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Vorgeschlagene Idee für eine Studie: Replikation von Fallbericht zu der Virtual Reality Kör-

perkonfrontationstherapie (Porras-Garcia B. et al., 2020) in der Stichprobe im deutschen


Sprachraum

Theoretischer Hintergrund

Anorexia Nervosa (AN) ist mit der höchsten Sterblichkeitsrate aller psychiatrischen Erkrankungen,
einer der höchsten Rückfallraten aller psychiatrischen Erkrankungen und einer langfristigen Gene-
sungsrate von weniger als 63 % bei überlebenden Patienten verbunden (Couturier und Lock, 2006;
Eddy et al., 2017 ; Harris und Barraclough, 1998; Norring und Sohlberg, 1993; Steinhausen, 2002;
Sullivan, 1995). Diese Krankheit charakterisiert sich in erster Linie mit einem signifikant niedrigen
Körpergewicht und geht oft mit einer Körperbildstörung einher (American Psychiatric Association,
2018). Die Anorexia nervosa wird unterteilt anhand des Körpergewichts (Schweregrad: leicht (BMI
≥ 17, 0 kg/m2); mittel (BMI 16, 0 - 16, 9 kg/m2); schwer (BMI 15, 0 - 15,9 kg/m2); extrem (BMI <
15, 0 kg/m2), sowie anhand des Verhaltensmusters, restriktiver- oder Binge-Eating-/Purging-Typ.
Restriktiver Typ charakterisiert sich mit der eingeschränkten Energieaufnahme, wobei bei dem Bin-
ge-Eating-/Purging-Typus redet man von regelmäßigen Essanfälle, die danach durch selbstinduzier-
tem Erbrechen oder durch Missbrauch von Laxanzien, Diuretika oder Klistieren kompensiert wer-
den. Zusätzlich liegt es häufig eine Körperschemastörung (Wahrnehmung von Getroffenen, dass sie
zu dick sind und auch große Angst, dick zu werden) vor (Kriterium C; DSM-5). Diese Essstörung
kommt bei Männern seltener vor und das Verhältnis von erkrankten Frauen zu erkrankten Männern
ist von ungefähr 10 zu 1 geschätzt (American Psychiatric Association, 2018). Die Häufigkeitsgipfel
der Erkrankung liegt zwischen dem Beginn der Pubertät und frühem Erwachsenenalter.
Da die AN die schwerwiegende Folgen mit sich bringt, einschließlich sehr hohe Mortalitäts-
rate (ca. 5 % pro 10 Jahre; American Psychiatric Association, 2018), kann die frühzeitige Diagnos-
tik von Vorteil sein. Es gibt dabei sowohl Interviews, die man als Diagnostiker durchführt, als auch
Selbsteinschätzungfragebogen. Zu den häufigst angewendeten Diagnostikverfahren gehören Eating
Disorder Examination (EDE) (strukturiertes Experteninterview), Eating Disorder Examination
Quastionnaire (EDE-Q), Eating Disorder Inventory (EDI, EDI-2), (Selbsteinschätzung), Weight
Concerns Scale , sowie andere. Obwohl die Diagnostik mittels Fragebogen und Interviews eine
breite Anwendung hat, hat die Forschung mittels Eyetracking Erfolg bekommen. Bisher wurde ein
potentieller Biomarker gefunden, der die Diagnostik in der Zukunft erleichtern kann. Dabei handelt
es sich um die erhöhte Rate von Square Wave Jerks und eine erniedrigte Anxioty bei AN-Betroffe-
nen; hingegen wurde dieser Biomarker, wie bei anderen psychischen Krankheiten, noch nicht eta-
bliert (Phillipou). Eine große Lücke in der bisherigen Eyetracking - Forschung zur AN liegt an dem
Mangel von Daten männlichen AN-Betroffenen und dies soll in der Zukunft stärker in Betracht ge-
zogen werden.
Wie oben erwähnt, Körperschemastörung ist ein charakteristisches Merkmal von Anorexia
nervosa. Sie ist gekennzeichnet durch die dysfunktionalen Einstellungen und Emotionen gegenüber
dem eigenen Körper sowie körperliche Unzufriedenheit oder Angst vor Gewichtszunahme (Forrest,
Jones, Ortiz, & Smith, 2018; Mitchison et al., 2017) sowohl auch kognitive Verzerrungen bezüglich
des Körpers (Cordes, Bauer, Waldorf & Vocks, 2015). Es gibt unterschiedliche Verfahren, um kör-
perbezogene kognitive Verzerrungen zu messen, einige Möglichkeiten davon sind Selbsteinschät-
zungsfragebogen. Dennoch wird nicht selten die Eyetracking - Methode angewandt, die eine höhere
Objektivität der Untersuchung ermöglicht.

