die laufen auch chaotisch, weil
die das im Hintergrund immer sagen, aber nach vorne, wenn's dann an die Vorgesetzten ist,
nicht richtig ausdrücken können. Oder: ‚Alles gut, alles gut.‘ Und das dann lieber runter-
schlucken, bevor sie da Ärger kriegen.“ (E-WV5; 337)
176 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

men ausschlaggebend für eine nicht-prekäre Situationsdefinition. Andererseits


sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu betrachten, die jegliche Aktivitäten
im Einsatzbetrieb verhindern und zugleich eine bewusste Abgrenzung von der
dortigen betrieblichen Mitbestimmung bewirken (vgl. dazu die nachfolgende
Abbildung).

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Existenz eines Betriebsratsgremiums im Werkvertragsunter-
nehmen

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der
 hohe Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-
 biografischer Status
bestimmung im
 kein Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbe-
Werkvertragsunter-
trieb
nehmen
 Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertrags-
unternehmen

Orientierung

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs-


Handeln in Bezug auf
situation im Einsatzbetrieb als nicht-prekär
die betriebliche Mitbe-
(distanziert)
stimmung:
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Beteiligung im Werk-
situation im Werkvertragsunternehmen als Handlungs-
vertragsunternehmen;
nicht-prekär (integriert) wahl
keine Beteiligung im
Einsatzbetrieb

Abbildung 14: Der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Auffällig beim Integrierten ist zunächst die hohe Mitbestimmungsaffinität. Die


Institution der betrieblichen Mitbestimmung ist für den Beschäftigten (nicht erst
seit seiner Beschäftigung als Werkvertragsarbeitnehmer93) subjektiv sehr rele-

93 C-WV2 verfügt über eine ausgeprägte Mitbestimmungssozialisation: „Also Fachschaft, dann


beim Akademischen Senat und dann bist du Betriebsrat. […] Also ich setze mich wirklich für
die Leute ein, die sich nicht wehren können“ (C-WV2; 271-275). Hervorzuheben ist jedoch,
dass der Beschäftigte trotz seiner biografischen Prägung im Hinblick auf Mitbestimmung kein
Gewerkschaftsmitglied ist, da Unklarheiten über die Zuständigkeiten für Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen bestehen: „IG Metall ist für die Metallbauer. Verdi ist für andere. Wo sollen
wir hin? Die Dienstleister, wo wir zwischen allen Stühlen stehen. Wer kann sich um uns küm-
mern?“ (C-WV2; 265).
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 177

vant – sowohl für ihn persönlich, als auch auf kollektiver Ebene, wie das folgen-
de Zitat zeigt:
„Ich hab gesehen, die Leute brauchen eine Vertrauensperson. Öfters mal ist es lei-
der Gottes so, es hängt von den disziplinarischen Vorgesetzten ab, ob du denen ver-
trauen wirst oder nicht. Es gibt so Fälle, wo man denen nicht vertraut. Und […] der
Betriebsrat, okay, wenn du ein Problem hast, dann leiten die das weiter, die disku-
tieren darüber. Die haben mehr Ahnung. Und dann bekommst du eine Antwort, ne.“
(C-WV-2; 227)
In einem engen Zusammenhang damit steht die generelle Beurteilung der Ar-
beitsbedingungen von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen und damit auch die des
eigenen biografischen Status. Wie im nächsten Zitat deutlich wird, sind nach
Ansicht von C-WV2 die Arbeitsbelastungen und Flexibilitätsanforderungen von
Werkvertragsbeschäftigten im Vergleich zu Festangestellten wesentlich höher.
„Die Konzerne sind wie große Tankerschiffe, ne. Die sind langsam und träge. Das
läuft bei denen. So. Die fahren von Deutschland oder irgendwie von Europa nach
Amerika und dann zurück. Ganz geregelt. Alles ist klar. Und die kleinen Firmen, die
sind wie kleine Motorboote, die müssen zusehen, wo die großen Schiffe sind. Immer
hin. Zurück. Und ganz schnell, ganz schnell. […] Wir müssen rasch sein. Wir müs-
sen flexibel sein. Wir müssen in der Lage sein, neue Sachen kennenzulernen, schnell
abarbeiten, wechseln, Projekte, Leute, Umfeld, Städte. Theoretisch müssen wir in
der Lage sein, das alles zu gewährleisten. Das, was die Konzerne nicht können,
müssen wir dann können. Damit verdienen wir unser Brot. […] Das heißt, wir müs-
sen viel schlauer, viel schneller, viel jünger, viel mächtiger als unser Kunde werden.
Wir müssen auch mehr können, wissen. Auch natürlich entsprechend für weniger
Geld, weil wir keine Tarifverträge haben.“ (C-WV2; 43)
Die Position von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – mit der er sich selbst auch
identifiziert – wird allgemein als „machtlos“ (C-WV2; 231) definiert, so dass in
Konsequenz die betriebliche Mitbestimmung sowie das Vorhandensein eines
Betriebsrats als potenzieller Ansprechpartner als relevant für diese Beschäftig-
tengruppe erachtet wird. Vor dem Hintergrund dieser inneren Bedingungen re-
flektiert der Beschäftigte die äußeren Bedingungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung im Werkvertragsunternehmen: Die Existenz eines Betriebsratsgremi-
ums im Werkvertragsunternehmen führt dazu, dass seine Ansprüche an die Inte-
ressenvertretung erfüllt sind. In Folge wird die betriebliche Mitbestimmungssitu-
ation in dieser Mitbestimmungsarena als nicht-prekär bewertet. Auch die Moti-
vation des Beschäftigten, sich selber im Betriebsratsgremium des Werkvertrags-
unternehmens zu engagieren, ist maßgeblich auf seine Mitbestimmungsaffinität
sowie auf seine Ansichten über die generelle Beschäftigungssituation von Werk-
vertragsbeschäftigten zurückzuführen. Jene Erfahrungen, die der Beschäftigte
dabei durch seine Betriebsratsmitgliedschaft sammelt bzw. sammelte, wirken
178 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

vermutlich verstärkend auf seine Einstellung gegenüber der betrieblichen Mitbe-


stimmung und die letztendliche Bewertung der Mitbestimmungssituation im
Werkvertragsunternehmen als nicht-prekär. Die räumliche Distanz zur Werkver-
tragsfirma scheint bei der Situationsdefinition und den Handlungen – anders als
bei den im vorigen Unterkapitel aufgeführten Typen der Leiharbeitnehmer/-inn-
en – keine beeinflussende Rolle zu spielen.
Gemäß seiner Mitbestimmungsaffinität und -sozialisation sowie durch seine
Tätigkeit als Betriebsratsmitglied ist der Informationsgrad von C-WV2 über die
betriebliche Mitbestimmung vergleichsweise hoch. Er ist über die rechtlichen
Rahmenbedingungen detailliert informiert und grenzt den Einsatz- und Entsen-
debetrieb – nicht nur im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung – gemäß
der Gesetzeslage exakt voneinander ab. Auffällig ist in diesem Zusammenhang
das starke Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertragsunternehmen. Der Beschäftig-
te identifiziert sich mit diesem und benennt seine Betriebszugehörigkeit klar:
„Also halt mit dem Kunden gerne, aber ich gehöre zu meiner Firma halt“ (C-
WV2; 165). Die bewusste Abgrenzung vom Einsatzbetrieb zeigt sich bei dem
Beschäftigten auch darin, dass er ihn ausschließlich als wirtschaftlichen Profiteur
von Werkvertragsarbeit begreift:
„Jetzt hört sich das ziemlich heftig an, ich muss aufpassen, was ich sage, aber im
Grunde genommen, Dienstleister ist so wie, so ähnlich wie so ein anderes Geschäft,
das von mehreren Frauen betrieben wird. (Lacht.) Ja. Das ist so. Du musst deinen
Kunden zufrieden stellen. Wie es dir geht, das ist egal.“ (C-WV2; 125)
Zu diesem geringen Zugehörigkeitsgefühl trägt zum einen bei, dass zu den Fest-
angestellten sowie zu den Leiharbeitnehmer/-innen des Einsatzbetriebs nur we-
nig Kontakt im betrieblichen Alltag besteht. Zum anderen aber werden im Inter-
viewverlauf materielle sowie immaterielle Differenzen – und dabei insbesondere
die rechtliche Abgrenzung der beiden Mitbestimmungsarenen in Einsatz- und
Entsendebetrieb – zwischen Werkvertragsbeschäftigten und Festangestellten
stark betont, so dass auch diesbezüglich von einem beeinflussenden Faktor auf
das Zugehörigkeitsgefühl ausgegangen werden kann.94 Die gesetzlichen Rah-
menbedingungen und die – unter anderem daraus folgende – bewusste Distanzie-
rung vom Einsatzbetrieb führen demnach bei diesem Typus dazu, dass die dorti-
ge betriebliche Mitbestimmung in den Hintergrund rückt bzw. irrelevant ist.
Jegliche Erwartungen, die seitens des Beschäftigten aufgrund seiner hohen Mit-

94 Anzumerken ist, dass C-WV2 trotz des geringen Zugehörigkeitsgefühls zum Einsatzbetrieb
gerne eine Festanstellung bei Betrieb C hätte. Ausschlaggebende Gründe dafür sind laut seinen
Aussagen neben dem potenziell höheren Gehalt „[…] auch die Möglichkeiten. Anerkennung,
Aufstiegsmöglichkeiten, dass man auch nach seiner Initiative auch an verschiedenen Standor-
ten arbeiten kann.“ (C-WV2; 179)
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 179

bestimmungsaffinität an die betriebliche Mitbestimmung gerichtet werden, wer-


den durch die Rahmenbedingungen des Werkvertragsunternehmens erfüllt.

8.3.2.2 Der/die autarke Werkvertragsarbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Für die autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist festzustellen, dass primär


die inneren Bedingungen einer grundlegend geringen Mitbestimmungsaffinität und
einer damit zusammenhängenden Präferenz der Selbstvertretung beeinflussend
darauf wirken, dass sie eine distanzierte Haltung zur betrieblichen Mitbestimmung
aufweisen und sich in keiner Mitbestimmungsarena beteiligen. Begünstigt wird
dies durch ein subjektiv positiv bewertetes Verhältnis zum bzw. zur Vorgesetzten
des Werkvertragsunternehmens. Zusätzlich sind bei ihnen ein stärkeres Zuge-
hörigkeitsgefühl zu ihrem Werkvertragsunternehmen und eine Distanzierung vom
Einsatzbetrieb festzustellen, die aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen
der betrieblichen Mitbestimmung verstärkt werden. Die nachfolgende Abbildung
verdeutlicht die Wirkungszusammenhänge des/der Autarken.

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Verhältnis zum/zur Vorgesetzten

Kognition

Innere Bedingungen:
Wenige Erlebnisse
 keine Mitbestimmungsaffinität
mit der
 Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertrags-
betrieblichen Mit-
unternehmen
bestimmung
 kein Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbe-
trieb
 biografischer Status
Handeln in Bezug auf
Orientierung die betriebliche Mitbe-
stimmung:

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Keine Beteiligung (we-


Handlungs- der im Einsatz-, noch
situation in beiden Mitbestimmungsarenen als
wahl im Entsendebetrieb);
nicht-prekär (distanziert)
Selbstvertretung

Abbildung 15: Der/die autarke Werkvertragsarbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge
180 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Zentral bei den autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist die distanzierte


Haltung zur betrieblichen Mitbestimmung, die mit einer sehr gering ausgepräg-
ten Mitbestimmungsaffinität verbunden ist. Der Beschäftigte C-WV1 hebt bei-
spielsweise hervor, dass er selbst im Falle einer gegebenenfalls ungerechtfertig-
ten Kündigung nicht die Hilfe des Betriebsrats in Anspruch nehmen würde:
„Wenn meine Firma mich kündigen würde, würde ich auch persönlich dagegen vor-
gehen. Also nicht zum Betriebsrat sagen: ‚Hier, die wollen mich kündigen, macht
mal was.‘ […] Also, die haben natürlich auch mehr Expertise als ich persönlich. Al-
lerdings nichts, womit ich mich nicht auch auseinandersetzen könnte.“ (C-WV1;
245)
Im Falle von Problemen wird von den autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen die eigene Verhandlungsposition als positiv bewertet und ausnahmslos die
individuelle Selbstvertretung gegenüber dem bzw. der Vorgesetzten präferiert.
Auffällig ist, dass von den Beschäftigten durchgängig von einem kooperations-
bereiten Verhalten der jeweiligen Vorgesetzten im Werkvertragsunternehmen
berichtet wird. Exemplarisch belegt dies der folgende Interviewausschnitt:
„Aber wenn wir irgendwas auf dem Herzen haben, dann kann man hier schon zum
Betriebsleiter gehen und sagen: ‚Versuch mal, was zu ändern.‘ Also den Kopf abrei-
ßen tut er einem nicht. Der versucht dann doch schon, in [Hauptstandort] irgendwas
in die Wege zu leiten, oder hier in [Standort], das was in seiner Macht steht, zu än-
dern. […] Und dementsprechend hat sich in den letzten Jahren schon echt einiges
zum Positiven geändert.“ (E-WV3; 224)
In Folge sehen die Autarken die Existenz eines Betriebsratsgremiums sowohl im
Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb als unnötig an. Die Selbstvertretungsstra-
tegie wird bei diesem Typus unabhängig von Aktivitäten eines etwaigen Be-
triebsrats im Werkvertragsunternehmen verfolgt, wie der bereits angeführte Be-
schäftigte C-WV1 beispielhaft zeigt. Der zuständige Betriebsrat seines Werkver-
tragsunternehmens bietet Sprechstunden auf dem Gelände des Einsatzbetriebs
an. Es besteht folglich die regelmäßige, niedrigschwellige Möglichkeit einer
Kontaktaufnahme, was zwar positiv beeinflussend auf die subjektive Wahrneh-
mung des Betriebsratsengagements für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, aber
offenbar nicht auf die Nutzung des Betriebsratsgremiums als Ansprechpartner
wirkt.
Die Autarken betonen, dass sie – den subjektiv hoch eingeschätzten Selbst-
vertretungsfähigkeiten entsprechend – bislang selten bzw. noch nie mit dem
Betriebsrat in Kontakt standen. Vergangene Erlebnisse mit der betrieblichen
Mitbestimmung, die die Einstellung gegenüber der betrieblichen Mitbestimmung
prägen könnten, spielen bei diesen Beschäftigten daher vermutlich nur eine sehr
untergeordnete bzw. gar keine Rolle.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 181

Auffallend ist zudem, dass die Präferenz der Selbstvertretung – anders als
bei den distanziert-autarken Leiharbeitnehmer/-innen – unabhängig vom Quali-
fikationsniveau und der beruflichen Stellung der Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen besteht. So sind sowohl Werkvertragsbeschäftigte mit Berufsausbildung,
als auch mit Hochschulabschluss diesem Typ zuzuordnen. Dies deutet darauf
hin, dass bei den autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen unter anderem das
bereits beschriebene, individuelle Verhältnis zum bzw. zur Vorgesetzten sowie
dessen/deren niedrigschwellige Ansprechbarkeit eine Rolle dabei spielen, ob
eine individuelle Selbstvertretung ermöglicht bzw. sich selbst zugetraut wird.
Im Einsatzbetrieb kommt hinzu, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen,
die eine Beteiligung an Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung ohnehin ver-
hindern, eine bewusste Abgrenzung auf Seiten der Beschäftigten forcieren (vgl.
dazu die in der Typencharakterisierung gezeigten Interviewausschnitte). In Folge
werden jegliche Beteiligungsformen an der betrieblichen Mitbestimmung von
vornherein ausgeschlossen. Besonders deutlich kann die distanzierte Haltung zur
betrieblichen Mitbestimmung am Beispiel der Beschäftigten A-WV1 und A-WV2
gemacht werden. Diese manifestiert sich bei ihnen insbesondere im Hinblick auf
die Leiharbeitnehmer/-innen des Einsatzbetriebes. Konfrontiert mit der Tatsache,
dass diese im Gegensatz zu ihnen an der Betriebsratswahl des Einsatzbetriebs
teilnehmen dürfen, antworten sie:
„Find ich okay. Bekommt der Leiharbeiter das Gefühl, dazu zu gehören. Ich hab das
Gefühl auf einer anderen Basis, dazu zu gehören. Und das ist für mich in Ordnung.
[…] Ich weiß nicht, was das für 'ne Wirkung haben sollte außer dieser positiven
Wirkung, dass er sich vielleicht dazugehörig fühlt. Verändern kann ein Fremdarbei-
ter oder äh, Zeitarbeiter nix. Und wenn ein Zeitarbeiter unangenehm, unbequem
wird, dann ist der sofort weg.“ (A-WV2; 544)
„Hab ich kein Problem mit. Ehrlich gesagt, finde ich gut sogar. Weil die geben de-
nen wenigstens so ein bisschen das Gefühl, so dass die hierher gehören, ne. […]
Dass ich hierher reingehöre, das weiß ich. […] Ich kenn die ganzen Meister hier.
[…] Ich fühle mich hier schon wie zuhause. Aber ich finde das gut, dass die Leihar-
beiter wenigstens jetzt anfangen, sich irgendwo wohler zu fühlen.“ (A-WV1; 397-
399)
Hervorgehoben wird dabei die – in der Wahrnehmung der Beschäftigten – ver-
gleichsweise untergeordnete Stellung der Leiharbeitnehmer/-innen, die als Nega-
tivschablone zur eigenen Position verwendet wird. Die betriebliche Mitbestim-
mung übernimmt aus ihrer Sicht eine Integrationsfunktion für die Leiharbeits-
kräfte, auf die sie selber jedoch aufgrund ihrer subjektiv hoch eingeschätzten
Selbstvertretungsfähigkeiten nicht angewiesen sind.
182 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

8.3.2.3 Der/die prekäre, aktive Werkvertragsarbeitnehmer/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Der/die prekäre, aktive Werkvertragsarbeitnehmer/-in untergliedert sich in zwei


Subtypen, die sich vorwiegend in ihrem Aktivitätsniveau in den beiden Mitbe-
stimmungsarenen unterscheiden. Diese unterschiedlichen Ausprägungen sind
anhand diverser Wirkungszusammenhänge zu begründen, welche im Folgenden
separat vorgestellt werden.

Der/die prekäre Ratsuchende: Zentrale Wirkungszusammenhänge

Für die Situationsdefinition und anschließenden Handlungen des/der prekären


Ratsuchenden sind diverse innere und äußere Bedingungen ausschlaggebend, die
in der nachfolgenden Abbildung dargestellt sind.

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen
 Handlungsstrategie des Einsatzbetriebsrats
 Verhältnis zum/zur Vorgesetzten im Werkvertragsunternehmen
 Nicht-Existenz eines (lokalen) Betriebsratsgremiums im Werkver-
tragsunternehmen

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der  hohe Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-  Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb
bestimmung im  biografischer Status
Einsatzbetrieb
Handeln in Bezug auf
Orientierung
die betriebliche Mitbe-
stimmung:

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Ratsuche beim Ein-


situation insbesondere im Einsatzbetrieb als Handlungs- satzbetriebsrat; keine
prekär wahl Beteiligung im Werk-
vertragsunternehmen

Abbildung 16: Der/die prekäre Ratsuchende: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Zentral bei dem bzw. der prekären Ratsuchenden ist zunächst die vergleichswei-
se stark ausgeprägte Mitbestimmungsaffinität. So sind beide Werkvertragsarbeit-
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 183

nehmer Gewerkschaftsmitglieder und weisen der betrieblichen Mitbestimmung


im Allgemeinen eine hohe, subjektive Relevanz zu:
„Eigentlich schon sehr wichtig. Also ich hab auch bei meiner alten Firma […] ge-
fragt: ‚Habt ihr überhaupt 'nen Betriebsrat?‘ […] ‚Sei bloß ruhig!‘ [Kommentar von
Kolleg/-innen; VB] Ich so: ‚Warum?‘ ‚Ja, wenn der das oben mitbekommt, dass hier
einer sein sollte/ Der drohte schon: Wenn ihr einen Betriebsrat gründet, dann schmeiß
ich hier so viele Leute raus, bis ihr keinen Betriebsrat mehr gründen dürft.‘ […] Ja,
und naja, eigentlich ist mir das schon sehr wichtig. Weil es muss immer was geben, wo
sich Arbeitnehmer auch mal, ja, Infos oder Rückhalt holen können.“ (D-WV2; 321 –
323)
Dieses Zitat verdeutlicht zugleich die mit der Mitbestimmungsaffinität verknüpf-
ten Erwartungen an einen Betriebsrat – insbesondere in Form der informatori-
schen und advokatorischen Funktion. Im Falle des/der prekären Ratsuchenden
werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung,
aber auch die „Mitbestimmungsrealität“ (das heißt die direkte Erfahrung eines
Ausschlusses von Mitbestimmungsprozessen, etwa Betriebsratswahlen oder -ver-
sammlungen) vor dem Hintergrund dieser genannten inneren Bedingungen re-
flektiert und in Konsequenz eine Diskriminierung bezüglich der betrieblichen
Mitbestimmung im Einsatzbetrieb wahrgenommen. Das Ungerechtigkeitsemp-
finden bezieht sich dabei auf die Festangestellten und Leiharbeitskräfte des Ein-
satzbetriebs, die sich – anders als Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – offiziell an
den Einsatzbetriebsrat wenden bzw. sich in die dortigen, institutionalisierten
Mitbestimmungsprozesse einbringen dürfen. Die Mitbestimmungssituation im
Einsatzbetrieb wird in Folge als prekär definiert. Darüber hinaus zeigt sich, dass
auch eine lange Einsatzdauer die Bewertung der Mitbestimmungssituation beein-
flussen kann: Das Exklusionsgefühl im Einsatzbetrieb wird bei E-WV1 dadurch
verstärkt, dass ihm seine betriebliche Mitbestimmungssozialisation als langjähri-
ger Festangestellter des Einsatzbetriebs einen direkten Vergleich zwischen seiner
jetzigen betrieblichen Mitbestimmungssituation im Werkvertragsunternehmen
und jener des Einsatzbetriebs ermöglicht. Die wahrgenommenen Mitbestim-
mungsdefizite treten durch die vorangegangenen Erfahrungen so stärker hervor.
Bei der Erklärung dafür, dass aus der prekären Situationsdefinition im Ein-
satzbetrieb trotz der institutionellen Grenzziehungen in Form von Gesetzen
Handlungen in Form von einer Kontaktaufnahme zum Einsatzbetriebsrat folgen,
sind im Falle der prekären Ratsuchenden mehrere, zentrale Bedingungen zu
identifizieren:
Erstens sind die Möglichkeiten der Kommunikationsaufnahme zwischen
den Beschäftigten dieses Subtyps und dem Einsatzbetriebsrat von Niedrig-
schwelligkeit gekennzeichnet. Für D-WV2 etwa sind Betriebsratsmitglieder auf-
184 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

grund gemeinsamer Arbeitsinhalte und Nutzung eines Gemeinschaftsbüros per-


manent ansprech- und erreichbar:
„Wenn dann sprech ich eigentlich immer direkt [Teamkollege und BR-Mitglied] an.
Weil er für mich praktisch die Bezugsperson ist. Der ist ja im Betriebsrat. Und wenn
der sowieso neben mir sitzt, dann frag ich eher ihn, anstatt hochzugehen. So. Für
mich ist praktisch der Betriebsrat links neben mir.“ (D-WV2; 295)
Die Erreichbarkeit des Betriebsratsgremiums im Werkvertragsunternehmen hin-
gegen erfordert aufgrund der räumlichen Distanz einen höheren Aufwand.
Bei beiden Beschäftigten spielt in diesem Zusammenhang zweitens der bio-
grafische Status eine Rolle, der von einer verhältnismäßig langen Tätigkeitsdau-
er im Einsatzbetrieb gekennzeichnet ist.95 Die persönliche Bekanntschaft mit den
Betriebsratsmitgliedern seit Beginn der jeweiligen Einsätze führt zu einem ver-
trauensvollen Verhältnis, was ebenfalls förderlich auf eine Kontaktaufnahme
wirken dürfte. Im Fall von E-WV1 etwa dauert das zur Zeit seiner Festanstellung
aufgebaute Vertrauensverhältnis zum Gremium offenbar auch über die Zeit als
Werkvertragsarbeitnehmer an, so dass dieses vertrauensvoll um Rat gefragt wird.
Drittens ist bei den prekären Ratsuchenden die generelle Strategie des je-
weiligen Einsatzbetriebsrats, sich trotz nicht-vorhandenen Mandats um etwaige
Anliegen von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu kümmern, eine zentrale Vo-
raussetzung für den bestehenden Kontakt. Der Einsatzbetriebsrat leistet aktiv
Hilfestellung für die Beschäftigten, so dass D-WV2 beispielsweise ihm gegen-
über sogar durchaus über ein – wohlgemerkt schwach ausgeprägtes – Repräsen-
tationsgefühl verfügt:
„Das weiß ich nicht. Ich denke mal. […] Also er würde sich wahrscheinlich für mich
einsetzen, ja. Aber vertreten würde mich wahrscheinlich eher [BR-Vorsitzender] oder
so.“ (D-WV2; 296-297)
Viertens spielt bei der Kontaktaufnahme zum Einsatzbetriebsrat die jeweilige
spezifische Motivation eine Rolle. Diese unterscheidet sich aber bei den einzel-
nen Beschäftigten dieses Subtyps. Im Falle von D-WV2 begründet sich die Mo-
tivation vorwiegend aus dem Wunsch nach einer Festanstellung im Einsatzbe-
trieb. Hintergrund dafür sind – wie zum Teil bereits bei den Leiharbeitnehmer/-
innen hervorgehoben – insbesondere Differenzen zwischen den Arbeitsbedin-
gungen der Festangestellten und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen.96 Das Ge-
such um Rat beim Einsatzbetriebsrat stellt für den Beschäftigten eine Möglich-
keit dar, die Übernahme voranzutreiben – abgesehen von dem Erbringen guter

95 Beide waren zum Zeitpunkt des Interviews seit mehreren Jahren als Werkvertragsbeschäftigte
im Einsatzbetrieb tätig; E-WV1 war zudem zuvor Festangestellter bei Betrieb E.
96 „Das hat für mich finanzielle Vorteile durchaus. Und auch, äh, wieder mehr Urlaubstage. Und
meine Arbeitszeit würde von vierzig auf fünfunddreißig runtergehen.“ (D-WV2; 121)
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 185

Arbeitsleistungen zeigt sich bei dem betroffenen Beschäftigten nämlich eine


Unsicherheit im Hinblick auf Übernahmestrategien: „Was kann ich machen,
außer sag ich mal zeigen, dass ich/ Hier bin ich, ich arbeite gut zu, ihr könnt
euch auf mich verlassen“ (D-WV2; 133).
Im Falle von E-WV1 hingegen forciert insbesondere die Wahrnehmung und
Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation im Werkvertragsunter-
nehmen als prekär die Kontaktaufnahme zum Einsatzbetriebsrat. Der Beschäftig-
te empfindet seine Arbeitsbedingungen aufgrund hoher Arbeits- und Flexibili-
tätsanforderungen sowie Überstunden als schlecht – ein Ansprechpartner in
Form eines Betriebsrats fehlt ihm jedoch, da sich das Betriebsratsgremium des
Werkvertragsunternehmens durch eine schlechte Erreichbarkeit auszeichnet.
Dazu kommt, dass aufgrund einer als stark empfundenen Machtasymmetrie zwi-
schen Beschäftigten und Arbeitgeber/-in die eigene Verhandlungsposition als
schwach eingeschätzt wird. In Konsequenz wird bei dem Beschäftigten das Be-
dürfnis nach einer kollektiven Interessenvertretung geweckt, welche als An-
sprechpartner fungiert und die Arbeitsbedingungen kontrolliert: „Es ist sehr
wichtig. Das fehlt auf jeden Fall“ (E-WV1; 432). Die Gründung eines lokalen
Betriebsrats im Werkvertragsunternehmen wurde von E-WV1 zwar in Erwägung
gezogen, diese Idee jedoch aufgrund der fehlenden, kollektiven Organisierung
unter den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sowie wegen rechtlicher Unsicher-
heiten97 wieder verworfen.
„Erst mal aufgegeben. […] Ich hab mit ein paar Leuten geredet. […] Die sind nicht
bereit. Die haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren, wenn der Chef was hört und so
weiter. Ob das gesetzlich machbar ist, so was, weiß ich nicht genau. Weil die haben
einen [Werkvertragsunternehmen]-Betriebsrat in [Standort der Zentrale des Werk-
vertragsunternehmens]. Ist ja ein verschiedener Ort.“ (E-WV1; 418)
Die bereits beschriebene Machtasymmetrie zwischen Beschäftigten und Vorge-
setzten führt zudem dazu, dass ein sanktionierendes Vorgehen bei einer Betriebs-
ratsgründung für wahrscheinlich gehalten wird. In Folge werden vom Beschäf-
tigten keine Aktivitäten – zum Beispiel in Form der Informationseinholung hin-
sichtlich der rechtlichen Unsicherheiten o. ä. – vollzogen und stattdessen der
Einsatzbetriebsrat in akuten Problemsituationen um Rat gebeten.
Schließlich ist zur Erklärung der Situationsdefinition und Handlung des/der
prekären Ratsuchenden das starke Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb zu
berücksichtigen. E-WV1 weist vor allem bedingt durch seine lange Betriebszu-
gehörigkeit mit vorheriger Festanstellung eine vergleichsweise starke, emotiona-

97 Die rechtliche Unsicherheit der Beschäftigten bezieht sich vermutlich auf § 4 Abs. 1 BetrVG,
wonach es sich für eine Betriebsratsgründung bei der Niederlassung um einen selbstständigen
Betriebsteil handeln muss.
186 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

le Bindung zum Einsatzbetrieb auf – obwohl er seine Tätigkeit (anders als viele
andere Beschäftigte dieses Samples) in Gemeinschaft mit direkten Kolleg/-innen
der Werkvertragsfirma verrichtet. Bei D-WV2 hingegen bestehen insgesamt
wenige Berührungspunkte mit der Werkvertragsfirma, weshalb das Zugehörig-
keitsgefühl zum Einsatzbetrieb stärker als zum eigentlichen Arbeitgeber ist:
„Naja, mehrere Jahre durchgehend hier arbeiten, das ist schon irgendwie so, als
wenn man hierhingehören würde“ (D-WV2; 239). Bei D-WV2 hat dies zur Fol-
ge, dass er der betrieblichen Mitbestimmung im Werkvertragsunternehmen –
trotz allgemein hoher Mitbestimmungsaffinität – keinerlei Relevanz zuweist.
Sein Informationsgrad ist sehr gering; zudem bestehen keine Ambitionen, sich
diesbezüglich weitere Informationen einzuholen. Insgesamt führt das Zugehörig-
keitsgefühl dazu, dass der Einsatzbetrieb – und damit auch die dortige, betriebli-
che Mitbestimmung – bei diesem Beschäftigtentypus im Vergleich zur Werkver-
tragsfirma im Mittelpunkt der Wahrnehmungen und Bewertungen stehen. In
Folge werden auch die entsprechenden Handlungsressourcen im Einsatzbetrieb
aufgewendet. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Handlungen
von E-WV1 dabei einen kompensatorischen Charakter aufweisen: Der Beschäf-
tigte versucht, die als prekär empfundene Mitbestimmungssituation im Werkver-
tragsunternehmen durch die Beratung des Einsatzbetriebsrats auszugleichen.
Aufgrund der Autorität der Geschäftsleitung des Werkvertragsunternehmens und
aufgrund rechtlicher Unsicherheiten wird es bevorzugt, die bereits vorhandenen
Kontakte zum Einsatzbetriebsrat vertrauensvoll zu nutzen und die rechtlich vor-
gesehenen Handlungsoptionen zu umgehen. Bei dem Beschäftigten D-WV2
stehen eher der Wunsch nach einer Übernahme und die niedrigschwellige Er-
reichbarkeit im Vordergrund der Handlungswahl. Trotz der Diversität der Be-
dingungen kommt es allerdings zu ähnlichen Handlungsselektionen in der Mit-
bestimmungsarena des Einsatzbetriebs.

