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Argumentiert Paulus
logisch?
Wissenschaftliche Untersuchungen
zum Neuen Testament
188
Mohr Siebeck
Wissenschaftliche Untersuchungen
zum Neuen Testament
Herausgeber / Editor
JörgFrey
188
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Moises Mayordomo
Mohr Siebeck
MOISES MAYORDOMO, geboren 1966; Studium der Ev. Theologie in Gießen, London,
Heidelberg und Bern; 1997 Promotion; 2004 Habilitation; Oberassistent im Fachbereich
Neues Testament der Christkatholischen und Evangelischen Theologischen Fakultät der
Universität Bern.
ISBN 3-16-148793-1
ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-
graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de
abrufbar.
zuschicken: Als Desiderat empfinde ich vor allem die Behandlung paulini-
scher Argumentationen mit den Mitteln moderner Prädikatenlogik und die
präzise logische Aufarbeitung rabbinischer Argumentationsweisen. Die
Sekundärliteratur, über deren Umfang generell immer wieder Klagen
angestimmt werden, hat mich leider auf diesen spezifischen Gebieten im Stich
gelassen. Eine Weiterführung des Themas in diese Richtung hätte jedoch den
ohnehin allzu langwierigen Beschäftigungsprozess über einen ungewissen
Zeitraum hinaus ausgedehnt.
Zur Entstehung und Beendigung dieser Arbeit haben viele maßgeblich
beigetragen, denen ich von Herzen danken möchte: Prof. Ulrich Luz für die
kritische, geduldige und überaus anregende Begleitung, die bereits die
Dissertation und die Assistenzzeit zu einem wahren Vergnügen gemacht
haben; Prof. Thomas Schmeller für sein engagiertes, sachkundiges und
konstruktives Gutachten; Prof. Theodor G. Bucher für sein äußerst hilfreiches
Gutachten zu Fragen der Logik, für viele Emails und längere Sachgespräche,
die mir nicht nur die Grenzen meines logischen Wissens deutlich, sondern
zugleich auch viel Mut gemacht haben, am Ball der Logik zu bleiben (und
Frege zu lesen); PD Dr. Helmut Linneweber-Lammerskitten, dessen Einfüh-
rung in die Logik ich sehr genossen habe und der sich zudem Zeit genommen
hat, einzelne Paulusstellen logisch mit mir zu besprechen; PD Dr. Michael
Groneberg für weiterführende logische Gespräche, die dazu beigetragen
haben, die Anzahl der logischen Fehler in dieser Arbeit zu reduzieren (für die
restlichen bin ich alleine verantworlich…); Prof. Christine Janowski für
systematisch-theologische Anregungen, die mich weiterhin beschäftigen
werden; Prof. Matthias Konradt für viele kleinere und größere exegetische
Klärungen; Prof. E. Axel Knauf für eine Reihe erfrischend ehrlicher Rand-
glossen; Julia Müller-Clemm für unzählige Diskussionen, Korrekturen und
für den graphischen Hilfsdienst; Alison Sauer für spontane Hilfe in der Not;
Christina Drobe, David Fellenberg und Thomas Dummermuth für ihre
gründlichen Korrekturarbeiten; Prof. Jörg Frey für die unkomplizierte
Aufnahme in die WUNT-Reihe ebenso wie für eine inhaltliche Stellungnah-
me, die mir entscheidend geholfen hat, die anfängliche Publikationsscheu zu
überwinden; Dr. Henning Ziebritzki und Frau Tanja Mix für die professionel-
le Betreuung im Verlag; schließlich danke ich der Gruppe von Studierenden,
die sich im Wintersemester 2003/04 mit dieser exotischen Thematik beschäf-
tigt und mir mit ihren Fragen viel zu denken gegeben haben.
Kaum in Worte zu fassen, ist der Dank an diejenigen, mit denen ich das
Glück habe, das Leben zu teilen: Helga, Esteban und Milena Sara.
Abkürzungen ................................................................................................................................. XI
Formale Zeichen und Formalisierungen.....................................................................................XII
I. Hinführung
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas................................................................................. 1
1. »Fremd und widerspruchsvoll«: Paulinische obscuritas................................................... 1
2. »Einfach und klar«: Paulinische claritas............................................................................ 5
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese................................ 8
1. Theologie und Logik – Szenen einer (geschiedenen) Ehe ............................................... 8
2. Grundlegende Prinzipien der Logik ................................................................................. 15
3. Konsequenzen für die Exegese ........................................................................................ 20
4. Exkurs: Zum Status der Frage, ob Paulus logisch geschult war .................................... 23
IV. Schlussbetrachtung
A. Argumentiert Paulus logisch? .............................................................................................. 229
B. Exegetisch-methodischer Ertrag .......................................................................................... 232
C. Weiterführender Ausblick .................................................................................................... 235
1. Paulus und rabbinische Logik ........................................................................................ 235
2. Logik und paulinische Rhetorik ..................................................................................... 238
3. Logik und paulinische Theologie................................................................................... 239
Literaturverzeichnis
A. Quellen................................................................................................................................... 243
B. Nachschlagewerke und NT-Kommentare ........................................................................... 249
C. Philosophisch-logische und rhetorische Literatur............................................................... 251
D. Exegetisch-theologische Literatur........................................................................................ 258
Register
A. Quellen................................................................................................................................... 275
B. Autoren und Autorinnen ....................................................................................................... 294
C. Griechische Begriffe ............................................................................................................. 300
D. Sachen und Namen ............................................................................................................... 300
Abkürzungen
»Theologus non logicus est monstrosus haereticus. Est monstrosa et haeretica oratio. Contra
dictum commune. […] Breviter, Totus Aristoteles ad theologiam est tenebrae ad lucem.«
»›Zu sagen, ein Theologe, der kein Logiker ist, sei ein ungeheuerlicher Ketzer, ist eine
ungeheuerliche und ketzerische Rede. (Gegen die allgemeine Meinung.) […] Kurz, der ganze
Aristoteles verhält sich zur Theologie wie die Finsternis zum Licht.«
Martin Luther (1483–1546), Disputatio contra scholasticam theologiam, Thesen 45 und 50
(WA 1:226; dt. Aland, 1:358).
Mephistopheles: »Mein theurer Freund ich rath euch drum, / Zuerst Collegium Logikum. / Da
wird der Geist euch wohl dressirt, / In Spansche Stiefeln eingeschnürt, / Dass er bedächtger
so fort an / Hinschleiche die Gedanken Bahn. / Und nicht etwa die Kreuz und Queer /
Irrlichtelire den Weeg daher.«
Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), Faust, Schülerszene (hrsg. R. Petsch).
»›For a complete logical argument,‹ Arthur began with admirable solemnity, ›we need two
prim Misses.‹ ›Of course!‹ she interrupted. ›I remember that word now. And they produce?‹
›A Delusion,‹ said Arthur. ›Ye-es?‹ she said dubiously. ›I don’t seem to remember that so
well. But what is the whole argument called?‹ ›A Sillygism‹.«
Lewis Carroll (1832–1898), Sylvie and Bruno (Chapter 18), in: The Complete Stories and
Poems of Lewis Carroll (New York: Gramercy, 2002) 138.
I. Hinführung
Die Frage nach der Logik paulinischer Argumentation steht im Kontext einer
langen Geschichte gescheiterter Verstehensversuche im Umgang mit den
Schriften des Apostels1. Legt man die auslegungsgeschichtliche Wahrneh-
mung paulinischer Sprache als Maßstab an, dann überwiegt das Schwere
gegenüber dem Leichten, die obscuritas gegenüber der claritas. Dass dies
nicht ausschließlich jenem oft zitierten »historischen Graben«, der die
Denkgewohnheiten des Paulus von den unseren unüberwindlich zu trennen
pflegt, zugeschrieben werden darf, soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht
werden. Ebenso soll vorab die Rolle der Logik bei der Behandlung der
anstehenden hermeneutischen Problematik beleuchtet werden.
Dieses Zeugnis belegt die Schwierigkeiten, die Paulus einem in der Logik
geschulten griechischen Philosophen bereitete, ja notwendig bereiten musste5.
(AKPAW.PH Jg. 1916; Berlin) 3–15 hat darin Zeugnisse aus dem Werk »Gegen die
Christen« des Neuplatonikers Porphyrius (233/34–ca. 305) vermutet und damit die Forschung
nachhaltig beeinflusst. Die Diskussion um die Identität des Hellenen ist kürzlich durch den
Vorschlag von E. DEPALMA DIGESER (Hierokles Porphyry, Julian, or Hierokles? The
Anonymous Hellene in Makarios Magnês’ Apokritikos, JThS 53 [2002] 466–502), dass es
sich dabei um den Neuplatoniker Hierokles von Alexandria († ca. Mitte des 5. Jhs.) handelt,
neu entfacht worden. In seiner demnächst erscheinenden Replik »Porphyry, Julian, or
Hierokles? The Anonymous Hellene in Makarios Magnes’ Apokritikos. A Response to
Elizabeth DePalma Digeser« argumentiert U. VOLP vorsichtig für eine angesichts der
dürftigen Quellenlage komplexere Hypothese: Hinter dem »Hellenen« verberge sich
vielleicht mehr als ein Autor, wobei eine geistige Nähe zu Porphyrius zweifellos bestehe. (Ich
danke Herrn Kollegen Volp für diese Einblicke in seine laufenden Makarios-Projekte.)
4 MakarMag, Apokrit. III, 33 (Harnack, Kritik, 64f; vgl. auch Porphyrius »Gegen die
Christen«, 59, Nr. 30). Ähnliche Probleme mit der paulinischen Gesetzesauffassung bekundet
Julian, C. Gal. 319E (ed. Wright, 410f).
5 Dieses Urteil hat umso mehr Gewicht, wenn es sich beim Autor um Porphyrius handeln
sollte, ist er doch als Verfasser eines der einflussreichsten Lehrbücher (der sog. »Isagoge«) in
die Logikgeschichte eingegangen (s.u. S. 72). Zu dieser Frage darf ich aus einem Mail vom
8.5.2005 von Ulrich VOLP zitieren: »Der Apokritikos ›enthält‹ zweifellos Porphyrios, aber
sicher nicht als rekonstruierbares wörtliches Zitat. Im besten Fall als Epitomezitat und/oder
einer Reihe von Einzelzitaten; meiner Ansicht nach eher deshalb, weil die – unbekannten und
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas 3
Dass sich hier auch antichristliches Ressentiment zu Wort meldet, machen die
scharfen antipaulinischen Invektiven eines Julian »Apostata« deutlich:
Paulus überbiete, so Julian, »alle Magier und Schwätzer aller Orten und Zeiten« 6. »Denn je
nach Umständen ändert er seine Meinung über Gott (halláttei tà perì qeoü dógmata), wie
ein Polyp seine Farbe ändert, um sich den Felsen anzupassen. Zunächst beharrt er darauf,
dass die Juden alleine Gottes Erbanteil sind, dann wiederum, in einem Versuch, die Griechen
auf seine Seite zu bewegen, sagt er: ›Ist er alleine Gott der Juden? Nicht auch der Nationen?
Ja, auch der Nationen.‹ [Röm 3,29]« 7
Neben der Wertschätzung, die dem »geliebten Bruder« als Lehrer der Kirche,
dessen Briefe bereits in Umlauf sind, zweifelsohne entgegengebracht wird,
erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der Verständnisschwierigkeiten
eingestanden werden und vor Missbrauch gewarnt wird9. Bemerkenswerter-
weise wird so bereits innerhalb des neutestamentlichen Kanons das Verstehen
der Paulusbriefe problematisiert.
Ähnliche Überlegungen stellt Origenes an den Anfang seines Römerbrief-
kommentars (in der rufinischen Übersetzung):
»Der Brief an die Römer gilt als schwerer verständlich (difficilior putatur ad intelligendum)
als die anderen Briefe des Apostels Paulus, meines Erachtens aus zwei Gründen: Erstens ist
m.E.s auch nicht erschließbaren – Autoren Porphyrios gelesen hatten, seine Argumentation
und Ansicht kannten und sich ihr anschlossen.«
6 C. Gal. 100A (ed. Wright, 340f): tòn pántaß pantacoü toùß p´wpote gójtaß kaì
hapate¨wnaß Huperballómenon Paülon. (eig. Übers.)
7 C. Gal. 106B (ed. Wright, 342f; eig. Übers.).
8 Vgl. P.J. A CHTEMEIER, ›Some Things in Them Hard to Understand‹: Reflections on an
Approach to Paul, Int 38 (1984) 254–267; E. DASSMANN, Der Stachel im Fleisch: Paulus in
der frühchristlichen Literatur bis Irenäus (Münster, 1979) 118–123; A. LINDEMANN, Paulus
im ältesten Christentum (BHTh 58; Tübingen, 1979) 91–97.261–263.
9 Ein ähnliches hermeneutisches Problem belegt DiogL. IX 13. Im Hinblick auf Heraklits
Hauptwerk »Über die Natur« soll der persische König Dareios in einem Brief beim Autor
persönlich seine Schwierigkeiten folgendermaßen bekundet haben: »Du hast ein Buch über
die Natur publiziert, das schwer zu verstehen und zu interpretieren ist (dusnójtón te kaì
dusex´jgjton). Nimmt man an manchen Stellen deine Worte wörtlich (katà léxin), dann
scheint sein Inhalt aus einer Theorie des gesamten Kosmos und seiner Erscheinungen zu
bestehen, die in der göttlichen Bewegung gründen. Meist aber bleibt man ratlos, so daß auch
die besten Literaturkenner hinsichtlich der genauen Exegese deiner Schrift in Verlegenheit
sind.« (übers. Jürß, 412; vgl. auch Heraklit, Epistulae 1,1)
4 I. Hinführung
die Redeweise des Paulus manchmal unklar, beziehungsweise es wird nicht alles ausgespro-
chen (elocutionibus interdum confusis et minus explicitus utitur). Zweitens wirft der Römer-
brief viele Probleme auf; darunter sind besonders solche, die den Häretikern Anlaß geben,
sich immer wieder auf den Römerbrief zu berufen […].« 10
Für Origenes ist die biblische Sprache generell von obscuritas geprägt. Das
gilt jedoch in besonderem Maße für den Apostel Paulus, dem er – bei aller
theologischen Wertschätzung – einen Mangel an Folgerichtigkeit (hakolou-
qía) und Ordnung (súntaxiß) bescheinigt11.
In der fiktiven Korrespondenz zwischen Seneca und Paulus aus dem 4. Jh. konstatiert
»Seneca«, dass »Paulus« vieles »mit dunklem Sinn« ausdrücke (Brief 13). Er wünscht sich
ferner, sein christlicher Freund würde mehr »auf den reinen lateinischen Stil […] achten und
für die erhabenen Gedanken auch die richtige Form […] finden« (Brief 13). Es entbehrt nicht
einer gewissen Komik, wenn »Seneca« aus Sorge um den paulinischen Stil diesem ein Buch
Über die Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten schickt (Brief 9)12.
In der Wahrnehmung des »schwierigen« Paulus stimmen bereits früh
christliche Theologen wie christentumskritische Philosophen überein. Solche
Urteile sind von modernen Altphilologen bestätigt worden13. Doch so reizvoll
es wäre, die Wirkungsgeschichte des Paulus aus der Perspektive seiner
»Unverständlichkeit« zu beleuchten, möchte ich mich darauf beschränken,
diesen Zeugnissen ein Zitat von Hans Lietzmann zur Seite zu stellen, das trotz
seines Alters (1937) nichts von seiner Aktualität für die moderne Paulusfor-
schung eingebüßt hat14:
»Paulus ist ein eigenartiger und einsame Bahnen ziehender Denker, und er ist ein eigener und
eigenwilliger Stilist – er redet bei aller Gelehrsamkeit auch nicht ›wie die Schriftgelehrten‹,
sondern mit der seltsamen Gewalt eines Propheten […]. Die Menschen werden von ihm
ergriffen, ohne ihn auch von sich aus ergreifen zu können. Voll verstanden hat den Paulus
keiner von seinen Hörern und Lesern – bis auf den heutigen Tag. Wir spüren es an seinen
Briefen, wie alles in ihm arbeitet, wenn er diktiert. Er erörtert ruhig, kühl und verstandesmä-
ßig, dann will er eine komplizierte Deduktion vortragen: er setzt an, verfängt sich im
Satzgefüge, verfolgt einen Nebengedanken, bringt ein schiefes Bild, bleibt schließlich
stecken. Nun hebt er nochmal an, aber wieder überstürzen die Gedanken in ihrer Fülle die
mühsam nachhinkenden Worte und verschlingen sich erneut zu einem seltsamen Satzgebilde
– der Leser ahnt, was er sagen will, aber es kommt nicht zu Papier. Dann endlich – aber
keineswegs immer – bildet sich die Form dem Inhalt gemäß. Und derselbe Mann kann mit
hinreißendem Zauber der Gestaltung sein Gefühl ausströmen lassen in die Herzen der Leser
[…] als ein Sprachmeister von Gottes Gnaden, dem alle Register des menschlichen Organon
gehorchen, ein einziger genialer Wildling in der sauber gezüchteten Baumschule des
griechischen Literatentums der Zeit.«
So äußert sich einer der größten Anwälte des Paulus in der Alten Kirche,
Johannes Chrysostomus. Er richtet sich damit gegen die häretischen Zugriffe
auf seinen großen Helden durch Markion und die Manichäer16. Ganz ähnlich
urteilt Photios (820–891/897), Patriarch von Konstantinopel, der als »der
gelehrteste Mann seiner Zeit«17 gilt:
15 Joh. Chrysostomus, Hom. in 2 Cor. 21,4 [zu 2Kor 10,1f] (übers. A. Hartl, BKV I/6, 344
= PG 61, 545).
16 In Laud. 5 (ed. A. Piédagnel) nimmt Johannes jedoch die widersprüchlichen Handlun-
gen und Reden des Paulus zum Anlass einer Lobrede. Vgl. dazu M.M. MITCHELL, ›A
Variable and Many-sorted Man‹: John Chrysostom’s Treatment of Pauline Inconsistency,
JECS 6 (1998) 93–111; The Heavenly Trumpet: John Chrysostom and the Art of Pauline
Interpretation (HUTh 40; Tübingen, 2000) 330–353.
17 K. ZIEGLER, Art. Photios, KP 4 (1975) 813.
6 I. Hinführung
»Was sodann die tropische Verwendung der Wörter betrifft und das, was davon (bereits) zur
Härte hinneigt, weiß er [= Paulus] (beides) wohl zu scheiden und gönnt (dem zweiten) keinen
Raum. Und doch ist er es, der durchwegs mit Größe die Deutlichkeit (megéqei tò saféß)
verbindet, wie irgend ein anderer – nein, wie gar kein anderer.«18
23 Ob eine Argumentation vorliegt, ist nicht nur aufgrund von formal-sprachlichen Krite-
rien zu beantworten, sondern muss sich auch anhand der persuasiven Intention einer
Kommunikationshandlung nachweisen lassen (SIEGERT, Argumentation, 19).
24 Zur Unterscheidung von »Überzeugung« und »Überredung« schlägt SIEGERT, Argu-
mentation, 22 idealtypisch vor: Ȇberzeugung verlangt die volle, kritische Mitarbeit des
Partners, Überredung sucht diese Mitarbeit auf das für die eigene Seite günstige Maß zu
reduzieren.«
25 Der lateinische Begriff der argumentatio steht in der antiken rhetorischen Tradition in
einem engen Zusammenhang mit dem Beweisteil (probatio) einer Rede. Vgl. H. LAUSBERG,
Handbuch der literarischen Rhetorik (Stuttgart, 31990) 190–236; J. MARTIN, Antike Rhetorik
(HAW II.3; München, 1974) 95–137.
26 C. P ERELMAN , The New Rhetoric and the Humanities (Dordrecht, 1979) 24.
27 W. K LEIN , Argumentation und Argumente, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und
Linguistik 38/39 (1980) 19. Dieser Definition folgen SIEGERT, Argumentation, 16–22 und K.
BERGER, Formen und Gattungen im Neuen Testament (UTB 2532; Tübingen, 2005) 153. Die
Definition hat m.E. darin etwas Zirkuläres, dass Mittel und Ziel im »kollektiv Geltenden«
zusammenfallen.
28 K. BAYER, Argument und Argumentation (Opladen, 1999) 229f; ähnlich D. FØLLESDAL
u.a., Rationale Argumentation (GKom; Berlin, 1988) 244.
29 »Logik« spielt auch eine Rolle, wenn es darum geht, Glossen in den Paulusbriefen
»nachzuweisen« (s.u. S. 190, Anm. 474) oder Briefteilungshypothesen zu erhärten.
8 I. Hinführung
Für den einflussreichen Kirchentheologen Augustin ist Logik zur Klärung von
theologischen wie exegetischen Schwierigkeiten von unschätzbarem Wert,
denn sie entspricht der natürlichen und göttlich eingerichteten »Vernunft der
Dinge«31. Ein solch ungebrochenes Verhältnis zur Logik ist heute kaum
vorstellbar. Bevor über den Beitrag der Logik zur Deutung paulinischer
Argumentation nachgedacht werden kann, ist daher ein knapper historischer
Blick auf das Verhältnis von Theologie und Logik nötig.
30 Augustin, DoctrChr II,32(50),121 (dt. Pollmann, 88f; lat. ed. Green, 112).
31 Vgl.zur Auslegung dieser Stelle T.G. BUCHER, Zur formalen Logik bei Augustinus,
FZPhTh 29 (1982) 3–45.
32 Die Rolle der Logik in der vormittelalterlichen Theologiegeschichte ist wenig unter-
sucht worden. Vgl. zu Tertullian R.H. AYERS, Language, Logic, and Reason in the Church
Fathers (AWTS 6; Hildesheim, 1979) 7–60; zu Origenes R.E. HEINE, Stoic Logic as
Handmaid to Exegesis and Theology in Origen’s Commentary on the Gospel of John, JThS
44 (1993) 90-117 (dort weitere Literatur); zu Clemens Alexandrinus E. OSBORN, Logique et
exégèse chez Clément d’Alexandrie, in: Lectures anciennes de la Bible (CBiPa 1; Strasbourg,
1987) 169-190; zu Augustin BUCHER, Logik bei Augustinus.
33 Das gilt für Boethius (480–524), Thomas von Aquin (1224–1274), die beiden Franzis-
kaner Duns Scotus (1265–1308) und Ockham (1285–1349) und in besonderem Maße für
Abaelard (1079–1142). Vgl. dazu knapp M. MÜHLING-SCHLAPKOHL, Art. Logik, RGG4
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 9
Beziehung zwischen Theologie und Logik war, solange sie währte, dennoch
nie wirklich frei von Spannungen, v.a. wenn es darum ging das »Mischungs-
verhältnis« beider zueinander genau zu bestimmen34. Die Genese der
Trennung zwischen beiden ist komplex und kann hier nur angedeutet werden:
Trotz der Auseinandersetzung mit »der« scholastischen Theologie haben
manche Stränge humanistisch-reformatorischer Theologie sich einen Bezug
zur Logik bewahrt. Hier ist v.a. Melanchthon (1497–1560) hervorzuheben,
der einige einflussreiche logische Schriften in der Tradition des Aristoteles
verfasste35. Dem steht jedoch die Haltung Luthers (1483–1546) gegenüber,
der in seiner übereifrigen Polemik gegen die Scholastik auch der Logik wenig
Bedeutung beimaß und damit zum Teil das Kind mit dem Bade ausschüttete36.
Parallel zu diesen theologischen Entwicklungen kam es im Zuge der
humanistischen Bewegung generell zu einer graduellen Abwertung der Logik.
Für viele Humanisten war das scholastische Interesse an logischen Fragen
nicht aus wissenschaftstheoretischen Gründen zu vernachlässigen, sondern
schlicht aufgrund des »barbarischen Stils« und des wenig attraktiven Inhalts37.
Petrus Ramus (1515–1572), Humanist und späterer Anhänger des Calvinis-
mus, hatte daher mit seinem Entwurf einer antiaristotelischen Logik, bei der
sich Logik in Rhetorik auflöst, großen Erfolg38. Die enormen Fortschritte im
Bereich der Physik in der frühen Neuzeit machten schließlich deutlich, dass
Logik kein geeignetes Instrument zur Entdeckung und Wissenserweiterung
ist39. Damit verlor sie für Theologie und Philosophie zunehmend an Interesse.
(2002) 491 und bes. zu Abaelard W. KENALE / M. KNEALE, The Development of Logic
(Oxford, 21984) 202–224.
34 So hatten z.B. viele theologische Einwände und kirchenpolitische Angriffe gegen
Ockham mit der Frage zu tun, welchen Stellenwert die Logik in der Theologie einnehmen
soll. Vgl. F. H OFFMANN, Die Schriften des Oxforder Kanzlers Iohannes Lutterell (EThSt 6;
Leipzig, 1959) 141–186.
35 Compendaria dialectices ratio (1520 »Kurzgefasstes System der Dialektik«), Dialecti-
ces Philippi Melanthonis libri quatuor ab auctore (1528) und Erotemata Dialectices (1547).
Vgl. dazu G. FRANK, Melanchthons Dialektik und die Geschichte der Logik, in: J. Leonhard
(Hrsg.), Melanchthon und das Lehrbuch des 16. Jahrhunderts (Rostock, 1997) 125–147; N.
KUROPKA, Philipp Melanchthon: Wissenschaft und Gesellschaft (SuR N.R. 21; Tübingen,
2002) 2–40.
36 Dass dies nicht alles ist, was zu Luthers Verständnis von Logik zu sagen ist, macht die
differenzierte Darstellung in T. DIETER, Der junge Luther und Aristoteles (TBT 105; Berlin,
2001) 378–430 deutlich.
37 KNEALE / KNEALE, Logic, 300.
38 KNEALE / KNEALE, Logic, 301–305. Bezeichnend ist bereits der Titel von Ramus’
Magisterthese von 1536: »Und was immer Aristoteles sagte, ist erlogen« (Quecumque ab
Aristotele dicat essent, commentita esse). Sein 1555 auf französisch erschienenes Lehrbuch
»La dialectique« übte in der englischen Übersetzung von Roland MacIlmaine (1574) großen
Einfluss auf den englischen und amerikanischen Puritanismus aus.
39 KNEALE / KNEALE, Logic, 307–310 (dort auch zur Abwertung der Logik in Bacon’s
Novum Organum von 1620).
10 I. Hinführung
Eine für Theologie wie Philosophie so wichtige Figur wie Friedrich D.E. Schleiermacher hat
an dieser Lage wenig geändert. Er hat, im Gegenteil, kaum einen positiven Zugang zu Fragen
der Logik gefunden 40. Sein Urteil lautet: »Das syllogistische Verfahren ist für die reale
Urteilsbildung von keinem Wert.« 41 Logik im engeren Sinne trage zur Schlichtung eines
Disputs, worum es in der Dialektik zentral gehe, nichts bei42. Das Wenige jedoch, was er in
seiner Dialektik ausdrücklich zur Einseitigkeit formaler Logik sagt43, reicht aus heutiger
Sicht kaum aus, um sie in einer Form rhetorischer Dialektik aufgehen zu lassen.
1. Seit der 1773 veröffentlichten Logica Paulina von Carl Ludwig Bauer
ist mir keine Untersuchung bekannt, die systematisch Fragen der Logik auf
Paulus anzuwenden versucht54. Aus heutiger Sicht wirkt Bauers Arbeit
erratisch, nicht nur weil in der Folgezeit an die dort aufgeworfenen Fragen
nicht mehr angeknüpft wurde, sondern auch weil sich darin ein Verständnis
von Logik widerspiegelt, das durch seine Reduktion auf rhetorische Tropen
weder den Ansprüchen moderner Logik genügt55, noch den Leistungen
antiker Logik Rechnung trägt.
H. LEISEGANGS Analyse der »Denkform des Apostels Paulus«56 spricht zwar von paulini-
scher »Logik«, tut dies aber in einer so eigenwilligen Art und Weise57, dass für die
Fragestellung dieser Arbeit kaum etwas gewonnen werden kann. Paulus erscheint hier als
Vertreter eines »Denkens in Kreisen« neben Heraklit und Goethe. Da für Paulus der »Satz
vom Widerspruch« nicht gelte (116), sei er »mit den Denkmitteln der traditionellen Logik«
kaum zu verstehen (125), ja die Logik der Rationalisten müsse an Paulus zerbrechen (126)58.
Beim Versuch, die »Logik« des Paulus aus sich selbst heraus zu entdecken (128f), begeht
LEISEGANG m.E. zwei Kategorienfehler: Er unterscheidet weder zwischen axiomatischen und
deduzierten Sätzen 59 noch zwischen natürlicher und formaler Sprache. Die natürliche
Sprache formuliert häufig paradoxe Sätze, die jedoch keine formallogischen Antinomien sind,
sondern sprachlichen Äquivokationen entspringen60.
wissenschaftlich anerkannte Methoden. […] Gerade deshalb fällt es umso mehr auf, wenn
daneben die logische Struktur vernachlässigt wird oder gar unbeachtet bleibt.«
54 Carl Ludwig BAUER, Logica Paulina vel notatio rationis, qua utatur Paullus Apostolus
in verbis adhibendis, interpretando, definiendo, enuntiando, argumentando, et methodo
universa in usum exegeseos et doctrinae sacrae (Halle, 1773).
55 Als »Geburtsstunde« der modernen Logik gilt G. FREGES Begriffsschrift (Halle, 1879).
56 Denkformen (Berlin, 21951) 88–130. Anders als F ENSKE, Argumentation, 37 bewerte
ich den Beitrag Leisegangs eher negativ.
57 »Wenn ein Denker seine Denkform systematisch ausbaut, so geschieht dies mit einer
ihm eigenen Logik, und dieses Denken führt ihn zu einem mit den Mitteln dieser Logik
ausgeführten System eigener Struktur. Wenn es verschiedene Denkformen gibt, so müßte es
daher auch verschiedene ›Logiken‹ geben, die entweder nebeneinander bestehen können,
ohne sich zu stören, oder sich gegenseitig ausschließen.« (44)
58 Als Beispiel führt LEISEGANG 1Kor 15 an: »Wie soll etwa aus der Tatsache, daß ein
Mensch von den Toten auferweckt wurde, logisch folgen, daß nun alle auferweckt oder
verwandelt werden müssen?« (126)
59 Die Verbindung z.B. zwischen der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der an ihn
Glaubenden in 1Kor 15,20 ist nicht deduziert, sondern bildet den Ausgangspunkt für den
gültigen Schluss, dass die Glaubenden auferstehen werden. Der apokalyptische Zusammen-
hang, der in 1Kor 15,20 zum Ausdruck kommt, muss nicht selbst »logisch« sein, um als
Grundlage für logisch gültige Schlüsse dienen zu können.
60 Wenn z.B. in der Alltagssprache der Satz geäußert wird »Diese Männer sind keine
Männer«, dann sehen wir darin wohl kaum ein Indiz für »zyklisches Denken« und stellen den
Sprecher oder die Sprecherin auch nicht in die Gefolgschaft Heraklits. Viel eher durchschau-
en wir schnell, dass der Begriff »Mann« auf zwei unterschiedliche Weisen gebraucht wird.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 13
jedoch für die spezifische Fragestellung dieser Arbeit deshalb von geringem
Interesse, weil darin keine formallogischen Verfahren zum Einsatz gelan-
gen61. Es wäre an dieser Stelle nicht nur müßig, sondern geradezu beckmesse-
risch, dem nicht-terminologischen Sprachgebrauch durch Exegeten und
Exegetinnen von der Warte der Logik aus einen Riegel vorschieben zu
wollen. Zumindest ist dieser semantische Wucherungsprozess nicht nur im
Bereich der Exegese festzustellen, sondern typisch für viele andere Diszipli-
nen62. Die vorliegende Arbeit wird auf den alltagssprachlichen Gebrauch der
Termini »Logik« und »logisch« verzichten, denn die begriffliche Unschärfe
hat unweigerlich zur Folge, dass häufig Urteile, die logische Aspekte einer
Argumentation tangieren, eher der Intuition als einer kontrollierbaren
Methodik entsprechen.
3. Die aktuelle Rhetorik-Renaissance hat einige Arbeiten hervorgebracht,
die Fragen der Logik streifen, jedoch ohne sich eingehend damit zu befassen.
Das gilt z.B. für Hotzes Untersuchung zur Paradoxie bei Paulus63 ebenso wie
für den Versuch von Moores, Röm 1–8 mit Hilfe Eco’scher Semiotik auf
vorhandene aristotelische Enthymeme abzusuchen64. Neben einigen unbefrie-
digenden Ausführungen zu »Logik«65, hat sich v.a. die Kategorie des Enthy-
mems als ein fruchtbarer Untersuchungsgegenstand auf der Grenzlinie
zwischen Rhetorik und Logik erwiesen66.
4. Die einzige nennenswerte Ausnahme zu diesem generell zu konstatie-
renden logischen blinden Fleck in der Exegese ist die sog. »Bucher-
Bachmann-Kontroverse« um die logische Analyse von 1Kor 15,12–2067. Die
logische Diskussion, die die Exegese dieser Stelle ausgelöst hat, hat jedoch
keine Ausweitung auf das Gesamt der Paulus-Exegese erfahren68.
Insgesamt begegnen sich in der gegenwärtigen Forschung Theologie und
Logik auf dem Parkett der Disziplinen höchst selten69. Die Unterschiede
hinsichtlich der Pflege einer je eigenen Wissenschaftssprache, der leitenden
65 Etwa T.E. van SPANJE, Inconsistency in Paul? A Critique of the Work of Heikki Räisä-
nen (WUNT 2:110; Tübingen, 1999) 198f, der Argumentation als eine Funktion einzig und
allein der Rhetorik und nicht der Logik betrachtet. Oder FENSKE, Argumentation, 31–38, der
einen künstlichen Gegensatz zwischen »mathematischer« und »situationsorientierter« Logik
aufbaut. Völlig unbestimmt bleibt der Logikbegriff in D. STARNITZKE, Die Struktur
paulinischen Denkens im Römerbrief: Eine linguistisch-logische Untersuchung (BWANT
163; Stuttgart, 2004). Ich habe weder der Einführung (1–21) noch der Interpretation des
Römerbriefes (23–477) entnehmen können, in welcher Form logische Untersuchungsmetho-
den hier zum Einsatz gelangen.
66 Am gelungensten erscheint mir D.E. AUNE, The Use and Abuse of the Enthymeme in
New Testament Scholarship, NTS 49 (2003) 299–320. Vgl. weiterhin zu Paulus M.J.
DEBANNÉ, An enthymematic reading of Philippians: Towards a typology of Pauline
arguments, in: S.E. Porter / D.L. Stamps (eds.), Rhetorical Criticism and the Bible (JSNT.S
195; Sheffield, 2002) 481–503; L.R. DONELSON, Pseudepigraphy and Ethical Argument in
the Pastoral Epistles (HUTh 22; Tübingen, 1986) 69–90; D. HELLHOLM, Enthymemic
Argumentation in Paul: The Case of Romans 6, in: T. Engberg-Pedersen (ed.), Paul in his
Hellenistic Context (Edinburgh, 1994) 119–179; P.A. HOLLOWAY, The Enthymeme as an
Element of Style in Paul, JBL 120 (2001) 329–339; P. LAMPE, Reticentia in der Argumentati-
on: Gal 3,10-12 als Stipatio Enthymematum, in: U. Mell / U.B. Müller (Hrsg.), Das
Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker; BZNW 100; Berlin, 1999)
27–39. Vgl. zur aristotelischen Enthymem-Theorie u. S. 63ff.
67 Vgl. dazu S. 108f.
68 J. RENSHAW, Boolean Logic in the Corinthian Correspondance, in: T.J. Burke / J.K.
Elliott (eds.), Paul and the Corinthians (FS M. Thrall; NT.S 109; Leiden, 2003) 177–193
unternimmt ohne weitere Begründung den m.E. abenteuerlichen Versuch, die mathematische
Boolsche Logik, die v.a. in der Informatik zum Einsatz kommt, auf ein sprachliches Gebilde
wie die paulinische Korintherkorrespondenz anzuwenden.
69 Logik gehört in den meisten theologischen Curricula nicht zum Ausbildungskanon.
Dass sich die römisch-katholische Theologie ebenso wie die anglo-amerikanische, skandina-
vische und niederländische Religionsphilosophie insgesamt etwas logikfreundlicher als die
deutschsprachige evangelische Theologie zeigen (so STOCK, Logik, 181), bleibt angesichts
der Logikkenntnisse früherer Theologengenerationen ein sehr relatives Urteil. Von den
theologischen Standardlexika bieten zur spezifischen Frage »Logik und Theologie« TRE und
LThK4 keinen eigenen Eintrag; knapp informieren RGG4 (MÜHLING-SCHLAPKOHL, Logik,
492f) und EKL3 (STOCK, Logik und Theologie, 181–183).
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 15
Im Verlauf eines Gesprächs sagt jemand: »Wir können ja wohl annehmen, dass keine
Tierschützerin zu den Verteidigern des Stierkampfs zählt. Und, wie wir alle wissen, ist
Christina überzeugte Tierschützerin. Muss ich noch mehr sagen?« Die Anwesenden werden
unweigerlich daraus den Schluss ziehen, dass Christina den Stierkampf nicht verteidigt.
Später fragt jemand: »Wo ist Christina eigentlich jetzt?« Antwort: »Christina sagte, dass sie
entweder daheim oder auf einem Konzert wäre. Sie ist jetzt definitiv nicht daheim.« Daraus
können alle folgern, dass sie sich auf einem Konzert befindet.
Das Folgern aus diesen Sätzen ist für uns ebenso natürlich wie die Summe aus
»1+2« zu ziehen. Unsere Alltagssprache ist so angelegt, dass jeder und jede
aus einer begrenzten Anzahl von Aussagesätzen (sog. Prämissen) eine weitere
Aussage folgern kann. Offenbar liegen der Sprache allgemeine Strukturen
oder Gesetzmäßigkeiten zugrunde, die Schlüssen einer bestimmten Art oder
Form gemeinsam sind. Dadurch sind Menschen in der Lage, vernünftige,
begründete und nachvollziehbare Argumentationen zu formulieren. Ausge-
hend von solchen sprachlichen Beobachtungen, beschäftigen sich die
klassischen logischen Entwürfe von Aristoteles in der Antike oder von
Gottlob Frege in der Moderne genau mit diesen Strukturen der natürlichen
70 Was hier zur Logik gesagt wird, bezieht sich nur auf die »klassische« zweiwertige
Logik und erhebt keinerlei Anspruch auf Originalität. Es gehört vielmehr zu dem seit der
Antike bekannten Basiswissen. Andere Bereiche der modernen Logik – mathematische,
intuitionistische, mehrwertige oder modale Logik – sind ohne Interesse für die vorliegende
Fragestellung. Empfehlenswert zur allgemeinen Einführung in den verzweigten Bereich der
modernen Logik sind T.G. BUCHER, Einführung in die angewandte Logik (SG 2231; Berlin,
2
1998) und P. HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik (RUnB 9692; Stuttgart, 1998). Wichtige
Texte zur modernen Logik finden sich in K. BERKA / L. KREISER, Logik-Texte (Berlin,
3
1983).
16 I. Hinführung
Sprache71. Logik wird daher als »Theorie der Regeln gültigen Schließens«72
oder als »Lehre der gültigen Formen«73 bestimmt.
Was kann Logik praktisch leisten? Indem sie die Gültigkeit von sprachli-
chen Schlussfolgerungen prüft, spielt sie für die Argumentationsanalyse eine
zentrale Rolle74. Sie ist in erster Linie eine ars iudicandi, ein Werkzeug zur
Analyse von Begründungen und Schlussfolgerungen. Die logische Analyse
richtet ihr Augenmerk auf die Angemessenheit des Übergangs von den
Prämissen zur Konklusion. In einem sehr elementaren Sinne ist sie die
Theorie der Partikel »also«, »folglich«, »daher«.
Logik kann sich mit vielem beschäftigen, aber die Anwendung der
klassischen Logik auf sprachliche Argumentationen unterliegt einer klaren
Beschränkung75: Sie untersucht aus der Menge aller sprachlichen Äußerungen
meistens solche, die zwei Bedingungen erfüllen76:
1. Eine Anzahl von Aussagesätzen77 muss so angeordnet sein, dass ihre
Beziehung zueinander als »Schluss« aufgefasst werden kann. Das bedeutet,
dass eine Aussage (»Konklusion«) in der Regel aus zwei davon unterschiedli-
chen Aussagen (»Prämissen«) notwendig folgt78. Ein einfaches Beispiel:
Alle Musiker sind Künstler.
Alle Gitarristen sind Musiker.
Alle Gitarristen sind Künstler.
Nicht aus jeder Abfolge von Sätzen kann jedoch etwas gefolgert werden. Angenommen
jemand sagt: »Immer wenn es regnet, wird es draußen nass, und nun ist es draußen nass.«
Daraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, dass es geregnet hat, denn die Nässe
des Strassenbelags kann auf andere Ursachen zurückgeführt werden (z.B. auf Kinder, die mit
einem Wasserschlauch gespielt haben oder auf einen städtischen Reinigungswagen, der den
Boden mit Wasser gesäubert hat).
2. Die zu analysierenden Sätze müssen eine Aussage machen79. Die
Grundbedingung einer Aussage ist, dass sie »wahrheitsdefinit« ist; d.h. dass
sie »wahr« oder »falsch« sein kann, auch wenn dies im Einzelfall nicht genau
feststellbar ist. Grammatikalisch handelt es sich häufig um Sätze in der
Indikativform. Befehle, Wünsche, Aufforderungen, Gebete, Ausrufe, usw.
gehören nicht zum Gegenstand der Logik, weil sie weder wahr noch falsch
sein können80.
Die Alltagssprache ist nicht nur die Grundlage der klassischen Logik,
sondern häufig zugleich auch ihr Problem, denn unser natürliches Folgern
läuft manchmal ins Leere81.
Ein Beispiel:
Prämisse 1: Alle Autos sind Fortbewegungsmittel.
Prämisse 2: Alle VWs sind Fortbewegungsmittel.
Konklusion: Also: Alle VWs sind Autos.
Viele würden spontan diesem Schluss logische Stringenz zusprechen. Obwohl die Aussage
der Konklusion wahr ist, lässt sie sich aus den beiden vorherigen Prämissen »logisch« (im
fachlichen Sinne) nicht herleiten. Dies lässt sich anhand einer anderen »Einsetzung« zeigen:
Prämisse 1: Alle Autos sind Fortbewegungsmittel.
Prämisse 2: Alle Hubschrauber sind Fortbewegungsmittel.
Konklusion: Also: Alle Hubschrauber sind Autos.
78 Auf das besondere Problem von Konklusionen aus einer Prämisse sei hier nur hinge-
wiesen. Zur aristotelischen Definition des Schlusses s.u. S. 46ff.
79 Vgl. HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik, 28–35.153f. Man spricht auch von »Proposi-
tion«.
80 Diese Einschränkung geht bereits auf die Antike zurück (s.u. S. 34ff). Darüber hinaus
finden sich in der Antike bereits grundlegende Überlegungen zum Problem einer Modallogik
(Notwendigkeits- und Möglichkeitsaussagen). Erst im 20. Jh. gibt es Versuche einer
»deontischen Logik« (normative Sätze).
81 Vgl. allgemein zu »irrationalen« Verhaltensformen S.P. S TICH, Rationality, in: D.N.
Osherson / E.E. Smith (eds.), Thinking (An Invitation to Cognitive Science 3; Cambridge,
Mass.; London, 1990) 173–196.
18 I. Hinführung
Beide Beispiele sind formal gleich aufgebaut. Dennoch folgt im zweiten aus wahren Prämis-
sen eine falsche Konklusion. Selbst wenn im ersten Beispiel die Konklusion zufälligerweise
wahr ist, ist der Schluss aufgrund seiner Form logisch inkorrekt. Bei solchen (und anderen
wesentlich komplizierteren) Fällen führt unsere »Alltagslogik« häufig in die Irre.
82 Der
seit Kant geläufige Begriff der formalen Logik hebt dieses besondere Chrakteristi-
kum der Logik hervor.
83 Logik verhält sich damit zur Argumentation ähnlich wie Grammatik zur gesprochenen
Sprache.
84 Vgl. zu den in dieser Arbeit so spärlich wie möglich gebrauchten formallogischen
Zeichen o. S. XII.
85 Noch knapper formal darstellbar als: (AaB ∧ CaA) → CaB. Die Zeichen zur Verknüp-
fung von Teilsätzen sind in der antiken Logik nicht belegt.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 19
zen aus der Alltagssprache in eine logisch verwertbare Form86 ist daher keine
Spielerei ohne Erkenntniswert, sondern ein notwendiger, weil der Frage nach
der Gültigkeit von Schlüssen angemessener Schritt87.
Der Sachbereich dessen, was durch die Frage nach der Logik einer
Argumentation erfasst werden kann, sollte nicht zu weit ausgedehnt werden.
Logik prüft z.B. nicht die Wahrheit von Aussagen. Im Alltagsgebrauch
bezeichnen wir gerne eine falsche Aussage als »unlogisch«. Aus logischer
Sicht ist diese Einschätzung unzutreffend. Logik setzt zwar voraus, dass
Wahrheit eine Eigenschaft von Aussagen ist88, aber die tatsächliche Feststel-
lung von Wahrheit überlässt sie anderen Bereichen der Wissenschaft (z.B.
Erkenntnistheorie, Physik, Mathematik) oder einfach der empirischen
Erkenntnis. Dabei gilt seit der Antike die Grundregel, dass aus wahren
Aussagen bei Anwendung korrekter Schlussformen notwendig eine wahre
Aussage folgt. Bei Anwendung von logisch ungültigen Schlussformen gibt es
für den Wahrheitstransfer jedoch keine Garantie89.
Die Logik berührt wichtige philosophische Grundfragen, auf die hier nur am Rand eingegan-
gen werden kann. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (tertium non datur) besagt, dass
die Adjunktion (oder-Verbindung) aus einer Aussage und ihres kontradiktorischen Gegenteils
nicht falsch sein kann 90. So ist z.B. der Satz: »Es regnet oder es ist nicht der Fall, dass es
regnet«, immer wahr. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Da nur die Werte »wahr« oder
»falsch« zugelassen sind, spricht man auch vom »Zweiwertigkeitsprinzip« und von
»zweiwertiger Logik«. Der Satz vom Widerspruch (principium contradictionis) besagt, dass
die Konjunktion (und-Verbindung) einer Aussage und ihres kontradiktorischen Gegenteils
nicht wahr sein kann 91. Für die klassische Logik sind diese beiden Sätze grundlegend. Es
stellt sich jedoch die Frage, ob eine Logik außerhalb solcher Regeln entworfen werden
kann92. Zum Teil ist damit auch die Frage nach der Universalität und Kulturunabhängigkeit
von Logik berührt93.
Zusammenfassend: Logik beschäftigt sich mit der Struktur der Sprache. Sie
prüft die Gültigkeit von Schlussfolgerungen und beschränkt sich dabei auf
wahrheitsdefinite Aussagen, ohne jedoch ein Urteil über die Wahrheit der
gesetzten Prämissen zu geben. Die logische Analyse operiert lediglich auf
formaler Ebene und kann dadurch das tragende Gerüst von Argumentationen
sichtbar machen.
zukomme und nicht zukomme.« (Met. III 3,1005b19f) Logisch: »Der sicherste von allen
Grundsätzen ist der, daß widersprechende Aussagen nicht zugleich wahr seien.« (Met.
III 6,1011b13f) Psychologisch: »Es kann niemand glauben, daß dasselbe zugleich sei und
nicht sei.« (Met. III 3,1005b23f) Die Tatsache, dass Aristoteles diese Probleme in der
Metaphysik behandelt, zeigt, wie sehr Logik auf Fragen der Ontologie und Psychologie
gründet.
92 In einer mehrwertigen Logik, die neben »wahr« und »falsch« auch den Wahrheitswert
»unbestimmt« zulässt, ist der Satz vom Widerspruch nicht aufgehoben (vgl. U. BLAU, Die
dreiwertige Logik der Sprache [GKom; Berlin, 1978]; P. SCHROEDER, Art. Logik, mehrwer-
tige, EPhW 2 [1984] 678–680). Vgl. zu weiteren Logikentwürfen, die über die »traditionelle«
Logik hinausgehen, K. LORENZ, Art. Logik, intuitionistische, EPhW 2 (1984) 667–671. Das
philosophische Problem der Zweiwertigkeit diskutiert bereits Aristoteles in Int. 9,18a27–19b4
anhand des Satzes »Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden«. Indem eine Aussage über die
Zukunft die Logik vor die Frage stellt, ob es sich dabei um eine wahre oder um eine falsche
Aussage handelt, führt sie diese in das philosophische Problemgebiet der Determiniertheit
(das Problem der sog. contingentia futuri). Vgl. dazu M. G RONEBERG, Futura Contingentia.
Die Suche nach der Logik kontingenter Zukunft (Habilitationsschrift Universität Frei-
burg / Schweiz, 2005).
93 Aristoteles argumentiert im Hinblick auf den Geltungsbereich von Rhetorik und Logik
(von ihm »Dialektik« genannt) für ein universales Verständnis: »[B]eide behandeln solche
Themen, deren Erkenntnis gewissermaßen allen Wissenschaftsgebieten (hepist´jmj)
zuzuordnen ist und keinem bestimmten. Daher haben auch in irgendeiner Weise alle
Menschen an beiden Anteil: Alle nämlich versuchen bis zu einem gewissen Grad, ein
Argument einerseits zu hinterfragen, andererseits zu begründen, einerseits zu verteidigen,
andererseits zu erschüttern (kaì hexetázein kaì Hupécein lógon kaì hapologeïsqai kaì
katjgoreïn). Die Mehrheit tut dies teils auf gut Glück, teils vermöge einer aus Gewohnheit
erworbenen Fertigkeit.« (Rhet. I 1,1354a1–7; übers. Krapinger, 7) Zur Verteidung der
Universalität von Logik im Hinblick auf das sog. »östliche Denken« vgl. G. PAUL, Der
Kulturstreit um die Universalität Aristotelischer Logik, in: N. Öffenberger / M. Skarica
(Hrsg.), Beiträge zum Satz vom Widerspruch und zur Aristotelischen Prädikationstheorie
(ZMDAL 8; Hildesheim, 2000) 117–136. Aus philosophischer Sicht vgl. auch T. NAGEL, Das
letzte Wort (RUnB 18021; Stuttgart, 1999) 82–113.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 21
94 Eine logische Analyse von Gebeten oder Hymnen wäre nicht aus Pietätsgründen kein
erstrebenswertes Ziel der Logik, sondern schlicht, weil es sich dabei nicht um wahrheitsdefi-
nite Sätze handelt. Erzählungen sind m.E. der Logik schwer zugänglich, weil es in der
Erzählung (ebenso wie in der Geschichte) selten strikt notwendige Folgerungen gibt.
95 Logik kann als härteste Währung für Rationalität eine wichtige autoritätskritische Rolle
spielen.
96 Wenn SIEGERT, Argumentation, 20 schreibt: »Argumentation ist also keineswegs nur
Anwendung der Logik, und Argumente sind etwas anderes als Beweise«, dann ist das nur für
den Fall zutreffend, dass Logik als Wissenschaft vom Beweis definiert wird. Eine solche
Einschränkung ist jedoch kaum begründet.
97 Einer meiner logischen Diskussionspartner warnte mich: »Wenn du mit alten Instru-
menten operierst, könnte der Patient sterben.« Ein moderner Rückgriff auf die antike Logik
22 I. Hinführung
einer modernen Deutung der antiken Logik über die Schlüssigkeit der
paulinischen Argumentation sagen? Diese Vorgehensweise ist zunächst darin
begründet, dass für die gegenwärtige Exegese der Bereich der historischen
Vor- und Gleichzeitigkeit einen privilegierten Ort des Verstehens bildet98. Der
historisch-kulturelle Rahmen, der Autor, Text und Rezipienten wie Rezipien-
tinnen in einen gemeinsamen Verstehenshorizont stellt, umfasst auch die
Errungenschaften auf dem Gebiet der Logik. Die Exegese ist demnach gut
beraten, paulinische Argumentationen zunächst auf diesen Hintergrund zu
lesen.
Es erscheint mir weiterhin sachlich angemessen, mit den ersten Schritten
der Logik zu beginnen. Wie sich noch zeigen wird, hat die antike Logik ganz
wesentliche Formen sprachlichen Argumentierens formal korrekt erfasst und
ist darin noch bis heute gültig. Sie ist durch moderne Logik nicht einfach
ersetzt, sondern darin (teilweise als deren einfachstes Gebiet) integriert und
präzisiert worden99. Eine Beschränkung auf die antike Logik verschafft der
Exegese daher einen sicheren Ausgangspunkt, um mit einfachen Mitteln
elementare Schlussformen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Das mag
zwar nur ein erster Schritt sein, er ist aber gerade angesichts des Fehlens einer
entsprechenden Forschungstradition m.E. unausweichlich100.
Eine Deutung paulinischer Argumentationsgänge auf dem Hintergrund
antiker formaler Logik kann auch für die hermeneutische Selbstreflexion
gewinnbringend sein. Die scheinbar zweistellige Frageanordnung nach Paulus
und (antike) Logik erweist sich bei genauerem Hinsehen als eine dreistellige
Konstellation: Paulus, Logik und wir. Auch wenn dieser hermeneutische
Aspekt nicht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht, so ist jedes
auslegende Subjekt bewusst oder unbewusst durch eine bestimmte Vorstel-
lung von Logik geprägt, die sich im exegetischen Vollzug an vielen Stellen
niederschlägt. Die Möglichkeit, dass unsere Entwürfe paulinischer Theologie
(auch) Projektionen unserer eigenen »Theo-Logik« sind, ist daher kaum
kommt jedoch nicht umhin, von modernen Deutungen und Darstellungsformen auszugehen.
Es geht also nicht darum, sich in einen Logiker aus dem 1. Jh. n.Chr. zurückzuversetzen.
98 Knappe Überlegungen dazu in M. MAYORDOMO, Wirkungsgeschichte als Erinnerung
an die Zukunft der Texte, in: Ders. (Hrsg.), Die prägende Kraft der Texte: Hermeneutik und
Wirkungsgeschichte des Neuen Testaments (SBS 199; Stuttgart, 2005) 11f.
99 Die meisten modernen Logiklehrbücher beginnen mit Beispielen, die formal aus der
antiken Logik stammen. Das erste Beispiel in BUCHER, Angewandte Logik, 9 lautet: »Alle
Winterartikel sind ausverkauft. Alle Schlittschuhe sind Winterartikel. Also sind alle
Schlittschuhe ausverkauft.« HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik, 14 steigt ein mit: »Alle
Logiker sind Menschen. Alle Menschen sind schlafbedürftig. Also: Alle Logiker sind
schlafbedürftig.« Beide Beispiele sind mit den Mitteln aristotelischer Logik einfach und
präzise analysierbar.
100 Da die »antike Logik« den Referenzrahmen aller logischen Diskussionen bis ins 19.
Jh. bildete, fördert eine solche Vorgehensweise das Verständnis für die logik-relevanten
exegetischen Diskussionen in der Auslegungsgeschichte.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 23
a priori von der Hand zu weisen. Eine Beschäftigung mit Fragen der Logik ist
daher für die »Horizontabhebung« zwischen den Schriften des Paulus und
modernen Entwürfen paulinischer Theologie von nicht zu unterschätzender
Bedeutung101.
Für den Fall, dass sich am Ende dieser Arbeit herausstellt, paulinische
Argumentationen seien logisch ungültig, gilt ein solches Ergebnis zunächst
»nur« im Rahmen der hier gewählten logischen Verfahrensweisen. Da jedoch
antike Logik in keinem kontrafaktischen Verhältnis zur modernen Logik
steht, wird es – nach meiner derzeitigen Wahrnehmung – ein außerordentlich
schweres Unterfangen sein, mit den Mitteln moderner Logik-Systeme ein
solches Ergebnis zu falsifizieren. Eine Möglichkeit, ad hoc eine eigene
paulinische »Logik« zu rekonstruieren, sehe ich nicht – jedenfalls nicht, wenn
die terminologische Bedeutung des Wortes »Logik« gewahrt werden soll102.
Außerdem ist die sprachliche Basis dafür zu schmal.