Body Exposure Therapy / Körperkonfrontation


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In der Behandlung von Körperbildstörung spielen die Körperkonfrontationsinterventionen eine sehr
wichtige Rolle. Hierbei sollen die ProbandInnen mit ihrem eigenen Körper per Spiegel und/ oder
Foto/ Video auseinandersetzen. Mit Hilfe solcher Körperkonfrontationsübungen können unter-
schiedliche Zile verfolgt werden: Erstens eine Korrektur des verzerrten Körperbildes (da man die
Ausmaße des eigenen Körpers häufig überschätzt), zweitens eine Bewältigung negativer körperbe-
zogener Gefühle, wie zum Beispiel Anspannung, Ängstlichkeit, Traurigkeit und anderen, die in Be-
zug auf den eigenen Körper entstehen, und drittens die Sensibilisierung für positive Aspekte des
eigenen Körpers bzw. mehr auf positive körperbezogene Attribute achten (Vocks & Legenbauer,
2005; Körperbildtherapie).
Zwei Übungsvarianten bei der Körperkonfrontation hinsichtlich der Aufmerksamkeitslen-
kung sind möglich, zum einen Fokussierung auf negativ bewertete bzw. vermiedene Körperteile,
zum anderen Fokussierung auf positive Aspekte des Körpers. Erste Übung dient zur Abbau des kör-
perbezogenen Vermeidungsverhalten - und Kontrollverhaltens und die zweite Übung ist dafür ge-
eignet, um die oftmals bestehende defizitorientierte Betrachtungsweise des eigenen Körpers zu
überwinden (Jansen et al., 2005).

Virtual Reality Body Exposure Therapy (Porras-Garcia B. et al, 2020)

Virtual-Reality- Technologien können hilfreich sein, um die Wirkung der Körperexpositionstherapie


bei Essstörungen zu verbessern. Beispielsweise ermöglichen sie Forschern, realgroße 3D-Simula-
tionen von Körper der Teilnehmer zu erstellen, indem sie ihre eigenen physischen Eigenschaften
verwenden und sie dann in immersive virtuelle Umgebungen platzieren, die reale Situationen im
Zusammenhang mit ihren ernährungs- oder körperbezogenen Besorgnissen reproduzieren. Mit die-
ser Technologie können die Teilnehmer einen virtuellen Körper als ihren eigenen wahrnehmen.
(Pla- Sanjuanelo et al., 2017; Gutiérrez-Maldonado et al., 2018). Außerdem decken VR-Technolo-
gien die Limitation/ Lücke ab, die oft bei der Visualisierungsexposition auftaucht, nämlich die
Schwierigkeiten beim Aufrechterhalten einer Visualisierung und das Risiko, dass die PatientInnen
die am meisten gefürchteten Stimuli während der Visualisierung absichtlich vermeiden (Porras-
Garcia B. et al, 2020).
Im Fallbericht «Virtual Reality Body Exposure Therapy for Anorexia nervosa. A Case Re-
port With Follow-Up Results» deuten die Befunde darauf hin, dass die Einsetzung von Virtual Rea-
lity Body Exposure Therapy als zusätzlicher Teil der kognitiven Verhaltenstherapie, die bei der Pa-
tientin angewendet wurde, zu der Reduktion von solchen AN-Symptomen, wie Angst vor Ge-
wichtszunahme, Schlankheitsstreben, körperbezogene- Ängstlichkeit und Unzufriedenheit, sowie
körperbezogene Aufmerksamkeitsverzerrung führen kann. Darüber hinaus wurde die Steigerung
von BMI zu einem «gesunden» Niveau fixiert. Fast alle diese Verbesserungen blieben in der Fol-
low-up Messung nach 5 Monate erhalten (außer Angst vor Gewichtszunahme, was damit verbunden
könnte, dass die Patientin schon zu «gesundem» Gewicht zugenommen hat und hatte Angst noch
mehr zuzunehmen).
An dem oben genannten Experiment hat die 15-jährige weibliche Jugendliche teilgenom-
men, die die Kriterien von Anorexia Nervosa (restriktiver Typ) nach DSM-5 aufwies. Zusätzlich
hatte sie eine Körperbildstörung, die sich durch Körperbildverzerrung und durch Besorgnisse hin-
sichtlich bestimmter gewichtsbezogener Körperbereiche (z.B. die Oberschenkel) manifestierte. Dies
wurde in der Abteilung für Essstörungen des Krankenhauses Sant Joan de Déu