Der/die prekäre Aktivist/-in: Zentrale Wirkungszusammenhänge

Für den prekären Aktivisten bzw. die prekäre Aktivistin sind eine Vielzahl von
Bedingungen zu identifizieren, anhand derer sich seine Wahrnehmungen, Bewer-
tungen und seine Handlungsselektion einer Betriebsratsgründung erklären lassen.
Dies spiegelt den Befund wider, dass Betriebsratsgründungen „höchst vorausset-
zungsvoll“ (Artus et al 2015: 26) sind. Hervorstechend bei dem/der prekären
Aktivisten bzw. Aktivistin sind insbesondere die äußeren Bedingungen der Soli-
darisierung der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sowie die Unterstützung durch
die lokale Gewerkschaft. Diese beiden Faktoren beeinflussen maßgeblich die
letztendliche Handlungsentscheidung, eine Betriebsratsgründung voranzutrei-
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 187

ben.98 Die genannten Wirkungszusammenhänge sind in Abbildung 17 visuali-


siert.

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Nicht-Existenz eines (lokalen) Betriebsratsgremiums im Werk-
vertragsunternehmen
 Verhältnis zum/zur Vorgesetzten im Werkvertragsunternehmen
 Solidarisierung unter den Beschäftigten
 Unterstützung durch lokale Gewerkschaft

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der  hohe Mitbestimmungsaffinität
betrieblichen Mit-  Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertrags-
bestimmung im unternehmen
Einsatz- und  biografischer Status
Entsendebetrieb
Handeln in Bezug auf
Orientierung die betriebliche Mitbe-
stimmung:

Streben nach Betriebs-


Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Handlungs- ratsgründung im Werk-
situation in beiden Mitbestimmungsarenen als wahl vertragsunternehmen
prekär

Abbildung 17: Der/die prekäre Aktivist/-in: Zentrale


Wirkungszusammenhänge

Zentral ist bei diesem Typ zunächst die insgesamt stark ausgeprägte Mitbestim-
mungsaffinität, die mit einer hohen subjektiven Relevanz betrieblicher Mitbe-
stimmung und einer Präferenz der kollektiven Interessenvertretung (gegenüber
individueller Selbstaushandlung) verbunden ist. Dies wird unter anderem deut-
lich, als der Beschäftigte von den Beweggründen seines Gewerkschaftsaustritts

98 Die Solidarisierung unter den Beschäftigten sowie die gewerkschaftliche Unterstützung als äu-
ßere Bedingungen werden – ebenso wie die übrigen strukturellen Rahmenbedingungen – durch
den Werkvertragsarbeitnehmer wahrgenommen und wirken möglicherweise auch verstärkend
auf die Bewertung der Mitbestimmungssituation als prekär ein (etwa, wenn ein/-e Gewerk-
schaftssekretär/-in oder auch die direkten Kolleg/-innen die Bewertungen des Beschäftigten
bekräftigen und damit die subjektive Situationsdefinition verstärken). In diesem speziellen Fall
weist das Interviewmaterial eher darauf hin, dass die genannten Bedingungen vorwiegend Ein-
fluss auf die Handlungswahl, nicht aber auf die Situationsdefinition als prekär nehmen. Es ist
jedoch nicht vollends auszuschließen, dass der entsprechende Beschäftigte einen Einfluss der
Gewerkschaft auf die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung schlicht nicht genannt hat.
188 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

erzählt, die mit einer Entlassungswelle bei einem seiner vorherigen Arbeitgeber
zusammenhängen:
„Und da hätt ich mir gewünscht, dass wir da mal richtig Zeichen setzen, dass es so
nicht geht. Dass wir [Ort] besetzen. Irgendwie so was. Mal richtig aufmerksam ma-
chen. Mal hier so 'n richtiges Chaos in [Stadt]. Wie in Frankreich.“ (E-WV5; 59)
In Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung betont der Beschäftigte insbeson-
dere die Wichtigkeit einer der originären Aufgaben eines Betriebsrats nach §80
BetrVG Abs. 1: Die Überwachung der zugunsten von Arbeitnehmer/-innen be-
stehenden Gesetze und Regelungen, welche nach Ansicht des Beschäftigten der-
zeit weder durch den Einsatz-, noch durch den Entsendebetriebsrat erfüllt wird.
Eine wichtige Rolle dabei spielt im Falle von E-WV5 auch sein biografischer
Status im Sinne seiner betrieblichen Mitbestimmungssozialisation: Seine mehr-
jährige Festanstellung im Einsatzbetrieb E – indem ein Betriebsrat vorhanden ist
– erlaubt es ihm, auf Basis persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen einen direk-
ten Vergleich der Mitbestimmungssituationen in Einsatz- und Werkvertragsun-
ternehmen zu ziehen. Beide bewertet er vor dem Hintergrund dieser inneren Be-
dingungen entsprechend als prekär.99 Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedin-
gungen der betrieblichen Mitbestimmung in Form des BetrVG ist es dem Be-
schäftigten nämlich einerseits verwehrt, sich an den Einsatzbetriebsrat zu wen-
den bzw. sich dort in die institutionalisierten Prozesse einzubringen. Andererseits
existiert in seinem Werkvertragsunternehmen kein (lokales) Betriebsratsgremi-
um, was diesen Ausschluss von der betrieblichen Mitbestimmung kompensieren
könnte.
Statt jedoch die formalen Regelungen zu umgehen (vgl. dazu den Subtypus
des/der prekären Ratsuchenden), fokussiert der/die prekäre Aktivist/-in die
Handlungsressourcen auf das Werkvertragsunternehmen und strebt dort eine
Betriebsratsgründung an. Die Situationsdefinition sowie die letztendliche Hand-
lungswahl werden durch die folgenden Faktoren bedingt bzw. verstärkt:
Zunächst spielen die Bewertung der Arbeitsbedingungen im Werkvertrags-
unternehmen sowie die Autorität der Geschäftsleitung eine maßgebliche Rolle
bei der Situationsbewertung als prekär und der anschließenden Handlungswahl,
eine Betriebsratsgründung in die Wege zu leiten. Als negatives Beispiel wird von
E-WV4 diesbezüglich die Missachtung von tariflichen Regelungen seitens des
Arbeitgebers angeführt. Er formuliert damit einen starken Notstand in Form ei-

99 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Beschäftigte die Distinktion der Stamm- und Werk-
vertragsbeschäftigten nicht nur hinsichtlich der betrieblichen Mitbestimmung, sondern auch in
anderen Bereichen der sozialen Interaktion wahrnimmt. Dies lässt die Annahme zu, dass sein
subjektives Prekaritätsempfinden der betrieblichen Mitbestimmung möglicherweise durch
weitere Distinktionen verstärkt wird.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 189

nes Ungleichgewichts zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten, der nur von ei-
nem Betriebsrat beseitigt bzw. abgemildert werden kann.
„Ich selber kann vom Chef ja nicht verlangen: ‚Hier leg mal deine Bilanzen offen.
Ich will sehen, was Sache ist.‘ Nein. Aber der Betriebsrat kann ja in die Bücher
reingucken. Der hat das Recht dazu.“ (E-WV4; 123)
Die Unmöglichkeit der individuellen Selbstvertretung aufgrund der beschriebenen,
äußeren Bedingungen macht einen lokalen Betriebsrat für den Beschäftigten „un-
verzichtbar“ (E-WV4; 125). Die als dringlich empfundene Notwendigkeit, die Ar-
beitsbedingungen sowie den Umgang mit den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu
verbessern, erhöht die subjektive Relevanz von betrieblicher Mitbestimmung im
Werkvertragsunternehmen und weckt das Bedürfnis nach einem Betriebsrat. Die-
ses kann durch den (möglicherweise) zuständigen Betriebsrat am Hauptstandort
des Werkvertragsunternehmens unter anderem aufgrund der räumlichen Distanz
nicht befriedigt werden – das Gremium erscheint als nicht niedrigschwellig er-
reich- und ansprechbar. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen
Mitbestimmung eröffnen dem Beschäftigten einen Handlungsspielraum aus-
schließlich im Werkvertragsunternehmen. Dieser wird in Form des Strebens nach
einer Betriebsratsgründung ausgeschöpft. Diesbezüglich sind zwei zusätzliche,
relevante Faktoren zu identifizieren:
Einerseits existiert unter den Beschäftigten des betroffenen Werkvertrags-
unternehmens offenbar ein gemeinsames Kollektivinteresse, das von einer de-
mokratisch gewählten Institution in legitimer Weise repräsentiert werden könnte
bzw. soll. Dies gilt als eine Grundvoraussetzung für die Gründung eines Be-
triebsrats, setzt aber zugleich ein Mindestmaß an sozialer Gruppenbildung heraus
(vgl. dazu auch Artus et al. 2015: 31 ff.). Im Falle des/der prekären Aktivist/-in
wird dieser Prozess der Solidarisierung dadurch begünstigt, dass die Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen an einem gemeinsamen Arbeitsort, nämlich auf dem
Betriebsgelände des Einsatzbetriebs, tätig sind. Dies ermöglicht den inhaltlichen
Austausch sowie den Zusammenschluss zu einer handlungsfähigen Gruppe. Be-
zogen auf die von Artus et al. (2015) identifizierten fünf Phasen einer Betriebs-
ratsgründung befindet sich die beschriebene Gründung am ehesten am Ende der
„Latenzphase“ (Artus et al. 2015: 38 ff.): Die Idee der Gründung wird betriebsöf-
fentlich und im Austausch mit der Gewerkschaft diskutiert. Die Unterstützung
der lokalen Gewerkschaft spielt daher andererseits eine zentrale Rolle, da sie die
Informationsveranstaltungen für die betroffenen Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen im Hinblick auf die Betriebsratsgründung organisiert und somit die Hand-
lungsstrategie – zumindest ideell – vorantreibt.
Insgesamt stimmen die Eigenschaften des/der prekären Aktivisten/-in mit
jenen überein, die Artus et al. (2015: 259 f.) für typische Akteur/-innen, die Be-
190 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

triebsratsgründungen vorantreiben, ausgemacht haben: Es handelt sich dabei


meist um langjährige Mitglieder der Stammbelegschaft, die mit guten fachlichen
Kompetenzen ausgestattet sind und in Folge deren Respekt (sowohl von Vorge-
setzten, als auch von Kolleg/-innen) erfahren. Sie üben oftmals (untere) Ma-
nagementfunktionen aus und stehen in Folge dessen zum Teil als Sprecher/-in-
nen der Belegschaft mit höheren Hierarchieebenen in Kontakt. Zudem verfügen
sie über einen auf persönlichen Erfahrungen beruhenden normativen Referenz-
rahmen, anhand dessen sie die betrieblichen Verhältnisse distanziert betrachten
können. Im Falle von E-WV4 bildet – wie bereits geschildert – die langjährige
Anstellung in Einsatzbetrieb E, also der biografische Status, diesen Referenz-
rahmen.
Schließlich ist im konkreten Fall von E-WV4 anzunehmen, dass die Wahr-
nehmung von Distinktionen im Einsatzbetrieb das Zugehörigkeitsgefühl zum
Werkvertragsunternehmen und zugleich das Zusammengehörigkeitsgefühl der
betreffenden Belegschaft stärken könnte – was letztendlich möglicherweise zu
einer positiven Beeinflussung des Vorhabens einer Betriebsratsgründung führt.
Im Falle von E-WV4 ist die bewusste Distanzierung vom Einsatzbetrieb auffäl-
lig. Als langjähriger Festangestellter von Betrieb E war seine Wahrnehmung
lange Zeit durch eine starke Verbundenheit geprägt:
„Ich war auch sehr stolz damals, ein [Betrieb E]-Mitarbeiter zu sein. Ich war wirk-
lich stolz drauf. […] Man hatte sich da wohl gefühlt.“ (E-WV4; 21)
Im Verlauf des Interviews betont er jedoch mehrfach, dass er sich mit Betrieb E
nicht mehr identifizieren kann und nun zum Werkvertragsunternehmen „gehört“.
Als Begründung zählt er diverse, vorwiegend materielle Distinktionen auf:
„Ja, es fängt ja schon mit der Kleidung an. Man muss sich anders kleiden. [I]ch
darf keine [Betrieb E]-Kleidung tragen. […] Und was unter den Top auch auf alle
Fälle ist, ist das Gehalt, ganz klar. Denn der Mitarbeiter an der Linie, der die
Schraube andreht, bekommt um die achtzehn Euro. Womit wir wieder beim Thema
wären. (Lacht.) Nee, gar nicht wahr. Zweiundzwanzig Euro hatten wir ausgerech-
net. […] Und wenn ich da unsere Staplerfahrer hier sehe, die mit zehn Euro anfan-
gen, ist das schon ein riesen Unterschied. Ich mein, viel mehr bekomm ich auch
nicht. Gut, zwei, drei Euro mehr. Aber dann hört's auch auf. […] Da ist das 'ne gro-
ße Kluft. […] Und ja, letztendlich, dass man doch nicht in einer einzelnen, oder in
derselben Firma beschäftigt ist. Das wäre glaub ich der Hauptgrund. Warum ich
mich nicht zugehörig fühle.“ (E-WV4; 361)
Insgesamt führen beim prekären Aktivisten vielfältige Faktoren zur Situations-
bewertung im Werkvertragsunternehmen als prekär und zur letztendlichen Hand-
lungswahl einer Betriebsratsgründung. Hervorstechend sind die starke Mitbe-
stimmungsaffinität und das autoritäre Verhalten des Vorgesetzten in Verbindung
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 191

mit als dauerhaft negativ empfundenen Arbeitsbedingungen im Werkvertragsun-


ternehmen. Diese äußeren Bedingungen verdeutlichen für den Beschäftigten die
Notwendigkeit einer örtlichen Arbeitnehmer/-inneninteressenvertretung in Form
eines Betriebsrats – welche weder im Einsatzbetrieb (bedingt durch die gesetzli-
chen Rahmenbedingungen), noch im Werkvertragsunternehmen gewährleistet
ist. In Folge werden die Handlungsressourcen auf das Werkvertragsunternehmen
fokussiert. Förderliche bzw. unterstützende Wirkungen auf das Vorhaben einer
Betriebsratsgründung zeigen insbesondere die Möglichkeit der Solidarisierung
unter den Mitarbeiter/-innen sowie die Unterstützung der lokalen Gewerkschaft.

8.3.2.4 Der/die prekäre Konforme: Zentrale Wirkungszusammenhänge

Die Wirkungszusammenhänge des/der prekären Konformen lassen sich primär


aus der speziellen Beschäftigungssituation als Werkvertragsarbeitnehmer/-in in
einem Großbetrieb ableiten. Die eigentlich als stark eingeschätzte, individuelle
Verhandlungsposition wird im Einsatzbetrieb aufgrund der vom Werkvertrags-
unternehmen abweichenden Unternehmensorganisation und -hierarchie als we-
sentlich schwächer bewertet. Eine Integration in die betriebliche Mitbestimmung
des Einsatzbetriebs ist jedoch aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen für
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ausgeschlossen. Der entsprechende Fall E-
WV5 empfindet dies als Exklusion, nimmt in Konsequenz aber in keiner der bei-
den Mitbestimmungsarenen Handlungen im Sinne der betrieblichen Mitbestim-
mung auf, sondern versucht, das subjektiv empfundene Defizit der betrieblichen
Mitbestimmung im Einsatzbetrieb weiterhin durch Selbstvertretung zu kom-
pensieren. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht überblicksartig die Wir-
kungszusammenhänge des prekären, konformen Typus.
192 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Äußere Bedingungen:
 gesetzliche Rahmenbedingungen
 Verhältnis zum/zur Vorgesetzten
 Betriebsgröße des Einsatzbetriebs bzw. Erreichbarkeit des
Einsatzbetriebsrats

Kognition

Innere Bedingungen:
Erlebnisse mit der
betrieblichen Mit-  (eigentlich) niedrige Mitbestimmungsaffini-
bestimmung im tät
Einsatzbetrieb
Orientierung

Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungs- Handeln in Bezug auf


situation im Einsatzbetrieb als prekär die betriebliche Mitbe-
stimmung:
Bewertung der Mitbestimmungssituation im
Werkvertragsunternehmen als nicht-prekär Keine Beteiligung (we-
(distanziert) Handlungs- der im Einsatz-, noch
wahl im Entsendebetrieb);
Selbstvertretung

Abbildung 18: Der/die prekäre Konforme: Zentrale Wirkungszusammenhänge

Auffallend bei dem Typus des/der prekären Konformen ist zunächst die gering
ausgeprägte Mitbestimmungsaffinität. So ist E-WV5 kein Gewerkschaftsmitglied
und verfügt über keine Mitbestimmungssozialisation im Sinne vorheriger Tätig-
keiten, bei denen ein Betriebsrat existent war. Entsprechend verfügt E-WV5 über
keinen direkten Erfahrungsschatz mit betrieblicher Mitbestimmung und begreift
sich selbst als Person mit guter Verhandlungsposition und hohen Selbstvertre-
tungsfähigkeiten.
„Da wo ich vorher gearbeitet hatte, hatte ich immer das Glück, dass ich wie gesagt
immer direkt zum Geschäftsführer gehen konnte. Und ich hab mich auch in der Lage
gesehen, meine Probleme anzusprechen und auch gewisse Sachen durchzusetzen.
Und, ähm, ich hab ja auch zum Beispiel noch nie Tarifvertragsmäßig gearbeitet in
meinem ganzen Leben. Also das immer selber ausgehandelt.“ (E-WV5; 335)
Der Informationsgrad dieses Typs ist als eher gering einzustufen. Dies zeigt sich
bei E-WV5 darin, dass zu Beginn des Einsatzes von der Zuständigkeit des Ein-
satzbetriebsrats auch für externe Beschäftigte ausgegangen wurde. Jene Erwar-
tung wird jedoch vor allem vor dem Hintergrund der negativen Erlebnisse in der
bereits in der Typologie beschriebenen Problemsituation enttäuscht. Zugleich
bewirkt die geschilderte gesundheitsgefährdende Situation am Arbeitsplatz, dass
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 193

E-WV5 sich zum ersten Mal im Berufsleben auf einen Betriebsrat angewiesen
fühlt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen führen vor diesem Hintergrund einer-
seits zu einem Gefühl des Ausschlusses von der betrieblichen Mitbestimmung im
Vergleich zu den Leih- und Stammarbeitskräften:
„Ja, das ist jetzt das erste Mal, dass ich das so kennenlerne. Und das hat mich jetzt
so ein bisschen verwundert, dass man halt für ganz viele Sachen hier demonstriert.
Und, ne? Und dann auch, ähm, vieles organisiert und, aber dass halt die Externen
wirklich mit allem auf sich alleine gestellt sind.“ (E-WV5; 313)
Andererseits verhindern die gesetzlichen Regelungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung, dass sich Werkvertragsarbeitnehmer/-innen offiziell an den Einsatz-
betriebsrat wenden dürfen. Im konkreten Fall fühlt sich die befragte Person des-
halb dazu gezwungen, künftig ihre individuellen Selbstvertretungsfähigkeiten
anzuwenden und im Einsatzbetrieb in ihrem gewohnten, internalisierten Hand-
lungsmuster zu verbleiben: „Ja, da ich das ja nicht gewohnt bin, geh ich ja dann
immer zu Vorgesetzten“ (E-WV5; 319).
Im Gegensatz zum Einsatzbetrieb kann sie in ihrem Werkvertragsunterneh-
men auch weiterhin uneingeschränkt auf ihre Selbstaushandlungsfähigkeiten
vertrauen. In Folge besteht im Werkvertragsunternehmen (in dem kein Betriebs-
rat existent ist) kein Wunsch nach betrieblicher Mitbestimmung.
„Aber wenn ich 'n Problem hatte, bin ich immer zu meinem […] Vorgesetzten ge-
gangen. Weil ich da immer 'n ganz guten Draht hatte. Und, ähm, ja, hab ihm das
immer direkt gesagt. Und das hat immer ganz gut funktioniert. Also würd ich jetzt
auch so machen, wenn irgendwie was ist. […] Ich denke, das ist auch ein bisschen
durch die Größe. Wenn man so 'n bisschen übersichtliche Größe hat und man kennt
dann alle bis nach oben hin, dann hat man immer die Möglichkeiten, sich einzubrin-
gen.“ (E-WV5; 273)
Deutlich wird dabei, dass bei diesem Typus die Betriebsgröße und das nied-
rigschwellige Erreichen einer Ansprechperson eine wesentliche Rolle dabei
spielen, ob die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär
oder nicht-prekär einzustufen ist. Für E-WV5 stellte die individuelle Selbstver-
tretung bis zur Tätigkeit in Betrieb E kein Problem dar – nun aber, als Werkver-
tragsarbeitnehmer unter den genannten Gegebenheiten in Betrieb E wird das
Fehlen eines adäquaten Ansprechpartners als defizitär empfunden. Die originär
präferierte direkte Kommunikation mit dem/der Vorgesetzten, um etwaige Pro-
bleme zu lösen, wird durch die Betriebsgröße und vergleichsweise stärker aus-
geprägte Hierarchien als erschwert empfunden.
„Also, mein theoretischer Vorgesetzter ist ja immer dann mein Teamleiter. Der Herr
[Name eines Betrieb E-Mitarbeiters]. […] Aber der kann auch in vielen Sachen
nichts machen. […] Der kann das dann halt weitergeben. Dann gibt der das seinem
194 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Vorgesetzten. Und der gibt's an seinen Vorgesetzten. Und da geht glaub ich schon
immer sehr viel verloren.“ (E-WV5; 321-323)
Daher kommt die befragte Person E-WV5, die vor ihrer Werkvertragstätigkeit in
Betrieb E vermutlich als typische/-r Autarke/-r einzustufen gewesen wäre, zu der
Schlussfolgerung:
„Also ich denke, ab 'ner gewissen Größe ist das [ein Betriebsrat; VB] ein Muss. Und
auch für Leute, äh, die so, ich sag mal, Arbeiten haben, ähm, also wo man nicht von
sich aus sagen kann: Na gut, wenn das hier nicht so klappt, dann such ich mir halt
was anderes. Oder/ Auch für Leute, die so ein bisschen schüchtern sind, ist das
schon ganz wichtig. […] Aber es ist halt hier unabdingbar. Weil hier kann nicht je-
der einzelne gehört werden, ne. Und dann müssen auch mal ab und zu auch mal Ge-
samtinteressen vor Einzelinteressen, ne. Aber auf der anderen Seite haben vielleicht
ganz viele Leute dieselben Probleme. Deswegen ist das schon/ Geht das hier glaub
ich gar nicht ohne.“ (E-WV5; 335)
Der Existenz einer betrieblichen Interessenvertretung wird demnach aufgrund
der genannten äußeren Bedingungen in der Mitbestimmungsarena des Einsatzbe-
triebs eine wesentlich größere Relevanz zugewiesen; das Bedürfnis nach betrieb-
licher Mitbestimmung bzw. eines Ansprechpartners in Form des Einsatzbetriebs-
rats kann jedoch aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht befriedigt
werden. In Folge wird die Mitbestimmungsituation als prekär bewertet. Eine
Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung ist jedoch aufgrund der gesetz-
lichen Rahmenbedingungen nicht möglich, so dass weiterhin die individuelle
Selbstvertretung ausgeübt wird.

8.3.3 Zwischenfazit: Der Umgang der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen


mit der betrieblichen Mitbestimmung

Im vorherigen Abschnitt wurden vier zentrale Werkvertragsarbeitnehmer/-innen-


typen des Umgangs mit den beiden Mitbestimmungsarenen im Einsatz- und
Entsendebetrieb vorgestellt. Diese sind der/die Integrierte, der/die Autarke,
der/die prekäre Aktive (mit den beiden Subtypen des/der prekären Ratsuchenden
bzw. prekären Aktivisten/-in) sowie der/die prekäre Konforme. Auffallend ist
zunächst, dass bei den Typen das Aktivitätsniveau im Entsendebetrieb – den
rechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend – höher ist als im Einsatzbetrieb.
Bei drei (Sub-)Typen findet eine bewusste Distanzierung von der betrieblichen
Mitbestimmung des Einsatzbetriebs statt (bei dem/der Integrierten, dem/der
prekären Aktivisten/-in sowie bei dem/der Autarken). Während die beiden erst-
genannten Typen ihre Handlungsressourcen auf das Werkvertragsunternehmen
konzentrieren, indem sie dort im Kontext von Betriebsratsarbeit bzw. einer Be-
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 195

triebsratsgründung aktiv sind, verbleiben die Autarken gemäß der von ihnen
generell bevorzugten Selbstvertretung insgesamt passiv in Bezug auf die betrieb-
liche Mitbestimmung. Bei lediglich einem Subtypus ist zu beobachten, dass im
Einsatzbetrieb Handlungsstrategien genutzt werden, welche die rechtlich vorge-
sehenen Optionen der betrieblichen Mitbestimmung umgehen: Die prekären
Ratsuchenden stehen im Kontakt mit dem Einsatzbetriebsrat, um ihren Bera-
tungsbedarf zu decken.
Zur Erklärung der verschiedenen Situationsdefinitionen und Handlungen
haben sich verschiedene Bedingungen als zentral herausgestellt, die im Folgen-
den zusammenfassend abgehandelt werden.