Ein Letztes noch: Logik trägt nicht zum Wahrheitsgewinn bei, beugt aber
der Gefahr vor, durch falsches Folgern der Wahrheit verlustig zu gehen. Das
legitime Interesse der Theologie an der Wahrheitsfrage wird daher von der
Logik nur indirekt berührt. Diese kümmert sich nicht um das Problem, ob die
Wahrheit der Prämissen einer paulinischen Argumentation verifiziert werden
kann. Wenn sich aber Folgerungen als logisch ungültig erweisen, besteht für
die Wahrheit des Schlusses keine Garantie.
101 Zum Begriff der Horizontabhebung vgl. meine Arbeit Den Anfang hören, 62–65.
102 Auf das Problem einer spezifischen »rabbinischen Logik« komme ich am Ende der
Arbeit zu sprechen (s.u. S. 235ff).
103 Ähnliche Fragen werden im Hinblick auf die Angemessenheit rhetorischer Analysen
paulinischer Texte aufgeworfen.
104 Vgl. K. HAACKER, Zum Werdegang des Apostels Paulus: Biographische Daten und
ihre theologische Relevanz, ANRW II.26.2 (1995) 852–855 = DERS., Paulus: Der Werdegang
eines Apostels (SBS 171; Stuttgart, 1997) 50–53; M. HENGEL, Der vorchristliche Paulus, in:
M. Hengel / U. Heckel (Hrsg.), Paulus und das antike Judentum (WUNT 58; Tübingen,
1991) 177–293; G. STRECKER / T. NOLTING, Der vorchristliche Paulus: Überlegungen zum
biographischen Kontext biblischer Überlieferung – zugleich eine Antwort an Martin Hengel,
in: T. Fornberg / D. Hellholm (eds.), Texts and Contexts (FS L. Hartman; Oslo, 1995) 713–
741; W. WUELLNER, Der vorchristliche Paulus und die Rhetorik, in: S. Lauer / H. Ernst
(Hrsg.), Tempelkult und Tempelzerstörung (70 n.Chr.) (FS C. Thoma; JudChr 15; Bern, 1995)
133–165.
24 I. Hinführung
Rhetorik und Dialektik (= Logik) als Teil schulischer Bildung aufführt, findet
sich in Philo, Congr 18:
»Die Dialektik aber, Schwester oder, wie einige sagen, Zwillingsschwester der Rhetorik
(dialektik`j dè Hj Hrjtorik¨jß hadelf`j kaì dídumoß), scheidet die wahren von den falschen
Gründen, widerlegt die sophistischen Scheinargumente und heilt somit von einer großen
Krankheit der Seele, der Trugrede. Mit diesen und anderen Gegenständen sich zu beschäfti-
gen und sich vorher zu üben ist nützlich.« (gr. Colson / Whitaker, IV, 466; dt. Heinemann /
Adler, in: Cohn, VI, 9)
Entsprechend fragt Epiktet am Anfang des 2. Jhs. n.Chr.: »Und was sonst hast
du in der Schule geübt?«, um anschließend selbst zu antworten: »Syllogismen
und Sophismen«109. Auf die Frage, warum in früheren Zeiten mehr Fortschrit-
te im Bereich der Logik erzielt wurden, obwohl heute mehr darüber gearbeitet
wird, antwortet Epiktet, dass heute mehr in die »Lösung von Syllogismen«
(sullogismoùß hanalúein) investiert werde110. In den schulischen Übungs-
texten, den sog. Progymnasmata111, finden sich entsprechend Hinweise auf
das konkrete Einüben von Syllogismen und Enthymemata112.
Fasst man die These einer Schulbildung in Tarsus ins Auge, dann ist mit
der Möglichkeit zu rechnen, dass Paulus (je nach Schichtzugehörigkeit!) mit
der damals weit verbreiteten stoischen Logik in Kontakt gekommen ist113.
Die Geschichte der stoischen Logik weist einige relevante Bezüge zu Tarsus auf. Apollonios
(oder Apollonides), der Vater Chrysipps, siedelte von Tarsus nach Soloi (FDS, 153). Zenon
aus Tarsus wurde Nachfolger Chrysipps in der Leitung der Stoa. Später übernahm Antipatros
aus Tarsus von Zenons Nachfolger, Diogenes aus Seleukeia (der »Babylonier«), die Leitung
der Stoa. Als Schüler des Antipatros werden u.a. Sosigenes und Herakleides, beide aus
Tarsus, genannt114. Ebenso aus Tarsus stammen die Schüler des Panaitios Dikaios und
Paramonos115. Im 1. Jh. v.Chr. sind folgende Stoiker mit Tarsus verbunden: Athenodoros
Kordylion116 und bes. Athenadoros, Sohn des Sandon, aus Kana (einem Dorf bei Tarsus) 117.
Er wirkte in Rom, kehrte aber im Alter nach Tarsus zurück (als Octavian, dessen Lehrer er
109 Epikt., Diss. II,13,21: kaì tí ‘allo hemelétaß hen t¨∆ scol¨∆; Sullogismoüß kaì
metapíptontaß (gr. Oldfather, I, 302; eig. Übers.). Vgl. a. Diss. I,7,5–12.
110 Epikt., Diss. III,6,1-3 (Oldfather, II, 44–47).
111 Vgl. allgemein dazu die Sammlungen von R.F. HOCK / E. O’NEIL, The Chreia in
Ancient Rhetoric, vol. 1: The Progymnasmata (SBL.TT 27; Atlanta, 1986); The Chreia and
Ancient Rhetoric: Classroom Exercises (Writings from the Greco-Roman World 2; Atlanta,
2002); G.A. KENNEDY, Progymnasmata: Greek Textbooks of Prose Composition and
Rhetoric (Writings from the Greco-Roman World 10; Atlanta, 2003).
112 Vgl. VEGGE, Schule des Paulus, 218–237.
113 Direkte Kenntnisse der aristotelischen Logik sind aufgrund der verwickelten Wir-
kungsgeschichte des Peripatos in der hellenistischen Zeit eher unwahrscheinlich (vgl. u. S.
74ff).
114 P. STEINMETZ, Die Stoa, in: H. Flashar (Hrsg.), Die hellenistische Philosophie
(GGPhA 4; Basel; Stuttgart, 1994) 641.
115 STEINMETZ, Stoa, 661.
116 STEINMETZ, Stoa, 708.
117 STEINMETZ, Stoa, 711.
26 I. Hinführung
gewesen war, den Osten beherrschte), wo er im Alter von 82 Jahren starb. Er verfasste ein
Werk über Tarsus und ein weiteres »Gegen die Kategorien des Aristoteles«, worin er vom
Standpunkt stoischer Logik aus die Sprachphilosophie des Aristoteles angreift.
Soweit die erreichbaren Daten. Was jedoch konkret daraus für Paulus
geschlossen werden kann, reicht über das Mögliche kaum hinaus118. Die
Bedeutung der Stadt Tarsus hat bereits zu so vielen biographischen Spekulati-
onen im Hinblick auf die hellenistische Bildung des Apostels Anlass gegeben,
dass Zurückhaltung das Gebot der Stunde ist.
2. Methodischer Vorrang der Textanalyse: Angesichts einer Quellenlage,
die nur unsichere Wahrscheinlichkeitsurteile erlaubt, erscheint es ratsamer,
statt vom allgemeinen Bildungskontext auf Paulus, umgekehrt von den
konkreten paulinischen Texten auf die entsprechende Bildung zu schließen119.
Gerade im Bereich hellenistischer Rhetorik hat sich m.E. diese induktive
Vorgehensweise bewährt und der These, dass Paulus über ein Mindestmaß an
hellenistischer Bildung verfügte, eine breite Basis verschafft120. Entsprechend
sollte die Möglichkeit logischer Kenntnisse für Paulus nicht a priori ausge-
schlossen werden.
3. Prinzipielle Autarkie der Logik: Letztlich aber ist der Status logischer
Analysen verkannt, wenn diese nur in solchen Fällen zum Einsatz kommen
dürfen, in denen als gesichert gelten darf, dass ein Sprecher oder eine
Sprecherin mit den Grundregeln der Logik vertraut ist. Insofern die antike
Logik sich an der realen Situation dialektischen Argumentierens orientiert,
handelt es sich dabei um eine deskriptive und weniger um eine präskriptive
Wissenschaft. Die Logik einer Argumentation lässt sich wie die Grammatik
eines Textes unabhängig von der Frage nach dem tatsächlich vorhandenen
Fachwissen in Logik oder in Grammatik analysieren. Die möglichen Logik-
Kompetenzen des Paulus bilden eine hinreichende, aber gewiss keine
notwendige Bedingung für das spezifische Anliegen der vorliegenden
Arbeit121.
118 F.NIETZSCHE, der alles andere als ein Paulusfreund war, hat auch aus diesem Faktum
eine antipaulinische Invektive zu formulieren gewusst: »Einen Paulus, der seine Heimath an
dem Hauptsitz der stoischen Aufklärung hatte, für ehrlich halten, wenn er sich aus einer
Hallucination den Beweis vom Noch-Leben des Erlösers zurecht macht, oder auch nur seiner
Erzählung, daß er diese Hallucination gehabt hat, Glauben schenken, wäre eine wahre
niaiserie [Albernheit, MMM] seitens eines Psychologen: Paulus wollte den Zweck, folglich
wollte er auch die Mittel.« (Der Antichrist, Nr. 42 [Kritische Studienausgabe 6; München,
2
1988] 216)
119 Vgl. VEGGE, Schule des Paulus, 379–381.
120 Vgl. u.a. die Arbeiten in T. ENGBERG-P EDERSEN (ed.), Paul in his Hellenistic Context
(Edinburgh, 1994); SCHMELLER, Diatribe, 79–81; DU TOIT, Two Cities, 392–401.
121 Vgl. zur hermeneutischen Kritik an der sinndeterminierenden Rolle der »Intention des
Autors« meine Überlegungen in Den Anfang hören, 170–187.
II. Antike Logik im Überblick1
A. Allgemeine Probleme
Der Abschnitt der Logikgeschichte, der für die Fragestellung dieser Arbeit
von Interesse ist, umfasst die Zeit von ihrer ersten Ausformulierung durch
Aristoteles bis zu dem frühen Aristoteles-Kommentator Alexander von
Aphrodisias und den ersten Lehrbüchern von Apuleius und Galen2. Der damit
umrissene Zeitraum von ca. 600 Jahren (Mitte 4. Jh. v.Chr. bis Mitte 3. Jh.
n.Chr.) lässt einen sehr unterschiedlichen Grad an Beschäftigung, Überliefe-
rung und Fortschritt auf dem Gebiet der Logik erkennen, zeigt aber auch
kontinuierliche Linien und Problemkonstellationen auf.
1. Die Quellenlage
Die Quellen, die für die antike Logik zur Verfügung stehen, sind sehr
uneinheitlich überliefert:
An erster Stelle steht die Logik des Aristoteles (384–322)3. Das Corpus
Aristotelicum mit den aristotelischen Lehrschriften (den sog. »Pragmatien«)
1 Die beiden wichtigsten Werke zur Logikgeschichte sind die kommentierte Quellenaus-
wahl von J.M. BOCHENSKI, Formale Logik (OA III,2; Freiburg; München, 21962) und die
Darstellung von KNEALE / KNEALE, Logic. Die monumentale vierbändige Geschichte der
Logik im Abendlande von C. PRANTL (Leipzig, 1855–1870) ist heute vorwiegend aufgrund
der reichhaltigen originalsprachlichen Zitate von Interesse. Das Urteil des Autors, dass es
nach Aristoteles keine nennenswerten Beiträge zur Logik gegeben hat, macht seine
Darstellung ebenso einseitig wie unzuverlässig (zur Kritik BOCHENSKI, Formale Logik, 8–
10). Vgl. für die antike Logik noch: E. KAPP, Der Ursprung der Logik bei den Griechen
(KVR 214/216; Göttingen, 1965); K. LORENZ, Art. Logik II. Die Logik der Antike, HWP 5
(1980) 362–367; J. BARNES / S. BOBZIEN / M. MIGNUCCI, Logic and Language, in: K. Algra
et al. (eds.), The Cambridge History of Hellenistic Philosophy (Cambridge, 1999) 65–176; K.
IERODIAKONOU, Art. Logik, DNP 7 (1999) 393–400.
2 Unabhängig von der abendländischen Logik entwickelte sich ab dem 3. Jh. v.Chr. in
Indien eine formale Logik, die im gesamten ostasiatischen Raum wirkte. Vgl. K. LORENZ,
Art. Logik, indische, EPhW 2 (1984) 656–662; BOCHENSKI, Formale Logik, 13f. 481–517.
3 Vgl. zur Biographie des Aristoteles I. D ÜRING, Aristoteles (BKAW NF 1/2; Heidelberg,
1966) 1–20; O. HÖFFE, Aristoteles (München, 1996) 13–35. Die Darstellung in DiogL. V 1 ist
nicht frei von legendarischen Ausmalungen. Aristoteles erscheint als »Dandy«, der, stets gut
gekleidet, es nie an der Pflege seiner Haare missen ließ. Zum antiken biographischen Material
vgl. I. DÜRING, Aristotle in the Ancient Biographical Tradition (GUÅ 63:2; Göteborg, 1957)
und zum Forschungsstand H. FLASHAR, Aristoteles, in: H. Flashar (Hrsg.), Ältere Akademie,
Aristoteles, Peripatos (GGPhA 3; Basel; Stuttgart, 1983) 175–457.
28 II. Antike Logik im Überblick
8 Vgl. die ausführliche Sammlung der logischen Texte: Theophrastus of Eresus, ed. W.W.
Fortenbaugh et al. (PhAnt 54; Leiden, 1992) I, 114–275 (Frg 68–136) und Die logischen
Fragmente des Theophrast, hrsg. A. Graeser (KlT 191; Berlin, 1973).
9 DiogL VII; Sextus Emp., Pyrrhoniae institutiones II; Advers. Math. VIII. Alle Fragmen-
te und Zitate sind bequem zugänglich in der zweisprachigen Edition von K. HÜLSER, Die
Fragmente zur Dialektik der Stoiker (4 Bde.; Stuttgart; Bad Cannstatt, 1987–1988; abgekürzt
FDS). Hinweise auf die klassische Fragmentensammlung von H. VON A RNIM, Stoicorum
veterum fragmenta (4 Bde.; Leipzig, 1903–05, 1924; Nachdr. Stuttgart, 1964; abgekürzt:
SVF) werden damit überflüssig (bes. Bd. 2: »Chrysippi Fragmenta Logica et Physica«).
Hervorheben möchte ich noch die Quellensammlung mit Einleitungen, Übersetzungen und
Kommentaren von M. BALDASSARRI, La logica stoica: Testimonianze e frammenti (8 Bde. in
10; Como, 1984–1987; ca. 1460 S.). Deutsche Texte in Auswahl bieten BOCHENSKI, Formale
Logik, 125–153 und Th. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus Empiricus:
Untersuchungen zur Entstehung der Aussagenlogik (Hyp. 95; Göttingen, 1991) 311–327.
10 Vgl. R.W. SHARPLES, Art. Alexandros von Aphrodisias, DNP 1 (1996) 480–482.
11 Alexandri in Aristotelis Analyticorum Priorum Librum I Commentarium, ed. M. Wal-
lies (CAG II/1; Berlin, 1883). Englische Übersetzung: Alexander of Aphrodisias On Aristotle
Prior Analytics 1.1–7, transl. by J. Barnes et al. (London, 1991); On Aristotle Prior Analytics
1,8–13, transl. by I. Mueller et al. (London, 1999); On Aristotle Prior Analytics 1,14–22,
transl. by I. Mueller et al. (London, 1999). Die spätere Kommentartradition kann in der
vorliegenden Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden. Aus der Kommentarliteratur zu den
An. pr. sind noch hervorzuheben der unvollständig erhaltene Kommentar des Ammonius (ca.
Ende 5. Jh.) und der Kommentar seines Schülers Johannes Philoponus (der einzige vollstän-
dig erhaltene Kommentar zur An. pr.!). Vgl. generell T.-S. LEE, Die griechische Tradition der
aristotelischen Syllogistik in der Spätantike (Hyp. 79; Göttingen, 1984); R. SORABJI (ed.),
Aristotle Transformed: The Ancient Commentators and Their Influence (London, 1990) und
30 II. Antike Logik im Überblick
Logik stammt aus der Feder des Arztes und Philosophen Galen aus Pergamon
(129–216)12, der noch weitere Abhandlungen logischen Inhalts verfasst haben
soll13. Schließlich finden wir noch ein dünnes Lehrbuch zur formalen Logik
mit dem Titel »Peri Hermeneias«, dessen Autorschaft nach anfänglichen
Zweifeln heute Apuleius von Madaura (Verfasser des Romans »Der goldene
Esel«) zugeschrieben wird14. Diese drei Werke verdanken ihren Wert zum
größten Teil dem Umstand, dass sie einen Einblick in damalige logische
Auseinandersetzungen geben; sie sind jedoch kaum weiterführend in der
Lösung logischer Probleme. Galens Institutio Logica ist auch deswegen
bedeutsam, weil hier jener, die Spätantike und das Mittelalter dominierende,
Weg eingeschlagen wird, der die Unterschiede zwischen der aristotelischen
und der stoischen Logik zugunsten einer stärker an Aristoteles orientierten
Systematik aufhebt.
Die Tatsache, dass geschichtliche (Re)konstruktionen nur auf der Grundla-
ge vorhandener Quellen geschehen können, ist im Falle der frühen Logikge-
schichte besonders schmerzlich. Aus dem Umstand, dass das aristotelische
Organon gesamthaft erhalten geblieben ist und wir von den logischen
Traktaten des Stoikers Chrysipp nur Zitate und spärliche Fragmente haben,
lässt sich keineswegs auf die tatsächliche Bedeutung oder auf den kurz- und
mittelfristigen philosophischen Einfluss dieser beiden herausragenden
Logiker schließen. In der Darstellung der antiken Logik nimmt zwar Aristote-
les aufgrund der besseren Bezeugung einen breiteren Raum ein, vieles deutet
jedoch darauf hin, dass Chrysipp sich nicht nur sehr viel umfassender mit
Problemen der Logik beschäftigt hat, sondern auch dass seiner Logik eine viel
breitere Wirkung beschieden war (zumindest in der hellenistischen Zeit)15.
Ironie der Überlieferungsgeschichte!
2. Zur Terminologie
»[A]ußer ›Philosophie‹ gibt es vielleicht keinen Namen einer Wissenschaft,
welcher in der Geschichte so viele Bedeutungen angenommen hat wie
die Homepage des von ihm geleiteten Projekts »Ancient Commentators on Aristotle«:
http://www.kcl.ac.uk/kis/schools/hums/philosophy/aca/ (zuletzt besucht am 15.08.2005).
12 Galeni Institutio Logica, ed. K. Kalbfleisch (Leipzig, 1896). Eine deutsche Überset-
zung mit Kommentar bietet J. MAU, Galen Einführung in die Logik (Institutio Logica)
(Berlin, 1960).
13 V. NUTTON , Art. Galenos aus Pergamon, DNP 4 (1998) 748–756.
14 The Logic of Apuleius: Including a complete Latin text and English translation of the
Peri Hermeneias of Apuleius of Madaura, ed by D. Londey / C. Johanson (PhAnt 47; Leiden,
1987). Weiterhin wird diskutiert, ob es sich um die lateinische Übersetzung eines verlorenen
griechischen Originals handelt und ob es u.U. das dritte Buch der Schrift »De Platone et eius
dogmate libri II« darstellt (da dort drei Bücher angekündigt werden). Vgl. M. ZIMMERMANN,
Art. Apuleius von Madaura, DNP 1 (1996) 910–914.
15 S.u. 86ff.
A. Allgemeine Probleme 31
Trotz der Unklarheit mancher Fachtermini ist deutlich, dass die Bezeichnung
logik´j in der stoischen Philosophie sehr viel mehr umfasst, als heute dem
Wort fachterminologisch zugemutet werden kann, nämlich auch weite
führt Aristoteles einen ersten Argumentationsgang mit der Wendung logik¨wß qewroüsin
ein, erbringt aber dann den gültigen Erweis »aufgrund des Festgesetzten« (88a30: hek dè t¨wn
keiménwn). 3. In An. post. II 8,93a15 bezeichnet Aristoteles den logikòß sullogismóß
geradewegs als untauglich für den Beweis und lässt einen Argumentationsgang folgen, der
wieder am Anfang (hex harc¨jß) ansetzt. 4. Die Vermutung eines graduellen Übergangs von
logikóß zu hanalutikóß wird m.E. in Cael. I 7,275b12 [= Gigon, 76] bestätigt: Nach einer
Diskussion über die Begrenztheit des Alls leitet Aristoteles zu einer eingehenderen Beweis-
führung mit der Wendung über: »Theoretischer (logik´wteron) läßt sich auch folgenderma-
ßen schließen…« Die komparative Steigerung macht an dieser Stelle deutlich, dass der
analytische Beweis eine Intensivierung der sprachlich-logischen Argumentation darstellt.
22 An. pr. I 30,46a9f; II 16,65a36f; II 23,68b9ff; Top. I 1,100a22 u. 29f; vgl. H. BONITZ,
Index Aristotelicus (Aristotelis Opera 5; Berlin, 1961 = 1870) 183. Diese Bedeutung
entspricht dem platonischen Begriff der »Dialektik« (Top. I 2,101b4; vgl. RISSE, Art. Logik,
358). Daher vermag ich das Urteil von KAPP, Ursprung der Logik, 25 »daß der spätere Name
der Wissenschaft von der Logik auf Aristoteles’ Verwendung des Adjektivs zurückgeht«,
kaum zu bestätigen.
23 Ps.-Plutarch (ca. 2. Jh. n.Chr.), De plac. philos. 874E: »Aus diesem Grund ist auch die
Philosophie dreiteilig; einer ihrer Teile ist der physikalische (fusikón), ein zweiter der
ethische (hj qikón), der dritte der logische Teil (logikón). [… D]er logische Teil ist der über
das Denken (logikòn dè tò perì tòn lógon); ihn nennt man auch den dialektischen
(dialektikón) Teil.« (= FDS, 15) Vgl. zur klassischen stoischen Dreiteilung der Philosophie
die Fragmente 1–26 in FDS.
A. Allgemeine Probleme 33
logik´j
M
Hrjtorik´j dialektik´j
(Rhetorik) (Dialektik)
M
perì t¨jß fwn¨jß perì t¨wn sjmainoménwn
(Zeichenlehre) (Bedeutungslehre)
M
perì t¨wn fantasi¨wn perì lekt¨wn
(Vorstellungen) (Aussagen)
Damit zeigt sich, dass es in der Antike in aller Regel andere Begriffe waren,
deren fachterminologische Verwendung dem nahekommt, was heute mit
»Logik« bezeichnet wird. Aristoteles benutzt mit Vorliebe Begriffe aus dem
Wortfeld hanalutikóß26, während die Stoa vornehmlich von dialektik´j
spricht. Im Folgenden wird der Begriff »Logik« im modernen Sinne für jenes
theoretische Untersuchungsfeld verwendet, das sich der Überprüfung der
Gültigkeit von sprachlichen Schlüssen widmet. Dabei gilt es jedoch zu
beachten, dass in der Antike Logik auch für die philosophische Schuldiskus-
sion (Topik) und die öffentliche Beredsamkeit (Rhetorik) bedeutsam war.
Gerade für die exegetische Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sind diese
praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Logik von Interesse.
27 In
der Spätantike wurden für diese unterschiedlichen Systeme die Begriffe »kategori-
sche Syllogistik« (Aristoteles) und »hypothetische Syllogistik« (Stoa) benutzt (vgl. BARNES /
BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 77f).
28 Vgl. KAPP, Ursprung der Logik, 12–15; TUGENDHAT / WOLF, Propädeutik, 7–10.
29 Vgl. bes. DÜRING, Aristoteles, 64–69; und die kommentierte Übersetzung Peri Herme-
neias, übers. Weidemann (AWDÜ I/2; Berlin, 1994).
30 W. AX , Aristoteles, in: M. Dascal u.a. (Hrsg.), Sprachphilosophie (Berlin, 1992) I,
244–259.
A. Allgemeine Probleme 35
seelische Widerfahrnisse
(Gedanken)
symbolisieren bilden ab
gesprochene Sachverhalte
Worte
symbolisieren
geschriebene
Worte
Konvention Natur
Knapp fasst Aristoteles am Anfang der An. pr. zusammen: »Eine Aussage ist
eine Rede, die etwas von etwas bejaht oder verneint.«37 Die beiden Bestand-
teile oder Terme der Aussage sind ‘onoma und Hr¨jma38. Damit sind in etwa
32 Páqjma bezeichnet das Empfangen eines Eindrucks, in gewisser Weise die Wahr-
nehmung.
33 Zur Bedeutung von prägma in diesem Sinne vgl. Met. IV 29,1024b17–25.
34 Vgl. AX, Aristoteles, 254. Vgl. zu dieser Parallelität auch Int. 3,16b20f; 14,23a32f.
35 Vgl. G. ENGLEBRETSEN, On Propositional Form, in: Menne / Öffenberger (Hrsg.),
Formale und nicht-formale Logik, 131–140.
36 Die Wendung bedeutet in etwa »von Natur aus« (vgl. Int. 4,16a27)
37 An. pr. I 1,24a16–17: Prótasiß mèn o~u n h estì lógoß katafatikòß ’j h apofatikóß
tinoß katá tinoß. (eig. Übers.) Als logischen Terminus technicus für die wahrheitsdefinite
Aussage gebraucht Aristoteles häufig auch hapófansiß von hapofaínw (vgl. Int. 5,17a20–
22), das von hapófasiß (»negierte Aussage« von hapófjmi) zu unterscheiden ist. Selten
begegnet aber auch die Form hapófasiß für hapófansiß. LSJ, 226 s.v. hapófasiß (B) zählt
aus dem aristotelischen Schrifttum nur Rhet. I 8,1365b27 dazu (textkritisch jedoch unsicher!).
38 Griech. “oroß bedeutet »Grenze, Demarkationslinie, Maß, Regel« und ist in der Logik
v.a. in drei Verwendungsweisen relevant: »Term einer Aussage« oder auch »Variable für den
Term« (auf Subjekt ebenso wie auf Prädikat anwendbar), »Definition« und »Prämisse eines
Syllogismus« (vgl. LSJ, 1256). Im Sinne von »Term« bestimmt Aristoteles am Anfang der
An. pr. I 1,24b16–18: »Einen ›Term‹ (“oron) nenne ich das, in was die Aussage aufgelöst
wird (e˙ß ”o n dialúetai Hj prótasiß), nämlich das, was ausgesagt wird, und das, wovon es
A. Allgemeine Probleme 37
Subjekt und Prädikat gemeint (Int. 2,16a19–3,b25): Das »Nennwort« ist ein
konventioneller Laut, der etwas bedeutet (im Gegensatz etwa zu Tierlauten)
und der durch Zusatz von »ist«, »war«, »wird sein« oder deren Verneinungen
eine wahre oder eine falsche Aussage macht. Das »Verb« bringt das Element
der Zeit mit sich und ist nur bedeutungsvoll aufgrund seiner Beziehung zum
»Nennwort« (d.h. ohne Verbindung zu einem solchen ist z.B. »ist gesund«
ohne Bedeutung). Diese zweistellige sprachliche Konstellation, in der etwas
von jemandem oder etwas ausgesagt wird, ist als Proposition für logische
Analyse relevant.
2. Stoa: Im Anschluss an sprachphilosophische Überlegungen Zenons
unterscheidet die Stoa drei Grundgegebenheiten der Sprache39. In einem für
die antike Semantik wichtigen Text fasst Sextus Empiricus die stoische
Position folgendermaßen zusammen:
»Es gab bei diesen Leuten aber auch noch eine andere Kontroverse [gemeint ist die
Auseinandersetzung über das Wahre unter den alten Philosophen], indem die einen das
Wahre und Falsche in die Bedeutung (perì t¨^w sjmainomén^w) setzen, während die anderen
es mit dem Laut (perì t¨∆ fwn¨∆) verbanden und wieder andere es auf die Bewegung des
Verstandes (perì t¨∆ kin´jsei t¨j ß dianoíaß) bezogen. Die herausragenden Vertreter der
ersten Auffassung sind die Stoiker mit ihrer Lehre, daß sich dreierlei miteinander verbinde:
das Bezeichnete (die Bedeutung) (tò sjmainómenon), das Bezeichnende (das sprachliche
Zeichen) (tò sjmaïnon) und das Erlangende (tò tugcánon). Dabei ist das sprachliche
Zeichen der Laut (t`j n fwn´jn), z.B. das Wort ›Dion‹; die Bedeutung ist eben die Sache (tò
prägma), auf die durch den Laut hingewiesen wird und die wir begreifen, da sie in
Abhängigkeit von unserem Denken existiert, die aber fremdsprachige Leute nicht verstehen,
so sehr sie auch den Laut hören; das Erlangende schließlich ist dasjenige, was vorgängig
außerhalb zugrundeliegt, (das äußere Substrat), nämlich etwa die Person des Dion selbst.
Zwei von diesen sind Körper (s´wmata), nämlich der Laut und das Erlangende; eines
hingegen ist unkörperlich (has´wmaton) nämlich die bezeichnete Sache (tò sjmainómenon
prägma), und zwar ein Lekton (kaì lektón), welches eben auch wahr oder falsch werden
kann. Das freilich gilt nicht durchweg für jedes Lekton. Vielmehr sind Lekta teils unvollstän-
dig (hellipéß), teils vollständig (ahutoteléß). Und von den vollständigen ist die sogenannte
Aussage (haxíwma) [wahr oder falsch]; diese umschreiben sie nämlich auch dadurch, daß sie
sagen: ›Eine Aussage ist das, was wahr oder falsch ist.‹« (Adv. Math. VIII,11f = FDS, 67)
Ähnlich wie Aristoteles wird unterschieden zwischen dem physisch wahr-
nehmbaren Lautgebilde (»das Bezeichnende« = tò sjmaïnon; der Laut
/Dion/), dem Gemeinten (das Bezeichnete = tò sjmainómenon; die Vorstel-
lung von Dion) und dem außersprachlichen Gegenstand (tò tugcánon; die
Person Dion selbst). In einer nicht sehr scharf umrissenen Terminologie wird
ausgesagt wird (tó te katjgoroúmenon kaì tò kaqh oˆu katjgoreïtai), unter Hinzuset-
zung [Textvariante: »oder Auslassung«] von ›ist‹ oder ›ist nicht‹.« Vgl. auch DÜRING,
Aristoteles, 78, Anm. 178.
39 Nach STEINMETZ, Stoa, 595.
38 II. Antike Logik im Überblick
das Gemeinte zugleich als tò lektón bestimmt40 und diesem die »Aussagen«
zugeordnet, auf die das Urteil wahr oder falsch zutrifft41.
Im Bereich des Bezeichnenden untersuchte Chrysipp sehr genau die Wort-
und Formenlehre im Hinblick auf die verschiedenen Wortarten und ihre
Flexionen. Wichtiger für die Logik jedoch ist der Bereich der durch Sätze
ausgedrückten Sachverhalte – die sog. lektá –, denn nur diese sind wahr-
heitsdefinit42. Mithilfe einer Reihe von Unterscheidungen versucht Chrysipp,
den logischen Status des »Sagbaren« zu erfassen. Es gibt verschiedene
Satzarten (Fragen, Befehle, Wünsche, Aussagesätze, usw.) und entsprechend
auch verschiedene Sachverhalte. Die Logik (im engeren Sinne) hat es nach
Chrysipp – darin Aristoteles gleich – nur mit Aussagen zu tun (haxi´wmata)43.
Eine Aussage ist »ein vollständiges Lekton, welches behauptet werden kann,
soweit dies an ihm liegt«44.
Aristoteles ist der Begründer der Logik im Sinne einer formalen Wissen-
schaft45. In einem viel zitierten Abschnitt überschaut er seine eigene Leistung
und stellt nicht ohne Stolz fest:
»Von allem, was so gefunden wird, ist einiges von anderen schon früher ergriffen und mit
Mühe ausgearbeitet worden; es ist dann Stück für Stück fortgeschritten unter der Arbeit derer,
die es später übernahmen. Anderes, das neu gefunden wird, pflegt zunächst nur geringen
Fortschritt zu nehmen, der allerdings viel nutzbringender ist als alle spätere Vermehrung
daraus. Das Größte ist ja wohl der Anfang von allem, wie das Sprichwort sagt. Daher ist er
auch das Schwierigste. Je wirkungsmächtiger das ist, desto winzigkleiner ist es an Größe und
daher am schwierigsten zu Gesichte zu bekommen. Ist dieser (Anfang) aber erst einmal
gefunden, so ist es leichter, das übrige hinzuzusetzen und zu mehren. […] Von dieser
Anstrengung [pragmateía auch ›Untersuchung‹] dagegen war nicht einiges schon vorher
ausgearbeitet, anderes noch nicht, sondern es lag noch gar nichts vor. […] Was die Kunst der
Redner angeht, so war viel alter Lehr- und Vortragsstoff vorhanden; was das genaue
Schlüsseziehen betrifft, so hatten wir früher gar nichts vorzutragen als nur, daß wir,
zeitaufwendig herumsuchend, uns lange abmühten. Wenn es euch, indem ihr die Sache
anschaut, so scheint, daß – angesichts solcher anfänglicher Vorgaben – dieser Entwurf einer
Lehre einigermaßen gut dasteht im Vergleich zu den anderen Ausarbeitungen […], so wäre es
nunmehr noch Aufgabe von euch allen, die es gehört haben, dafür, daß Stücke in dieser
wegbereitenden Untersuchung noch fehlen, Nachsicht zu gewähren, für das Gefundene aber
viel Anerkennung.« (Soph. el. 34,183b17–184b8)
lehre (die sog. »Syllogistik«) bis heute gültig48. Ihre Begrenzungen sind zwar
durch die moderne Prädikatenlogik, in der sie vollständig integriert ist, mehr
als deutlich geworden49. Dennoch ist sie aufgrund ihrer Systematik weiterhin
für die moderne philosophiosche Logik von Interesse50.
48 HÖFFE, Aristoteles, 49 urteilt über diese Leistung: »klar, gründlich, so gut wie fehlerfrei
und zum ersten Mal mit Elementen einer logischen Kunstsprache.« Ebenso einflussreich wie
einseitig ist das Urteil von Immanuel KANT, Kritik der reinen Vernunft (Vorrede B VIII),
hrsg. W. Weischedel (Frankfurt a.M., 1956) 20: »Daß die Logik diesen sicheren Gang [einer
Wissenschaft, MMM] schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, läßt sich daraus
ersehen, daß sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr
nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitäten oder deutlichere Bestimmung
des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will […]. Merkwürdig ist noch an ihr, daß
sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können und also allem Ansehen nach
geschlossen und vollendet zu sein scheint.«
49 Vgl. BUCHER, Angewandte Logik, 172.
50 Bahnbrechend war die Arbeit des polnischen Logikers LUKASIEWICZ, Aristotle’s
Syllogistic. Die wichtige Arbeit von PATZIG, Aristotelische Syllogistik, 199 kommt zu dem
Urteil, dass wir es in den An. pr. mit einem Werk von »beispielhafter Strenge und logischer
Reinheit« zu tun haben. Der Dialog zwischen aristotelischer und moderner Logik wird auf
sehr hohem Niveau in der Buchreihe »Zur modernen Deutung der aristotelischen Logik«
(hrsg. A. Menne, N. Öffenberger; Hildesheim; New York, 1983ff; bisher 8 Bde.) geführt.
Diese Arbeiten haben einen deutlichen Unterschied zwischen der Logik des Aristoteles und
der späteren Systematisierung in der klassischen Logik herausgearbeitet.
51 Int. 5,17a20–22: »Davon ist die eine die einfache Aussage (H j Hapl¨j hapófansiß), wenn
etwas über etwas (bejaht wird), oder etwas von etwas (verneint wird) (tì katà tinòß ’j tì
hapò tinóß); die andere ist die aus diesen zusammengesetzte, wenn es schon irgendeine
zusammengefügte Rede ist (lógoß tiß ‘j dj súnqetoß).«
B. Die aristotelische Termlogik 41
52 Die drei Modalitäten werden von der modernen Logik assertorisch, apodiktisch und
problematisch genannt (vgl. J. BARNES, Aristoteles [RUnB 8773; Stuttgart, 1992] 47). Ich
folge hier dem aristotelischen Sprachgebrauch.
53 Das ist wichtig für die Umkehrungsgesetze, die Aristoteles in seiner Syllogistik entfal-
tet (vgl. A. MENNE, Zur Syllogistik strikt partikulärer Urteile, in: Menne / Öffenberger,
Formale und nicht-formale Logik, 141).
54 Nach Int. 7,17a36 können die Dinge selbst allgemein oder partikulär sein, je nachdem
ob etwas von mehreren ausgesagt werden kann (z.B. »Mensch«) oder nur von einem
Einzelding (z.B. »Kallias«). Da Aristoteles in den Analytiken an Einzeldingen kein Interesse
hat, ist die Kategorie des singulären bzw. individuellen Satzes nicht in die eigentliche Logik
eingegangen (vgl. ENGLEBRETSEN, Propositional Form, 132f). Zum Problem individueller
Terme s.u. S. 117.
55 Der unbestimmte Satz ist einer, dessen Aussage weder eindeutig als allgemein noch als
partikulär bestimmt werden kann. Aristoteles gibt selbst zwei Beispiele (An. pr. I 1,24a20–
22): »Das Konträre fällt unter dieselbe Wissenschaft.« »Die Lust ist kein Gut.« Für die
aristotelische wie auch für die moderne Logik sind solche Sätze nur dann interessant, wenn
sie eindeutig als universal oder partikulär interpretiert werden. Aristoteles nimmt diese Sätze
jedoch sehr ernst. Damit erkennt er die Vagheit der Alltagssprache an. Gemäß Int. 10,19b6f
muss das in der Behauptung Ausgesagte eines sein und über einen Gegenstand gesagt sein
(”en dè deï e~inai kaì kaqh Henòß tò hen t¨∆ katafásei).
42 II. Antike Logik im Überblick
partikulär. Seit dem Mittelalter hat sich die bis heute übliche Darstellung
eingebürgert56:
Satzart Form Deutung57
affirmativ-allgemein a-Satz SaP Allen S kommt P zu.
affirmativ-partikulär i-Satz SiP Einigen S kommt P zu.
negativ-allgemein e-Satz SeP Keinem S kommt P zu.
negativ-partikulär o-Satz SoP Einigen S kommt P nicht zu.
56 Die modalen Platzhalter a e i und o leiten sich vom lateinischen affirmo für die beiden
affirmativen Modi und nego für die beiden negativen her.
57 Als ein Verstehensversuch mit den Mitteln heutiger Mathematik lassen sich die aristo-
telischen Satzarten mengentheoretisch formulieren: 1. a-Satz: S ist Teilmenge von P (S ⊆ P).
Das bedeutet, dass S und alles, was außerhalb von P liegt, keine gemeinsamen Elemente
haben (S ∩ P’ = 0). 2. i-Satz: S und P haben eine gemeinsame Schnittmenge (S ∩ P ≠ 0).
3. e-Satz: S und P haben keine gemeinsame Schnittmenge (S ∩ P = 0). 4. o-Satz: S und P
bilden eine Differenzmenge (S \ P). Das bedeutet, dass die Schnittmenge von S und allem,
was außerhalb von P liegt, mindestens ein gemeinsames Element aufweist (S ∩ P’ ≠ 0).
58 BOCHENSKI, Formale Logik, 66–69; Kategorien, übers. K. Oehler (AWDÜ I/1; Berlin,
3
1997) 328–337.
59 Cat. 10,11b16–11,14a23; Top. II 2,109b18f; 8,113b15–114a25; Met. X 3,1054a23ff;
4,1055a38ff; 7,1057a33f. Einzig in Met. V 10,1018a20ff findet sich eine in einem Glied
unterschiedliche Viererreihe (das »Äußerste« statt »Bejahung und Verneinung«).
60 Seit Boethius haben sich diese Fachbegriffe eingebürgert (vgl. Boethius, In Categorias
Aristotelis, IV [PL 64,264B–283D]).
B. Die aristotelische Termlogik 43
Relative, konträre und privative Gegensätze beziehen sich auf das Verhältnis
einzelner Wörter zueinander. Der kontradiktorische Gegensatz hingegen
bezieht sich entweder auf die direkte Verneinung eines Wortes oder auf die
eines ganzen Satzes. Für die Logik ist insbesondere der Unterschied zwischen
»konträr« und »kontradiktorisch« von entscheidender Bedeutung.
Der konträre Gegensatz (henantíon) besteht aus zwei Gliedern, die nicht
aufeinander bezogen sind und die sich naturgemäß derart ausschließen, dass
sie unmöglich einem Subjekt gleichzeitig zukommen können. Sie können aber
beide gleichzeitig einem Subjekt nicht zukommen. So kann z.B. etwas
Weißes nicht zugleich schwarz sein, es kann aber etwas weder weiß noch
schwarz sein; etwas Totes kann nicht lebendig sein, es kann aber etwas weder
tot noch lebendig sein (etwa eine Bratpfanne)61. Der kontradiktorische
Gegensatz verneint Wörter (lebendig, nicht-lebendig) und v.a. wahrheitsdefi-
nite Aussagen62. Dabei gilt notwendigerweise, dass, wenn eine der beiden
Aussagen wahr, die andere falsch sein muss63.
Müssen aber die anderen Gegensatzarten nicht auch notwendigerweise wahr oder falsch sein,
wenn sie in Form von Aussagesätzen auftreten? Aristoteles macht dies abhängig von der
Existenz des Ausgesagten (vgl. Cat. 10,13b12–35): Wenn Sokrates (= S.) existiert, dann
können die konträren Aussagesätze »S. ist gesund«, und »S. ist krank«, nicht gleichzeitig
wahr sein. Wenn der eine Satz wahr ist, ist der andere falsch, und umgekehrt. Wenn aber S.
nicht existiert, sind beide Sätze falsch. Die privativen Aussagesätze »S. hat Sehkraft«, und
»S. ist blind«, sind für den Fall, dass S. existiert, im gegenseitigen Wahrheitswert unbe-
stimmt64. Die kontradiktorischen Aussagesätze »S. ist krank«, und »Es ist nicht der Fall, dass
S. krank ist«, können bei Existenz von S. nicht gleichzeitig wahr sein. Für den Fall jedoch,
dass S. nicht existiert, ist der Satz »S. ist krank«, falsch und der Satz »Es ist nicht der Fall,
dass S. krank ist«, wahr 65.
61 Für manche dieser Mittelwerte gibt es keine passenden Bezeichnungen, so dass man
sich mit der Negation der beiden Gegensätze behelfen muss. Es gibt zwar eine Farbe grau, die
zwischen weiß und schwarz ist, aber für einen Mittelwert zwischen gut und schlecht wählt
Aristoteles das Beispiel: »weder gut noch schlecht«.
62 Cat. 10,13b10–12: »Überhaupt aber ist nichts von dem, was ohne Verbindung gesagt
wird (t¨wn katà mjdemían sumplok`jn legoménwn), entweder wahr oder falsch; und alles
oben Angeführte wird ohne Verbindung gesagt.« (Übers. Oehler, 34)
63 Jedoch ist mit der Negationspartikel Vorsicht geboten, da diese nicht automatisch einen
Satz zu einem kontradiktorischen Gegensatz macht. Wie Aristoteles selbst in Int. 10,19b20–
30 ausführt, gibt es neben der Affirmation »Mensch ist gerecht« auch die Affirmation
»Mensch ist nicht-gerecht«. Die Verneinungen dazu lauten »Mensch ist nicht gerecht« und
»Mensch ist nicht nicht-gerecht«.
64 Aristoteles konstruiert den Fall, dass Sokrates existiert, aber ihm die Natur noch nicht
Sehkraft verliehen hat (z.B. als neugeborenes Kind). In diesem Fall wäre er nicht »blind« zu
nennen, weil er noch keine Sehkraft hatte, der er beraubt worden wäre.
65 Vgl. weiterhin Kategorien, übers. Oehler, 273f.
44 II. Antike Logik im Überblick
Der Gegensatz zwischen den Gliedern der ersten, zweiten und vierten Klasse
wird als als »kontradiktorisch«, der der dritten Klasse als »konträr« bezeich-
net. Die Kategorie der indefiniten Aussagen ist für die Logik sehr problema-
tisch70. Die logischen Beziehungen zwischen den Aussagepaaren der zweiten
66 Diese Ausdifferenzierung ist auch durch die Auseinandersetzung mit den Sophisten
motiviert, gegen deren »Lästigkeiten« Aristoteles zu Felde zieht (Int. 6,17a35–37).
67 Unter »homonym« (oder äquivok) versteht Aristoteles nach Cat. 1,1a1–6 identische
Wortformen, die sich aber auf unterschiedliche Sachen beziehen. So wären die Sätze (1)
»Schlösser sind groß« und (2) »Schlösser sind nicht groß« nur dann eine Kontradiktion, wenn
sich »Schlösser« in beiden Sätzen auf repräsentative Wohnbauten des Adels bezieht und
nicht, wenn in Satz (1) solche Bauten und in Satz (2) eine Schlossvorrichtung an einer Tür
gemeint sind. Ähnlich äußert sich Aristoteles in Soph. el. 5,167a23–27: »Widerlegung ist
nämlich Widerspruch hinsichtlich eines und desselben (‘elegcoß mèn gár hestin hantífasiß
toü ahutoü kaì Henóß) nicht Wortes, sondern Sachverhalts (m`j honómatoß hallà prágma-
toß), und wenn schon eines Wortes, so nicht eines anderen, das in etwa das gleiche
bezeichnet, sondern genau desselben.«
68 Vgl. den Kommentar in Peri Hermeneias, übers. Weidemann (AWDÜ I/2) 202–217.
69 Die gängigen Bezeichnungen (singulär, partikulär, universell, indefinit) gehen auf
Boethius zurück. Drei davon finden sich auch in An. pr. I 1,24a17: ’j kaqólou (universell) ’j
hen mérei (partikulär) ’j hadióristoß (indefinit).
70 Wenn über den Status der Allgemeinheit oder Partikularität eines Satzes nichts gesagt
werden kann, dann kann auch nicht darüber entschieden werden, ob zwei kontradiktorisch
B. Die aristotelische Termlogik 45
und dritten Klasse werden seit der Hermeneutik des Platonikers und Sophisten
Apuleius von Madaura (*125 n.Chr.) und aufgrund der Vermittlung des
Boethius bis in die Gegenwart mit dem sog. »logischen Quadrat« graphisch
ausgedrückt71:
Jedes S ist P (SaP) (A) konträr (E) Kein S ist P = Jedes S ist
nicht P (SeP)
Alle Menschen Kein Mensch ist gut = Alle
sind gut. Menschen sind nicht gut.
Zur Erläuterung: Wenn die Aussage »Alle Menschen sind gut«, wahr ist,
muss die Aussage »Nicht jeder Mensch ist gut«, (oder »Irgendein Mensch ist
nicht gut«) falsch sein, und umgekehrt. Wenn aber die Aussage »Alle
Menschen sind gut«, falsch ist, muss die Aussage »Kein Mensch ist gut«,
nicht zwangsläufig wahr sein. Beide Sätze wären dann falsch, wenn es
zutrifft, dass »einige Menschen gut sind«. Konträre Sätze können zwar nicht
zugleich wahr, im Gegensatz zu kontradiktorischen Sätzen können sie jedoch
zugleich falsch sein. Eine subalterne Beziehung besteht zwischen dem
Universalsatz und dem sich daraus ableitenden Partikulärsatz. Wenn »Jeder
Mensch ist gut«, wahr ist, ist auch »Irgendein Mensch ist gut«, wahr, aber
nicht umgekehrt. »Subkonträr« ist die Umkehrung von »konträr«: Beide
Aussagen können zugleich wahr, aber nicht zugleich falsch sein.
entgegengesetzte Aussagen wahr oder falsch sind. In Int. 8,18a11f bedenkt Aristoteles diesen
Fall, in Int. 12,21b4 und Cat. 10,12b5–25; 13a36–b35 offenbar nicht (mehr?).
71 Vgl. Logic of Apuleius, ed. Londey / Johanson, 86–89.108–112; C. THIEL, Art. Quadrat,
logisch, EPhW 3 (1995) 423–424; TUGENDHAT / WOLF, Propädeutik, 69–73.
46 II. Antike Logik im Überblick
Der Text der An. pr. fährt noch mit einer wichtigen Bestimmung fort:
»Ich meine aber mit ›daraus, dass dieses sind‹ (t¨^w taüta e~inai): ›Es folgt aufgrund dieser‹
(tò dià taüta sumbaínein). Und mit ›es folgt aufgrund dieser‹: Es bedarf keines von außen
(eingeführten) Begriffes (tò mjdenòß ‘exwqen “orou prosdeïn) 74, damit sich die Notwen-
digkeit ergibt (pròß tò genésqai tò hanagkaïon).« (I 1,24b20–22; eig. Übers.)
Ein syllogistischer Schluss ist also eine gegliederte Rede oder ein Satz (lógoß
ist vieldeutig), in dem aus einigen Annahmen (also mindestens zwei) etwas
anderes notwendig folgt75. Oder anders formuliert: In einem Schluss werden
mindestens drei Aussagen dergestalt miteinander verbunden, dass aus den
ersten etwas davon Unterschiedliches folgt. Die Folge muss sich »notwendig«
(hex hanágkjß) aus den Prämissen der Vordersätze ergeben. Es bedarf also
keiner weiteren Erklärungen, damit ihre Notwendigkeit einsichtig wird76.
syntaktische Verknüpfung von mehreren Teilsätzen. »Es ist eine Notwendigkeit: Wenn AaB
und BaC, dann AaC.« 2. Die uneingeschränkte oder absolute Notwendigkeit (I 10,30b40:
Hapl¨wß hanagkaïon) bezeichnet die semantische Verknüpfung von Subjekt und Prädikat
innerhalb eines einzigen Satzes: »A kommt B mit Notwendigkeit zu.«
77 Vgl. dazu M.F. BURNYEAT, Enthymeme: Aristotle on the Logic of Persuasion, in: D.
Furley / A. Nehemas (eds.), Aristotle’s Rhetoric: Philosophical Essays (Princeton, 1994) 14f.
Der Umstand, dass die Syllogistik erst in den Analytiken zur Vollendung kommt, dient als
Hauptbegründung für jene häufig vertretene Entwicklungshypothese, die Top. zeitlich vor An.
pr. ansetzt (vgl. PRIMAVESI, Topik, 60f mit Anm. 6 und 7).
78 J. BARNES, Aristotle’s Theory of Demonstration, Phronesis 14 (1969) 123: »The
method which Aristotle follows in his scientific and philosophical treatises and the method
which he prescribes for scientific and philosophic activity in the Posterior Analytics seem not
to coincide.« BARNES hat daraus die nicht unumstrittene These abgeleitet, dass die Syllogistik
nicht eine Theorie der Forschungspraxis, sondern vielmehr eine der Lehre sein will (vgl. An.
post. I 1,71a1f).
79 PRIMAVESI, Topik, 63–65 setzt diese drei Syllogismusarten mit den drei Arten des
Frage- und Antwort-Logos in Verbindung (Top. VIII 5,159a25–b35; Soph. el. 2,165a38–
b11): Dialog zwischen Übungspartnern (dialektische gumnasía), zwischen Streitenden
(Eristik) und zwischen Lehrer und Schüler (Apodiktik). Apodiktische Syllogismen finden
sich auch außerhalb solcher Dialoge, etwa im einfachen Lehrvortrag. Ferner wäre noch die
rhetorische Situation zu berücksichtigen (vgl. dazu u. S. 63ff).
80 Top. I 1,100a27–29: hapódeixiß mèn o~u n hestin, “otan h ex haljq¨wn kaì pr´wtwn Ho
sullogismòß ~∆ , ’j hek toioútwn “a diá tinwn pr´wtwn kaì haljq¨wn t¨j ß perì ahu tà
gn´wsewß t`j n harc`j n e‘iljfen. Vgl. die sehr ähnliche Formulierung in An. post. I 2,71b20ff.
Nach An. pr. I 1,24a30f muss eine Prämisse im apodiktischen Schluss »wahr und auf dem
Wege über die Voraussetzungen vom Anfang her zur Annahme gelangt« sein (haljq`j ß kaì
dià t¨wn hex harc¨jß Hupoqésewn e˙ljmménj). An. post. I 2,71b17f definiert den Beweis
knapp als »den zum Wissen führenden Schluss« (hapódeixin dè légw sullogismòn
hepistjmonikón).
48 II. Antike Logik im Überblick
andere vermittelt, sondern durch sich selbst die Gewähr besitzen«81, weil sie
entweder selbstevident sind oder als wissenschaftlich bewiesen gelten. Da
solche Sätze nicht abgelehnt werden können, wird die apodiktische Prämisse
in aller Regel nicht als Frage vorgelegt82.
2. Ein dialektischer Syllogismus (Top.) ist ein solcher, »welcher aus
einleuchtenden (Annahmen) (hek hendóxwn) zum Schlussergebnis kommt.«83
Aristoteles selbst präzisiert:
‘ Endoxa »ist aber das, was allen oder den meisten oder den Weisen – und unter ihnen
entweder allen oder den angesehensten und namhaftesten – so erscheint.« (Top. I 1,100b21–
23; eig. Übers.; vgl. auch I 10,104a8–11; I 14,105a34–105b3)
Der so verstandene dialektische Schluss bildet das Herzstück der Argumenta-
tion um ein gestelltes Problem, bei der Schlussfolgerungen nur aus Prämissen
gezogen werden dürfen, die der Dialogpartner zugestanden hat84. Die
Prämisse wird daher – den Gepflogenheiten damaliger Übungsgespräche
entsprechend (s.u. S. 58f) – als Entscheidungsfrage gestellt85. Sie wird dem
Partner zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt und im Falle einer Annahme
als Grundlage für einen Schluss gebraucht.
3. Der rhetorische Schluss (Rhet.), der auch »Enthymem« genannt wird,
gründet auf Regeln, Hinweisen und Sentenzen und dient v.a. als Beweismittel
für den sachlichen Teil einer öffentlichen Rede.
4. Ein eristischer Syllogismus (Soph. el.) ist ein spitzfindiger und auf Streit
ausgerichteter (so der Sinn des griech. heristikóß) Schluss:
81 Top.I 1,100a30–100b21: tà m`j dih Hetérwn hallà dih ahut¨wn ‘econta t`jn pístin.
Aristoteles erklärt sofort: »Man darf nämlich bei den wissenschaftlichen Anfangsgründen
(hepistjmonikaïß harcaïß) nicht nach dem ›aufgrund wovon?‹ (tò dià tí) suchen, sondern
(muß annehmen), daß jede der Anfangsannahmen (t¨wn harc¨wn) selbst für sich selbst
beglaubigt ist (kaqh Heaut`j n e~inai pist´jn).«
82 An. pr. I 1,24a24: ohu gàr herwt^ä h allà lambánei Ho hapodeiknúwn.
83 Top. I 1,100a29f: dialektikòß dè sullogismòß Ho h ex h endóxwn sullogizómenoß.
Bei diesen Prämissen handelt es sich nicht einfach um »wahrscheinliche Sätze« (so die
Rolfes-Übersetzung), sondern um allgemein »akzeptierte« Sachverhalte, die von der
gelehrten Mehrheit geteilt werden (opinio communis). H ÖFFE, Aristoteles, 54f: »Endoxa
haben aber nichts mit objektiver (statistischer) Wahrscheinlichkeit (probabilitas) zu tun. [...]
Gemeint ist auch nicht eine subjektiv begrenzte Gewißheit (verisimilitudo), schließlich nicht
der erkenntnistheoretische Umstand, daß es für manche Aussagen statt hinreichender nur
einleuchtende Gründe gibt. Der Ausdruck ist nämlich nicht abschwächend, sondern
verstärkend gemeint; es geht um Aussagen, die nach allem, was man bislang weiß, richtig
sind.« Vgl. weiterhin PRIMAVESI, Topik, 33, Anm. 11.
84 KAPP, Ursprung der Logik, 8.
85 Top. I 10,104a9f (hesti dè prótasiß dialektik`j h er´wtjsiß ‘ endoxoß); vgl. auch An.
pr. I 1,24a24f (Hj dè dialektik`j her´wtjsiß hantifáse´wß hestin). In 24b12 verweist
Aristoteles ausdrücklich auf die Topik (kaqáper hen toïß Topikoïß e‘irjtai).