in Barcelona, Spanien diagnostiziert. Zu Beginn der Intervention hatte die Patientin keine anderen
psychopathologische Diagnosen, sowie auch keine familiäre psychopathologische Vorgeschichte.
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Die angebotene V-R Body Exposure Therapie wurde im Rahmen eines intensiven Behandlungspro-
grammes für AN-Patienten/innen durchgeführt, das sich aus Einzel- und Gruppensitzungen der ko-
gnitiven Verhaltenstherapie, Ernährungsrehabilitation, einem Verhaltensprogramm zur Verbesserung
von Essgewohnheiten und Gewichtserhöhung, sowie Einzel- und Gruppen-(Eltern-)Beratung bilde-
te.
Das Experiment bestand aus Messung vor der Intervention, fünf Sitzungen von V-R Body
Exposure Therapie (Intervention), Messung nach dem Treatment und Follow-Up Messung (nach 5
Monaten). Die Messung vor dem Treatment beinhaltete das Erstellen eines virtuellen Avatars, Daten
Sammlung und full-bode Illusion (FBI) Prozedur. Die Expositionsbehandlung selbst dauerte 1
Stunde und fand einmal in der Woche statt. Dies wurde unter Verwendung eines virtuellen Körpers
mit demselben BMI wie die Patientin eingeleitet, wobei mit jeder folgenden Sitzung wurde die BMI
des Avatars schrittweise erhöht. Nach einer Woche nach der Behandlung wurde die Messung nach
dem Treatment durchgeführt und die Daten wurden mit jenen aus Vor-Treatment verglichen. An-
schließend nach 5 Monate wurde die Prozedur wiederholt (5-Month Follow-up) und die Daten je-
weils mit vorherigen verglichen.
Es stellt sich die Frage, ob die VR Body Exposure auch in der Stichprobe im deutschen
Sprachraum als effektive Methode zur Verbesserung von AN-Symptomatik funktionieren kann. Die
vorgeschlagene Studie soll das Design vom oben beschriebenen Fallbericht replizieren; dabei sind
die kleinen Korrekturen in der Prozedur fällig.

Studiendesign

Die vorgeschlagene Studie untersucht kurzfristige, sowie langfristige (12 Monate Follow-up) Aus-
wirkungen einer Körperexpositionsintervention, basierend auf Virtual Reality - Technologie. Die
Studie umfasst intraindividuelle (Prä- Post- und Follow-up Vergleiche; Modifikationen während der
fünf Expositionssitzungen) und interindividuelle (EG vs. KG) Forschung.

Stichprobe

Es werden weibliche Jugendliche und junge Frauen im Alter von 10 - 20 Jahren an dem Experiment
teilnehmen. Die Wahl dieser Altersgruppe ist mit sehr frühen Auftreten der Erkrankung (zwischen
dem Beginn der Pubertät und frühem Erwachsenenalter) zu erklären. Dabei werden 2 Gruppen ge-
formt, wo die Teilnehmerinnen randomisiert (randomized controlled trial) zugeteilt werden. Die
Versuchspersonen werden entweder einer Intervention (fünf Sitzungen von V-R Body Exposure
Therapie) unterzogen (AN-INT; Experimentalgruppe) oder Treatment-as-usual bekommen (AN-
TAU; Kontrollgruppe). Die VR-Intervention wird als ein zusätzlicher Teil von kognitiver Verhal-
tenstherapie eingesetzt, das heißt, dass beide Gruppen (EG und KG) werden primär mit der kogniti-
ven Verhaltenstherapie behandelt. Insgesamt soll es mindestens 30 Mädchen und Frauen aufge-
nommen werden, wobei die Hälfte der Probanden die EG und andere Hälfte KG bildet. Hierbei
kann aber die exakte Anzahl in der Gruppe jeweils von der Hälfte abweichen. Die Patientenrekrutie-
rung erfolgt im Rahmen einer tagesklinischen und ambulanten Behandlung an der Klinik für Ju-
gendliche und Erwachsene bei Essstörungen, bei dem alle im Rekrutierungszeitraum (ungefähr 6
Monate) als AN erkrankten Patienten auf Ein- und Ausschlusskriterien gescreent werden. Die
Haupteinschlusskriterien sind ein Vorhandensein der Diagnose Anorexia Nervosa vom