Äußere Bedingungen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich als Hemmnis für Aktivitäten im


Einsatzbetrieb und zugleich als relevanter Einflussfaktor auf das Prekaritätsemp-
finden in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung herausgestellt. Die Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen verfügen dort über keine betrieblichen Mitbes-
timmungsrechte, was sich zum Teil negativ auf die Bewertungen sowie auf ihr
Aktivitätsniveau auswirkt. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen bewirken aber
nicht nur ein Prekaritätsempfinden und schränken den institutionellen Hand-
lungsspielraum der Beschäftigten ein (vgl. dazu den/die prekären Ratsuchenden,
den/die prekäre/-n Aktivisten/Aktivistin und den/die prekäre/-n Konforme/-n),
sondern können zugleich eine bewusste Distanzierung vom Einsatzbetrieb be-
wirken, wie sich speziell bei dem/der Integrierten und dem/der prekären Akti-
visten/-in zeigt. Die von den Stammbeschäftigten und Leiharbeitnehmer/-innen
abweichenden gesetzlichen Rahmenbedingungen haben damit eine segmentie-
rende Wirkung.
Im Gegensatz dazu verfügen die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in ihrem
jeweiligen Werkvertragsunternehmen über uneingeschränkte Beteiligungsrechte
an der betrieblichen Mitbestimmung. Die Handlungsressourcen werden aufgrund
der faktischen Handlungsfähigkeit meist auf das Werkvertragsunternehmen kon-
zentriert – zu sehen bei dem/der Integrierten sowie bei dem/der prekären Aktivis-
ten/-in. Existieren dort jedoch Faktoren, die hemmend auf die Aktivitäten in der
betrieblichen Mitbestimmung wirken, werden die Ressourcen mit Hilfe von
Umgehungsstrategien im Einsatzbetrieb aufgewendet (vgl. dazu die prekären
Ratsuchenden). Für die autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen spielen die
gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung insofern
keine Rolle, als dass sie diese als ohnehin nicht notwendig erachten und daher
nicht nutzen (möchten).
196 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Darüber hinaus wird deutlich, dass die niedrigschwellige Erreichbarkeit des


Betriebsrats eine Rolle dabei spielen kann, ob Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
Aktivitäten im Einsatzbetrieb ausüben und den Betriebsrat als Ansprechpartner
nutzen – im Gegensatz zu dem Betriebsrat im Werkvertragsunternehmen ist er
für sie jederzeit und problemlos zu erreichen (vgl. dazu die prekären Ratsuchen-
den). Die Niedrigschwelligkeit ist dabei einerseits durch eine geringe räumliche
Distanz bzw. einen gemeinsamen Arbeitsort (etwa ein Gemeinschaftsbüro) cha-
rakterisiert. Andererseits bedeutet aber auch eine langjährige, vertrauensvolle
Beziehung zum Einsatzbetriebsrat die Möglichkeit, den Betriebsrat ohne das
Überwinden einer Hemmschwelle anzusprechen, wie die Beschäftigten der ge-
nannten Typen zeigen. Zugleich ist festzuhalten, dass eine niedrigschwellige
Erreichbarkeit des Einsatzbetriebsrats nicht zwangsläufig Auswirkungen auf die
Situationsbewertung hat. Die Bewertung der Mitbestimmungssituation als prekär
bleibt bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen des Samples auch dann – zu-
mindest vorerst – bestehen, wenn ein Kontakt zum Einsatzbetriebsrat zustande
kommt.
Weiterhin zeigt sich in der Typologie, dass die räumliche Distanz zum Be-
triebsrat des Hauptstandorts des Werkvertragsunternehmens eine Hürde bei der
Kontaktaufnahme darstellen kann und sich somit negativ auf die Wahrnehmung
und Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation auswirkt (vgl. dazu
beispielsweise den/die prekäre/-n Aktivisten/-in100). Der integrierte Werkver-
tragsarbeitnehmer C-WV2 stellt in diesem Zusammenhang insofern einen Son-
derfall dar, als dass er selber die Funktion eines Betriebsratsmitglieds im Werk-
vertragsunternehmen ausübt und somit – unabhängig von der räumlichen Distanz
zum Werkvertragsunternehmen – vermutlich beispielsweise ohne größeren Auf-
wand auf jegliche Informationen zugreifen und Angebote nutzen kann. Für die
autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen des Samples spielt eine niedrig- oder
hochschwellige Erreichbarkeit hingegen keine größere Rolle – unabhängig von
der räumlichen Distanz würden sie vermutlich ohnehin keinen Kontakt zum
Betriebsrat suchen oder sich an den Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung
(Betriebsratswahl oder -versammlung) beteiligen.
Ebenfalls relevant für die Bewertungen und Handlungen in Bezug auf die
betriebliche Mitbestimmung ist die (Nicht-)Existenz eines Betriebsratsgremiums
im Einsatz- bzw. Entsendebetrieb. In den Einsatzbetrieben war – gemäß der
Falleingrenzung – ausnahmslos ein Betriebsrat vorhanden, was einerseits mögli-
che Berührungspunkte mit der betrieblichen Mitbestimmung eröffnet. In den
Werkvertragsunternehmen hingegen existierte in der Mehrzahl kein lokales Be-
triebsratsgremium (lediglich der Integrierte sowie ein Fall der Autarken waren

100 Ungeklärt ist dabei, ob dieser tatsächlich für die Beschäftigten zuständig ist – dies ist aber un-
abhängig von der subjektiven Bewertung des Umstands der räumlichen Distanz zu betrachten.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 197

sich ob der Existenz eines Betriebsrats im Werkvertragsunternehmen sicher), so


dass meist keine Aktivitäten in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung aus-
geübt wurden. Bei einer hohen Mitbestimmungsaffinität kann dies zugleich zu
einer prekären Bewertung der Mitbestimmungssituation führen (vgl. dazu Teile
der prekären Ratsuchenden und der/die prekäre Aktivist/-in).
Hinsichtlich der Strategien der Betriebsratsgremien lassen sich keine we-
sentlichen übergreifenden Erklärungsmuster hinsichtlich der Bewertung der
Mitbestimmungssituation erkennen. Ob sich beispielsweise der Einsatzbetriebs-
rat für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen öffnet und diese – trotz nicht vorhande-
nen Mandats – berät, hat zwar einen Einfluss auf das Aktivitätsniveau (wenn die
Beratung genutzt wird), jedoch nicht zwangsläufig eine Wirkung auf die generel-
le Bewertung der Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs als prekär (vgl. dazu
die prekären Ratsuchenden). Das grundlegende Gefühl einer dortigen Exklusion
von der betrieblichen Mitbestimmung kann dadurch anscheinend nicht ausgegli-
chen werden.
Verbleibt ein existentes Betriebsratsgremium im Werkvertragsunternehmen
passiv und initiiert keine Kontaktaufnahme mit den Beschäftigten, so wird dies
bei den befragten Beschäftigten mit einer hohen Mitbestimmungsaffinität als ne-
gativ bewertet und eine schlechte Erreichbarkeit kritisiert (vgl. der/die prekäre
Aktivist/-in sowie ein Fall der prekären Ratsuchenden). Unklar ist in diesem
speziellen Fall allerdings, ob der betreffende Betriebsrat tatsächlich im rechtli-
chen Sinne für die entsprechende Niederlassung des Werkvertragsunternehmens
zuständig wäre.
Bei den Autarken mit einer grundsätzlich geringen Mitbestimmungsaffinität
hat eine aktive Strategie des Betriebsrats des Werkvertragsunternehmens an-
scheinend nicht unbedingt Einfluss auf die grundsätzliche Haltung. Beispielhaft
zu nennen ist hier der autarke Werkvertragsarbeitnehmer C-WV1, dessen Be-
triebsrat regelmäßig Sprechstunden auf dem Einsatzbetriebsgelände anbietet.
Diese würde er aber aufgrund seiner Präferenz einer Selbstaushandlung selbst im
Falle einer Kündigung nicht nutzen.
Weiterhin scheint das jeweilige Verhältnis zur Geschäftsleitung bzw. zum/zur
Vorgesetzten die Bewertungen und Handlungen der Werkvertragsarbeitnehmer/
-innen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung zu beeinflussen. Auffällig ist,
dass zwei Beschäftigte mit prekärer Bewertung der Mitbestimmungssituation
(E-WV1 und E-WV4) – die beide im gleichen Werkvertragsunternehmen tätig sind
– von einem hierarchischen und autoritären Führungsverhalten der Geschäftslei-
tung berichten. Es zeigt sich bei diesen Fällen, dass dies – insbesondere vor dem
Hintergrund hoher Arbeitsbelastungen und Verletzungen von tariflicher Regelun-
gen – offenbar zu einer negativen Einschätzung der individuellen Verhandlungspo-
sition führt und in Folge dessen ein Betriebsrat als kollektives Interessenvertre-
198 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

tungsgremium als notwendig erachtet wird.101 In anderen Fällen spielt vermutlich


gerade das als positiv bewertete Verhältnis zum bzw. zur Vorgesetzten des Werk-
vertragsunternehmens eine Rolle dabei, dass die individuelle Selbstaushandlung als
möglich und ein Betriebsratsgremium als unnötig erachtet wird (vgl. dazu die Au-
tarken und den/die prekäre/-n Konforme/-n).
Im Zusammenhang mit der geplanten Betriebsratsgründung im Werkver-
tragsunternehmen sind − neben dem beschriebenen Verhältnis zum/zur Vorge-
setzten − auch die Solidarisierung der Beschäftigten sowie die Unterstützung
durch die örtliche Gewerkschaft bilanzierend als relevante Einflussfaktoren fest-
zuhalten. Weil sich die Beschäftigten zum Zeitpunkt des Interviews im Grün-
dungsprozess befanden, liegen leider keine Informationen über den ‚Erfolg‘ der
Betriebsratsgründung vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass beim vorliegen-
den prekären Aktivisten die Gewerkschaft eine maßgebliche Rolle während des
Gründungsprozesses spielt, indem sie eine beratende und motivierende Funktion
einnimmt. Zudem gilt sie möglicherweise als Rückversicherung gegenüber
Drohgebärden der Geschäftsleitung im Zusammenhang mit der Betriebsrats-
gründung.

Innere Bedingungen

In Bezug auf die inneren Bedingungen ist zunächst festzuhalten, dass sich bei
den soziostrukturellen Faktoren Alter und Geschlecht der Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen dieses Samples keine übergreifenden Erklärungsmuster erkennen
lassen.102 Hingegen lässt die Analyse des Interviewmaterials den Schluss zu, dass
insbesondere das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Betrieb eine zentrale Rolle bei
den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen spielt, ob bzw. in welcher Mitbestim-
mungsarena Aktivitäten bzgl. der betrieblichen Mitbestimmung ausgeübt werden

101 Dass dies keinen Kausalzusammenhang darstellt, zeigt sich unter anderem daran, dass der au-
tarke Beschäftigte E-WV3, der im selben Werkvertragsunternehmen wie E-WV1 und E-WV4
tätig ist, seine individuelle Verhandlungsposition gegenüber derselben Geschäftsleitung als
positiv einstuft und einen Betriebsrat als unnötig erachtet. Vermutlich spielen in diesem
Einzelfall unter anderem die individuelle Mitbestimmungsaffinität und die damit verbundenen
Erwartungen eine Rolle bei der Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation.
102 So sind beispielsweise sowohl beim Typus des prekären Ratsuchenden, als auch bei dem In-
tegrierten Fälle der Altersgruppe zwischen 18 und 30 Jahren vertreten. Offenbar spielt das Alter
bei den befragten Beschäftigten eine untergeordnete Rolle bei der jeweiligen Prekaritätswahrneh-
mung und -handlung.
Die Aussagen der einzigen weiblichen Werkvertragsarbeitnehmerin des Samples weisen zu-
dem keinerlei Bezug zu genderspezifischen Aspekten der betrieblichen Mitbestimmung auf. Da
nur eine Werkvertragsarbeitnehmerin befragt werden konnte, waren Fallkontrastierungen im Hin-
blick auf geschlechtsspezifische Fragestellungen nicht möglich.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 199

und wie die Mitbestimmungssituation bewertet wird. So ist auffällig, dass insbe-
sondere die Typen, die im Werkvertragsunternehmen in besonderem Maße aktiv
sind – nämlich im Rahmen des Betriebsrats bzw. einer Betriebsratsgründung –
sich explizit vom Einsatzbetrieb abgrenzen und sich dem jeweiligen Werkver-
tragsunternehmen zugehörig fühlen (vgl. dazu den Integrierten und den prekären
Aktivisten). Die jeweilige Solidarisierung unter den Beschäftigten wirkt dabei
möglicherweise verstärkend auf das Zugehörigkeitsgefühl bzw. die emotionale
Bindung.
Zum Einsatzbetrieb hingegen besteht in der überwiegenden Zahl der Fälle
kein starkes Zugehörigkeitsgefühl. Anzunehmen ist, dass sich auch die Existenz
diverser Distinktionen im Einsatzbetrieb, die von den Beschäftigten genannt
werden, negativ auf das Zugehörigkeitsgefühl auswirken. Dies betrifft Lohnun-
terschiede, die Sicherheit des Arbeitsplatzes aber auch symbolische Grenzzie-
hungen wie die Arbeitskleidung. Eine besondere Rolle spielen im Zusammen-
hang mit der betrieblichen Mitbestimmung jedoch die rechtlichen Bestimmun-
gen, die die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen von der betrieblichen Mitbestim-
mung im Einsatzbetrieb ausschließen. Die Exklusion führt bei den Beschäftigten
des Samples zum Teil zu einer Abschwächung des Zugehörigkeitsgefühls sowie
dazu, dass die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbetrieb in den Hintergrund
rückt und zugleich die Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung im
Werkvertragsunternehmen gerichtet werden.
Umgekehrt ist auffällig, dass die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, die ein
Aktivitätsniveau im Einsatzbetrieb aufweisen, sich eher dem Einsatzbetrieb zu-
gehörig fühlen (vgl. dazu die prekären Ratsuchenden). Dies ist – bezogen auf
den Einzelfall – bei D-WV2 auf das Teilen eines Gemeinschaftsbüros im Ein-
satzbetrieb und einen geringen Kontakt mit dem Werkvertragsunternehmen zu-
rückzuführen. Bei E-WV1 hingegen beruht das Zugehörigkeitsgefühl vorwie-
gend auf der langen Betriebszugehörigkeitsdauer (mit vorheriger Festanstellung),
die eine hohe Identifikation hervorruft. Insgesamt besteht bzw. bestand bei allen
Beschäftigten mit hohem Zugehörigkeitsgefühl zu einem Betrieb jeweils ein
längerfristiger, sozialer Austausch, was eine emotionale und soziale Verortung
entstehen lässt. Dies führt anscheinend auch dazu, dass – in Verbindung mit
weiteren Faktoren – in einem ersten Schritt Erwartungen und Interesse an be-
trieblicher Mitbestimmung entstehen und dies in einem zweiten Schritt die Betei-
ligung an den Mitbestimmungsprozessen nach sich zieht.
Die autarken und konformen Beschäftigten verorten sich hinsichtlich der
Zugehörigkeit hingegen eher bei ihrem Werkvertragsunternehmen – da sie aber
generell keine stark ausgeprägte Mitbestimmungsaffinität aufweisen, spielt dies
im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung keine Rolle.
200 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

Der Wunsch nach Übernahme ist bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen


anscheinend unabhängig vom Zugehörigkeitsgefühl zu einem Betrieb zu sehen.
Fast alle Befragten streben eine Festanstellung im Einsatzbetrieb an; zum Bei-
spiel möchte auch der Integrierte langfristig eine Festanstellung im Einsatzbe-
trieb.103 Der Hauptgrund dafür ist, dass die Werkvertragstätigkeit mangels einer
Alternative in Form einer Festanstellung aufgenommen wurde. Bei den prekären
Ratsuchenden ist diesbezüglich festzustellen, dass der Einsatzbetriebsrat eine
Beratungs- und Sprungbrettfunktion einnehmen kann, um die Übernahme zu er-
möglichen.
Auch die Mitbestimmungsaffinität hat sich als relevant dafür erwiesen, in-
wiefern Erwartungen an die betriebliche Interessenvertretung gerichtet werden
und wie die Mitbestimmungssituation im jeweiligen Betrieb wahrgenommen und
bewertet wird. Die autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen erachten die be-
triebliche Mitbestimmung generell als weitestgehend irrelevant und betonen ihre
individuellen Selbstaushandlungsfähigkeiten. In Folge stellen sie keine spezifi-
schen Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung und bewerten diese als
nicht-prekär (distanziert). Wird hingegen die betriebliche Mitbestimmung in
einem Betrieb als richtig und notwendig erachtet – dies ist bei allen anderen
Typen mehr oder weniger der Fall – steigen auch die Erwartungen an die be-
triebliche Interessenvertretung. Diese können wiederum durch Erlebnisse erfüllt
bzw. enttäuscht werden und somit auf die Situationsbewertung als prekär oder
nicht-prekär Einfluss nehmen.
Die Mitbestimmungsaffinität variiert bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen nach Einsatz- und Entsendebetrieb. Für den/die Integrierten nimmt die Interes-
senvertretung im Werkvertragsunternehmen die zentrale Rolle ein, während er sich
diesbezüglich vom Einsatzbetrieb abgrenzt. Im Kontrast dazu erscheint für den/die
prekäre/-n Konforme/-n der Einsatzbetrieb als relevanter in Fragen der betriebli-
chen Mitbestimmung – im jeweiligen Werkvertragsunternehmen schätzt dieser
Typus nämlich seine Selbstaushandlungsfähigkeiten als hoch ein. Die prekären
Ratsuchenden und der/die prekäre Aktivist/-in schließlich weisen der betrieblichen
Mitbestimmung generell eine hohe subjektive Relevanz zu und beziehen dies auf
beide Betriebe.
Die mit der Mitbestimmungsaffinität verknüpften Erwartungen beziehen
sich im Einsatzbetrieb durchgehend auf die generelle Integration in die betriebli-
chen Mitbestimmungsprozesse. Die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen des pre-
kären, konformen Typen sowie des prekären, aktiven Typen fühlen sich von der

103 Lediglich die Autarken sind diesbezüglich verhaltener und wollen nicht unbedingt zum Ein-
satzbetrieb wechseln – zum Teil, weil sie sich weitere berufliche Optionen flexibel offenhalten
wollen, aber auch, weil sie mit den Arbeitsbedingungen in ihrem Werkvertragsunternehmen
zufrieden sind.
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 201

betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb ausgeschlossen und erachten


eine Beteiligung als wünschenswert. Die Erwartungen sind also zunächst grund-
legender Natur. Allerdings sind sie insofern eng mit ihrem Status als Werkver-
tragsarbeitnehmer/-in verknüpft, als dass rein rechtlich eine Beteiligung an der
betrieblichen Mitbestimmung aufgrund ihrer Stellung als externe Beschäftigte
nicht vorgesehen ist. Bemerkenswerterweise verfügt keiner der Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb über erfüllte Erwartungen an die betriebli-
che Mitbestimmung: Entweder distanzieren sich die Beschäftigten bewusst von
den diesbezüglichen Prozessen (der/die Integrierte und der/die Autarke), oder
aber sie sehen sich selbst als exkludiert an und bewerten dies als negativ (der/die
prekäre Aktivist/-in bzw. Konforme). Dies steht im Einklang mit den gesetzli-
chen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb,
in denen keine Vertretung von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen durch den dor-
tigen Betriebsrat vorgesehen ist. Die Analyse der Erwartungen an die betriebli-
che Mitbestimmung im Werkvertragsunternehmen zeigt ebenfalls, dass sich
diese auf die Basisfunktionen eines Betriebsrats (advokatorische und informato-
rische Funktion, Funktion als Ordnungs- und Partizipationsinstanz sowie als
Tarifakteur) beziehen (vgl. dazu die Integrierten, die prekären Ratsuchenden so-
wie den/die prekäre/-n Aktivisten/-in)
Entscheidend für die Wahrnehmungen und Bewertungen der Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen sind Erlebnisse mit der betrieblichen Mitbestimmung. Posi-
tive Erlebnisse führen dazu, dass die individuell gestellten Erwartungen an die
betriebliche Mitbestimmung als erfüllt angesehen werden und die Bewertung
letztendlich als nicht-prekär eingestuft wird. Beim Integrierten tragen etwa die
eigene Betriebsratsmitgliedschaft und die damit verbundenen Aktivitäten zu einem
positiven Bild der betrieblichen Mitbestimmung im Werkvertragsunternehmen bei.
Negative Erfahrungen umfassen bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im
Einsatzbetrieb insbesondere den Abgleich zwischen gewünschten und gesetzlich
vorgesehen Mitbestimmungsmöglichkeiten, so dass ein Ausschluss empfunden
und die betriebliche Mitbestimmungssituation entsprechend als diskriminierend
angesehen wird (der/die prekäre Ratsuchende bzw. Aktivist/-in und der/die prekäre
Konforme).
Im Hinblick auf den für die Mitbestimmungsaffinität herangezogenen Indika-
tor der Gewerkschaftsmitgliedschaft lassen sich bei den Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen begrenzt Muster erkennen. Alle Typen mit hoher Mitbestimmungsaffi-
nität (der/die Integrierte und der/die prekäre Ratsuchende bzw. Aktivist/-in) erach-
ten Gewerkschaften und deren Aktivitäten zwar als tendenziell wichtig. Der tat-
sächliche Organisierungsgrad ist unter den befragten Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen allerdings eher gering: Nur zwei der Beschäftigten waren zum Zeitpunkt des
Interviews Mitglied. Die Gründe für eine Nicht-Mitgliedschaft sind dabei vielfäl-
202 8 Die Bewertung von und der Umgang mit zwei Mitbestimmungsarenen – zwei Typologien

tig: Der Fall C-WV2, der dem Typus des/der Integrierten zuzuordnen ist, themati-
siert in diesem Zusammenhang beispielsweise Unsicherheiten bezüglich der Ge-
werkschaftszuständigkeit. Der Fall des prekären Aktivisten erlebte zwar bei einer
vorherigen Beschäftigung Enttäuschungen durch die IG Metall, ist aber einem
erneuten Beitritt zu einem späteren Zeitpunkt nicht abgeneigt.104 Die Relevanzzu-
weisung in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung geht bei den befragten
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen demnach zwar mit der Relevanzzuweisung kol-
lektiver Interessenvertretung auf überbetrieblicher Ebene, aber nicht zwingend mit
einer Gewerkschaftsmitgliedschaft einher.
In Bezug auf den individuellen biografischen Status der Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen lassen sich mit Blick auf die Qualifikation keine übergreifenden
Muster erkennen. Deutlich wird dies erstens bei der Betrachtung der autarken
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen: Unter ihnen befinden sich Beschäftigte mit
(Fach-)Hochschulabschluss, zugleich jedoch auch mit Berufsausbildung. Sie schät-
zen ihre individuelle Selbstaushandlungsfähigkeit vor allem aufgrund des vertrau-
ensvollen Verhältnisses sowie einer loyalen Verbundenheit zum/zur Vorgesetzten
als hoch ein. Zweitens scheint die Qualifikation auch bei denjenigen Werkver-
tragsbeschäftigten keine Rolle zu spielen, die im Werkvertragsunternehmen ein
hohes Aktivitätslevel aufweisen: Der Integrierte verfügt beispielswiese über einen
Hochschulabschluss, während der Aktivist eine Berufsausbildung vorweisen kann.
Das Ausbildungs- und Qualifikationsniveau ist in diesen Fällen anscheinend nicht
vordergründig ausschlaggebend für die Einschätzung der individuellen Selbstaus-
handlungsfähigkeiten. Dies zeigt sich auch im Falle des prekären, konformen Ty-
pus: Als Hochqualifizierter werden die eigenen Selbstvertretungsfähigkeiten hier
zwar als generell hoch bewertet – als externe Arbeitskraft kommt die befragte Per-
son im Einsatzbetrieb jedoch (wie in der Typologie gezeigt) diesbezüglich an ihre
Grenzen.
Ein eindeutiges Bild zeigt sich hinsichtlich der Erwerbsverläufe: Insbeson-
dere die Beschäftigten der prekären Ratsuchenden und des prekären Aktivisten
verfügen offenbar vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Betriebszugehörigkeit
zum Einsatzbetrieb (teilweise in Form einer Festanstellung) über einen normati-
ven Referenzrahmen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung. Sie sind in
der Lage, den Einsatzbetrieb mit ihrem Werkvertragsunternehmen in Bezug auf
die betriebliche Mitbestimmung vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfah-
rungen abzugleichen. Da dort kein örtlicher Betriebsrat existiert, wird das Werk-
vertragsunternehmen gewissermaßen zum Negativbeispiel; es erfolgt eine Be-
wertung der betrieblichen Mitbestimmung als prekär. Ausschlaggebend ist dabei

104 „Also ich bin nicht abgeneigt gegenüber und sage, das ist alles Quatsch. Das stimmt natürlich
nicht. Da muss aber erst was passieren, bevor da jetzt wieder Vertrauen, sag ich mal, kommt.“
(E-WV4; 79)
8.3 Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – Typologie und zentrale Wirkungszusammenhänge 203

jedoch stets die individuelle Mitbestimmungsaffinität: Ist diese nicht gegeben –


wie bei den Autarken – erfolgt kein direkter Vergleich (bzw. kein Vergleich, der
negativ bewertet wird).105 Insgesamt lässt sich also festhalten, dass der Erwerbs-
verlauf im Sinne einer langjährigen Festanstellung im Einsatzbetrieb durchaus
beeinflussend auf die Prekaritätsbewertungen und letztendlich auf die Handlun-
gen wirken kann. Allerdings ist auch hier stets das Zusammenspiel mehrerer
Faktoren zu berücksichtigen – ein ähnlicher Erwerbsverlauf führt nicht zwingend
zu gleichen Bewertungen und Handlungen.

105 Ein greifbares Beispiel dafür ist der Beschäftigte E-WV6, der genau wie die Beschäftigten der
prekären Ratsuchenden und des prekären Aktivisten vor seiner Werkvertragstätigkeit viele Jah-
re als Festangestellter im Einsatzbetrieb E tätig war. Aufgrund seiner autarken Grundhaltung
erfolgt jedoch selbst bei einem direkten Vergleich der Mitbestimmungssituationen keine Be-
wertung als prekär, da er seine individuelle Selbstaushandlungsposition gegenüber seinem
Vorgesetzten als gut bewertet und daher einen Betriebsrat für unnötig hält.
9 Gegenüberstellung der Typologien und
Wirkungszusammenhänge

Im vorangegangenen Kapitel erfolgten die Darstellung der Leih- und Werkver-


tragsarbeitnehmer/-innentypologien sowie die Identifizierung der zugrundelie-
genden Bedingungen und Wirkungszusammenhänge. Offen ist bislang noch eine
vergleichende Betrachtung des Umgangs mit der Existenz von zwei betrieblichen
Mitbestimmungsarenen in Einsatz- und Entsendebetrieb und den jeweiligen Er-
klärungsbedingungen. In diesem Kapitel soll daher zunächst überblicksartig auf
zentrale Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Typologien eingegangen wer-
den. Im Anschluss daran wird analysiert, auf welchen Erklärungsfaktoren in
Form von äußeren und inneren Bedingungen die jeweiligen Differenzen bzw.
Gemeinsamkeiten beruhen.