B. Die aristotelische Termlogik 49
»der aus anscheinend Einleuchtendem, das es in Wirklichkeit aber nicht ist, (erfolgt), und der,
welcher aus Einleuchtendem oder anscheinend Einleuchtendem nur scheinbar zusammen-
kommt« 86.
Aristoteles geht offenbar von zwei Grundformen aus: Ein Schluss auf der
Grundlage von nur scheinbar akzeptablen Prämissen87 und ein scheinbarer
Schluss auf der Grundlage von akzeptablen Prämissen. Letzteres verdient
jedoch nicht die Bezeichnung »Schluss« (Top. I 1,101a3f)88.
Schluss Annahmen Verwendung Form Schrift
apodiktisch Wahres, Evidentes, Beweis, wissen- Wissenschaftl. An. pr.
Bewiesenes schaftl. Erkenntnis Untersuchung
dialektisch Akzeptiertes Gespräch, Persuasion, Frage – Antwort Top.
Argumentation
rhetorisch Hinweise, allg. Öffentliche Rede Inventio-Teil der Rhet.
anerkannte Regeln Rede, Enthymem
eristisch scheinbar Akzeptiertes Streitrede Dialog Soph. el.
Aus dieser Einteilung gehen zwei wichtige Aspekte hervor: 1. Das charakteri-
sche Merkmal eines gültigen Schlusses ist der »Wahrheitstransfer« von den
Prämissen zur conclusio. Wenn also die Prämissen wahr sind, muss die
Konklusion auch wahr sein. Damit im Überzeugungsgespräch ein Schluss als
gültig angesehen werden kann, reicht es aus, dass die Prämissen von beiden
Partnern akzeptiert werden89. 2. Ein Syllogismus kann bei Aristoteles
verstanden werden als eine Form eines gültigen Arguments90. Dabei liegt der
Unterschied zwischen apodiktischem und dialektischem Schluss nicht in der
Stringenz der Beweiskette (beiden liegt ja die gleiche Grunddefinition
zugrunde), sondern »im Grad der Evidenz«91. Darin wird nicht zuletzt auch
die enge Verzahnung von abstrakter Logik und praktischer Argumentation
erkennbar.
92 ImRahmen der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit kann auf die »Meta-Logik« des
Aristoteles verzichtet werden. Weite Teile der An. post. kommen daher hier nicht zur
Sprache. Vgl. dazu LEAR, Aristotle and Logical Theory; PATZIG, Syllogistik, 137–196.
93 HÖFFE, Aristoteles, 49 hält es für möglich, dass Aristoteles Gepflogenheiten aus Debat-
ten im akademischen Disputationsbetrieb systematisiert. Konkrete Hinweise fehlen jedoch.
94 Vgl. zum Folgenden PATZIG , Syllogistik, 11–24.
95 Diese Deutung ist von LUKASIEWICZ, Aristotle’s Syllogistic, 30–30 und dann von
PATZIG, Syllogistik vertreten worden.
B. Die aristotelische Termlogik 51
96 Deswegen fällt es in der aristotelischen Formulierung einfacher, sich mit der Tatsache
anzufreunden, dass gültige Schlüsse auch mit falschen Prämissen gebildet werden können.
Vgl. etwa den Satz: »Wenn alle Gelehrten Brillen tragen und Theologinnen Gelehrte sind,
dann tragen Theologinnen Brillen.« Dieser Satz ist als Konditionalperiode wahr, unabhängig
von der Frage nach der Wahrheit der beiden Prämissen.
97 So der Haupteinwand von LEAR, Aristotle and Logical Theory, 8–11.
98 Die wenigen Ausnahmen stehen entweder in Beispielsätzen für unkorrekte Schlüsse
(An. pr. II 27,70a16ff) oder als Terme, aus denen nichts geschlossen werden kann (An. pr.
I 33,47b15ff).
99 An. pr. I 27,43a25–43; 43b12f.
100 Wird Gott als das Allgemeinste gedacht, dann hätte dies zur Konsequenz, dass »Gott«
nicht Teil eines wissenschaftlichen Syllogismus sein kann.
101 Man kann zwar sagen »Sokrates ist ein Mensch«, aber man kann nicht sagen »einige
Menschen sind Sokrates«. Am Rande sei vermerkt, dass FREGE eine sehr viel tiefere Analyse
der Beziehung zwischen »Begriff« (als Bedeutung eines grammatikalischen Prädikats) und
Gegenstand (als Bedeutung eines Nomens) geliefert hat, die sich im Nachhinein als
philosophische Begründung für die vorsichtige Vorgehensweise des Aristoteles lesen lässt
(vgl. Über Begriff und Gegenstand [1892], in: Ders., Funktion, Begriff, Bedeutung, 66–80).
Ob Aristoteles sich über diese Probleme bewusst war, steht auf einem anderen Blatt.
102 Einfache Aussagesätze benutzt er gelegentlich, um konkrete Begriffe einzuführen
(z.B. An. pr. I 2,25a6.9; II 27,70a21.26f), jedoch nicht wenn er mit Variablen arbeitet.
103 An. pr. I 4,26a25.36f; 26b3.
104 An. pr. I 4,25b37ff; I 2,24b27; I 2,25a1f.
105 An. pr. I 4,26a2; 4,26b6; 27,43b4.
52 II. Antike Logik im Überblick
einem Ganzen« (hen “ol^w e~inai “eteron Hetér^w)106. Manche dieser Formulie-
rungen legen eine Analogie zur modernen Mengenlehre nahe107. Der Sokra-
tes-Syllogismus müsste also aristotelisch umformuliert werden:
»Wenn allen Menschen das Sterblichsein zukommt und wenn allen Hellenen das Menschsein
zukommt, dann kommt allen Hellenen das Sterblichsein zu.«
b) Die Schlussfiguren
Das besondere Merkmal der Syllogistik ist das Verfahren der hanálusiß (An.
pr. I 38,49a19), in dem es darum geht, Terme (“oroi) zu finden und so
anzuordnen, dass die Konklusion mit Notwendigkeit folgt. Aristoteles arbeitet
dabei in den Beispielsätzen immer mit drei Termen: Oberterm (P), Unterterm
(S) und Mittelterm (M). Seine Fragestellung ist rein formaler Art112: Welche
»Figuren« (sc´jmata) lassen sich formal bestimmen, die unabhängig von den
eingesetzten Begriffen immer dann zu wahren Konklusionen führen, wenn die
Prämissen wahr sind? Die erste und grundlegende Figur definiert Aristoteles
wie folgt:
»Wenn drei Begriffe (“oroi) sich so zueinander verhalten, daß der letzte in dem mittleren ganz
enthalten ist (hen “ol^w e~inai) und der mittlere in dem ersten ganz entweder enthalten ist oder
nicht enthalten ist, dann muß sich notwendig (hanágkj) für die Eckbegriffe ein vollkommener
Schluß (sullogismòn téleion) ergeben. […] Wenn nämlich A von jedem B und B von
jedem C (ausgesagt wird), so ist notwendig: A wird von jedem C ausgesagt (katjgoreïs-
qai). […] Entsprechend aber auch, wenn A von keinem B, B dagegen von jedem C
(ausgesagt wird, dann gilt), daß A an keinem C vorliegen wird.« (An. pr. I 4,25b30–26a2)
Als Satz ausgedrückt: Wenn alle M P sind und alle S M sind, dann sind alle S
P. In »traditioneller« Darstellung:
Alle M sind P MaP [Große Prämisse oder maior]
Alle S sind M SaM [Kleine Prämisse oder minor]
Alle S sind P SaP [Konklusion]
Die folgenden Regeln sind zu beachten: a) Es kommen drei verschiedene
Terme vor. b) In der Konklusion darf kein neuer Term auftreten. c) Der
Mittelterm muss in beiden Prämissen erscheinen und sich auf den gleichen
Inhalt beziehen. d) Der Mittelterm erscheint nicht in der Konklusion.
Aristoteles erkannte, dass nicht nur die Satzart (affirmativ, negativ,
allgemein und partikulär), sondern auch die Stellung des Mittelterms von
entscheidender Bedeutung für die logische Struktur des Syllogismus ist.
Bei den Syllogismen der ersten Figur steht der Mittelterm in der großen Prämisse in der
Subjekt- und in der unteren Prämisse in der Prädikatstellung. Wenn zwei Allgemeinaussagen
derart angeordnet sind, kann eine davon unterschiedliche Allgemeinaussage als notwendiger
Schluss gezogen werden. Wenn der Mittelterm z.B. in beiden Prämissen in der Prädikatstel-
lung erscheint, kann aus zwei Allaussagen nicht mehr auf eine davon unterschiedliche
Allaussage notwendig geschlossen werden, wie sich aus dem folgenden Fehlschluss leicht
ersehen lässt: »Wenn alle Männer Menschen sind und wenn alle Frauen Menschen sind, dann
sind alle Frauen Männer.«
113 Das Fehlen der vierten Figur ist auffällig in Anbetracht der Tatsache, dass Aristoteles
für sein System Vollständigkeit beansprucht (An. pr. I 23,41b1–3). LUKASIEWICZ, Aristotle’s
Syllogistic, 27 spricht von einem Flüchtigkeitsfehler, aber nach PRANTL, Geschichte der
Logik, I, 367 ist diese Figur wissenschaftlich »schlechthin wertlos«; KANT nennt sie
»unnatürlich« (»Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren«, [1762] in:
Vorkritische Schriften, hrsg. A. Buchenau [Immauel Kants Werke 2; Berlin, 1912] 57;
ähnlich Prior and Posterior Analytics, ed. W.D. Ross, 34f). PATZIG, Syllogistik, 117–127
schlägt vor, dass Figur IV im Rahmen der aristotelischen Methode gar nicht von Figur I
unterschieden werden kann.
54 II. Antike Logik im Überblick
drei Teilsätze (2 Prämissen und eine Konklusion) verteilen, ergibt das in jeder
Figur 43 = 64 Kombinationsmöglichkeiten. Berücksichtigt man (wie seit dem
frühen Mittelalter üblich) die Syllogismen der vierten Figur gibt es eine
Anzahl von 256 Syllogismen. Davon sind insgesamt 24 Schlussformen
logisch gültig114:
Figur I: a-a-a; [a-a-i]; a-i-i; e-a-e; [e-a-o]; e-i-o
Figur II: a-e-e; [a-e-o]; a-o-o; e-a-e; [e-a-o]; e-i-o
Figur III: a-a-i; a-i-i; e-a-o; e-i-o; i-a-i; o-a-o
Figur IV: a-a-i; a-e-e; [a-e-o]; e-a-o; e-i-o; i-a-i
Die Figur I beinhaltet in der Konklusion alle vier Modi (a, e, i, o), Figur II nur
zwei (e, o), Figur III ebenso zwei (i, o). Aristoteles unterscheidet weiterhin
zwischen vollkommenen Schlüssen, deren Gültigkeit direkt evident ist (das
gilt nur für die der ersten Figur!) und unvollkommenen Schlüssen, deren
Schlüssigkeit nur indirekt evident ist, nämlich durch ihre Rückführung auf
vollkommene Schlüsse (An. pr. II 1,52b38–53b3)115. Seit dem Mittelalter
werden die gültigen Syllogismen mit folgendem Merkspruch bezeichnet116.
Barbara, Celarent primae, Darii Ferioque;
Cesare, Camestres, Festino, Baroco secundae;
Tertia grande sonans recitat Darapti, Felapton,
Disamis, Datisi, Bocardo, Ferison; quartae
sunt Bamalip, Calemes, Dimatis, Fesapo, Fresison.
Bei der Induktion kommt der Wahrnehmung eine zentrale Rolle zu:
»Einsichtig ist auch: Wenn es an einer bestimmten Sinneswahrnehmung (tiß a‘isqjsiß)
mangelt, dann muß es auch an einem bestimmten Wissen (hepist´jmjn) mangeln, das man
dann unmöglich ergreifen kann, – wenn wir uns doch Wissen aneignen über Heranführung
oder Beweis (manqánomen ’j hepagwg¨∆ ’j hapodeíxei), und es erfolgt der Beweis von den
allgemeinen Aussagen aus (‘esti dh Hj mèn hapódeixiß hek t¨wn kaqólou), die Heranführung
dagegen von Aussagen über Teilbereiche aus (Hj dh hepagwg`j hek t¨wn katà méroß), und es ist
unmöglich, das allgemeine ›über alles‹ zum Betrachtungsgegenstand zu machen, wenn nicht
über Heranführung (hadúnaton dè tà kaqólou qewr¨jsai m`j dih hepagwg¨jß).« (An. post.
I 18,81a38–81b2)
125 DÜRING, Aristoteles , 69–87; HÖFFE, Aristoteles, 53–8; Topics, transl. Smith.
126 In Rhet. I 2,1358a12–14 definiert Aristoteles tópoi als »die allgemeinen Gesichts-
punkte (oÓ koinoí) in Bezug auf Recht, Natur, Politik und vieles andere verschiedener Art,
wie beispielsweise der Topos des Mehr und Weniger.« (übers. Sieveke, 19); vgl. weiterhin
Rhet. II 22,1396b30; 1397a7; II 26,1403a17f (tópoß = stoiceïon). Cicero, Top. 2,7 führt den
technischen Begriff »Topos« klar auf Aristoteles zurück: »Wie also das Auffinden von
Dingen, die im verborgenen liegen, dann leicht ist, wenn die Stelle gezeigt und bezeichnet ist,
so müssen wir, wenn wir irgendein Argument aufspüren wollen, erst einmal die ›Stellen‹
(locos) kennen; so nämlich sind diese – man könnte sagen ›Sitze‹ (sedes) – von Aristoteles
genannt worden, aus denen man die Argumente hervorholt.« (übers. Bayer, 10f) Die
lateinische Rhetoriktradition entwickelte die Lehre von den Loci als Teil der inventio (vgl.
Quintilian V,10,20: »›Stellen‹ (locos) nenne ich […], wo die Beweise ihren Sitz haben (sedes
argumentorum), wo sie sich verbergen und man sie suchen muß.« [Rahn, I, 554f]).
127 FLASHAR, Aristoteles, 327; PRIMAVESI, Topik, 83–88. Obwohl der Syllogismus zentral
für die Topik ist, wird in den Büchern II bis VII,2 nur äußerst spärlich darauf Bezug
genommen. Das erklärt sich aus dem methodisch-praktischen Interesse dieser Schrift.
128 So schreibt er am Ende von Buch 7: »Die Gesichtspunkte (tópoi), mittels derer wir
reichlich Vorrat haben, an jede gestellte Aufgabe Hand anzulegen, sind somit in etwa
vollständig aufgezählt.« (Topik VII 5,155a36f)
129 Im Unterschied zu Platon ist für Aristoteles Dialektik eine Kunstfertigkeit wie Rheto-
rik oder Medizin (DÜRING, Aristoteles, 78). In der mittelalterlichen Loci-Tradition kam es
allerdings zu einer Verwechslung der Loci mit den Argumenten selbst. Dadurch kam im 17.
und 18. Jh. die Topik als unnütz in Verruf. Beim Auswendiglernen der Loci würde man – so
hieß es – das Nachdenken unterlassen. Vgl. K. PETRUS, Genese und Analyse: Logik, Rhetorik
und Hermeneutik im 17. und 18. Jahrhundert (QSP 43; Berlin, 1997) 23–28.
58 II. Antike Logik im Überblick
Der »Sitz im Leben« der Topik ist in den Schuldebatten und Argumentati-
onsübungen in der Akademie zur Zeit Platons zu suchen130. Die Vorgehens-
weisen solcher verbalen Schlagabtausche waren klar geregelt:
In der von der Topik her vorausgesetzten Standardsituation stehen sich im Gespräch zwei
Diskussionspartner gegenüber, die die Rolle des Fragestellers (Ho herwt¨wn) und des Antwor-
tenden (Ho hapokrinómenoß) übernehmen (z.B. I 18,108a23)131. Beide einigen sich auf einen
Diskussionsgegenstand, der die Form eines bejahenden Aussagesatzes hat. Das Gespräch
wird dadurch eröffnet, dass der Fragesteller dem Antwortenden den Gegenstand als
Wahlfrage (próbljma) wörtlich »vor-wirft« (probállein) 132. Wenn der Antwortende
daraufhin eine Position bezieht (qésiß), ist es Aufgabe des Fragestellers, diese anzugreifen
(hepiceiréw). Je nachdem ob der Antwortende die Wahlfrage bejaht oder verneint, ist der
Fragesteller bestrebt, den Sinn des Satzes »aufzuheben« (hanairéw, hanaskeuázw) oder
diesen »aufzurichten« (kataskeuázw). Dieses Ziel versucht der Fragesteller anzusteuern,
indem er Schlüsse zieht (sullogízomai), für die er der Zustimmung seines Gesprächspart-
ners bedarf. Daher versucht er durch Entscheidungsfragen (protáseiß), die er diesem
»hinstreckt« (proteínw), sein Einverständnis zu erzielen 133. Dabei muss er taktisch so
vorgehen, dass die Verwendungsmöglichkeiten der Prämissen dem Gegner nicht sofort
deutlich werden. Durch Fragen gelangt also der Fragesteller zu den Prämissen, die er dann
einsetzt, um die Conclusio (tò sumpérasma) ziehen zu können, die das kontradiktorische
Gegenteil der anfänglichen Position des Antwortenden zum Inhalt haben muss134.
130 DiesePraxis kann relativ genau aus Top. I 10,104a3–11,105a9 und VIII erschlossen
werden. Ich folge hier der Zusammenfassung in PRIMAVESI, Topik, 38–40. Ausführlicher
dazu P. SLOMKOWSKI, Aristotle’s Topics (PhAnt 74; Leiden, 1997) 9–42. Die meisten der
Beispiele in der Top. entnimmt Aristoteles den Werken Platons und den Diskussionen in der
Akademie (vgl. I. DÜRING, Aristoteles, RE Suppl. 11 [1968] 189ff), so dass wir hier eine
kreative Fortführung der platonischen Dialektik, bzw. eine methodische Systematisierung der
Dihairesismethode Platons finden, mit der Aristoteles einer Forderung Platons selbst
nachkommt (Platon, Soph. 253b.c). Vgl. zum Verhältnis der Top. zu Plato FLASHAR,
Aristoteles, 326–328.
131 Das Frage-Antwort-Spiel ist für die aristotelische Dialektik grundlegend. Die Ur-
sprünge dieser Form von Wahrheitsfindung gehen auf Sokrates zurück.
132 In Top. I 10–11 geht Aristoteles ausführlich darauf ein, was im Gespräch als Frage
(prótasiß) und Problem (próbljma) annehmbar ist. Beispiele solcher »Wahlfragen« finden
sich in I 4,101b32f (»Ist ›zweifüßiges Landlebewesen‹ eine Definition des Menschen oder
nicht?«); I 11,104b7f (»Ist Lust erstrebenswert oder nicht? Ist die Welt ewig oder nicht?«).
133 Der Unterschied zwischen der als Frage formulierten Aufgabe (próbljma) und einer
im Gesprächsverlauf fallenden Entscheidungsfrage (prótasiß) ist v.a. formeller Art (Top.
I 4,101b26–36): Als próbljma gilt im dialektischen Gespräch eine Frage, die einer weiteren
Diskussion bedarf (z.B. »Ist es der Fall [ãrá ge], daß ›zweifüßiges Lebewesen, zu Lande
lebend‹ die Definition von ›Mensch‹ ist?«), während die Entscheidungsfrage auf eine
einfache Ja-oder-Nein-Antwort abzielt (z.B. »Ist ›zweifüßiges Lebewesen, zu Lande lebend‹
die Definition von ›Mensch‹ oder nicht?«). Das »Problem« ist demnach disjunktiv, die
»Wahlfrage« dagegen suggestiv (Zekl, 601, Anm. 64).
134 Die Fragen sind Lockmittel, um die eigene Meinung zu begründen. Der Antwortende
muss »auf der Hut sein vor Konzessionen, die dem Fragenden zu seiner Schlußfolgerung
verhelfen könnten. Denn wenn der Fragende zu seiner Schlußfolgerung gelangt, ist der
B. Die aristotelische Termlogik 59
Die Dialektik steht im Dienst der Wahrheit. Es geht ihr nicht einfach um den
möglichst schnellen Sieg141. Sie hat jedoch eine negative Grundtendenz: am
Ende bewährt sich indirekt nur das, was allen Kritikversuchen zu widerstehen
vermag.
1. Eine Definition (“oroß) ist für Aristoteles eine Rede – also mehr als ein
gleichbedeutendes Wort –, die das Wesen, die Essenz, die Substanz von etwas
bezeichnet144. Die schwer verständliche Wendung tò tí ~jn e~inai (wörtlich:
»das Was-es-zu-sein-war«) bezieht sich auf das, was es für X bedeutet, X zu
sein145. Es gibt neben der Definition im strengen Sinne auch definitorische
Bestimmungen, wie z.B. »Das Schöne ist das Anständige«, die aber dem
gleichen Kriterium unterliegen, wesentlich zwischen Identität und Differenz
zu scheiden. Eine bei Aristoteles sehr häufige Definition von Mensch wäre
z.B. »zweibeiniges, zu Lande lebendes Lebewesen« (Top. I 4,101b30f).
2. Als Proprium (‘idion) gilt, was zwar nicht das Wesen eines Gegenstan-
des bezeichnet, aber doch etwas, was nur diesem eigentümlich ist und
»wechselweise voneinander ausgesagt« werden kann146. Die Forderung der
wechselseitigen Aussagbarkeit ist nicht leicht zu deuten. In der modernen
Forschung vermutet man dahinter die Koextension beider Begriffe147: Wenn
A das Proprium von B ist, dann wäre umgekehrt auch B ein Proprium von A.
So wäre z.B. der Schlaf kein Proprium des Menschen, weil dies auch auf
andere Lebewesen zutrifft, die Schreibfähigkeit jedoch wäre ein Proprium
(zumindest nach damaliger Auffassung). Eine genaue Abgrenzung jedoch zur
»Definition« wird durch den Begriff des »Wesentlichen« erschwert148.
149 In
Top. V 1,128b34–129a5 unterscheidet Aristoteles vier Arten des Propriums: gat-
tungsbildende Unterschiede (kaqh aHutó), Relationsattribute (pròß “eteron), immer
vorhandenes Proprium (haeí) und zeitweilig vorhandenes Proprium (poté).
150 Top. I 5,102a31f: Génoß dh hestì tò katà pleiónwn kaì diaferóntwn t¨^w e‘idei h en
t¨^w tí hesti katjgoroúmenon. Zur Unterscheidung zwischen »Gattung« und »Art« vgl.
Topics, transl. Smith, 63f.
151 Top. I 5,102b4–7: Sumbebjkòß dé h estin ”o mjdèn mèn toútwn hestí, m´jte “oroß
m´jte ‘idion m´jte génoß, Hupárcei dè t¨^w prágmati, kaì ”o hendécetai Hupárcein Hot^woün
Henì kaì t¨^w ahut^¨w kaì m`j Hupárcein. Der Terminus technicus sumbebjkóß ist Part. Perf.
von sumbaínw (»zusammenkommen, zutreffen, sich ereignen, widerfahren«).
152 Zahlenangaben nach der Einleitung, in: Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, LXXVI, CVIII–
CXV.
62 II. Antike Logik im Überblick
153 Aristotelesgeht hierbei nach dem »dihairetischen« Prinzip von Trennen und Definie-
ren vor.
154 In Top. I 14,105b20f zählt Aristoteles mérj tría auf: aÓ mèn gàr hjqikaì protáseiß
e˙sín, aÓ dè fusikaí, aÓ dè logikaí.
155 Aristoteles stellt bereits die Forderung des Quellenbelegs: »Dazu muß man anmerken,
daß es Meinung dieses oder jenes Mannes ist.« (Top. I 14,105b16)
156 In Top. VI 6,143b3–10 unterscheidet Aristoteles entsprechend zwischen »Unter-
schieden der Gattung« (toü génouß diaforá) und »artbildenden Unterschieden« (e˙dopoiòß
diaforá).
B. Die aristotelische Termlogik 63
sich analoge Strukturen finden (z.B. das Wissen verhält sich zu dem, was man
wissen kann, wie die Wahrnehmung zum Wahrnehmbaren). Gehören sie aber
zur gleichen Gattung, dann sind gemeinsame Merkmale, die die Ähnlichkeit
begründen, zu suchen.
d) Würdigung
Die Topik gewährt zwar einen anderen Blickpunkt auf praktische Anwendun-
gen der Logik, sie erweist sich jedoch wesentlich sperriger gegenüber den
Interessen der modernen Logik als die Syllogistik. Hier ist Logik kein
formales Analyseinstrument zur Prüfung der Gültigkeit von Schlüssen,
sondern ein Übungsfeld für das Auffinden von schlagenden Argumenten. In
ihrer kaum überschaubaren Vielfalt und fehlenden Systematizität ist die
aristotelische Topik exegetisch schwer anzuwenden157.
J. FRIED (Hrsg.), Dialektik und Rhetorik im früheren und hohen Mittelalter (Schriften des
Historischen Kollegs: Kolloquien 27; München, 1997).
161 Vgl. die relativ häufigen Hinweise auf die Analytiken in Rhet. I 2,1356b9; 1357a30;
1357b25; II 25,1403a5.12.
162 Die Rhetorik umfasst folgerichtig auch eine Sammlung von Topoi (Rhet.
II 22,1395b20–24,1402a29). Hier kann sich der Redner heuristische Hilfestellung holen, um
für den inventio-Teil der Rede die angebrachten Enthymeme zu finden.
163 In An. pr. II 23,68b9–13 stellt er fest, »daß nicht nur die dialektischen und apodikti-
schen Schlüsse (oÓ dialektikoì kaì hapodeiktikoì sullogismoí) durch die aufgeführten
Figuren (scjmátwn) gehen, sondern auch die rhetorischen (oÓ Hrjtorikoí) und überhaupt
jedes Mittel zur Überzeugung, welches auch immer und einerlei, nach welchem Verfahren
(méqodon) herbeigeführt.« (eig. Übers.)
164 Rezeptionsgeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass in der einflussreichen
arabischen Aristoteles-Tradition Rhetorik und Poetik noch als Teil des Organon angesehen
und nicht wie in den modernen Editionen auseinandergerissen wurden. Vgl. dazu BLACK,
Rhetoric and Poetics.
B. Die aristotelische Termlogik 65
(parafuéß ti t¨jß dialektik¨j ß e~inai kaì t¨jß perì tà ‘jqj pragmateíaß), die die
Bezeichnung ›Staatskunst‹ (politik´j n) 165 verdient.« (Rhet. I 2,1356a1–28 übers. Krapinger,
12f)166
165 Die Rhetorik ist natürlich nicht einfach eine um politisches Wissen erweiterte Dialek-
tik, denn als técnj bringt sie auch eigene Leistungen hervor.
166 Vgl. den Rückbezug auf diesen Text in I 4,1359b9–11 und einen Abschnitt ähnlichen
Inhalts in II 1,1377b20ff. Zur Auslegung des Textes W.M.A. GRIMALDI, Aristotle, Rhetoric I:
A Commentary (New York, 1980) 38–45. Cicero empfiehlt unter Rückbezug auf diesen
Anfangstext der aristotelischen Rhetorik, dass sich der Redner Kenntnisse in der »benachbar-
ten Disziplin der Dialektik« aneignen sollte (Orator 32,113f = FDS, 38). Dort berichtet er
auch davon, wie Zenon, der Gründer der Stoa, das Verhältnis von Logik und Rhetorik
gestisch zu erklären pflegte: »Er preßte nämlich die Finger zusammen und machte eine Faust;
dazu erklärte er dann, so sei die Dialektik; wenn er andererseits die Finger auseinanderspreiz-
te und die Hand öffnete, dann erklärte er, die Beredsamkeit ähnele dieser flachen Hand.«
(Orator 32, 113 = FDS, 38)
167 Es gibt nach Rhet. I 2,1355b35–39 neben den písteiß ‘entecnoi auch nicht-
rhetorische Überzeugungsmittel (písteiß ‘atecnoi), wie z.B. Zeugen, Folterungen,
Schriftdokumente usw. Die nicht-rhetorischen Beweismittel liegen vor, die rhetorischen
müssen erst »gefunden« (inventio) werden. Die spätere lateinische Nomenklatur unterscheidet
entsprechend zwischen genus artificiale probationum und genus inartificiale probationum.
168 Die »Überredung« oder »Überzeugung« (peíqein) gilt in der gesamten Antike als die
dominante Funktion der Rhetorik. Rhetorik als »Kunst des schönen Ausdrucks« (e~u légein)
tritt demgegenüber zurück. Vgl. dazu MARTIN, Antike Rhetorik 2–4.
169 Vgl. zum semantischen Spektrum des aristotelischen pístiß-Begriffs SPRUTE, Enthy-
memtheorie, 59f. GRIMALDI, Aristotle Rhetoric I, 39 betont zu Recht, dass es bei den drei
elementaren písteiß um sprachliche Ausdrucksweisen geht, weswegen hier am ehesten die
Bedeutung »Überzeugungsmittel« ins Zentrum gerückt wird.
170 Der griech. Chamäleonbegriff lógoß schwankt in der Rhetorik des Aristoteles zwi-
schen allgemein »Rede« und spezifisch »Argument« oder »logisch-sachliche Erklärung«.
66 II. Antike Logik im Überblick
Mit einem solch umfassenden Modell verfolgt der Philosoph die Absicht,
einer funktionellen Reduktion der Rhetorik auf den Aspekt der Affektsteue-
rung einen Riegel vorzuschieben (vgl. Rhet. I 2,1356b16f)171. Dieses Zusam-
menwirken ethischer, pathetischer und sachlicher Überzeugungsmittel gehört
seit Aristoteles in verschiedenen Variationen zum rhetorischen Grundwis-
sen172. Die bleibende Aktualität des aristotelischen Dreierschemas wird durch
die moderne Argumentationsforschung indirekt dadurch bestätigt, dass
weiterhin die Entstehung und Veränderung von Überzeugungen im Hinblick
auf Sender, Empfänger und Nachricht untersucht werden (Sender ≈ Ethos;
Empfänger ≈ Pathos; Nachricht ≈ Logos)173.
Es bleibt insgesamt umstritten, ob Aristoteles dem sachlichen Argument
innerhalb dieser Trias eine vorrangige Stellung zugewiesen hat.
Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass in Rhet. I 1,1354a1–1355b25 – in scharfer
Abgrenzung gegenüber bisherigen Entwürfen – eine rhetorische Methode in Aussicht gestellt
wird, die beinahe ausschließlich an der Logik orientiert zu sein scheint. Der Argumentations-
gang in I 1,1355a3–15 führt zwangsläufig zu einer Vorrangstellung des syllogismusartigen
Enthymems. Ein guter Redner zeichnet sich dadurch aus, dass er ein guter »Enthymematiker«
ist (I 1,1354b21f: henqumjmatikóß). Die »Königswürde« des Enthymems als s¨wma t¨j ß
Vgl. dazu GRIMALDI, Aristotle, Rhetoric I, 39f; J.M. COOPER, Ethical-Political Theory in
Aristotle’s Rhetoric, in: Furley / Nehamas, Aristotle’s Rhetoric, 197, Anm. 8.
171 Dass die Rhetorik sich nie völlig aus dem Gefahrenbereich dieser Reduktion bewegen
konnte, bedarf im Zeitalter massenmedialer Überzeugungsmechanismen keiner weiteren
Begründungsversuche. Rhet. I 1,1354a14–18: Die bisherigen Rhetorik-Bücher »sprechen
nämlich nicht von den Enthymemen, worin doch gerade die Grundlage der Überzeugung
besteht; was jedoch außerhalb der eigentlichen Aufgabe liegt, damit befassen sie sich
zumeist: Denn Verdächtigung, Mitleid, Zorn und dergleichen Affekte der Seele zielen nicht
auf die Sache selbst, sondern auf den Richter.« (übers. Sieveke, 7)
172 Einige Beispiele in chronologischer Reihenfolge: Dionysius Halic. (I v.Chr.), Lys
19,1–4 unterteilt die rhetorischen Beweisformen (písteiß) ähnlich in prägma (im Sinne von
»Sache«), páqoß und ~jqoß und zeigt in allen drei Bereichen Stärken und Schwächen in der
Rhetorik des Lysias auf (ed. Usher, 60f). Für Cicero (I v.Chr.) sind die drei Formen der
rhetorischen Überzeugung (fides): »die Herzen gewinnen« (concilientur animi), »belehren«
(doceantur) und »gefühlsmäßig bewegen« (moveantur) (De Orat II,121 = Merklin, 280f; vgl.
auch II,115.128.310; in PartOrat 13,46 nennt er allerdings nur Glaubwürdigkeit und
Gefühlsregung). Ähnlich sieht Quintilian (I n.Chr.) die drei Pflichten oder Aufgaben (officia)
des Redners als Lehren (docere), Bewegen (movere) und Unterhalten (delectare) (III,5,2; V,
pr. 1; 8,3; VIII, pr. 7; IX,2,4; 4,4; X,1,119; 2,27; XI,1,6; XII,2,11; 10,43.59). Noch im Athen
des 3. Jhs. n.Chr. äußert sich der Rhetor Minukianos, Epich 1 (ed. Hammer, 340, Z. 8f) ganz
im Sinne des Aristoteles: t¨wn dè hentécnwn pístewn aÓ mén e˙sin hjqikaí, aÓ dè paqjti-
kaí, aÓ dè logikaí, aÓ ahutaì kaì pragmatikaí. Vgl. zum Beweis als wichtigsten
Bestandteil der inventio MARTIN, Antike Rhetorik, 95–137 und zur Rolle von Ethos und
Pathos in der Antike die Studie von J. WISSE, Ethos and Pathos from Aristotle to Cicero
(Amsterdam, 1989).
173 Ähnlich WISSE, Ethos and Pathos, 6. Die sachliche Nähe zu Aristoteles ist etwa in
FØLLESDAL u.a., Rationale Argumentation, 5–30 offensichtlich. Ähnliche triadische Modelle
finden sich häufig in der Literatur- und Kommunikationswissenschaft.
B. Die aristotelische Termlogik 67
pístewß (I 1,1354a15) oder als kuri´wtaton t¨wn pístewn (I 1,1355a7f) weicht aber ab I 2
einer gleichberechtigten Stellung neben Ethos und Pathos (vgl. z.B. die lange Beschäftigung
mit Gefühlen und Zuhörerpsychologie in II 2–14). Diese Unterschiede sind häufig als Anlass
für weitreichende entstehungsgeschichtliche Theorien genommen worden 174. Es ist aber auch
möglich, dass Aristoteles in Rhet. I 1 einen ersten Idealentwurf wagt, der nur anwendbar wäre
in einem Staat, dessen Verfassung den Gebrauch sachfremder Argumente vor Gericht
verbietet (vgl. I 1,1354a21–24), um anschließend im Rahmen der real existierenden Praxis zu
reflektieren 175. Das Enthymem bleibt für Aristoteles das Überzeugungsmittel im engeren
Sinne176.
Es mag bedeutsam sein, dass sich Aristoteles nicht veranlasst sieht, den
Begriff henqúmjma bei seinem ersten Gebrauch in Rhet. I 1,1354a14 näher zu
erklären. Wenn also der Begriff als bekannt vorausgesetzt wird, dann deutet
der voraristotelische Gebrauch zunächst einmal nur sehr allgemein an, dass es
sich dabei um einen besonders pointierten Gedanken handelt, der als rhetori-
sches Beweismittel vor allem dazu dient, einen Widerspruch aufzuzeigen178.
Der Begriff leitet sich daher kaum von hen qum^¨w her, sondern vom Verb
henqumeïsqai (»beherzigen, erwägen, überlegen, ersinnen«)179. Aristoteles
knüpft an diesen Wortgebrauch an, verbindet den Terminus aber mit seiner
Syllogistik, indem er das folgende Verhältnis postuliert:
»Was aber der Unterschied zwischen Beispiel und rhetorischem Schlußverfahren (diaforà
paradeígmatoß kaì henqum´jmatoß) ist, geht aus der Topik hervor – denn dort ist bereits
früher schon über Syllogismus und Induktion (hepagwg¨jß) gehandelt –, daß nämlich der
Beweis, es verhalte sich etwas an Hand von Vielem und Ähnlichem so (hepì poll¨wn kaì
Homoíwn deíknusqai “oti o“utwß ‘ecei), dort die Induktion, hier aber das Beispiel ist, und daß
ferner der Nachweis, unter bestimmten Voraussetzungen ereigne sich – entweder allgemein
oder meistens (’j kaqólou ’j Hwß hepì tò polú) – etwas anderes als dieses dadurch, daß diese
Voraussetzungen existieren, dort ›Syllogismus‹, hier aber ›Enthymem‹ heißt.« (Rhet.
I 2,1356b13–17; Sieveke, 14f)
180 Aristoteleswirft seinen Vorgängern vor, den Begriff vernachlässigt zu haben (Rhet. I
1,1354a14–16; b16–22). Die voraristotelische Rhetorik kannte ein »topisches Enthymem«,
bei dem es darum ging, aufgrund vorgegebener Regeln und Muster logisch nicht zwingende
aber suggestiv überzeugend wirkende Argumente zu bilden (KRAUS, Enthymem, 1197f).
Diesen Gebrauch möchte Aristoteles mit der Syllogistik nach Möglichkeit unterbinden.
181 An. pr. II 27,70a10: h enqúmjma mèn o~un sullogismòß [hatel`jß] h ex e˙kótwn ’j
sjmeíwn. Vgl. ähnliche Definitionen in Rhet. I 2,1357a32f; I 3,1359a7–10.
182 Das Adjektiv hatel´j ß ist textkritisch auszuscheiden, zeugt aber von dem Missver-
ständnis, ein Enthymem sei ein formal unvollkommener Syllogismus. Vgl. dazu BURNYEAT,
Enthymeme, 6–8.
183 Dadurch berührt Aristoteles Probleme der Modalität von Aussagen. Die Anforderun-
gen an den Wahrheitswert von Aussagen sind je nach Sprechsituation (Beweis, Disputation,
öffentliche Rede) unterschiedlich streng. Das kommt modernen Logiksystemen nahe, die
innerhalb einer Skala von 1 (= wahr) und 0 (= falsch) unendlich vielen Werte zulassen.
184 Rhet. I 2,1357a13–15.22–31.34–36; II 25,1402b15f.
185 Zur logischen Behandlung von Singuläraussagen s.u. S. 117.
B. Die aristotelische Termlogik 69
Die Streichung einer Prämisse (oder gar der conclusio) gehört zwar nicht
zum Wesen des Enthymems im aristotelischen Sinne, entspricht aber einer
Empfehlung im Sinne der rhetorischen Tugend der Kürze186. Daher ist auch
die Mehrheit der von Aristoteles angeführten Beispiele zweigliedrig in Form
von einfachen Begründungssätzen formuliert: »A ist der Fall, da B der Fall
ist.«187 So lässt sich aus einer Sentenz z.B. durch das Hinzufügen eines
Grundes (a˙tía) ein Enthymem bilden188. Ein Begründungssatz (z.B. der
Form »S. ist sterblich, denn er ist ein Mensch«, oder »S. ist sterblich, denn
alle Menschen sind sterblich«) löst seinen Geltungsanspruch durch seine
Rückführbarkeit auf ein syllogistisches Enthymem ein. Damit erlaubt die
aristotelische Enthymemtheorie die logische Analyse von Begründungssätzen.
Situation ausreichend193. Hier kann der Redner auch auf Sentenzen (gn´wmj)
zurückgreifen, die meistens allgemein anerkannte Aussagen über das
menschliche Verhalten knapp zusammenfassen194. Ihre Widerlegung ist
jedoch nicht dadurch erbracht, dass die Nicht-Notwendigkeit der Prämissen
gezeigt wird, sondern ihre Nicht-Wahrscheinlichkeit195.
2. Das Paradeigma196 ist ein Schluss auf der Grundlage von Beispielen, die
im Sinne einer unvollständigen Induktion197 einen allgemeinen Satz wahr-
scheinlich machen sollen198. Dabei verhält sich das angeführte Beispiel zu
dem vorliegenden Fall wie »Teil zu Teil, Ähnliches zu Ähnlichem«199.
Ein Beispiel (aus Rhet. I 2,1357b26–30): »Peisistratos und andere trachteten, als sie eine
Leibwache forderten, nach der Tyrannis. Nun fordert Dionysios eine Leibwache. Also strebt
er nach der Tyrannis.« Der erste Satz kann als große Prämisse nur dann »funktionieren«,
wenn er in der Redesituation als allgemeiner Hinweis verstanden wird, dass Menschen, die
eine Leibwache fordern, grundsätzlich oder aller Regel nach Tyrann werden wollen. Ein
ähnliches Beispiel findet sich in An. pr. II 24,69a2f: Um zu zeigen, dass der Krieg der
Athener gegen die Thebaner ein Übel ist, beruft sich Aristoteles darauf, dass der Krieg der
Thebaner gegen die Phoker ein Nachbarschaftskrieg war und zugleich ein Übel. Daraus lässt
sich die große Prämisse konstruieren: Nachbarschaftskriege sind (ganz allgemein) ein Übel.
Als »Beispiele« sind nicht nur tatsächliche Gegebenheiten aus der Geschichte
denkbar, sondern auch fiktive Beispiele, sofern diese Ähnlichkeit mit dem zur
Diskussion stehenden Problem aufweisen200. Aristoteles unterscheidet
zwischen »Parabel« und »Fabel« (II 20,1393a29f) und fasst Ersteres als eine
fiktionalisierte Tatsache aus dem täglichen Leben auf201 und Letzteres als eine
Veranschaulichung menschlicher Verhaltensweisen anhand der Tierwelt.
193 Aristotelesführt dies auf das einfache Gemüt der ungebildeten Leute zurück (Rhet. I
2,1357a3–4.10–11; II 22,1395b25f).
194 Rhet. I 2,1357a22–27; II 21,1394a26–28; II 21,1394b8–16.
195 Vgl. SCHWEINFURTH-WALLA , Überzeugungsmittel, 44 (Hinweis auf II 25,1402b34f).
196 Verwirrenderweise behandelt Aristoteles in diesem Zusammenhang das parádeigma
als eine Unterkategorie des Enthymems, stellt es aber an anderen Stellen gleichberechtigt
neben das Enthymem (z.B. Rhet. I 2,1356b5–7; I 9,1368a29–33; II 18,1392a1–4; II
20,1393a23f; III 17,1418a1–2). Vgl. allgemein dazu: An. pr. II 24 (ausführlichste Diskussi-
on); Rhet. I 2,1357a10–24.b25–36; II 20,1393a25ff; II 25,1402b16–18. In der späteren
Rhetorik ist das »Beispiel« weiterhin eines der gerichtlichen Beweismittel in Quintilian, Inst.
V,11,6: exemplum est … utilis ad persuadendum id, quod intenderis, commemoratio. Vgl.
MARTIN, Antike Rhetorik, 119–124; J.C. RAYMOND, Enthymemes, Examples, and Rhetorical
Method, in: R.J. Connors et al. (eds.). Essays on Classical Rhetoric and Modern Discourse
(Carbondale, 1984) 140–151.280–81.
197 Vgl. zum Analogieverhältnis Beispiel-Induktion Rhet. I 2,1356b13–17 (s.o. S. 67f).
198 Rhet. I 2,1357b25–36; II 25,1402b16–18; An. pr. II 24,68b38–69a19.
199 Rhet. I 2,1357b26–30: Hwß méroß pròß méroß.
200 Rhet. II 20,1393a27f; II 20,1394a3f.
201 Rhet. II 20,1393b3–8 mit dem Beispiel: Wenn Athleten nicht nach dem Los, sondern
nach ihren Fähigkeiten ausgewählt werden, dann sollte man auch Politiker nicht durch
Losentscheid wählen.
B. Die aristotelische Termlogik 71
Kompliziert wird die Diskussion durch den Umstand, dass Aristoteles weiter
unterscheidet zwischen notwendigen und nicht-notwendigen Indizien und für
Erstere den Begriff tekm´jria (»Nachweise«) und für Letztere (mangels
Alternativen?) den Begriff sjmeïa benutzt203.
a) Das Tekmêrion-Enthymem gründet auf »Indizien«, die aller Erfahrung
nach immer gemeinsam oder in Abfolge auftreten, also echte allgemeine
Aussagen sind. Aristoteles nennt als Beispiele (Rhet. I 2,1357b14–16): Fieber
ist ein Indiz für Krankheit, Milch-Haben ist ein Indiz für vorangegangene
Schwangerschaft. Natürlich sind auch diese Zusammenhänge nur dann für
den rhetorischen Schluss relevant, wenn sie sich allgemeiner Anerkennung
erfreuen, aber dennoch handelt es sich bei den echten »Indizien« nicht um
e˙kóta, denn für Aristoteles sind sie rhetorisch nicht zu widerlegen.
b) Das Semeion-Enthymem (im engeren Sinne) beruft sich auf Indizien, die
nicht notwendigerweise zusammengehören (z.B. krank sein und schwer
atmen)204, und das deswegen widerlegbar ist.
Um die Beweiskraft des Indizien-Enthymems zu bestimmen, greift Aristoteles in der Analytik
auf einen anderen Klassifizierungsversuch zurück (An. pr. II 27,70a11–38)205. Hier gilt als
Kriterium die Stellung des »Indizes« als Mittelterm in den drei Schlussfiguren:
Figur I MxP Milch haben ist Anzeichen, dass jd. geboren hat. Nachweis
SxM Diese Frau hat Milch. (nicht widerlegbar)
SxP Diese Frau hat geboren.
Figur II PxM Wer schwanger ist, ist bleich. Niemals gültig
SxM Diese Frau ist bleich.
SxP Diese Frau ist schwanger.
Figur III MxP Pittakos ist gut. Anfechtbar, auch
MxS Pittakos ist weise. wenn conclusio wahr
SxP Alle Weisen sind gut.
Interessant ist diese Unterscheidung v.a. deswegen, weil es sich dabei m.W. um das einzige
Beispiel handelt, in dem Aristoteles die für seine Syllogistik charakteristische Figuren-Lehre
für die Rhetorik verwertet. Damit ist auch in der Rhetorik das Gewicht der ersten Figur
unangefochten.
202 An. pr. II 27,70a7–9: oˆu gàr ‘o ntoß ‘estin ’j oˆu genoménou próteron ’j “usteron
gégone tò prägma, toüto sjmeïón hesti toü gegonénai ’j e~inai.
203 An. pr. II 27,70b1–6; Rhet. I 2,1357b3–10. Vgl. zum Begriff der Notwendigkeit
SPRUTE, Enthymemtheorie, 91–98.
204 Rhet. I 2,1357b10–13.
205 Vgl. Rhet. I 2,1357b10–21.
72 II. Antike Logik im Überblick
206 Einen Gesamtüberblick über die Wirkungsgeschichte des Aristoteles von der Antike
bis in die Gegenwart bietet O. GIGON, Art. Aristoteles, TRE 3 (1978) 760–768. Zum
Aristotelismus als philosophische Denkrichtung vgl. ebda. H. DÖRRIE (768–776: Antike), A.-
T. KHOURY (777–779: Arabisch-Islamisch), H. GREIVE (779–782: Judentum), W. KLUXEN
(782–789: Mittelalter) und R. SCHÄFER (789–796: Reformation und nachreformatorische
Theologie). Speziell zur patristischen Rezeption des Aristoteles vgl. J.H. WASZINK / W.
HEFFENING, Art. Aristoteles, RAC 1 (1950) 657–667; D.T. RUNIA, Festugière Revisited:
Aristotle in the Greek Fathers, VigChr 43 (1989) 1–34.
207 Diese Schrift wirkte in ihrer lateinischen Übersetzung durch Boethius ebenso wie
durch Übersetzungen ins Syrische, Armenische und Arabische auf breitester Basis während
des gesamten Mittelalters. Vgl. die dt. Übersetzung in der Organon-Ausgabe von Zekl, Bd. I,
155–188 und die Einführung S. LIII–LXIII.
208 Vgl. bes. seine Übersetzung und Kommentar der Cat (In Cat. Arist. = PL 64).
209 Zur Wirkungsgeschichte des Aristoteles ist das zweibändige Werk von P. MORAUX
unverzichtbar: Der Aristotelismus bei den Griechen: Von Andronikos bis Alexander von
Aphrodisias (2 Bde.; Peripatoi 5–6; Berlin, 1973, 1984). Der Bekanntheitsgrad des Aristote-
les war im 1. Jh. n.Chr. begrenzt. So urteilt ein guter Kenner der Szene, Aristoteles sei
jemand, »von dem sogar zünftige Philosophen, ganz wenige ausgenommen, keinen Schimmer
haben« (Cicero, Top. 1,3: …qui ab ipsis philosophis praeter admodum paucos ignoretus).
210 Vgl. zu Person und Quellenlage oben S. 29. Zur Logik vgl. I. BOCHENSKI, La logique
de Théophraste (CF N.S. 32; Fribourg, 1947); J. BARNES, Theophrastus and Hypothetical
Syllogtistic, in: J. Wiesner (Hrsg.), Aristoteles – Werk und Wirkung (FS P. Moraux; Berlin,
1985) I, 557–576; BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 78–83.
211 BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 74: »Peripatetic logic in the
Hellenistic period is for us the logic of Theophrastus.«
B. Die aristotelische Termlogik 73
Neben der Einführung einer zum Teil genaueren Terminologie212 sind vor
allem zwei Aspekte gegenüber Aristoteles hervorzuheben:
1. Die Frage, wie syllogistische Schlüsse zu ziehen sind, wenn die
Prämissen sich Sätzen unterschiedlicher Modalitäten bestehen213, hat Theoph-
rast mit der später sogenannten Peiorem-Regel gelöst214: Das Mögliche ist
»schwächer« als das Tatsächliche und dieses wiederum »schwächer« als das
Notwendige. Für einen modal gemischten Syllogismus gilt nun, dass die
conclusio dem schwächsten Modus der Prämissen entsprechen muss215.
Nehmen wir als Prämissen einen apodiktischen Satz (»Alle Menschen sind sterblich«) und
einen problematischen (»Möglicherweise sind alle lesefähigen Lebewesen Menschen«).
Daraus kann nicht geschlossen werden »Alle lesefähigen Lebewesen sind sterblich«, sondern
nur im problematischen Modus: »Möglicherweise sind alle lesefähigen Lebewesen sterblich.«
2. Aristoteles bezieht sich in seiner Logik immer auf Sätze der Form »allen
/ einigen A kommt B zu / nicht zu«. In An. pr. I 44,50a39–b2 spricht er jedoch
en passant von »hypothetischen« Syllogismen und stellt in Aussicht, diese
später zu behandeln216. Der spätere Aristoteles-Kommentator Alexander stellt
jedoch fest, dass der Meister kein Buch zu diesem Problem hinterlassen hat,
dass aber Theophrast (und Eudemos) diese Lücke geschlossen haben217.
Leider erlauben die Quellen kaum, einigermaßen Klarheit über den Umfang
der Beschäftigung mit dieser Frage zu gewinnen und dadurch auch zu
erahnen, inwieweit im Peripatos Aspekte, die erst aus der stoischen Logik
bekannt sind, vorweggenommen worden sind218. Wenn sich aber die Darle-
gungen Alexanders zum hypothetischen Syllogismus auf Theophrast zurück-
führen lassen219, dann ist es vorstellbar, dass der Nachfolger des Aristoteles
an Syllogismen der folgenden Art arbeitete: Wenn A, dann B. Wenn B, dann
C. Daher: Wenn A, dann C. Wenn es regnet, wird der Boden nass. Wenn der
Boden nass wird, wird es grün. Daher: Wenn es regnet, wird es grün.
220 Gemäß Cicero, Fin. V,12 sprachen bereits die Peripatetiker von duo genera librorum,
nämlich die populariter scriptum, quod hexwterikón appellabant und die Werke quod in
commentariis reliquerunt.
221 Immerhin lobt Cicero ihren »goldenen Fluß der Rede« (Acad. 2,119: flumen orationis
aureum).
222 Vgl. MORAUX , Aristotelismus bei den Griechen, I, 3–94; J. BARNES, Roman Aristotle,
in: J. Barnes / M. Griffin (eds.), Philosophia Togata II (Oxford, 1997) 1–69.
B. Die aristotelische Termlogik 75
223 MORAUX, Aristotelismus, I, 13–15 hält es für sehr wahrscheinlich, dass Abschriften
aristotelischer Schriften in der alexandrinischen Bibliothek zur Verfügung standen.
224 Nach einer zuverlässigen Tradition hatte Epikur in der zweiten Hälfte des 3. Jhs.
v.Chr. die Analytiken, die Physik und De caelo benutzt und exzerptiert (vgl. MORAUX,
Aristotelismus, I, 11, Anm. 22).
225 Vgl. zur Quellenlage MORAUX, Aristotelismus, I, 18–28.
226 Nach einer nicht über jeden Zweifel erhabenen Tradition, die Strabon überliefert,
versuchte Apellikon die stark beschädigten Manuskripte mehr schlecht als recht zu ergänzen.
76 II. Antike Logik im Überblick
Sulla 84 v.Chr. Athen eroberte, fand auch Apellikon den Tod. Sulla brachte
neben vielen Kunstwerken auch Apellikons wertvolle Bibliothek nach
Rom227. Hier wurde sie von dem hoch angesehenen Grammatiker Tyrannion
von Amisos († 26/5 v.Chr.) bearbeitet und einzelne Schriften (von weniger
sorgfältigen Buchhändlern) in fehlerhaften Abschriften auf den Büchermarkt
gebracht228. Tyrannion versorgte Andronikos von Rhodos, der ab ca. 80
v.Chr. Schulhaupt des Peripatos war, mit Kopien. Dieser gab die Pragmatien
schließlich in einer Sammlung heraus229.
Oftmals werden die Arbeit des Tyrannion und die Herausgabe des
Andronikos für eine völlige Neuentdeckung des Aristoteles im 1. Jh. v.Chr.
verantwortlich gemacht. Es gibt jedoch klare Anzeichen für eine davon
unabhängige Rezeption des aristotelischen Œuvres in Rom230: In der prunk-
vollen Bibliothek des L. Lucullus gab es Werke des Aristoteles, die Cicero
begierig zu Rate zog231. Der Epikuräer Philodem zitierte Auszüge aus der
aristotelischen Ökonomik und Cicero gab 55 v.Chr ein Gespräch wieder, das
so 36 Jahre zuvor stattgefunden haben soll. Darin soll Catullus gegenüber
Antonius bemerkt haben:
»Die meisten Philosophen geben keine Anweisungen für die Rede und sind trotzdem für die
Behandlung jedes Themas vorbereitet. Doch Aristoteles, den ich besonders bewundere, führte
ganz bestimmte Fundstellen an (quosdam locos) [Hinweis auf die Topik], wo jede Argumen-
tation nicht nur für eine philosophische Erörterung, sondern auch für die Art der Rede, die
wir bei Prozessen halten, zu finden sei. Mit diesem Mann stimmst du, Antonius, in deinen
Worten schon längst überein, sei es, daß du aus Gründen der Ähnlichkeit mit seinem
göttlichen Geist auf denselben Spuren wandelst oder daß du, was in meinen Augen jedenfalls
wahrscheinlicher ist, auch gerade die betreffenden Passagen gelesen und studiert hast.«
(Cicero, De Orat., II,152 = Merklin, 300f) Später behauptet Antonius: »Ich las von ihm
[= Aristoteles] sowohl das Buch, in dem er alle früheren rhetorischen Systeme dargestellt hat,
wie die Bücher, in denen er selbst seine eigene Auffassung über ebendiese Wissenschaft
geäußert hat.« (II,160 = Merklin, 307)
Auch wenn diese Angaben für das Jahr 91 einen Anachronismus darstellen,
geht daraus hervor, dass zumindest im Jahre 55 »die Benutzung von Lehr-
schriften des Aristoteles keine besondere Schwierigkeit zu machen schien«232.
227 Die
Bibliothek ging nach Sullas Tod (78 v.Chr.) in den Besitz seines Sohnes Faustus
über, der diese wahrscheinlich mit einem Teil seiner Habe versteigern ließ, um anstehende
Schulden zu bezahlen. Zu manchen dieser Bücherschätze hatte anscheinend Cicero Zugang
(vgl. MORAUX, Aristotelismus, I, 37–39).