Typ restriktiv (AN-R) oder Purge-Binge (AN-PB) gemäß DSM-5 und BMI ≤ 17,5. Zu den Aus-
schlusskriterien gehören schwere psychische Störungen mit psychotischen oder manischen Sym-
ptomen (z. B. psychotische Störungen, bipolare Störungen,..), eine Vorgeschichte von neurologi-
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schen Erkrankungen oder aktuelle schwere medizinische Erkrankung, die Gehirnstrukturen beein-
trächtigen kann, Einnahme von Medikamenten mit sedierender Wirkung (sie können die Wahrneh-
mung beeinflussen), sensorische Komplikationen (z.B. visuelle, taktile oder auditive Defizite), da
die eine Körperkonfrontation verhindern können, Konsum illegaler Substanzen, geistige Behinde-
rung (IQ < 85) und mangelnde Deutschkenntnisse.

Ablauf

Das Experiment setzt sich aus 4 Teilen zusammen: Pre-Messung, Body Exposure - Intervention,
Post-Messung und eine 12 Monate Follow-up - Messung; wobei das Body Exposure - Teil besteht
aus 5 Sitzungen, die wöchentlich stattfinden sollen. Die Experimentalgruppe läuft alle Untersu-
chungseile durch, wobei die Kontrollgruppe nur Pre- und Postmessung, sowie Follow-up durch-
läuft. Alle Messungen werden von einer klinischen Psychologin/ Psychotherapeutin und einer wis-
senschaftlichen Mitarbeiterin durchgeführt (die Wahl von weiblichen Mitarbeitern ist durch Ver-
meidung von Unwohlsein zu erklären). Für jeden Proband ist eine Einzelsitzung geplant, Gruppen-
sitzungen sind ausgeschlossen.

Instrumente zur Erfolgsmessung

Erfassung der AN-Symptomatik:

- BMI wird als Indikator verwendet, um Gewichtsveränderungen in den Vor-, Nach- und Follow-
up - Messungen zu beurteilen.
- Eating Disorder Inventory-2 (EDI-2; Garner 1991; deutsche Fassung: Paul und Thiel 2005) ist
ein Selbstberichtsinstrument zur Erfassung pathologischen Essverhaltens und anderen relevanten
Variablen bei Anorexia und Bulimia nervosa sowie anderen psychogenen Essstörungen. EDI-3,
die in der Originalstudie benutzt wurde, wird im deutschen Sprachraum durch EDI-2 ersetzt, da
es für EDI-2 eine deutschsprachige Version gibt. In der vorgeschlagener Studie werden wir nur
zwei Subskalen Body Dissatisfaction (Unzufriedenheit mit dem Körper) und Drive For Thinness
(Schlankheitsstreben) benutzen. Die Antworten werden auf einer 6-stufigen Bewertungsskala von
nie (1) bis immer (6) gegeben.

Erfassung von körperbezogenen Ängstlichkeit und Körperbildstörung:

- Physical Appearance State and Traits Anxiety Scale - PASTAS (Reed et al., 1991) ist ein reliables
und valides Messinstrument zur Erfassung von Trait- und State-Body-Image-Ängstlichkeit. Der
Fragebogen erfasst, wie ängstlich, angespannt oder nervös sich Personen im Allgemeinen in Be-
zug auf ihren Körper oder bestimmte Körperteile fühlen. Die Selbsteinschätzungsskalen dienen
zur Messung einer Ängstlichkeit bezüglich gewichtsbezogene, als auch nicht gewichtsbezogene
Körperteile (16 Körperbereichen). In der vorgeschlagener Studie wird aber nur die Gewichtsska-
la (8 Items zu gewichtsbezogenen Körperteilen) verwendet. Da das Verfahren ursprünglich auf
Englisch konstruiert ist und es keine deutsche Version gibt, sollte es ins Deutsche übersetzt und
angepasst werden.