9.1 Vergleichende Betrachtung der Typologien – ein Überblick

Insgesamt konnten pro Beschäftigungsform vier Grundtypen der Bewertung


bzw. des Umgangs mit der betrieblichen Mitbestimmung identifiziert werden. In
der nachfolgenden Tabelle erfolgt erneut ein Kurzüberblick über die Typen bzw.
Subtypen und ihre zentralen Charakteristika.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_9
206

Tabelle 6: Kurzüberblick über die Typologien


Leiharbeitnehmer/-innen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
Typus Zentrale Charakteristika Typus Zentrale Charakteristika
- Bewertung Einsatzbetrieb: nicht-prekär - Bewertung Einsatzbetrieb: nicht-prekär
(integriert) (gleichgültig bzw. distanziert)
- Bewertung Entsendebetrieb: nicht-prekär - Bewertung Entsendebetrieb: nicht-prekär
Der/die In- (gleichgültig bzw. distanziert) Der/die In- (integriert)
tegrierte - Aktivitätsniveau Einsatzbetrieb: mittel- tegrierte - Aktivitätsniveau Einsatzbetrieb: nicht vor-
hoch bis hoch handen
- Aktivitätsniveau Entsendebetrieb: nicht - Aktivitätsniveau Entsendebetrieb: hoch
vorhanden
Der/die unbefan- Der/die distanzierte - Bewertung Einsatz- und Entsendebetrieb:
gene Autarke Autarke nicht-prekär (gleichgültig bzw. distanziert)
- Bewertung Einsatz- und Entsendebetrieb: - Aktivitätsniveau Einsatz- und Entsende-
nicht-prekär (gleichgültig bzw. distanziert) betrieb: nicht vorhanden
- Aktivitätsniveau Einsatz- und Entsendebe- - Betonung der individuellen Selbstaus-
trieb: nicht vorhanden handlungsfähigkeiten
Der/die - Offene Haltung - Bewusste Dis- Der/die
Autarke gegenüber der tanzierung von der Autarke
betrieblichen betrieblichen Mit-
Mitbestimmung bestimmung
- Beteiligung zu - starke Betonung der
einem späteren individuellen Selbst-
Zeitpunkt wird aushandlungsfähig-
nicht aus- keiten
geschlossen
9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge
Leiharbeitnehmer/-innen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
Typus Zentrale Charakteristika Typus Zentrale Charakteristika
- Bewertung Einsatzbetrieb: prekär Der/die prekäre Der/die prekäre Akti-
- Bewertung Entsendebetrieb: teils nicht- Ratsuchende vist/-in
prekär (gleichgültig bzw. distanziert), teils - Bewertung Einsatz- und Entsendebetrieb:
prekär prekär
- Aktivitätsniveau Einsatzbetrieb: mittel- - Aktivität im Ein- - Aktivitätsniveau
Der/die hoch bis hoch Der/die satzbetrieb: Kon- Einsatzbetrieb: nicht
prekäre - Aktivitätsniveau Entsendebetrieb: nicht prekäre takt zum Betriebs-
Aktive Aktive vorhanden
vorhanden bis gering rat
- Aktivitätsniveau
- Aktivitätsniveau
Entsendebetrieb: Entsendebetrieb:
nicht vorhanden Streben nach einer
Betriebsrats-
gründung
- Bewertung Einsatzbetrieb: prekär - Bewertung Einsatzbetrieb: prekär
- Bewertung Entsendebetrieb: nicht-prekär - Bewertung Entsendebetrieb: nicht-prekär
(gleichgültig bzw. distanziert) (gleichgültig bzw. distanziert)
9.1 Vergleichende Betrachtung der Typologien – ein Überblick

Der/die
- Aktivitätsniveau Einsatzbetrieb: nicht Der/die - Aktivitätsniveau Einsatz- und Entsendebe-
prekäre
prekäre
Verwei- vorhanden (Verweigerung) trieb: nicht vorhanden
Konforme
gernde - Aktivitätsniveau Entsendebetrieb: nicht - Betonung der individuellen Selbstaus-
vorhanden handlungsfähigkeiten im Entsendebetrieb,
nicht aber im Einsatzbetrieb
207
208 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Gemäß des Kriteriums der Typenbildung, ob eine Bewertung der betrieblichen


Mitbestimmungssituation als prekär bzw. ob eine Beteiligung an der betrieblichen
Mitbestimmungsarena in mindestens einem Betrieb vorlag, bilden sich im Ergebnis
für jede Beschäftigungsform zentrale Typen, die in den grundlegenden Merkmalen
übereinstimmen. Auf der einen Seite lassen sich jeweils Typen finden, die ihre
betriebliche Mitbestimmungssituation als nicht-prekär bewerten, in einer Mitbe-
stimmungsarena integriert sind und sich dort in die entsprechenden Prozesse ein-
bringen (die Integrierten). Auf der anderen Seite existieren bei beiden Beschäfti-
gungsformen Typen, die ihre Mitbestimmungssituation als prekär bewerten und
sich entweder in einer Mitbestimmungsarena aktiv beteiligen oder aber keine Akti-
vitäten aufweisen (die prekären Typen). Schließlich konnten sowohl bei den Leih-,
als auch bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen Typen identifiziert werden, die
die betriebliche Mitbestimmung für sich als nicht notwendig erachten und ihre
individuellen Selbstvertretungsfähigkeiten betonen (die Autarken).
Diese zentralen Typen unterscheiden sich jedoch nach Beschäftigungsform
hinsichtlich der Mitbestimmungsarena, in der die Beteiligung an der betriebli-
chen Mitbestimmung erfolgt, sowie in Bezug auf die Prekaritätsbewertungen und
Aktivitätsformen zum Teil maßgeblich voneinander. Auf diese Gemeinsamkei-
ten und Unterschiede der Typen soll im Folgenden überblicksartig anhand einer
Gegenüberstellung eingegangen werden, um daran anschließend detailliert die
jeweiligen Erklärungsfaktoren und Wirkungszusammenhänge vor dem Hinter-
grund der Beschäftigungsformen Leih- und Werkvertragsarbeit zu betrachten.

9.1.1 Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als


(nicht-)prekär

Bei einer Gegenüberstellung zeigt sich, dass die Situationsdefinitionen der Leih-
und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen je nach Beschäftigungsform auf unter-
schiedlichen Grundlagen beruhen und unterschiedliche Ausprägungen besitzen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Bewertung der Mitbestimmungssituation als
nicht-prekär im Sample der vorliegenden Arbeit zwei Formen annimmt: Auf der
einen Seite umfasst eine Situationsdefinition als nicht-prekär die Integration in
die betriebliche Mitbestimmung sowie eine positive Bewertung dessen. Diese
Ausprägung zeigt sich bei den integrierten Leih- und Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen und beruht unter anderem auf erfüllten Erwartungen durch die be-
triebliche Interessenvertretung sowie positiven Erlebnissen mit dieser. Im Unter-
schied zu den Leiharbeitnehmer/-innen begreifen sich die Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen jedoch ausschließlich im Werkvertragsunternehmen und nicht im
Einsatzbetrieb als integriert. Zu begründen ist dies mit den gesetzlichen Rah-
menbedingungen, die eine Integration von Werkvertragskräften in die betrieb-
9.1 Vergleichende Betrachtung der Typologien – ein Überblick 209

liche Mitbestimmung des Einsatzbetriebs nicht vorsieht. Auf der anderen Seite
kann die Situationsdefinition als nicht-prekär auch Gleichgültigkeit und/oder
eine Distanzierung von der betrieblichen Mitbestimmung umfassen. Insbesonde-
re bei den autarken Typen zeigt sich eine bewusste Abgrenzung von der betrieb-
lichen Mitbestimmung. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die
Werkvertragsbeschäftigten oftmals insbesondere von den Mitbestimmungspro-
zessen des Einsatzbetriebs distanzieren. Diese Form der Desintegration wird
allerdings nicht negativ bewertet. Nicht-Prekarität in Form von Gleichgültigkeit
oder Desinteresse kommt hingegen bei den Leiharbeitnehmer/-innen vor allem
gegenüber der betrieblichen Mitbestimmung der Leiharbeitsfirma sowie bei den
unbefangenen Autarken zum Tragen.
Auch die Wahrnehmung und Bewertung von Prekarität in Bezug auf die be-
triebliche Mitbestimmung existiert im Sample in zwei Formen: Den Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen fehlt – wenn ihre Bewertung der betrieblichen Mitbe-
stimmungssituation als prekär eingestuft wurde – entweder im Werkvertragsun-
ternehmen oder im Einsatzbetrieb generell ein Ansprechpartner in Form eines
Betriebsrats. Im Einsatzbetrieb ist dies mit der Tatsache zu begründen, dass sie
aufgrund gesetzlicher Bestimmungen von der betrieblichen Mitbestimmung im
Einsatzbetrieb exkludiert sind und sich im Gegensatz zu den Leiharbeitnehmer/-
innen weder an betrieblichen Mitbestimmungsprozessen gleichberechtigt beteili-
gen können, noch von den verschiedenen Funktionen eines Betriebsrats profitie-
ren können. Im Werkvertragsunternehmen bezieht sich die Bewertung der be-
trieblichen Mitbestimmungssituation auf die Nicht-Existenz eines Betriebsrats;
ihre Bedürfnisse nach einer Interessenvertretung sind also fundamentaler Natur.
Für die Leiharbeitskräfte besitzt der Einsatzbetriebsrat hingegen ein Vertre-
tungsmandat. Die Prekaritätsbewertung der Leiharbeitnehmer/-innen beruht
entsprechend darauf, dass der Einsatzbetriebsrat sein Mandat nicht entsprechend
ihrer Erwartungen ausfüllt bzw. ausübt, was zu Enttäuschungen führt. Trotz for-
maler, rechtlicher Integration (im Unterschied zu den Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen) fühlen sie sich also im Hinblick auf die betriebliche Mitbestimmung
im Einsatzbetrieb desintegriert. Betont wird dabei oftmals eine Benachteiligung
im Hinblick auf die Festangestellten. Die prekären Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen der Typologie befinden sich somit grundsätzlich auf einer anderen „Stufe“
der Prekaritätswahrnehmung und –bewertung. Die Integration in die betriebliche
Mitbestimmung des Einsatzbetriebs, über welche die Leiharbeitnehmer/-innen
(zumindest formal) bereits verfügen, wird von ihnen angestrebt. Der Entsendebe-
trieb kann dieses Defizit jedoch nicht zwangsläufig ausgleichen – vor allem,
wenn dort kein niedrigschwellig erreichbares Betriebsratsgremium existiert (vgl.
bspw. den/die prekäre/-n Aktivisten/-in).
210 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Die Befunde der unterschiedlichen (Nicht-)Prekaritätswahrnehmungen bzw.


-bewertungen zwischen Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen sind damit
in einen Zusammenhang mit den Ergebnissen aus Kapitel 6 zu setzen: Dort wur-
de einerseits gezeigt, dass eine rechtliche Integration der Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen in die betriebliche Mitbestimmung – wenn überhaupt – nur im Entsen-
debetrieb besteht. Dies findet sich auch in den empirischen Ergebnissen wieder:
Bei den Werkvertragsbeschäftigten des Samples kommt eine Bewertung der be-
trieblichen Mitbestimmungssituation als nicht-prekär (im Sinne einer Integration)
entsprechend nur im Werkvertragsunternehmen vor.
Darüber hinaus wurde in Kapitel 6 gezeigt, dass die objektiven Prekaritätspo-
tenziale der betrieblichen Mitbestimmung bei Werkvertragsarbeitnehmer/-innen im
Einsatzbetrieb größer sind als bei Leiharbeitnehmer/-innen, da sie dort „gar keine
Betriebsbürger“ (Brinkmann/Nachtwey 2014: 96) sind. Diese gesetzliche Regulie-
rung spiegelt sich in den oben genannten verschiedenen „Stufen“ der Prekaritäts-
wahrnehmung und –bewertung der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
wider. Anzumerken ist dabei an dieser Stelle, dass nicht alle Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen ihre Mitbestimmungssituation grundsätzlich schlechter bewerten
oder sich benachteiligt fühlen. Dennoch wird deutlich, dass die Wahrnehmungen
und Bewertungen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen auf jeweils
unterschiedlichen (rechtlichen) Voraussetzungen beruhen und man daher diesbe-
züglich durchaus von einem qualitativen Unterschied ausgehen kann.

9.1.2 Handlungskonsequenzen und Rolle der jeweiligen


Mitbestimmungsarenen

Bei einer vergleichenden Analyse der konkreten Handlungskonsequenzen der


Beschäftigten für den jeweiligen Umgang mit ihrer Mitbestimmungssituation kann
auf Grundlage des Samples Folgendes festgehalten werden: Einer nicht-prekären
Bewertung im Sinne eines Integrationsgefühls folgt eine Beteiligung an den ent-
sprechenden Prozessen im Einsatz- oder Entsendebetrieb (vgl. dazu die integrier-
ten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen). Stehen die Beschäftigten der
betrieblichen Mitbestimmung generell gleichgültig oder distanziert gegenüber, ver-
bleiben sie in Passivität (vgl. dazu die autarken Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen).
In den Typologien zeigt sich darüber hinaus, dass die Situationsdefinition
als prekär unter bestimmten Bedingungen zum Teil als „Motor“, zum Teil aber
auch als „Bremse“ für Aktivitäten in der betrieblichen Mitbestimmung fungieren
kann. Eine Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung als prekär kann bei den
Leiharbeitnehmer/-innen entweder die Aufrechterhaltung der Partizipation im
Einsatzbetrieb nach sich ziehen (die prekären, aktiven Leiharbeitnehmer/-innen),
9.1 Vergleichende Betrachtung der Typologien – ein Überblick 211

oder aber zu einer Verweigerungshaltung führen (der/die prekäre Verweigernde).


Bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen führt eine Bewertung der betriebli-
chen Mitbestimmungssituation als prekär hingegen zu dreierlei Handlungskon-
sequenzen: Entweder werden Aktivitäten im Einsatzbetrieb aufgenommen – ob-
wohl eine Integration in die dortige, betriebliche Mitbestimmung laut der gesetz-
lichen Rahmenbedingungen nicht vorgesehen ist (die prekären Ratsuchenden),
oder es folgen Handlungen im Werkvertragsunternehmen (beispielsweise im
Sinne einer Betriebsratsgründung; vgl. dazu den/die prekäre/-n Aktivisten/-in).
Schließlich ist das Verbleiben in Passivität als eine Handlungskonsequenz fest-
zuhalten: Der bzw. die prekäre Konforme bewertet die Mitbestimmungssituation
im Einsatzbetrieb als prekär, nimmt aber – entsprechend der rechtlichen Rah-
menbedingungen – keinerlei Aktivitäten im Einsatzbetrieb auf und beteiligt sich
auch im Werkvertragsunternehmen nicht an der betrieblichen Mitbestimmung.
Die wohl augenscheinlichste Differenz zwischen den Typologien der hier
analysierten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist allerdings die Rolle,
die der jeweilige Entsendebetrieb in den Mitbestimmungswahrnehmungen, -be-
wertungen und -handlungen der Beschäftigten einnimmt:
Bei den identifizierten Typen der Leiharbeitnehmer/-innen steht fast aus-
nahmslos die betriebliche Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs im Zent-
rum, während sich die Leiharbeitsfirma gewissermaßen im „Abseits“ befindet
und kaum eine Rolle einnimmt. Selbst bei den autarken Leiharbeitnehmer/-innen
(die sich grundsätzlich von betrieblichen Mitbestimmungsprozessen abgrenzen
bzw. damit noch nicht in Berührung gekommen sind), ist auf Grundlage des
Interviewmaterials festzustellen, dass die betriebliche Mitbestimmung im Ein-
satzbetrieb einen größeren Raum in den Wahrnehmungen und Bewertungen
einnimmt und auf die Leiharbeitsfirma kaum eingegangen wird.106 Insgesamt ist
festzustellen, dass die Leiharbeitnehmer/-innen ihre Erwartungen – so denn sie
welche haben – überwiegend an die betriebliche Mitbestimmung im Einsatzbe-
trieb richten und auch nur dort an ihr partizipieren.107

106 Die einzige – wenngleich marginale – Abweichung von diesem Muster bildet in diesem Zusam-
menhang der Fall (E-LA1) des prekären Aktiven, der vom Einsatzbetriebsrat an den Betriebsrat
der Leiharbeitsfirma verwiesen wurde und aufgrund dessen in Kontakt mit ihm steht. Dieser Be-
schäftigte ist zugleich der einzige, bei dem die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssitua-
tion in der Leiharbeitsfirma als prekär eingestuft wurde. Er kann hinsichtlich seiner speziellen, äu-
ßeren Bedingungen (Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmung) als Sonderfall eingestuft
werden, auf die auch in Kapitel 9.2 eingegangen wird.
107 Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass dieses Ergebnis nicht repräsentativ ist. Zwar ist die Be-
triebsratsdichte in Leiharbeitsfirmen vergleichsweise gering (Promberger 2012: 226), dennoch
müsste es in logischer Konsequenz Leiharbeitnehmer/-innen geben, die sich aktiv an der be-
trieblichen Mitbestimmung ihres Entsendebetriebs beteiligen. Dennoch ist hier von einer Ten-
denz auszugehen: Wo weniger Betriebsräte existieren, ist auch die Beteiligung geringer.
212 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Im Gegensatz dazu zeigt sich bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ein


gemischteres Bild im Hinblick auf die Rolle der jeweiligen Mitbestimmungsare-
nen. Im Werkvertragsunternehmen bestehen aufgrund der rechtlichen Rahmen-
bedingungen wesentlich größere Handlungsspielräume für die Beschäftigten als
im Einsatzbetrieb. Diese werden im Falle des/der Integrierten und des/der prekä-
ren Aktivisten bzw. Aktivistin ausgeschöpft. Die prekären Ratsuchenden hinge-
gen fokussieren ihre Aktivitäten auf den Einsatzbetrieb – obwohl die Beteiligung
an der betrieblichen Mitbestimmung dort faktisch eigentlich ausgeschlossen ist.
Ein weiteres Ergebnis zum Verhältnis der beiden Mitbestimmungsarenen zu-
einander ist, dass die Handlungen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
stets auf maximal einen Betrieb fokussiert sind: Keiner der Typen partizipiert in
Einsatz- und Entsendebetrieb gleichermaßen – die Beschäftigten scheinen sich
sozusagen immer für eine Mitbestimmungsarena (bewusst oder unbewusst) zu
entscheiden und sich dort zu beteiligen. Wie schon beschrieben, ist dies bei den
Leiharbeitnehmer/-innen ausnahmslos der Einsatzbetrieb, während sich die Werk-
vertragsbeschäftigten zum Teil auf ihren Entsendebetrieb, zum Teil aber auch auf
den Einsatzbetrieb konzentrieren. Wird die individuelle Selbstvertretung gegen-
über der kollektiven Interessenvertretung prinzipiell präferiert (vgl. dazu die Au-
tarken), so erfolgt eine Passivität in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung
sowohl im Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb.
Wie aber schlüsselt sich die Fokussierung auf die jeweiligen Mitbestim-
mungsarenen bei einer Gegenüberstellung der einzelnen Typen genau auf?
Die integrierten Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zeichnen sich
dadurch aus, dass sie ihre betriebliche Mitbestimmungssituation weder im Ein-
satz-, noch im Entsendebetrieb als prekär bewerten und sich in jeweils einem
Betrieb an den institutionalisierten Prozessen der betrieblichen Mitbestimmung
beteiligen. Ein maßgeblicher Unterschied zwischen den beiden Typen ist aller-
dings, in welcher Mitbestimmungsarena sie sich integriert fühlen und ihre Akti-
vitäten ausüben: Bei dem/der integrierten Leiharbeitnehmer/-in ist dies der Ein-
satzbetrieb, während bei dem/der integrierten Werkvertragsarbeitnehmer/-in der
Entsendebetrieb, d.h. das Werkvertragsunternehmen, im Mittelpunkt der Rele-
vanzsetzungen und Handlungen steht. Zu der jeweils anderen Mitbestimmungsa-
rena besteht eine desinteressierte bzw. distanzierte Haltung.
Die autarken Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen ähneln
sich insofern, als dass sie ihre betrieblichen Mitbestimmungssituationen in bei-
den Mitbestimmungsarenen als nicht-prekär bewerten – entweder, weil sie sich
bewusst davon distanzieren, oder weil sie ihr (noch) gleichgültig gegenüberste-
hen. Im Unterschied zu den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen könnten sich die
autarken Leiharbeitskräfte allerdings an der betrieblichen Mitbestimmung des
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 213

Einsatzbetriebs prinzipiell beteiligen – eine Partizipation erfolgt jedoch aufgrund


verschiedener Faktoren nicht.
Stellt man jene Typen mit prekärer Bewertung der Mitbestimmungssituatio-
nen gegenüber, so ergibt sich – wie bereits erwähnt – insbesondere bei den Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen ein komplexeres Bild in Bezug auf die betrieblichen
Mitbestimmungsarenen. Während der/die prekäre, aktive Leiharbeitnehmer/-in re-
lativ eindeutig auf den Einsatzbetrieb fokussiert ist und die betriebliche Mitbestim-
mung in der Leiharbeitsfirma eine nebensächliche Rolle einnimmt, teilen sich die
prekär-aktiven Werkvertragsarbeitnehmer/-innen auf die beiden Mitbestimmungs-
arenen auf: Der/die prekäre Ratsuchende ist im Einsatzbetrieb aktiv; der/die prekä-
re Aktivist/-in konzentriert sich ausschließlich auf das Werkvertragsunternehmen.
Trotz ähnlicher Situationsdefinitionen werden hier folglich verschiedene Hand-
lungsstrategien verfolgt, die durch jeweils unterschiedliche innere und äußere Be-
dingungen zu begründen sind.
Die prekären, passiven Typen schließlich (der/die prekäre Verweigernde
und der/die prekäre Konforme) zeichnen sich bei beiden Beschäftigungsformen
dadurch aus, dass sie in keiner der beiden Mitbestimmungsarenen aktiv sind, je-
doch jene des Einsatzbetriebs als prekär bewerten. Auf die prekäre Bewertung
der Mitbestimmungssituation folgt jeweils der Rückgriff auf die individuelle
Selbstvertretung im Einsatzbetrieb. Während sich der/die prekäre Verweigernde
jedoch bewusst dafür entscheidet, sich nicht mehr an der betrieblichen Mitbe-
stimmung zu beteiligen und eine Verweigerungshaltung einnimmt, wird der/die
prekäre Konforme aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen der betriebli-
chen Mitbestimmung an der Aufnahme Aktivitäten gehindert. Er/sie ist gewis-
sermaßen zur Passivität im Einsatzbetrieb gezwungen. Der jeweilige Entsende-
betrieb tritt bei beiden letztgenannten Typen hingegen in den Hintergrund.

9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungs-


zusammenhänge

Bereits in Kapitel 8 wurde im Rahmen der Typologien darauf eingegangen, wel-


che inneren und äußeren Bedingungen bei den Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen jeweils eine Rolle bei den beschriebenen Situationsdefinitionen
und ausgeübten Handlungen spielen. In diesem Unterkapitel soll dies nun aus
vergleichender Perspektive erfolgen, um die Unterschiede und Gemeinsamkeiten
zwischen den Typologien herauszustellen. Besondere Berücksichtigung sollen
dabei jene Faktoren erfahren, die mit der spezifischen Beschäftigungssituation
als Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in zusammenhängen. Es wird dabei
erneut auf die Systematisierung nach dem handlungstheoretischen Modell zu-
rückgegriffen, das zwischen inneren und äußeren Bedingungen unterscheidet.
214 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Die nachfolgende Tabelle 7 gibt einen Überblick über die jeweiligen Bedingun-
gen, die zur Erklärung der Situationsdefinitionen und Handlungsselektionen die-
nen. Die hellgrau hinterlegten Felder der Tabelle beinhalten die äußeren Bedin-
gungen, die weißen Felder die inneren Bedingungen.

Tabelle 7: Wirkungszusammenhänge der Typen


9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 215

Legende:
Kognition ~ Distanzierung
Situationsdefinition & Handlung  hoch
+ positive Bewertung  niedrig
- negative Bewertung WU Werkvertragsunternehmen
216 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Als zentrale „Weichen“ der Bewertung sowie der Handlungswahl in den betrieb-
lichen Mitbestimmungsarenen haben sich bei beiden Beschäftigungsformen auf
der einen Seite die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung, die Zugänglichkeit bzw. Erreichbarkeit der Mitbestimmungsinstituti-
onen, die Existenz eines Betriebsrats und dessen Strategie sowie das Verhältnis
zum/zur Vorgesetzten herausgestellt. Als innere Bedingungen sind das Zugehö-
rigkeitsgefühl, die jeweilige Mitbestimmungsaffinität und vorangegangene Er-
lebnisse mit der betrieblichen Mitbestimmung sowie der biografische Status
auszumachen, vor deren Hintergrund die Mitbestimmungssituation bewertet wird
und eine Handlung selektiert wird. Lokale Gewerkschaften nehmen in Bezug auf
die Handlungswahl einer Betriebsratsgründung einen Sonderstatus ein. Hinsicht-
lich der sozialstrukturellen Faktoren des Alters und des Geschlechts sind hinge-
gen bei beiden Beschäftigungsformen keine übergreifenden Muster zu erkennen,
weshalb dieser Faktor im Folgenden nicht weiter berücksichtigt wird. 108
Die entscheidenden inneren und äußeren Bedingungen für die verschiede-
nen Typen der beiden Beschäftigungsformen Leih- und Werkvertragsarbeit wer-
den im Folgenden vergleichend abgehandelt. Zu beachten ist dabei, dass diese
zwar zum Zwecke der Analyse getrennt wurden, sie faktisch aber miteinander
verflochten sind und sich – wie in den Typologien bereits gezeigt – zum Teil
auch gegenseitig beeinflussen.

9.2.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung erwei-


sen sich – insbesondere im Einsatzbetrieb – als besonders relevante äußere Be-
dingungen für die Bewertungen und Handlungen der Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen. Auf der einen Seite dienen die gesetzlichen Rahmenbedin-

108 Zu vermuten wäre allerdings, dass das Alter insofern eine Rolle spielt, als dass mit zunehmen-
der Dauer der Erwerbstätigkeit auch die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, verschiedene Erfah-
rungen mit der betrieblichen Mitbestimmung zu sammeln und bestimmte Einstellungen gegen-
über kollektiver, aber auch individueller Interessenvertretung verinnerlicht werden – beispiels-
weise durch die Erfahrung einer Festanstellung, bei der wiederum andere Rahmenbedingungen
für die betriebliche Mitbestimmung gelten. Auf Grundlage dieses Samples können dazu jedoch
(wie in Kapitel 8 gezeigt) keine Aussagen gemacht werden.
Auch in Bezug auf die Geschlechterverteilung lassen sich keine Aussagen treffen – die Fallzahl
an weiblichen Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist in diesem Sample schlicht zu ge-
ring, um anhand von Fallvergleichen und –kontrastierungen Aussagen zu geschlechtsspezifi-
schen Besonderheiten zu treffen oder die Wahrnehmungen und Bewertungen geschlechtsspezi-
fisch zu erklären. Auch dieser Faktor findet daher im weiteren Verlauf keine Berücksichtigung.
Es sei an dieser Stelle auf künftigen Forschungsbedarf verwiesen, der sich auf Alters- und Ge-
schlechtsspezifika bei der Haltung zur betrieblichen Mitbestimmung bezieht.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 217

gungen den Beschäftigten als Maßstab für die Bewertung der eigenen Situation
und tragen dabei maßgeblich zur Situationsdefinition prekär bzw. nicht-prekär
bei. Wie bereits in Kapitel 3 gezeigt wurde, ist Prekarität bzw. prekäre Be-
schäftigung das Ergebnis sozialer Zuschreibungen auf der Basis eines normati-
ven Vergleichsmaßstabs, nämlich des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses.
Im Falle von Leih- und Werkvertragsarbeit stellt der Einsatzbetrieb den Ort dar,
wo die Unterschiede zum Normalarbeitsverhältnis manifest werden. Hier voll-
bringen Beschäftigte mit unterschiedlichen Arbeitsvertragsformen bzw. Arbeit-
geber/-innen – oftmals ohne räumliche Trennung – ihre Arbeitsleistung und ste-
hen in Kontakt zueinander. Somit ist es den Leih- und Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen möglich, den Zugang zu Rechten bezüglich der betrieblichen Mitbe-
stimmung mit denen der Festangestellten auf Unterschiede und Gemeinsamkei-
ten zu vergleichen und hinsichtlich ihrer Prekarität bzw. Nicht-Prekarität zu
bewerten. Dieser Abgleich findet nicht nur zwischen externen und internen Be-
schäftigten, sondern auch unter den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
statt, die das jeweils andere Beschäftigungsverhältnis als Vergleichsmaßstab an
das eigene anlegen und so zu einem Schluss hinsichtlich der eigenen Situation
kommen.
Auf der anderen Seite eröffnen die gesetzlichen Rahmenbedingungen den
Leiharbeitskräften den Handlungsspielraum für eine Beteiligung an der betriebli-
chen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb und wirken damit partiell aktivitätsför-
dernd. Für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen werden die Alternati-
ven der Handlungswahl stark eingegrenzt und Aktivitäten damit gehemmt. Deut-
lich wird dies beispielsweise mit Blick auf die integrierten Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betriebli-
chen Mitbestimmung sind es, die ihnen die jeweilige Integration durch Beteili-
gung sowie positive Erlebnisse erlauben. Den Leiharbeitnehmer/-innen steht die-
se Option in beiden Mitbestimmungsarenen offen; den Werkvertragsarbeitneh-
mer/-innen bleibt nur der „offizielle“ Weg durch die Beteiligung im Werkver-
tragsunternehmen, weshalb bei diesem Typus auch nur dort Partizipation erfolgt.
Wie gezeigt werden konnte, wirkt die Gesetzgebung der betrieblichen Mit-
bestimmung im Einsatzbetrieb für die Leiharbeitnehmer/-innen zum Teil egali-
sierend: Die Integrierten fühlen sich in die Mitbestimmung einbezogen und den
Festangestellten gleichgestellt. Damit erlauben und fördern die rechtlichen Rah-
menbedingungen eine Integration in den Einsatzbetrieb gleichermaßen. Ebenso
aber dienen sie gewissermaßen als Maßstab der Beschäftigten dafür, ob der dies-
bezügliche, theoretische (Beinahe-)Arbeitnehmer/-innenstatus der Leiharbeit-
nehmer/-innen auch durch den Betriebsrat in der Praxis umsetzbar ist bzw. um-
gesetzt wird. Im Falle des/der prekären Aktiven sowie des/der prekäre/-n Ver-
weigernden kommen die Beschäftigten durch den Abgleich zwischen Theorie
218 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

und Praxis (d.h. direkte Erlebnisse insbesondere mit dem Einsatzbetriebsrat) zu


dem Schluss, dass der Einsatzbetriebsrat in ihren Augen in der Realität nicht
über den gleichen Handlungsspielraum wie für Stammbeschäftigte verfügt.
In Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung in der Leiharbeitsfirma ist zu
konstatieren, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen keinen größeren Ein-
fluss auf die Bewertungen und Handlungen nehmen: Es werden dort – trotz un-
eingeschränkter Rechte – kaum Ansprüche an die betriebliche Mitbestimmung
gestellt; zudem erfolgt keine Beteiligung an den institutionalisierten Prozessen.
So wird auf Seiten der Leiharbeitnehmer/-innen anscheinend auch kein Aus-
gleich für die Verwehrung des passiven Wahlrechts im Einsatzbetrieb angestrebt.
Dies hängt mit der generellen Rolle, welche die jeweilige Leiharbeitsfirma in den
Wahrnehmungen der Beschäftigten einnimmt, zusammen (vgl. dazu die folgen-
den Abschnitte).
Für Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen wird eine offizielle Beteili-
gung an der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb durch die gesetzlichen
Rahmenbedingungen versperrt. Sie wirken insofern segmentierend, als dass die
Werkvertragsbeschäftigten – anders als die Leiharbeitskräfte und Festangestellten
– von der dortigen Mitbestimmung ausgeschlossen sind. Die Bewertung der Mit-
bestimmungssituation im Einsatzbetrieb erfolgt auch hier anhand eines Abgleichs
zwischen den eigenen individuellen Beteiligungsrechten und denen der Leihar-
beits- bzw. Stammbeschäftigten. Das Bedürfnis nach einer Beteiligung ist bei den
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zwar zum Teil vorhanden – die tatsächliche
Partizipation wird jedoch durch die genannten gesetzlichen Regelungen verhindert
und führt somit bei einer hohen Mitbestimmungsaffinität zu einer Bewertung der
Situation als prekär (vgl. dazu die prekären Ratsuchenden, den/die prekäre/-n
Aktivisten bzw. Aktivistin und den/die prekäre/-n Konforme/-n). Unabhängig da-
von, wie die eigene Rolle diesbezüglich im Einsatzbetrieb bewertet wird, kann die-
se Exklusion durch eine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung im
Werkvertragsunternehmen gegebenenfalls kompensiert werden (der Integrierte
und der/die prekäre Aktivist/-in). Der Ausschluss von der betrieblichen Mitbestim-
mung im Einsatzbetrieb führt damit – zumindest teilweise – zu einer Aufwertung
der betrieblichen Mitbestimmung im Werkvertragsunternehmen.
Gezeigt werden konnte aber auch, dass der gesetzlich bedingte Ausschluss
von der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb nicht jede Handlung der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen blockiert: Der Typus des/der prekären Ratsu-
chenden entwickelt Umgehungsstrategien, um seine diesbezüglichen Bedürfnisse
zumindest kurzfristig zu befriedigen. Der Betriebsrat kann dabei sogar zum Teil
eine Kompensationsfunktion für einen fehlenden Betriebsrat im Werkvertragsun-
ternehmen übernehmen. Deutlich wird jedoch, dass diese Handlungsstrategien
nur punktuell zu einem Vertretungsgefühl führen – bei den genannten Typen
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 219

bleibt die grundsätzliche Wahrnehmung einer Exklusion von der betrieblichen


Mitbestimmung im Einsatzbetrieb bestehen.