228 Eine Aristoteles-Ausgabe lag damit jedoch nicht vor (MORAUX, Aristotelismus, I, 34).
229 Ort und Zeit dieser editorischen Leistung sind in der Forschung umstritten: Entweder
wirkte Andronikos Anfang des 1. Jhs. v.Chr. in Athen (Frühdatierung) oder er gab die Werke
später (nach Ciceros Tod) zwischen 40 und 20 v.Chr. in Rom heraus (Spätdatierung). Vgl.
MORAUX, Aristotelismus, I, 45–58 mit Argumenten für eine Frühdatierung.
230 MORAUX, Aristotelismus, I, 39–41.
231 Vgl. Cicero, Fin. III,10.
232 MORAUX, Aristotelismus, I, 41.
B. Die aristotelische Termlogik 77
Wenn also mit der Ausgabe des Andronikos nicht eine völlige Neuentde-
ckung des Aristoteles einsetzt, so wird man doch eingestehen müssen, dass
Andronikos mit seiner zuverlässigen und leicht zugänglichen Edition die
Grundlage für eine Neubelebung des Aristotelismus um die Zeitwende
legte233. Er stellte jedoch die ihm zugänglichen Werke nicht mehr oder minder
wahllos zusammen, sondern er fügte thematisch verwandte Texte zu Einhei-
ten zusammen234. Damit schaffte er eine systematische Ordnung, die über
Jahrhunderte die Aristoteles-Rezeption nicht weniger geprägt hat als die
eigentliche Edition235. In der Andronikus-Edition hat das aristotelische Œuvre
unzweifelhaft das Gepräge eines systematisch-philosophischen Gesamtent-
wurfs: Nach einer logisch-wissenschaftstheoretischen Propädeutik (das
»Organon«) folgen die Praktische Philosophie (Ethik, Politik, Rhetorik,
Poetik), die Naturphilosophie (Physik, Naturkunde) und schließlich die
»Metaphysik« (weil »nach« der Physik platziert).
Im Folgenden soll nur das »Organon« interessieren236: Traditionell wird
den hier zusammengestellten sprachlich-logischen Schriften die Rolle einer
Propädeutik in die Philosophie zugewiesen. Inhaltlich scheint das organische
Zueinander der verschiedenen Werke der Zusammenstellung durch Androni-
kos im Nachhinein Recht zu geben: Nach einer Begriffs- und Satzlogik (Cat.
und Int.) folgt eine Schlusslogik oder Syllogistik (An. pr.), eine Beweislogik
(An. post.) und eine dialektische Diskurstheorie als komplementäre Beweis-
form (Top.), die schließlich mit einer Theorie der Trugschlüsse abgerundet
wird (Soph. el.). Gegen beide Vorstellungen – die einer systematischen
Einheit und die einer »bloßen« Propädeutik – sprechen starke Argumente237:
1. Es gibt – mit Ausnahme der beiden Analytiken und einem Hinweis in Int. 11,20b26 – keine
Querverweise zwischen den Werken, die vermuten lassen könnten, dass sie von Aristoteles
bewusst als ein organisches Ganzes konzipiert worden wären238. Die beiden Analytiken und
die Topik sind zwei in sich geschlossene Abhandlungen, die zudem zwei verschiedene
Formen der Logik entwerfen. 2. Die unterschiedlichen Werke sind in ihrem Umfang
unproportioniert (v.a. die Topik ist auffallend umfangreich). 3. Eine einheitliche Begrifflich-
keit, die alle Abschnitte durchwaltet, fehlt (das gilt bes. für die zehn Kategorien aus dem
gleichnamigen Werk). 4. Die logischen Schriften werden nirgends von deren Autor selbst als
Einheit hervorgehoben oder erwähnt. 5. Dass die Logik nicht zur eigentlichen Philosophie
gehört, sondern nur deren Propädeutik ist, lässt sich schwerlich mit dem Denken des
Aristoteles vereinbaren. Für ihn stehen logische Sätze gleichberechtigt neben ethischen oder
physikalischen Aussagen239. 6. Inhaltlich werden Themen behandelt, die den Rahmen einer
nur einführenden Logik deutlich sprengen: Grammatik in Int. und Fragen der Ontologie in
Cat. 7. Logische und wissenschaftstheoretische Exkurse durchziehen das gesamte aristoteli-
sche Œuvre240, ebenso allgemeine wissenschaftstheoretische Überlegungen 241.
238 In
An. pr. I 1,24b14 gibt es z.B. einen Hinweis auf die Topik.
239 Vgl.Top. I 14,105b20f.
240 Z.B. EN I 1; I 2; I 7 und II 2; De An. I 1,402a–403a.
241 Phys. I 1; EN VI 1–7; VII 1,1145b2–7. Es gibt auch eine Reihe von Texten, die als
selbstständige Texte erst später integriert wurden: Part. an. I 1; Met. I 1–2; II; VI 1.
242 Grundlegend zu diesem Konsens beigetragen hat die Arbeit von C.A. BRANDIS, Über
die Reihenfolge der Bücher der Aristotelischen Organons und ihre Griechischen Ausleger,
Histor.-philolog. Abh. der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1833 (Berlin,
1835) 249–291; Nachtrag 292–299.
243 Vgl. DÜRING, Aristoteles, 54; HÖFFE, Aristoteles, 24f; P.M. HUBY , The Date of
Aristotle’s Topica and its Treatment of the Theory of Ideas, CQ NS 12 (1962) 72–80;
FLASHAR, Aristoteles, 236f. Veraltet ist SOLMSEN, Entwicklung.
244 Vgl. einige knappe Hinweise in MAYORDOMO, Anfang, 206f.
245 So noch W.W. JAEGER, Aristoteles (Berlin, 21955) 45.
246 DÜRING, Aristoteles, 55.
B. Die aristotelische Termlogik 79
den frühesten Arbeiten des Philosophen, da bes. der Inhalt der Kap. 1–9 in
allen übrigen frühen Schriften als bekannt vorausgesetzt wird.
2. Hermeneutik (Int.): Während man im 19. Jh. diese mit vielen Ausle-
gungsschwierigkeiten belastete Schrift erst in die Spätzeit des Aristoteles
verlegte, ist man sich heute darin einig, dass sie in die Zeit des ersten Athen-
Aufenthalts gehört: Wir finden zum einen in 11,20b26 einen Hinweis auf die
Topik247. Zum anderen ist deutlich, dass manche Aspekte dieser Schrift in den
Analytiken klarer und schärfer behandelt werden. Dass sie thematisch an
Fragen über die Bedeutung der Wörter anknüpft, die Platon im Kratylos,
Theaitetos und Sophistes diskutiert, spricht auch für eine Entstehung während
der Akademie-Zeit des Aristoteles. Überlieferungsgeschichtlich ist es
möglich, dass Kap. 14 ein hier später angefügter Text des Aristoteles selbst
darstellt248.
3. Topik (Top.): Die Entstehung dieser Schrift, auf die Aristoteles oftmals
verweist, ist komplex, da sie aus Einzelabhandlungen (z.B. VII,1–2) hervor-
gewachsen ist. Wahrscheinlich finden sich in den Büchern II–VII die ältesten
Entwürfe. Das erste einleitende Buch und Buch VIII mit praktischen Ratsch-
lägen sind danach entstanden. Wenn in VII 3,153a24f auf die Analytiken
verwiesen wird (was keineswegs sicher ist), dann wäre VII,3–5 später
entstanden. Ihre jetzige Form erhielt die Topik wahrscheinlich zu der Zeit, als
die beiden Analytiken entstanden. Trotz ihrer Entstehungsgeschichte steht
hinter der Topik eine einheitliche Grundkonzeption. Die Topik gilt chronolo-
gisch als die erste große logische Schrift der Philosophiegeschichte. Aller-
dings gilt es als sicher, dass Aristoteles das syllogistische Verfahren der An.
pr. bei der Abfassung der Top. noch nicht vor Augen hatte. Früher ist häufig
daraus geschlossen worden, dass die Top. nur eine Vorstudie auf dem Weg
zur ausgereiften Analytik ist. Heutzutage wird die Topik jedoch als eine
eigenständige Abhandlung gewürdigt, die ihr Autor auch nach Fertigstellung
der Analytik vorgetragen und überarbeitet hat249. Für Aristoteles handelt es
sich demnach um zwei parallele Darstellungen zu verschiedenen Gebieten
(An. pr. I 30,46a28–30): Die Topik gehört in das dialektische Gespräch, die
beiden Analytiken hingegen sind dem wissenschaftlichen Beweis gewidmet.
4. Sophistische Widerlegungen (Soph. el.): Das neunte Buch der Topik
wird seit der Spätantike eigens als Einzelwerk hervorgehoben. Der Titel
stammt aus den Anfangsworten (1,164a20) und der Zusammenfassung
247 Wahscheinlich ist auf Soph. el. 5,167b38 und 169a6 angespielt.
248 Das vermutet J.L. ACKRILL in seiner Übersetzung Aristotle’s Categories and De
interpretatione (ClArS; Oxford, 1963) 153.
249 Vgl. zu solchen Überarbeitungsindizien E. WEIL, Die Rolle der Logik innerhalb des
aristotelischen Denkens (1951), in: F.–P. Hager (Hrsg.), Logik und Erkenntnislehre des
Aristoteles (WdF 226; Darmstadt, 1972) 137–142 mit Anm. 7. DÜRING, Aristoteles, 80–83
hat gezeigt, dass viele zentrale philosophische Grundsätze des Aristoteles ebenso wie
wichtige Abgrenzungen gegenüber Platon bereits in Top. zu finden sind.
80 II. Antike Logik im Überblick
Das Konstrukt einer »stoischen Logik« ist mit zwei Schwierigkeiten behaf-
tet253: Zum einen ist der Logik-Begriff der Stoa wesentlich umfassender als
der gegenwärtige fachterminologische Gebrauch (vgl. dazu oben S. 32f). Zum
anderen erlaubt die Quellenlage nicht, stoische Logik als einheitliche Lehre
analog der formalen Begriffslogik des Aristoteles zu rekonstruieren. Die
dürftige Quellenlage (s.o. zu Chrysipp S. 29) legt vielmehr sogar nahe, dass es
250 Vgl. Int. 10,19b31; Top. VIII 11,162a11; 13,162b32; Soph. el. 2,165b9; Met. VI
12,1037b8; EN VI 3,1139b26.32; MM II 6,1201b25; EE I 6,1217a17; II 6,1222b38; II
10,1227a10; Rhet. I 2,1356b9; I 2,1357b24f; II 25,1403a5.12.
251 In An. pr. I 44,50b1–2 weist Aristoteles z.B. auf eine spätere thematische Ausführung
hin, die sich aber nirgends mehr finden lässt. Das zweite Buch der An. pr. besteht aus
Einzeluntersuchungen (Kap. 1–15; 16–21 und 23–27). Während An. post. I eine straffe und
einheitliche Beweistheorie bietet, finden sich im 2. Buch unvollendete Entwürfe für eine
Wissenschaftstheorie. Mit Sicherheit jedoch gilt die These als falsch, die zweite Analytik sei
vor der ersten verfasst worden.
252 Literatur: U. EGLI , Zur stoischen Dialektik (Basel, 1967); M. FREDE, Die stoische
Logik (AAWG.PHK 3:88; Göttingen, 1974); S. BOBZIEN, Die stoische Modallogik (Episte-
mata Reihe Philosophie 32; Würzburg, 1986); Th. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei
Sextus Empiricus: Untersuchungen zur Entstehung der Aussagenlogik (Hyp. 95; Göttingen,
1991); K. DÖRING / Th. EBERT (Hrsg.), Dialektiker und Stoiker: Zur Logik der Stoa und ihrer
Vorläufer (Philosophie der Antike. Veröffentlichungen der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung
1; Stuttgart, 1993); S. BOBZIEN, Stoic Syllogistic, Oxford Studies in Ancient Philosophy 14
(1996) 133–192; J. BARNES, Logic and the Imperial Stoa (PhAnt 75; Leiden, 1997); J.
BARNES, Aristotle and Stoic Logic, in: K. Ierodiakonou (ed.), Topics in Stoic Philosophy
(Oxford, 1999) 23–53; A. SPECA, Hypothetical Syllogistic and Stoic Logic (PhAnt 87;
Leiden, 2001). Kurze Zusammenfassungen zur stoischen Logik in IERODIAKONOU, Art.
Logik, 398f; K. HÜLSER, Art. Logik, stoische, EPhW 2 (1984) 687–689.
253 Vgl. FREDE, Stoische Logik, 9–12.
C. Die stoische Aussagenlogik 81
254 Galen, De libris propriis, 11 schreibt über die Unterschiede in der Logik: »Bei den
Peripatetikern ist die Uneinigkeit (diafwnía) verhältnismäßig klein; bei den Stoikern und
Platonikern aber ist sie groß.« (= FDS, 225) Auch Cicero weiß von innerstoischen Diskrepan-
zen in Sachen Logik zu berichten (Acad. 2,143 = Schäublin, 184–187). Vgl. weiterhin
BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 71f und die Überlegungen von
HÜLSER, der demgegenüber den systematischen Charakter stoischer Logik hervorhebt
(Fragmente I, XLIX–LVI).
255 BOCHENSKI, Formale Logik, 121–125 spricht von »megarisch-stoischer Logik« und
nennt als megarische Vorläufer u.a. Diodoros Kronos, Apollonios Kronos, Eubulides von
Milet und den Sokrates-Schüler Euklid von Megara. Während FREDE, Stoische Logik, 19–23
diese mehrfach vertretene Meinung kritisiert, wird sie von EBERT differenziert und verfeinert,
Dialektiker und frühe Stoiker, vgl. bes. 21–24. Vgl. zu den Megarikern K. DÖRING, Art.
Megariker, DNP 7 (1999) 1143f.
256 Vgl. allgemein zu Chrysipp STEINMETZ, Stoa, 584–625 (Lit!), bes. zur Logik Chry-
sipps S. 593–603. Zu Chrysipp als »Urheber der stoischen Logik« vgl. FREDE, Stoische
Logik, 27f.
257 In der Zeit vor Chrysipp hat v.a. Zenon wichtige sprach- und erkenntnistheoretische
Fragen behandelt. Vgl. dazu A. GRAESER, Zenon von Kition (Berlin, 1974) 8–81. In der Zeit
nach Chrysipp gibt es Hinweise auf einige bedeutsame Beiträge durch Poseidonius (vgl. dazu
BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 71f). Zur Berechtigung der Konzentra-
tion auf Chrysipp vgl. FREDE, Stoische Logik, 29–31.
258 Vgl. dazu die Texte in FDS, 914f.952 und die Diskussion in BARNES / BOBZIEN /
MIGNUCCI, Logic and Language, 97–103.
82 II. Antike Logik im Überblick
Einfache Aussagen (Haplä) sind Aussagen, die weder mit sich selbst noch mit anderen
verknüpft sind:
1. Affirmativ (bejahend): a) Definite Aussagen bestehen aus Prädikat und einem
hinweisenden Begriff (z.B. »Dieser wandelt umher«).
b) Indefinite Aussagen führen ein unbestimmtes Pronomen als
Subjekt (z.B. »Jemand wandelt umher«).
c) In mittleren Aussagen ist ein Appellativ oder eine Eigenname
Subjekt (z.B. »Ein Mensch sitzt«, »Sokrates wandelt um-
her«).
2. Negativ (verneinend): a) Verneinung (hapofatikón) durch die Negation des gesamten
Satzes (z.B. »Nicht [ohu] ist es Tag«).
b) Bestreitung (harnjtikón) durch ein negatives Pronomen als
Subjekt (z.B. »Niemand [ohudeíß] wandelt umher«).
c) Privation (stjrjtikón) durch a-Privativum (z.B. »Ein
Nicht-Menschenfreund [hafilánqrwpoß] ist dieser«).
Nicht-einfache Aussagen (ohuc Haplä) sind Aussagen, die entweder mit sich selbst (z.B. »Es
ist Tag und es ist Tag«) oder mit anderen (z.B. »Wenn es regnet, wird es nass«) durch
Konjunktionen verbunden sind.
1. Konjunktive Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »und«
(haxíwma sumpepljgménon): (kaí) gebildet wird (z.B. »Es ist Tag und es ist hell«).
2. Disjunktive Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »entwe-
(haxíwma diezeugménon): der … oder« (‘jtoi ... ‘j) gebildet wird (z.B. »Entweder ist es
Tag oder Nacht«).
3. Implikative Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »wenn«
(haxíwma sunjmménon): (e˙) gebildet wird und in der der Nachsatz aus dem
Vordersatz »folgt«259 (z.B. »Wenn es Tag ist, ist es hell«).
259 Formulierung nach DiogL VII 71 (= FDS, 914): Die Implikation ist »die Aussage, die
vermittels des implikativen Satzverknüpfers (Junktor) ›wenn‹ (e˙) zusammengesetzt ist –
dieser Satzverknüpfer (Junktor) besagt, daß das Zweite aus dem Ersten folgt (hepaggélletai
dh Ho súndesmoß oˆutoß hakolouqeïn tò deúteron t^¨w pr´wt^w).«
260 Vgl. DiogL. VI 65: »Ihren Namen hat die Aussage (h axíwma) von haxioüsqai (be-
hauptend in Geltung setzen) her erhalten; wer nämlich sagt: ›Es ist Tag‹, behauptet
offensichtlich mit Geltungsanspruch, daß es Tag ist. Wenn es nun wirklich Tag ist, so ist die
vorliegende Aussage wahr. Wenn aber nicht, dann wird sie falsch.« (= FDS, 874).
STEINMETZ, Stoa, 597: »Eine Vorstellung ist dann wahr, wenn eine Aussage, die sie richtig
beschreibt, wahr ist, und das ist der Fall, wenn sie mit der die Vorstellung verursachenden
Wirklichkeit (den tugcánonta) übereinstimmt. Wenn ich die Vorstellung habe, es sei Tag,
und die Aussage ›Es ist Tag‹ richtig ist, weil es tatsächlich Tag ist, dann ist meine Vorstel-
lung wahr.« Vgl. weiterhin FDS, 1212; FREDE, Stoische Logik, 40–44.
C. Die stoische Aussagenlogik 83
logische Verhältnis von Sätzen ist die Bestimmung des Wahrheitswertes von
zusammengesetzten Aussagen. Im Anschluss an vorgängige Diskussionen
durch die Megariker beschreitet Chrysipp den Weg über den Wahrheitswert
der einfachen Aussagen, aus denen die Gesamtaussage sich zusammensetzt.
Konjunktive Aussagen (durch »und« verbunden) sind nur dann wahr, wenn
beide Aussagen wahr sind. Disjunktive Aussagen (ausschließendes »oder« im
Sinne von aut) sind nur dann wahr, wenn eines der Glieder wahr ist und das
andere falsch. Die implikative Aussage (»wenn…, dann«) ist besonders
problembeladen, da es sehr viele unterschiedliche Formen gibt, die Beziehung
zwischen Vorder- und Nachsatz zu fassen261. Für Chrysipp ist der innere
Zusammenhang (sunártjsiß) ausschlaggebend. Dadurch gelangt er zu zwei
Bestimmungen:
1. Wahr ist eine Implikation dann, wenn das kontradiktorische Gegenteil des Nachsatzes mit
dem Vordersatz unvereinbar ist. So ist z.B. die Aussage »Wenn es Tag ist, ist es hell« wahr,
weil die Kontradiktion »es ist nicht hell« im Widerspruch steht zur Aussage »Es ist Tag«.
2. Umgekehrt ist eine Implikation falsch, wenn das kontradiktorische Gegenteil des
Nachsatzes mit dem Vordersatz vereinbar ist. Die Implikation »Wenn es Tag ist, wandelt
Dion umher« ist falsch, weil die Aussage »Dion wandelt nicht umher« mit »Es ist Tag«
vereinbar ist.
Chrysipp dachte zwar, dass eine Aussage wahr oder falsch sein muss, aber er
war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass aufgrund von Zeit- und
Ortsangaben oder deiktischen Hinweisen (wie »hier« oder »dieser«) der
Wahrheitswert des Sachverhaltes sich ändern kann263. So ist die Aussage »Es
ist Tag« nicht zu jedem Zeitpunkt wahr. Chrysipp fragte daher auch nach dem
261 Die Frage nach dem Wahrheitswert von Konditionalsätzen war in der Zeit vor Chry-
sipp ausgiebig diskutiert worden (Cicero, Acad. 2,143). Vgl. zu den Unterschieden zwischen
der (in der Stoa aufgenommenen) philonischen und der diodereischen Implikation BARNES /
BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 84–86; BOCHENSKI, Formale Logik, 133–136;
KNEALE / KNEALE, Logic, 128–138; FREDE, Stoische Logik, 80–93.
262 Das Konditional wird in der modernen Aussagenlogik auf seine extensionale Bedeu-
tung reduziert: »Es ist nicht der Fall, dass A wahr und B falsch ist.« = ¬ (A ∧ ¬ B) = A → B.
263 Vgl. DiogL. VII 65 (= FDS, 696).
84 II. Antike Logik im Überblick
Die stoische Logik benutzt für die Aussagen Variablen wie »das erste«, »das
zweite« oder »a«, »b«. Im Gegensatz zum aristotelischen System stehen diese
nicht für Begriffe, sondern für einfache Aussagen. Ein typischer stoischer
Schluss hat die folgende Form:
Wenn p, dann q. Wenn es Tag ist, dann ist es hell.
Aber (dé) p. Nun gilt: Es ist Tag.
Also (‘ara) q. Also ist es hell.
Häufig besteht die »leitende Prämisse« (Hjgemonikòn l¨jmma) aus einer nicht-
einfachen und die »Zweitprämisse« (prósljyiß) aus einer einfachen
Aussage. Dass ein Schluss nur aus mehreren Prämissen gezogen werden kann,
war auch in der Stoa die orthodoxe Sicht266. Die logische Gültigkeit eines
syllogistischen Schlusses hängt von seiner Rückführbarkeit auf eine der sog.
264 Hierwerden Aspekte der modernen Modallogik vorweggenommen, welche die sog.
»alethischen« Modalitäten berücksichtigt: »notwendig« (Symbol: Δ, oder L) und »mö-
glich« (Symbol: ∇, oder M). Vgl. K. LORENZ, Art. Modallogik, EPhW 2 (1984) 907–911.
265 Vgl. zum Folgenden BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 121–157.
266 »Schlüsse« der Form »p, deshalb p«, »p und q, deshalb p« oder »p, dehalb p oder q«
wären stoisch betrachtet unzulässig.
C. Die stoische Aussagenlogik 85
Diese »Unbeweisbaren« sind selbstevident und dienen als formale Matrix für
die Bestimmung syllogistischer Gültigkeit271. Auf diese Grundtypen lassen
sich dann weitere »beweisbare« Syllogismen zurückführen.
271 Die lateinischen Autoren haben diese Liste durch zwei weitere »Syllogismen« erwei-
tert, die jedoch kaum etwas zu den fünf Syllogismen Chrysipps beitragen. Vgl. Cicero, Top.
12,53–14,57 (= FDS, 1138); Boethius, Cic. Top. 355–358 (= FDS, 1140); Galen, Inst. Log.
5,3f (= FDS, 1119); 6,7 (= FDS, 1152); 15,1–11 (= FDS, 1153).
272 Vgl. zu Galen(os) o. S. 30.
273 Typisch etwa für die Forschungslage bis ins 19. Jh. ist die Darstellung in PRANTL,
Geschichte der Logik, I, 401–496, der der stoischen Logik Minderwertigkeit bescheinigt und
sie gänzlich der aristotelischen unterordnet. Als typisch kann das folgende (Fehl)urteil gelten:
»Materiell Neues in der Logik hat Chrysippus eigentlich nicht geschaffen, denn er wiederholt
nur das bei den Peripatetikern schon Vorhandene sowie die von den Megarikern aufgebrach-
ten Einzelheiten; seine Thätigkeit besteht darin, dass er in der Behandlungsweise des
Materials zu einem bemitleidenswerthen Grade von Plattheit, Trivialität und schulmässiger
Abschachtelung heruntersank …« (408). Der entscheidende Anstoß zur Entdeckung der
stoischen Logik als einem eigenständigen und wissenschaftlich relevanten Entwurf kam von
dem bedeutenden polnischen Logiker J. LUKASIEWICZ, Zur Geschichte der Aussagenlogik,
Erkenntnis 5 (1935) 111–131.
C. Die stoische Aussagenlogik 87
Die Formulierung Ciceros legt zudem nahe, dass die Logik Chrysipps als die
»moderne Logik schlichtweg« galt278. Bedenkt man ferner das Schicksal der
aristotelischen Schriften bis zur Edition des Andronikos von Rhodos im 1. Jh.
v.Chr.279, dann erscheint die Annahme mehr als plausibel, dass im 1. Jh.
274 Vgl. BARNES, Aristotle and Stoic Logic, 23–53 und auf genereller Ebene F.H.
SANDBACH, Aristotle and the Stoics (Proceedings of the Cambridge Philological Society.
Supplementary vol. 10; Cambridge, 1985). Für sachliche Einflüsse auf dem Gebiet der
Sprachtheorie plädiert vorsichtig W. AX, Der Einfluß des Peripatos auf die Sprachtheorie der
Stoa, in: Döring / Ebert, Dialektiker und Stoiker, 11–32.
275 Vgl. FREDE, Stoic vs. Aristotelian Syllogistic, AGPh 56 (1974) 1–32; I. MUELLER,
Stoic and Peripatetic Logic, AGPh 51 (1969) 173–187.
276 Cicero, Fin. IV,9 = FDS 252: »Wenn auch Chrysipp an diesen Dingen sehr intensiv
gearbeitet hat (a Chrysippo maxime est elaboratum)…«
277 DiogL VII 189–202 = FDS 194. Vgl. dazu J. BARNES, The Catalogue of Chrysippus,
in: K.A. Algra et al. (eds.), Polyhistor: Studies in the History and Historiography of Ancient
Philosophy (FS J. Mansfeld; PhAnt 72; Leiden, 1996).
278 FREDE, Stoische Logik, 27.
279 S.o. Exkurs S. 74ff.
88 II. Antike Logik im Überblick
n.Chr. nicht die aristotelische, sondern die stoische Logik das philosophische
Feld beherrschte280. Noch im 3. Jh. weiß Diogenes Laertios zu berichten,
»dass die meisten Leute meinten, falls es bei den Göttern eine Dialektik gäbe,
so würde es sich wohl um keine andere handeln als um die des Chrysipp«281.
Es stellt sich jedoch die Frage, welche Bedeutung der Logik in der
stoischen Philosophie während der Kaiserzeit überhaupt zukam. Die Tatsache,
dass bekannte Stoiker wie Seneca, Musonius, Epiktet und Marc Aurel sich
vorrangig mit ethischen Problemen beschäftigten, spricht eher gegen ein
ausgeprägtes logisches Interesse.
Der stoische Kaiser Marc Aurel äußert sich in seinen Selbstbetrachtungen wiederholte Male
negativ über die Logik: So dankt er den Göttern u.a. auch dafür, dass er bei seinem philoso-
phischen Streben nicht einem Sophisten verfiel und sich »nicht hinsetzte, Gemeinplätze zu
verfassen oder Syllogismen aufzulösen« (I,17,22: hepì tò tópouß suggráfein ’j sullogis-
moùß hanalúein; übers. Theiler; vgl. a. VII,67,3). Die minderwertige Bedeutung der Logik
ist v.a. darin begründet, dass sie den Menschen nicht dem Glück näher bringt. Das glückliche
Leben findet sich nämlich »nicht in Syllogismen (ohuk hen sullogismoïß), nicht im
Reichtum, nicht im Ruhm, nicht im Genuß«, sondern in einem Leben im Einklang mit der
Natur (VIII,1,5; übers. Theiler). Der Briefwechsel zwischen N. Cornelius Fronto und seinem
(ehemaligen) Schüler Marc Aurel legt jedoch nahe, dass wir es hierbei sehr wahrscheinlich
mit einer Alterseinsicht zu tun haben. Fronto, der berühmte Redner, zeigt sich nämlich in
seinen Briefen »über die Redekunst« (de eloquentia) sehr darum bemüht, seinen Schüler von
der Logik abzubringen und für die Redekunst zu gewinnen 282.
Das Werk Senecas bietet ein ähnliches Bild 283: In ep. V 45 (Rosenbach, III, 346–357)
führt der Philosoph einen »Streit mit den Dialektikern« (V 45,13: lis cum dialecticis), bei dem
ein Argument im Zentrum steht: Die logische Beschäftigung mit Wortbedeutungen,
Fehlschlüssen und Spitzfindigkeiten ist angesichts der Herausforderungen, die die Philoso-
phie zu meistern hat, nichts als Zeitverschwendung (s.a. V 49,7). An verschiedenen Stellen
280 Zudiesem Ergebnis gelangt die große Studie von MORAUX, Aristotelismus, I, 169:
»Die einzige formale Logik, die nach dem Einschlafen des Peripatos nach den ersten
Nachfolgern des Aristoteles und bis zur Wiederbelebung durch Andronikos praktiziert wurde,
war eben die der Stoiker. Trotz ihrer Herkunft muss sie weniger als die Logik einer Schule
denn als die moderne, fortgeschrittene Logik überhaupt erschienen sein.«
281 DiogL VII 180 (= FDS 154).
282 Fronto sieht mit großer Sorge, dass Marc Aurel sich mit Fehlschlüssen beschäftigt und
dabei die Rhetorik vernachlässigt (2,13 [van den Hout, 141] = 1,14 [Haines, II, 66f]). Sein
Schüler folge dabei einer weit verbreiteten Unsitte (4,5 [van den Hout, 149] = 3,4 [Haines, II,
74f]). Fronto erinnert ihn nicht nur daran, dass der sicherlich vom jungen Marc Aurel hoch
geschätzte stoische Logiker Chrysipp von vielen rhetorischen Redeformen Gebrauch gemacht
hat (2,14f [van den Hout, 141f] = 1,15f [Haines, II, 66–69]), er malt ihm ferner den
einschläfernden Logik-Unterricht aus (5,4f [van den Hout, 151f] = 4,3f [Haines, II, 82–85]
und beschwört ihn geradezu: »Tell me, I pray you, do you take anything in from your
dialectics? are you proud of taking in anything?« (1,18b [Haines, II, 71] = 2,17 [van den
Hout, 144: dic, obsecro, mihi: de dialecticis istis ecquid tenes? ecquid tenere te gaudes?)
283 Vgl. dazu BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 10–23. F ENSKE, Argumentation, 34
betont nur die negative Seite von Senecas Stellungnahmen.
C. Die stoische Aussagenlogik 89
bedenkt Seneca Fehlschlüsse, die zu seiner Zeit diskutiert wurden, mit beißendem Spott284.
Aus seiner Sicht handelt es sich um kindische Belanglosigkeiten (pueriles ineptias), die den
Menschen nicht auf den Tod vorbereiten oder in Armut oder Reichtum helfen (V 48,6f;
Rosenbach, III, 378–381; s.a. X 82,8f.19). Obwohl solche Diskussionen unnütz sind (V 49,5),
sollte man »einen Blick auf derlei werfen, aber es darf nur betrachtet und von der Schwelle
aus gegrüßt werden zu dem einen Zweck, daß wir uns nicht Worte vormachen lassen und
meinen, ihnen wohne ein großes und geheimes Gut inne« (V 49,6; Rosenbach, III, 389). Die
Art und Weise, wie Seneca über den Briefadressaten Lucilius auf eine breitere Öffentlichkeit
einzuwirken versucht, zeigt, dass es ein großes Interesse v.a. der Jugend an solchen logischen
Diskussionen gab, welches der Philosoph einschränken will285. Ferner ist zu beachten, dass
Senecas Kritik nicht der Logik schlechthin gilt, sondern ihrer Überbewertung angesichts der
»großen« philosophischen Fragen nach Leben und Tod286. Die lange Kette von syllogisti-
schen Argumenten gegen den Reichtum in ep. IX 87,11–41 macht deutlich, dass Seneca ein
logischer »Utilitarist« ist, der immer dann gerne auf logische Schlüsse rekurriert, wenn diese
für die Erhellung moralischer Fragen nützlich sind.
284 Er nennt u.a. den Horn-Fehlschluss (V 45,8), das Lügner-Paradox (V 45,10), den
Maus-Fehlschluss (V 48,6–7: Maus ist eine Silbe. Eine Maus nagt den Käse. Also: Eine Silbe
nagt den Käse.) und den Vers-Fehlschluss (XIX–XX 113,25f: Ein guter Vers ist ein Gut.
Jedes Gut ist ein Lebewesen. Also: Ein Vers ist ein Lebewesen.).
285 Viele der diskutierten Fehlschlüsse werden Seneca von Lucilius als Frage vorgelegt
(z.B. V 45,10; 48,6f).
286 Es ist nicht klar, seit wann der Topos der Nützlichkeit von Logik, der etwa bei Galen
begegnet, philosophisch diskutiert wurde. Vgl. dazu J. BARNES, Galen and the Utility of
Logic, in: J. Kollesch / D. Nickel (Hrsg.), Galen und das hellenistische Erbe (Sudhoffs
Archiv Beihefte 32; Stuttgart, 1993) 33–52.
287 Vgl. FREDE, Stoische Logik, 31; BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 3 nennt diese
Meinung »a commonplace«.
288 Vgl. zu möglichen Kandidaten BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 4f mit Anm. 19.
289 Vgl. BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 24–145.
290 Eine kleine biographische Anekdote dazu findet sich in I,7,32 (Oldfather, I,56f):
Epiktet berichtet davon, dass Musonius Rufus ihm vorgeworfen habe, eine fehlende Prämisse
in einem Syllogismus nicht erkannt zu haben (tò paraleipómenon ”en hen sullogism^¨w tini
ohuc e“uriskon). Epiktet erwiedert, dass das wohl kaum so schlimm sei, als ob er das Kapitol
niedergebrannt hätte. Musonius entgegnet: »Sklave, das Fehlen ist das Kapitol!«
90 II. Antike Logik im Überblick
metapiptóntwn kaì Hupoqetik¨wn) und einem über die Notwendigkeit der Logik (II,25: p¨wß
hanagkaïa tà logiká) greift Epiktet im Verlauf seiner Argumentation zuweilen auf logische
Argumentationsformen zurück (z.B. I,8,1–3; II,20,2f; IV,1,61)291. Er drückt explizit das aus,
was Seneca in seinen Angriffen gegen die »Dialektiker« zu implizieren scheint: Logik war in
den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bei vielen Philosophen besonders
beliebt. In III,2,1–4 unterscheidet er drei Gebiete des philosophischen Studiums, die zur
menschlichen Vollendung führen: die Gefühle (Ho perì tà páqj), die gesellschaftliche
Pflicht (Ho perì tò kaq¨jkon) und schließlich die Vermeidung von Irrtümern (Ho perì t`j n
hanexapatjsían) 292. Dass mit Letzterem die Logik gemeint ist, macht schließlich seine
Klage über die »heutigen Philosophen» (oÓ nün filósofoi) deutlich (III,2,6): Diese
übergehen nämlich das erste und das zweite Gebiet und konzentrieren sich auf das dritte, auf
»äquivoke Prämissen, durch Fragen gewonne (Syllogismen), hypothetische Prämissen und
Lügner-Paradoxa« (metapíptontaß, t^¨w hjrwt¨jsqai peraínontaß, Hupoqetikoúß,
Yeudoménouß; Oldfather II,22–25)293. Für Epiktet ist jedoch die Beschäftigung mit den
beiden ersten Gebieten grundlegend (III,2,3f) und mit der Logik soll sich jemand erst dann
beschäftigen, wenn die ethische Vollendung erreicht ist (III,2,7: tòn kalòn kaì hagaqón) 294.
Die Stoiker der Kaiserzeit zeigen gerade mit ihren Invektiven gegen die
Logik, welche Anziehungskraft dieser Teil der Philosophie damals ausübte295.
Für das kulturelle Umfeld des Paulus bedeutet dies zweierlei: Die dominie-
rende Form von Logik war die chrysippisch-stoische und diese war im
philosophischen Diskurs der Zeit höchst präsent296.
291 Zum Gebrauch logischer Fachtermini in Epiktet vgl. BARNES, Logic and the Imperial
Stoa, 27–29.
292 Die Dreiteilung ist häufig in Epiktet (vgl. I,4,11f; 17,22–24).
293 Vgl. a. II,23,41. Eine ähnliche Argumentation begegnet in Ench. 52: »[W]e spend our
time in the third division, and all our zeal is devoted to it, while we utterly neglect the first.«
(Oldfather, II, 536f). Epiktet beklagt sich über junge Philosophen, die bei einem Gastmahl
mit ihren Kenntnissen über hypothetische Argumente prahlen (I,26,9; s.a. II,19,8–10).
294 Vgl. I,4,6–9: Die Lektüre der Schriften Chrysipps vermag nicht, Fortschritt in der
Tugend zu erbringen.
295 In diesem Sinne beschließt BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 126 seine Studie
über Epiktet: »[H]is contemporaries – Stoic teachers and Stoic pupils – were obsessed not by
ethics but by logic; they gave themselves to logical matters with a passion, a single-
mindedness, and no doubt a pedantry which galled Epictetus – as it had galled Seneca […]
Nonetheless, it seems to me beyond doubt that logic engrossed men during this period in the
history of philosophy as it has rarely engrossed men in any other period.«
296 Historisch sind demnach Querbezüge zwischen paulinischem Gedankengut und
stoischer Logik denkbar (vgl. jedoch zum Status dieser Frage o. S. 23ff). Neuere Studien zum
Themenfeld »Paulus und die Stoa« gehen auf die Logik nicht ein (vgl. M.L. COLISH, Stoicism
and the New Testament: An Essay in Historiography, ANRW II.26.1 [1992] 334–379; T.
ENGBERG-PEDERSEN, Paul and the Stoics [Edinburgh, 2000]). Wenn wir den Blick in die
frühere Theologiegeschichte ausweiten, dann lassen sich Spuren stoischer Logik deutlich bei
Origenes und Augustin nachweisen (vgl. HEINE, Stoic Logic; BUCHER, Logik bei Augusti-
nus).
III. Analyse paulinischer Texte
1 Ein früherer Versuch meinerseits, anhand von rein formal-sprachlichen Kriterien die
argumentative Dichte von paulinischen Textpassagen quasi-objektiv zu erfassen, ist gerade
aufgrund der Diskrepanz zwischen sprachlich-grammatikalischer und logischer Form (s.u. S.
93) gescheitert.
2 Hier helfen einfache Fragen wie: Was ist der fragliche oder strittige Punkt? Welche
Partner stehen sich gegenüber? Welche Positionen werden zu diesem Fraglichen bezogen?
Von welcher gemeinsamen Basis aus wird argumentiert? Welche These soll verteidigt oder
widerlegt werden? Welche Argumente liegen vor?
92 III. Analyse paulinischer Texte
3Rhetorische Fragestellungen sind dabei ebenso wichtig wie eine möglichst genaue
Klärung des Streitpunkts, bzw. des persuasiven Ziels. Die Betrachtung des unmittelbar
voranstehenden Kontextes kann insofern von Bedeutung sein, weil der zu behandelnde Text
u.U. Prämissen voraussetzt, die vorher bereits genannt worden sind. Nicht alle fachexegeti-
schen Probleme, derer es in den betreffenden Texten wahrlich nicht mangelt, sind für die hier
gestellte Aufgabe gleichermaßen relevant.
4 Die Exegese kann allerdings in begründeten Fällen zeigen, dass sich hinter einem
Fragesatz in Wirklichkeit eine für die Schlussfolgerung unabdingbare Aussage verbirgt (z.B.
in Form einer rhetorischen Frage). Diese wäre in der logischen Analyse zu berücksichtigen.
5 Vgl. zum Folgenden G. BRUN, Die richtige Formel: Philosophische Probleme der
logischen Formalisierung (Frankfurt a.M., 2003); R.M. SAINSBURY, Logical Forms (Oxford,
1993). Beispiele für Formalisierungen von längeren Textpassagen sind mir kaum begegnet.
Ein faszinierendes theologisches Beispiel bearbeitet einen Text von Anselm: J.L. SCHERB,
Anselms philosophische Theologie (MPhS N.F. 15; Stuttgart, 2000).
A. Vorfragen: Textwahl und logische Analyseschritte 93
a) Sprachliche und logische Form sind nicht identisch. Eine der größten
Schwierigkeiten in der Praxis der Formalisierung ist auf den Umstand der
Inkongruenz zwischen Alltagssprache und logischer Form zurückzuführen.
Ein Beispiel: Der alltagssprachliche Satz »Der Sommer kommt und die Menschen gehen ins
Freibad«, ist für eine logische Formalisierung nicht auf Anhieb zugänglich. Das hängt mit
den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Konjunktion »und« zusammen. Rein
mechanisch wäre man versucht, den Satz als logische Konjunktion zu fassen: S∧M. Nach den
Wahrheitskriterien der Stoiker wäre der zusammengesetzte Satz nur dann wahr, wenn beide
Aussagen wahr sind. Er wäre also auch dann falsch, wenn der Fall eintritt, dass der Sommer
nicht kommt und die Menschen nicht ins Freibad gehen. Vielleicht ist aber der Sinn der
Aussage präziser wiederzugeben mit: »Wenn der Sommer kommt, dann gehen die Menschen
ins Freibad.« In der logischen Analyse wäre dieser Satz als Implikation zu formalisieren:
S→M. Diese logische Form hat eine andere Wahrheitstabelle, je nachdem welcher Wahr-
heitswert den einzelnen Teilsätzen zugeordnet wird. Die Entscheidung, welche von beiden
Formalisierungen angemessener ist, kann ohne eine Auslegung der betreffenden Aussage
nicht gefällt werden 6.
benötigt werden, sind (im Vergleich zur modernen Logik) nicht besonders
zahlreich: Wir benötigen Aussage- und Prädikatenkonstanten (meist Groß-
buchstaben), um – je nach gewähltem System – ganze Aussagen oder einzelne
Terme zu symbolisieren9, und logische Konstanten, um die Verknüpfungen
zwischen den Aussagen (»und«, »oder«, »wenn…dann«, »genau dann wenn«)
und um die Quantoren (»alle«, »keiner«, »einige«, usw.) wiederzugeben. Die
formale Struktur des Textes wird durch die Verbindung dieser Konstanten
sichtbar.
Ein Problem stellt die Vagheit der Sprache und die rhetorische Tugend der variatio dar. So
werden innerhalb eines Abschnittes oftmals verschiedene mehr oder minder kontextsynony-
me Begriffe benutzt, die für die Logik möglichst »semantisch generalisiert« werden müssen.
Die logische Formalisierung muss in manchen Fällen unterschiedliche griechische Begriffe
mit einer Aussagekonstante verknüpfen. Diese semantische Engführung ist nur innerhalb
eines klar gekennzeichneten Kontextes zulässig und auch nur dann, wenn die Exegese das
semantisch rechtfertigt. Solche Schlüsse wären nach wissenschaftlichen Maßstäben inexakt,
weil die Terme nicht wirklich identisch sind; aber für den konkreten Sprachgebrauch ist das
ausreichend.
9
Die verwendeten Buchstaben müssen sich innerhalb einer Analyse immer auf die glei-
che Aussage oder den gleichen Term beziehen.
10 Den Grad der Selbstverständlichkeit, mit der von einer »natürlichen Annahme« ausge-
gangen werden darf, hat die Traditions- und Motivgeschichte zu prüfen.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 95
1Kor 15 steht nicht zufällig, beiläufig oder als Anhängsel am Ende dieses
thematisch so vielseitigen Briefes. Vielmehr bildet dieses Kapitel »Höhe- und
Schlüsselpunkt«, »Spitze und Krone« des gesamten Briefes12. Die Bedeutung,
die diesem Kapitel für die Erschließung paulinischer »Eschatologie« beige-
messen wird, ist ganz ohne Zweifel berechtigt. Die Art und Weise, wie die
Frage der Auferstehungshoffnung von Paulus behandelt wird, deutet darauf
hin, dass sich die theologische »Lehrbildung« auf diesem Gebiet noch in statu
nascendi befand, obgleich die Auferstehung Jesu in der urchristlichen
Missionspredigt von Anfang an fest verankert war (vgl. 15,1–11; Röm 1,3f).
Manche sehen in 1Kor 15 daher nicht ganz ohne Grund eine »in sich ge-
schlossene Abhandlung über die Auferstehung der Toten«13. Diese Einschät-
zung verdankt sich gewiss auch der analytischen Kraft von 15,12–1914.
1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung von 1Kor 15
Der erste Korintherbrief ist Gegenstand unterschiedlicher rhetorischer
Untersuchungen geworden15. Neben der methodischen Grundsatzfrage,
inwieweit sich rhetorische Kategorien auf Briefe übertragen lassen16, sind
m.E. zwei Fragen weithin ungeklärt:
1. Welchen Stellenwert für eine mögliche Gesamtdeutung haben eindeuti-
ge Genusattributionen für den Brief als Ganzen?
Methodisch möchte ich darauf hinweisen, dass die drei rhetorischen Genera sich nach den
vom Redner intendierten Qualifizierungen und Beurteilungsmöglichkeiten im Rahmen der
drei Standardsituationen öffentlicher Rede in der Antike richten (Gerichtsrede, politische
Beratungsrede vor der Volksversammlung und öffentliche Lob- oder Schmährede) 17.
Dementsprechend geht es um die Qualifizierung von etwas (oder jemandem) als díkaion
oder ‘adikon (»gerecht/ungerecht«) im genus iudiciale (tò dikanikòn génoß), als sumféron
oder blaferón (»nützlich/unnütz«) im genus deliberativum (tò sumbouleutikòn génoß)
oder als kalón oder a˙scrón (»gut/schlecht«) im genus demonstrativum (tò hepideiktikòn
génoß). Die alternativen Beurteilungsmöglichkeiten sind Anklage/Verteidigung, Zura-
ten/Abraten oder Lob/Tadel. Da sich die Rhetorik auf standardisierte öffentliche Situationen
bezieht, sollte es nicht verwundern, wenn nicht alle Qualifizierungen, die Sprachhandlungen
intendieren können, von diesem Inventar erfasst werden 18. Die Frage z.B., ob ein Sachverhalt
»wahr« oder »falsch« ist, wird von der Rhetorik deswegen nicht behandelt, weil solche
Fragen der philosophischen Schuldiskussion vorbehalten waren. Die »Kunst« dieser Form
von Rede wird in der Topik behandelt.
Was das Genus des 1Kor angeht, ist der Vorschlag Bünkers, den Brief zum genus
iudiciale zu rechnen 19, weitgehend der These einer Zuweisung zum genus deliberativum
gewichen. Dies verdankt sich vornehmlich dem ausführlichen Begründungsversuch durch
Mitchell20, die daraus allerdings sehr weitreichende Konsequenzen in Bezug auf die
Gesamtpragmatik des Briefes zieht21. Gerade die Argumentation in 1Kor 15 sperrt sich
gegenüber einer solchen einheitlichen Genusbestimmung22.
Ein Hinweis, der die antike Rhetorik nicht für Fragen der Textgliederung
funktionalisiert, findet sich im Kommentar von Georg Heinrici zum 1Kor31:
»Die einzelnen Beweisstücke haben ihre Analogien in den tópoi der antiken Rhetorik,
welche Überzeugung erwecken wollen, den písteiß […]. Dieselben sind teils ‘atecnoi, die in
der Sache selbst liegenden, dazu gehören Tatsachen und testimonia divina (vgl. V. 1–11.20–
28.50–58), teils ‘entecnoi, die durch Induktion, durch Schlüsse oder Analogien gefunden
werden und sich an Kopf, Herz und das sittliche Bewusstsein wenden (V. 12–19.29f.36f.).« 32
27 Eine ähnliche Struktur wie BÜNKER schlägt für 15,1–34 J.-N. A LETTI, La dispositio
rhétorique dans les épîtres pauliniennes, NTS 38 (1992) 396 vor: exordium (1–2), narratio (3–
11), propositio (12a), probatio (12b–32), peroratio (33–34). An MACK orientiert sich
WITHERINGTON, 292: exordium (1–2), narratio (3–11), propositio (12–19), »thesis« (20),
probatio (21–50) und conclusio (51–58). Analog zu WATSON der Vorschlag von ERIKSSON,
Traditions, 248–251: exordium (1–2), narratio (3–11), refutatio (12–19), confirmatio (20–
34), refutatio II (35–49), confirmatio II (50–57), probatio (58). THISELTON, 1177f folgt
diesem Vorschlag, bestimmt aber 1–11 als narratio.
28 Die Tatsache jedoch, dass bei Anwendung der gleichen Methode unterschiedliche
Ergebnisse erzielt werden, ist per se kein Argument gegen die Angemessenheit dieser
methodischen Vorgehensweise. Zudem ist Vielfalt ein Antrieb und kein Hindernis für
forschendes Fragen.
29 In Bezug auf den Gebrauch rhetorischer Kategorien zur Segmentierung einzelner
Abschnitte innerhalb eines Briefes bleibe ich skeptisch. Vgl. das Fazit von ANDERSON,
Rhetorical Theory, 238: »[U]nlike Paul’s letters to the Galatians and Romans, the body of the
first letter to the Corinthians cannot be analysed in terms of sustained rhetorical argumentati-
on. It therefore bears little resemblance to a rhetorical speech.« Generell mahnt KLAUCK,
Briefliteratur, 179: »Eine nahezu mechanische Anwendung des klassischen Redeschemas auf
Briefe und Briefteile ist eher geeignet, die rhetorische Analyse in Mißkredit zu bringen.«
30 Ähnlich SCHRAGE, IV, 9.
31 HEINRICI hat das hellenistische Erbe des Paulus so stark betont, dass er sich den lauten
»Protest« von NORDEN zugezogen hat (Kunstprosa, II, 493f). Es mag daher kein »Zufall«
sein, dass ein solcher Hinweis gerade in seinem Kommentar zu finden ist.
32 HEINRICI, 441f (Rechtschreibung modernisiert).
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 99
39 Die Passivform ‘wfqj, die sich in VV. 5–8 wiederholt (vgl. auch Lk 24,34 und Apg
13,31), kann in nicht-religiösen Zusammenhängen »erscheinen« (1Makk 4,6; Apg 7,26: Mose
erscheint bei seinen Landsleuten, während diese streiten) oder »sichtbar sein« (LXX Gen 1,9;
Cant 2,12; 1Makk 4,19; 9,27) bedeuten. Meistens jedoch dient der Ausdruck in religiösen
Kontexten als Hinweis auf Epiphanien, Erscheinungen und andere Formen visionärer
Erfahrungen: Engelserscheinungen (LXX Ex 3,2; Ri 6,12; 13,3; Tob 12,22; Lk 1,11; 22,43;
Apg 7,30), Gottesepiphanien (LXX Gen 12,7; 17,1; 18,1; 22,14; 26,2.24; 35,9; 48,3; Ex
16,10; Lev 9,23; Num 14,10; 16,19; 17,7; 20,6; 3Bas 3,5; 9,2; 2Chron 1,7; 3,1; 7,12; LXX
Jer 38,3 = MT 31,3; Apg 7,2), Erscheinungen von besonderen Gestalten (Mk 9,4par [Mose
und Elia]; Bar 3,22.38 [die Weisheit]), Traumgesichte (2Makk 3,25 [?]; Apg 16,9),
apokalyptische Visionen (Apk 11,19; 12,1.3).
40 Der Unterschied zwischen den »Zwölfen« (V. 5) und der Gruppe »aller Apostel« (V. 7)
ist nicht ganz klar (vgl. dazu FEE, 729).
41 Der Inhalt des Evangeliums scheint zumindest in seinem Kernbestand nicht strittig zu
sein. Nichts in 1Kor 15,1–11 deutet darauf hin, dass Paulus hier schon Überzeugungsarbeit
leisten müsste. FEE, 714 spricht zu Recht von »reestablishing their commonly held ground«.
42 ERIKSSON , Traditions untersucht die rhetorisch-argumentative Funktion der folgenden
Traditionsstücke im 1Kor: 8,6.11b; 10,16; 11,23–25; 12,3.13; 15,3–5; 16,22.
43 ERIKSSON , Traditions, 3: »My suggestion is that the traditions constitute agreed upon
premises which are the starting point for argumentation.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 101
c) Die Streitfrage
Was steht in 15,12ff zur Debatte? Nachdem Paulus die gesamte Diskussion
auf die Grundlage des traditionellen Kerygmas vom Tod und der leiblichen
Auferstehung Jesu gestellt hat (1–11), nennt er in V. 12 das zwischen ihm und
den Korinthern Strittige:
»Wenn aber Christus verkündigt wird; und zwar, dass er von den Toten auferweckt wurde,
wie können manche unter euch nur behaupten: ›Eine Auferstehung von den Toten gibt es
nicht (hanástasiß nekr¨wn ohuk ‘estin)‹?«
Es ist nicht näherhin bestimmbar, wie Paulus zu seinem Wissen über diese
Auffassung gelangt ist44. Der Streitpunkt selbst lässt sich sehr allgemein
dahingehend eingrenzen, dass »einige« (tineß) in Korinth die Vorstellung
einer Totenauferstehung – in welcher Form auch immer – leugneten45. Dass
die Korinther an der Auferstehung Jesu zweifelten46, ist angesichts der
Tatsache, dass in 15,1–11 die beiden Diskussionspartnern gemeinsame Basis
durch den Rückgriff auf das apostolische Kerygma gelegt wird, höchst
unwahrscheinlich. Die »logische Dissonanz«, wie sie sich für Paulus darstellt,
besteht in der Möglichkeit, an die Auferstehung Jesu glauben und zugleich
eine Totenauferstehung leugnen zu können. Die Streitfrage wäre aus paulini-
scher Sicht am ehesten so zu formulieren: Ist es möglich, dass es eine
Auferstehung von Toten nicht gibt angesichts der Tatsache, dass Jesus von
den Toten auferstanden ist?
44 Dass der Abschnitt nicht mit perì dé einsetzt (wie 7,1.25; 8,1; 12,1; 16,1.12), schließt
den Brief der Korinther an Paulus als primäre Informationsquelle (vgl. 7,1) für Kap. 15 aus.
Deswegen muss bei der Beantwortung der Frage nach dem Streitpunkt deutlich unterschieden
werden zwischen dem in der Rhetorik des Textes Strittigen und der tatsächlichen These der
Korinther, die Paulus hier ad absurdum zu führen versucht (ähnlich SELLIN, Streit, 17). Ohne
ein Urteil über die »Fairness« des Apostels zu präjudizieren, muss zumindest die Möglichkeit
ins Auge gefasst werden, dass durch die Behandlung der Problematik, wie sie in 1Kor 15
vorliegt, die korinthische Position gewisse Transformationen erfahren hat. Wann immer also
von der »These der Korinther« die Rede ist, bezieht sich das nur auf die im Text erfasste
paulinische Wahrnehmung, Selektion und polemische Wiedergabe dieser These. Methodisch
ganz anders akzentuiert LINDEMANN, 338: »Aus methodischen Gründen abzuweisen ist die
Erwägung, Paulus sei über die in Korinth vertretene Position nicht zutreffend informiert
gewesen; in diesem Fall gäbe es gar keine Möglichkeit, die in 15,12b zitierte Aussage (und
die Gegenargumente des Paulus) angemessen zu interpretieren.« Nach meiner Wahrnehmung
lässt sich eine Aussage auch dann angemessen interpretieren, wenn die Aussage selbst keine
angemessene Interpretation des darin ausgedrückten Sachverhaltes darstellt.
45 Ob diese Meinung von allen oder beinahe allen in der Gemeinde vertreten wurde, lässt
sich kaum näher bestimmen. Die Wendung hen Humïn tineß legt vielleicht nahe, dass es zwar
nur einige waren, aber sicherlich solche, die einen starken Einfluss innerhalb der korinthi-
schen Hausgemeinden ausübten (vgl. SELLIN, Streit, 15; FEE, 713f; SCHRAGE, IV, 16 mit
Anm. 14–18). SELLIN, Streit, 14 weist zu Recht darauf hin, dass in Kap. 15 Paulus »durchge-
hend die Gesamtgemeinde anredet« (so auch WOLFF, 377).
46 So W. SCHMITHALS, Die Gnosis in Korinth (FRLANT 66; Göttingen, 31969) 150.
102 III. Analyse paulinischer Texte
Lässt sich die korinthische Position anhand von Angaben aus dem Brief selbst schärfer
umreißen? Und lässt sie sich einem ideengeschichtlichen Hintergrund plausibel zuweisen?