- Silhouette Test for Adolescents (TSA; Cruz and Maganto, 2003) wird in der vorliegender Studie
auf The Body Image Assessment Scale-Body Dimensions (BIAS-BD; Gardner, 2009) ersetzt, da
dieses Verfahren auf Englisch erhältlich ist und kann deswegen leichter auf Deutsch übersetzt
werden. Das Verfahren gilt zur Beurteilung von Körperbildstörungen. Es wird eine Reihe von
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weiblichen Silhouetten mit zunehmender Körpergröße dargestellt und eine Versuchsperson soll
solche Silhouette wählen, die ihr Körper ähnelt, sowie eine Silhouette, die sie sehr gerne hätte
(Idealfigur). Außerdem wird von einer wissenschaftlichen Arbeitskraft solche Silhouette gewählt,
die in der Wirklichkeit gemäß BMI von Versuchsperson ihre Körpergröße ähnelt. Die Skala er-
möglicht es den Forschern, die Körperunzufriedenheit (Diskrepanz zwischen wahrgenommener
und idealer Körpergröße) und Körperverzerrung (Diskrepanz zwischen wahrgenommener und
tatsächlicher Körpergröße) einer Teilnehmerin einzuschätzen.

Erfassung des körperbezogenen Aufmerksamkeitsbias

- Das körperbezogene Aufmerksamkeitsbias wird gemessen, indem die visuelle Fixierung der Ver-
suchsperson auf ihr eigenen Körper bestimmt wird. Es werden dabei die Gesamtfixationszeit
(ausgewertet in Millisekunden) und die Gesamtzahl der Fixierungen auf gewichtsbezogene und
nicht gewichtsbezogene Körperteile gemessen. Als gewichtsbezogene Körperteile / Areas of Inte-
rest (AOIs) werden Oberschenkel, Gesäß, Hüfte, Bauch, Beine und Taille definiert. Solche Kör-
perteile wie zum Beispiel Kopf, Schultern, Arme, Dekolleté, Hals und Brust werden als nicht
gewichtsbezogene AOIs gekennzeichnet.

Erfassung von visuellen Analogskalen / Visual Analog Scales (VAS)

- Die Full-body Illusion (FBI), (wenn die Versuchspersonen den virtuellen Körper als ihren eige-
nen empfinden). Die FBI soll zu Beginn jeder Sitzung mit einer visuellen Analogskala (VAS) von
der Versuchspersonen bewertet werden und die Intensität der Illusion soll auf einer Skala von 0
bis 100 abgeschätzt werden.
- Angst vor Gewichtszunahme / Fear of gaining weight (FGW) und körperbezogene Ängstlichkeit
werden zu Beginn und am Ende jeder Expositionstherapiesitzung auf einer VAS von 0 bis 100
von Versuchspersonen bewertet.
- Ängstlichkeit bezüglich bestimmten Körperteile (denen der Patient ausgesetzt war) sollten wäh-
rend jeder Sitzung jede 60 Sekunden von Versuchspersonen bewertet werden.

Apparatus

Die Patientinnen werden über ein VR head-mounted display (HMD HTC VIVE, HTC Corporation,
New Taipei City, Taiwan) einem immersiven virtuellen Szenario ausgesetzt. Zusätzlich werden zwei
Controller und drei Bodytracker für die Full-body Illusion verwendet, um die Ganzkörperbewegung
zu verfolgen. Um Augenbewegungen zu erkennen und zu registrieren wird ein Headset mit inte-
grierter Eyetracking-Technologie (HMD FOVE-Eye Tracking) verwendet.
Virtuelle Avatare werden mit der Software Blender 2.78 erstellt. Ein Avatar hat weibliches
Aussehen und trägt ein weißes T-Shirt, blaue Jeans und schwarze Turnschuhen. Um Frisureffekte zu
vermeiden, soll ein Avatar eine Badekappe tragen. Die virtuelle Umgebung ist ein Raum mit einem
großen Spiegel an der Vorderwand und ohne jegliche Wohnungseinrichtung.