9.2.2 Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen

Vor dem Hintergrund der Typologien und deren Wirkungszusammenhängen ist


zu konstatieren, dass eine niedrigschwellige Erreichbarkeit der betrieblichen
Mitbestimmungsinstitutionen die Bewertungen, aber auch das Aktivitätsniveau
der Beschäftigten beeinflussen kann. So wird insbesondere von vielen Leihar-
beitnehmer/-innen des Samples eine permanente Kontaktierungsmöglichkeit des
Einsatzbetriebsrats positiv bewertet. Zugleich begünstigt dies Aktivitäten in der
Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs: Sowohl die Kontaktaufnahme als
auch der Informationsfluss ist erleichtert; zudem ist es weniger aufwendig, Be-
triebsversammlungen zu besuchen oder an Betriebsratswahlen teilzunehmen.
Daraus folgen (positive oder negative) Erlebnisse, welche wiederum die Bewer-
tung der betrieblichen Mitbestimmungssituation als prekär bzw. nicht-prekär
beeinflussen. Auch die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen haben durch die räum-
liche Nähe zum Einsatzbetriebsrat (zum Teil) die Möglichkeit, Kontakt zu die-
sem aufzunehmen, etwa um Informationen einzuholen oder Beratungen in An-
spruch zu nehmen (vgl. dazu die prekären Ratsuchenden).109
Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Forschungsergebnisse
von Rami/Hunger (2011), nach denen ein regelmäßiger persönlicher Kontakt
zum Betriebsrat positiv auf ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Gremium
und Beschäftigten wirkt. Die Voraussetzung dafür ist bei Leih- und Werkver-
tragsarbeit jedoch aufgrund der räumlichen Trennung von Arbeits- und tatsäch-
lichem Anstellungsort meist nur im Einsatzbetrieb gegeben. Bei den Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen kommt hinzu, dass der Einsatzbetriebsrat keine offizi-
elle Zuständigkeit für sie hat. In Folge wird er nicht zwangsläufig als Ansprech-
partner gesehen; eine Teilnahme an Betriebsratswahlen oder -versammlungen ist
ohnehin nicht möglich. Wieder sind es hier die gesetzlichen Rahmenbedingun-
gen, die eine unüberwindbare Hürde zur Beteiligung an der betrieblichen Mitbe-
stimmung darstellen.
Eine niedrigschwellige Erreichbarkeit des Betriebsrats im Entsendebetrieb
ist hingegen nur in den seltensten Fällen des vorliegenden Samples möglich.

109 Eine niedrigschwellige Erreichbarkeit führt aber nicht zwangsläufig zu einer Beteiligung an der
betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb: Bei den autarken Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen spielt die räumliche Distanz bzw. die Hoch- oder Niedrigschwelligkeit der
betrieblichen Mitbestimmungsinstitutionen keinerlei Rolle für die Bewertungen und Handlun-
gen – ihre Präferenz der individuellen Selbstvertretung ist vermutlich unabhängig davon zu se-
hen.
220 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Dies hat Auswirkungen auf die Bewertungen sowie auf das dortige Aktivitätsni-
veau: Insbesondere die Leiharbeitnehmer/-innen geben an, beispielsweise auf-
grund fehlender Kenntnis der Kandidat/-innen nicht an der dortigen Betriebs-
ratswahl teilzunehmen. Keine/r der Leiharbeitnehmer/-innen stuft dies jedoch als
prekär ein; vielmehr ist auffällig, dass diesbezüglich keinerlei Erwartungen oder
Bedürfnisse geäußert werden. Anzunehmen ist, dass die betriebliche Mitbestim-
mung bei diesen Beschäftigten dadurch, dass sie im betrieblichen Alltag wenig
präsent ist, auch in den Hintergrund der Wahrnehmungen und Bewertungen
rückt. Dieses Ergebnis findet sich in ähnlicher Ausprägung bei Wilkesmann et al.
(2011b: 152) wieder, wonach Leiharbeitnehmer/-innen insbesondere aufgrund
der räumlichen Trennung von tatsächlichem Arbeits- und Anstellungsort wenig
persönliche Unterstützung von ihrer Interessenvertretung der Leiharbeitsfirma
erwarten. Da der niedrigschwellig zu erreichende Einsatzbetriebsrat aus Sicht der
Beschäftigten jegliche Funktionen der betrieblichen Mitbestimmung erfüllt (bzw.
zum Teil nicht erfüllt), besteht bei den Leiharbeitnehmer/-innen zudem vermut-
lich kein Bedarf, die Interessenvertretung im Entsendebetrieb zu kontaktieren.
Von Teilen der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen wird die schlechte
Erreichbarkeit und räumliche Distanz zum (nicht-lokalen) Entsendebetriebsrats
durchaus kritisiert (insbesondere von Teilen der prekären Ratsuchenden und von
dem bzw. der prekären Aktivisten/Aktivistin). Verstärkend kommt in diesen Fällen
hinzu, dass laut der betroffenen Beschäftigten von Seiten des Entsendebetriebsrats
anscheinend keine Bemühungen bestehen, um Kontakt herzustellen. Ein Ausgleich
dieses Defizits kann aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen – anders als
bei den Leiharbeitnehmer/-innen – nicht bzw. nur partiell im Einsatzbetrieb statt-
finden. Der/die prekäre Aktivist/-in wendet in Reaktion auf die als defizitär emp-
fundene Erreichbarkeit der Interessenvertretung daher seine Handlungsressourcen
in der Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs auf, indem er dort selbst eine
Betriebsratsgründung vorantreibt.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass die räumliche Distanz zu den betrieb-
lichen Mitbestimmungsinstitutionen nicht zwangsläufig ein Prekaritätsempfinden
nach sich ziehen bzw. eine Hürde für die Beteiligung der Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen an der betrieblichen Mitbestimmung darstellen muss. Deutlich
wird dies am Beispiel des Typus des integrierten Werkvertragsarbeitnehmers,
der trotz der räumlichen Distanz zum Werkvertragsunternehmen Betriebsratsmit-
glied geworden ist. Bei ihm tragen unter anderem die inneren Bedingungen einer
besonders stark ausgeprägte Mitbestimmungsaffinität und -sozialisation dazu
bei, diese Aktivitäten auszuüben.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 221

9.2.3 Existenz bzw. Nicht-Existenz eines Betriebsrats

Ist ein Betriebsratsgremium in einer der beiden Mitbestimmungsarenen vorhan-


den, so öffnet dies zunächst einmal die Möglichkeit, sich an der betrieblichen
Mitbestimmung zu beteiligen. Die Existenz eines Gremiums erhöht damit die
Wahrscheinlichkeit, positive bzw. negative Erlebnisse mit der betrieblichen Mit-
bestimmung zu sammeln, die wiederum die Situationsbewertung als prekär bzw.
nicht-prekär beeinflussen können. Fehlt hingegen ein Betriebsrat, so könnte man
annehmen, dass dies als Defizit wahrgenommen und die Mitbestimmungssituati-
on als prekär eingestuft wird.
In den jeweiligen Einsatzbetrieben des Samples war durchgängig ein Be-
triebsrat vorhanden; in den Entsendebetrieben hingegen oftmals nicht. Darin
spiegelt sich auch der Befund wider, dass in Leiharbeitsfirmen oftmals kein Be-
triebsrat existiert (Promberger 2006). Bemerkenswerterweise wurde dies von
keinem bzw. keiner der Leiharbeitnehmer/-innen negativ bewertet – auch wenn
für den Einsatzbetrieb eine relativ hohe Mitbestimmungsaffinität festgestellt
werden konnte, wurde der Existenz eines Betriebsrats in der Leiharbeitsfirma
keine Relevanz beigemessen (vgl. dazu die prekären Aktiven und den/die prekä-
re/-n Verweigernde/-n). Bei den Leiharbeitskräften des Samples führt also die
Nicht-Existenz eines Betriebsrats in der Leiharbeitsfirma weder zwangsläufig zu
einem Prekaritätsempfinden, noch zu einem höheren Aktivitätsniveau (bei-
spielsweise in Form einer Betriebsratsgründung). Gleichzeitig ist auch bei Vor-
handensein eines Gremiums (vgl. dazu bspw. den prekären, aktiven E-LA1)
nicht unbedingt das Aktivitätsniveau maßgeblich höher. Dieses Ergebnis ist eng
verknüpft mit dem Befund, dass die betriebliche Mitbestimmung im Entsendebe-
trieb für die Leiharbeitskräfte dem Einsatzbetrieb gegenüber eine untergeordnete
Rolle einnimmt.
Konträr dazu kann die Nicht-Existenz bzw. Nicht-Erreichbarkeit eines (lo-
kalen) Betriebsrats im Werkvertragsunternehmen bei einer hohen Mitbestim-
mungsaffinität und einer vergleichsweise langen Einsatzdauer (die einen norma-
tiven Referenzrahmen zur Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation
bildet; vgl. dazu Abschnitt 9.2.8) durchaus zu einer prekären Bewertung der
dortigen Mitbestimmungssituation beitragen, wie sich bei Teilen der prekären
Ratsuchenden sowie beim prekären Aktivisten zeigt. Dies kann sich zugleich
aktivitätsfördernd auswirken: Von den Beschäftigten werden in Konsequenz
Handlungen ausgeführt, um das Defizit der betrieblichen Mitbestimmung kurz-
bzw. langfristig zu kompensieren. So entwickeln die prekären Ratsuchenden
Strategien zur Umgehung der gesetzlichen Vorgaben, mit Hilfe derer der Mangel
eines Betriebsrats im Werkvertragsunternehmen ausgeglichen werden soll (durch
Beratungsanfragen an den Einsatzbetriebsrat). Der/die prekäre Aktivist/-in hin-
222 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

gegen wird im Werkvertragsunternehmen aktiv, indem er dort eine Betriebsrats-


gründung forciert.
Ist ein Betriebsrat im Werkvertragsunternehmen existent – zu sehen bei
dem/der integrierten Werkvertragsarbeitnehmer/-in – so können etwaige Erwar-
tungen und Bedürfnisse nach betrieblicher Mitbestimmung (zumindest theore-
tisch) dort erfüllt werden. Die Mitbestimmungsarena des Einsatzbetriebs rückt
dann in den Hintergrund der Wahrnehmungen; die Situation wird als nicht-pre-
kär bewertet.
Bei den autarken Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen schließlich
ist es nebensächlich, ob ein Betriebsrat existiert oder nicht – sie grenzen sich im
Allgemeinen von der Thematik der betrieblichen Mitbestimmung ab und sind
subjektiv nicht auf eine kollektive Interessenvertretung angewiesen.

9.2.4 Interne Akteur/-innen (Betriebsräte und Vorgesetzte)

Zur Einflussnahme der Betriebsräte auf die Bewertungen und Handlungen sind –
zumindest auf Grundlage des Samples der vorliegenden Arbeit – nur einge-
schränkt Aussagen möglich.
Die Analyse der Leiharbeitnehmer/-innen hat gezeigt, dass beispielsweise
eine ausgedehnte Kontaktstrategie des Betriebsrats sehr wohl positiv auf Situati-
onsdefinition der betrieblichen Mitbestimmung wirken und letztendlich möglich-
erweise auch zu Handlungen motivieren kann – aber nicht zwangsläufig muss.
So bewerten Leiharbeitnehmer/-innen desselben Einsatzbetriebs die Strategien
des dortigen Einsatzbetriebsrats extrem konträr. Es scheint daher stark von den
individuell gemachten Erfahrungen und Wertvorstellungen abzuhängen, wie
verschiedene Aktivitäten des Betriebsrats wahrgenommen werden. Ähnliches
gilt vermutlich auch für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Auffällig ist dabei
allerdings, dass sich einige Betriebsräte für die Werkvertragsbeschäftigten im
Einsatzbetrieb öffnen und – sofern gewünscht – Beratungen durchführen. Dies
steigert zwar das Aktivitätsniveau und deckt kurzfristig beispielsweise einen
Beratungsbedarf. Insgesamt scheint es jedoch, wie schon erwähnt, wenig Ein-
fluss auf die Bewertung der Gesamtsituation, die durch ein Exklusionsempfinden
von der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb geprägt ist, zu nehmen.
Der Einsatzbetriebsrat kann nämlich – wie bereits mehrfach betont – aufgrund
der gesetzlichen Rahmenbedingungen keine Vertretungsfunktion für Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen übernehmen. Festzustellen ist weiterhin, dass die je-
weiligen Betriebsratsstrategien bei den autarken Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen vermutlich nur eine geringfügige Rolle bei der Bewertung und
den gewählten Handlungen spielen: Sie grenzen sich unabhängig davon von der
Thematik der betrieblichen Mitbestimmung ab.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 223

Diese Erkenntnisse bedeuten jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die je-


weiligen Betriebsratsstrategien grundsätzlich irrelevant für die individuelle Si-
tuationswahrnehmung und -bewertung sind. Vielmehr kann an dieser Stelle –
ohne die Betriebsratsstrategien im Detail zu analysieren, beispielsweise auf
Grundlage von Expert/-inneninterviews – keine Aussage zum Einfluss gemacht
werden, da diese individuell anscheinend extrem unterschiedlich wahrgenommen
werden. Es sei daher an dieser Stelle auf die Notwendigkeit weiterer, vertiefen-
der Forschung verwiesen, die sich speziell mit den Sozialbeziehungen zwischen
Betriebsräten und Leih- bzw. Werkvertragsarbeitnehmer/-innen auseinandersetzt
und dabei auch den jeweiligen Betriebsratstypus (vgl. dazu Kotthoff (1994), aber
auch Hertwig et al. (2016)) berücksichtigt.
Mit Blick auf die Wirkung des Verhältnisses zu Vorgesetzten ist zu sagen,
dass dieses anscheinend insbesondere die Einschätzung der individuellen Ver-
handlungsposition der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen beeinflussen
kann: Wird das Verhältnis zum/zur Vorgesetzten als konfliktfrei und nicht hie-
rarchisch beschrieben, so sinkt die subjektiv empfundene Notwendigkeit eines
Betriebsrats (vgl. dazu die autarken Beschäftigten). Wird hingegen eine starke
Machtasymmetrie im Verhältnis zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten wahr-
genommen, so kann die Interessensaushandlung nicht auf individueller Ebene
erfolgen und das Bedürfnis nach einer kollektiven Interessenvertretung in Form
eines Betriebsrats entsteht bzw. wird verstärkt. Dies wird insbesondere bei der
Betrachtung des Werkvertragsarbeitnehmer/-innentyps des/der prekäre/-n Akti-
visten bzw. Aktivistin deutlich, der/die deshalb (sowie aufgrund hoher Arbeitsbe-
lastungen und Missachtungen des Tarifvertrags durch den/die Arbeitgeber/-in)
einen Betriebsrat im Werkvertragsunternehmen als notwendig erachtet. Dies
deckt sich mit den empirischen Ergebnissen von Artus et al. (2015: 143 ff.), nach
denen oftmals in Betrieben des prekären Dienstleistungsbereichs mit den ge-
nannten Merkmalen das Bedürfnis nach einem Betriebsrat entsteht (und dieser
unter bestimmten Umständen auch gegründet wird).
Für die Leiharbeitnehmer/-innen ist vor dem Hintergrund der empirischen
Ergebnisse darüber hinaus zu vermuten, dass das allgemeine Konfliktpotenzial
zu den Vorgesetzten des jeweiligen Entsendebetriebs geringer ist als bei den
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen. Dies ist wie folgt zu begründen: Erstens er-
teilt der/die Vorgesetzte der Leiharbeitsfirma den Leiharbeitnehmer/-innen keine
direkten Arbeitsanweisungen. Das Weisungsrecht liegt beim Einsatzbetrieb; er
kann ihren Arbeitseinsatz wie den des eigenen Personals lenken. Zweitens sind
konkrete Arbeitsbedingungen wie etwa die Festlegung von Arbeitszeiten, ebenso
wie soziale Beziehungen im Falle von Leiharbeit stets eng mit dem jeweiligen
Einsatzbetrieb verknüpft. Dies erklärt auch den auf Grundlage dieses Samples
festgestellten, verhältnismäßig geringen Kontakt zwischen Leiharbeitskräften
224 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

und -firma: Alle Beschäftigten dieser Gruppe haben – abgesehen von Kommuni-
kation in Bezug auf Einsatzwechsel oder Lohnabrechnungen – keinen bzw. nur
sehr wenig Kontakt zu den Vorgesetzten der Leiharbeitsfirma. Möglicherweise
ist somit auch das Konfliktpotenzial als geringer einzuschätzen. In Folge nimmt
das Verhältnis zum bzw. zur Vorgesetzten und damit auch die Interessenaus-
handlung in Bezug auf Arbeitsbedingungen o. ä. in der Leiharbeitsfirma oftmals
eine – im Vergleich zum Einsatzbetrieb – geringere Relevanz ein als bei den
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen.

9.2.5 (Externe) Akteur/-innen im Zusammenhang mit einer


Betriebsratsgründung

Hervorzuheben ist bezüglich der äußeren Bedingungen schließlich die Unterstüt-


zung einer Betriebsratsgründung durch externe Akteur/-innen. Im Falle des
Werkvertragsarbeitnehmertypus des/der prekären Aktivisten bzw. Aktivistin ist
davon auszugehen, dass die lokale Gewerkschaft eine unterstützende Funktion
während des Betriebsratsgründungsprozesses spielte und Aktivitäten förderte,
indem sie beispielsweise Informationsveranstaltungen für die Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen der betreffenden Niederlassung organisierte. Generell gelten
Gewerkschaften als zentrale Instanzen im Kontext von Betriebsratsgründungen,
da sie rechtliche Expertise in Bezug auf das BetrVG zur Verfügung stellen sowie
als Schutzmacht der Beschäftigten agieren können (Artus et al. 2015: 219 ff.).
Eine Unterstützung der lokalen Betriebsratsgründung durch einen Gesamt-
oder Konzernbetriebsrat des Werkvertragsunternehmens fand hingegen nicht
statt. Seit 2001 verfügen Gesamt- und Konzernbetriebsräte über das Recht, Be-
triebsratswahlen in bisher betriebsratslosen Betrieben ihres Unternehmens einzu-
leiten. Sie können daher grundsätzlich eine wichtige Rolle bei derartigen Prozes-
sen einnehmen (Artus et al. 2015: 238 ff.). Im betreffenden Werkvertragsunter-
nehmen ist allerdings unklar, ob das seitens der Beschäftigten erwähnte Be-
triebsratsgremium einen Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat darstellt und dement-
sprechend über rechtliche Handlungsmöglichkeiten zur Initiierung eines Be-
triebsratsgremiums verfügt. In jedem Fall aber zeigen die Aussagen des prekären
Aktivisten, dass die Expertise des Gremiums zwar gewünscht worden wäre, die-
ses jedoch anscheinend weitestgehend passiv blieb.110

110 Der Grund dafür ist unklar; in Frage kommt einerseits, dass der Betriebsrat nicht zuständig ist
und somit über keine rechtlichen Handlungsmöglichkeiten verfügt. Andererseits ist es – eine
Zuständigkeit vorausgesetzt – möglich, dass kein Interesse bestand, betriebsratsfreie Betriebe
zu erschließen.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 225

In der vorliegenden Forschungsarbeit trat die Absicht, einen Betriebsrat


gründen zu wollen, nur in einem Fall der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen,
nicht aber bei den Leiharbeitnehmer/-innen auf. Betrachtet man die bereits aus-
geführten Erklärungen und Erläuterungen zur Rolle der „Mitbestimmungsarena
Leiharbeitsfirma“ in den Situationsdefinitionen und Handlungen der Beschäftig-
ten, so ist dies nicht weiter verwunderlich. Hier kommt wiederum zum Tragen,
dass die Leiharbeitsfirma und damit auch die betriebliche Mitbestimmung nur
eine randständige Rolle im betrieblichen Alltag spielt. Zudem ist – wie bereits
mehrfach erwähnt – das Bedürfnis nach betrieblicher Mitbestimmung möglich-
erweise bereits durch den Einsatzbetriebsrat und die dort verankerten Rechte für
Leiharbeitnehmer/-innen gedeckt, so dass selbst ein fehlender Betriebsrat in der
Leiharbeitsfirma nicht als defizitär empfunden wird.
Im Zusammenhang mit der Betriebsratsgründung ist ferner hervorzuheben,
dass im Falle des prekären Aktivisten auch die Solidarisierung mit den direkten
Kolleg/-innen des Werkvertragsunternehmens eine Grundlage für das Handeln
bildet. Diese wird durch die gemeinsame Verrichtung der Tätigkeit im Einsatz-
betrieb ermöglicht. Im Unterschied dazu arbeiten die meisten anderen Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen des Samples mehr oder weniger „verstreut“ in
verschiedenen Einsatzbetrieben. Die Konstituierung eines „identitären Kollektivs
mit einigermaßen kohärenten interessenpolitischen Deutungsmustern als Vo-
raussetzung für die Möglichkeit legitimer Sprecher/-innen“ (Artus et al. 2015:
31; basierend auf Dufour/Hege 2002) wird durch diese Vereinzelung vermutlich
entscheidend erschwert. So berichtete die Mehrzahl der interviewten Leiharbeit-
nehmer/-innen, dass sie zu den direkten Leiharbeitskolleg/-innen keinen bzw. nur
sehr wenig Kontakt (beispielsweise im Rahmen von Betriebsfeiern der Leihar-
beitsfirma) haben. Zum Teil waren die Leiharbeitskräfte zudem als einzige Ar-
beitskraft ihres Verleihers im Einsatzbetrieb eingesetzt. Ein regelmäßiger Aus-
tausch der Beschäftigten über verschiedene Prozesse in der Leiharbeitsfirma, die
gegebenenfalls die betriebliche Mitbestimmung betreffen oder die Notwendig-
keit eines Betriebsrats verdeutlichen, sowie ein Zusammenschluss zu einer sozia-
len Gruppe ist damit nur begrenzt möglich.