Beide Fragen haben in der Forschung zu einer Reihe unterschiedlicher Hypothesen geführt47:
1. Leugnung jeder postmortalen Existenz: Die Aussagen in VV. 13–19 und 30–34
schließen eine solche Sicht nicht aus. Die Philosophie- und Religionsgeschichte hält sowohl
auf jüdischem (sadduzäische Auferstehungsleugnung) wie auf nicht-jüdischem Boden
(epikuräische Skepsis) Analogien dazu bereit. Diese These, die früher häufig vertreten
wurde48, wird heute mit guten Gründen als unwahrscheinlich betrachtet49: Zum einen wäre
zu fragen, welche Art »Skeptiker« dem Grundkerygma von 1Kor 15,1–11 hätten zustimmen
können. Zum anderen bezieht das Argument in 15,18 (Wenn Christus nicht auferweckt
wurde, dann »würden auch die verstorbenen Christen verloren gehen«) seine persuasive Kraft
einzig auf dem Hintergrund einer von den Korinthern geteilten postmortalen Erlösungsvor-
stellung. Auch der mysteriöse Hinweis auf die »Taufe für die Toten« (15,29) bezeugt den
Glauben an eine Erlösung post mortem 50.
2. Leugnung der Leiblichkeit der Auferstehung: Justin warnt in seinem »Dialog mit
Tryphon« vor solchen, die »sich Christen nennen […] und sich dazu erdreisten, den Gott
Abrahams und den Gott Isaaks und den Gott Jakobs zu lästern, und die behaupten, dass es
eine Auferstehung von Toten nicht gebe, sondern dass ihre Seelen zugleich mit dem Sterben
in den Himmel aufgenommen werden«51.
Dieser Text macht in der Tat deutlich, dass die in der Antike so weit verbreitete
Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele zur Leugnung einer leiblichen Auferstehung
führen konnte. Sieht man eine solche dualistische Anthropologie im Hintergrund wirken,
dann lassen sich nicht nur im Bereich des Platonismus oder der späteren Gnosis Analogien
finden, sondern auch – was näher liegend erscheint – im hellenistischen Judentum (v.a. im
Werk Philos) 52. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass das Wortfeld s¨wma erst ab
VV. 35ff eine argumentative Rolle spielt. Doch selbst in 15,35ff wird die These einer
47 Von den Kommentaren informieren bes. ausführlich SCHRAGE, IV, 111–119 und
THISELTON, 1172–1176. Die Gruppierung der einzelnen Thesen verdankt sich dem for-
schungsgeschichtlichen Überblick von SELLIN, Streit, 17–37, an den u.a. auch TUCKETT,
Corinthians who say, 251–261 anknüpft. Vgl. aus der neueren Literatur noch J.R. ASHER,
Polarity and Change in 1 Corinthians 15 (HUTh 40; Tübingen, 2000) 32–35.
48 Z.B. ROBERTSON / P LUMMER, 346f.
49 Neuerdings jedoch neu aufgelegt von J.S. VOS, Argumentation und Situation in 1Kor
15, NT 41 (1999) 313–333.
50 Die Annahme, dass in 15,29 eine andere Gruppe innerhalb der Gemeinde angesprochen
sei (A.J.M. W EDDERBURN, The Problem of the Denial of the Resurrection in 1 Corinthians
XV, NT 23 [1981] 229; LINDEMANN, 338; WITHERINGTON, 301f; frühere Vertreter dieser
Sicht nennt TUCKETT, Corinthians who say, 252, Anm. 23), ist nicht durch rhetorische
Signale zu belegen. Sie ist zudem im Sinne der wissenschaftstheoretischen Notwendigkeit zur
Hypothesenbeschränkung (Ockham’s berühmtes »Rasiermesser«) »unökonomisch«.
51 Justin, Dialog mit Tryphon 80,4: tisi legoménoiß Cristianoïß ... kaì blasfjmeïn
tolm¨wsi tòn qeòn h Abraàm kaì tòn qeòn h Isaàk kaì tòn qeòn h Iak´wb [die dreigliedri-
ge Gottesbezeichnung nimmt die Auferstehungsbegründung Jesu gegenüber den Sadduzäern
in Mt 22,32par auf], o”i kaì légousi m`j e~inai nekr¨wn hanástasin, hallà “ama t¨^w
hapoqn´jskein tàß yucàß ahut¨wn hanalambánesqai e˙ß tòn ohuranón (griech. Text ed.
Ruiz Bueno, 446; eig. Übersetzung). Justin fährt fort, dass man solche ebenso wenig als
»Christen« ansehen, wie man Sadduzäer »Juden« nennen sollte.
52 Das hat v.a. SELLIN, Streit, 30–37 und passim herausgearbeitet.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 103
nicht-leiblichen Weiterexistenz kaum angegriffen 53. Weder 1–11 noch die Diskussion in 12–
34 rücken das Problem der Leiblichkeit ins Zentrum54, auch fehlen explizite Hinweise darauf,
dass für Paulus die leibliche Auferstehung die Unsterblichkeit der Seele ausschließt55.
3. Leugnung der Zukünftigkeit der Auferstehung: Als eine neutestamentlich belegbare
Analogie wird häufig auf 2Tim 2,17f verwiesen: Hymenäus und Philetus werden als für den
Glauben gefährliche Irrlehrer namentlich aufgeführt, weil sie behaupten, »die Auferstehung
sei bereits geschehen« (hanástasin ‘j dj gegonénai). Wenn der 1Kor als »Spiegel« für die
Theologie der Korinther gelesen werden kann 56, lassen sich Texte wie 4,8 oder 15,20–28
dahingehend auswerten, dass von den Korinthern tatsächlich eine Form von »realized
eschatology« vertreten wurde57. In diesem Falle wäre für Christen und Christinnen die
Auferstehung bereits vollzogen, eine zukünftige Auferstehung nach dem Tod somit
überflüssig 58. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Spiritualisierung der christlichen
Auferstehungssprache so früh vorstellbar ist59 und ob sie als These sprachlich mit dem Satz
hanástasiß nekr¨wn ohuk ‘estin überhaupt ausgedrückt werden konnte. Zudem setzt Paulus
zwar die zukünftige Dimension der Auferstehung in 1Kor 15 voraus, hebt diesen Aspekt aber
nicht besonders hervor.
53 SPÖRLEIN , Leugnung, 98f: »poí^w s´wmati hat als Gegenüber nicht etwa ein (unausge-
sprochenes) ›ohne Leib‹. Die Leiblichkeit der kommenden Auferstehung sieht allem An-
schein nach Paulus nicht eigens bestritten.« (Hervorhebung vom Autor)
54 TUCKETT, Corinthians who say, 255.
55 Vgl. LANG, 218. Dass beide Vorstellungen verbunden werden konnten, belegt Jo-
sephus, Bell 2,163 gerade für die Pharisäer: »Zwar sei jede Seele unsterblich, es gehen aber
nur die der Guten in einen anderen Leib über, die der Schlechten jedoch würden durch ewige
Bestrafung gezüchtigt (yuc´jn te päsan mèn ‘afqarton, metabaínein dè e˙ß “eteron
s¨wma t`j n t¨wn hagaq¨wn mónjn, tàß dè t¨wn faúlwn a˙dí^w timwríâ kolázesqai).«
(Michel / Bauernfeid, 1:212–215) J.H. ULRICHSEN, Die Auferstehungsleugner in Korinth:
Was meinten sie eigentlich?, in: T. Fornberg / D. Hellholm (eds.), Texts and Contexts (FS L.
Hartman; Oslo, 1995) 781–799 plädiert dafür, die korinthische Auferstehungsleugnung von
der Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele her zu begründen. Er wertet den umstrittenen
Text 2Kor 5,1ff dahingehend aus, dass Paulus seine Gegner zur Zeit der Abfassung von 1Kor
für Materialisten hielt, er aber später aufgrund besserer Informationen zur Einsicht gelangte,
dass sie die Unsterblichkeit der Seele lehren. Dagegen wolle er in 2Kor nicht weiter
argumentieren.
56 Vgl. generell zu den Gefahren des »mirror reading« G. LYONS, Pauline Autobiography
(SBLDS 73; Atlanta, GA, 1985) bes. 96–105.
57 Diese Sicht wird mit verschiedenen Nuancen heute von der Mehrheit der Exegeten und
Exegetinnen vertreten (vgl. A.C. THISELTON, Realized Eschatology at Corinth, NTS 24
[1977/78] 510–526). Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund vgl. WITHERINGTON, 292–295.
58 Ob dies auf die Einwohnung durch das göttliche Pneuma zurückgeführt wurde oder
sich aus einer mit dem Taufgeschehen verbundenen Unsterblichkeitsvorstellung herleitete, ist
schwer zu beantworten. Aus den Kapiteln 12–14 wird deutlich, dass Paulus um ein angemes-
ses Verständnis dessen ringt, was es bedeutet pneumatikóß zu sein. Liegt hier ein themati-
scher Nexus zwischen Kap. 12–14 und 15? Vielleicht wurde die Geisterfahrung in Korinth als
ein Versetztwerden in einen »engelsgleichen« Zustand (vgl. 13,1) verstanden, der schließlich
den Menschen über den Bereich des Leiblichen enthebt.
59 Zurückhaltend zeigen sich A.J.M. W EDDERBURN , Baptism and Resurrection (WUNT
44; Tübingen, 1987) 164–232; G. SELLIN, ›Die Auferstehung ist schon geschehen‹: Zur
Spiritualisierung apokalyptischer Terminologie im Neuen Testament, NT 25 (1983) 220–237.
104 III. Analyse paulinischer Texte
2. Exegetische Anmerkungen
12 E˙ dè Cristòß kjrússetai Wenn aber Christus verkündigt wird;
“oti hek nekr¨wn heg´jgertai, und zwar, dass er von den Toten auferweckt
p¨wß légousin hen Humïn tineß wurde, wie können manche unter euch
“oti hanástasiß nekr¨wn ohuk behaupten: »Eine Auferstehung von Toten gibt
‘estin; es nicht«?
Paulus stellt gleich zu Anfang jenen Teil des Kerygmas aus 1–11 voran, der in
der weiteren Diskussion im Zentrum steht: Christus »wird verkündigt«61,
nämlich dass er »aus den Toten«62 auferweckt worden sei (Passivum divi-
num?)63. Die apostolische Verkündigung (kjrússetai) wird der Behauptung
driten Tage auferstanden von den Toten‹: Erwägungen zum Passiv hegeíresqai in christolo-
gischen Aussagen des Neuen Testaments, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143; Tübingen,
2002) 202–214.
64 Die durativen Präsensformen betonen die Gleichzeitigkeit beider Sprechakte.
65 Die Zusammenstellung von hanístjmi und nekroí begegnet auch in Jes 26,14.19;
2Makk 12,44. Die einzigen LXX-Texte, die hanástasiß im Sinne von Totenauferstehung
gebrauchen sind 2Makk 7,14b und 12,43.
66 Vgl. BACHMANN, 1Kor 15,12f. gegen die Vorstellung, dass bereits in 15,12 an das
besondere Problem der Auferstehung von Christen und Christinnen zu denken sei.
67 Gegen die These von J. JEREMIAS (›Flesh and Blood cannot inherit the Kingdom of
God‹ (I Cor. XV. 50), in: Ders., Abba [Göttingen, 1966] 303f), dass nekroí ohne Artikel (V
12f.15f.20f.29.32) und mit Artikel (V 29.35.42.52) sich je auf Tote allgemein und auf
verstorbene Christen bezieht, vgl. SCHRAGE, IV, 128, Anm. 574. CONZELMANN, 312f denkt
bereits in 15,12 an gestorbene Christen, begründet dies aber m.E. nicht ganz schlüssig mit
dem »christologische[n] Charakter des Beweises«.
68 Paulus will kaum argumentieren: »Wenn Christus von den Toten auferweckt wurde,
wie können einige behaupten, dass manche Tote nicht auferstehen?« Dass Paulus einen
negierten Allfall (und nicht etwa einen Partikuläraussage) im Sinn hat, ist für die logische
Form relevant. Ob Paulus und seine Leserschaft an eine allgemeine Totenauferstehung oder
an eine exklusive Auferstehung der Gerechten zum Heil dachten, ist daher nebensächlich.
69 P¨ wß drückt Verwunderung aus (ROBERTSON / PLUMMER, 346; LINDEMANN , 377). Der
theologische Zusammenhang, der erst in 15,20 zum Ausdruck kommt, steht ihm hier bereits
vor Augen (s.u. S. 114).
70 Kaí bleibt textkritisch umstritten, da für beide Optionen sehr gute Zeugen sprechen:
Während es in a* A D F G 33 erscheint, wird es im P46 a2 und B ausgelassen. Von den
Kommentaren plädiert z.B. THISELTON, 1218 für Auslassung und LINDEMANN, 339 für
Einbeziehung. Inhaltlich ändert sich wenig.
71 Die Variante in der ersten Plural Hj pístiß Hjm¨wn ist zwar ausgesprochen gut hand-
schriftlich belegt (B D* 0243 0270* 6 33 81 1241s 1739 1881; gegenüber Hum¨wn in a A D2 F
G), lässt sich aber leicht als Angleichung an Hjm¨wn in 14a erklären. Zudem nimmt 17a die
Wendung Hj pístiß Hum¨wn aus 14c wieder auf.
106 III. Analyse paulinischer Texte
Gottes (yeudomártureß79 toü qeoü80) und Lügner gegen Gott, weil sie
gegen Wissen und Evidenz verkündigen, dass Gott Jesus auferweckt habe, wo
es doch keine Auferweckung gibt81.
16 e˙ gàr nekroì ohuk hegeírontai, Wenn also Tote nicht auferweckt werden,
ohudè Cristòß heg´jgertai≥ dann ist auch Christus nicht auferweckt worden.
17 e˙ dè Cristòß ohuk heg´jgertai, Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde,
mataía Hj pístiß Hum¨wn, ‘eti hestè dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid noch
hen taïß Hamartíaiß Hum¨wn. in euren Sünden.
18 ‘ara kaì oÓ koimjqénteß hen Folglich würden auch die Entschlafenen in
Crist¨^w hap´wlonto. Christus verloren gehen.
19 e˙ hen t¨∆ zw¨∆ taút∆ hen Crist¨^w Wenn wir in diesem Leben unsere Hoffnung auf
hjlpikóteß hesmèn mónon, Christus gesetzt haben (und nur das), dann sind
heleeinóteroi pántwn wir die bemitleidenswertesten 82 von allen
hanqr´wpwn hesmén. Menschen.
Der zweite Argumentationsgang setzt wieder mit der These der Korinther aus
V. 13 an und zieht daraus wieder den Schluss, dass Christus nicht auferweckt
worden sei (16). Paulus knüpft in V. 17 an die bereits dargestellte Konse-
quenz, dass der Glaube »leer« sei (14c), an (mataía), betont hier aber stärker
die Wirkungslosigkeit eines solch ausgehöhlten Glaubens83. Daraus zieht er
zwei weitere Schlüsse: Eine Erlösung von Sünden84 hätte nicht stattgefunden
3. Logische Analyse
a) Auslegungs- und forschungsgeschichtliche Perspektiven
Die Auslegungsgeschichte von 1Kor 15,12–19[20] ist mit wechselnder
Intensität und Sachkenntnis an die Logik dieses Textes herangegangen. In der
Gegenwart ist v.a. die Auseinandersetzung zwischen dem Logiker Theodor G.
Bucher und dem Exegeten Michael Bachmann nicht nur unter auslegungsge-
schichtlichen Gesichtspunkten von Interesse, sondern v.a. auch deshalb, weil
dadurch eine Reihe entscheidend wichtiger Fragen methodischer und
hermeneutischer Natur im Hinblick auf das Verhältnis von Exegese und
Logik zur Sprache gebracht worden sind89.
Zur Bucher-Bachmann-Debatte90: In seinem ersten Aufsatz zum Text hat Bucher vorge-
schlagen 91, 1Kor 15,12–20 mit den Mitteln stoischer Satzlogik als modus tollens (das ent-
85 Wenn der Glaube, dass Jesus »für die Sünden« gestorben ist (15,3) inhaltsleer wird,
dann ist folglich auch die Vergebung dieses Pseudokerygmas ohne Realitätsbezug.
86 So Bullinger (nach SCHRAGE, IV, 134). MACK, Rhetoric, 57, der die pathetische Note
bemerkt, stellt sie jedoch ganz ohne Grund der argumentativen Logik des Textes entgegen:
»This ends on a pathetic note, showing that Paul’s argument was designed not to give reasons
for the trustworthiness of the kerygma but to ward off questions about it.«
87 Mónon ist kaum zu helpikóteß zu ziehen (so aber ALLO, 403), da helpízw bei Paulus
immer positiv konnotiert ist. Häufig wird es mit hen t¨∆ zw¨∆ verbunden (»wir sind nur in
diesem Leben Hoffende«; BDR §3521; CONZELMANN, 315; FEE, 744f; LINDEMANN, 341;
SCHRAGE, IV, 134f; W EISS, 355; WOLFF, 380). Die syntaktische Stellung jedoch legt nahe,
mónon auf den gesamten Satz zu beziehen (BACHMANN, 439; BARRETT, 349f; THISELTON,
1221). ROBERTSON / PLUMMER, 350 übersetzen: »If in this life we are hopers in Christ and
have nothing beyond.«
88 Der Grund dieses bemitleidenswerten Zustandes besteht nicht einfach darin, dass es
keine Auferstehung der Toten gibt, sondern darin, dass die in VV. 13ff angeführten Nachteile
zu ertragen sind. In einem anderen Zusammenhang äußert sich syrBarApk 21,13 ähnlich:
»Denn gäbe es nur dies Leben, das jedermann hier hat – nichts könnte bitterer sein.« (Klijn,
JSHRZ V/2, 136)
89 Die Debatte selbst ging über verschiedene »Runden« in verschiedenen Zeitschriften
(Bib., ThZ, LingBibl) und brachte als »Nachzügler« noch einen kleinen Meinungsaustausch
zwischen BACHMANN und Christoph ZIMMER und letzthin einen Artikel von Johan S. VOS
hervor (vgl. die vollen bibliographischen Angaben oben in S. 95, Anm. 11).
90 Ein detailliertes chronologisches Referat der Auseinandersetzung ist deswegen wenig
ertragreich, weil im Verlauf derselben das zwischen beiden Strittige ebenso wie das
Gemeinsame sich in verschiedenen Anläufen immer deutlicher herausgeschält hat und es
nicht nur zu Annäherungen gekommen ist, sondern auch zu wichtigen Präzisierungen, sowohl
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 109
spricht der zweiten stoischen Grundform; s.o. S. 85) aufzufassen. Aus logischer Perspektive
hat er dabei nicht nur Vorschläge wie reductio ad absurdum oder argumentum ad hominem
einer kritischen Analyse unterzogen, sondern auch Grundlagenwissen über Logik vermit-
telt92. Bachmann hat in seiner Replik 93 v.a. an der Formulierung Buchers, hier ginge es um
eine »allgemeine Auferstehung«94, Anstoß genommen und darauf gedrängt, die logische
Analyse auf eine exaktere philologische Untersuchung der verwendeten Terme zu gründen95.
Uneinig zeigen sich beide im Hinblick auf das Problem der verwendeten logischen Formali-
sierungssystematik. Während Bucher die logischen Strukturen des Textes nur mit satzlogi-
schen Mitteln zu erheben versucht96, geht Bachmann auch prädikatenlogisch vor97. Beide
haben in der Folge auch die Auslegungsgeschichte in Patristik und Mittelalter berücksich-
tigt98. Trotz einiger Abweichungen fundamentallogischer Natur gibt es auf dem Gebiet der
konkreten Formalisierung kaum Unterschiede. So kann Bucher nicht sehen, »worin denn
unsere Abweichung sachlich besteht« (Beweisführung, 139). Dieser Eindruck drängt sich
auch Außenstehenden beim Anblick von Bachmanns synoptischer Gegenüberstellung der
beiden Formalisierungsvorschläge auf99:
Bucher Bachmann
(1) ¬A → ¬C (V. 13) (i) ¬A* → ¬C (V.13)
(2) C (V. 20a) (ii) C (V. 20a)
(3) A (iii) A* (s. V. 20b.21b)
im Hinblick auf die Möglichkeit einer logischen Textanalyse als auch im Hinblick auf das
konkrete Verständnis der Argumentation von 1Kor 15,12–20.
91 BUCHER, Logische Argumentation. Der gleiche Gedankengang findet sich in »Aufer-
stehung Christi«.
92 Zur Implikation vgl. BUCHER, Logische Argumentation, 477–486; Beweisführung,
135f; zur Satz- und Prädikatenlogik und zum Problembereich von »Wahrheit und Gültigkeit«
vgl. Überlegungen, 72–80.84–91. Allgemein hat sich BUCHER zu solchen Fragen in seiner
Einführung in die angewandte Logik geäußert.
93 BACHMANN , Gedankenführung.
94 BUCHER, Logische Argumentation, 470.
95 Vgl. bes. BACHMANN , Gedankenführung, 268–272; Rezeption, 81–83.94.
96 BUCHER, Logische Argumentation betont mit Nachdruck, »dass sich die vorliegende
Argumentation nicht in Syllogismen ausdrücken lässt« (473, Anm. 1). Die Prädikatenlogik
aristotelischer Manier könne an diesem Texte nicht angelegt werden, weil »Paulus […] hier
nach der Aussagenlogik [argumentiert], d.h. er teilt die Aussagen nicht in Subjekt und
Prädikat auf, von denen eines als Mittelterm fungiert, sondern er nimmt die Aussagen als
ganze« (474). Ähnlich S. 486: »Paulus argumentiert mit der stoisch-megarischen Logik und
die Exegeten suchen den Gedankengang in der Syllogistik von Aristoteles unterzubringen.
Die Prädikatenlogik ist aber dem diskutierten Problem nicht angepasst.« In BUCHER,
Überlegungen, 80–83 argumentiert er nochmals gegen den Einsatz der Prädikatenlogik.
97 In Gedankenführung, 272, Anm. 42 postuliert er diese Möglichkeit, bietet aber nur
Beispiele satzlogischer Art. Erst in Noch einmal, 101 formalisiert BACHMANN 15,13 als einen
aristotelischen Syllogismus der Form ferio: »1) Kein Gestorbener ist der Auferstehung
teilhaftig. 2) Christus ist ein Gestorbener. 3) Christus ist der Auferstehung nicht teilhaftig.«
Vgl. auch BACHMANN, Argumentum, 38f.
98 BUCHER, Beweisführung, 143–152 (zu Augustin und Thomas von Aquin); BACHMANN,
Argumentum, 33–38 (zu Augustin).
99 In BACHMANN , Rezeption, 84. Die gleiche Formalisierung schlägt ZIMMER, Argumen-
tum, 25f vor.
110 III. Analyse paulinischer Texte
Die Diskussion hat als Minimalergebnis die Einsicht gebracht, dass sich 1Kor 15,12–19 trotz
seiner zweifellos von Pathos getragenen rhetorischen Einkleidung auf seine logische
Stringenz hin sinnvoll befragen lässt100.
100 Seine zweite Erwiderung an BUCHER schreibt BACHMANN »aus der mich mit Bucher
fraglos einenden Überzeugung heraus, es könne von der klassischen Logik (und ihrer
modernen Formalisierung) her Hilfe für das Verständnis von Texten wie 1. Kor. 15,12ff.
erhofft werden.« (Rezeption, 79)
101 WEISS, 353. S CHLATTER, 404 formuliert eine ähnliche »logische[...] Regel […], daß
von einer allgemein gültigen Verneinung jeder besondere Fall getroffen wird.«
102 Vgl. z.B. S PÖRLEIN , Leugnung, 67; LINDEMANN, 337.
103 SCHRAGE, IV, 126, Anm. 566: »Das aber ist schon darum fraglich, weil es bekanntlich
keine Regel ohne Ausnahme gibt.« Ein solcher Einwand berührt logische Fragen nicht.
104 Vgl. zur Kritik weiterhin BUCHER, Logische Argumentation, 473f.
105 BACHMANN , 437 (deductio ad absurdum); K. BERGER, Formgeschichte des Neuen
Testaments (Heidelberg, 1984) 103; Exegese des Neuen Testaments (UTB 658; Heidelberg,
21984) 54; V. HASLER, Credo und Auferstehung in Korinth. Erwägungen zu 1 Kor 15, ThZ 40
(1984) 24; HÉRING, 163; ROBERTSON / PLUMMER, 348; SCHRAGE, IV, 109 und 126, Anm.
566; SIEGERT, Argumentation, 241; W. STENGER, Beobachtungen zur Argumentationsstruktur
von 1Kor 15, Strukturale Beobachtungen zum Neuen Testament (NTTS 12; Leiden, 1990)
259. J. HOLLEMAN, Resurrection and Parousia (NT.S 84; Leiden, 1996) 41, Anm. 4 definiert
das argumentum ad absurdum kurzerhand im Sinne des Weiß’schen Gesetzes.
106 Pánteß gàr oÓ e˙ß tò h adúnaton peraínonteß tò mèn yeüdoß sullogízontai, tò
dh hex harc¨jß hex Hupoqésewß deiknúousin, “otan hadúnaton ti sumbaín∆ t¨jß hantifásewß
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 111
Da hier die Absurdität oder Unmöglichkeit nicht Ziel, sondern Mittel zum Beweis ist,
wäre es präziser, von probatio per absurdum107 oder demonstratio per impossibile108 zu
sprechen. In der modernen Logik ist dieses Beweisverfahren gültig und hat meist eine der
beiden folgenden Grundformen109:
(1a) B (1b) B (2a) (2b)
(A ∧ B) → C (¬A ∧ B) → C A→C ¬A → C
(A ∧ B) → ¬C (¬A ∧ B) → ¬C A → ¬C ¬A → ¬C
¬A A ¬A A
Wie C. Thiel zurecht betont, sollte im strengen Sinne von einer reductio ad absurdum nur
dann die Rede sein, »wenn der erreichte Widerspruch ein logischer (ein ›absurdum‹) ist, d.h.
nicht bloß einer empirischen Tatsache widerspricht (›impossibile‹) oder gar nur ein ›lästiges
Faktum‹ (›incommodum‹) ist« 110. An dieser Stelle wird der Übergang zur argumentativen
Verwendung des Begriffs deutlich. In der Argumentation geht es nicht um den Beweis,
sondern um den Aufweis von Ungereimtheiten bei Annahme der gegenteiligen Position. So
bietet z.B. W.C. Salmon ein logisch weniger strenges Schema111:
Behauptung: p.
Voraussetzung: Nicht-p.
Daraus deduziert man: Eine falsche Aussage; entweder
p (Widerspruch zur Voraussetzung nicht-p) oder
q und nicht-q (Selbstwiderspruch) oder
irgendeine andere Aussage r, die bekanntermaßen falsch ist.
Konklusion: Nicht-p ist falsch; also gilt p.
Dieses Schema lässt jede Deduktion zu, »die bekanntermaßen falsch ist«. In diesem Sinne
kann auch in der Rhetorik von einer reductio gesprochen werden 112, wenn eine gegnerische
Meinung durch den Aufweis widerlegt wird, dass »die Vordersätze der Schlüsse falsch
sind«113. Dennoch sind Begriffe wie hapagwg´j oder reductio kaum in die Rhetorik-Lehr-
bücher eingegangen114. Ich möchte daher im Folgenden unterscheiden zwischen der streng
logischen reductio ad absurdum und einer eher rhetorischen reductio ad impossibile115.
teqeísjß. Vgl. weiterhin Aristoteles An. pr. I 5,27a14f; 6,28b21; 7,29b6 (dazu PATZIG,
Aristotelische Syllogistik, 153–166; KNEALE / KNEALE, Logic, 96–100). Vorformen dieser
Argumentationsform finden sich bei Platon (z.B. Theaithetos 164a.b; Apologie 27d.e) oder
bei Zenon von Elea (vgl. KNEALE / KNEALE, Logic, 15f).
107 S. MATUSCHEK , Apagoge, HWRh 1 (1992) 758.
108 N. RESCHER, Art. Reductio ad absurdum, HWPh 7 (1992) 369.
109 C. THIEL, Art. reductio ad absurdum, EPhW 3 (1995) 516.
110 THIEL, reductio, 516.
111 SALMON, Logik, 64.
112 MATUSCHEK , Apagoge, 759.
113 MARTIN , Antike Rhetorik, 125 nennt dies eines der wichtigsten Ziele der lúsiß oder
refutatio (vgl. allg. dazu S. 124–133).
114 MATUSCHEK , Apagoge, 759.
115 Eher zur Verwirrung geeignet ist die Abgrenzung von KNEALE / KNEALE, Logic, 9:
»Perhaps the name reductio ad absurdum may be allowed to cover those which are not
strictly instances of reductio ad impossibile.«
112 III. Analyse paulinischer Texte
Für den unter Betracht stehenden Text lässt sich die Bestimmung als reductio
ad impossibile nicht leicht von der Hand weisen: Paulus geht hypothetisch
von der These der Korinther aus und nimmt diese als Ausgangsprämisse für
eine Reihe von Konklusionen, denen die Korinther kaum zugestimmt haben
dürften. Ein logischer Beweis im obigen Sinne ist jedoch nicht formalisierbar.
3. Am direktesten ist die Frage nach der Logik betroffen, wenn sie für den
Text schlicht als irrelevant betrachtet wird116. In diese Richtung bewegt sich
deutlich die These, der Text sei lediglich ein argumentum ad hominem117.
Doch die rhetorischen Kommunikationsebenen von Ethos, Pathos und Logos
greifen derart ineinander über, dass mit der Aussage, in einem Text werde an
Gefühle appelliert oder ein Text ziele auf Persuasion, nichts über die logische
Struktur des Textes gesagt ist – und umgekehrt118. Auch der Hinweis, dass die
Christologie im Zentrum stehe, dispensiert wohl kaum von einer Analyse der
logischen Gültigkeit119. Im Namen der theologischen »Sache« sollte ein Text
nicht gegen die Möglicghkeit einer logischen Analyse immunisiert werden120!
116 CONZELMANN , 313 setzt sich z.B. von WEISS ab: »Das ist nicht formallogische Kon-
sequenzmacherei.« Bereits Luther erblickte in diesem Text nur einen »schwachen Beweis«,
»einen Schluß vom Besonderen auf das Allgemeine« (Korintherbriefe, hrsg. Ellwein, 213).
117 Vgl. SPÖRLEIN , Leugnung, 69; W EISS, 354f (allerdings nur im Hinblick auf V. 17 und
das nicht zu Unrecht!). Zur Kritik vgl. BUCHER, Logische Argumentation, 469. Neuerdings
wieder SCHRAGE, IV, 111: »Dabei geht es Paulus allerdings weniger um logische Gesetze
und Beweise als um persuasive Argumente ad hominem, wobei er auch affektische Mittel
einsetzt.« Zur BUCHER-BACHMANN-Debatte urteilt SCHRAGE, IV, 127, Anm. 569: »Insofern
sind die scharfsinnigen formallogischen Distinktionen auf der Basis der antiken Prädikaten-
oder Aussagenlogik von Bucher und Bachmann m.E. nur mit Vorbehalt hilfreich.«
118 Wenn z.B. der logischen Analyse BUCHERS vorgeworfen wird, er verkenne »den
grundsätzlichen Charakter von 1. Kor 15 als lebendiger Rede und als dynamischen Argumen-
tationsprozeß« (BÜNKER, Briefformular, 142, Anm. 126), dann steht dahinter das Zerrbild
einer »Logik«, die im konkreten Sprachvollzug mit so etwas wie dynamischen Prozessen
unvereinbar ist. BÜNKER, Briefformular, 68: »Nicht die logisch distanzierte Abhandlung wird
im Vordergrund stehen, sondern die Überredung bzw. Überzeugung der Zuhörer.« Eine
ebenso falsche wie traurige Alternative!
119 SCHRAGE, IV, 126, Anm. 566 wendet gegen die logische Bestimmung der Argumenta-
tion ein: »Vor allem der Zusammenhang zwischen V 1–11 und 12ff spricht dagegen. Nicht in
sich schlüssige Denkrichtungen und weltanschauliche Möglichkeiten stehen im Zentrum der
Debatte, sondern die Christologie und ihre universalen und eschatologischen Dimensionen.«
S. 127: »Gewiß sind Enthymeme mit Prämissen und Konklusionen erkennbar (V 13.16), mit
denen Paulus auf Inkonsequenzen aufmerksam macht. Das Entscheidende aber ist nicht, daß
dann, wenn die Auferstehung Jesu feststeht, eine prinzipielle Leugnung der Totenauferste-
hung logisch unhaltbar ist. Entscheidend ist vielmehr, daß die Wirklichkeit der Auferwe-
ckung Jesu als Anbruch der neuen Welt und als eschatologischer Beginn und Grund der
Totenauferstehung zu verstehen ist…«
120 Dies gilt etwa für BRAUN, Randglossen, 198, der das »Weiß’sche Gesetz« ablehnt und
meint, dass der ganze Text »in syllogistischer Form inhaltliche Notwendigkeiten geltend
macht, nach dem Gesetz der Sache, die da verbietet, von Christi Auferweckung zu reden, wo
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 113
Insgesamt ist der beschränkte, aber doch unverkennbare Nutzen der Logik
für die Analyse von Schlussverfahren trotz der Beiträge von Bucher und
Bachmann in der Fachexegese nicht in vollem Umfang gewürdigt worden.
Manche Abgrenzungen zeugen vielmehr von einer unzutreffenden Auffas-
sung von Logik121.
Boden immer nass wird, wenn es regnet, ist noch keine Aussage darüber
getroffen, was im Falle von ausbleibenden Regenfällen geschieht. Da es viele
andere Ursachen dafür geben kann, dass der Boden nass wird (z.B. ein
Wasserrohrbruch), lässt sich nicht nur in diesem Fall, sondern generell aus der
Negation der Protasis einer Implikation nichts folgern124.
Die Argumentationsrichtung von 1Kor 15,12–19 ist in den Bedingungssät-
zen in VV. 13 und 16 gleich zweimal mit unmissverständlicher Klarheit
angegeben: Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist Christus
nicht auferweckt worden. Daraus ist jedoch nichts im Hinblick darauf zu
schließen, wie es sich mit der Auferstehung Christi verhalten könnte, wenn es
eine Auferstehung der Toten gäbe. An keiner Stelle deutet der Text mit auch
nur einem Wort die Absicht an, von der allgemeinen Auferstehung auf die
Auferstehung Jesu schließen zu wollen. Dies ist mit den Mitteln der Logik aus
den Implikationen in 15,13.16 auch völlig unmöglich125. Die Auferstehung
Jesu wird nach der Darlegung des Kerygmas in 15,1–11 in 15,20 fern jeder
logischen Beweisbarkeit »kategorisch affirmiert«126.
Die Argumentationsrichtung von der Auferstehung Christi zur Auferstehung der Toten
beginnt erst in 15,20 (nicht bereits in 15,12)127. Dass ab hier jedoch nicht mehr im Sinne
logischer Implikationen argumentiert wird, lässt sich daran ablesen, dass Paulus ab V. 20
stilistisch von Konditional- zu Aussagesätzen übergeht (einzige Ausnahme: 15,32b). Der
argumentative Schritt ist dadurch möglich, dass ein zusätzlicher Aspekt ins Spiel gebracht
wird: Die »allgemeine« Auferstehung (vielleicht nur auf verstorbene Christen und Christin-
nen bezogen) findet ihre Begründung deshalb in der Auferstehung Jesu, weil diese als
eschatologischer »Eröffnungsakt« verstanden wird 128. Dies liegt sachlich (nicht logisch!) in
124 Die stoische Logik war sich des Problems bewusst, so dass von den zwei axioma-
tischen Implikationen (s.o. S. 85), keine als zweite Prämisse die Negation der Protasis setzt.
125 SELLIN, Auferstehung, 257, Anm. 107: »Was er [= Paulus] letztlich zeigen will, ist,
daß aus der Auferweckung Christi die Auferweckung der (aller) Christen folgen wird. Keine
Logik allein bringt solchen Schluß zustande.« Die letzte Aussage ist zwar zutreffend, aber
zumindest für 15,12–19 gilt keineswegs, dass Paulus die Auferweckung der Christen aus der
Auferweckung Christi zeigen wollte.
126 BUCHER, Logische Argumentation, 470. Erhellend auch 471, Anm. 1: »Die Annehm-
barkeit von V. 20 ist Sache der Erkenntnistheorie, resp. der theologischen Entscheidung, hat
aber mit Logik nichts zu tun. Diese unglückselige Vermischung zwischen Logik und
Erkenntnistheorie schreibt der Logik auf der einen Seite Leistungen zu, die sie nicht
erbringen will, auf der anderen Seite werden ihr Leistungen in ihrem eigenen Kompetenzbe-
reich gar nicht zugetraut und a priori als unmöglich hingestellt.«
127 Anders CONZELMANN, 313, Anm. 18 (zu V. 13): »Es schwebt bereits hier der kausale
Zusammenhang zwischen der Auferstehung Christi und derjenigen des Christen vor.«
128 Vgl. 6,14; 15,20; 2Kor 4,14; Röm 8,11. S. VOLLENWEIDER, Ostern – der denkwürdige
Ausgang einer Krisenerfahrung, in: Ders., Horizonte neutestamentlicher Christologie
(WUNT 144; Tübingen, 2002) 118f betont, dass die Auferstehung Jesu »im Sinne einer
gewissmachenden Antizipation« zur allgemeinen Auferstehung in Bezug gesetzt wird, was
allerdings nicht als Aufarbeitungsversuch von Todesfällen in den Gemeinden zu werten ist,
sondern als »eine zunächst fast selbstverständliche Implikation«. U. LUZ, Das Geschichtsver-
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 115
der apokalyptischen Vorstellung begründet, dass mit der Auferstehung Jesu die Heilszeit
ihren Anfang nimmt129. Paulus täuscht an dieser Stelle also keineswegs mehr logische
Stringenz vor, als den Sätzen beigelegt werden könnte130. Im Gegensatz zu manchen seiner
modernen Ausleger begeht er den Fehlschluss der Implikationsumkehrung nicht131.
ständnis des Paulus (BEvTh 49; München, 1968) 333, Anm. 61: »in Wirklichkeit argumen-
tiert er – vielleicht pseudologisch – von der Auferstehung Christi her«. SCHRAGE, IV, 128:
»Prämisse und Ziel seiner Argumentation ist V 20, der die Eingangsthese von V 12a
wiederholt und daraus folgert, daß die Toten auferstehen.« Dies ist nicht ganz richtig, weil V.
20 nicht V. 12a wiederholt, sondern durch haparc`j t¨wn kekoimjménwn ganz entscheidend
qualifiziert.
129 ROBERTSON / PLUMMER, 347f: »The connexion between antecedent and consequent is
therefore not logical merely, but causal: the Resurrection of Christ is not viewed by the
Apostle as one particular case of a general law, but as the source of Divine Power which
effects the Resurrection in store for His members.« (Hervorhebung vom Autor)
130 Wieder ROBERTSON / PLUMMER, 351: »In these verses [20–28, MM] the Apostle
ceases to argue, and authoritatively declares the truth. Human logic is for the moment
dropped, and the inspiration of the Prophet takes its place.«
131 Richtig THISELTON , 1214: »Any possible sense of confusion for the modern reader
arises because the resurrection of Christ is also regarded (in vv. 20–34) as the paradigm case
of resurrection in reality. Hence it may appear that Paul is turning an anticipated argument
upside down. In practice, however, these two approaches represent different and complemen-
tary arguments. There is no contradiction of logic between vv. 12–19 and 20–34.«
132 BUCHER, Logische Argumentation, 472f; vgl. auch LANG , 217. WOLFF, 376 segmen-
tiert 15,12–20 ohne weitere Begründung als eine Einheit.
133 BUCHER, Logische Argumentation, 465. Für ihn ist V. 12 ein argumentum ad homi-
nem (S. 466).
116 III. Analyse paulinischer Texte
134 DieArgumentation weiß sich damit dem Prinzip vom »ausgeschlossenen Dritten«
verpflichtet. Beide Aussagen können gleichzeitig nicht wahr sein.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 117
135 Vgl. BUCHER, Wahrheitsgarantie, 28–30. Die Gründe, die dazu geführt haben, lassen
sich z.B. am Darapti-Schluss der dritten Figur veranschaulichen: »Alle Menschen sind
Denkende. Alle Menschen sind Atmende. Also: Einige Atmende sind Denkende.« Aus den
Prämissen »Sokrates ist ein Denkender«, und »Sokrates ist ein Atmender«, lässt sich ebenso
der Schluss ziehen: »Einige (im Sinne von: mindestens einer) Atmende sind Denkende.«
Dieser Schluss ist bei einer Formalisierung der beiden Individualaussagen als i-Sätze nicht
zulässig.
136 Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Formalisierung der Individualaussagen in
Satz (1) und (3): CaA und CeA bilden einen konträren und keinen kontradiktorischen
Gegensatz.
118 III. Analyse paulinischer Texte
verkürzter Syllogismus, dessen obere Prämisse, dass alle Menschen sterblich sind, unausge-
sprochen bleibt. In diesem Sinne können einige der Implikationen in VV. 13–19 auf ihre
Logik hin befragt werden.
137 Die erste Pluralform steht daher in 14b–15 im Zentrum. Der Hinweis auf den Glauben
der Korinther in 14c schlägt eine Brücke zur zweiten Argumentationslinie in 17b–18.
138 Th. LEWANDOWSKI, Linguistisches Wörterbuch (UTB 201; Heidelberg, 31979) 2:524f:
»In der umgangssprachlichen Kommunikation gehen O[bjektsprache] und Metasprache oft
unmerklich ineinander über, Mißverständnisse und Paradoxien können durch den Kontext
vermieden werden. Rein sprachliche Indikatoren für O[bjektsprache] und M[etasprache] gibt
es nicht.« Es gilt als anerkannt, »daß die Nichtbeachtung dieser Unterscheidung zu folgen-
schweren Paradoxien und semantischen Antinomien führt« (525).
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 119
139 Im Rahmen dieser Vermischung von Objekt- und Metasprache erscheint ein Argument
wie »Weil es keinen Weihnachtsmann gibt, sind die Erzählungen der Eltern ohne Inhalt«, als
schlüssig.
140 Beide Begriffsfelder können sich semantisch überschneiden. Vgl. Sir 34,1: »Eitel ist
die Hoffnung (kenaì helpídeß) des Toren und eine trügerische (yeudeïß) Erwartung, und
Träume beunruhigen törichte Menschen.« (Sauer, JSHRZ) Hos 12,1f: »In Ephraim ist
allenthalben Lüge (yeúdei) wider mich … und täglich mehrt es Eitles und Nichtiges (kenà
kaì mátaia).«
120 III. Analyse paulinischer Texte
Auch hier ist eine gewisse Grenze des Formalisierbaren erreicht. Dennoch
leuchtet das Argument ein: Die christlichen Verkündiger sind lügenhafte
Zeugen, weil sie das Gegenteil dessen behaupten, was der Fall ist141. V. 16
wiederholt die Argumentation von V. 13. Die Implikation in V. 17a.b wieder-
holt im Wesentlichen 14b.c, geht aber gleich zum Glauben über und tauscht
kenóß durch mátaioß aus. Dieser Wechsel ist für die weitere Argumentation
nicht ohne Bedeutung, bleibt aber logisch nicht begründbar.
Die fünfte Implikation (17b.c) schließt aus der Unwirksamkeit des Glau-
bens auf die Tatsache, dass die Christen noch in ihren Sünden sind. Der
Zusammenhang ist deutlich: »Sündenvergebung gehört zu den ›Wirkungen‹
des Glaubens. Wenn aber der Glaube ›wirkungslos‹ (weil ›inhaltslos‹) ist,
dann sind auch seine Wirkungen illusorisch.« Einen Weg, diese Struktur zu
erfassen, sehe ich mit den Mitteln aristotelischer Syllogistik nicht.
Die sechste Implikation (17c–18) hat zwar vier Terme, aber K (korinthi-
schen Christen) und V (Verstorbene) beziehen sich nicht auf zwei ganz unter-
schiedliche Menschengruppen, sondern im Wesentlichen auf korinthische
Christen. Es ist daher durchaus sachgemäß, mit drei Termen zu operieren:
SaD Wenn Menschen »in Sünden« verloren gehen [maior implizit]
KaS u. wenn die korinth. Christen (auch d. Verstorbenen) »in Sünden« sind, [minor]
KaD dann gehen die korinth. Christen (samt der Verstorbenen) verloren. [concl.]
Die siebte Implikation in V. 19 markiert gegenüber der bisherigen Kettenar-
gumentation einen Bruch, weil sie nicht an eine vorherige Schlussfolgerung
anschließt. Es gibt zwar einen sachlichen Bezug zwischen der Aussage, dass
jemand seine Hoffnung auf eine inhaltsleere und wirkungslose Botschaft
setzt, und der Aussage, dass eine solche Person zu bemitleiden ist142, aber der
superlativische Komparativ »am bemitleidenswertesten« ist syllogistisch nicht
formalisierbar. Hier ist ohnehin mehr Pathos als Logos am Werk!
Fazit: Die einzelnen Implikationen der Argumentation sind nicht fern jeder
syllogistischen Logik. Die Gültigkeit der ersten und dritten Implikation ist
unter Zuhilfenahme einer impliziten Prämisse problemlos aufweisbar. Bei der
vierten und sechsten Implikation muss einer der vorhandenen Terme durch
semantische Generalisierung gestrichen werden. Die zweite Implikation bietet
ein besonderes Problem der Alltagssprache: die Vermischung von Objekt-
und Metasprache. Schließlich sind die fünfte und siebte Implikation ebenso
wenig wie der Übergang von 17a zu 17b syllogistisch formalisierbar. Die
aristotelische Syllogistik steht vor dem Problem, dass die sprachliche Vielfalt
eine Reduktion auf die drei für den Schluss nötigen Terme nicht immer
141 Katà toü qeoü impliziert, dass Gott als die Instanz von »Wahrheit« gilt.
142 Als »Syllogismus«: »(1) Menschen, die ihre Hoffnung auf eine inhaltsleere Botschaft
setzen, sind bemitleidenswert. (2) Christen sind solche Menschen. (3) Christen sind
bemitleidenswert.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 121
143 Für die satzlogische Formalisierung habe ich der besseren Vergleichbarkeit willen die
Satzbuchstaben von BUCHER, Logische Argumentation, 467 übernommen.
144 Es ist Ermessenssache, ob ein Satz der natürlichen Sprache wie »Die Predigt ist
inhaltslos« als eine positive Aussage aufgefasst wird oder bereits als Negat der Aussage: »Die
Predigt ist sinnvoll«. BUCHER, Logische Argumentation, 467 schlägt P als Aussagekonstante
für den Satz vor: »Die Predigt ist nicht leer = sie ist sinnvoll, begründet.« Um näher an der
Formulierung des Textes zu bleiben, habe ich den Satz als »positive« Aussage gefasst. Das
Gleiche gilt für Satz (5) in 14c.
145 p → q im Sinne von ¬(p∧¬q). Also: Wenn p, dann q = Es ist nicht der Fall, dass
gleichzeitig p und nicht-q gilt.
122 III. Analyse paulinischer Texte
Die Aussagenlogik erlaubt es, die logische Struktur klarer auf ihre Gültigkeit
hin zu untersuchen. In diesem Falle geht es um den Nachweis der logischen
Stringenz zwischen der Auferstehung Christi und der Negation, dass Gott
Tote auferwecke. Aus der Aussage »Gott hat Jesus von den Toten aufer-
weckt« wird die Aussage »Es gibt keine Auferstehung von Toten« in einer
Art als falsch erwiesen, die der alten aussagenlogischen Regel des modus
tollens entspricht148. Die beiden Prämissen für den Schluss sind in den Versen
13 und 20a (bzw. schon in 15,4f) zu finden:
1. Wenn Tote (von Gott) nicht auferweckt werden, ¬A → ¬C Prämisse 1
dann ist auch Christus nicht auferweckt worden (13).
2. Nun ist aber Christus auferweckt worden (20). C Prämisse 2
3. Also werden Tote (von Gott) auferweckt. A 1, 2, modus tollens
146 BUCHER, Logische Argumentation, 477: »Die Bedeutung der Implikation kann hier
kaum überschätzt werden.« 485f: »Ganz allgemein läßt sich zur Implikation bemerken, dass
dieser logische Funktor von den Theologen in seiner Bedeutung unterschätzt wird.«
147 BUCHER, Logische Argumentation, 467.
148 Darin sind sich BUCHER, BACHMANN und ZIMMER einig; ihnen folgen u.a. F EE, 740;
und ASHER, Polarity, 60 (der in Anm. 98 die Struktur allerdings falsch angibt: »if A then B;
not A; therefore not B« korrekt wäre: »if A then B; not B; therefore not A«).
149 BUCHER, Logische Argumentation, 471. Luther, Korintherbriefe, 213, der davon
ausging, dass die Korinther die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten leugneten,
hält diesen Text deswegen für einen »schwachen Beweis«, weil »das, was bestritten wird,
durch das bewiesen wird, was man leugnet. […] Das heißt man einen Beweis erschleichen.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 123
Auferstehung Jesu als »Erstling« ins Spiel bringt und dadurch Auferstehung
Jesu und Auferstehung von Christen auf eine andere Art und Weise miteinan-
der verbindet150.
f) Fazit
Es hat sich gezeigt, dass von einem Text unterschiedliche Formalisierungen
möglich sind. Im streng logischen Sinne liegt hier jedoch nur eine Schluss-
form vor: der zweite stoische axiomatische Syllogismus, der sog. modus
tollens151. Für 1Kor 15,12–19 lässt sich festhalten, dass Paulus logisch gültig
argumentiert152. Die Empfehlung Bachmanns, »bis zum Erweis des Gegen-
teils das Wahrheitssystem des Paulus als mit der klassischen Logik verträglich
aufzufassen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Paulus wolle (gele-
gentlich) streng logisch argumentieren«153, kann aufgrund dieses Textes nur
unterstrichen werden154.
Was das Verhältnis zur traditionellen Exegese anbelangt, hat Bucher den Vorrang der Logik
gegenüber Fragen historischer Exegese verteidigt: Bevor nämlich die Exegese den Text mit
Hilfe von »Zusatzhypothesen« zur vorausgesetzten Situation zu verstehen versucht, sollte sie
prüfen, »wie weit die Struktur der Argumentation derartige Vermutungen rechtfertigt«155.
Damit kommt für Bucher der logischen Analyse einer Argumentation eine vorrangige und
von der konkreten Rekonstruktion der impliziten Kommunikationssituation unabhängige
Rolle zu. M.E. kann die satzlogische Analyse mehr auf exegetische Detailfragen verzichten,
weil die Formalisierung ganzer Sätze großzügig über Inhalte hinwegsehen kann. Aristoteli-
sche Syllogistik ist nur auf der Grundlage genauer Exegese durchführbar, weil sowohl die
inhaltliche Bestimmung als auch die Reduktion auf die nötigen Terme ohne Exegese nicht
begründet werden kann.
150 BUCHER, Logische Argumentation, 471 führt dies darauf zurück, dass die damaligen,
in solchen logischen Verfahren geschulten Leser und Leserinnen, es sofort begriffen hätten.
151 Darin stimmen BUCHER und BACHMANN überein. BUCHER benutzt 1Kor 15,12–20 als
Übung in seiner Einführung in die angewandte Logik, 126f.416.
152 BACHMANN , Gedankenführung, 266f meint jedoch, dass die Schlussfolgerung im
modus tollens keineswegs den Beweis des Wahrheitswertes »wahr« für die Aussage »Es gibt
eine allgemeine Totenauferstehung (A)« erbringe, sondern nur für die folgende Aussage
(266f): »Der Satz ›es gibt eine allgemeine Totenauferstehung‹ ist wahr, wenn der Fall eintritt,
dass es keine Totenauferstehung gibt und Christus nicht auferstanden ist, Christus aber doch
auferstanden ist‹; also (¬A→¬C ∧ C) → A.« Die logische Analyse ist damit durch unnötige
Differenzierungen belastet (vgl. BUCHER, Überlegungen, 84–91).
153 BACHMANN , Gedankenführung, 267, Anm. 15. THISELTON, 1217: »These verses
underline Paul’s expectation that believing Christians will respect logical coherence and
rational thought. He does not hesitate to appeal to it.«
154 Die biographische Frage ist in dieser Arbeit zurückgestellt worden (s.o. S. 23ff).
Dennoch darf hier spekuliert werden: Wären die Mehrheit der paulinischen Argumentationen
diesem Text ähnlich, gäbe es an der logischen Bildung des Paulus keinen Zweifel.
155 BUCHER, Logische Argumentation, 465.
124 III. Analyse paulinischer Texte
156 Der Satz z.B.: »Das gleiche Wissen bezieht sich auf Gegenteile«, wäre zuerst auf die
verschiedenen Arten von Gegenteilen und dann im Hinblick auf konkrete Beispiele
(»gerecht-ungerecht« usw.) zu prüfen.
157 Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, XLII fasst zusammen: »Ein o-Fall destruiert eine
a-Konstruktion, ein i-Fall eine e-Konstruktion.«
158 Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, 603, Anm. 72: »Der später so genannte Topos ab antece-
dentibus et a consequentibus. Er hat eher seinen Ort in der Rhetorik.« Ebda., XLIV: »Das
enthält alles nicht viel Philosophie, stiftet nur oberflächliche Verbindungen, ermangelt der
wirklich kausalen Strenge, nähert sich rhetorischen Argumentationsfiguren.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 125
»›Was ist, wenn das Vorliegende ist?‹ wenn wir nämlich zeigen können, daß das dem
Vorliegenden Folgende nicht besteht (tò hakólouqon t^¨w prokeimén^w m`j ‘o n), so werden
wir auch das Vorliegende aufgehoben haben (han∆rjkóteß hesómeqa tò prokeímenon).« 159
159 Ähnlich auch Top. II 5: Explikation von Impliziertem. Gelingt es, ein Implikat zu
stürzen, fällt auch das Implizierende.
160 Diese stillschweigende Umwandlung eines i-Falles in einen a-Fall ist beinahe sophis-
tisch. Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, XLIII: »Die Anweisung grenzt an Sophistik: Wenn das
Ganze nicht geht, so genüge die Hälfte, und die sei dann für das Ganze behauptet! Also
Schluß vom i- auf den a-Fall.«
161 BARTH, Auferstehung, 89 bemerkt: »Es ist die Hinterlist dieses Abschnittes, daß
Paulus in das von den Korinthern Zugegebene, die Auferstehung Christi, zum vornherein
einen Sinn hineinlegt, der ihnen so fremd ist, wie das von ihnen nicht Zugegebene, die
allgemeine Totenauferstehung, und sie nun von daher überrumpelt und aufrollt.«
162 Ähnlich erwägt WITHERINGTON, 302, dass die Korinther bereits die Auferstehung Jesu
spiritualisiert haben.
126 III. Analyse paulinischer Texte
Frage, dass Jesus als generelle Ausnahme oder als nicht-menschliches Wesen
betrachtet wurde163.
Die Haltung der Korinther, wie sie sich in 1Kor 15,12ff widerzuspiegeln
scheint, macht in der Tat einen logisch so absurden Eindruck, dass an solche
Differenzierungen zu denken ist (zumal sie vom Gesamtbefund her glaub-
würdig erscheinen!). Hat Paulus diese Differenzierungsmöglichkeiten nicht
sehen wollen oder nicht sehen können (aufgrund seiner überlieferten Anthro-
pologie und Eschatologie)?
1Kor 2,8: »Keiner von den Fürsten dieser Welt hat sie [= die Weisheit Gottes] erkannt
(‘egnwken), denn wenn sie sie erkannt hätten (e˙ gàr ‘egnwsan), so würden sie
wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben (ohuk ’an tòn kúrion
t¨jß dóxjß hestaúrwsan).«
Basissätze:
(1) Wm Die Machthaber erkennen Gottes Weisheit (8b).
(2) Km Die Machthaber kreuzigen den Herrn der Herrlichkeit (8c).
Wm→¬Km Wenn die Machthaber Gottes Weisheit erkennen (8b), dann kreuzigen sie den
Km Herrn der Herrlichkeit nicht (8c). Nun haben sie aber den Herrn der Herrlich-
¬Wm keit gekreuzigt (implizit). Also ist es nicht der Fall, dass die Machthaber
Gottes Weisheit erkennen (8a).