Durchführung

Vor der Teilnahme sollen Alle Jugendlichen und ihre Eltern bzw. junge Frauen über die Art der Stu-
die von ihren behandelnden Ärzten/ Ärztinnen informiert werden und ihre Einwilligungserklärung
zur Interventionsdurchführung abgeben.
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Prämessung (EG und KG):

Alle Teilnehmerinnen durchliefen die gleiche Prozedur. Zunächst soll der virtuelle Avatar generiert
werden, indem ein Frontal- und Seitenfoto einer Patientinnen aufgenommen wird und ein Avatar
erstellt wird, dessen Silhouette zu den Bildern passte, also die verschiedenen Körperteile (Schultern,
Arme, Brust, Taille, Bauch, Hüfte, Oberschenkel,Beine) sollten an die Fotos von Person angepasst
werden. Danach folgt die Anleitung zur Bearbeitung von Fragebogen, die ausgefüllte Fragebogen
sollten abgegeben werden und alle Fragen von Versuchspersonen geantwortet werden.
Als Nächstes wird die Full-body Illusion induziert, dies geschieht unter der Verwendung von
zwei Verfahren, der visuell-motorischen und visuell-taktilen Stimulation. Die visuomotorische Sti-
mulation besteht darin, die Bewegung der Teilnehmer und des Avatars mithilfe von Bewegungser-
fassungssensoren zu synchronisieren, die an Händen, Füßen und Hüfte angebracht werden. Die Pa-
tienten werden dann in die VR-Umgebung eintauchen und sich aus der Ich- Perspektive, sowie sich
selbst im Spiegel (Dritte-Person-Perspektive) betrachten. Die Prozedur dauert ungefähr 1,5 - 2 Mi-
nuten. Die visuell-taktile Stimulation hat das Ziel, die visuelle und taktile Stimulation der Teilneh-
mer zu synchronisieren. Wenn die Teilnehmer mit einem der HTC-VIVE-Controller an verschiede-
nen Körperstellen (obere und untere Gliedmaßen und Bauch) berührt werden, können sie (in der
ersten und dritten Person) auch beobachten, wie ihre Avatare gleichzeitig an denselben Stellen mit
einem virtuellem Controller berührt werden. Dies dauert auch ca. 1,5 - 2 Minuten und soll bei einer
wissenschaftlichen Arbeitskraft durchgeführt werden. Die anschauliche Durchführung von diesen
beiden Prozeduren ist unter https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2020.00956/
full#supplementary-material zu finden (Porras-Garcia et al., 2020).
Anschließend wird die Intensität der Full-body Illusion, körperbezogene Ängstlichkeit und
Angst vor Gewichtszunahme mit Hilfe von visuellen Analogskala bewertet. Um die körperbezogene
Aufmerksamkeitsbias zu bewerten, werden Kalibrierungs- und Aufzeichnungsverfahren mit VR
HMD FOVE Eye Tracking eingesetzt. Die Versuchsperson wird gebeten, ihren virtuellen Körper 30
Sekunden lang im Spiegel zu beobachten und hierbei wird der Blick einer Patientin mit dem Eye-
tracker verfolgt. Als Coverstory würde man der Person sagen, dass sie sich ruhig bleiben und abrup-
te Kopfbewegungen vermeiden solle, während die Position des virtuellen Avatars neu kalibriert.

VR Body Exposure Sessions (nur Experimentalgruppe):

Da das Ziel ist, dem Avatar in einem «gesunden» BMI-Bereich zu bringen (was dann hoffentlich
das BMI von Betroffenen positiv beeinflussen kann), soll der BMI von Avatar jeweils für jede Ver-
suchsperson individuell ausgerechnet werden. Die Berechnungen erfolgen sich auf der Basis von
Alter, Größe und Body-Mass-Index vor der Krankheit einer Patientin. Die erste Intervention - Ses-
sion wird mit dem Avatar des gleichen BMI wie eine VP durchgeführt und danach wird es sich kon-
tinuierlich und gleichmäßig wachsen, so dass bei dem letzten Session der Avatar den «gesunden»
BMI besitzen wird.