9.2.6 Zugehörigkeitsgefühl und Wunsch nach Übernahme

Die emotionale Bindung zum Einsatz- bzw. Entsendebetrieb sowie der Wunsch
nach einem Zugehörigkeitsgefühl haben sich als zentrale innere Bedingung für
die Wahrnehmung, Bewertung und Handlung in Bezug auf die betriebliche Mit-
bestimmung herausgestellt. Nach Pfaff-Czarnecka (2012) kann Zugehörigkeit
verstanden werden als „eine emotionsgeladene soziale Verortung, die durch das
Wechselspiel der Wahrnehmungen und der Performanz der Gemeinsamkeit, der
226 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

sozialen Beziehungen der Gegenseitigkeit und der materiellen und immateriellen


Anbindungen oder auch Anhaftungen entsteht“ (Pfaff-Czernecka 2012: 12). Die
Gegenseitigkeit bezieht sich dabei beispielsweise auf Beziehungen unter den
Mitgliedern einer Organisation, deren Grundlage gegenseitige Leistungen und
Verpflichtungen sind. Gemeinsamkeit wird durch Loyalität und alltägliche
Wahrnehmungen gemeinsamer Performanz sowie einer Abgrenzung zur Außen-
welt hergestellt. Materielle und immaterielle Anbindungen schließlich hängen
eng mit dem Ortsbezug der Organisation, aber auch beispielsweise rechtlichen
Verträgen zusammen (Pfaff-Czarnecka 2015: 6 ff.). Die Typologie zeigt, dass
das Zugehörigkeitsgefühl bzw. die emotionale Bindung zu einem Betrieb bei den
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen einen entscheidenden Einfluss da-
rauf nehmen, ob erstens Erwartungen an die jeweilige betriebliche Mitbestim-
mung gestellt werden – die wiederum, je nachdem, ob sie erfüllt werden oder
nicht, zu einer Bewertung der Situation führen – und ob bzw. in welcher Mitbe-
stimmungsarena zweitens eine Beteiligung an dieser erfolgt.
Die Leiharbeitnehmer/-innen fühlen sich mehrheitlich nicht ihrer Leihar-
beitsfirma, sondern dem Einsatzbetrieb zugehörig. Dies ist mit der größtenteils
engen Zusammenarbeit mit den Festangestellten des Einsatzbetriebs und den
sozialen Beziehungen untereinander111, aber auch mit der Ausübung der Tätig-
keit dort zu begründen. Anzunehmen ist, dass das bestehende Zugehörigkeitsge-
fühl möglicherweise verstärkend auf die Erwartungshaltung an die betriebliche
Mitbestimmung im Einsatzbetrieb wirkt: Die Leiharbeitnehmer/-innen befinden
sich wie die Festangestellten mitten im betrieblichen Geschehen und werden (be-
dingt durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen) von der betrieblichen Mitbe-
stimmung im Einsatzbetrieb direkt tangiert. Zudem wird durch das Zugehörig-
keitsgefühl der Wunsch nach einer Teilnahme an den Prozessen der betrieblichen
Mitbestimmung geweckt; es steigert damit das Aktivitätsniveau. Der Besuch von
Betriebsversammlungen und die Teilnahme an Betriebsratswahlen wirken wiede-
rum verstärkend auf das Zugehörigkeitsgefühl, da die Leiharbeitnehmer/-innen
in die Prozesse eingebunden werden und gemeinsame, soziale Interaktionen mit
den Stammbeschäftigten bestehen.
Insgesamt kann man also von einer Integrationsfunktion der betrieblichen
Mitbestimmung für die Leiharbeitnehmer/-innen im Einsatzbetrieb ausgehen. Ne-
gative Erlebnisse mit der betrieblichen Mitbestimmung und damit verbundene
enttäuschte Erwartungen können allerdings – wie bei den prekären Aktiven und
dem/der prekären Verweigernden gezeigt – Differenzen zwischen Stammbeschäf-
tigten und Leiharbeitnehmer/-innen weiteres Gewicht verleihen; etwa wenn der
Handlungsspielraum des Einsatzbetriebsrats für Leiharbeitnehmer/-innen als ge-

111 Der überwiegende Teil der Leiharbeitnehmer/-innen des Samples betonten im Interview das
gute Verhältnis sowie die soziale Integration in die Stammbelegschaft des Einsatzbetriebs.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 227

ringer eingeschätzt wird. Die Integrationsfunktion kommt also nur vollständig zum
Tragen, wenn positive Erfahrungen mit der betrieblichen Mitbestimmung gesam-
melt werden und die Mitbestimmungssituation entsprechend als nicht-prekär be-
wertet wird.
In Bezug auf die Leiharbeitsfirma ist anzunehmen, dass das bestehende,
meist sehr viel geringere Zugehörigkeitsgefühl zugleich eine Hürde für die Soli-
darisierung unter den Leiharbeitnehmer/-innen darstellen kann (beispielsweise
im Falle des Wunsches nach einer Betriebsratsgründung). Da die Beschäftigten
oftmals in verschiedensten Betrieben eingesetzt sind, treffen sie eher selten auf
direkte Kolleg/-innen. Es ist daher zu vermuten, dass sich dies sowohl auf die
Bindung zum Betrieb, als auch auf das Zusammengehörigkeitsgefühl in der
Leiharbeitnehmer/-innenbelegschaft auswirkt.
Bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen ist überwiegend ein
stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zum Werkvertragsunternehmen festzustellen. Die
zum Teil bestehende räumliche Abgrenzung, die größtenteils geringere soziale
Integration in die Stammbelegschaft als die der Leiharbeitnehmer/-innen sowie
immaterielle bzw. materielle Distinktionen zwischen Stamm- und Werkvertrags-
beschäftigten führen dazu, dass die Bindung zum Einsatzbetrieb vergleichsweise
schwächer ausgeprägt ist. Nicht zuletzt tragen auch die gesetzlichen Rah-
menbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung zu einer Grenzziehung zwi-
schen den Beschäftigtengruppen bei, so dass diese im Einsatzbetrieb – anders als
bei den Leiharbeitnehmer/-innen – keine Integrationsfunktion erfüllen kann. In
den Fällen des/der integrierten Werkvertragsarbeitnehmers/-in und des/der pre-
kären Aktivisten bzw. Aktivistin erfolgen daher eine bewusste Distanzierung vom
Einsatzbetrieb und eine Partizipation an der betrieblichen Mitbestimmung im
Werkvertragsunternehmen.
Hervorzuheben ist zwar, dass auch bei Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ein
Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb bestehen kann – etwa wenn diese ein
gemeinsames Büro mit Festangestellten nutzen und daher täglich mit diesen in
Kontakt stehen, oder wenn die hohe Identifikation mit dem Einsatzbetrieb durch
eine vorherige, langjährige Festanstellung auch über die Festanstellung hinaus
wirkt. Dies tritt bei dem Typus des/der prekären Ratsuchenden auf. Die betriebli-
che Mitbestimmung kann aber selbst unter diesen Bedingungen nicht zu einer
Verstärkung des Zugehörigkeitsgefühls führen und damit eine Integrationsfunktion
erfüllen. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen schließen das Stellen von Ansprü-
chen oder Erwartungen an die betriebliche Interessenvertretung des Einsatzbetriebs
von vornherein ebenso aus wie die Teilnahme an Betriebsratswahlen oder Be-
triebsversammlungen.
Im Zusammenhang mit dem Zugehörigkeitsgefühl ist auch der Wunsch nach
einer Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis im Einsatzbetrieb zentral. Kaum
228 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

ein/e Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in des Samples übt die entsprechende


Tätigkeit freiwillig aus; entsprechend stellt für alle Leiharbeitnehmer/-innen und
für den Großteil der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen eine Übernahme ein erstre-
benswertes Ziel dar.112 Dahinter steht das Bedürfnis, dem Einsatzbetrieb sowohl
psychologisch als auch arbeitsvertraglich anzugehören.113 Im Zusammenhang mit
der betrieblichen Mitbestimmung ist dies ein wesentlicher Befund, weil der Ein-
satzbetriebsrat und beispielsweise Betriebsversammlungen aus Sicht der Beschäf-
tigten in einigen Fällen eine „Sprungbrettfunktion“ in den Einsatzbetrieb einnehmen
soll; etwa indem Informationen zum Einsatz und zu Übernahmechancen vermittelt
werden (vgl. dazu die integrierten und prekären aktiven Leiharbeitnehmer/-innen,
den/die prekäre/-n Verweigernde/-n sowie ein Fall der prekären Ratsuchenden). Die
betriebliche Mitbestimmung fungiert in diesen Fällen als ein Vehikel, um ein spezifi-
sches Ziel (nämlich die Festanstellung im Einsatzbetrieb) zu erreichen. Umgekehrt
wird anscheinend gerade die Leiharbeitsfirma eher als „Übergangsstation“ im Le-
benslauf angesehen, so dass keine dauerhafte Bindung seitens der Beschäftigten
aufgebaut wird und eine Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung als irrele-
vant erachtet wird.
Schließlich ist zu beobachten, dass der formale Status als externe Arbeits-
kraft zu einem geringen Zugehörigkeitsgefühl und damit auch zu einer Distanzie-
rung von der Thematik der betrieblichen Mitbestimmung führen kann. Dieses
Phänomen konnte insbesondere bei den (distanzierten) autarken Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen beobachtet werden, die sich zum Teil selbst
als „Leihbanane“ (D-LA3; D-LA4) oder „Fremdarbeiter“ (A-WV2) bezeichnen,
für welche die Teilhabe an der betrieblichen Mitbestimmung „kategorisch ausge-
schlossen“ (A-WV2; 524) ist. Die Beschäftigten antworten damit auf die bereits
erfolgte Ausgrenzung – gründend auf diversen Distinktionen, aber auch auf der
betrieblichen Mitbestimmung – anscheinend mit einer Selbstausgrenzung114, die
letztendlich in einer Bewertung der Mitbestimmungssituation als nicht-prekär
(distanziert) und einer Nicht-Beteiligung daran mündet. Bei den Leiharbeitneh-
mer/-innen erfolgt diese Abgrenzung „freiwillig“ (in dem Sinne, als dass sie sich
laut Gesetz beteiligen könnten); für die Werkvertragsarbeitskräfte hingegen fußt
sie auf den rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine tatsächliche Teilhabe ver-
hindern.

112 In Bezug auf die Leiharbeitnehmer/-innen spiegeln sich hier die Ergebnisse von Connelly et al.
(2007) wider, nach denen Personen, die Leiharbeit unfreiwillig ausüben, eine höhere Bindung
zum Einsatzbetrieb ausbilden.
113 Als spezifische Gründe für den Übernahmewunsch wurden in den Interviews unter anderem
die höhere Arbeitsplatzsicherheit einer Festanstellung, finanzielle Vorteile (sowohl durch die
Lohn- bzw. Gehaltshöhe, als auch durch Gewinnbeteiligungen o.ä.), bessere Aufstiegs- und
Karrieremöglichkeiten, aber auch das Verhältnis zu den direkten Kolleg/-innen genannt.
114 Vgl. zu dieser Thematik auch Elias/Scotson (1990).
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 229

9.2.7 Mitbestimmungsaffinität, Erwartungen an und Erlebnisse mit der


betrieblichen Mitbestimmung

Die Typologien haben gezeigt, dass die individuelle betriebliche Mitbestimmungs-


affinität – also als wie wichtig ein Betriebsrat im Unternehmen erachtet wird – eine
zentrale Rolle bei der Wahrnehmung und Bewertung der äußeren Bedingungen der
Mitbestimmungssituation spielt. Nur bei einer grundsätzlichen Präferenz der kol-
lektiven Interessenvertretung gegenüber der individuellen Selbstvertretung werden
Erwartungen und Wünsche an die jeweiligen betrieblichen Mitbestimmungsinstitu-
tionen gerichtet. Diese werden wiederum durch positive bzw. negative Erlebnisse
erfüllt bzw. enttäuscht und führen somit zu einer (nicht-)prekären Bewertung der
betrieblichen Mitbestimmungssituation. Wird hingegen die individuelle Selbstver-
tretung gegenüber der kollektiven Interessenvertretung präferiert, bestehen keine
speziellen Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung. Vielmehr erfolgt so-
dann eine bewusste Abgrenzung (zu sehen bei den autarken Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen). Die äußeren Bedingungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung − etwa Gesetze oder die Zugänglichkeit der betrieblichen Mitbestim-
mungsinstitutionen − rücken in dem Fall in den Hintergrund der Wahrnehmungen
und erfahren keine Relevanzzuweisung.
Bei den mitbestimmungsaffinen Leiharbeitnehmer/-innen konzentrieren
sich die überwiegenden Erwartungen und Wünsche auf die betriebliche Mitbe-
stimmung im Einsatzbetrieb; die betriebliche Mitbestimmung in der Leiharbeits-
firma nimmt hingegen – wenn überhaupt – nur eine marginale Rolle ein. Die Er-
wartungen und Wünsche sind dabei eng mit dem Status als Leiharbeitnehmer/-in
verknüpft: Im Mittelpunkt stehen die Gleichstellung von Leih- und Stammbe-
schäftigten im Einsatzbetrieb (beispielsweise die gleichberechtige Teilnahme an
Betriebsfeiern), sowie Informationen und Hilfestellungen in Bezug auf eine
Übernahme in den Einsatzbetrieb. Festzuhalten ist daher, dass sich die betriebli-
che Mitbestimmungsaffinität im Einsatzbetrieb für die Leiharbeitnehmer/-innen
auch aus diesen spezifischen, eng mit dem Leiharbeiter/-innenstatus verknüpften
Erwartungen begründet. Dies bezieht sich nicht nur auf die betriebliche, sondern
auch auf die überbetriebliche Mitbestimmung: Die Gewerkschaftsmitgliedschaf-
ten der Leiharbeitnehmer/-innen dieses Samples weisen einen funktionalen Cha-
rakter auf und sollen der Übernahme in den Einsatzbetrieb dienen.
Bei den mitbestimmungsaffinen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen
konzentrieren sich die Erwartungen an die betriebliche Mitbestimmung vorwie-
gend auf das Werkvertragsunternehmen. Bei dem/der integrierten Werkvertrags-
arbeitnehmer/-in sowie dem/der prekären Aktivisten bzw. Aktivistin erfolgt bei-
spielsweise eine Beteiligung an bzw. ein Engagement in der betrieblichen Mitbe-
stimmung aufgrund einer generell hohen Mitbestimmungsaffinität sowie auf-
230 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

grund der Überzeugung, dass Werkvertragsarbeitnehmer/-innen aufgrund ihrer


vergleichsweise schlechten Verhandlungsposition einen „Anwalt“ in Form eines
Betriebsrats benötigen. Spezifische Erwartungen an den Einsatzbetriebsrat haben
die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hingegen insofern, als dass sie eine In-
tegration in die dortige betriebliche Mitbestimmung fordern bzw. als wün-
schenswert erachten. Diese kann jedoch – zumindest derzeit – aufgrund der
rechtlichen Rahmenbedingungen nicht hergestellt werden. Eine Gewerkschafts-
mitgliedschaft kann auch bei den Werkvertragsarbeitnehmer/-innen nur bedingt
als Indikator für Mitbestimmungsaffinität herangezogen werden: Zwar sind die
mitbestimmungsaffinen Beschäftigten grundsätzlich Gewerkschaften zugeneigt,
aber nicht zwangsläufig Mitglied.
Entscheidend in Bezug auf die Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung
sind bei beiden Beschäftigungsformen die jeweiligen Erlebnisse, die in den bei-
den Mitbestimmungsarenen gesammelt werden und damit zur Genese der inne-
ren Bedingungen beitragen. Bei einer nicht-prekären, positiven Bewertung der
Mitbestimmungssituation werden bzw. wurden in der Vergangenheit positive
Erfahrungen gesammelt, die dazu führen, dass die Beschäftigten ihre Erwartun-
gen als erfüllt ansehen. Im Falle der Leiharbeitnehmer/-innen sind es im Einsatz-
betrieb insbesondere der persönliche Kontakt mit dem Betriebsrat, aber auch die
Möglichkeit der Teilnahme an den Mitbestimmungsprozessen wie Betriebsver-
sammlungen oder Betriebsratswahlen, die zu einem Gefühl der Integration in die
betriebliche Mitbestimmung führen. Die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hin-
gegen können aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen kaum positive
Vertretungserlebnisse im Einsatzbetrieb erfahren. Hilfestellungen seitens des
Einsatzbetriebsrats (etwa durch inoffizielle Beratungen) können zwar durchaus
als hilfreich wahrgenommen werden, sind aber anscheinend nicht ausreichend,
um die übergeordneten Erwartungen der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – ei-
ne Integration in die betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbetriebs – zu erfül-
len. Eine positive Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung erfolgt seitens
der Werkvertragsarbeitnehmer/-innen folglich nur in Bezug auf ihr Werkver-
tragsunternehmen, nicht aber in Bezug auf den Einsatzbetrieb (vgl. dazu den/die
Integrierte/-n) – nur dort kann eine tatsächliche Integration in die Interessenver-
tretung erfolgen und gegebenenfalls bestehende Erwartungen durch den Be-
triebsrat erfüllt werden. Dies erklärt auch, warum in der Typologie kein/-e inte-
grierte/-r Werkvertragsarbeitnehmer/-in im Einsatzbetrieb existiert.
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 231

9.2.8 Der biografische Status (Einsatzdauer, Erwerbsverlauf und


Qualifikationsniveau)

Als zentral für die Bewertungen und Handlungen der Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen haben sich auch die Einsatzdauer im Einsatzbetrieb sowie der
Erwerbsverlauf herausgestellt. Eine kurze Einsatzdauer kann die betriebliche
Mitbestimmung (vorübergehend) in den Hintergrund rücken lassen, wie sich bei
den unbefangenen, autarken Leiharbeitnehmer/-innen zeigt. Diese bewerten ihre
Mitbestimmungssituation als nicht-prekär und stehen ihr (noch) gleichgültig
gegenüber, so dass keine Beteiligung erfolgt. Mit einer längeren Einsatzdauer
und Betriebszugehörigkeit hingegen geht vermutlich ein erhöhter Informations-
grad über die betriebliche Mitbestimmung sowie häufigere soziale Interaktionen
mit dem Betriebsrat einher. Dies führt letztendlich zu einem vertrauten Verhält-
nis zum Betriebsrat und resultiert beispielsweise in der Kontaktierung des Be-
triebsrats bei Problemen o.ä. (vgl. dazu beispielsweise die integrierten Leihar-
beitnehmer/-innen, die alle seit mehr als drei Monaten und zum Teil sogar schon
mehrere Jahre im Einsatzbetrieb tätig waren). Ein Spezifikum von Leiharbeit ist
allerdings eine hohe Fluktuation und Dynamik des Beschäftigungsverhältnisses:
So waren Leiharbeitnehmer/-innen, die 2011 eine Beschäftigung begannen,
durchschnittlich nur 3,4 Monate (im Median) bei einer Leiharbeitsfirma beschäf-
tigt. Zwar existieren keine Daten über die jeweilige durchschnittliche Einsatz-
dauer beim Kundenunternehmen – es ist aber wahrscheinlich, dass nach der Ab-
schaffung des Synchronisationsverbots (vgl. dazu auch Kapitel 2) vorwiegend
kurze Beschäftigungsdauern mit der Überlassungsdauer übereinstimmen (Hal-
ler/Jahn 2014).115 Da eine langjährige betriebliche Sozialisation als eine zentrale
Voraussetzung für den Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen
Betriebsrat und Beschäftigten gilt (Rami/Hunger 2011), ist diese Möglichkeit für
die Leiharbeitskräfte unter diesen Bedingungen vermutlich stark eingeschränkt
und führt zumindest teilweise zu einer geringeren Partizipation.
Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass der gesamte Erwerbsverlauf, und da-
bei insbesondere eine vorherige Festanstellung im Einsatzbetrieb, zur Genese der
inneren Bedingungen beiträgt und damit bei beiden Beschäftigtengruppen einen
zentralen Einfluss auf die Bewertungen und Aktivitäten hinsichtlich der betrieb-
lichen Mitbestimmungssituation hat: Durch eine langjährige Betriebszugehörig-
keit und die Tätigkeit als Stammbeschäftigter verfügen die Beschäftigten offen-
bar zum Teil über einen spezifischen normativen Referenzrahmen in Bezug auf
die betriebliche Mitbestimmung. Dieser bietet ihnen vermutlich ein anderes „Be-
wertungsschema“ der äußeren Bedingungen als Personen, die seit jeher externe

115 Über die durchschnittliche Einsatzdauer von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen liegen keine


Informationen vor.
232 9 Gegenüberstellung der Typologien und Wirkungszusammenhänge

Beschäftigte sind oder aber noch nie Erfahrungen mit der betrieblichen Mitbe-
stimmung überhaupt gesammelt haben. Deutlich wird das vor allem bei den
Fällen E-WV1 und E-WV4 (prekärer Ratsuchender bzw. prekärer Aktivist), die
beide vor ihrer Werkvertragstätigkeit viele Jahre Festangestellte im Einsatz-
betrieb waren und ihre jetzige Mitbestimmungssituation im Vergleich zu vorher
als sehr prekär bewerten.
Hinsichtlich der Qualifikation sind bei beiden Beschäftigungsformen keine
übergreifenden Muster zu erkennen, mit Hilfe derer man die Situationsdefinitio-
nen und Handlungen in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung erklären
könnte. Vielmehr scheinen verschiedenste Faktoren die Einschätzung der eige-
nen Verhandlungsposition zu beeinflussen: So sind beispielsweise die distanzier-
ten, autarken Leiharbeitnehmer/-innen alle hochqualifiziert und bewerten dem-
entsprechend ihre Selbstaushandlungsfähigkeiten als hoch. Dies ist kongruent zu
den Erkenntnissen bezüglich der Interessenvertretung hochqualifizierter Beschäf-
tigter, bei denen die Relevanz eigenverantwortlicher Vertretung und Regulierung
der Interessen aus Sicht der Beschäftigten betont wird (Boes/Trinks 2006; Holt-
rup 2008; Kotthoff 1997; Mehlis 2008; Städler et al. 2004). Hingegen ist bei den
autarken Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ein gemischtes Qualifikationsniveau
festzustellen, so dass hier weitere Faktoren zu einer positiv eingeschätzten Ver-
handlungsposition führen müssen. Vermutlich kommt hier das bereits in der
Typologie beschriebene, als gut bewertete Verhältnis zum/zur jeweiligen Vorge-
setzten im Werkvertragsunternehmen zum Tragen (vgl. dazu auch Abschnitt
9.2.4).
Im Umkehrschluss ist allerdings nicht zu beobachten, dass alle Hochqualifi-
zierten des Samples ihre individuelle Verhandlungsposition positiv bewerten und
entsprechend keine Mitbestimmungsaffinität aufweisen. So sind beispielsweise
die Fälle des prekären Verweigernden, aber auch teilweise der prekären Aktiven
hochqualifizierte Leiharbeitnehmer/-innen, die eine hohe Mitbestimmungsaffini-
tät insbesondere in Bezug auf den Einsatzbetrieb aufweisen und ausgeprägte
Erwartungen an den jeweiligen Betriebsrat richten. Ebenfalls verfügt der inte-
grierte Werkvertragsarbeitnehmer, der Betriebsratsmitglied ist, über einen Hoch-
schulabschluss. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen von Wilkesmann et al.
(2011: 229), nach denen eine Prekarisierung zu deutlich höheren und umfangrei-
cheren Erwartungen an betriebliche Interessenvertretungen führt. Eine mögliche
Interpretation lautet an dieser Stelle, dass auch der Status als Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-in dazu beiträgt, dass die individuelle Selbstaushandlungsfä-
higkeit als vergleichsweise gering eingeschätzt wird. Leih- und Werkvertragsar-
beit zeichnen sich tendenziell durch vom sogenannten Normalarbeitsverhältnis
abweichende, schlechtere Arbeitsbedingungen aus (vgl. dazu unter anderem
Obermeier/Sell 2016; Brehmer/Seifert 2008). Besonders hervorzuheben ist dabei
9.2 Vergleichende Betrachtung der Bedingungen und Wirkungszusammenhänge 233

in diesem Zusammenhang, dass von vielen Beschäftigten des Samples – sowohl


von Leih-, als auch von Werkvertragsarbeitnehmer/-innen – die Unsicherheit und
die vergleichsweise geringere Entlohnung dieser Beschäftigungsformen kritisiert
wird. Das höhere Entlassungsrisiko, was auch mit einem Gefühl der Austausch-
barkeit verbunden sein kann, führt einerseits dazu, dass die eigene Verhand-
lungsposition als schwach eingeschätzt und ein Betriebsrat als Interessenvertre-
tung als notwendig angesehen wird. Andererseits liegen Leih- und Werkvertrags-
arbeit bestimmte Beschäftigungsbedingungen zugrunde, deren „Lösung“ (etwa
eine Übernahme oder die Gleichstellung mit den Stammbeschäftigten) in Form
von Erwartungen an den Betriebsrat gerichtet werden. Als Beispiel ist dabei der
Fall des prekären Konformen heranzuziehen: Die entsprechende Person schreibt
sich selbst eigentlich hohe Selbstvertretungsfähigkeiten zu. Vor dem Hintergrund
ihrer Werkvertragstätigkeit im Einsatzbetrieb wird sie allerdings damit konfron-
tiert, dass diese nicht „ausreichen“ um etwaige Probleme am Arbeitsplatz zu lö-
sen. In Folge bewertet sie ihre dortige Mitbestimmungssituation als prekär und
wünscht sich advokatorische Unterstützung durch den Einsatzbetriebsrat.
10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und
Ausblick

Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die betriebliche Mitbestimmung als
eine Dimension von Prekarität aus der Perspektive von Leih- und Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen zu untersuchen. Der Ausgangspunkt war dabei die hetero-
gene Betriebszugehörigkeit der beiden Beschäftigtengruppen und die sich daraus
ergebene Konfrontation mit zwei Mitbestimmungsarenen: Die Leih- und Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen verrichten ihre Haupttätigkeit jeweils in einem
„fremden“ Einsatzbetrieb, verfügen dort jedoch über geringere Teilhaberechte an
der betrieblichen Mitbestimmung als die Stammbeschäftigten. In ihrem Entsen-
debetrieb hingegen sind sie – zumindest theoretisch – vollständig in die betrieb-
liche Mitbestimmung integriert. Daraus ergab sich die Hauptforschungsfrage,
inwiefern Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ihre betriebliche Mitbe-
stimmungssituation als prekär bewerten, wie sie mit der Koexistenz zweier Mit-
bestimmungsarenen in Einsatz- und Entsendebetrieb umgehen und welche erklä-
renden Faktoren hierfür zugrundeliegen.
Im Folgenden werden zunächst die zentralen Ergebnisse der empirischen
Studie präsentiert (Kapitel 10.1) und im Hinblick auf Reformbedarfe diskutiert
(Kapitel 10.2). Abschließend sollen in Kapitel 10.3 die Ergebnisse kritisch ge-
würdigt und ein Ausblick auf den künftigen, weiteren Forschungsbedarf gegeben
werden.

10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Auf Grundlage der Analyse der gegebenen rechtlichen Rahmenbedingungen in


Form des BetrVG und AÜG im Einsatz- und Entsendebetrieb ist festzuhalten,
dass die betriebliche Mitbestimmungssituation von Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen in beiden Mitbestimmungsarenen objektive Prekaritätspoten-
ziale aufweist, da sie in mehrfacher Hinsicht negativ von der eines bzw. einer
Festangestellten abweicht und somit Benachteiligungen für die Beschäftigten
bestehen: Für den Einsatzbetrieb gilt, dass Leiharbeitnehmer/-innen zwar auf-
grund ihres Wahlrechts vom dortigen Betriebsrat vertreten werden, sie jedoch
erst nach einer bestimmten Einsatzdauer an der Betriebsratswahl teilnehmen und
zudem nicht selber kandidieren dürfen. Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hinge-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1_10
236 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

gen verfügen über keine betriebliche Interessenvertretung im Einsatzbetrieb. Sie


sind dort in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung gegenüber den Festange-
stellten strukturell stärker benachteiligt als die Leiharbeitnehmer/-innen. Für den
Entsendebetrieb ist festzustellen, dass die Beschäftigten dort zwar rein rechtlich
über volle Beteiligungsrechte verfügen. Die Art der Arbeitsorganisation durch
die Trennung von Einsatzort und eigentlichem Arbeitgeber stellt jedoch eine
Hürde für die Beteiligung der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen an der
betrieblichen Mitbestimmung dar – sofern dort überhaupt ein Betriebsrat exis-
tiert. Die strukturellen Gegebenheiten der Beschäftigungsverhältnisse Leih- und
Werkvertragsarbeit weisen daher darauf hin, dass die betriebliche Mitbestim-
mung im Entsendebetrieb das objektive Prekaritätspotenzial im Einsatzbetrieb
nur bedingt bzw. nicht kompensieren kann.
Der anschließende empirische Teil der vorliegenden Arbeit trägt zur Unter-
suchung dieses Sachverhalts in der betrieblichen Praxis bei. Die Analyse und
Systematisierung des qualitativ-empirischen Interviewmaterials führte zur Identi-
fizierung von vier zentralen Typen des Umgangs mit der betrieblichen Mitbe-
stimmung pro Beschäftigungsform, die sich nach den Kriterien der subjektiven
Bewertung der Mitbestimmungssituation sowie des Beteiligungsniveaus unter-
scheiden (vgl. Tabelle 8).
Ihre Eigenschaften lassen sich wie folgt grob umreißen: Die integrierten
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen bewerten ihre betriebliche Mit-
bestimmungssituation jeweils in keinem der Betriebe als prekär, sind in eine der
Mitbestimmungsarenen integriert und bringen sich dort in die entsprechenden
Prozesse ein. Bei dem/der integrierten Leiharbeitnehmer/-in ist dies der Ein-
satzbetrieb, während der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in im Werk-
vertragsunternehmen aktiv ist.
Die autarken Beschäftigten erachten die betriebliche Mitbestimmung für
sich insgesamt als (noch) nicht notwendig und betonen ihre Selbstvertretungsfä-
higkeiten. Bei den Leiharbeitnehmer/-innen zeigen sich zusätzlich zwei Subty-
pen: Die unbefangenen Autarken stehen der betrieblichen Mitbestimmung zum
Zeitpunkt des Interviews gleichgültig gegenüber, schließen eine Beteiligung zu
einem späteren Zeitpunkt jedoch nicht aus. Die distanzierten Autarken hingegen
grenzen sich bewusst von der betrieblichen Mitbestimmung ab.
10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 237

Tabelle 8: Zentrale Typen des Umgangs mit betrieblicher Mitbestimmung


Beschäftigungs-
form

Werkvertrags-
Leiharbeitnehmer/-innen
arbeitnehmer/-innen
Subjektive
Bewertung &
Handlung

aktiv
Der/die Integrierte Der/die Integrierte

nicht-
Der/die Autarke
prekär
passiv
Subtypen Der/die Autarke
Der/die Der/die
unbefangene distanzierte
Autarke Autarke

Der/die prekäre Aktive

aktiv Subtypen
Der/die prekäre Aktive
prekär Der/die pre- Der/die
käre Ratsu- prekäre
chende Aktivist/-in

passiv Der/die prekäre Verwei-


Der/die prekäre Konforme
gernde

Ferner sind Typen mit einer Bewertung der Mitbestimmungssituation als prekär
bei gleichzeitiger aktiver Beteiligung in einer Mitbestimmungsarena zu identifi-
zieren. Bei dem/der prekären, aktiven Leiharbeitnehmer/-in bezieht sich dies auf
den Einsatzbetrieb. Für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen erfolgte eine Diffe-
renzierung in zwei Subtypen, um die Ausübung von Aktivitäten in verschiedenen
Mitbestimmungsarenen abzubilden: Während der/die prekäre Ratsuchende im
Kontakt zum Einsatzbetriebsrat steht und im Werkvertragsunternehmen passiv
verbleibt, ist der/die prekäre Aktivist/-in im Hinblick auf eine Betriebsratsgrün-
dung im Werkvertragsunternehmen aktiv.
238 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

Schließlich existiert jeweils ein Typus pro Beschäftigungsform, der insbe-


sondere die Mitbestimmungssituation im Einsatzbetrieb als prekär bewertet, aber
in keiner der beiden Mitbestimmungsarenen Aktivitäten aufweist (der/die prekä-
re Verweigernde bzw. der/die prekäre Konforme). Die entsprechenden Beschäf-
tigten greifen stattdessen auf ihre individuellen Selbstvertretungsfähigkeiten
zurück, bewerten dies aber im Unterschied zu den autarken Typen als negativ.
Die zentralen Ergebnisse im Hinblick auf die Frage nach dem Umgang der
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen mit der Koexistenz zweier Mitbe-
stimmungsarenen lassen sich auf Grundlage der Typologien wie folgt resümie-
ren.