163 CONZELMANN , 313, Anm. 18: Die Korinther hätten erwidern können, »Christus sei –
als Himmelswesen – eine Ausnahme«.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 127
Gal 2,21: »Ich mache die Gnade Gottes nicht ungültig; denn wenn Gerechtigkeit durch
Gesetz kommt (e˙ gàr dià nómou dikaiosúnj), dann ist Christus umsonst
gestorben (‘ara Cristòß dwreàn hapéqanen).«
Basissätze:
(1) G Die Gerechtigkeit kommt durch das Gesetz (21b).
(2) C Christus ist umsonst gestorben (21c).
G→C Wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt (21b), dann ist Christus umsonst
¬C gestorben (21c). Nun ist Christus nicht umsonst gestorben (vgl. 1,4). Also ist
¬G es nicht der Fall, dass die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt.
Gal 3,18: »Denn wenn das Erbe aus Gesetz (kommt), so (kommt es) nicht mehr aus
Verheißung (e˙ gàr hek nómou Hj kljronomía, ohukéti hex hepaggelíaß); dem
Abraham aber hat Gott es durch Verheißung geschenkt (dih hepaggelíaß
kecáristai).«
Basissätze:
(1) E Das Erbe (Abrahams) kommt aus dem Gesetz (18a).
(2) V Das Erbe (Abrahams) kommt aus der Verheißung (18b).
E → ¬V Wenn das Erbe (Abrahams) aus dem Gesetz kommt (18a), dann kommt es
V nicht aus der Verheißung (18b). Nun kommt es aber aus der Verheißung (18c).
¬E Also ist es nicht der Fall, dass das Erbe (Abrahams) aus dem Gesetz kommt.
(Der Schluss wird nicht ausdrücklich gezogen, aber die weitere Diskussion in
3,19–29 baut deutlich darauf auf.)
Gal 3,21: »Ist denn das Gesetz gegen die Verheißungen (Gottes)? Auf keinen Fall. Denn
wenn ein Gesetz gegeben worden wäre (e˙ gàr hedóqj nómoß), das lebendig
machen könnte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz (‘o ntwß hek
nómou ’an ~j n Hj dikaiosúnj).«
Basissätze:
(1) L Es wird ein lebendig machendes Gesetz gegeben (21b).
(2) G Die Gerechtigkeit kommt aus dem Gesetz (21c).
L→G Wenn ein lebendig machendes Gesetz gegeben wird (21b), dann kommt die
¬G Gerechtigkeit aus dem Gesetz (21c). Nun kommt aber die Gerechtigkeit nicht
¬L aus dem Gesetz (2,16.21). Also ist es nicht der Fall, dass ein lebendig
machendes Gesetz gegeben wird.
128 III. Analyse paulinischer Texte
164 N. BONNEAU, The Logic of Paul’s Argument on the Curse of the Law in Galatians
3:10–14, NT 39 (1997) 60–80; D. BOYARIN, A Radical Jew (Berkeley, 1994) 136–157; M.
CRANFORD, The Possibility of Perfect Obedience: Paul and an Implied Premise in Galatians
3:10 and 5:3, NT 36 (1994) 242–258; T.L. DONALDSON, The ›Curse of the Law‹ and the
Inclusion of the Gentiles: Galatians 3:13–14, NTS 32 (1986) 94–112; J.D.G. DUNN, Works of
the Law and the Curse of the Law (Galatians 3:10–14), NTS 31 (1985) 523–542 = Jesus, Paul
and the Law: Studies in Mark and Galatians (London, 1990) 215–241; H.-J. ECKSTEIN,
Verheißung und Gesetz: Eine exegetische Untersuchung zu Galater 2,15–4,7 (WUNT 86;
Tübingen, 1995) 94–170; D.B. GARLINGTON, Role reversal and Paul’s use of scripture in
Galatians 3.10–13, JSNT 65 (1997) 85–121; G.W. HANSEN, Abraham in Galatians:
Epistolary and Rhetorical Contexts (JSNT.S 29; Sheffield, 1989) 109–127; R.B. HAYS, The
Faith of Jesus Christ: The Narrative Substructure of Galatians 3:1–4:11 (Grand Rapids, MI,
2002) 166–183; I.-G. HONG, Does Paul Misrepresent the Jewish Law? Law and Covenant in
Gal. 3:1–14, NT 36 (1994) 164–182; M. KONRADT, ›Die aus Glauben, diese sind Kinder
Abrahams‹ (Gal 3,7). Erwägungen zum galatischen Konflikt im Lichte frühjüdischer
Abrahamtraditionen, erscheint in: G. Gelardini (Hrsg.), Kontexte der Schrift, Bd. 1: Text –
Ethik – Judentum und Christentum – Gesellschaft (FS E.W. Stegemann; Stuttgart, 2005) 27–
50; J. LAMBRECHT, Curse and Blessing: A Study of Galatians 3,10–14 (1991), in: Ders.,
Pauline Studies. Collected Essays (BEThL 115; Leuven, 1994, 271–298; LAMPE, Reticentia;
K.A. MORLAND, The Rhetoric of Curse in Galatians: Paul Confronts Another Gospel (Emory
Studies in Early Christianity 5; Atlanta, 1995), bes. 24–28; 181–233; G.M.M. PELSER, The
Opposition Faith and Works as Persuasive Device in Galatians (3:6–14), Neotest. 26 (1992)
389–405; W. REINBOLD, Gal 3,6–14 und das Problem der Erfüllbarkeit des Gesetzes bei
Paulus, ZNW 91 (2000) 91–106; J.M. SCOTT, ›For as Many as are of Works of the Law are
under a Curse‹ (Galatians 3.10), in: C.A. Evans / J.A. Sanders (ed.), Paul and the Scriptures
of Israel (JSNT.S 83; Sheffield, 1993) 187–221; H.–J. SCHOEPS, Paulus (Tübingen, 1959)
183–192; C.D. STANLEY, ›Under a Curse‹: A Fresh Reading of Galatians 3.10–14, NTS 36
(1990) 481–511; N.T. W RIGHT, Climax of the Covenant (Minneapolis, 1992) 137–156
(»Curse and Covenant: Galatians 3.10–14«); N.H. YOUNG, Who’s cursed – and why?
(Galatians 3:10–14), JBL 117 (1998) 79–92.
165 Vgl. das Zeugnis des unbekannten hellenistischen Philosophen o. S. 2.
166 DONALDSON, Curse, 94.
167 BONNEAU, Logic, 60.
168 BETZ, 137.
169 Weitere Beispiele in LAMPE, Reticentia, 27; Probleme logischer Kohärenz listet
LAMBRECHT, Curse, 272–274 auf.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 129
der Logik der Argumentation von Gal 3,6–14 ein besonders aussichtsloses
Unterfangen zu werden170.
Mit der Frage nach der Argumentationskohärenz ist das Problem verknüpft, ob das Verhältnis
des Paulus zu seinem jüdischen Erbe (insbesondere aufgrund der Aussagen in 3,10–14) nicht
bereits einen Punkt erreicht hat, an dem man dem Apostel zwar nicht »Antisemitismus« wird
vorwerfen können, aber doch ein grobes Missverständnis jüdischer Torahfrömmigkeit. Aus
der Sicht jüdischer Religionsgeschichte bemängelt G.F. Moore zu Gal 3,10–12: »How a Jew
of Paul’s antecedents could ignore, and by implication deny, the great prophetic doctrine of
repentance […] – that seems from the Jewish point of view inexplicable.« 171 Das Problem
der jüdischen Identität des Paulus (und damit auch das der frühen Brüche in der Beziehung
des sich bildenden Christentums zum »formativen« Judentum) bildet einen reizvollen
hermeneutischen Blickwinkel auf Gal 3,6–14, dem im Folgenden nicht weiter nachgegangen
werden kann 172.
1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung
Dass der Gal zu einem Sturmzentrum kontroverser rhetorischer Analysen
geworden ist, verdankt sich besonders dem Kommentar von Hans Dieter
Betz173, der zu einem wahren Rhetorik-»Revival« in der Paulus-Exegese
geführt hat174. Zwar hat sein Vorschlag, den Gal der Gattung des »apologeti-
schen Briefes« und damit dem genus iudiciale zuzurechnen, von vielen Seiten
Kritik erfahren175, aber sein makrotextueller Gliederungsvorschlag ist vielfach
positiv rezipiert worden176.
170 LAMPE, Reticentia, der wie viele andere festellen muss, dass »die Logik des Textes
[…] prima facie rätselhaft« erscheint (27), fragt dennoch: »Kann dem Abschnitt eine
sinnvolle Logik unterstellt werden?« (28) Ähnlich wagt MORLAND, Curse, 182 »an attempt to
uncover its logic«. Der Beitrag von BONNEAU, Logic beschäftigt sich trotz des Titels nicht
mit Fragen der Logik im technischen Sinne.
171 Judaism in the First Centuries of the Christian Era (Cambridge, 1958) 3:151.
172 Vgl. dazu den Kommentar von MUSSNER. BOYARIN, Radical Jew, 136–157 behandelt
Gal 3 unter dem bezeichnenden Titel »Was Paul an ›Anti-Semite‹?« und stellt den Apostel als
radikalen jüdischen Kulturkritiker dar, der mit den Mitteln »häretischer« Midrashim
argumentiert. SCHOEPS, Paulus, 183–192 nimmt Gal 3 als Paradebeispiel dafür, dass Paulus
die jüdische Gesetzesauffassung grundlegend missverstanden hat; ähnlich E.P. SANDERS,
Paul, the Law, and the Jewish People (Philadelphia, 1983) 20–27.
173 Die Hauptthese des Kommentars legte BETZ bereits früher vor: The Literary Composi-
tion and Function of Paul’s Letter to the Galatians, NTS 21 (1975) 353–379. Sie wird
neuerdings von KREMENDAHL, Botschaft der Form, 120–150 vertreten.
174 Vgl. zur Forschungsgeschichte ANDERSON , Rhetorical Theory, 111–123; R.A.
BRYANT, The Risen Crucified Christ in Galatians (SBLDS 185; Atlanta, 2001) 44–52;
KREMENDAHL, Botschaft der Form, 6–14.
175 Diejenigen, die gegenüber BETZ das genus deliberativum für den Gal bevorzugen (z.B.
V. JEGHER-BUCHER, Der Galaterbrief auf dem Hintergrund antiker Epistolographie und
Rhetorik [AThANT 78; Zürich, 1991]; J. SMIT, The Letter of Paul to the Galatians: A
130 III. Analyse paulinischer Texte
Deliberative Speech, NTS 35 [1989] 1–26), arbeiten zwar die Schwachpunkte der Betz’schen
These heraus, werden aber häufig durch eine andere, aber ebenso eindeutige Zuweisung des
gesamten Briefs zu einem der drei rhetorischen Genera der Vielfalt intentionaler Redehand-
lungen im Gal m.E. kaum gerecht (vgl. generell zur methodischen Kritik an dieser Vorge-
hensweise o. S. 96f). ANDERSON, Rhetorical Theory, 106–108 zweifelt grundsätzlich an der
Existenz einer Gattung des »apologetischen Briefes«. Interessant ist, dass sich Melanchthon
im Hinblick auf den Gal veranlasst sah, den gängigen Dreierkanon der rhetorischen Genera
um ein Glied zu erweitern, dem genus didacticum (vgl. CLASSEN, Rhetorical Criticism, 11).
176 Z.B. (mit teils geringen Änderungen) B.H. BRINSMEAD , Galatians – Dialogical
Response to Opponents (SBLDS 65; Chico, CA, 1982) 57–90; J.D. HESTER, The Rhetorical
Structure of Galatians 1:11–2:14, JBL 103 (1984) 223–233; KREMENDAHL, Botschaft der
Form, 157–161; J. SCHOON-JANSSEN, Umstrittene Apologien in den Paulusbriefen (GTA 45;
Göttingen, 1991) 71; F. VOUGA, La construction d’histoire en Galates 3–4, ZNW 75 (1984)
259–269; Zur rhetorischen Gattung des Galaterbriefes, ZNW 79 (1988) 291f (bestätigt den
Aufbauvorschlag von Betz durch Vergleich mit einer Rede von Demosthenes).
LONGENECKER übernimmt in seinem Kommentar trotz Kritik an BETZ (vgl. S. cix–cxiii) im
Wesentlichen dessen Aufbau. KLAUCK, Briefliteratur, 178 bezeichnet den Betz’schen
Gliederungsvorschlag als »ausgesprochen erhellend«.
177 BETZ, 14–25.
178 SMIT, Deliberative, 9–22.
179 R.G. HALL, The Rhetorical Outline for Galatians, JBL 106 (1987) 277–287.
180 S.a. BONNEAU, Logic, 64.
181 Das bedeutet nicht, dass Kap 1–2 nicht bereits argumentative Züge tragen. M.E.
dienen diese Kapitel dazu, das »Ethos« des Redners sprachlich zu vermitteln. Johannes
Chrysostomus deutet das Verhältnis von Kap 1–2 zu Kap 3–4 in seiner meisterhaft knappen
Auslegung (In Ep. Gal. Com.) ähnlich: »Des Weiteren, nachdem er [= Paulus] sich selbst als
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 131
Der Abschnitt 3,6–14 ist von den rhetorischen Fragen in 3,1–5 klar
abgehoben. Mit der direkten Anrede und der metaskommunikativen Wendung
»ich rede nach menschlicher Weise« ist 3,15 deutlich als neuer Einsatz im
Rahmen der Abraham-Thematik markiert182. Eine genauere Untergliederung
für 3,6–14 ergibt sich aus den unterschiedlichen Argumentationsabsichten183:
Nach der positiven Argumentation anhand des »Beispiels« Abrahams (6–9),
folgt als dessen Negativum der »Fluch« des Gesetzes (10–12) und schließlich
die »Lösung« des Kerygmas, der Freikauf durch Christus (13f).
b) Literarischer Kontext
Die enge Verbindung von 3,1–5 und 3,6–14 lässt sich rein formal an der
Verteilung des Leitbegriffes pístiß (3,2.5.8f.11f.14) und an der inclusio
zwischen 3,2 und 3,14 (Stichwörter: pneüma, lambánw, pístiß) ablesen184.
Ein thematisch wichtiger Zusammenhang besteht zur Hauptthese des Briefes,
die in einer recht umständlichen Formulierung in 2,16 gleich dreimal
wiederholt wird185. Es ist v.a. diese Aussage, die in 3,6ff argumentativ
untermauert werden soll186.
Der Übergang zur probatio des Briefes setzt in 3,1 mit der wenig schmei-
chelnden Anrede der Adressaten als »unvernünftige Galater« (~w hanójtoi
Galátai) recht grob ein187. Die rhetorischen Fragen, die sich daran anschlie-
vertrauenswürdigen Lehrer hingestellt hat, führt er hier seine Rede mit umso größerer
Kontrolle (Macht) fort, indem er einen (rhetorischen) Vergleich macht zwischen Glaube und
Gesetz.« (hentaüqa dè loipòn haxiópiston katast´jsaß Heautòn didáskalon metà
pleíonoß t¨jß ahuqentíaß dialégetai, pístewß kaì nómou súgkrisin poioúmenoß. 3,1 =
PG 61, 647 [zu 3,1]; eig. Übersetzung) Johannes versteht Gal 1–2 als Apologie gegen
Vorwürfe (ebda: t¨wn kaqh Heautòn hapelog´jsato). Mit 3,1 gehe Paulus deutlich zu einem
»anderen Hauptpunkt« über (hefh “eteron kefálaion).
182 Vgl. LONGENECKER, 126.
183 Die ausführlichste und m.E gelungenste Gliederungsbegründung bietet EBELING, 229–
232; ähnlich LUZ, Geschichtsverständnis, 149, der zudem einen Bezug zum weiteren
Argumentationsverlauf herstellt: 3,15ff (Abraham); 3,19ff (Gesetz); 3,25ff (Christus).
184 Mit LONGENECKER, 109 u.a. Für S CHLIER, 126 und MUSSNER, 211 ist 3,6–14 nur
locker mit 3,1–5 verbunden.
185 »Da wir wissen, dass durch Werke des Gesetzes (h ex ‘ ergwn nómou) kein Mensch
gerecht gesprochen wird (ohu dikaioütai), sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus
(dià pístewß h Ijsoü Cristoü), haben auch wir an Christus Jesus geglaubt (e˙ß Cristòn
h Ijsoün hepisteúsamen), damit wir aus Glauben an Christus (hek pístewß Cristoü)
gerecht gesprochen werden (dikaiwq¨wmen) und nicht aus Werken des Gesetzes (hex ‘ergwn
nómou), denn aus Werken des Gesetzes (hex ‘ergwn nómou) wird kein Mensch gerecht
gesprochen (dikaiwq´jsetai).«
186 BETZ, 142; STANLEY, Curse, 497.
187 Seit 1,11 hat Paulus die Adressaten nicht direkt angeredet. Die namentliche Anrede ist
– wie MUSSNER, 206 hervorhebt – bei Paulus selten (2Kor 6,11; Phil 4,15). Durch ~w +
Vokativ wird der Neueinsatz in 3,1 deutlich verstärkt.
132 III. Analyse paulinischer Texte
ßen (3,1–5), dienen auf pragmatischer Ebene der Erzeugung von Schamge-
fühlen durch Tadel. Dass Paulus hier vorwiegend mit »Pathos« zu überzeugen
sucht, liegt auf der Hand188. Dennoch lassen sich in diesem Übergangsab-
schnitt auch Konturen von Rationalität erkennen: Die tadelnde Beschimpfung
als hanójtoi (1a) hat diesbezüglich Signalcharakter und wird durch Wieder-
holung verstärkt (3a)189. Am Anfang einer aus der Sicht des Paulus verhee-
renden Reihe von Selbstwidersprüchen und Inkonsequenzen steht das
Aussetzen der Vernunft190. Denn aus der klaren Nachzeichnung des Kreuzes-
geschehens und seiner Bedeutung (1c), aus dem hörenden Glaubensgehorsam
(2b: hako¨jß pístewß) und aus der Erfahrung eines vom kraftvollen Wirken
des göttlichen Geistes bewegten Lebens (3b.5) hätte etwas anderes »folgen«
sollen als das Zurückfallen in die Gesetzeswerke und das »Fleisch« (2b.3b).
Für diese Fehlentwicklung – die sogar Anlass zur Befürchtung gibt, alles sei
umsonst gewesen (4) – findet Paulus in der leicht übertriebenen Tonart der
ersten rhetorischen Frage nur eine Erklärung: Die Galater sind einer nicht
näher spezifizierten Form von irrational-magischer Einwirkung (1b: baska-
ínw) zum Opfer gefallen.
Die zweimalige Anklage der Unvernunft ist nicht nur literarischer Rück-
griff auf gängige Beschimpfungsmuster, sondern auch Ausdruck des Unver-
ständnisses gegenüber einer Entwicklung, die Paulus rational kaum nachvoll-
ziehen kann191. Die rhetorischen Fragen machen allesamt auf die Inkonse-
188 MUSSNER, 206 vermutet an dieser Stelle »etwas Erregendes an sich« und wird »einer
gewißen zornigen Bitterkeit und Ironie« gewahr. Die Rhetorik des Pathos impliziert jedoch
nicht entsprechende Gefühlsregungen seitens des Sprechers.
189 Aus dem für uns erstaunlichen Umstand, dass Beschimpfungen in der Antike in den
unterschiedlichsten Gattungen belegt sind (von der Komödie über Graffiti bis zu Gerichtsre-
den), lässt sich ablesen, in welch hohem Maße »verbale Aggression offenbar […] geduldet
wurde« (B.-J. SCHRÖDER, Art. Schimpfwörter, DNP 11 [2001] 175). Die interessante Studie
von I. OPELT, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte sprachliche Erscheinungen
(Heidelberg, 1965) untersucht eingehend den Gebrauch von Schimpfwörtern in unterschiedli-
chen Beziehungskonstellationen, von denen im Hinblick auf das besondere Verhältnis des
Paulus zu seinen Gemeinden die Beziehungen Vater-Sohn (S. 54–58) und Lehrer-Schüler
(S. 115–124) von besonderem Interesse sind. In der erzieherischen Scheltrede dienen
Beschimpfungen dem Ziel, den Sohn zur Vernunft zu bringen (S. 54). Wenn der Lehrer sich
genötigt sieht, zur Scheltrede zu greifen, dann ist das ein Zeichen dafür, dass seine bisherigen
Bemühungen gescheitert sind. »[D]er pädagogische Tadel ist daher entweder Vorwurf der
Dummheit oder moralische Disqualifizierung.« (S. 115)
190 Eine genaue semantische Abgrenzung von hanójtoß ist kaum möglich. MUSSNER, 206
denkt an »mangelnde Einsicht […] in das Wesen des Evangeliums«. Textpragmatisch hat der
Vorwurf der »Dummheit« eine »ermahnende« Funktion. OPELT, Schimpfwörter, 262 stellt
generell für die lateinische Literatur fest, dass ein solcher Vorwurf »stets ›nouthetisch‹«
ausgerichtet ist (vgl. etwa zum beliebten Schimpfwort stultus [»dumm«] die Beleghinweise
im Register S. 281).
191 OPELT, Schimpfwörter, 261 zieht das Fazit, dass Schimpfwörter nicht ausschließlich
als Leistung des Affektes anzusehen sind. Aus »dem Verhältnis der Wortwahl zur Situation«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 133
ist vielmehr »die Vorherrschaft des Verstandes auch im Bereiche der affektivischen Sprache«
ablesbar. Die Beschimpfung gerät umso stärker in den Bereich des Affekts je hyperbolischer
sie durch Adjektive, Genitive u.ä. verstärkt wird. Der relativ moderate Einsatz von Tadel in
Gal 3,1–5 deutet also weniger auf Affekt als auf einen rationalen Einsatz damals gewöhnli-
cher pädagogischer Sprachmittel hin.
192 Ähnlich VOUGA , 66 (zu 3,1).
193 Vgl. neben den Einleitungen und Kommentaren die methodischen Überlegungen in
J.M.G. BARCLAY, Mirror-reading a Polemic Letter: Galatians as a Test Case, JSNT 31 (1987)
84–86 (zur Methode) und zu Gal 1–2 LYONS, Autobiography.
194 Zur Übersetzungsschwierigkeit von ‘eqnoß s.u. Anm. 354.
195 Dies ist für BARCLAY, Mirror-reading, 88 »highly probable«; s.a. LONGENECKER, 114;
BURTON, 153f; ausführlich HANSEN, Abraham, 167–174; KONRADT, Kinder Abrahams. Das
Frühchristentum hat die mit dem Namen Abrahams verknüpfte Frage, wer als Jude gelten
kann und wer nicht, auf neue Weise problematisiert (vgl. Mt 3,9; Lk 3,8; 16,24; Joh 8,33f;
Röm 2,28f; 9,6).
196 Der Abrahamsbund wurde im antiken Judentum nicht einheitlich als Beschneidungs-
bund gedeutet. Bei Philo fehlt ein solcher Zusammenhang, in Sir 44,19–21; CD 16,4–6 und
im Jubiläenbuch wird er ausdrücklich hergestellt. Vgl. dazu KONRADT, Kinder Abrahams;
und allgemein zur Abraham-Figur K. BERGER, Art. Abraham II. Im Frühjudentum und Neuen
Testament, TRE 1 (1977) 372–382; HANSEN, Abraham, 175–199; F.E. WIESER, Die Abra-
hamvorstellungen im Neuen Testament (EHS 23/317; Bern, 1987) 153–179.
134 III. Analyse paulinischer Texte
2. Exegetische Anmerkungen
a) Positive Argumentation: Abraham-Exemplum (3,6–9)200
6 kaq`wß h Abraàm (Es ist) wie (im Falle) Abrahams:
hepísteusen t¨^w qe¨^w, er vertraute (glaubte an) Gott,
kaì helogísqj ahut¨^w e˙ß und es wurde ihm als Gerechtigkeit (Bundes-
dikaiosúnjn. treue) angerechnet. [Gen 15,6]
(schwach bezeugte) textkritische Variante207 berufen. Problematisch jedoch ist die Stellung
am Anfang der Argumentation, denn die komplette Einführungsformel kaq´wß gégraptai
steht ansonsten immer nach der zu begründenden Aussage208. Einfaches kaq´wß ist als
Einführungspartikel für exempla belegt209. Versteht man 3,6 in diesem Sinne, dann ist
allerdings eine Unterbrechung des Satzgefüges in Kauf zu nehmen 210. Die rhetorische
Bestimmung der Figur Abrahams als exemplum ist für die Argumentation des Textes von
Belang 211.
Mit Gen 15,6 greift Paulus einen zentralen Abrahamstext heraus212. Durch die
Rekontextualisierung in den Argumentationsgang von Gal 3 erhält der
alttestamentliche Intertext eine neue Bedeutung. Der Apostel deutet den Text
– gegen jüdische und judenchristliche Positionen seiner Zeit213 – im Sinne des
semantischen Netzes seiner theologischen Schwerpunkte214. Es geht dabei
nicht um die »Treue« Abrahams, die sich durch seine Standfestigkeit in den
Versuchungen bewährt, sondern um sein »Vertrauen« auf Gottes Verhei-
ßung215. Ähnlich ändert sich der Referenzbereich der Wendung »zur Gerech-
tigkeit anrechnen«216 im Sinne der paulinischen Vorstellung der Rechtferti-
Testament and the Midrash, in: Ders., Historical and Literary Studies (NTTS 8; Leiden,
1968) 52–63.
207 G Vgclem Ambrosiaster ergänzen in diesem Sinne.
208 Vgl. kaq` wß gégraptai oder johanneisch kaq`wß hestin gegramménon in Mt 26,24;
Mk 1,2; 9,13; 14,21; Lk 2,23; Joh 6,31; 12,14; Apg 7,42; 15,15; Röm 1,17; 2,24; 3,4.10; 4,17;
8,36; 9,13.33; 10,15; 11,8.26; 15,3.9.21; 1Kor 1,31; 2,9; 2Kor 8,15; 9,9. Ähnlich verhält es
sich mit Wendungen, die kaq´wß mit Verben des Sprechens verbinden und ein Zitat einleiten:
Joh 1,23; Apg 7,48; Röm 9,29; 2Kor 6,16; Hebr 3,7; 4,3.7; 5,6.
209 Kaq´ wß als Hinweis auf eine Analogie zu einer Gestalt oder einem Ereignis aus der
Schrift: Lk 11,30 (Jona); 17,26.28 (Tage Noahs – Tage Lots); Joh 3,14 (Erhöhung der
Schlange durch Mose); 1Joh 3,12 (Kain als Negativbeispiel: ohu kaq`wß Káin).
210 KOCH, Schrift, 13f, Anm. 12: »[D]as Zitat hat ein derartiges Eigengewicht, daß der
übergeordnete syntaktische Zusammenhang zerbricht.« Er vermutet ferner, dass anstelle der
Fortsetzung des Vergleichs (etwa kaq`wß h Abraàm ... o“u twß oÓ hek pístewß ktl.), »die
schlußfolgernde Zitatinterpretation von V 7« erscheint (S. 106). Die Änderung in der
Wortstellung gegenüber der LXX dient zudem der Absicht, »Abraham« möglichst an den
Satzbeginn zu stellen.
211 Vgl. zur Funktion des »Beispiels« in der rhetorischen Logik des Aristoteles o. S. 70f.
212 Zur atl.-jüd. Auslegungsgeschichte vgl. J.R. WISDOM, Blessing for the Nations and the
Curse of the Law (WUNT 2:133; Tübingen, 2001) 23–42.65–86. MARTYN, 297 vermutet
m.E. zu Recht, dass dieser Text nicht auf das Konto der »Gegner« geht (gegen BARRETT,
Allegory, 6).
213 Die traditionelle Verbindung zwischen dem »Glauben« und den »Werken« Abrahams
bringt Jak 2,20–26 unmissverständlich klar zum Ausdruck. Vgl. dazu F. AVEMARIE, Die
Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs: A very old perspective on Paul, ZThK 98
(2001) 282–309.
214 Ähnlich BETZ, 141.
215 Theologisch wird dieser Gedanke in Röm 4, bes. 4,13–25, ausgeführt.
216 Die syntaktische Einheit erscheint noch in Röm 4,3f.9.22f; vgl. logízomai in Röm
2,3.26; 3,28; 4,4–6.8.10f.24; 6,11 usw.; Jak 2,23.
136 III. Analyse paulinischer Texte
217 Die semantischen Schwierigkeiten können hier nicht ausgiebig diskutiert werden. Auf
der synchronen Ebene ist jedoch deutlich, dass die LXX-Wendung logízomaí tini e˙ß
dikaiosúnjn im paulinischen Sprachgebrauch semantisch austauschbar ist mit Ho qeòß
dikaioï tiná. Vgl. dazu K. K ERTELGE, »Rechtfertigung« bei Paulus (NTA N.F. 3; Münster,
2
1971) 185–195; M.A. SEIFRID, Justification by Faith: The Origin and Development of a
Central Pauline Theme (NT.S 68; Leiden, 1992); H.W. W EIDLAND, Art. logízomai ktl.,
ThWNT 4 (1942) 287–295, bes. 292–295.
218 Über die Erfolgsaussichten solchen Argumentierens urteilt BETZ, 141: »Therefore his
contention that Gen 15:6 proves his understanding of ›justification by faith‹ as opposed to ›by
works of the Torah‹ can convince only those who share his theological and methodological
presuppositions.«
219 So auch REINBOLD, Erfüllbarkeit, 94f u.a.
220 Die beiden anderen Belege für gin´wskete in den Paulusbriefen (2Kor 8,9; Phil 2,22)
sind leider wenig aussagekräftig.
221 LONGENECKER, 114 ohne Angabe von Quellen (ebenso MARTYN , 299; PELSER,
Opposition, 396). Indikativisch deuten v.a. die älteren Kommentatoren (z.B. LIGHTFOOT, 136;
weitere Belege in SIEFFERT, 173); neuerdings auch ECKSTEIN, Verheißung, 103 und
STANLEY, Curse, 494, Anm. 44.
222 Dies ist die häufigste Deutung. Eine ähnliche Abfolge von kaq´wß, Schrifthinweis und
schlussfolgerndem ‘ara findet sich in Röm 9,13–16 und 10,15–17. Für Parallelen aus der
didaktischen Literatur vgl. BETZ, 141.
223 LONGENECKER, 114: »The particle ‘ara (›then‹) marks this statement of v 7 as the
logical consequence of the quotation of v 6.« Unklar erscheint mir die Bestimmung von
BETZ, 141: »What the Galatians are asked to recognize is not obvious, but is the result of the
following argument here anticipated.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 137
224 MARTYN , 299: »[T]hose who derive their identity from observance of the Law.« Der
substantivierte Ausdruck begegnet nur in Gal 3,7.9 und Röm 3,26b (vgl. aber Röm 4,16: t^¨w
hek pístewß h Abraám) und geht wohl auf Paulus zurück. In Gal 3,10 steht es antithetisch zu
“osoi hex ‘ergwn nómou e˙sín. Ähnliche Substantivierungen mit hek/hex sind für Paulus nicht
selten: Röm 2,8 (oÓ hex heriqeíaß); 4,14 (oÓ hek nómou); 9,6 (oÓ hex h Isra´jl); 16,10 (toùß hek
t¨wn h Aristoboúlou); 16,11 (toùß hek t¨wn Narkíssou); 1Kor 13,10 (tò hek mérouß); Gal
2,12 (toùß hek peritom¨jß [vgl. Apg 10,45; 11,2; Tit 1,10]); 4,23 (Ho hek t¨jß paidískj); Phil
1,16f (oÓ hex hagápjß ... oÓ hex heriqeíaß); 4,22 (oÓ hek t¨jß Kaísaroß o˙kíaß); Kol 4,12 (Ho hex
Hum¨wn). ECKSTEIN, Verheißung, 104: »Bei den abstrakten Begriffen wird somit im Genitiv die
Sache angegeben, die für die betreffenden Menschen charakteristisch und normativ ist.«
(Hervorhebungen vom Autor)
225 Vgl. zum Ausdruck »Sohn« für Zugehörigkeit G. FOHRER / E. LOHSE / E. SCHWEIZER,
Art. Hu ióß ktl., ThWNT 8 (1969) 346f (AT), 359f (Judentum), 366f (NT). Zitat oben von
LOHSE, 359/11f.
226 Sachlich wird der Gedanke in Gal 4,22–31 entfaltet. Vgl. weiterhin Gal 3,16.19.29
(Samen Abrahams); Röm 4,13.16.18; 9,7f.29; 11,1; 2Kor 11,22 usw. Der Ausdruck
»Abraham unser Vater« erscheint in Röm 4,1.12. Der ungewöhnliche Vorschlag von HAYS,
Faith, 170–173, pístiß hier auf den »Glauben Jesu« zu beziehen, gründet auf einer sehr
weitreichenden exegetischen Gesamtentscheidung, die hier nicht gebührend bewertet werden
kann.
227 Vgl. etwa BETZ, 142: »To be sure, this identification is intentionally anti-Jewish.«
228 Die Bedeutung der Nachkommenschaft Abrahams für jüdisches Selbstverständnis
spiegelt sich wider in einem Text wie 4Makk 9,21: »Selbst als sein Knochenskelett sich
schon im Zustand des Zerfallens befand, seufzte er nicht, der hochgemute Jüngling, ein
wahrer Nachkomme Abrahams (Ho megalófrwn kaì Abramiaïoß neaníaß ohuk hesténa-
xen).« (Klauck, JSHRZ)
229 BRUCE, 155 verweist darauf, dass der Gebrauch der maskulinen Form uÓoí (statt
tékna wie in 4,28 und Röm 9,7) nicht im Zusammenhang mit der Beschneidungsthematik
138 III. Analyse paulinischer Texte
gedeutet werden soll. Vielmehr ist aus 3,26 zu schließen, dass mit der maskulinen Form auch
die »Töchter« gemeint sind.
230 Vgl. Röm 9,17; 10,11; 11,2; Lk 4,21; Joh 19,36f; Apg 8,35.
231 Gen 12,3 (kaì heneulogjq´jsontai hen soì päsai aÓ fulaì t¨jß g¨j ß); 18,18 (kaì
heneulogjq´jsontai hen ahut¨^w pánta tà ‘eqnj t¨jß g¨j ß); 22,18 (kaì heneulogjq´jsontai
hen t¨^w spérmatí sou pánta tà ‘eqnj t¨jß g¨jß); 26,4 (kaì heneulogjq´j sontai hen t¨^w
spérmatí sou pánta tà ‘eqnj t¨j ß g¨jß); 28,14 (kaì heneulogjq´jsontai hen soì päsai aÓ
fulaì t¨jß g¨jß kaì hen t¨^w spérmatí sou). Direkte Echos finden sich in Y 71,17 (kaì
ehulogjq´jsontai hen ahut¨^w päsai aÓ fulaì t¨j ß g¨jß); Sir 44,21 (dià toüto hen “ork^w
‘estjsen ahut¨^w heneulogjq¨jnai ‘eqnj hen spérmati ahu toü).
232 Bill. III, 538 verweist auf die rabbinische Wendung: »Was hat die Torah gesehen?«
Ähnliche »Hypostasierungen« der Schrift finden sich in Gal 3,22 (»die Schrift hat alles unter
[die] Sünde eingeschlossen«) und in der Wendung »die Schrift sagt« (Gal 4,30; Röm 4,3;
9,17; 10,11; 11,2). Etwas zu weit geht wohl BRUCE, 155: »Hj graf´j is here practically
equivalent to Ho qeóß, as in Rom 9:17.«
233 Ähnlich BRUCE, 156: »present tense, because it is God’s abiding policy«.
234 Philo, Op 34; Mut 158; G. F RIEDRICH, Art. proeuaggelízomai, ThWNT 2 (1935) 735
und ECKSTEIN, Verheißung, 112; zum Zeitverständnis vgl. P. STUHLMACHER, Erwägungen
zum Problem von Gegenwart und Zukunft in der paulinischen Eschatologie, ZThK 64 (1967)
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 139
Das Interesse des Paulus an der zitierten Stelle gilt der Wendung pánta tà
‘eqnj, die sich in seinem Sprachgebrauch eindeutig auf Nichtjuden bezieht
(Gal 1,6; 2,2.8f.12.14f; 3,14). Für ihn wird diese Verheißung durch seine
gesetzesfreie Evangeliumsverkündigung Wirklichkeit236. Die Rechtfertigung
der Nichtjuden (Gal 2,15–21) ist identisch mit dem abrahamitischen Segen für
die Nichtjuden (3,14)237.
Wichtig an der Abrahamfigur ist, dass der Glaube Abrahams in keiner
Weise dem Glauben der christlichen Gemeinde qualitativ unterlegen ist238. Er
steht vielmehr als Prototyp allen Glaubens239. Betz kommt zu Recht zu
folgendem Urteil:
»Did Abraham, to whom this promise was given, understand it also in this sense? Paul
concludes he did. The Apostle thereby attributes to Abraham a unique role: he was the only
person before Christ who actually knew the gospel and believed it. How can this be? Paul
explains this by the reference to his concept of Scripture: ›Scripture foresaw [it]‹ […] and
›proclaimed [it] before to Abraham‹«.240
Dass Paulus bei seiner Bibeldeutung zutiefst von seiner Erfahrung als
»Heiden«missionar geprägt ist, wird daraus ersichtlich, dass er diese Thema-
tik immer wieder theologisch für sich nutzt241. In V. 9 zieht Paulus ein Fazit
aus seiner bisherigen Argumentation (“wste)242: Gesegnet mit dem glauben-
den Abraham werden nur die »aus Glauben«. Abraham wird damit ganz in
den Bereich des christlichen Glaubens geholt243. »In Abraham« (V. 8) wird
423–450; LUZ, Geschichtsverständnis, 111f. MARTYN, 300 führt den Wortgebrauch auf die
paulinischen Konkurrenten zurück.
235 SIEFFERT, 175.
236 Das wird v.a. die christologische Deutung des Begriffs »Samen Abrahams« später
deutlich machen.
237 BETZ, 142; LAMBRECHT, Curse, 278f.
238 Wie SCHLIER, 141 anzudeuten scheint. Vgl. dagegen BETZ, 153, Anm. 141; FUNG ,
136; KERTELGE, Rechtfertigung, 193. Treffend EBELING, 232: »[D]er Glaube an Jesus
Christus ist wesenhaft kein anderer Glaube als der Glaube Abrahams.«
239 ROHDE, 137f.; ECKSTEIN, Verheißung, 101f.: Abraham ist »für den Apostel exemplum
im Sinne von Urbild und Typos.« LONGENECKER, 113: »Abraham’s faith […] stands as the
prototype of human response to God.«
240 BETZ, 142f.
241 LONGENECKER, 115 mit Hinweis auf Röm 15,9–12, wo Paulus Ps 18,49; 2Sam/2Bas
22,50; Dtn 32,43; Ps 117,1; Jes 11,10 zitiert.
242 Vgl. den Gebrauch der Partikel nach Schriftzitaten in Gal 3,24 (“wste Ho nómoß...); 4,7
(“wste ohukéti...).
243 BETZ, 143: »Abraham who in Judaism is the prototype of ›righteousness through
obedience to the Torah‹ now has become the prototype of the ›men of faith‹.« Das Adjektiv
pistóß bedeutet hier »glaubend« (im Sinne des paulinischen Sprachgebrauchs) und nicht
140 III. Analyse paulinischer Texte
hier im Sinne von »mit ihm« gedeutet. Abraham und die jetzt an Christus
Glaubenden (Nichtjuden?) bilden eine »Glaubensgemeinschaft«244. Die
Beziehung zu Abraham wird terminologisch (mit hen und sún) im Übrigen
sehr ähnlich wie die Beziehung zu Jesus (dem »Samen« Abrahams!) in Worte
gefasst. Paulus benutzt die Segensterminologie als sprachliche Überleitung
zur Antithese »Fluch und Segen« in 10ff.
Das anfängliche gár legt nahe, dass hier noch ein argumentativer Grundstein
für das zuvor Gesagte gelegt werden soll. Die Verbindung ist aber locker
fortführend245. 10a ist eher als conclusio des folgenden Schriftzitats zu lesen.
Mit einer Gegenüberstellung von Dtn 27,26 und Lev 18,5 (in 3,12) einerseits
und Hab 2,4 (in 3,11) andererseits stellt Paulus einen kontradiktorischen
Gegensatz zwischen Fluch beim Gesetz und Leben beim Glauben fest246. Der
Gebrauch von Dtn 21,23 (»Verflucht jeder, der am Holze hängt«) in 3,13 ist
im Hinblick auf die Opposition besonders interessant.
Mit “osoi hex ‘ergwn nómou hebt Paulus eine Gruppe Menschen heraus, die
kategorisch zu unterscheiden ist von den hek pístewß247. Ob es sich dabei
sachlich um einen kontradiktorischen Gegensatz handelt, könnte sachkritisch
diskutiert werden. Im vorliegenden Kontext ist aber deutlich, dass der Kreis
»treu und bewährt«. Die paulinische Semantik verdrängt deutlich den jüdischen Gebrauch.
Vgl. in Bezug auf Abrahams »Treue« z.B. Sir 44,20 (»und in der Versuchung wurde er als
treu erfunden« [kaì hen peirasm¨^w eHuréqj pistóß]); 1Makk 2,52; Philo, Post 173.
244 Wie Israel in diese »Gemeinschaft« passt, thematisiert Paulus hier nicht.
245 BETZ, 144: »gár should best be taken as inferential (›certainly, so, then‹) or as mar-
king another step in the argument.« BONNEAU, Logic, 71 schlägt sogar eine adversative
Deutung vor.
246 BARRETT, Allegory, 6f sieht in Dtn 27,26 einen Schriftbeweis, den die Gegner des
Paulus gegen ihn verwendeten (ähnlich MARTYN, 309). Wird dadurch der paulinische
Schriftgebrauch nicht zu sehr auf die Apologetik seiner Person reduziert? Es ist m.E.
wahrscheinlicher, dass die Abfolge von Schriftstellen sorgfältig gewählt wurde, um ein
konkretes argumentatives Ziel zu erreichen. Ich finde es daher schwer anzunehmen, dass
Paulus, nur mit den Vorgaben seiner Gegner ausgestattet, ein Spiel exegetischer Kombinato-
rik betrieben haben sollte.
247 SIEFFERT, 178 bemerkt richtig, dass “osoi »auch diejenigen, welche sich zu J[esus]
Chr[istus] bekennen«, umfasst; also auch die judenchristlichen Konkurrenten (s.a. BONNARD,
67; SCHLIER, 132). Daher deckt Paulus in 1,8f »nur den Zustand der Judaisten auf, in dem sie
längst stehen« (BECKER, 50).
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 141
248 DUNN, Works. Im Wesentlichen ist DUNN bei seiner Darstellung geblieben. Vgl. Yet
Once More – ›The Works of the Law‹: A Response, JSNT 46 (1992) 99–117; Whatever
happened to ›Works of the Law‹?, in: EPITOAUTO (FS P. Pokorny; Praha, 1998) 107–120;
Noch einmal ›Works of the Law‹: The dialogue continues, in: I. Dunderberg et al. (eds.), Fair
Play: Diversity and Conflicts in Early Christianity (FS H. Räisänen; NT.S 103; Leiden, 2001)
273–290.
249 Der wenig beachtete Beitrag von R. H EILIGENTHAL hat in wichtigen Punkten die
Position DUNNS vorweggenommen: Soziologische Implikationen der paulinischen Rechtfer-
tigungslehre im Galaterbrief am Beispiel der ›Werke des Gesetzes‹: Beobachtungen zur
Identitätsfindung einer frühchristlichen Gemeinde, Kairos 26 (1984) 38–53.
250 J.D.G. DUNN , The Theology of Paul’s Letters to the Galatians (New Testament
Theology; Cambridge, 1993) 143.
251 Positiv u.a. CRANFORD , Perfect Obedience, 249; BONNEAU, Curse, 66f. Ablehnend
C.E.B. CRANFIELD, ›The Works of the Law‹ in the Epistle to the Romans, in: Ders., On
Romans and other New Testament Essays (Edinburgh, 1998) 1–14; T.R. SCHREINER, ›Works
of Law‹ in Paul, NT 33 (1991) 217–244.
252 In die Nähe des paulinischen Begriffs kommt aus der LXX nur Ex 18,20: Das Volk
soll unterwiesen werden in den Ordnungen (prostágmata), im Gesetz (nómon), in den
Wegen, die sie gehen sollen, und in »die Werke, die sie tun sollen« (tà ‘erga ”a
poi´jsousin).
253 4Q398, 14 II,2f: »Und auch wir haben an dich geschrieben etliches von den Torah-
Praktiken (hrwth yç[m), die wir als gut für dich und dein Volk befunden haben […].« (übers.
Maier, 2:375) Vgl. dazu M. BACHMANN, 4QMMT und Galaterbrief, hrwth yç[m und ERGA
NOMOU, in: Ders., Antijudaismus im Galaterbrief? (NTOA 40; Freiburg, CH / Göttingen,
1999) 33–56; J.D.G. DUNN, 4QMMT and Galatians, NTS 43 (1997) 147–153; J. KAMPEN,
4QMMT and New Testament Studies, in: J. Kampen / M.J. Bernstein (eds.), Reading
4QMMT (SBL Symposium Series 2; Atlanta, 1996) 129–144. Gegen die Sicht von DUNN,
dass es im Qumrantext nur um »defining a boundary which marks out those of
faith/faithfulness from others« (4QMMT, 151) gehe, muss geltend gemacht werden, dass am
142 III. Analyse paulinischer Texte
Die Begründung in 10b (gár) liefert Paulus mit einem Text aus Dtn 27,26258.
Die paulinische Strategie, mit einem Torahwort die Torahobservanz selbst in
Ende der betreffenden Stelle steht: »[…] damit es dir zur Gerechtigkeit angerechnet wird, da
du das Rechte vor Ihm tust und das Gute zu deinem Beste und für Israel.« (4Q398, 14 II,7f)
254 Vgl. bes. S TANLEY, Curse, 499; REINBOLD, Erfüllbarkeit, 98f; WILLIAMS, 89f.
255 Ein solches Argument ist gerade angesichts der Vagheit und Vielschichtigkeit der
paulinischen Sprache nicht besonders schlagkräftig. Paulus überführt immer wieder die
Sprache seiner Schriftbeweise in seine eigenen Sprachschemata (vgl. nur 3,6–9). Warum
sollte er hier nicht ähnlich verfahren?
256 Dies gilt zumindest für die literarischen Zeugnisse, die im TLG erfasst sind. Vgl. aber
ähnliche Wendungen in 3,22 (unter Sünde); 3,23; 4,4f.21; 5,18 (unter Gesetz); 3,25 (unter
dem Zuchtmeister); 4,2 (unter Vormündern und Verwaltern); 4,3 (versklavt unter die
Elemente der Welt). Vgl. weiterhin MORLAND, Curse, 201f. Für positiven Gebrauch vgl.
Josephus, Ap 2,210: »To all who desire to come and live under the same laws with us [Hupò
toùß ahutoùß Hjmïn nómouß], he [= Moses] gives a gracious welcome, holding that it is not
family ties alone that constitute relationship, but agreement in the principles of conduct.«
(LCL)
257 MORLAND , Curse, 201–203.
258 Es handelt sich um die letzte der zwölf levitischen Verfluchungen. Vgl. zur atl.-jüd.
Wirkungsgeschichte MORLAND, Curse, 52–58; SCOTT, Many, 194–213; WISDOM, Blessing,
43–62.87–128. Das Zitat stimmt nicht wörtlich mit den heute bekannten LXX-Fassungen
überein. Die Änderungen sind allerdings kaum sinnverändernd, zumal alle LXX-Fassungen
gegenüber MT päsin haben! Vgl. auch Dtn 28,58 (pánta tà Hr´jmata); 30,10 (pásaß tàß
hentoláß). LONGENECKER, 117 bringt den Fluch in Zusammenhang mit der mehrmaligen
Auspeitschung des Paulus (2Kor 11,24), weil nach mMak 3,10–14 bei solchen Synagogen-
strafen auch Dtn 27,26 verlesen wurde. Diese biographische Verknüpfung ist im Gal-Kontext
etwas weit hergeholt. Sie ist aber auch ungenau, weil die in mMak 3,14 nicht Dtn 27,26 direkt
zitiert wird, sondern Dtn 28,58f; 29,9 und Ps 78,38.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 143
eine »Fluchzone« zu verwandeln, wirkt aus heutiger Sicht wie ein De-
konstruktionsversuch jüdischer Identität. Diese »paradoxe Intervention« hat
unter Exegeten zu unterschiedlichen Nuancierungen geführt in Bezug auf die
Frage, worin der »Fluch der Torah« (3,13) denn konkret besteht259:
1. Die faktische Nichterfüllung »aller« Gebote als Fluch: Diese Sicht, die als die
»traditionelle« angesehen werden darf, geht davon aus, dass der Zusammenhang nur durch
Hinzunahme einer Zusatzprämisse hergestellt werden kann260: Niemand kann alle (päsin)
Gebote halten 261. Paulus hat entweder den Wortlaut der 613 Vorschriften und Verbote der
Torah vor Augen oder aber er geht von der menschlichen Sünde als Hinderungsgrund aus262.
Wenn es aber in 3,10 um die Nichterfüllbarkeit des Gesetzes geht, verwundert es, dass dieser
Gedanke in 3,11f keine Rolle mehr spielt263.
2. Der Bundesbruch als faktischer Fluchzustand Israels: Paulus deutet Dtn 27,26 im
Sinne des Deuteronomisten 264: Die Torah wurde als Bundessatzung mit der Absicht gegeben,
dass sich Israel gewissenhaft daran hält. Bereits eine Gesetzesübertretung würde den Bund zu
Fall bringen und die Flüche in Kraft setzen. Für den Deuteronomisten hat sich dieser Fall in
der Geschichte Israels erfüllt: Israel lebt unter dem Fluch, weil es unter Fremdherrschaft lebt.
Das gleiche Deutungsmuster wurde jetzt auch während der römischen Fremdherrschaft
verwendet265. M.E. ist die Kompetenzerwartung, die eine Kenntnis der »deuteronomisti-
schen« Bundestheologie voraussetzt, unrealistisch hoch 266.
259 Vgl. die Diskussion unterschiedlicher Positionen in BETZ, 145f und STANLEY, Curse,
482–486 (gefolgt von BONNEAU, Logic, 61f).
260 BECKER, 50; BRUCE, 159; BURTON , 164 (»unexpressed premise of the argument«); B.
BYRNE, »Sons of God« – »Seed of Abraham« (AnBib 83; Rom, 1979) 151f; ECKSTEIN,
Verheißung, 131f; FUNG, 142; HANSEN, Abraham, 117–120; H. HÜBNER, Gal 3,10 und die
Herkunft des Paulus, KuD 19 (1973) 215–231; LAMBRECHT, Curse, 282; LIETZMANN, 19
(»dieser notwendige Gedanke ist hier als selbstverständlich nicht ausgesprochen«);
LONGENECKER, 118; LUZ / (SMEND), Gesetz (Stuttgart, 1981) 94f; LUZ, Geschichtsverständ-
nis, 149f; MUSSNER, 224–226; OEPKE, 105; H. RÄISÄNEN, Paul and the Law (WUNT 29;
Tübingen, 21987) 94f; ROHDE, 141; SCHOEPS, Paulus, 183–185; SIEFFERT, 179.
261 Gegen die Betonung auf päsin hat SANDERS, Paul, the Law, 22f eine ausführliche
Argumentation aufgebaut, die trotz der hohen Auszeichnung durch das Urteil BOYARINS,
»impeccable« zu sein (Radical Jew, 138f), nicht wirklich überzeugend ist (vgl. CRANFORD,
Perfect Obedience, 246f).
262 In diesem Sinne teilt STANLEY , Curse, 482 diese Position auf in »jüdisch-rigoristisch«
und »christlich motiviert«. Die »rigoristische« Sicht hat HÜBNER, Gal 3,10, zum Anlass
genommen, Paulus der Schule Shammais zuzuweisen. Zur Kritik dazu s. E.P. SANDERS, Paul
and Palestinian Judaism (Philadelphia, 1977) 138, Anm. 61.
263 G. STANTON, The Law of Moses and the Law of Christ. Galatians 3:1–6:2, in: J.D.G.
Dunn (ed.), Paul and the Mosaic Law (WUNT 89; Tübingen, 1996) 110f bemerkt, dass diese
Deutung impliziere, dass in V. 11f ein neues Argument beginnt. Das scheint ihm eher un-
wahrscheinlich.
264 Vgl. M. NOTH, ›Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch‹, in:
Ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament (TB 6; München, 1957) 155–171.
265 In diese Richtung deuten ECKSTEIN , Verheißung, 125–128; HONG, Misrepresent;
SCOTT, Many (v.a. von Dan 9 her) und WRIGHT, Climax, 137–156.
266 Vgl. zur weiteren Kritik RÄISÄNEN , Paul and the Law, 125–127.
144 III. Analyse paulinischer Texte
3. Das »Halten« der Gebote als Fluch: Paulus möchte betonen, dass diejenigen, die die
Torahanweisungen halten, unter dem Fluch stehen 267. Leitend ist der Gegensatz zwischen
»Tun« und »Glauben«268. Das Schwergewicht der Aussage liegt also auf poi¨jsai und zwar
unter der Voraussetzung, dass das Gesetz gehalten werden kann. Allerdings scheint Paulus
nicht das Halten des Gesetzes unter den Fluch stellen zu wollen, sondern das Nicht-Halten 269.
4. Der Anschluss ist nur terminologisch, nicht theologisch: Sanders hat sich dafür stark
gemacht, diesem umstrittenen Text in gewisser Weise die theologische Brisanz durch die
These zu nehmen, dass Paulus auf Dtn 27,26 nur deswegen zurückgreife, weil das der einzige
Text ist, in dem von »Gesetz« und »Fluch« die Rede ist270. Diese Begriffe braucht er, um
einen Gegensatz zur Segenssprache in 3,6–9 aufzubauen. Die je nach Deutung betonten
Begriffe päsin (Position 1) und poi¨jsai (Position 3) sind für Paulus unbedeutend. Diese
These halte ich für die schwächste, weil sie kaum zu erklären vermag, warum der »Fluch« in
3,13 als so bedeutend angesehen wird, dass er den Tod Jesu nötig macht271.
273 Die Aussicht auf argumentativen Misserfolg innerhalb eines jüdischen Kontextes
sollte kein Argument dagegen sein, dass Paulus eine solche Vorstellung habe voraussetzen
können. Entweder war für ihn diese Einsicht ganz selbstverständlich oder er wollte sie wegen
ihres Störpotentials verschleiern. Anders DUNN, Works, 234; CRANFORD, Perfect Obedience,
243, die beide gegen diese Meinung mit dem Argument zu Felde ziehen, dass Paulus dadurch
riskiere, nicht besonders überzeugend zu sein.
274 Auch diese Frage ist nicht einheitlich zu beantworten: Gal 3,10 und 5,3 (»Ich bezeuge
aber noch einmal jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu
tun schuldig ist« [“oti ho feilétjß hestìn “olon tòn nómon poi¨jsai]) scheinen dies
nahezulegen. Auf der anderen Seite steht Röm 2,13f und v.a. die Selbstaussage des Paulus in
Phil 3,6: »der Gerechtigkeit nach, die im Gesetz ist, untadelig geworden« (katà dikai-
osúnjn t`jn hen nóm^w genómenoß ‘amemptoß). Seit dem Aufsatz von K. STENDAHL, The
Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West, in: Ders., Paul among Jews and
Gentiles (Philadelphia, 1976) 78–96 ist von dem »robusten Gewissen« des Paulus die Rede.
Vgl. aber zur Kritik dazu J.M. ESPY, Paul’s ›Robust Conscience‹ Re-examined, NTS 31
(1985) 161–188.
275 BETZ, 146: »The dé introduces a matter in addition to a previous one (›furthermore‹),
so that v 11 is more than simply a ›parallel‹ to v 10.«
276 Die Wendung d¨jlon “oti erscheint im Zusammenhang der Schriftargumentation auch
in 1Kor 15,27; 1Tim 6,7 (v.l.); Ign., Eph. 6,1. Das erste “o ti ist deklarativ und von d¨jlon
abhängig, das zweite ist kausal (H. HANSE, DJLON [zu Gal 3,11], ZNW 34 [1935] 299–303).