Body Exposure Sessions sollten einmal in der Woche stattfinden und ca. 60 Minuten dauern.
Jede Sitzung beginnt mit der Bewertung der FBI - Intensität, körperbezogene Ängstlichkeit und
Angst vor Gewichtszunahme (VAS - Skala). Während der Körperexposition wird der Patient gebe-
ten, sich auf verschiedene Teile des virtuellen Körpers zu konzentrieren und jedes Körperteil wird
dabei beleuchtet. Die Reihenfolge von Körperteilen wird von den erzielten Punktzahlen in
PASTAS-Fragebogen bestimmt und man geht dann von wenigstens bis am meistem erzeugten
Ängstlichkeit Körperteilen. Das Ausmaß der erlebten Angst wird jede 60 Sekunden mit einem VAS
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bewertet. Als das Angstniveau im Vergleich zur Anfangsmessung um 40 % oder mehr sinkt, wird
die Behandlung fortgesetzt und eine Patientin kann auf den nächsten Körperteil einen Blick werfen.
Wenn die Versuchsperson dabei eine enorm große Ängstlichkeit empfindet, kann die Intervention
pausiert werden und es wird eine Entspannungsübung angeboten; die Prozedur wird danach fortge-
setzt. Als die Körperkonfrontation inklusive alle Körperteile durchgegangen ist, wird eine Teilneh-
merin nach ihr Ängtslichkeitsniveau bezüglich des ganzen Körpers gefragt (VAS Skala). Die Inter-
vention kann beendet werden, wenn die Ängstlichkeit einer Patientin auf 40% (im Vergleich zu dem
Anfang der Sitzung) reduziert wird oder wenn die Zeit für Intervention abgelaufen ist (60 Min.).
Am Ende wird eine Patientin der 5-7 minütigen Entspannungsübung ausgesetzt (VR Naturumge-
bung (Wald /Wasser,..); dies sollte mögliche Anspannung oder Unwohlsein, die VP während der In-
tervention empfinden, reduzieren. In der folgenden Interventionssitzungen wird ein Avatar mit der
höheren BMI präsentiert. Die Patientinnen, die ihr Angstniveau während der letzten Sitzung nicht
um 40 % reduziert hatten, werden jedoch in der folgenden Sitzung erneut demselben Avatar ausge-
setzt.

Postmessung und Follow-up Session (EG und KG)

Die Postmessung ähnelt sich die Prämessung und soll eine Woche später nach der Intervention
durchgeführt werden. Es wird wieder BMI gemessen und die Silhouette des virtuellen Körpers bei
Patientinnen aktualisiert. Außerdem sollten die gleichen Fragebogen zur körperbezogenen Ängst-
lichkeit und Körperbildstörung ausgefüllt werden, visuelle Analogskalen sollten erfasst werden und
ein körperbezogenes Aufmerksamkeitsbias wird mit dem Eyetracker gemessen.
Die Follow-up Sitzung findet in 12 Monaten nach der Postmessung statt und wird mit der
gleichen Prozedur durchgeführt. Diese Zeitintervall ist größer als in der Originalstudie (5-Month
Follow-up), da wir das Beibehalten von Effekten in langfristiger Perspektive überprüfen wollen.

Hypothesen

Die primäre Forschungsfrage der vorgeschlagener Studie ist, ob die Reduktion von körperbezoge-
nen Unzufriedenheit und Ängstlichkeit, sowie Angst vor Gewichtszunahme und der Anstieg von
BMI-Werten bei weiblichen Jugendlichen und Erwachsenen mit AN nach Abschluss einer VR Kör-
perexpositionsintervention im Vergleich zu AN-TAU gezeigt werden können? Wir erwarten dieses
Ergebnis in Anlehnung an den Fallbericht (Porras-Garcia et al., 2020), dass die BMI-Werte von
Probandinnen sich kontinuierlich vergrößern werden, und Unzufriedenheit, sowie Ängstlichkeit be-
züglich des ganzen Körper und einzelnen Körperteilen, als auch Angst vor Gewichtszunahme bis
zum Ende der Intervention sinken werden.
Eine andere Forschungsfrage ist in Bezug zu Aufmerksamkeitsbias (AB): ob die AB im Sin-
ne einer stärkeren Fokussierung auf gewichtbezogene Areas of Interest (Körperteile), die mit Hilfe
von Eyetracker gemessen wurden, durch eine VR-Intervention in fünf Sitzungen bei AN-

Patientinnen im Vergleich zu AN-TAU reduziert werden? Wir erwarten dabei nicht nur eine Redu-
zierung von AB, sondern auch höhere Gesamtfixationszeit und Gesamtzahl der Fixierungen auf
nicht gewichtsbezogene Körperteile im Vergleich zu der AN-TAU Gruppe.
Außerdem wollen wir prüfen, ob die erhaltene Effekte nach der Intervention langfristig be-
stehenbleiben (in der Follow-up Session). Es wird erwartet nicht nur das Aufrechterhalten von Ef-
fekten bei Experimantalgruppe, sondern auch die Verbesserungen, im Sinne von einem signifikan-
ten Anstieg der BMI-Werte neben signifikanten Reduktionen der körperbezogenen Unzufriedenheit
und Ängstlichkeit, und größere Fokussierung auf nicht gewichtsbezogene AOIs.
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Quellenangabe

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