Die Bewertung der bestehenden Mitbestimmungsmöglichkeiten als nicht-prekär


bzw. prekär

Die beiden Typologien bilden eine relativ große Heterogenität der subjektiven
Bewertungen der individuellen Mitbestimmungssituation ab. Ein zentrales Er-
gebnis dabei ist, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betriebli-
chen Mitbestimmung und die damit verbundenen objektiven Prekaritätspotenzia-
le für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in den subjektiven Situations-
bewertungen der Beschäftigten widerspiegeln.
Dies betrifft einerseits die Bewertung der Mitbestimmungssituation als
nicht-prekär und dabei insbesondere die integrierten Leih- und Werkvertragsar-
beitnehmer/-innen, die über erfüllte Erwartungen durch die betriebliche Interes-
senvertretung sowie positive Erfahrungen mit dieser verfügen. Zentral ist dabei,
dass sich diese Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ausschließlich im Werkver-
tragsunternehmen und – anders als die Leiharbeitskräfte – nicht im Einsatzbe-
trieb als integriert begreifen. Zu begründen ist dies mit den gesetzlichen Rah-
menbedingungen, die eine Integration von Werkvertragskräften in die betriebli-
che Mitbestimmung des Einsatzbetriebs nicht vorsieht.
Andererseits spiegeln sich die rechtlichen Rahmenbedingungen auch in den
unterschiedlichen Prekaritätsbewertungen von Leih- und Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen wider: Es konnte anhand der beiden Typologien gezeigt werden,
dass sich die prekären Werkvertragsarbeitnehmer/-innen insbesondere bezogen
auf den Einsatzbetrieb prinzipiell auf einer anderen „Stufe“ der Prekaritätswahr-
nehmung bzw. -bewertung befinden als die Leiharbeitnehmer/-innen. Erstge-
nannten fehlt – wenn ihre Bewertung als prekär eingestuft wurde – im Einsatz-
betrieb ein Ansprechpartner in Form eines Betriebsrats; sie fühlen sich von den
dortigen Mitbestimmungsprozessen exkludiert. Dies ist mit den rechtlichen Rah-
menbedingungen der betrieblichen Mitbestimmung zu begründen, die eine In-
tegration in selbige grundsätzlich ausschließt. Die Prekaritätsbewertungen der
10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 239

Leiharbeitnehmer/-innen beruhen hingegen darauf, dass der Einsatzbetriebsrat,


der für sie – im Unterschied zu den Werkvertragskräften – ein Vertretungsman-
dat besitzt, sein Amt aus Sicht der Beschäftigten nicht entsprechend ihrer spezi-
fischen Erwartungen ausübt. Sie fühlen sich demnach trotz ihrer formalen, recht-
lichen (Teil-)Integration nicht in die betriebliche Mitbestimmung des Einsatzbe-
triebs einbezogen.

Handlungskonsequenzen für den Umgang mit der betrieblichen Mitbestimmungs-


situation

Insgesamt zeigte sich, dass die Wahrnehmung von (Nicht-)Prekarität in Bezug


auf die betriebliche Mitbestimmung insgesamt sowohl als „Motor“, als auch als
„Bremse“ für Aktivitäten wirken kann. Bei der Analyse der Beteiligung in den
beiden betrieblichen Mitbestimmungsarenen wird deutlich, dass die Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen dabei stets auf nur einen Betrieb fokussiert
sind. Gesondert zu betrachten sind hierbei die autarken Leih- und Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen, die vor dem Hintergrund ihrer gleichgültigen bzw. distan-
zierten Haltung zur betrieblichen Mitbestimmung in keiner der beiden Mitbe-
stimmungsarenen partizipieren. Auf Grundlage des empirischen Materials lässt
sich jeweils eine relevante Mitbestimmungsarena pro Beschäftigungsform bzw.
-typus identifizieren:
Bei den Leiharbeitnehmer/-innen steht ausnahmslos die Mitbestimmungsa-
rena des Einsatzbetriebs im Zentrum. Sofern sie eine betriebliche Mitbestim-
mungsaffinität aufweisen, also die betriebliche Mitbestimmung als eine wichtige
und richtige Institution erachten, richten sie jegliche Erwartungen an den Ein-
satzbetriebsrat und beteiligen sich nur an den dortigen Mitbestimmungsprozes-
sen. Anhand des/der prekären Verweigernden konnte allerdings gezeigt werden,
dass ein starkes Prekaritätsempfinden auch die Ablehnung jeglicher Mitbestim-
mungsaktivitäten im Einsatzbetrieb nach sich ziehen kann. Die Leiharbeitsfirma
ist im Gegensatz zum Einsatzbetrieb – wenn überhaupt – nur ein „Nebenschau-
platz“ in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung. Sie befindet sich damit in
einem Randstatus, der unabhängig von weiteren Rahmenbedingungen, etwa der
dortigen Existenz eines Betriebsrats, bestehen bleibt.
Für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen stellt das Werkvertragsunterneh-
men zwangsläufig die zentrale Mitbestimmungsarena dar, sofern eine grundle-
gende Mitbestimmungsaffinität vorhanden ist. Aufgrund der Exklusion von der
betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb wird das Werkvertragsunter-
nehmen als Mitbestimmungsarena dadurch gewissermaßen aufgewertet. Beson-
ders deutlich wird dies beim Typus des/der Integrierten sowie des/der prekären
Aktivist/-in, die jeweils in ihren Entsendebetrieben aktiv sind. Anhand der prekä-
240 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

ren Ratsuchenden konnte allerdings gezeigt werden, dass unter bestimmten Vo-
raussetzungen auch Umgehungsstrategien der gesetzlichen Rahmenbedingungen
entwickelt werden, indem Kontakt zum Einsatzbetriebsrat gesucht wird. Der
Handlungsspielraum bleibt jedoch, gemessen am Werkvertragsunternehmen,
vergleichsweise gering. Zudem wurde deutlich, dass das grundsätzliche Desin-
tegrationsempfinden bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbe-
trieb auch durch derartige Handlungen nicht kompensiert werden kann.

Zentrale Bedingungen zur Erklärung der Bewertungen und Handlungen

Aus handlungstheoretischer Perspektive können die identifizierten Typen anhand


eines komplexen Wechselspiels verschiedener innerer und äußerer Bedingungen
– basierend auf dem Modell der „Definition“ der Situation nach Esser (1999b) –
erklärt und differenziert werden, die zum Teil eng mit den Spezifika der Be-
schäftigungsformen Leih- und Werkvertragsarbeit verknüpft sind. Zu betonen
ist, dass die Bedingungen zwar zum Zwecke der Untersuchung analytisch ge-
trennt wurden, jedoch faktisch miteinander verflochten sind und sich zum Teil
auch gegenseitig beeinflussen.
Als zentrale äußere Bedingung vor allem im Einsatzbetrieb haben sich ty-
penübergreifend die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung erwiesen. Sie eröffnen den Leiharbeitnehmer/-innen den Handlungs-
spielraum für eine Beteiligung im Einsatzbetrieb und ermöglichen somit eine
Integration in die betriebliche Mitbestimmung. Für Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen wird der Handlungsspielraum im Einsatzbetrieb hingegen stark einge-
schränkt; sie können sich nur im Werkvertragsunternehmen offiziell beteiligen.
Darüber hinaus dienen die gesetzlichen Rahmenbedingungen den Beschäftigten
als Maßstab für die Bewertung der individuellen Beteiligungsrechte im Einsatz-
betrieb im Vergleich zur jeweils anderen Beschäftigungsgruppe (Stamm-/Leihar-
beits-/Werkvertragskräfte) und sind damit ausschlaggebend für eine (nicht-)pre-
käre Situationsdefinition. Anhand der Typologien konnte ferner typenübergrei-
fend ein Zusammenhang zwischen der individuellen betrieblichen Mitbestim-
mungsaffinität, den Bewertungen sowie dem Aktivitätsniveau gezeigt werden.
Vor allem wenn die kollektive Interessenvertretung grundsätzlich gegenüber der
individuellen Selbstvertretung präferiert wird, werden Erwartungen an die be-
triebliche Mitbestimmung gerichtet, die wiederum durch positive bzw. negative
Erlebnisse mit der betrieblichen Mitbestimmung erfüllt bzw. enttäuscht werden
und somit zu einer (nicht-)prekären Situationsdefinition führen.
In Bezug auf die Leiharbeitnehmer/-innen des Samples ist festzuhalten, dass
sie sich dort an der betrieblichen Mitbestimmung beteiligen, wo das Zugehörig-
keitsgefühl ausgeprägt ist und sich die Mitbestimmungsinstitutionen durch eine
10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 241

niedrigschwellige Erreichbarkeit auszeichnen. Eine niedrigschwellige Erreichbar-


keit im Einsatzbetrieb wird vor allem von den integrierten Leiharbeitnehmer/-in-
nen positiv bewertet; begünstigt aber letztendlich auch bei den prekären Aktiven
ein höheres Aktivitätsniveau, weil eine Kontaktaufnahme zum Betriebsrat, der In-
formationsfluss sowie die Teilnahme an Betriebsratswahlen/-versammlungen rela-
tiv hürdenlos möglich ist. Das Zugehörigkeitsgefühl zum Einsatzbetrieb wird unter
anderem durch die Ausübung der Tätigkeit sowie die damit verbundenen, sozialen
Beziehungen zu den Kolleg/-innen hergestellt und weckt zugleich den Wunsch
nach einer Teilnahme an den dortigen betrieblichen Mitbestimmungsprozessen.
Bei einer tatsächlichen Beteiligung erfüllt die betriebliche Mitbestimmung schluss-
endlich eine Integrationsfunktion für Teile der Beschäftigten (vgl. dazu die inte-
grierten Leiharbeitnehmer/-innen). Ein weiterer Hintergrund der Beteiligung ist
oftmals der Wunsch nach einer Festanstellung im Einsatzbetrieb – vom Betriebsrat
werden Informationen zum Leiharbeitseinsatz und ein Engagement im Hinblick
auf eine Übernahme erwartet. Die betriebliche Mitbestimmung übernimmt damit
für Teile der Beschäftigten eine „Sprungbrettfunktion“ und kann ein Vehikel zum
Erreichen des Ziels einer Festanstellung im Einsatzbetrieb darstellen.
Die Mitbestimmungsarena in der Leiharbeitsfirma wird durch die gegebe-
nen Mitbestimmungsmöglichkeiten im Einsatzbetrieb sowie durch die genannten
Funktionen, die die Interessenvertretung dort erfüllt, abgewertet. Obgleich in der
Leiharbeitsfirma sogar ausgeprägtere Mitbestimmungsrechte bestehen (etwa im
Hinblick auf eine Betriebsratsgründung), befindet sich diese in einem Randsta-
tus, der durch fehlende Erfahrungskontexte, ein mangelndes Zugehörigkeitsge-
fühl und eine hochschwellige Erreichbarkeit der betrieblichen Mitbestimmungs-
institutionen noch verstärkt wird. Dieser Randstatus bleibt auch bestehen, wenn
dort ein Betriebsratsgremium existiert. Die äußeren Bedingungen der betriebli-
chen Mitbestimmung sind somit für die Bewertung der Mitbestimmungssituation
in der Leiharbeitsfirma weniger relevant als das Setting im Einsatzbetrieb. Die
Typologie der Leiharbeitnehmer/-innen zeigt, dass dieser Randstatus auch dann
bestehen bleibt, wenn die Erwartungen im Einsatzbetrieb enttäuscht werden und
die Mitbestimmungssituation dort als prekär empfunden wird. Anzunehmen wäre
gewesen, dass in einem solchen Fall eine „Verlagerung“ der Mitbestimmungsak-
tivitäten auf die Leiharbeitsfirma stattfindet – dies konnte jedoch nicht beobach-
tet werden. Stattdessen liegt der Schwerpunkt der Partizipation entweder weiter-
hin im Einsatzbetrieb (sozusagen aus einer hoffenden Perspektive: der/die prekä-
re Aktive) oder es folgt eine resignative Haltung, die in einer Verweigerung jeg-
licher Partizipation mündet (der/die prekäre Verweigernde). Zu begründen ist
dies mit den spezifischen Erwartungen, die an den Einsatzbetriebsrat gerichtet
werden und nur von ihm erfüllt werden können.
242 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

Schließlich haben sich insbesondere der individuelle Erwerbsverlauf sowie


die Einsatzdauer im Einsatzbetrieb als zentral für die Situationsdefinitionen und
Handlungen der Leiharbeitskräfte herausgestellt. Die unbefangenen Autarken
machen deutlich, dass kurze Leiharbeitseinsätze und ein häufiger Wechsel des
Einsatzortes die betriebliche Mitbestimmung in den Hintergrund rücken lassen
und das Aktivitätsniveau senken. Eine langjährige Einsatzdauer hingegen ist
einem vertrauensvollen Verhältnis zum Einsatzbetriebsrat zuträglich und kann zu
einer Beteiligung an den Mitbestimmungsprozessen sowie der Nutzung des Be-
triebsrats als Anlaufstelle führen (vgl. dazu vor allem die Integrierten).
Vorherige Festanstellungen, insbesondere im jeweiligen Einsatzbetrieb,
stellen zudem für beide Beschäftigtengruppen einen normativen Referenzrahmen
zur Bewertung der betrieblichen Mitbestimmungssituation dar. Ferner konnte
gezeigt werden, dass der Erwerbsstatus als Leih- bzw. Werkvertragsarbeitneh-
mer/-in und die damit verbundene, ggf. als schwächer eingeschätzte Verhand-
lungsposition bei Teilen der Beschäftigten dazu führt, dass der kollektiven Inte-
ressenvertretung eine hohe Relevanz zugeschrieben wird. Das jeweilige Qualifi-
kationsniveau der Beschäftigten spielt im Sample der vorliegenden Arbeit bei
der Einschätzung der individuellen Selbstvertretungsfähigkeiten hingegen nur
eine untergeordnete Rolle.
Mit Blick auf die Autarken wird außerdem ersichtlich, dass der biografische
Status als externe Arbeitskraft zu einer bewussten Abgrenzung von der betriebli-
chen Mitbestimmung führen kann. Für die Leiharbeitnehmer/-innen ist diese
Distanzierung eine Art „freiwillige Selbstbeschränkung“, während sie bei den
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen auf den rechtlichen Rahmenbedingungen ba-
siert, aber auch zum Teil in das eigene Bewusstsein aufgenommen wird.
Für die Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ist zu konstatieren, dass ihnen ei-
ne offizielle Partizipation an der betrieblichen Mitbestimmung im Einsatzbetrieb,
und damit auch etwaige positive Erlebnisse mit den dort angesiedelten Institutio-
nen aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen – zumindest auf offiziellem
Wege – verwehrt bleibt. Die Existenz eines Betriebsratsgremiums im Entsende-
betrieb ist daher für diese Beschäftigten bedeutsamer als für die Leiharbeitneh-
mer/-innen, denn aufgrund der faktischen Handlungsunfähigkeit im Einsatz-
betrieb liegt im Werkvertragsunternehmen die einzige Möglichkeit für eine „ech-
te“ Teilhabe an der betrieblichen Mitbestimmung. Bei den Werkvertragsarbeit-
nehmer/-innen ist zudem überwiegend ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl zum
Werkvertragsunternehmen festzustellen. Die Bindung zum Einsatzbetrieb ist
aufgrund diverser materieller sowie immaterieller Distinktionen schwächer aus-
geprägt. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Mitbe-
stimmung führen zu einer „Grenzziehung“ zwischen den Beschäftigtengruppen,
so dass diese daher keine Integrationsfunktion für die Beschäftigten erfüllen
10.1 Zusammenfassung der Ergebnisse 243

kann. In Folge ist der/die integrierte Werkvertragsarbeitnehmer/-in gerade we-


gen des Betriebsrats in seinem Werkvertragsunternehmen zufrieden mit seiner
Mitbestimmungssituation und kann sich von der Exklusion im Einsatzbetrieb
distanzieren. Am Typus des/der prekären Aktivisten bzw. Aktivistin wird sicht-
bar, dass eine solche Distanzierung offenbar nicht gelingen kann, wenn im Werk-
vertragsunternehmen eine (lokale) betriebliche Interessenvertretung fehlt und dies
als Defizit wahrgenommen wird. Bei einer starken Mitbestimmungsaffinität in
Verbindung mit als belastend wahrgenommenen Arbeitsverhältnissen und einer
starken Machtasymmetrie im Werkvertragsunternehmen wird sogar die wohl
voraussetzungsvollste Handlung gewählt: Das Streben nach einer Betriebsrats-
gründung. Ein starkes Prekaritätsempfinden wird in diesem Fall zum „Motor“ für
Aktivitäten im Sinne einer Betriebsratsgründung, um die Mitbestimmungs-
situation im Werkvertragsunternehmen langfristig zu verbessern und das Defizit
bezüglich des Einsatzbetriebs auszugleichen. In diesem Zusammenhang wurde
zugleich deutlich, dass eine Betriebsratsgründung des Zusammenspiels diverser
äußerer Bedingungen bedarf. Zentral ist dabei einerseits die Unterstützung durch
eine lokale Gewerkschaft. Andererseits muss unter den Beschäftigten die Bil-
dung eines Handlungskollektivs möglich sein. Dies wurde im vorliegenden Fall
insbesondere durch die räumliche Nähe zwischen den Beschäftigten der Werk-
vertragsfirma ermöglicht.
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass sich die rechtliche Ausgrenzung der
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in den Einsatzbetrieben nicht zwangsläufig im
Verhalten der Beschäftigten fortsetzen muss. Es besteht die Möglichkeit, Hand-
lungskorridore außerhalb der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erschließen.
Dies ist aber wiederum an Bedingungen geknüpft: Die prekären Ratsuchenden
nutzen offensichtlich nur vor dem Hintergrund einer persönlichen Bekanntschaft
und langjährigen Betriebszugehörigkeit, einer entsprechenden Strategie und
Bereitschaft des Einsatzbetriebsrats, sich für Werkvertragsbeschäftigte zu öffnen,
sowie der Möglichkeit einer niedrigschwelligen Kontaktaufnahme den Einsatz-
betriebsrat als Ansprechpartner.
Das Modell der „Definition“ der Situation nach Esser (1999b) konnte insge-
samt wesentlich dazu beitragen, die relevanten Einflussfaktoren auf die Bewer-
tung und Handlungswahl bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung zu syste-
matisieren und die einzelnen Typen sowohl anhand struktureller, als auch in-
dividueller Gegebenheiten zu erklären und zu verstehen. Hervorzuheben ist an
dieser Stelle, dass vermutlich eine unendlich große Zahl an inneren und äußeren
Bedingungen existiert, die über jene in dieser Arbeit genannten hinausgeht. Als
Beispiel hierfür kann die familiäre Sozialisation genannt werden, in deren Zu-
sammenhang ebenfalls Einstellungen gegenüber der betrieblichen Mitbestim-
mung erworben werden können (etwa, wenn die Eltern den Wert „Mitbestim-
244 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

mung“ weitergeben oder vorleben). Aufgrund dieser Komplexität erfolgte in der


vorliegenden Arbeit eine Begrenzung auf die wesentlichen Bedingungen. Mittels
der induktiv-deduktiven Vorgehensweise wurde der Fokus primär auf jene Fak-
toren gelegt, die einerseits in der vorhandenen Forschungsliteratur genannt wer-
den und andererseits den subjektiven Relevanzsetzungen der Beschäftigten im
Interview entsprachen.

10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe

Als Ergebnis obiger Analyse ergeben sich mehrere Diskussionsaspekte. Diese


betreffen einerseits die Subjektebene der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-in-
nen, deren Beschäftigungsbedingungen die Beteiligung an der betrieblichen Mitbe-
stimmung erschweren. Andererseits sind die längerfristigen Auswirkungen auf das
System der (betrieblichen) Mitbestimmung, die daran beteiligten Akteur/-innen
und gesetzliche Reformbedarfe zu diskutieren.

10.2.1 Spannungsverhältnis zwischen prekärer Beschäftigung und Teilnahme


an betrieblicher Mitbestimmung

Die empirische Analyse verdeutlicht, dass den Leih- und Werkvertragsarbeit-


nehmer/-innen die Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung sowohl im
Einsatz-, als auch im Entsendebetrieb durch verschiedene Benachteiligungen –
beispielsweise die Kurzfristigkeit ihrer Arbeitsverhältnisse oder die räumliche
Distanz zum Entsendebetrieb – erschwert bzw. diese zum Teil auch verhindert
wird. Die spezifischen Beschäftigungsbedingungen der beiden Arbeitsformen
stehen demnach offenbar in einem Spannungsverhältnis zu einem Engagement in
der betrieblichen Mitbestimmung.
Im Falle von Leiharbeit zeigt die Typologie erstens, dass ein häufiger Ein-
satzwechsel und kurze Einsatzdauern das Aktivitätsniveau senken, da eine Betei-
ligung an den betrieblichen Mitbestimmungsprozessen nicht als sinnvoll erachtet
wird bzw. vor diesem Hintergrund irrelevant erscheint. Zweitens tragen die
Leiharbeitnehmer/-innen spezifische Erwartungen an den dortigen Betriebsrat
heran, die eng mit der Beschäftigung in Leiharbeit verknüpft sind. Dazu zählen
vor allem ein Engagement für eine gleichberechtigte Behandlung von Stamm-
und Leiharbeitskräften sowie die Weitergabe von Informationen über bzw. sogar
zum Teil die Verschaffung einer Festanstellung im Einsatzbetrieb. Werden diese
Erwartungen nicht (schnell genug) erfüllt, so kommt es zu einer Bewertung der
Mitbestimmungssituation als prekär und zu einer Einschränkung – im Extremfall
10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe 245

sogar zu einer Verweigerung – der Beteiligung an der betrieblichen Mitbestim-


mung.
In den genannten Aspekten spiegelt sich eine generelle Eigenschaft des Be-
schäftigungsverhältnisses Leiharbeit wider, die bereits vielfach in der wissen-
schaftlichen Literatur diskutiert und auch belegt wurde: Leiharbeit ist in beson-
derem Maße an kurzfristige, unternehmerische Marktrisiken gekoppelt und somit
durch hohe Arbeitsmarktrisiken gekennzeichnet (Kraemer/Speidel 2004b: 125).
Die damit verbundene, hohe Fluktuation der Beschäftigungsverhältnisse und die
durchschnittlich kurzen Einsatzdauern (Haller/Jahn 2014) führen in erster Kon-
sequenz dazu, dass Betriebsräte an potenzieller Wähler/-innenschaft verlieren,
denn Leiharbeitskräfte dürfen nur an der Wahl im Einsatzbetrieb teilnehmen,
wenn ihr Einsatz für länger als drei Monate geplant ist. Darüber hinaus aber sind
die Integration in die betriebliche Mitbestimmung und der Aufbau eines vertrau-
ensvollen Verhältnisses zwischen Betriebsrat und Beschäftigten auch bei länge-
ren Einsatzzeiten vermutlich stark erschwert. Die berufliche Unsicherheit und
das damit verbundene „Durchhalten in dauerhafter Gefährdung“ (Vogel 2004a:
158), bei dem das Streben nach einer Festanstellung bzw. teilweise auch das
Verbleiben im Arbeitsmarkt überhaupt den betrieblichen Alltag dominiert,
drängt die Thematik der betrieblichen Mitbestimmung in den Hintergrund. Ins-
gesamt wird vor diesem Hintergrund ein selbstverantwortliches, zukunftsorien-
tiertes Handeln der Beschäftigten verhindert (Holst 2012). Eine Beteiligung an
der betrieblichen Mitbestimmung wird darüber hinaus auch dadurch einge-
schränkt, dass die Leiharbeitstätigkeit im Lebenslauf den Status eines Über-
gangsstadiums erhält, mit dem sich die Beschäftigten nur in geringem Maße
identifizieren und dementsprechend keine Handlungsressourcen für die Interes-
senvertretung (insbesondere in der Leiharbeitsfirma) aufgewendet werden. Etwa-
ige Erwartungen an den Einsatzbetriebsrat oder die Motivation zur Teilnahme an
Betriebsratswahlen begründen sich zudem naturgemäß mit leiharbeitsspezifi-
schen Problemen. Es konnte gezeigt werden, dass sich die Leiharbeitskräfte trotz
rechtlicher Integration zum Teil von der betrieblichen Mitbestimmung im Ein-
satzbetrieb ausgegrenzt bzw. benachteiligt fühlen oder aber sich bewusst von ihr
distanzieren. Dies weist darauf hin, dass die Ungleichheiten zwischen den Be-
schäftigungsverhältnissen der Leiharbeitnehmer/-innen und Festangestellten
auch durch eine formale Integration in die betriebliche Mitbestimmung nicht
kompensiert werden können. Die Leiharbeitskräfte bleiben aufgrund der genann-
ten, strukturell angelegten Eigenschaften der Beschäftigungsform Leiharbeit im
wörtlichen Sinne externe Beschäftigte und identifizieren sich auch zum Teil mit
dieser Rolle, wie etwa bei den distanzierten Autarken gezeigt werden konnte.
Werkvertragsbeschäftigte sind im Gegensatz dazu vollständig von der be-
trieblichen Mitbestimmung des Einsatzbetriebs ausgeschlossen. Dies ist, wie in
246 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

der vorliegenden Arbeit gezeigt werden konnte, für Teile der Beschäftigten –
neben Lohnunterschieden und immateriellen Distinktionen – ein weiterer Aus-
druck der Segmentierung der Belegschaften und wird als Diskriminierung emp-
funden. Ist darüber hinaus kein Betriebsrat im Werkvertragsunternehmen vor-
handen, so existiert kein Gremium, welches sich für ihre Interessenvertretung
einsetzt oder ihnen im Falle von arbeitsspezifischen Problemen als Anlaufstelle
zur Verfügung steht.
Die vorliegende Studie konnte zwar zeigen, dass das Werkvertragsunter-
nehmen gegenüber dem Einsatzbetrieb die zentrale Mitbestimmungsarena dar-
stellt – zur Diskussion steht allerdings, ob das Werkvertragsunternehmen dabei
tatsächlich eine Aufwertung erfährt. Denn die formellen und die praktischen
Möglichkeiten bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung stimmen nicht
zwangsläufig überein: Im Werkvertragsunternehmen ist die Beteiligung an bzw.
eine Initiierung von Mitbestimmungsprozessen mit verschiedenen Hürden in
Form von Vereinzelung und räumlicher Distanz zum Arbeitgeberunternehmen
(besonders bei hochqualifizierter Projektarbeit) und/oder prekären Beschäfti-
gungsverhältnissen verbunden. Dass die Beschäftigtenkonstellationen in Werk-
vertragsunternehmen oftmals ebenfalls durch Outsourcing gekennzeichnet sind,
erscheint vor diesem Hintergrund als ein weiteres Problem. Teilweise beauftra-
gen Werkvertragsunternehmen weitere Fremdfirmen mit der Durchführung von
Tätigkeiten (Koch 2012: 10) oder nutzen selber Leiharbeit. Die entsprechenden
externen Beschäftigten der „Sub-Subunternehmen“ können sich wiederum nicht
an den dortigen, betrieblichen Mitbestimmungsprozessen – auch im Sinne einer
Betriebsratsgründung – beteiligen. Diese zusätzliche Fragmentierung der Beleg-
schaften stellt somit eine weitere Hürde in Bezug auf die betriebliche Mitbe-
stimmung dar.
Insgesamt ist vor dem Hintergrund, dass den Beschäftigungsformen inhä-
rente Eigenschaften die Beteiligung an der betrieblichen Mitbestimmung er-
schweren, zu diskutieren, wie sich die Verhandlungs- und Ausgangsposition der
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen verbessern ließen, so dass einer
Beteiligung an betrieblichen Mitbestimmungsprozessen weniger im Wege stünde
und die diesbezüglichen Prekaritätsrisiken gemindert werden könnten. Denn mit
Rückbezug auf Bourdieu (1998a) kommt zu den genannten, defizitären Mitbe-
stimmungschancen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen hinzu, dass
sich die entsprechenden Beschäftigten aufgrund ihrer Beschäftigungsunsicher-
heit (sowohl im finanziellen Sinne als auch in Bezug auf Planbarkeit) nur in
geringem Maße mitbestimmungspolitisch mobilisieren lassen. Diese finanzielle
und Planungsunsicherheit müsste den Beschäftigten genommen werden, damit
die betriebliche Mitbestimmung und damit auch die eigene Interessenvertretung
mehr Raum im Arbeitsalltag einnehmen kann. In einem ersten Schritt wäre für
10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe 247

Werkverträge beispielsweise in Betracht zu ziehen, per Tarifvertrag vermehrt


Equal Pay/ Equal Treatment-Regelungen abzuschließen und die Einsatzbetriebe
damit zu verpflichten, bestimmte Mindestbedingungen, etwa in Bezug auf den
Lohn, zu garantieren (Däubler 2016: 242 f.). Für Leiharbeit konnte die IG Metall
mit dem tariflichen Mindestlohn sowie den Branchenzuschlägen in der Metall-
und Elektroindustrie diesbezüglich bereits Erfolge verzeichnen und Unterschiede
zwischen Stamm- und Leiharbeitnehmer/-innen verringern. Der Gleichbehand-
lungsgrundsatz ist zudem gesetzlich festgeschrieben, sofern ein Tarifvertrag kei-
ne anderen Regelungen vorsieht. Insgesamt bestehen jedoch noch immer Diffe-
renzen im Lohnniveau zwischen Stamm- und Leiharbeitskräften. Insofern ist
auch zu diskutieren, inwiefern gesetzliche Grundlagen für eine generelle Gleich-
behandlung von externen und Stammbeschäftigten ab dem ersten Tag zu schaf-
fen sind, sofern sie ihre Arbeit auf ein- und demselben Betriebsgelände verrich-
ten.
Mittel- und langfristig befriedigt eine Equal Pay-Regelung vermutlich je-
doch nicht das zentrale Interesse der Beschäftigten, über eine planbare Zukunft
zu verfügen (vgl. dazu auch Artus/Roßmeißl 2012). Um potenziell prekäre Be-
schäftigung insgesamt zurückzudrängen bzw. flexible Beschäftigungsverhältnis-
se – die aus betriebswirtschaftlicher Perspektive in mancher Hinsicht durchaus
sinnvoll sein können – auf ein akzeptables Maß zu beschränken und Leiharbeit
und Werkverträge zu einem sozial abgesicherten Flexibilisierungsinstrument im
ursprünglichen Sinne zu machen, ist daher zu klären, wie Betriebsräte auf
Grundlage verbesserter, rechtlicher Möglichkeiten die Beschäftigungsformen
Leih- und Werkvertragsarbeit eingrenzen, und – gemeinsam mit den Gewerk-
schaften als zweitem Pfeiler des dualen Systems der Arbeitnehmer/-inneninteres-
senvertretung – zugleich Einfluss auf ihre Rahmenbedingungen nehmen könnten.
Auf diesen Aspekt wird in den nachfolgenden Abschnitten eingegangen.