277 Es gibt daher (gegen MUSSNER, 228) hier keinen Wechsel vom mosaischen Gesetz zu
einem universalen abstrakten Gesetz. BETZ, 146, Anm. 77: »For the Jew, this distinction is of
course artificial; for Paul the ›universal‹ would be the ›will of God‹ itself which is identical
with salvation as a whole (cf. 1:4; 5:14) and different from the Jewish Torah.«
278 Der Text erscheint in Röm 1,17 an zentraler Stelle und auch in Hebr 10,38.
146 III. Analyse paulinischer Texte
Zur jüdischen Auslegungsgeschichte279: a) Die Tradition der LXX schwankt in der Position
des Possessivpronomens mou. Die Bedeutung wäre entweder »Mein Gerechter aber wird
aufgrund von Vertrauen/Treue leben« (in MT klarer: »aufgrund seiner Treue«) oder »Der
Gerechte aber wird aufgrund meiner [= Gottes] Treue leben.« b) 1QpHab 8,1–3: »Seine
Deutung (geht) auf alle die Täter der Torah (hrwth yçw[ lwk) im Haus Judah, welche Gott
erretten wird aus dem Haus des Gerichts wegen ihres Bemühens und (wegen) ihrer Treue
zum Anweiser der Gerechtigkeit.« (übers. Maier, I, 161)
288 Vgl. zur Auslegungs- und Forschungsgeschichte D. BRONDOS, The Cross and the
Curse: Galatians 3.13 and Paul’s Doctrine of Redemption, JSNT 81 (2001) 3–32.
289 Vgl. K. BERGER, Abraham in den paulinischen Hauptbriefen, MThZ 17 (1966) 52.
290 Viele (u.a. LONGENECKER, 121f; BETZ, 149–51) sehen hier eine vorpaulinische jü-
disch-christliche Bekenntnisformel. N.A. DAHL, The Atonement – An Adequate Reward for
the Akedah?, in: Ders., The Crucified Messiah (Minneapolis, 1974) 153–155 vermutet, dass
es sich in Gal 3,13f sogar um einen judenchristlichen Midrasch zur Aqeda Isaaks handelt
(vgl. seine Studies in Paul [Minneapolis, 1977] 34; M. WILCOX, Upon the Tree: Deuterono-
my 21:22–23 in the New Testament (Gal 3:13; Acts 5:30, 10:39, 13:28–30), JBL 96 [1977]
99). Der ungewöhnliche Ausdruck »Fluch des Gesetzes« ist jedoch hier unpassend. Er ist zu
sehr vernetzt mit der gegenwärtigen Diskussion und dem Schriftzitat.
291 Ausführliche Begründung in DONALDSON, Curse, 95–99, gefolgt von HONG, Mis-
represent, 178.
292 Vgl. zur Praxis Num 25,4; Jos 10,26f; 2Sam 21,6–9.
293 J.A. FITZMYER, Crucifixion in Ancient Palestine, Qumran Literature, and the New
Testament, CBQ 40 (1978) 498–507.510–512; D. SÄNGER, ›Verflucht ist jeder, der am Holze
hängt‹ (Gal. 3,13b): Zur Rezeption einer frühen antichristlichen Polemik, ZNW 85 (1994)
279–285.
148 III. Analyse paulinischer Texte
(/Verfluchten) Gottes und der Menschen ist ein ans Holz gehängter, und du sollst das Land
nicht verunreinigen, das ich (13) dir zum Erbbesitz gebe [Dtn 21,23].« (Maier, I, 425) 294
Die Kreuzesbotschaft war für jüdische Hörer ein Skandal (1Kor 1,23; Gal
5,11) und stellte damit die frühen judenchristlichen Missionare vor die
besondere Herausforderung, den Messiasanspruch Jesu mit der Tatsache
seiner Kreuzigung in Übereinstimmung zu bringen. Eine Form diese Heraus-
forderung zu »lösen« stellt der Rückgriff auf die Vorstellung des »Austau-
sches« dar: Jesus wurde »für uns« zum Fluch295.
14 “ina e˙ß tà ‘eqnj Hj ehulogía toü damit zu den Nichtjuden der Segen
h Abraàm génjtai hen Crist¨^w Abrahams hingelange in/durch Christus Jesus,
h Ijsoü, “ina t´j n hepaggelían toü damit wir durch den Glauben die Verheißung des
pneúmatoß lábwmen dià t¨jß Geistes (= den verheißenen Geist) empfangen
pístewß. mögen.
3. Logische Analyse
Dass der anfängliche Abschnitt 3,1–5 aufgrund der Häufung rhetorischer
Fragen einer logischen Analyse praktisch unzugänglich ist, liegt auf der Hand.
Der gewählte Abschnitt 3,6–14 ist hingegen von seiner Aussagestruktur her
logisch befragbar. Ob sich der Abschnitt besser für eine aussagen- oder für
eine termlogische Analyse eignet, lässt sich dem Text selbst nicht entnehmen.
Die Argumentation arbeitet jedoch mit vielen ungenannten Prämissen, die mit
den Mitteln des Aristoteles explizit gemacht werden können. Im Folgenden
soll daher einer term- oder prädikatenlogischen Formalisierung der Vorzug
gegeben werden.
a) Formalisierung
3,6–7: Der Bezug der Terme »Abraham«, »glauben«, »Gott« und »Gerecht-
sprechen« zueinander ist auf den ersten Blick ebenso wenig klar wie die
logische Bedeutung der Konjunktion kaí im Schriftzitat. Aus dem Wortlaut
294 Vgl.
weiterhin 4QpNah 3–4 I 6–8.
295 2Kor
5,21: »Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir
Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.«
296 LONGENECKER, 124.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 149
von Gen 15,6 (hepísteusen t¨^w qe¨^w kaì helogísqj ahut¨^w e˙ß dikaiosúnjn)
lassen sich grundsätzlich unterschiedliche formale Verknüpfungen bilden:
1. Zwei Sätze mit kausaler Verknüpfung: Die Sätze »Abraham vertraute
Gott«, und »es wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet«, wären kausal im
Sinne einer Prämisse und einer Konklusion in Beziehung zueinander zu
setzen. Der Sinn wäre: »Weil Abraham Gott vertraute, wurde es ihm (von
Gott) als Gerechtigkeit angerechnet.« Die implizite obere Prämisse müsste für
einen vollständigen Syllogismus der Form Barbara lauten:
PaD Alle Glaubenden sind von Gott Gerechtgesprochene. (impliz.)
AaP Abraham war ein Glaubender. (3,6a)
AaD Abraham war ein von Gott Gerechtgesprochener. (3,6b)
Diese große Prämisse könnte zwar vorausgesetzt werden, da sie in 2,16
kategorisch affirmiert und als bekannt vorausgesetzt worden ist297, aber einige
Gründe sprechen gegen diese Formalisierung:
a) Schriftzitate sind in der Regel Argumentationsbasis und nicht -ziel. Als unumstrittene,
autoritative Aussagen müssen Schriftworte nicht eigens begründet werden, sie können
vielmehr logisch als Endoxa (s.o. S. 48) oder als Axiome fungieren. In Schriftzitaten ist daher
nach Prämissen und nicht nach Konklusionen zu suchen.
b) Überhaupt wäre angesichts der »Stasis« des Briefes (Welches ist die Rolle der
Nichtjuden im Evangelium?) zu fragen, welche Bedeutung die unumstrittene Konklusion,
dass Abrahams pístiß von Gott als Gerechtigkeit angerechnet wurde, im Rahmen der
gegenwärtigen Argumentation haben könnte. In 2,16 gibt Paulus zwar den Kernsatz als etwas
Bekanntes aus, aber er formuliert aus der Perspektive des Judenchristentums298. Gerade für
diesen Satz muss er in der probatio den Nachweis erbringen! Wenn aber das Ziel dieses
Abschnittes darin besteht, zu zeigen, dass die Gerechtsprechung aufgrund des Glaubens
kommt, dann wäre hier der Argumentationsfehler der petitio principii begangen, d.h. die zu
beweisende Aussage würde stillschweigend als Prämisse vorausgesetzt.
2. Zwei Prämissen eines Schlusses: Die beiden Sätze »Abraham ist ein
Glaubender«, (AaP) und »Abraham ist ein von Gott Gerechtgesprochener«,
(AaD) haben den gemeinsamen Mittelterm (»Abraham«) je in Subjektstellung
(also dritte Figur) und werden im rhetorischen Syllogismus wie affirmativ-
allgemeine Sätze (a-Sätze) eingestuft. Als gültiger Schluss ließe sich daraus
nur ein i-Satz (affirmativ-partikulär) bilden (der sog. »Darapti«-Schluss):
AaP Abraham ist ein Glaubender. (3,6a.)
AaD Abraham ist ein von Gott Gerechtgesprochener. (3,6b)
DiP Einige von Gott Gerechtgesprochene sind Glaubende.
297 e˙dóteß “oti ohu dikaioütai ‘anqrwpoß hex ‘ergwn nómou heàn m`j dià pístewß
h Ijsoü Cristoü.
298 Im Vorfeld ist von den Hjmeïß fúsei h Ioudaïoi kaì ohuk h ex h eqn¨ wn Hamartwloí die
Rede (2,15). Das kaì Hjmeïß in 2,16b ist in diesem Zusammenhang zu verstehen.
150 III. Analyse paulinischer Texte
Mit einem solchen Partikulärsatz kann die probatio kaum von der Stelle
kommen!299 Der generelle Schluss, auf den Paulus hinaus will (»Alle
Glaubenden sind von Gott Gerechtgesprochene«), wäre in diesem Fall nicht
nur Folgerung aus einem exemplum, sondern aus zwei. Es ist daher ratsamer,
das exemplum als eine Prämisse zu fassen.
3. Eine Prämisse: Die beiden Teilsätze machen in Wirklichkeit eine
Aussage: »Der (glaubende) Abraham ist ein Von-Gott-Gerechtfertigter.« (=
AaD) Das exemplum Abrahams macht in der Argumentation auf einen Aspekt
aufmerksam. Von daher können Glaube und Anrechnung zur Gerechtigkeit
nicht auseinandergerissen werden. Die Aussage, dass Abraham glaubte, ist
ehedem redundant, weil er geradezu als Typus des Glaubenden galt. Paulus
benutzt das exemplum nicht im historischen Sinne, sondern als theologische
Kategorie. Die Wendung Ho pistòß h Abraám in 9b zeigt, dass das Vertrauen
zu Abraham gehört wie Weisheit zu Salomo oder Gewaltlosigkeit zu Gandhi.
Aus dem Schriftzitat in 3,6 ist also nur eine Prämisse zu gewinnen.
Die Formalisierung von V. 7 ist mit weniger Schwierigkeiten behaftet, da
es sich um einen einfachen Aussagesatz handelt: »Die ›Glaubensmenschen‹
sind Kinder Abrahams«. Um aber die Verknüpfung zwischen den Sätzen zu
ermöglichen, ist zu fragen, wie »Abraham« und »Kinder Abrahams« zueinan-
der in Beziehung stehen. Mit der Aussage in V. 7 wird nämlich die logische
Funktion »Abrahams« deutlich: Es handelt sich nicht einfach um ein Indivi-
dualsubjekt, gleichsam um eine Untermenge aller »Glaubenden«300, sondern
umgekehrt: Abraham ist die personifizierte Kategorie des Glaubens, das
»Genus« aller Glaubenden. Die Glaubenden sind »Kinder«, weil sie Abraham
zugehörig sind (wie etwa die »Landeskinder«) und an seiner Geschichte
teilnehmen. Der Satz »Abraham ist ein Glaubender« ließe sich demnach (in
unelegantem deutsch) umkehren in: »Alle Glaubenden sind Abraham« oder
»Alle Glaubenden sind in Abraham enthalten«. Wenn »Abraham« als eine Art
»corporate personality« für alle Glaubenden gelesen werden kann301, dann
umschreibt der Begriff »Abraham« die Menge aller glaubenden Individuen.
Daher sind die Begriffe »Abraham« und »Kinder Abrahams« für die logische
Analyse als identische Terme aufzufassen:
(1) Der glaubende Abraham ist ein von Gott Gerechtfertigter. (3,6) AaD
(2) Die Glaubensmenschen sind (Kinder) Abraham(s). (3,7) PaA
3,8–9: Zwei Schwierigkeiten stellen sich der Formalisierung: Zunächst,
Paulus formuliert nicht passiv, sondern aktiv. Für die Wahl der Aussagekon-
stanten und ihrer Stellung im Satz ist dies jedoch folgenreich. Die Sätze »Gott
299 Überhaupt ist es auffällig, wie stark Partikulärsätze in der Rede des Paulus in den
Hintergrund treten.
300 Daher schließt der Text auch nicht induktiv von Abraham auf alle Menschen; gegen
MORLAND, Curse, 197 (»inductive proof« in 3,7).
301 Ähnlich MUSSNER, 222.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 151
3,10: Aus diesem Vers lassen sich einfach zwei formalisierbare Aussagesätze
gewinnen304:
(6) Die Nomosmenschen sind unter einem Fluch. (3,10a) NaK
(7) Jeder, der nicht alle Gebote erfüllt, ist ein Verfluchter. (3,10b) OaK
302 Wahrscheinlich ist »segnen« als der umfassendere Begriff aufzufassen; d.h. es gäbe
Formen göttlichen Segens, die nicht als Akt göttlicher Rechtfertigung zu deuten sind. Im
vorliegenden Kontext ist aber der Segen Abrahams identisch mit der Rechtfertigung der
»Heiden«christen. Diese Entscheidung ist für die logische Analyse völlig unproblematisch,
auch wenn sie theologisch nicht ohne weiteres evident erscheint.
303 BETZ, 143 beobachtet richtig, dass pánta tà ‘eqnj aus V. 8 hier offenbar die Nicht-
juden meint, die wie Abraham geglaubt haben. Es sind also nicht »alle« Nichtjuden im Blick.
Paulus argumentiert aber ohne weitere Differenzierungen bezüglich der Nichtjuden, die nicht
Christen sind. Geht Paulus noch von der optimistischen Vorstellung, alle Nichtjuden zu
erreichen, aus (Röm 11,25)? Oder argumentiert er ohne weiteres Überlegen kategorisch und
allgemein?
304 Unrichtig ist die Behauptung, V. 10 sei »a sentence that is, by the simple canons of
logic, incoherent« (MARTYN, 309).
152 III. Analyse paulinischer Texte
3,11–12: Wieder ist das erste Schriftzitat als Prämisse zu lesen. Dabei muss
die unterschiedliche Sprache zwischen Zitat und paulinischer Konklusion
vereinheitlicht werden. Der Gerechte ist identisch mit dem von Gott Gerecht-
gesprochenen und die Wendung, dass er aus Glauben leben wird, bedeutet,
dass er ein »Glaubensmensch« (einer der oÓ hek pístewß) ist.
Die Formalisierung der beiden Sätze in V. 12 ist deswegen schwer, weil
ein Mittelterm kaum auffindbar ist. Auch der Wechsel von eher personalen
Begriffen wie »die aus Glauben« (9) und »die aus Gesetzeswerken« (10) zu
den Abstrakta »Gesetz« und »Glauben« bereitet Mühe. Die logische Untersu-
chung erfordert an dieser Stelle eine relativ großzügige Handhabe ähnlicher
semantischer Felder. Die Aussage, »das Gesetz ist nicht aus Glauben«, kann
auf einer Ebene gelesen werden wie »Kein Nomosmensch ist ein Glaubens-
mensch« (NeP). Schließlich ist das Zitat aus Lev 18,5 aristotelisch kaum
formalisierbar. Je nachdem, ob poi´jsaß oder z´jsetai ins Zentrum gerückt
wird, ergeben sich zwei unterschiedliche Sätze.
(8) Kein Gesetzesmensch ist ein von Gott Gerechtfertigter. (3,11a) NeD
(9) Der Gerecht(fertigt)e ist ein aus Glauben Lebender. (3,11b) DaP
(10) Kein Nomos(mensch) ist ein Glaubens(mensch). (3,12a) NeP
(11a) Der Nomosmensch ist ein Tatmensch. (3,12b) NaT
(11b) Der Tatmensch ist ein Lebender. (3,12b) TaZ
Zusammenfassend:
1. Aussagekonstanten:
A h Abraám (6), uÓoí h Abraám (7)
C Cristóß (13)
D logízomai ahut¨^w e˙ß dikaiosúnjn (6), dikaiów (8.11a), Ho díkaioß (11b)
E hexagorázw (13a)
G t´jn hepaggelían toü pneúmatoß (14b)
H tà ‘eqnj (8.14)
K Hupò katáran (10a), hepikatáratoß (10b.13), katára toü nómou (13)
N (oÓ) hex ‘ergwn nómou (10), hen nóm^w (11), Ho nómoß (12)
O “oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü nómou toü
poi¨jsai ahutá (10b)
P pisteúw (6), oÓ hek pístewß (7.9), hek pístewß (11.12), dià t¨jß pístewß (14b)
S (hen)eulogéw (8.9), Hj ehulogía toü h Abraám (14)
T Ho poi´jsaß (12)
X Ho kremámenoß hepì xúlou (13)
Z z´jsetai (12)
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 153
2. Aussagen:
Nr. Vers Form Satz
(1) 3,6 AaD Der glaubende Abraham ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(2) 3,7 PaA Die Glaubensmenschen sind (Kinder) Abraham(s).
(3) 3,8a HaD Die (glaubenden) Nichtjuden sind von Gott Gerechtfertigte.
(4) 3,8b HaS Die Nichtjuden (in Abraham) sind von Gott Gesegnete.
(5) 3,9 PaS Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit Abraham.
(6) 3,10a NaK Die Nomosmenschen sind unter einem Fluch.
(7) 3,10b OaK Jeder, der nicht alle Gebote erfüllt, ist ein Verfluchter.
(8) 3,11a NeD Kein Gesetzesmensch ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(9) 3,11b DaP Der Gerecht(fertigt)e ist ein aus Glauben Lebender.
(10) 3,12a NeP Kein Nomos(mensch) ist ein Glaubensmensch.
(11a) 3,12b NaT Der Nomosmensch ist ein Tatmensch.
(11b) 3,12b TaZ Der Tatmensch ist ein Lebender. (3,12b)
(12) 3,13a CaE Christus ist Befreier aus Nomos-Fluch.
(13) 3,13b CaK Christus ist (stellvertretender) Fluch.
(14) 3,13c XaK Ein Gekreuzigter ist Verfluchter.
(15) 3,14a HaS Die Nichtjuden nehmen in Christus Jesus am Abrahamssegen teil.
(16) 3,14b PaG Die Glaubenden sind Empfänger des verheißenen Geistes.
Ein Syllogismus, der diesen Schluss in der ersten Figur hervorbringt, müsste
jedoch auf Prämissen rekurrieren, die nicht explizit vorkommen:
Alle Gerechtfertigten sind Kinder Abrahams.
Alle Glaubenden sind Gerechtfertigte.
Alle Glaubenden sind Kinder Abrahams. (3,7)
305 Die
Folgerungspartikel ‘ara ist der Häufigkeit nach im NT am stärksten als »marker
of result« (Louw / Nida 89.46) belegt (Röm 8,1; Mt 12,28; 18,1 [hier vielleicht auch der
lebhaften Rede wegen]). Vgl. zu ‘ara in syllogistischer Verwendung KÜHNER / G ERTH,
Grammatik, II/2, 322. Die Partikel kann aber auch rhetorisch zur Hervorhebung benutzt
werden (vgl. Bauer / Aland, 208f; DENNISTON, Greek Particles, 44–46).
154 III. Analyse paulinischer Texte
P A D
Graphik 1
Dieses Schaubild macht zugleich auf einige offene Fragen aufmerksam: Mit dem »Barbara-
Schluss« ist zwar gezeigt, dass alle Glaubenden, da sie ja »in« Abraham sind, wie dieser von
Gott gerechtfertigt werden. Es ist aber (noch) nicht gezeigt, dass es nicht auch andere
Möglichkeiten der Rechtfertigung geben könnte. Graphisch gefragt: Wie umfassend sind die
Ober- und Untermengen? Gibt es neben den Glaubenden noch andere, die Kinder Abrahams
sind (z.B. die Juden, die Beschnittenen)? Gibt es neben den »Abrahamskindern« noch andere,
die von Gott gerecht gesprochen werden? In der Auseinandersetzung, die Paulus im
Galaterbrief mit missionierenden Judaisten führt, ist v.a. die Frage wichtig, ob diejenigen, die
sich an die »Werke des Gesetzes« halten, in irgendeinem »Kreis« noch eine Rolle spielen
oder ob sie abseits der Gerechtigkeit stehen.
Fazit: Gal 3,6–7 ist nicht als rhetorisch verkürztes Enthymem zu lesen.
Vielmehr nennt das Schriftzitat in 3,6 die große Prämisse und die nachge-
schobene Erklärung in 3,7 die kleine Prämisse. Der logische Schluss wird
nicht explizit gezogen.
3,8–9: V. 8 formuliert einen Satz, der sich aus der unausgesprochenen
Konklusion von V. 6f als Folgerung ableiten lässt:
PaD (1&2) Glaubensmenschen sind von Gott Gerechtfertigte. (Konkl. aus V. 6f)
HaP »Heiden«christen sind Glaubensmenschen. (Implikat aus 3,2310)
HaD (3) »Heiden«christen sind von Gott Gerechtfertigte. (3,8a)
Diesen Gedankenschritt braucht der Text nicht explizit zu machen, weil sich
aus V. 6f mit Sicherheit die große Prämisse ergibt, und mit ebensolcher
Sicherheit trifft aufgrund der Situation des Lesenden die kleine Prämisse zu.
Der Übergang zur Aussage in Satz 3 ist also zulässig und ist im weiteren
Sinne als Konklusion von 6f aufzufassen311.
H P A D
Graphik 2
V. 8f sucht aber eine weitere Stütze für die Aussage HaD zu bieten312.
Inhaltlich möchte Paulus mit der Schrift den Erweis bringen, dass die
310 Paulus fragt rhetorisch: »Habt ihr aus Werken des Gesetzes den Heiligen Geist emp-
fangen oder aus dem Glaubensgehorsam (hex hako¨jß pístewß)?«
311 Um von dem Gen-Zitat in 3,6 auf die Aussage in 3,8 zu kommen, müssen die folgen-
den semantischen Entsprechungen angenommen werden: pisteúw (AT) = oÓ pístewß (7) /
hek pístewß (8) und logízomaí tini e˙ß dikaiosúnjn (AT) = dikaiów (8).
312 Einen besonders unachtsamen Umgang mit logischen Begriffen legt MARTYN , 301 an
den Tag. Er sieht im Hintergrund von 3,8 »a simple syllogism«, den er wie folgt zum
Ausdruck bringt: »The major premise is provided by an event witnessed by Paul almost every
day: God is now making things right in the Gentile world by the rectifying faith of Jesus
156 III. Analyse paulinischer Texte
H S D
Graphik 3
V. 9 bringt diesen Argumentationsgang nochmals vom Segen der Nichtjuden
auf die allgemeinere Stufe: Ganz allgemein sind die Glaubenden mit Abraham
gesegnet.
In der Partikel “wste vermischen sich Aspekte der Folgerung (»deshalb, daher, also« als
Einführung zu selbstständigen Sätzen313), der Finalität (»so dass« als Einführung zu
abhängigen Sätzen314) und der Intentionalität (»damit«, »in der Absicht« ähnlich wie “ina).
V. 9 sollte am ehesten als Folgerung gelesen werden315. Wie aber ist logisch
auf den Satz zu schließen »Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit dem
Christ (2:16). The minor premise is Paul’s certainty that the God who is doing this new deed
is the same God who dealt with Abraham. Conclusion: Read in light of this new deed, the
promise spoken to Abraham by scripture (in God’s behalf) was the word of this same God,
indeed the gospel of Christ.« Wenn »Prämissen« aus einem »event witnessed« und aus
»Paul’s certainty« hergeleitet werden, bewegt sich die Analyse trotz der gewählten Fachter-
mini so weit außerhalb der Logik, dass es nicht mehr verwundern darf, wenn weder die
Prämissen formalisierbar sind noch die von MARTYN formulierte conclusio sich daraus
notwendig ableiten lässt.
313 Vgl. im unmittelbaren Umfeld 3,24: »Also (“wste) ist das Gesetz unser Zuchtmeister
auf Christus hin geworden, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.« 4,7: »Also (“wste)
bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott.« 4,16:
»Bin ich also (“wste) euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sage?«
314 Z.B. Gal 2,13: »Und mit ihm heuchelten auch die übrigen Juden, so dass (“wste) selbst
Barnabas durch ihre Heuchelei mit fortgerissen wurde.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 157
P D S
Graphik 4
315 Vgl. den Gebrauch der Partikel nach Schriftzitaten in Gal 3,24 und 4,7.
316 MORLAND , Curse, 199.
317 Das stellt – ohne logische Analyse – auch BETZ fest (142).
158 III. Analyse paulinischer Texte
Die beiden sind also deckungsgleich. Damit hat Paulus unausgesprochen eine
Reduktion vorgenommen: Es gibt keinen Abrahamssegen außerhalb der
Rechtfertigung und umgekehrt318.
P D=S
Graphik 5
Wenn der Satz HaD (»Nichtjuden werden von Gott aus Glauben gerechtfer-
tigt«) bereits aus 6f folgt, wäre zu fragen, warum sich Paulus die Mühe macht,
nochmals von einer anderen Seite her darauf zu schließen. Darüber kann nur
vorsichtig spekuliert werden:
Graphik 1 (zur Argumentation in 6f) macht deutlich, dass noch nicht gezeigt werden konnte,
welche Bedeutung dem Halten des Gesetzes in der Frage der Abrahamskindschaft, bzw. für
die »Gerechten« zukommt. Paulus hat deutlich einen Ausschluss vor Augen und möchte die
einzelnen »Kreise« exklusiv deuten. In V. 8 nimmt er daher einen semantischen Wechsel vor,
der es ihm erlaubt, mit Schriftworten die beiden sich ausschließenden Gegensätze »Segen«
und »Fluch« einander gegenüberzustellen. Mit der Sprache der »Rechtfertigung« wäre dies
gleichwohl schwerer, weil ein klares Antonym dazu fehlt. Mit der Sprache von »Segen« und
»Fluch« ist dies jedoch möglich. Jetzt kann er nach dem positiven Beweis (confirmatio) auch
die negative Seite (refutatio) beleuchten. Ziel ist es zu zeigen, dass die Torahmenschen nicht
in den Kreis des Segens gehören 319.
3,10: Vieles hängt aber von der Frage ab, ob Paulus Segen und Fluch als
konträre oder als kontradiktorische Gegensätze versteht320. Der Anspruch der
Argumentation ist, dass das Schriftzitat aus Dtn 27,26 die Aussage in 10a
begründet (gár). Dass es dafür einer Zusatzprämisse bedarf, ist eine Tatsache,
318 Ob er damit rechnen konnte, dass diese implizite Prämisse erkannt und v.a. geteilt
werden konnte? REINBOLD, Erfüllbarkeit, 95 stellt zwar zuerst zu V. 9 fest: »Die Logik dieses
Schlußes ist nach dem Vorhergesagten evident.« Fügt aber die entscheidende Frage hinzu:
»Wer den Text genau liest, kann sich mit diesem Schluß indes noch nicht zufrieden geben.
Denn bislang hängt der Nachweis im entscheidenden Punkt in der Luft. Wie kommt Paulus
dazu, den Segen aus dem zweiten Schriftzitat so ohne weiteres mit der Glaubensgerechtigkeit
in Verbindung zu bringen?«
319 Richtig beobachtet BETZ, 143: »The conclusion in v 9, however, shows already that
the thesis of v 7 is exegetically correct. What is still to be done is the elimination of those
who base their salvation upon the ›works of the Torah‹.«
320 Konträr würde heißen, dass zwar niemand gleichzeitig gesegnet und verflucht sein
kann, aber dass jemand, der nicht gesegnet ist, nicht zwangsläufig verflucht ist (also die
Negation von beiden kann wahr sein, wie z.B. bei »schwarz« und »weiß«). Kontradiktorisch
bedeutet, dass wenn eines zutrifft, zwangsläufig das Gegenteil davon falsch sein muss und
umgekehrt; d.h. wer nicht am Segen teilnimmt, steht unter einem Fluch; und wer nicht unter
einem Fluch steht, nimmt am Segen teil.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 159
die viel Diskussion ausgelöst hat (s.o. S. 143ff)321. Es ist äußerst wichtig,
Inhaltliches und Formelles zu trennen. Wenn sich die Aussage in 3,10a aus
der Aussage 3,10b logisch herleiten soll, dann muss eine Zusatzprämisse
hinzugedacht werden.
3,10b Jeder O [“oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß] ist K [hepikatáratoß].
[Implizite Prämisse]
3,10a Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind K [Hupò katáran].
Das Auffinden einer impliziten Prämisse ist bei der Konstellation von zwei
Sätzen mit drei verschiedenen Termen (O, K, N), von denen einer wiederholt
wird (K), sehr einfach. Die kleine Prämisse muss für einen Barbara-Schluss
der ersten Figur die Struktur NaO aufweisen322. Also:
3,10b Jeder O [“oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß] ist K [hepikatáratoß].
Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind O [“oß ohuk hemménei päsin toïß...].
3,10a Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind K [Hupò katáran].
Formal323:
OaK (7) Jeder Gesetzesübertreter ist ein Verfluchter. (3,10b)
NaO Jeder Nomosmensch ist einer, der nicht alle Gebote erfüllt.
NaK (6) Jeder Nomosmensch ist verflucht. (3,10a)
321 LAMPE, Reticentia, 33 macht im Übrigen eine komplizierte und logisch schwer nach-
vollziehbare Rekonstruktion, um zu zeigen, dass auch dieser Satz von Paulus »bewiesen«
wird.
322 Logisch irreführend ist die Auseinandersetzung, die CRANFORD, Perfect Obedience,
248 mit T.R. SCHREINER, Is Perfect Obedience to the Law Possible: A Re-examination of
Galatians 3:10, JETS 27 (1984) 151–160 führt. SCHREINER illustriert die Notwendigkeit der
impliziten Prämisse anhand des folgenden Satzes: »Maior: Alle Märchengestalten sind fiktiv.
Conclusio: Aschenputtel ist fiktiv. Also muss minor lauten: Aschenputtel ist eine Märchenge-
stalt.« CRANFORD versucht die Logik dieses Barbara-Schlusses durch folgenden analogen
Satz ad absurdum zu führen: »Maior: Alle Junggesellen sind Männer. Conclusio: Tom ist ein
Mann.« Die implizite zweite Prämisse müsste nun lauten: »Tom ist ein Junggeselle.«
Dagegen wendet CRANFORD ein: »What should be obvious is that it is not [Hervorhebung
vom Autor] logical to accept the implied proposition ›Tom is a bachelor‹« Die Begründung
für diese Behauptung ist nicht logischer, sondern inhaltlicher Art: »While it might be true that
Tom is a bachelor, it might just as well be totally false.« CRANFORD verwechselt in seiner
Auseinandersetzung mit SCHREINER Inhalt und Form. Wenn aus dem Satz »Alle Junggesellen
sind Männer«, logisch auf den Satz geschlossen werden soll »Tom ist ein Mann«, dann muss
in der Tat die implizite Prämisse lauten: »Tom ist ein Junggeselle.« Die Frage, ob das wahr
ist oder nicht, hat mit der logischen Frage nach der impliziten Prämisse nichts zu tun.
323 Vgl. auch MORLAND, Curse, 204. LAMPE, Reticentia, 29 weitet die Terme zu stark
aus: Maior: Jeder, der das Gesetz übertritt, ist verflucht. Minor: Niemand [also kein Mensch]
erfüllt alle Gebote. Conclusio: Jeder steht unter dem Fluch. Paulus will ja nicht zu dem
Schluss gelangen, dass alle Menschen verflucht sind, er will vielmehr zeigen, dass all jene
unter einem Fluch stehen, die sich auf die Gesetzeswerke verlassen.
160 III. Analyse paulinischer Texte
324 Die “osoi hex ‘ergwn nómou wären in diesem Fall nicht alle Menschen, die sich nach
der Torah richten, sondern jene, die die Torahfrömmigkeit auf die äußeren physischen
Merkmale reduzieren. Ähnlich CRANFORD, Perfect Obedience, 249; R.G. HAMERTON-KELLY,
Sacred violence and the curse of the Law (Galatians 3,13), NTS 36 (1990) 116.
325 Lockerer versteht BETZ, 144 den Anschluss: »gár should best be taken as inferential
(›certainly, so, then‹) or as marking another step in the argument.« LAMPE, Reticentia, 29,
Anm. 7: »Das erste gár in Gal 3,10a markiert diesen Übergang zur Negativargumentation, ist
also fortführend im Sinne von ›aber‹ wie in 1,11; 5,13.« Zu ähnlichen Meinungen vgl. REIN-
BOLD, Erfüllbarkeit, 96, Anm. 14, der selbst meint, dass V. 10 e contrario eine Begründung
für das zuvor Gesagte bringe; s.a. ECKSTEIN, Verheißung, 121; SIEFFERT, 177.
326 WILLIAMS, 88 bemerkt, zwischen V. 9 und 10 »some thought seems to be missing«.
327 Ein Beispiel für die logische Ungültigkeit der Form a-e-e in der ersten Figur: »Alle
Autos haben Räder. Kein Fahrrad ist ein Auto. Also: Kein Fahrrad hat Räder.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 161
Der Übergang von 6–9 zu 10–12 weist logische Brüche auf. Die Argumenta-
tion wird dabei von der Annahme geleitet, dass es zwischen »Glaubensmen-
schen« und »Nomosmenschen« keine Schnittmenge gibt328. Dies wird bereits
in der propositio in Gal 2,15–21 vorausgesetzt.
3,11–12: Ein gültiger Schluss aus den Sätzen dieser beiden Verse lässt sich in
der zweiten Figur (Camestres) mit einer Implikation herstellen, die in 12a
explizit genannt wird329:
DaP (9) Der Gerechtfertigte ist ein Glaubensmensch. (11b)
NeP 330 (10) Kein Nomosmensch ist ein Glaubensmensch. (vgl. 12a)
NeD (8) Kein Nomosmensch ist ein Gerechtfertigter. (11a)
328 Paulus fasst beide Begriffe ebenso wie das Begriffspaar »Fluch« und »Segen« im
Sinne eines kontradiktorischen Gegensatzes auf. Richtig daher BETZ, 144: »Not being blessed
is the same as being cursed«.
329 Dieser Schluss ist bereits klar von BAUER, Logicae, 343 erkannt worden. Er wird auch
heute noch relativ häufig so herausgearbeitet: LAMBRECHT, Curse, 283; MORLAND, Curse,
212; STANLEY, Curse, 503, Anm. 58; VOUGA, 75: »Der Obersatz (V. 11b) hat den Schluss V.
11a zur notwendigen Folge.« VOUGA, 74 betont die logische Funktion von d¨jlon in 3,11a.
330 Das entspricht definitiv nicht jüdischem Selbstverständnis. LAMPE, 31: »Ob die
Folgerung dieses dritten Verfahrens jüdisch beeinflusste Leser inhaltlich überhaupt überzeugt
haben wird, wäre auf einem anderen Blatt (wohl negativ) zu beantworten.«
331 LAMPE, Reticentia, 30.
332 Der Wechsel vom Sg. nómoß (12a) zum Pl. ahutá macht deutlich, dass die Gebote im
Blick sind, die päsin toïß gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü nómou toü poi¨jsai.
333 LAMPE, Reticentia, 31f möchte aus 12b und 11b den Schluss herleiten, dass Glaube
und Nomos zwei verschiedene Wege darstellen. Abgesehen von der Frage, wie dies sachlich
zu 3,21 passt, ist ein solcher Schluss m.E. logisch schwer nachvollziehbar. Lampe stellt zwar
fest, dass sich beide Begriffsfelder nicht widersprechen, begründet aber seine Trennung
damit, dass sonst beide Sätze nur »Halbwahrheiten« wären und Paulus nur »Vollwahrheiten«
akzeptieren könne. Solche Formulierungen sind für die Ansprüche formaler Logik eher
verwirrend.
162 III. Analyse paulinischer Texte
3,13–14: Der asyndetische Anschluss in V. 13, der Wechsel zur ersten Plural-
Form und der deutlich kerygmatische Sprachcharakter sind untrügliche
Zeichen dafür, dass hier die Redeform von der argumentierenden in eine
stärker bekennende Redeweise wechselt. Dementsprechend fehlen auch
logisch relevante Verbindungspartikeln – mit Ausnahme des sehr einfach
aufgebauten Schriftbeweises aus Dtn 27,26334:
XeK Jeder Gekreuzigte ist verflucht. (3,13c)
CaX Jesus ist ein Gekreuzigter.
CaK Jesus ist verflucht.
Abgesehen davon, weist nichts im Text darauf hin, dass die kerygmatische
Aussage »Christus hat uns freigekauft vom Fluch des Gesetzes« in irgendei-
ner Weise logisch aus dem Satz »Jesus ist ein Verfluchter« abgeleitet werden
kann335. Auch die beiden “ina-Sätze sind als Finalsätze nicht in Form eines
Schlusses zu fassen336. 14b knüpft zudem an 3,1–5 an und führt den verheiße-
nen Geist in die Argumentation ein. 14a sieht in der Heilstat Jesu die Vermitt-
lung des Abrahamssegens an die Nichtjuden. Was also in 6–8 erschlossen
wurde, wird hier nochmals kategorisch affirmiert.
c) Gesamtgedankengang
Trotz der Schwierigkeiten im Einzelnen wird ein doppelter Argumentations-
gang deutlich: 6–9 (positiv) und 10–12 (negativ). Die rhetorische Bewegung
des Textes ist die eines »progressiven Ausschlusses«:
Legende:
(n): Satznummer
(n*): Geschlossener Satz
(I-n): Implizierter Satz
kursiv: Schriftzitat
334 Ebenso LAMPE, Reticentia, 34 und MORLAND, Curse, 215, der aufgrund der antichrist-
lichen Polemik, zu der sich eine Aussage wie »Jesus ist verflucht«, so treffend eignet,
schreibt: »The logic is clear, but very risky.«
335 LAMPE, Reticentia, 34 formuliert die folgenden drei Sätze: »[J] Jesus war (unverdien-
termaßen) verflucht. [A] Wir stehen (verdientermaßen) unter dem Fluch des Gesetzes. [K]
Christus konnte stellvertretend den uns geltenden Fluch auf sich nehmen.« (Alle Klammern
vom Autor) Aus [J] und [A] lässt sich jedoch Satz [K] unmöglich folgern. Die »Logik« des
Austausches (»unschuldiges Leben sühnt schuldiges Leben«) ist nicht formalisierbar.
336 MORLAND , Curse, 219 versucht es mit dem folgenden Syllogismus: »General premise:
Those that are redeemed from the curse will be blessed. Special premise: We were redeemed
by Christ from the curse of the law (3.13). Conclusion: Therefore we will be blessed (3.14).«
Das Problem ist wieder eines der Formalisierung: In V. 13 steht Hjmäß höchstwahrscheinlich
für die Judenchristen, wohingegen V. 14 ausdrücklich von den Christen nichtjüdischer
Provinienz (tà ‘eqnj) spricht.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 163
P D=S
H P S =D N O K
V. 11f macht nochmals deutlich, dass der Bereich »unter dem Fluch« nichts
mit dem Bereich des Abrahamssegens zu tun haben kann337:
Die Konklusionen sind
beide Male negativ:
H S=P=D NeD
NeP
Die Funktion von 12b ist unklar (Anschluss mit hallá). Wird so geschlossen
(nach Celarent I [auch gültig nach Camestres II])?
TeP (I-5) Kein Mensch des Tuns (des Gesetzes) ist ein Mensch des Glaubens.
NaT (11) Jeder Nomosmensch ist ein Mensch des Tuns. (3,12b)
NeP (8) Kein Nomosmensch ist ein Mensch des Glaubens. (3,12a)
V. 13f: Der »axiomatische« Rückgriff auf das Kerygma zeigt (ohne es logisch
zu begründen), wie der Übergang vom Fluch zum Segen durch den Tod Jesu
vermittelt wird. Dass dieser »Austausch« sprachlich an die Fluch-
Terminologie anknüpfen kann, ist ein »eleganter« Abschluss. Logisch
formalisierbar ist nur 13b.c:
(14) XaK (3,13c)
(I-6) CaX
(13) CaK (3,13b)
d) Fazit
Wenn Becker generell für den Stil des Paulus im Gal behauptet, »streng
logisch aufgebaute Gedankenketten treten zurück«338, dann ist das bei
Betonung der logischen »Strenge« durchaus richtig. Im konkreten Fall von
Gal 3,6–12 lässt sich eine logische Argumentation nur mit unausgesprochenen
337 Wobei durch die Prämisse DaP in V. 11b stillschweigend noch eine wichtige Gleich-
setzung vorgenommen wird: D = P.
338 BECKER, 9.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 165
339 Aussagen zur »Logik« von Gal 3,6–14 bewegen sich meistens auf der Ebene eines
eher mataphorischen Wortgebrauchs: LÜHRMANN, 59 etwa: »Die Logik der paulinischen
Argumentation beruht also auf der christologischen Interpretation eines Kernstücks des Alten
Testaments selber.« Oder BRUCE, 160: »Paul’s thinking is dominated by the logic of his
conversion experience.« HAYS, Faith, 184ff spricht von »narrative logic«. Die Frage nach der
Logik im eigentlichen Sinne wird durch solche Aussagen nicht berührt.
340 LAMPE, 27 passim spricht von »Brachylogia« und fragt zu Recht, ob »die aus reticen-
tia und detractio resultierende Brachyologie … [nicht] den Lesern zuviel zumutet« (34). E.
HAGENBICHLER, Art. Brachylogie, HWRh 2 (1994) 50–53 definiert Brachylogie als
»knappen, gedrängten Stil, bei dem trotz aller Kürze des Ausdrucks Unklarheiten vermieden
werden.« (50) Rhetorisch gehört sie zur detractio, also zu den Gedankenfiguren der
Weglassung (51).
341 REINBOLD , Erfüllbarkeit, 95 meint, dass Paulus in V. 7 »kühn« folgert (ähnlich spricht
bereits LIETZMANN, 19 von V. 7 als »verblüffend kühne Folgerung«). Eine logische
Folgerung kann nie »kühn« sein, sie kann nur gültig oder ungültig sein. Als »kühn« würde
ich jedoch die vorausgesetzten Prämissen bezeichnen!
166 III. Analyse paulinischer Texte
4. Die Prämisse in V. 10, dass kein Gesetzesmensch alle Gebote erfüllt, ist
gerade im Rahmen allgemeiner jüdischer Vorstellungen über den Bund und
den Segen der Vergebung kaum einsichtig.
5. Die strikte Trennung in V. 12 von Tun und Glauben wird nirgends
begründet342.
Nach meiner Wahrnehmung »rettet« das Kerygma die Argumentation dort,
wo sie am schwächsten wird, bzw. wo sie nicht weiter begründet werden
kann: Handeln und Glauben sind zwei unterschiedliche Prinzipien. Dass aber
Prämissen rekonstruiert werden, die u.U. nicht auf allgemeine Akzeptanz
hoffen durften, macht die Argumentation nicht unlogisch, sondern schwächt
höchstens im konkreten Kommunikationskontext ihre persuasive Kraft. Ein
kategorisches Urteil, das geradezu axiomatisch auf die gesamte Argumentati-
on wirkt, findet sich in Gal 2,21343: »Denn wenn durch das Gesetz Gerechtig-
keit (kommt), dann ist folglich Christus umsonst gestorben.« (e˙ gàr dià
nómou dikaiosúnj, ‘ara Cristòß dwreàn hapéqanen.) Gal 3,6–14 wäre
somit eine Art a-posteriori-Argumentation für die völlige Trennung von
Gesetz und Gerechtigkeit344.
1. Exegetische Vorfragen
Der Abschnitt 1,18–3,20 lässt eine hohe argumentative Dichte erkennen.
Neben einer Häufung von begründenden Partikeln345 weisen die verwendeten
Stilelemente deutlich auf eine persuasive Sprechintention hin346. Eine
eingehende Diskussion zur Gesamtgliederung und zur Frage nach dem Genus
des Röm kann (und braucht) hier nicht geführt zu werden347. Es lässt sich
342 Sie kann vielleicht als »Erfahrungsaxiom« des Paulus (1,11f) und der Galater (3,5)
verstanden werden. (Hinweis von U. Luz)
343 Die ungewöhnliche Interpretation von Schriftzitaten führt RÄISÄNEN zu dem Urteil:
»Paul is pushed to develop his argument into a preordained direction … He simply had to
come to the conclusion that the law cannot be fulfilled.« (Paul and the Law, 108)
344 LUZ, 93: Paulus »denkt hier apriorisch in Alternativen« (vgl. Gal 2,21; 3,2).
345 U.a. gár (1,16a.b.17b.19a.b.26a), dióti (1,18.20b), dió (1,23), dià toüto (1,25),
kausales kaq´wß (1,28) usw. Ob die Partikeln im Einzelnen wirklich begründenden Sinn
haben, wird zu prüfen sein.
346 Vgl. die ausführliche Stilanalyse in SCHMELLER, Diatribe, 254–265. Nach SIEGERT,
Argumentation sind in diesem Abschnitt folgende Stilelemente zu finden: Antithesen
(durchwegs in 1,18ff; S. 182–185), Argumente ad personam (2,1.17; S. 229) und ad hominem
(3,5; S. 228), Anapher und Epipher (2,21f; S. 234 [vgl. dazu LAUSBERG , Handbuch, §§629–
634), Topos von Gott als »Vorbild« (1,20; 2,4; 3,4.19; S. 212f).
347 Vgl. neben den Kommentaren die Diskussion in SIEGERT, Argumentation, 112–119
und U. LUZ, Zum Aufbau von Röm 1–8, ThZ 25 (1969) 161–181. Die vorsichtige Skepsis,
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 167
zwar von 1,18ff als probatio reden348, aber eine weitere Segmentierung mit
den Mitteln antiker Rhetorik scheint mir wenig aussichtsreich.
die ich bereits im Falle von 1Kor (s.o. S. 96ff) und Gal (s.o. S. 129ff) zum Ausdruck gebracht
habe, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Einen optimistischeren Gebrauch antiker
rhetorischer Kategorien belegen u.a. W. WUELLNER, Paul’s Rhetoric of Argumentation in
Romans, in: K.P. Donfried (ed.), The Romans Debate (Peabody / Edinburgh, 21991) 128–146;
R. JEWETT, Following the Argument of Romans, in: Donfried, Romans Debate, 265–277 und
D. HELLHOLM, Amplificatio in the Macro-Structure of Romans, in: Porter / Olbricht, Rhetoric
and the New Testament, 123–151. Für eine manchmal allzu negativ wertende Kritik dieser
rhetorischen Versuche vgl. ANDERSON, Rhetorical Theory, 169–183.
348 Darin stimmen WUELLNER, Argumentation, 142 (er benutzt allerdings den Begriff
confirmatio); JEWETT, Argument, 272f und HELLHOLM, Amplificatio, 138 überein. Gegen-
über der »klassischen« Gliederung – die in 1,16f die These oder Überschrift des Ganzen sieht,
die anschließend thematisch entfaltet wird – ist das nichts Neues.
349 Vgl. Bauer / Aland, 50. In der LXX finden sich nur drei Belege: 4Makk 4,19 (Jakob
beschuldigt seine Söhne und verflucht sie für ihre Gewalttat an den Sichemitern); Prov 19,3
(der unvernünftige Sinn des Menschen stellt Gott unter Anklage); Sir 29,5 (der zahlungsunfä-
hige Schuldner gibt dem Zeitpunkt die Schuld). Das Verb kann auch positiv oder neutral
benutzt werden im Sinne von »von jemandem sagen, dass er sei« oder »jemanden oder etwas
als Grund für etwas angeben« (vgl. LSJ 44; F.R. ADRADOS [ed.], Diccionario Griego-
Español [Madrid, 1989] I, 101).
168 III. Analyse paulinischer Texte
1,32: Diejenigen, die »die Rechtssatzung Gottes« (tò dikaíwma toü qeoü) kennen,
wissen, dass die Übeltäter »des Todes schuldig sind« (‘axioi qanátou e˙sín).
2,1a: »Du bist ohne Entschuldigung (hanapológjtoß) …«.
2,1b: »Der du andere richtest, verurteilst dich selbst (seautòn katakríneiß)«.
2,2f: Das »Urteil Gottes« (tò kríma toü qeoü) ist wahr und unausweichlich.
2,5f: Das »gerechte Gottesgericht« (dikaiokrisía toü qeoü) bedeutet, dass er »je-
dem gemäß seiner Taten vergilt« (hapod´wsei Hekást^w katà tà ‘erga ahutoü).
2,25: Auch der Jude ist ein »Gesetzesübertreter« (parabátjß nómou).
Auf der »Anklagebank« sitzen gemäß 3,9 »Juden« und »Griechen«. Liest man
1,19–32 von 3,9 her, dann dürfte wohl kein Zweifel daran bestehen, dass
Paulus seine Anklage gegen die »Heiden« nicht nur im Sinne rhetorischer
»Taktik« benutzt, sondern diese (trotz Übertreibungen) von der Sache her für
berechtigt hält350. Das Gegensatzpaar »Jude-Grieche«351 ist von 1,16 als die
Argumentation strukturierende Opposition vorgegeben und wird in 2,9f und
3,9 in Erinnerung gerufen (inhaltlich auch in 2,12)352. Damit erweist sich die
»traditionelle« Sicht, dass in 1,18–3,8 zwei voneinander unterscheidbare
Gruppen angeklagt werden, vom Text her als gut begründet.
Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass die Argumentation in 1,18ff (strategisch
beabsichtigt?) äußerst sparsam in der expliziten Nennung der jeweils unter Anklage stehenden
Menschengruppe ist. Zwischen 1,18 und 2,8 finden sich keine eindeutigen Identifizierungen.
Erst in 2,9f ist generell von »Juden« und »Griechen« die Rede. Die ‘eqnj, die am Anfang des
Briefes Erwähnung finden (1,5.13), werden in 2,14 (und dann in 2,24) genannt. Eine klare
Anrede des fiktiven Gesprächspartners als Jude erfolgt schließlich in 2,17 und wird ab dann
regelmäßig wiederholt (2,28f; 3,1.9; ansonsten im Röm nur noch in 3,29; 9,24; 10,12).
350 Dies scheint mir die These auszuschließen, Paulus baue in 1,19–32 nur eine rhetori-
sche Figur auf, um sogleich in 2,1ff das bisher Gesagte in Frage zu stellen (so der Vorschlag
von C.L. PORTER, Romans 1.18–32: Its Role in the Developing Argument, NTS 40 [1994]
210–228, bes. 221–228; ähnlich auch D.A. CAMPBELL, Natural Theology in Paul? Reading
Romans 1.19–20, International Journal of Systematic Theology 1 [1999] 231–252). Ebenso
unwahrscheinlich erscheint mir die interesante aber übermäßig subtile Lektüre von W.
BINDEMANN, Theologie im Dialog: Ein traditionsgeschichtlicher Kommentar zu Römer 1–11
(Leipzig, 1992) 47–97, der in 1,18–3,20 ein ironisches Spiel mit vorgegebenen Topoi, die von
Paulus schließlich aufgelöst werden, vermutet.
351 Der Begriff “ Elljn wird zwar umfassend im Sinne von »Nichtjude« benutzt, setzt
aber einen stärkeren Akzent auf den kulturellen Unterschied. Deshalb kann Paulus in 1,13f
die ‘eqnj in »(gebildete) Griechen« und »(ungebildete) Barbaren« aufteilen. Der Referenzbe-
reich der Begriffspaare h Ioudaïoi - ‘eqnj und h Ioudaïoi - “ Elljneß kann demnach nicht
unterschieden werden. Anders BINDEMANN, Theologie, 73, der aus den unterschiedlichen
Formulierungen schließt: »Es geht also um Verhältnisse innerhalb der römischen Christenheit
und nicht zwischen Juden und Heiden!«
352 Als Oppositionspaar auch Röm 10,12; 1Kor 1,22.24; 10,32; 12,13; Gal 3,28; Kol 3,11.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 169
Das Proömium des Röm ist besonders aussagekräftig, weil Paulus als berufener Apostel seine
zwei »axiomatischen« Quellen, aus denen sein theologisches Denken seine Prämissen
bezieht, ins Spiel bringt: das christliche Kerygma (vgl. das »Credo« in 1,3f) und die
»Heiligen Schriften« Israels (1,2). Dass die Propheten Israels auf das Kernstück der
Verkündigung, das Evangelium, vorverweisen (1,2), zeigt, wie wenig beide Autoritäten für
Paulus in Spannung zueinander stehen. Besonders wichtig im Hinblick auf die Argumentati-
on, die in 1,16 einsetzt, sind die Aussagen über das Evangelium in 1,1–15. Interessant ist zum
einen die enge Verquickung der Person des Paulus mit dem Evangelium (nomen actionis für
dieselbige Verkündigung), die durch die Beauftragung Gottes zustande gekommen ist (1,1.9),
und zum anderen der zeitliche Vorbezug der Propheten Israels auf dieses Evangelium, das
vom davidischen Messias zeugt, wie dieser durch die Kraft der Auferstehung sein designier-
tes Ziel als Sohn Gottes erreicht (1,2–4). Die paulinische Evangeliumsverkündigung hat das
Ziel, unter den Nichtjuden den Glaubensgehorsam (1,5: e˙ß Hupako`jn pístewß) zu wecken.
Mit 1,16f stellt Paulus jene Hauptthese vor, die die Diskussion mindestens bis
Kap. 11 wenn nicht sogar für den gesamten Brief dominiert. Paulus setzt in
1,16 mit dem persönlichen Bekenntnis358 zur Evangeliumsverkündigung359
ein. Dabei legt die negative Formulierung nahe, dass die Verkündigung des
Evangeliums je nach Beurteilungsblickpunkt etwas ist, dessen man sich
schämen könnte360. Die Kategorie der Schande ist deswegen (gár) nicht auf
das Evangelium übertragbar, weil im Evangelium »göttliche Kraft« (dúnamiß
qeoü) und damit Gott selbst zur Wirkung gelangt361. Ziel dieser Dynamik
(e˙ß) ist die swtjría, also die Errettung im Gericht362. Die Verkündigung ist
als heilsame Kraft Gottes nur für jene wirksam, die glauben (dat. commodi),
Juden zuerst und auch Griechen.
Für Paulus setzt die Verkündigung des Evangeliums Gottes Kraft zum Heil
in Gang, weil (17: gár) sich darin etwas bisher Verhülltes zu erkennen gibt
ausdrücklich ihren Status als von Gott »gerufene« Heilsgemeinde (1,6f) und ihren öffentlich
wirksamen Glauben (1,8).
358 Die Aussage, dass er sich »nicht schämt« (ohu hepaiscúnomai), ist nicht psycholo-
gisch zu deuten. Vielmehr zeigt der Vergleich mit anderen NT-Texten (Mk 8,38; Lk 12,8; Joh
1,20; 2Tim 1,8.12.16; Heb 2,11; 11,16), dass Paulus hier vorgeprägte Bekenntnissprache
aufnimmt (vgl. WILCKENS I, 82; FITZMYER, 255).
359 Die Ambivalenz des ehuaggélion-Begriffs zwischen Vollzug der Verkündigung und
Inhalt derselben (WILCKENS I, 74f) sollte nicht je nach Kontext auf die eine oder die andere
Seite hin aufgelöst werden. Beide Aspekte sind bei Paulus untrennbar miteinander verbunden.
360 WILCKENS I, 82 führt dies plastisch aus. Die Anwendung der kulturanthropologischen
Binär-Kategorie Ehre/Schande auf die Evangeliumsverkündigung zeigt, dass diese unter dem
Vorzeichen der Ambivalenz steht (ähnlich das »Wort vom Kreuz« in 1Kor 1,18).
361 Ausdrücke aus dem semantischen Feld von »Kraft/Macht« sind so eng mit Gott
verbunden, dass Hj dúnamiß schlicht zur Umschreibung für Gott werden kann (vgl. etwa Mk
14,62: hek dexi¨wn kaq´jmenon t¨j ß dunámewß). Diese Nähe dokumentiert auch Paulus in
1,20: Ewige Kraft und Göttlichkeit gehören aufs Engste zusammen. Das Motiv von göttlicher
Kraft in einer von Menschen ausgehenden Verkündigung erinnert an das Verständnis des
prophetischen Wortes im Alten Israel.