10.2.2 Mittel- und langfristige Auswirkungen auf die Institution der


(betrieblichen) Mitbestimmung und Reformbedarfe

Die zunehmende Fragmentierung der Belegschaften in Stamm-, Leih- und Werk-


vertragsarbeitnehmer/-innen hat langfristig erhebliche Konsequenzen für die be-
trieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretungen. Im Folgenden wird
diskutiert, wie diese Folgen ausgestaltet sind, mit welchen Herausforderungen
Betriebsräte und Gewerkschaften daher konfrontiert sind und inwiefern diesbe-
züglich gesetzliche Reformbedarfe bestehen.
248 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

Konsequenzen für die betriebliche Interessenvertretung

Die Zunahme von Leih- und Werkvertragsarbeit und die damit verbundene Seg-
mentierung in Kern- und Randbelegschaften haben auf der einen Seite zur Folge,
dass die Teilhabe an der betrieblichen Mitbestimmung nur noch für bestimmte
Beschäftigtengruppen auf dem Betriebsgelände möglich ist. Die auf gleiche
Bürgerrechte ausgerichtete Mitbestimmungspraxis erodiert (Brinkmann/Nacht-
wey 2014: 95). Auf der anderen Seite sind die Betriebsratsgremien in den Ein-
satzbetrieben für immer weniger Beschäftigte zuständig. Die Reduzierung des
betrieblichen „Wahlvolks“ – ob nun wegen institutioneller Ausgrenzung oder
aufgrund bewusster Verweigerung seitens der Beschäftigten – hat zur Folge, dass
sich die politische Legitimationsgrundlage der Betriebsräte reduziert und diese
nur noch einen Teil der Belegschaft bzw. eine immer kleiner werdende Gruppe
auf dem Betriebsgelände repräsentieren. In der Konsequenz verändert dies auch
die Verhandlungsposition des einzelnen Betriebsrats gegenüber der Geschäfts-
führung. Denn diese ist unter anderem abhängig vom Rückhalt des Betriebsrats
in der Gesamtbelegschaft (Kotthoff 1981: 260 f.). Zudem haben die betroffenen
Beschäftigten durch die genannten strukturellen Rahmenbedingungen verringerte
Chancen, ihre Interessen in die Betriebsratspolitik einzubringen. Fraglich ist,
inwiefern in Folge die Interessen aller Arbeitnehmer/-innen auf dem Betriebsge-
lände bei betrieblichen und unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigt
werden können. Insgesamt ist festzuhalten: „[D]urch die Ausgliederung von
Leistungen kommt es zu einer Aushöhlung der Institution ‚Betriebsrat‘, die sie
letztlich nicht vollständig kompensieren kann“ (Hertwig et al. 2016: 138). Dies
gilt für Leiharbeit und Werkverträge wohl gleichermaßen. Damit stellt sich die
Frage danach, wie sich die Handlungsspielräume der Betriebsräte verbessern
lassen, um einer solchen Aushöhlung mittel- und langfristig entgegen zu wirken.
Konkrete Möglichkeiten zur Verbesserung des Handlungsspielraums von
Betriebsräten werden bereits vielfach diskutiert und beziehen sich dabei insbe-
sondere auf die Eingrenzung von Leih- und Werkvertragsarbeit. Für Leiharbeit
wird beispielsweise vorgeschlagen, gesetzliche Regelungen einzuführen, die es
Betriebsräten in Einsatzbetrieben erlauben, Vereinbarungen zu erzwingen, wel-
che die Übernahme von Leiharbeitskräften explizit regeln. Ferner könnte ein
Zutrittsrecht des Verleihbetriebsrats zum Einsatzbetrieb eingeführt werden, da-
mit dieser Arbeitsplatzbegehungen durchführen kann (Absenger/Priebe 2016:
197). Der letztgenannte Punkt wäre auch vor dem Hintergrund sinnvoll, als dass
die meisten Leiharbeitnehmer/-innen des Samples der vorliegenden Arbeit den
Betriebsrat ihrer Leiharbeitsfirma gar nicht kannten bzw. sich ob seiner Existenz
nicht sicher waren. Zumindest wären somit die Rahmenbedingungen für den
10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe 249

Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses zwischen Verleihbetriebsrat und


Beschäftigten ein Stück weit verbessert.
Mit Blick auf Werkverträge wäre beispielsweise eine Modernisierung des
BetrVG dahingehend denkbar, als dass Betriebsräte mehr Mitbestimmungsrechte
erhalten, sofern es sich bei der Fremdvergabe um die dauerhafte Übernahme von
Kernaufgaben handelt. Dies würde zugleich auch eine Perspektivenerweiterung
der Betriebsräte herbeiführen, welche sie dazu zwingt, Mitbestimmung auch für
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zu praktizieren (Hertwig et al. 2016: 139). Um
schließlich den Missbrauch von Werkverträgen zu begrenzen und sogenannte
Scheinwerkverträge zu verhindern, wird vorgeschlagen, dass ein Fremdpersonal-
einsatz dann unzulässig wird, sofern der Betriebsrat nicht vorab darüber unter-
richtet wurde (Brors/Schüren 2014).
Schließlich sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen vermutlich auch
(noch) nicht auf Koordinierungsprobleme in der Praxis ausgelegt: Existiert im
Werkvertragsunternehmen ein Betriebsrat, dann zieht dies beispielsweise im
Falle der Änderung von betrieblichen Ordnungen im Einsatzbetrieb zahlreiche,
eher aufwändige Absprachen zwischen den verschiedenen Arbeitgeber/-innen
und Betriebsratsgremien nach sich. Vorgeschlagen wird daher, dem Betriebsrat
des Einsatzbetriebs Mitbestimmungsrechte in allen Fragen der praktischen Ko-
ordinierung zu geben, soweit sie vom Katalog des §87 Abs. 1 BetrVG erfasst
sind. Dies würde dann beispielsweise auch die Sozialeinrichtungen und Sachver-
halte wie den Beginn und das Ende der Arbeitszeit betreffen. Betriebsvereinba-
rungen könnten zudem nach einem territorialen Verständnis gelten, das heißt,
dass auf einem Betriebsgelände auch nur eine Betriebsvereinbarung gilt (Däubler
2016: 241 f.).
Letztendlich müssten sich auch die Handlungsstrategien der Betriebsräte
diesbezüglich dem Wandel der Betriebslandschaften anpassen, um neue Koordi-
nierungsaufgaben bewältigen zu können: So bedarf es bei der Abhaltung von
Betriebsversammlungen der verschiedenen Unternehmungen in industriellen
Unternehmen beispielsweise terminlicher Absprachen unter den betrieblichen
Interessenvertretungen, um nicht jedes Mal die Produktion zum Stillstand zu
bringen.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie verdeutlichen zudem, dass mit der
Zunahme von Leih- und Werkvertragsarbeit zwei Beschäftigtengruppen entstan-
den sind, die sich in einer besonderen Beschäftigungssituation befinden und da-
mit auch spezifische Bedürfnisse und Erwartungen an die betriebliche Mitbe-
stimmung richten. Für die Betriebsräte in den Einsatzbetrieben kommt vor die-
sem Hintergrund auch das vergleichsweise neue Aufgabenfeld hinzu, sich auf die
Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in der betrieblichen Praxis einzulas-
sen und auf ihre – mit der Beschäftigungssituation verbundenen – Anforderun-
250 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

gen einzugehen. Die Interviews haben gezeigt, dass dies durchaus gelingen kann
(vgl. beispielsweise die integrierten Leiharbeitnehmer/-innen oder die prekären
Ratsuchenden). Bei Teilen der Beschäftigten aber dominierte die Wahrnehmung,
dass der Betriebsrat entweder nicht über ausreichend Kompetenzen für Leih- und
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen verfügt oder aber sich nicht genügend für
deren individuellen Belange einsetzt. Vor dem Hintergrund der für die Betriebs-
räte durch Leih- und Werkvertragsarbeit schwindenden Mitbestimmungsbasis
obliegt es den Betriebsräten, sich durch eine klare Positionierung, eine Steige-
rung der eigenen Kompetenzen hinsichtlich dieser Beschäftigungsformen sowie
eine transparente Kommunikation den Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-
innen verstärkt zuzuwenden. Denn auch wenn ihnen (vor allem in Bezug auf
Werkverträge) derzeit nur ein begrenzter Handlungsspielraum zur Verfügung
steht, so können sie dennoch einen kompetenten Umgang mit den Beschäftigten
entwickeln, indem sie diese professionell begleiten und ggf. auch von sich aus
kontaktieren, für Gewerkschaftsmitgliedschaften werben oder über die Institu-
tion der betrieblichen Mitbestimmung und ihre Beteiligungsrechte aufklären.
Zu diskutieren ist bei allen Vorschlägen aber immer noch die Frage nach
den entsprechenden zeitlichen und personalen Ressourcen der Betriebsräte, die
sich derzeit an der Zahl der Stamm- und Leiharbeitskräfte bemessen. Diese
müssten im Zuge einer Änderung der Mitbestimmungsrechte ebenfalls angepasst
werden – zumindest wenn ehemalige Kernaufgaben des Betriebs fremdvergeben
werden. Auch ist zu bedenken, dass sich die betrieblichen Interessenvertretungen
in den Einsatzbetrieben vermutlich bis zu einem gewissen Grad zur Akzeptanz
von Outsourcing gezwungen sehen, da mit der so erzeugten Flexibilität die
Stammbelegschaft vor Marktschwankungen geschützt wird (Palier/Thelen 2010).
Nicht wenige Betriebsratsgremien dürften sich in Folge weitergehender Mitbe-
stimmungs- und Interessenvertretungsrechte einem Interessenkonflikt gegen-
übersehen, der aus dem Schutz der Stammbelegschaft auf der einen Seite und der
Integration der externen Beschäftigten in die betriebliche Mitbestimmung auf der
anderen Seite besteht.

Konsequenzen für die gewerkschaftliche Interessenvertretung

Die Ergebnisse dieser Studie stehen jedoch unter dem wichtigen Vorbehalt, dass
es Betriebsräte längst nicht in jedem Unternehmen gibt. Insgesamt werden in
Deutschland nur 41 Prozent aller Beschäftigten von einem Betriebsrat vertreten
(Ellguth/Trinczek 2016). In Leiharbeitsfirmen und Werkvertragsunternehmen
dürfte diese Quote noch geringer sein. Demnach haben viele Beschäftigte, und
damit auch Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen keine betriebliche Inte-
ressenvertretung, welche etwa die Einhaltung tariflicher Vereinbarungen oder
10.2 Diskussion der Ergebnisse und Reformbedarfe 251

Arbeitsstandards kontrolliert bzw. Betriebsvereinbarungen abschließt, ge-


schweige denn eine Anlaufstelle im Falle von arbeitsspezifischen Problemen.
Zugleich entfällt in diesen Betrieben der Anknüpfungspunkt für die Gewerk-
schaften, welche jedoch gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte benötigen,
um Mitglieder zu werben bzw. zu rekrutieren (Aust et al. 2007a: 310). Die ge-
werkschaftliche Organisation von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
scheint insgesamt problematisch zu sein. Die Schwierigkeiten, die diesbezüglich
für Leiharbeitnehmer/-innen genannt werden – als da wären das Fehlen eines
Betriebs als gemeinsamer sozialer Ort, das Fehlen einer „Verberuflichung“ von
Leiharbeit, die Heterogenität der Gruppe sowie die Branchenstruktur, die durch
kleine und mittlere Leiharbeitsfirmen dominiert wird (Aust et al. 2007b: 332) –
dürfte prinzipiell ebenfalls auf Werkvertragsarbeitnehmer/-innen zutreffen. Auch
unter den befragten Beschäftigten der vorliegenden Studie war der gewerkschaft-
liche Organisationsgrad gering. Die bereits genannten, spezifischen Beschäfti-
gungsbedingungen – unter anderem ein vergleichsweise niedriger Lohn und
häufige Einsatzwechsel zwischen verschiedenen Branchen – waren aus der Per-
spektive der Beschäftigten ebenso hinderlich für ein langfristiges, gewerkschaft-
liches Engagement wie die Frage nach der Zuständigkeit der Gewerkschaften.
Die kürzlich zwischen IG Metall und ver.di geschlossene Kooperationsver-
einbarung ist als eine Reaktion auf diese Problematik zu sehen, indem sie in vier
Branchen die Organisations- und Tarifzuständigkeit für Unternehmen der industri-
ellen Kontraktlogistik regelt (IG Metall online 12.01.2016). Der Hintergrund dabei
ist, dass das Prinzip der Tarifeinheit („Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“) im Falle
der Werkverträge dadurch aufgehoben wird, dass sich Kernbelegschaften im Gel-
tungsbereich der Branchentarifverträge der Metall- und Elektroindustrie wiederfin-
den, für die Werkvertragsbeschäftigten allerdings andere Tarifverträge gelten
(Dribbusch 2010: 14). Künftig könnte also die Zuständigkeit der Gewerkschaft für
die Beschäftigten klarer sein; ebenso ist es aus gewerkschaftlicher Perspektive
vermutlich praktikabler, gezielt Mitglieder insbesondere unter den Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen zu werben und Betriebsratsgründungen in den Werkvertrags-
unternehmen unterstützend voranzutreiben. Wenn letzteres nicht gelingt, hat dies
die Ausbreitung interessenvertretungsfreier Zonen zur Folge, welche die Institutio-
nen des dualen Systems industrieller Beziehungen schwächen (Hertwig et al. 2016:
138). Nicht zuletzt wurden mit der Vereinbarung die Geltungsbereiche von Tarif-
verträgen festgelegt, was auch die Verhandlung künftiger Tarifabkommen verein-
fachen wird. Letztendlich setzt eine langfristige Beeinflussung der Regulierung
von Arbeitsbedingungen – egal ob auf gesetzlicher, tariflicher oder betrieblicher
Ebene – aber immer mitgliedsstarke Gewerkschaften voraus. Damit muss aller-
dings langfristig eine Erweiterung der bisherigen gewerkschaftlichen Kategorien
(Klasse, Geschlecht, Sektor und Beruf) um neue, kategorienübergreifende Organi-
252 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

sations- und Identitätsformen verbunden sein (Aust et al. 2007b: 337), die Leih-
und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen einschließt.

Insgesamt verlangt der beschriebene Wandel der Betriebslandschaften und die


damit einhergehende, zunehmende Fragmentierung der Belegschaften den (be-
trieblichen) Interessenvertretungen ein ganzheitliches Denken in unternehmungs-
übergreifenden Beziehungszusammenhängen ab (Hertwig et al. 2015a: 465), um
gegebenenfalls neue Handlungsstrategien zu entwickeln. Notwendig ist dabei
eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an die sich ändernden Ge-
gebenheiten, indem den Betriebsräten in den Einsatzbetrieben mehr Mitbestim-
mungsrechte zugesprochen werden. Zwar wurde die traditionelle Struktur des
BetrVG in einigen Fällen dem Wandel der Betriebs- und Unternehmensrealität
angepasst (Weiss 2013), jedoch bislang nur, um die Position der Leiharbeitneh-
mer/-innen im Einsatzbetrieb zu stärken. Ob auch ein substanzieller Wandel in
Bezug auf die Werkverträge stattfinden wird, bleibt abzuwarten, ist jedoch –
nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ergebnisse der vorliegenden Studie – zu
unterstützen. Die jüngste Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zur
Stärkung der Informationsrechte und der Wiedereinführung einer Überlassungs-
höchstdauer weist zwar prinzipiell schon in eine richtige Richtung und bringt die
beiden Beschäftigungsformen wiederholt in die politische Debatte. Die Hand-
lungsspielräume für Betriebsräte werden damit jedoch nicht wesentlich erweitert.
Zudem ist die vorgesehene Überlassungshöchstdauer der Leiharbeitnehmer/-in-
nen personen-, und nicht arbeitsplatzbezogen: Nach 18 Monaten muss demnach
nicht zwingend eine Übernahme in den Einsatzbetrieb erfolgen – es „reicht“,
wenn der/die entsprechende Leiharbeitnehmer/-in durch eine „neue“ Arbeitskraft
ersetzt wird.
Es bestehen daher noch gesetzliche Spielräume, um die Mitbestimmungs-,
aber auch die allgemeine Beschäftigungssituation von Leih- und Werkvertrags-
arbeitnehmer/-innen zu verbessern. Insgesamt bleibt abzuwarten, inwiefern sich
das Gesetz auf die Praxis auswirkt und wie künftige Regierungen dieses Thema
aufgreifen.

10.3 Kritische Würdigung der Ergebnisse und weiterer


Forschungsbedarf

Der Ausgangspunkt dieser Studie ist das grundlegende Verständnis, dass die
individuelle Situationsbewertung und die anschließende Handlungswahl nicht
nur von äußeren, strukturellen Bedingungen, sondern auch von inneren Einstel-
lungen wie normativen Orientierungen, dem Wissen, der Biografie und damit
letztendlich von der sozialen Identität eines Akteurs bzw. einer Akteurin abhän-
10.3 Kritische Würdigung der Ergebnisse und weiterer Forschungsbedarf 253

gen. Mithilfe der 30 geführten qualitativen Leitfadeninterviews mit Leih- und


Werkvertragsarbeitnehmer/-innen konnten mittels des handlungstheoretischen
Modells nach Esser auf der einen Seite individuelle Wahrnehmungen, Bewer-
tungen und Handlungskonsequenzen in Bezug auf die betriebliche Mitbestim-
mung analysiert werden. Auf der anderen Seite konnten jene wesentlichen äuße-
ren und inneren Bedingungen herausgestellt werden, die einen zentralen Einfluss
auf den Umgang mit der betrieblichen Mitbestimmung seitens Leih- und Werk-
vertragsarbeitnehmer/-innen haben. Dass diese letztendlich einen verallgemein-
erbaren − wenn auch kontextspezifischen − Erklärungscharakter aufweisen, zeigt
sich daran, dass die strukturellen Merkmale der beiden Beschäftigungsformen
(und nicht nur die individuellen Eigenschaften der interviewten Personen) maß-
gebliche Einflussfaktoren auf die Situationsdefinition und Handlungen darstel-
len. Die Ergebnisse gehen damit durchaus über den Einzelfall hinaus und sind
auf Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen in ähnlichen Kontexten über-
tragbar.
Mit der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, inwiefern sich der ten-
denzielle Ausschluss von institutionell verankerten sozialen Rechten und Partizi-
pationschancen im (Einsatz-)Betrieb als eine Dimension von Prekarität in den
subjektiven Bewertungen und auch den Handlungen von Leih- und Werkver-
tragsarbeitnehmer/-innen widerspiegelt. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass
Teile der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen ihre betriebliche Mitbe-
stimmungssituation kontinuierlich mit jener der jeweils anderen Beschäftig-
tengruppe abgleichen und somit Diskriminierungserfahrungen sammeln. Dies
verdeutlicht, dass sich die Segmentierung der Belegschaften eben nicht nur ent-
lang der Lohnhöhe oder der Beschäftigungssicherheit vollzieht, sondern auch
entlang der Dimension der betrieblichen Mitbestimmung und dies auch von den
Beschäftigten wahrgenommen wird. Anzunehmen ist allerdings, dass sich das
subjektive Prekaritätsempfinden bezüglich der Mitbestimmungssituation auch
mit jener der allgemeinen Beschäftigungssituation vermischt bzw. sich diese
auch gegenseitig beeinflussen oder gar verstärken. Insgesamt ergänzen die Er-
gebnisse damit die Prekaritätsforschung um die bislang vorwiegend vernachläs-
sigte, subjektorientierte Perspektive auf die betriebliche Mitbestimmung und
leisten anhand der Identifizierung der genannten zentralen Bedingungen einen
Beitrag zur Erklärung der Frage nach den Gründen subjektiver Prekaritätsbewer-
tungen.
Die Befragung weiterer Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen würde
die Möglichkeit bieten, die vorliegenden Typologien gegebenenfalls zu erwei-
tern. Insofern wäre es in Betracht zu ziehen, die vorliegenden Resultate künftig
mit Ergebnissen größer angelegter, qualitativer oder auch quantitativer Studien
zu ergänzen. Die Begrenzung des Untersuchungsfeldes auf die Metall- und
254 10 Zentrale Erkenntnisse, Diskussion und Ausblick

Elektroindustrie wurde mit der Vergleichbarkeit der Ergebnisse vor dem Hinter-
grund ähnlicher institutioneller Rahmenbedingungen begründet. In den industri-
ellen Wirtschaftszweigen ist die Betriebsratsdichte traditionell hoch; zudem sind
Männer unter den Beschäftigten im Vergleich zur Gesamtwirtschaft stärker ver-
treten. Weiterführende Studien in anderen Branchen könnten somit zusätzliche
Erkenntnisse zur subjektiven Bewertung der betrieblichen Mitbestimmung von
externen Beschäftigten unter anderen Rahmenbedingungen (etwa hinsichtlich
Betriebsgröße, Tarifbindungen etc.) liefern. Zudem könnten „gemischtere“
Samples im Hinblick auf Alter und Geschlecht entstehen, so dass sozialstruktu-
relle Faktoren stärker herausgearbeitet und auch gender- und altersspezifische
Aspekte berücksichtigt werden könnten. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für die
Forschung ist in diesem Kontext auch die Beschäftigung von ausländischen
Werkvertragsarbeitnehmer/-innen, die zum Teil erstmalig mit dem System der
betrieblichen Mitbestimmung in Berührung kommen.
Da die vorliegende Studie das jeweilige Zugehörigkeitsgefühl zum Betrieb
sowie den biografischen Status als externe Arbeitskraft mit zum Teil kurzen
Einsatzzeiten als zentralen Einflussfaktor auf den Umgang mit der betrieblichen
Mitbestimmung identifizieren konnte, sind ferner weiterführende Forschungen
von Relevanz, die diesbezüglich weitere, atypische Beschäftigungsformen – etwa
Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung – in den Vordergrund rücken und
dabei den Grad der Teilhabe an betrieblicher Mitbestimmung als ein Element
von Prekarität betrachten.
In der künftigen arbeitsmarktpolitischen und arbeitssoziologischen For-
schung wird die Erosion der betrieblichen Mitbestimmung durch externe Be-
schäftigung gewiss weiterhin eine Rolle spielen. Unter anderem könnten sich
weitere Forschungsarbeiten Gewerkschafts- bzw. Betriebsratsstrategien widmen,
um die Interessenvertretung stärkende Vorgehensweisen vor dem Hintergrund
fragmentierter Belegschaften zu identifizieren. Hinsichtlich der äußeren Bedin-
gungen zeigte sich zudem, dass eine tiefergehende Untersuchung der konkreten
Betriebsratsstrategien zu einer detaillierteren Erklärung der Situationsbewertun-
gen und Handlungen der Beschäftigten und somit zu einer Analyse des Zusam-
menspiels verschiedener betrieblicher Akteur/-innen beitragen könnte.
Vor dem Hintergrund, dass diese Studie die rechtlichen Rahmenbedingungen
der betrieblichen Mitbestimmung für Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
als zentrale Größe bei der Bewertung und dem Umgang mit derselben herausstel-
len konnte, sind auch weiterführende Forschungen von Bedeutung, die mögliche
Anpassungen des BetrVG diskutieren und weiterentwickeln. Insgesamt gilt es
dabei, der Benachteiligung von Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen bei
der betrieblichen Mitbestimmung langfristig und nachhaltig entgegenzuwirken.
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forschung, Art. 22, 1 (1), URL: http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/
article/view/1132/2519 (Stand: 14.07.2017).
Witzel, Andreas/Reiter, Herwig (2012): The problem-centred interview. London: Sage.
Wolff, Stephan (2010): Wege ins Feld und ihre Varianten, in: Flick, Uwe/von Kardoff,
Ernst/Steinke, Ines [Hrsg.]: Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Ham-
burg: Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, S. 334-349.
Wölfle, Tobias (2008): Gewerkschaftliche Strategien in der Leiharbeit, in: WSI Mitteilun-
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WSI-Tarifarchiv [Hrsg.] (2013): Statistisches Taschenbuch Tarifpolitik. Düsseldorf.
WSI-Tarifarchiv [Hrsg.] (2014): Statistisches Taschenbuch Tarifpolitik. Düsseldorf.
Anhang

Typenkombinationen der Leih- und Werkvertragsarbeitnehmer/-innen


Leiharbeitnehmer/-innen Werkvertragsarbeitnehmer/-innen
Fall Einsatzbe- Entsende- Fall Einsatzbe- Entsende-
trieb betrieb trieb betrieb
A-LA1 1 2 A-WV1 2 2
A-LA2 2 2 A-WV2 2 2
A-LA3 1 2 B-WV1 2 2
B-LA1 1 2 B-WV2 2 2
B-LA2 1 2 C-WV1 2 1
B-LA3 (3) 2 C-WV2 2 2
B-LA4 2 2 D-WV1 2 2
C-LA1 4 2 D-WV2 3 2
C-LA2 (3) 2 E-WV1 3 4
C-LA3 1 2 E-WV2 Dieser Beschäftigte findet
(LA) aufgrund seines vom
übrigen Sample abwei-
chenden Beschäftigtensta-
tus keine Berücksichti-
gung in der Analyse.
D-LA1 2 2 E-WV3 2 2
D-LA2 1 2 E-WV4 4 3
D-LA3 2 2 E-WV5 4 2
D-LA4 2 2 E-WV6 2 2
E-LA1 3 (3)
E-LA2 1 2
E-LA3 2 2
Erläuterung: nicht-prekär | aktiv = 1; nicht-prekär | passiv = 2; prekär | aktiv = 3; (3) = prekär | partiell
aktiv; prekär | passiv = 4

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018


V. Barlen, Zwischen zwei Arenen,
https://doi.org/10.1007/978-3-658-20575-1
272 Anhang

Übersicht über die im Sample vorkommenden Merkmalskombinationen


Merkmalskombinationen Fälle pro Beschäftigungsform
Werkvertrags-
Leiharbeitneh-
Einsatzbetrieb Entsendebetrieb arbeitnehmer/-in-
mer/-innen
nen
A-LA1; A-LA3; B-
nicht – prekär | LA1; B-LA2; C-
nicht-prekär | aktiv /
passiv LA3; D-LA2; E-
LA2
nicht-prekär | nicht – prekär |
/ C-WV2
passiv aktiv
A-WV1; A-WV2;
A-LA2; B-LA4; D-
nicht-prekär | nicht – prekär | B-WV1; B-WV2;
LA1; D-LA3; D-
passiv passiv C-WV1; D-WV1;
LA4; E-LA3
E-WV3; E-WV6
prekär | (partiell)
prekär | aktiv E-LA1 /
aktiv
prekär | (partiell) nicht – prekär |
B-LA3, C-LA2 D-WV2
aktiv passiv
prekär | aktiv prekär | passiv / E-WV1
prekär | passiv prekär | aktiv / E-WV4
nicht – prekär |
prekär | passiv C-LA1 E-WV5
passiv

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