362 Der Zusammenhang von Macht und Rettung gehört besonders zum Ausdruck des
Vertrauens in Not in den Psalmen (vgl. Y 20,2; 32,17; 53,3; 117,15; 139,8).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 171
2. Exegetische Anmerkungen
a) Röm 1,18–32367
Obwohl der Gedankengang dieses Abschnitts nicht schwer nachzuvollziehen
ist, drängt sich eine klare Strukturierung nicht von selbst auf368. Wenn man
363 Zum Begriff T. HOLTZ, Art. hapokalúptw, ktl., EWNT 1,312–317: Pagan im Sinne
von »etwas Verborgenes aufdecken« (etwa Lk 2,35: »damit die Überlegungen aus vielen
Herzen offenbar werden«); Paulus gebraucht Verb und Nomen in Bezug auf sein Damaskus-
erlebnis (Gal 1,12.16; 1Kor 9,1; 15,8). Der Zusammenhang zwischen Röm 1,17 und 1,18
zeigt, dass das Evangelium von der Gottessohnschaft Jesu (1,1–4) die Gottesgerechtigkeit aus
Glauben zu Glauben als eschatologisches Geschehen enthüllt. Vgl. zum Themenkomplex
M.N.A. BOCKMUEHL, Revelation and Mystery in Ancient Judaism and Pauline Christianity
(WUNT 2:36; Tübingen, 1990).
364 Der genaue Referenzbereich der syntaktischen Einheit ist bekanntermaßen nicht nur
schwer determinierbar, sondern im paulinischen Sprachgebrauch auf eine Art und Weise
erweitert worden, die nicht ohne weiteres an alttestamentlich-jüdische Sprachverwendungen
anknüpft (s.u. S. 172f).
365 Die Bedeutungserweiterung von e˙ß pístin gegenüber hek pístewß ist nicht evident.
Vielleicht will Paulus auf die Spannung aufmerksam machen, dass das Evangelium nicht nur
aus Glauben in seiner dynamischen Dimension erkannt wird, sondern auch auf diesen
Glauben (e˙ß) hinzielt.
366 Ho díkaioß // dikaiosúnj qeoü (17a); h ek pístewß // h ek pístewß e˙ß pístin (17a),
pantì t¨^w pisteúonti (16b); z´jsetai // dúnamiß ... e˙ß swtjrían (16b). Dabei leitet
kaq´wß im strengen Sinne keine Begründung ein, sondern eine Analogie, die sprachlich in
einer erkennbaren, wenn auch lockeren Beziehung zu 1,16–17a steht.
367 Literatur: C. BASEVI , El hombre y la sociedad según Rom 1,18–32, in: V. Collado
Bertomeu / V. Vilar Hueso (ed.), II Simposio Bíblico Español (Valencia, 1987) 305–319;
R.H. BELL, No One Seeks for God: An Exegetical and Theological Study of Romans 1.18–
3.20 (WUNT 106; Tübingen, 1998) 21–131; G. BORNKAMM, Die Offenbarung des Zornes
Gottes (Röm 1–3) (1935), in: Ders., Das Ende des Gesetzes: Paulusstudien (Ges. Aufs., 1;
BEvTh 6; München, 31966) 9–33; CAMPBELL, Natural Theology; H.-J. ECKSTEIN, ›Denn
Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar werden‹: Exegetische Erwägungen zu Röm 1,18,
ZNW 78 (1987) 74–89; E. K LOSTERMANN, Die adäquate Vergeltung in Röm 1,22–31, ZNW
32 (1933) 1–6; W. POPKES, Zum Aufbau und Charakter von Römer 1.18–32, NTS 28 (1982)
490–501; PORTER, Romans 1.18–32; SCHMELLER, Diatribe, 225–286 (zu Röm 1,18–2,11); S.
SCHULZ, Die Anklage in Röm. 1,18–32, ThZ 14 (1958) 161–173.
368 Vgl. die Diskussion in POPKES, Aufbau.
172 III. Analyse paulinischer Texte
Der Anschluss von 1,18 an 1,16f wird in der exegetischen Literatur kontro-
vers diskutiert372. Dabei handelt es sich vornehmlich um eine Frage der
Gewichtung von Form gegenüber Inhalt: Der Form nach schließt 1,18 nicht
nur mit gár an 1,16f an, sondern bildet eine parallele Struktur zu 1,17373.
Rein formal würde es also nahe liegen, V. 18 neben V. 17 als zweite Begrün-
dung von V. 16 zu deuten: Paulus schämt sich nicht der Evangeliumsverkün-
digung, weil sich darin Gottes Gerechtigkeit und sein Zorn offenbaren374. Der
Inhalt jedoch widerstrebt dieser Lektüre aus zwei Gründen: Zum einen sind
dikaiosúnj und horg´j von ihren theologischen Verwendungszusammenhän-
gen her als Kontrastbegriffe aufzuffassen.
Die semantischen Konnotationen von dikaiosúnj qeoü sind meist im Sinne von Gottes
»bundesgemäßem Verhalten« positiv zu fassen 375. Daraus ergibt sich sachlich die Nähe von
Gottes dikaiosúnj zu seiner swtjría (wie in 1,16) 376, was jedoch nach atl.-jüd. Verständ-
nis keineswegs göttliches Richten ausschließt377. Wenn sich aber »Gerechtigkeit« und
»Zorn« nur äußerst schwer auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt göttlichen Handelns beziehen
lassen 378, dann kann mit entsprechender Vorsicht geschlossen werden, dass die Kontrastie-
rung von dikaiosúnj und horg´j379 zu den rezeptionshistorischen Prämissen gehört, die die
Strategie des Textes voraussetzen kann. Das wird m.E. auch durch das innere Gefälle von
1,18ff gegenüber 1,16f deutlich, denn das Ziel der dikaiosúnj qeoü ist die swtjría (1,16),
am Ende der Offenbarung von Gottes horg´j steht jedoch der Tod (1,32)380.
Zum anderen scheint die Wendung haph ohuranoü in 1,18 einen Kontrast zu
hen ahut¨^w in 1,17 zu markieren381.
Gerechtigkeit Gottes bei Paulus (FRLANT 87; Göttingen, 21966) 102–184; J. SCHRÖTER,
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Das Gottesbild der Psalmen Salomos in seinem Verhältnis
zu Qumran und Paulus, NTS 44 (1998) 557–577.
376 In der LXX z.B. Y 39,11; 50,16; 70,15; 97,2; 118,123; OdPs 11,19; Jes 45,21; 46,13;
51,5–8; 56,1; 59,17; 62,1; 63,1.
377 Vgl. LXX Y 9,9; 34,24; 35,7; Jes 5,16; 63,1; Tob 3,2 usw.
378 Die Begriffe dikaiosúnj und horg´j besetzen im Griechischen der LXX (und in der
davon geprägten Literatur) bei theologischer Verwendung kein gemeinsames semantisches
Feld. Das ergibt sich aus dem mageren Ergebnis (19 Treffer) eines TLG-Suchlaufs nach
dikaio* in der Nähe von horg´j (im Abstand von 100 Zeichen) in LXX, Josephus, Philo,
JosAs, ApkAd, grApkBar, ApkEl, ApkEsr, ApkSedr, ApkZeph, ApokrEz, EpArist, AssMos,
TestXII, TestAbr, TestHiob, TestSal und dem NT. Dabei sind zunächst jene Texte auszu-
scheiden, die nicht von Gott reden (Y 57,11f; Prov 16,31f; 17,25f; Hiob 9,22f; SapSal 10,10;
Josephus, Ant 6,212; 16,264; 17,191; 18,254f; Bell 2,135; Jak 1,20). Aus dem NT erscheint
nur unsere Stelle, Röm 1,17f, und 3,5 (hier deutlich antithetisch). In Y 7,12 ist von Gott als
krit`jß díkaioß die Rede, dessen Langmut im Gericht darin sichtbar wird, dass er Zorn nicht
(anders MT) täglich über die Menschen bringt (m`j horg`j n hepágwn kaqh Hekástjn Hjméran).
Bezeichnend ist das Gebet Daniels in Dan 9,16: »Herr gemäß deiner Gerechtigkeit (katà
t`jn dikaiosúnjn) wende ab deinen Grimm und deinen Zorn (hapostraf´j tw Ho qumóß sou
kaì Hj horg´j sou) von deiner Stadt Jerusalem...« Einige Texte bezeugen, dass der Gerechte
vom göttlichen Zorn gerettet wird (Zeph 2,2f; Sir 44,17 von Noah). Am nächsten kommen
sich die beiden Begriffsfelder wahrscheinlich in Josephus, Ant 7,328: David betet zu Gott,
dass er sein Strafgericht gegen das Volk beende, weil es gerecht (díkaioß) sei, den Hirten zu
strafen aber nicht die Herde. Deswegen soll Gottes Zorn auf ihn (t`jn horg`jn e˙ß ahu tón) und
seine Nachkommen und nicht auf das Volk kommen. Die dikaiosúnj qeoü steht in einem
positiven Verhältnis zu seinem qumóß in LXX Jes 63,1–3 (Strafgericht gegen das »heidni-
sche« Edom zur Erlösung Israels). Jes 59,16–21 (LXX) umreißt ein ähnliches semantisches
Feld wie das für Röm 1,16ff charakteristische: dikaiosúnj, swtjría, hekdíkjsiß,
hantapodídwmi, horg´j, qumóß.
379 Vgl. (für viele andere) S TUHLMACHER, Gerechtigkeit Gottes, 98: »Gottes horg´j [ist]
ein hinter seiner dikaiosúnj zurücktretender Modus des Gotteshandelns.«
380 M. KONRADT, Gericht und Gemeinde (BZNW 117; Berlin, 2003) 498 macht auf zwei
weitere Kontraste aufmerksam: ‘axioi qanátou (1,32) und z´jsetai (1,17) stehen sich
gegenüber. Zudem markiert der Neueinsatz mit nunì dé in 3,21 einen Kontrast zur Gedan-
kenentwicklung in 1,18ff.
381 Mit FITZMYER, 277 u.a. Jedenfalls ist kaum davon auszugehen, dass in 1,18 »im
Evangelium« hinzugedacht und haph ohuranoü zu horg´j gezogen werden muss (so H.-M.
SCHENKE, Aporien im Römerbrief, ThLZ 92 [1967] 887f; CRANFIELD, I,111; WILCKENS
174 III. Analyse paulinischer Texte
Es sind demnach inhaltliche (und nicht formale Gründe382), die für eine
kontrastive Lektüre von 1,18ff gegenüber 1,16f sprechen383. Theologisch ist
daraus zu schließen, dass die Offenbarung des göttlichen Zorns nicht zur
Heilsoffenbarung des Evangeliums gehört384, sondern quasi als eigene
»Unheilsgeschichte« deren Negativfolie bildet385.
Ist die Wendung hapokalúptetai horg`j qeoü haph ohuranoü im engen
Sinne auf das eschatologische Verurteilungsgericht zu beziehen oder hat die
Offenbarung des göttlichen Zorns auch eine historisch immanente Dimensi-
on?386 Ob die Präsensform futurisch gebraucht wird387, hängt mit der Frage
I,102; W. PESCH, Art. horg´j, EWNT 2,1296). Dagegen ist einzuwenden, dass horg´j durch den
Genitiv qeoü bereits als einer anderen Sphäre zugehörig qualifiziert ist. Eine weitere
Bestimmung durch haph ohuranoü erscheint unnötig redundant. Dem Urteil KÄSEMANNS, dass
beide Verse »bewußt antithetisch parallelisiert« sind (31), kann ich daher nur zustimmen.
382 Der Anschluss mit gár hat mehr exegetische Aufmerksamkeit auf sich gelenkt als
nötig. Die Frage nach dem Verhältnis von »Gerechtigkeit Gottes« (1,17) zu »Zorn Gottes«
(1,18) ist ein zu schweres Gewicht für eine so vieldeutige Konjunktion. Der Fächer der
Möglichkeiten reicht von begründend bis locker anknüpfend (vgl. z.B. Bauer / Aland, 304f
und BDR §452). S. ZEDDA, L’uso di gár in alcuni testi di San Paolo, Studiorum Paulinorum
Congressus (AnBib 17–18; Rom, 1963) II, 445–451 unterscheidet zwischen beteuernder,
erklärender, kausaler, entgegengesetzter und folgernder Bedeutung. Entsprechend werden
gár in 1,18 die unterschiedlichsten Bedeutungen beigelegt, etwa als schlichte Übergangspar-
tikel (LIETZMANN, 31; KUSS, 35; Bauer / Aland, 305), im umfassenden Sinne begründend
(MICHEL, 111; KÄSEMANN, 31; CRANFIELD, I,110) oder als Ausdruck eines Gegensatzes
(ZEDDA, Gár, 449; WILCKENS I,101; FITZMYER, 277). Begründend und zugleich antithetisch
deutet DUNN I,54. M. ZERWICK / M. GROSVENOR, A Grammatical Analysis of the Greek New
Testament (Rom, 31988) 459 (zu V. 18): »gár normally explanatory, here merely continues
what goes before«.
383 Das ist zu Recht auch die heute mehrheitlich vertretene Meinung (vgl. u.a.
STUHLMACHER, Gerechtigkeit, 80; K ERTELGE, Rechtfertigung, 88; BASEVI, Rom 1,18–32,
307f). Das Urteil, das SCHENKE, Aporien, 888 bereits 1967 aussprach (»Das klingt zwar
schön – und man ist daran gewöhnt…«) sagt dennoch über den Wahrheitswert der hier
vertretenen These nichts aus.
384 KÄSEMANN , 32: »Der Zorn ist nicht Inhalt des Evangeliums.« Ähnlich H.
CONZELMANN, Art. Zorn Gottes, RGG3 6 (1962) 1931f: »[V]erkündet wird nicht Z[orn] und
Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit als Rettung angesichts des Z[orn]es, der bereits
waltet.« (kursiv original) KONRADT, Gericht, 498: »Das Evangelium gilt dem Menschen, der
unter dem Zorngericht steht. Der Aufweis dieser Unheilssituation ist aber nicht selbst Teil des
Evangeliums.«
385 DUNN, I,54: »The clear implication is that the two heavenly revelations are happening
concurrently, as well as divine righteousness, so also divine wrath.« K. KERTELGE, Gottes
Gerechtigkeit – das Evangelium des Paulus, in: Th. Söding (Hrsg.), Der lebendige Gott (FS
W. Thüsing; NTA 31; Münster, 1996) 186 mahnt jedoch trotz aller Gegensätzlichkeit von
Gerechtigkeit und Zorn, »keinen innergöttlichen Widerspruch« darin zu sehen, »sondern zwei
Weisen des Handelns Gottes am Menschen, die einander bedingen und so dessen tiefere
Einheit erweisen.«
386 Vgl. zur Auslegungsgeschichte ECKSTEIN , Gottes Zorn, 74–82.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 175
Auch die Wendung haph ohuranoü lenkt den Sinn nicht ohne weiteres in das
Vorstellungsfeld zukünftiger Eschatologie392:
Die Wendung bezeichnet ganz allgemein einen göttlichen Eingriff in menschliches
Geschehen 393, sowohl in heilvollem Zusammenhang 394 als auch im Zusammenhang des
387 So dezidiert ECKSTEIN, Gottes Zorn, dem sich BELL, No One Seeks, 14–16; HAACKER,
48 und KONRADT, Gericht, 498 anschließen.
388 Von Gottes Zornhandeln (interessanterweise nie verbal mit horgízw ausgedrückt) ist
im futurischen Sinn die Rede in Röm 2,5 (hen Hjmér^a horg¨jß); 2,8 (Konkretisierung von 2,5);
3,5 (Bezug zum Weltgericht in 3,6); 5,9 (Errettung vor dem Zorngericht); 9,22 (Zorn parallel
mit der vorbestimmten hap´wleia); 1Thess 1,10 (Errettung vor dem »kommenden Zorn« [hek
t¨jß horg¨jß t¨jß hercoménjß]); 5,9 (Christen sind nicht bestimmt zum Zorn). Relativ offen ist
der Gebrauch in Röm 4,15 (»das Gesetz bewirkt Zorn«); 12,19; 13,4f (dazu s.u.); 1Thess 2,16
(dazu s.u.) und auch in den Deuteropaulinen: Eph 2,3 (vorchristliches Leben = »von Natur
aus Kinder des Zorns«); 5,6 (der Zorn Gottes kommt [Präsens ‘ercetai] über die »Kinder des
Ungehorsams« = Kol 3,8).
389 Vgl. den materialreichen Exkurs in KONRADT, Gericht, 57–65. Eschatologisch-
futurisch sind z.B. Jes 13,9.13; Zeph 1,15.18; 2,2f; 3,8; Dan 8,19; Jub 24,30.
390 Vgl. aber die Kritik an dieser Deutung in K ONRADT, Gericht, 84–87.
391 Nur ein solcher, völlig klarer semantischer Bezug für horg`j qeoü könnte erklären,
warum Paulus es wohl aus stilistischen Gründen vorgezogen haben sollte, die Präsensform
von V. 17 zu wiederholen (wo sie eindeutig auch präsentischen Sinn hat und mit nuní in 3,21
zusammenhängt), statt schlicht im Futur zu formulieren.
392 Anders ECKSTEIN, Gottes Zorn, 84–85, der m.E. den Befund etwas zu einseitig aus-
wertet.
176 III. Analyse paulinischer Texte
Gerichts gegen Nichtjuden und Ungerechte395. Der enge Nexus zwischen Unrecht und
Strafgericht vom Himmel kommt in äthHen 91,7–9 eindeutig im Sinne eines endzeitlichen
Strafgerichts zur Sprache.
393 In diesem Sinne stellen die Pharisäer in Mk 8,11 Jesus auf die Probe und suchen von
ihm »ein Zeichen vom Himmel«. Besonders in der Endzeit werden »vom Himmel« gewaltige
Zeichen geschehen (Lk 21,11).
394 Das Manna als »Brot vom Himmel« (SapSal 16,20; vgl. Josephus, Ant 4,45) oder
göttlicher Beistand »vom Himmel« bei einer Schlacht gegen eine feindliche Überzahl
(2Makk 8,20; 11,10; 15,8).
395 Auf die Erzählung von der Vernichtung Sodoms (Gen 19; vgl. LXX 19,24: pür parà
kuríou hek toü ohuranoü) geht das Bild vom »Feuer vom Himmel« zurück (Lk 9,54; 17,29;
TestAbr (Rec A) 10; ganz anders konnotiert ist hingegen Philos »ätherisches Feuer«, das vom
Himmel auf dem Altar liegt [VitMos II,158]). Vgl. auch Sir 46,17f (Gottes Stimme erbebt
»vom Himmel« gegen die Philister).
396 Erwägenswert ist der Vorschlag von SCHMELLER, Diatribe, 236, die Spannung der
Präsensform »aus einer Verbindung apokalyptischer und weisheitlicher Traditionen« zu
erklären.
397 Der Hinweis, dass hapokalúptesqai zur typischen Begrifflichkeit eschatologischer
Vorstellungen gehört (ECKSTEIN, Gottes Zorn, 83), wäre nur unter der Annahme, dass das
»Futurische« zum Wesen des »Eschatologischen« gehörte, ein überzeugendes Argument
gegen eine präsentische Dimension von 1,18. Dass hapokalúptesqai eschatologische und
präsentische Bedeutung haben kann, lässt sich angesichts von 1,17 jedoch kaum in Zweifel
ziehen.
398 So auch (mit unterschiedlichen Akzentsetzungen) DUNN, I,54; FITZMYER, 278; LOHSE,
86; PESCH, horg´j, 1295f u.a.
399 BORNKAMM, Offenbarung, 12; ECKSTEIN, Gottes Zorn, 78f u.a. weisen jedoch darauf
hin, dass die Vorstellung vom jetzt wirksamen Zorn Gottes nicht zur Bestimmung der
jetzigen Zeit als einer durch die Nachsicht Gottes (hanoc`j qeoü) geprägten (3,25f) passe.
Aber im Zusammenhang von 1,18–32 versucht Paulus, in polemischer Überspitzung und
unter Rückgriff auf bekannte antipagane Topoi, das Schicksal der Nichtjuden ohne Evangeli-
um möglichst schwarz zu malen.
400 h Asébeia (bei Paulus sonst nur noch in 11,26; h aseb´jß in 4,5 und 5,6) gehört zum
Wortfeld der Hamartía (1Tim 1,9; 1Petr 4,18; Jud 15). Im hellenistischen Kontext geht es bei
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 177
hasébeia um das fehlende Verhältnis zu den Göttern. Aufgrund des engen Bezugs von
Theologie und Ethik wird der Begriff jedoch im hellenistischen bereits in einem weiteren
ethischen Sinn benutzt (vgl. P. FIEDLER, Art. haseb´jß, ktl., EWNT 1,405f). An der Seite von
hadikía begegnet das Wort auch in Y 72,6; Prov 11,5; Hiob 36,18; Hos 10,13; Mi 7,18; Philo
Imm 112; SpecLeg I,214; Praem 105; Conf 152; grHen 13,2.
401 Die beiden Begriffe sind am ehesten als Hendiadyoin zu fassen, woran das beiden
vorangestellte päsan denken lässt (DUNN, I,55f; FITZMYER, 278). Die Wiederholung von
hadikía in 1,29; 2,8 und 3,5 macht zudem deutlich, dass es sich um einen vagen Sammelbeg-
riff handelt. Einen Unterschied zwischen hasébeia und hadikía sehen MICHEL, 98f;
SCHLATTER, 49 (dagegen FIEDLER, haseb´jß, 406); KONRADT, Gericht, 499 mit Anm. 110.
402 WILCKENS, I, 95; DUNN, I,56; KONRADT, Gericht, 497 u.a. Im Hinblick auf 1,18 kann
jedoch von einer »Überschrift« im technischen Sinne (vgl. allgemein MAYORDOMO, Anfang,
206–208) nicht gesprochen werden.
403 Dióti gefolgt von gár begegnet bei Paulus noch in Röm 3,20 und 8,7.
404 BELL, No One Seeks, 35.
178 III. Analyse paulinischer Texte
gnwstón bezeichnet entweder das »Bekannte« (das, was man weiß)405 oder
das »Erkennbare« (das, was man wissen kann)406. Letzteres ist wohl vorzu-
ziehen, da sich dadurch die Redundanz der Aussage (im Sinne von »Das
Bekannte ist ihnen bekannt«) vermeiden lässt407. Wichtig ist die Wiederho-
lung der Wurzel faner-408, wodurch unterstrichen werden soll, dass das von
Gott Erkennbare nicht unabhängig von Gottes eigenem Offenbarungshandeln
den Menschen bekannt ist. Auch die »natürliche« Gotteserkenntnis gründet
auf Offenbarung.
Theologisch ist anhand dieses Textes (und 2,14f) immer wieder die Frage nach der Möglich-
keit »natürlicher« Gotteserkenntnis gestellt worden 409. Oft werden dabei gewichtige
systematische Fragen an den Text herangetragen, die ihn als Entscheidungsinstanz in einer
zum Teil konfessionell gefärbten Diskussion schlicht überfordern. Es ist aber kaum zu
leugnen, dass Paulus hier ganz im Sinne der hellenistisch-jüdischen Weisheitstheologie
formuliert, bei der der Bezug zwischen göttlicher Verborgenheit und »natürlicher« Einsicht in
der Schwebe zu bleiben scheint410. Eine Antithese zwischen göttlichem Offenbarungshandeln
in 1,19 und menschlicher Vernunfterkenntnis in 1,20 scheint nicht zu bestehen 411.
20 tà gàr haórata ahutoü Denn sein unsichtbares (Wesen) lässt sich seit
hapò ktísewß kósmou der Schöpfung der Welt
toïß poi´jmasin nooúmena durch die vernünftige Wahrnehmung der
kaqorätai, “j te haVidioß ahutoü Schöpfungswerke deutlich erkennen, nämlich
dúnamiß kaì qeiótjß, e˙ß tò seine ewige Kraft und Gottheit,
e~inai ahu toùß hanapolog´jtouß≥ so dass (damit) sie ohne Entschuldigung sind.
405 LXX Jes 19,21; Hes 36,32; Apg 1,19; 2,14; 15,18; 28,22; Joh 18,15. So versteht
offenbar Vulgata quod notum est Dei. Vgl. R. BULTMANN, Art. gin´wskw ktl., ThWNT 1
(1933) 719: »Gott in seiner Erkennbarkeit« (analog tà haórata ahutoü in V. 20); BELL, No
One Seeks, 36–38; DUNN, I,56: »[W]hat is common knowledge about God.«
406 LXX Gen 2,9; Sir 21,7; Philo, All I,60f.
407 CRANFIELD, I,113.
408 Das Verb fanerów bedeutet »bekannt, offenbar, sichtbar machen« (P.-G. MÜLLER ,
fanerów ktl., EWNT 3,988–991). Das Wort wird bei Paulus fast synonym zu hapokalúptw
gebraucht (vgl. 1,17 mit 3,21). Einen anderen Akzent setzt jedoch M.N.A. BOCKMUEHL, Das
Verb fanerów im NT, BZ 32 (1988) 87–99.
409 Vgl. K. KERTELGE, ›Natürliche Theologie‹ und Rechtfertigung aus dem Glauben bei
Paulus, in: Ders., Grundthemen paulinischer Theologie (Freiburg i.Br., 1991) 148–160.
410 Die relevanten Quellen bezeugen ebenso die Verborgenheit Gottes (Ex 33,20; Dtn
4,12; Sir 43,31; Philo, Som I,65f.68f; Josephus, Bell 7,346; Ap 2,167) wie die Möglichkeit
einer reduzierten Erkenntnismöglichkeit anhand der Schöpfung (SapSal 12–15; SibOr 3,8–
35). Letztere Vorstellung verdankt sich sicherlich dem Einfluss allgemein philosophischer
Überzeugungen (vgl. Plato, Tim. 28a–30c; 32a–35a; Ps.-Aristoteles, De Mundo VI 397b–
398b; Cicero, Tusc. Disp. I 29,70).
411 Anders M.D. HOOKER, Adam in Romans I, NTS 6 (1959/60) 299, die den Begriff der
»natürlichen Theologie« für diese Stelle mit der Begründung ablehnt, dass Paulus hier »of a
definite divine revelation« rede und nicht »of a knowledge of God to which men have by their
reasoning attained«. M.E. sagt Paulus beides!
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 179
Mit gár wird ausgeführt, wie sich das »Offenbarmachen« vollzieht. Seit der
Schöpfung (hapò ktísewß kósmou)412 lassen sich einige unsichtbare We-
senszüge Gottes deutlich und dauerhaft (duratives Präsens) erkennen (kaqo-
ráw)413. Diese Aussage wird vierfach qualifiziert: Die Wesenszüge des
unsichtbaren Gottes werden epexegetisch erläutert als seine ewige Kraft
(dúnamiß) und Gottheit (qeiótjß)414. Die Erkenntnis des unsichtbaren Gottes
geschieht durch die geschaffenen Dinge (toïß poi´jmasin instrumentaler
Dativ). Das Partizip nooúmena modifiziert die Hauptaussage und verweist
auf die Bedeutung der vernünftigen Wahrnehmung. Schließlich mündet die
Aussage darin, dass die Menschen »ohne Entschuldigung« sind (hanapoló-
gjtoß)415. In welchem Verhältnis aber stehen Erkenntnis und Schuld zueinan-
der? Die Wendung e˙ß tò e~inai wird zwar nach grammatikalischer Regel am
häufigsten final (»damit«) gebraucht, die meisten Ausleger deuten hier jedoch
im konsekutiven Sinn (»so dass«)416.
Obwohl V. 20 aufgrund der allgemeinen Abstraktheit und Vagheit der
verwendeten Begriffe zu sehr unterschiedlichen Deutungen Anlass geben
könnte, erlaubt die ideengeschichtliche Nähe zu verwandten Vorstellungsfel-
dern eine gewisse Einschränkung: Der unsichtbare Gott gewährt durch seine
Schöpfungswerke der vernünftigen Wahrnehmung einen Einblick in seine
Macht und Gottheit417. Daraus folgt als Konsequenz, dass die Nichtjuden,
deren Ungerechtigkeit hier zunächst einfach vorausgesetzt wird, für schuldig
erklärt werden können418.
412 Die hapó-Wendung ist am ehesten zeitlich zu verstehen. Vgl. FITZMYER, 280 und
PsSal 8,7: »Ich bedachte die Gerichte Gottes seit der Schöpfung von Himmel und Erde (hapò
ktísewß ohuranoü kaì g¨jß), ich hielt Gott für gerecht in seinen Gerichten von Ewigkeit
(haph a˙¨wnoß) her.« (Holm-Nielsen, JSHRZ)
413 Das Wortspiel mit zwei entgegengesetzten Begriffen aus der Wortfamilie Horáw
(haórata und kaqorätai) ist kaum zufällig zustandegekommen und verdient die Bezeich-
nung »Oxymoron«.
414 Die Begrifflichkeit begegnet in SapSal 2,23 (haV idioß); 13,4 (dúnamiß) und 18,19
(qeiótjß).
415 Das seltene Adjektiv kann auch »ohne Verteidigung« bedeuten (vgl. LSJ 177). Der
anklagende Charakter des Abschnitts legt (ebenso wie in 2,1) den Sinn auf »ohne Entschuldi-
gung« fest. In diesem Sinne auch in Polybius XII 12,10: »So schwerwiegende Fehler lassen
keine Entschuldigung zu.« (übers. Hans Drexler, BAW, 1963, II, 806)
416 CRANFIELD, I,116; FITZMYER, 281; KÄSEMANN, 38; LOHSE, 89 u.a. Die finale Deu-
tung ist theologisch schwerer: Gott würde sich durch seine Schöpfung mit dem Ziel zu
erkennen geben, dass die Menschen schuldig werden.
417 Paulus knüpft hier deutlich an philosophische Traditionen (besonders stoischer Natur)
an: Ps.-Aristoteles, De Mundo VI 339b,14ff; Plutarch, Mor. 398A; 665A; weitere Texte in
NW II/1, 17–22. Jüdisch rezipiert in SapSal 2,23; 7,26; 13,5; Philo, VitMos II,65; SpecLeg
I,20; All III,97–99; Praem 41–46; Op 69–71 (Auszüge der letzten drei Texte in NW II/1, 14–
17); Josephus, Bell 7,346.
418 Eine in Motivik wie in Gedankenanordnung besonders nahe Parallele findet sich in der
Synagogenpredigt Ps.-Philo, Jon 4–5 §10–19 (übers. Siegert, 10f; auszugsweise auch in NW
180 III. Analyse paulinischer Texte
21 dióti gnónteß tòn qeòn Denn obwohl sie Gott erkannt haben,
ohuc Hwß qeòn hedóxasan ’j verherrlichen sie ihn nicht und
jhucarístjsan, hallh hematai´w- danken ihm nicht als Gott;
qjsan hen toïß dialogismoïß sie verfallen vielmehr dem Nichtigen
ahut¨wn kaì heskotísqj Hj in ihren Gedanken und ihr unverständiger
hasúnetoß ahu t¨wn kardía. Sinn verfinstert sich.
Der Wechsel vom Präsens in VV. 18–20 zum Aorist in 21–23 ist vom Verbalaspekt419 und
nicht von der Vorstellung eines bestimmten zeitlichen Abfolgeverhältnisses abhängig 420.
Porter sieht in Röm 1,18ff ein besonders anschauliches Beispiel für den »zeitlosen« Gebrauch
der Aorist-Form421. Fanning, der sich ausführlich mit dem Aorist Indikativ beschäftigt422,
sieht als wichtigste Aspektart die einfache »konstatierende« Funktion423. Eine sachgerechte
Übertragung ins Deutsche ist schwer, v.a. wenn der Eindruck eines konkreten Zeitbezuges
vermieden werden soll424. Die folgende Arbeitsübersetzung schwankt daher zwischen Perfekt
und Präsens.
II/1, 12f): Die Niniviten haben in der Natur alle Wohltaten Gottes erfahren (10f), aber – wie
sich Gott durch den Mund des Propheten wundern muss – sie verweigern ihm den Dank, den
sie ihm schuldig waren (12a; vgl. auch 32 §124). Ihre Undankbarkeit hat sie blind gemacht,
so dass sie nicht einmal mehr wissen, »wer ihr Wohltäter ist« (12b). Zur Strafe wird Gott
ihnen seine Wohltaten entziehen (13), denn mit »Augen, die zur Erkenntnis des Baumeisters
der Welt (gegeben sind), sehen sie nicht« (14; theologisch ausgeführt in 32–35 §125–135).
Ihre Abkehr von Gott äußert sich in Bosheit gegeneinander (15–17). Deswegen soll der
Prophet der Stadt »Untergang« und »qualvollen Tod« verkündigen (18f). Im Vergleich zu
Röm 1,19ff fehlt lediglich der Topos vom Götzendienst. Viele Berührungspunkte verbinden
Röm 1,18–32 auch mit SapSal 13,1–9. Vgl. weiterhin AssMos 1,12f.
419 Vgl. generell S.E. PORTER, Verbal Aspect in the Greek of the New Testament (Studies
in Biblical Greek 1; New York, 1989); B.M. FANNING, Verbal Aspect in New Testament
Greek (Oxford Theological Monographs; Oxford, 1990). Mit »Verbalaspekt« wird der
besondere Blickpunkt (»point of view«) bezeichnet, unter dem ein Sprachbenutzer oder eine
Sprachbenutzerin die Verbalhandlung betrachtet.
420 Die These, dass 21–23 gegenüber 18–20 als vorzeitig zu denken sei, ist im gegenwär-
tigen Kontext widersinnig. Kaum auszudenken, welche weitreichenden geschichtstheologi-
schen Konzeptionen Paulus dadurch zugemutet werden könnten!
421 PORTER, Verbal Aspect, 236. Ähnlich spricht LOHSE, 88 von einem »gnomisch ver-
standenem Aorist«.
422 FANNING, Verbal Aspect, 86–98.255–282. Zusammenfassend zum Aorist: »According
to this approach, the aorist is a viewpoint aspect […] in that it reflects the speaker’s or
writer’s focus or perspective on the occurrence itself.« (97)
423 FANNING, Verbal Aspect, 255–261 (S. 259 zu Röm 1,21). Der Aorist bezieht sich nicht
auf einmalige, sondern häufig auf mehrmalige Handlungen (»multiple occurrences«), worauf
v.a. adverbiale Erweiterungen und andere kontextuelle Elemente hinweisen (S. 258).
424 Die Schwierigkeit, im Rahmen einer rein zeitlichen Auffassung der Aoristformen dem
Text gerecht zu werden, spiegelt eine Aussage in A.J.M. WEDDERBURN, Adam in Paul’s
Letter to the Romans, in: E.A. Livingstone (ed.), Studia Biblica 1978 (JSNT.S 3; Sheffield,
1980) III, 419 wider: »This story is not timeless – compare the aorists of vv. 21ff –, but it is
not to be pinned down to any particular point in the OT story.«
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 181
einem gewissen Grad zur Erkenntnis Gottes vordringen (anders 1Kor 1,21)425,
haben sie daraus nicht die korrekten »Konsequenzen« Gott gegenüber
gezogen. Der für Paulus einzig angemessene Zusammenhang wäre einer, der
von der Erkenntnis zur Anerkennung Gottes in Verherrlichung und Dank
führt. Es ist unvorstellbar, dass man Gott erkennt, aber ihm die Dankbarkeit,
die ihm als Gott gebührt426, versagt427.
Es kommt statt dessen zu einem anderen, verhängnisvollen Verlauf der
Geschichte, der besonders im Bereich der Gedanken (hen toïß dialogismoïß)
und des Sinns (kardía) seinen Anfang nimmt428: Die Menschen »verfallen
dem Nichtigen« (Pass. von mataiów) in ihren Gedanken (21b)429 und ihr
unverständiger Sinn wird verfinstert (21c). M.E. sind die passiven Verben
nicht theologisch zu deuten, so als ob die Vernebelung der Gedanken bereits
eine Wirkung des göttlichen Zorns wäre430. Ein solcher Vorgriff auf den
Gedankengang von V. 24 würde dem dort ausgedrückten Begründungszu-
sammenhang die rhetorische Spitze nehmen431.
Logisch muss gefragt werden, ob die beiden Reaktionsmöglichkeiten, Gottesanbetung oder
Götzenverehrung, konträr zueinander stehen oder kontradiktorisch, sprich: ob nur die eine
oder die andere gewählt werden kann (kontradiktorisch) oder ob es noch andere Alternativen
zu beiden gibt (konträr). Letzteres würde die Frage implizieren, ob es möglich ist, Gotteser-
kenntnis nicht in Verherrlichung münden zu lassen und dabei aber zugleich nicht den
Eitelkeiten paganer Götzenverehrung zu verfallen432. Diese Möglichkeit scheint 2,26f
tatsächlich ins Auge zu fassen.
425 Es geht hierbei nicht um eine bloße Möglichkeit der Gotteserkenntnis, sondern um ein
tatsächliches Erkennen (P.J. GRÄBE, The Power of God in Paul’s Letters [WUNT 2:123;
Tübingen, 2000] 188).
426 Die Wendung Hwß qeón impliziert einen Sachzusammenhang zwischen Erkenntnis
Gottes und einen ihm gebührenden Verhalten.
427 Vgl. 4Esr 8,60 sagt von denen, die zugrunde gehen: sie »befleckten […] den Namen
dessen, der sie gemacht hat. Sie waren undankbar gegen ihn, der ihnen doch das Leben
bereitet hat.« (JSHRZ, Schreiner)
428 Eph 4,17–19 zählt die Schuld der Nichtjuden in ähnlicher Reihenfolge auf: »Nichtig-
keit des Sinns«, »verfinsterter Verstand« und »Ausschweifung«.
429 Das Verb mataiów im Passiv ist eng verbunden mit der Vorstellung des Götzendiens-
tes und verweist damit bereits auf V. 23. Vgl. zum Begriff 4Bas 17,15 (das abgefallene Volk
handelt wie die »Heiden«, indem es nichtigen Götzen folgt und Nichtiges treibt [heporeúqj-
san hopísw t¨wn mataíwn kaì hematai´wqjsan]) und Jer 2,5. Götzen, falsche Götter und
Geister werden in der LXX als mataíoi bezeichnet (Lev 17,7; 3Bas 16,2.13.26; 2Chron
11,15).
430 So deutet FITZMYER, 283: »Paul regards this futility of thinking and misguided con-
duct as manifestations of the wrath of God, not provocations of it.«
431 Ähnlich POPKES, Aufbau, 496 zu 1,24: »Wiesen vorher die Passiva auf inhärente, im
Tat-Ergehen-Zusammenhang angelegte Konsequenzen, so ist jetzt direkt von Gottes
Verhalten die Rede.«
432 Immerhin müsste ja Paulus bekannt gewesen sein, dass nicht alle Nichtjuden im
jüdischen Sinne »Götzenverehrer« waren!
182 III. Analyse paulinischer Texte
433 Auchdas ist ein weit verbreiteter polemischer Topos (vgl. Texte in NW II/1, 22–26).
434 DieseZuspitzung auf den Götzendienst spricht m.E. gegen die These, die atl. Adam-
Geschichte bilde die Folie für Röm 1,18–32 (so HOOKER, Adam«; WEDDERBURN, Adam,
413–419; DUNN, I, 53.60f). Vgl. auch die Kritik in FITZMYER, 274f.
435 Das Verb hallássw bedeutet »verändern, vertauschen« (Apg 6,14 von der Verände-
rung der Gebräuche; 1Kor 15,51f von der Verwandlung des Körpers in der Auferstehung; Gal
4,20 vom Wechsel der Stimme; Hebr 1,12 vom Kleiderwechsel) und wird wie ein Cantus
firmus mit metallássw in Röm 1,25 und 1,26 wieder aufgenommen.
436 Die Formulierung ist vielleicht von Ps 106,20 (Y 105,20) her inspiriert. Hier heißt es
von der Anbetung des Goldenen Kalbs: »und sie verwandelten ihre Herrlichkeit (hjlláxanto
t`jn dóxan ahut¨wn) in die Gestalt (hen Homoi´wmati) eines Gras fressenden Ochsen.« In Jer
2,11 wird dem Volk vorgeworfen, dass ihr Götzendienst gegenüber dem der »Heiden« ein
schwereres Vergehen bedeutet, weil diese »ihre Götter wechseln (halláxonati ‘eqnj qeoùß
ahut¨wn), die doch keine sind«, aber das Volk Gottes »hat seine Herrlichkeit eingetauscht
(hjlláxato t`j n dóxan ahu toü) gegen das, was nichts nützt«. N. HYLDAHL, A Reminiscence
of the Old Testament at Romans i.23, NTS 2 (1955/56) 285–288 reichert die intertextuellen
Bezüge noch durch Dtn 4,15–18 und Gen 1,26f an, so dass sich am Ende Röm 1,23 als
patchwork von vier Stellen lesen lässt. Vgl. auch 1QH 5,36.
437 SapSal 11,15f; 12,23–26; 13,10; s.a. Philo, Decal 76–79; LegGai 162f (beide in NW
II/1, 29f).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 183
25 o“itineß met´jllaxan t`j n hal´j qeian sie, die doch (insofern, weil sie) die
toü qeoü hen t¨^w yeúdei, Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen
kaì hesebásqjsan kaì helátreusan und das Geschöpf verehren und ihm dienen
t¨∆ ktísei parà tòn ktísanta, anstelle des Schöpfers,
“oß hestin ehulogjtòß e˙ß toùß der gelobt sei in Ewigkeit.
a˙¨wnaß≥ ham´jn. Amen!
Nach 19b erscheint Gott wieder als Subjekt des Geschehens. Umstritten ist, in
welchem Bezug dies zur Offenbarung seines Zorns (1,18) steht und wie seine
Rolle zu deuten ist. Sprachlich ist dió als Angabe der direkten Folge der
»Vertauschung« von Unvergänglichem mit Vergänglichem zu verstehen.
Das Verb paradídwmi bedeutet im einfachsten Sinne »jdn. oder etwas übergeben, aushändi-
gen«, wobei meist die Übergabe an eine höhere Instanz impliziert ist438. Das Verb kann auch
die Bedeutung haben von »anvertrauen« im Sinne einer göttlichen Offenbarung/Beauftragung
(vgl. Mt 11,27par; 25,14.20.22; Lk 4,6; Joh 19,11 passivum divinum) und damit auch für die
mündlichen Rechtsüberlieferungen (Mk 7,13; Apg 6,14) und die christliche Überlieferung
(Lk 1,2; Apg 16,4; 1Kor 11,23; 15,3; Jud 3) gebraucht werden. Im religiösen Sinne wird es
auch für die Hingabe an Gott (Apg 14,26; 15,26.40; 1Kor 3,3; 1Petr 2,23) benutzt439.
Theologisch für unseren Text interessant sind Aussagen, die »Gott« als Subjekt von
paradídwmi aufführen: Das AT belegt sehr häufig die Vorstellung, dass Gott entweder die
Heiden dem Volk Israel in die Hände gibt, damit diese den Sieg davontragen 440, oder
umgekehrt, dass er als Strafe Israel »hingibt« 441. An drei Stellen steht diese Gotteshingabe in
direktem Zusammenhang mit Gottes Zorn442. Diese strafende Übergabe Gottes ist häufig die
Folge vorläufiger Verfehlungen, v.a. Folge von Götzendienst443.
qeòß dià ceiròß basiléwß Suríaß). Der gleiche Zusammenhang findet sich in Apg 7,40–
42: Die Anbetung des Goldenen Kalbs führt dazu, dass sich Gott von seinem Volk »abwandte
und sie dahingab, dass sie dem Heer des Himmels dienten« (‘estreyen dè Ho qeòß kaì
parédwken ahutoùß latreúein t¨∆ strati^ä toü ohuranoü).
444 Die meisten Exegeten und Exegetinnen sehen einen sachlichen Bezug zwischen
1,24.26.28 und 1,18. Das schließt jedoch keineswegs aus, dass 1,18 auch eine zukünftige
Realisierung einschließt (DUNN, I,54f). U. LUZ, Neutestamentliche Lichtblicke auf die
dunklen Seiten Gottes: Überlegungen zu den Gerichtsaussagen der Paulustradition, in: M.L.
Frettlöh / H.P. Lichtenberger (Hrsg.), Gott wahr nehmen (FS Chr. Link; Neukirchen-Vluyn,
2003) 270, Anm. 38 »Dass die künftige horg´j Gottes sich schon in der Gegenwart auswirken
kann […], zeigt nicht nur Röm 1,21–31, sondern auch Röm 7,14–23.« FITZMYER, 284:
»Although God’s wrath will manifest itself definitively at the eschatological judgment, it is
already revealing itself in human history.« Gegen eine Verbindung von paradídwmi und
1,18 sprechen sich KONRADT, Gericht, 499 und ZELLER, 58 aus (mit dem Hinweis, dass der
Aorist parédwken in die Vergangenheit weise; doch vgl. zum Verbalaspekt oben S. 180).
445 Die Wendung hepiqumía kardíaß ist selten. Vgl. Sir 5,2: »Du sollst nicht deiner Seele
und deiner Kraft folgen, um zu wandeln in den Begierden deines Sinns (hen hepiqumíaiß
kardíaß).« Sie entspricht jedoch einer allgemeinen hellenistischen Vorstellung, dass der
Verstand ihm eigene Bedürfnisse und Wünsche hat. Vgl. M. Frede, Introduction, in: M. Frede
/ G. Striker (eds.), Rationality in Greek Thought (Oxford, 1996) 5–9.
446 Eph 4,19 klingt geradezu wie eine Abwandlung der theologisch problematischen
Aussage in Röm 1,24: Nachdem die Nichtjuden in Verblendung und Götzendienst leben,
geben sie sich selbst (Heautoùß parédwkan) der Ausschweifung hin. Hier wird Gott
(bewusst?) aus dem Spiel gelassen.
447 Ein analoges Problem stellt »die« rabbinische Soteriologie in ihrer Spannung von
Erwählung und Vergeltung dar, wofür F. AVEMARIE den treffenden Begriff der »qualifizier-
ten Optionalität« benutzt (Erwählung und Vergeltung: Zur optionalen Struktur rabbinischer
Soteriologie, NTS 45 [1999] 108–126). Darunter ist zu verstehen, »daß gegenüber einem
gegebenen Sachverhalt mehrere verschiedene Positionen eingenommen werden können oder
bei einem gegebenen Problem unter mehreren verschiedenen Lösungsmöglichkeiten gewählt
werden kann, wobei die Menge der Möglichkeiten nicht unbegrenzt ist. Das ist die Denk-
struktur, die sowohl Aspektive als auch Kontroverse ermöglicht. Daß sich aus derart
organisierten Denkgebäuden kein widerspruchsfreies theologisches System erheben läßt, liegt
auf der Hand.« (114f) Die Ähnlichkeiten zu Sachproblemen paulinischer Exegese scheinen
mir evident zu sein.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 185
leitend sein448. Dass nämlich Unrecht seine eigene Strafe mit sich bringt, bzw.
dass es eine Entsprechung zwischen der Art des Unrechts und der Art der
Strafe gibt, ist in vielen jüdischen Texten bezeugt449. Ziel des Irrwegs der
Menschen ist die »Unreinheit« (hakaqarsía) mit der Konsequenz450, dass
ihre Körper durch sich selbst verunreingt werden (hatimázesqai). Der
Götzendienst wird als Quelle von allgemeiner Sittenlosigkeit angesehen.
V. 25 nimmt Bezug auf V. 18 und stellt heraus, wer aus welchen Gründen
unter Anklage steht451. Die sachliche Abfolge ist parallel: Gottes Zorn kommt
über jene Menschen, die die wahre Einsicht durch Unrecht an ihrer Wirkung
hindern (1,18). Entsprechend übergibt Gott jene Menschen in ihre Begierden,
die die »Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen« (1,24f). Gemeint sind
solche Menschen452, die die Einsicht, die ihnen durch die Erkenntnis in der
Natur erschlossen worden ist, zur Lüge verkehren (metallássw; vgl. zu
1,23)453. Diese »Lüge« drückt sich in der Anbetung der Geschöpfe statt des
Schöpfers aus. Die kurze eingefügte Doxologie (»der gelobt sei in Ewigkeit.
Amen!«) inszeniert in gewisser Weise den Kontrast zwischen der nichtjüdi-
schen Verweigerung und dem Gott gebührenden Lob.
448 Aufgrund des theologischen Sachproblems einer allzu engen Kausalität zwischen Gott
und den »heidnischen« Lastern plädieren manche dafür, paradídwmi abzuschwächen;
CRANFIELD, I,121 (»God’s permitting«); KONRADT, Gericht, 499 (Gott wandte sich von
ihnen ab und überließ sie ihrem Tun). M.E. ist diese Wortbedeutung angesichts des sonstigen
Wortgebrauchs (auch und gerade in nicht-theologischen Zusammenhängen) unwahrschein-
lich. Treffender scheint mir die Formulierung von POPKES, Aufbau, 496: »Gott überstellt den
Menschen einer anderen Macht; damit ist der Mensch schutzlos-ausgeliefert – und er muß es
selber verantworten.« Dieser Aspekt passt zur Wendung Hufh Hamartían in 3,9.
449 Vgl. KLOSTERMANN, Vergeltung«; SCHMELLER, Diatribe, 240–242. Hes 23,28–30;
TestGad 5,10; Jub 4,32. Ein anschauliches Beispiel für diese »Gesetzmäßigkeit« findet sich
in SapSal 11,15–16: »Entsprechend ihren Gedanken ohne Verstand und voll Ungerechtigkeit,
die sie verwirrten und vernunftlose Schlangen und armselige Biester anbeten ließen,
schicktest du ihnen massenweise vernunftlose Tiere zur Strafe, damit sie erkennten, daß man
mit den (Mitteln) gestraft wird, mit denen man sündigt (dih ˆwn tiß Hamartánei dià toútwn
kolázetai).« (Georgi, JSHRZ)
450 Das Prädikat des AcI mit toü wird konsekutiv gebraucht (BDR §400.2).
451 Neben der wörtlichen Wiederholung von hal´jqeia in 1,18 und 1,25, nimmt
parédwken ahutoùß Ho qeóß (V. 24) horg`j qeoü (V. 18) auf.
452 Der Anschluss mit o“ itineß ist qualitativ aber auch kausal gemeint (»sie die doch;
insofern weil sie…«).
453 Götzendienst ist die »große Lüge« (vgl. Jes 44,19f). Juden charakterisieren sich im
Gegensatz dazu als solche, die sich »mit keinem anderen Volk irgendwie vermischen,
(sondern) rein an Leib und Seele bleiben und – befreit von den törichten Lehren – den
einzigen und gewaltigen Gott überall in der ganzen Schöpfung verehren.« (EpArist 139 =
Meisner, JSHRZ)
186 III. Analyse paulinischer Texte
26 dià toüto parédwken ahutoùß Ho Darum hat Gott sie unehrenhaften Leidenschaf-
qeòß e˙ß páqj hatimíaß≥ ten übergeben:
a“i te gàr q´jleiai ahu t¨wn denn ihre Frauen vertauschen den
met´jllaxan t`j n fusik`j n natürlichen Gebrauch
cr¨jsin e˙ß t`j n parà fúsin, mit dem (Gebrauch, der) gegen die Natur (ist).
27 Homoíwß te kaì oÓ ‘arseneß Ebenso auch die Männer:
hafénteß t`jn fusik`jn cr¨jsin sie geben den natürlichen Gebrauch
t¨jß qjleíaß hexekaúqjsan hen mit den Frauen auf und entbrennen
t¨∆ horéxei ahu t¨wn e˙ß hall´jlouß, in ihrem Verlangen zueinander,
‘arseneß hen ‘arsesin t`j n Männer mit Männer treiben
hascjmosúnjn katergazómenoi Schamlosigkeit und empfangen
kaì t`j n hantimisqían “jn ‘edei an sich selbst den Lohn (zurück),
t¨jß plánjß ahut¨wn hen Heautoïß den sie für ihre Verirrung
hapolambánonteß. (empfangen) mussten.
Der Abschnitt 26f knüpft begründend (dià toüto) an die Aussage in V. 24 an
und konkretisiert anhand eines schillernden Beispiels, was unter den »Begier-
den des Sinns« und der »Unreinheit ihrer Körper« zu verstehen ist454. Ziel der
strafenden »Hingabe« Gottes ist hier die »unehrenhafte Leidenschaft«455. Aus
der »Vertauschung« der schöpfungsgemässen Erkenntnis Gottes durch
Götzendienst folgt nun die »Vertauschung« des natürlichen sexuellen
»Gebrauchs«456. Die Frauen vertauschen (wieder metallássw) den natürli-
chen »Gebrauch«457 mit dem »wider die Natur« (parà fúsin)458. Dass
454 Sowohl die argumentative Funktion als auch das rhetorische Umfeld, das bewusst in
tiefen schwarzen Farben malt, sollten angesichts der Bedeutung, die diese beiden Verse im
Rahmen der aktuellen biblisch-ethischen Diskussion um »Homosexualität« erlangt haben, im
Auge behalten werden. M.E. wird durch den Gebrauch des Abstraktbegriffs »Homosexuali-
tät« (ein relativ modernes Wort, das erstmals 1869 in anonym herausgegebenen Schriften des
österreichisch-ungarischen Schriftstellers Karl Maria Kertbeny auftaucht) ein wirkliches
Erfassen antiker homo-erotischer Praktiken verbaut. Im Folgenden muss jedoch auf die Frage
nach ethischen Bezügen verzichtet werden.
455 Paulus knüpft hier an die Kategorien von Ehre und Schande an. Der Begriff páqoß
schließt an hepiqumía in 1,24 an und bildet zusammen mit hekkaíw, ‘orexiß und plánj (alle
1,27) ein Begriffsfeld, das in der Antike eng mit der Psychologie des ‘erwß verbunden war.
Vgl. dazu D.E. FREDRICKSON, Natural and Unnatural Use in Romans 1:24–27: Paul and the
Philosophic Critique of Eros, in: D.L. Balch (ed.), Homosexuality, Science and the »Plain
Sense« of Scripture (Grand Rapids, MI, 2000) 208–215.
456 Vgl. Philo, Abr 135; SpecLeg. II,50; III,37–39.42 (auszugsweise in NW II/1, 32f);
TestJos 3,8.
457 Der Begriff der cr¨jsiß hat wenig Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Dabei handelt es
sich nicht um einen simplen Euphemismus für »sexuellen Verkehr«, sondern um einen
Hinweis auf ein bestimmtes Verständnis von Sexualität als Befriedigung eines natürlichen
Bedürfnisses, das antike Sexualvorstellungen deutlich von heutigen unterscheidet. Erhellend
dazu M. FOUCAULT, Der Gebrauch der Lüste (Sexualität und Wahrheit 2; Frankfurt a.M.,
1986) 71–83 (»Chrêsis«). FREDRICKSON, Use, 199–207 knüpft daran an.
458 Dass hier pará im konträren Sinne zu verstehen ist, geht aus dem Zusammenhang
klar hervor.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 187
459 Das ist die Mehrheitsmeinung in der Fachexegese. Anders HAACKER, 53f (Bestialität);
und im Anschluss an Bill. 3,68f P.J. TOMSON, Paul and the Jewish Law (CRI III,1; Assen;
Minneapolis, 1990) 94, Anm. 157 (widernatürliche Sexualpraktiken zwischen Frauen und
Männern). Zur allgemeinen Beurteilung von Homoerotik in der Antike vgl. die Texte in NW
II/1, 32–50. Zur Bewertung weiblicher Homoerotik vgl. Lukian, Dialog. meret. 5,2 (= NW
II/1, 39); Amores 28; Plutarch, Lycurgus 18; PsPhok 192; ApokPet 32 (griech. Text = NTApo
II,573).
460 Vgl. M. FORSCHNER, Über das Handeln im Einklang mit der Natur (Darmstadt, 1998)
5–68.
461 Das seltene Substantiv gehört zum semantischen Feld der hepiqumía. Vgl. Sir 18,30:
»Folge deinen Leidenschaften (t¨wn hepiqumi¨wn sou) nicht und wehre dein Verlangen (t¨w n
horéxe´wn sou) ab.« SapSal 16,2 (in Bezug auf die Speise).
462 Die negative Bewertung aller Formen homoerotischer Akte dürfte sich auf jüdischem
Boden in der Antike breiter Zustimmung erfreut haben. Maßgebend sind hier entsprechende
Traditionen aus dem AT (Gen 19,1–28; Lev 18,22; 20,13; Dtn 23,17 usw.), die dann wieder
aufgenommen werden: Vgl. EpArist 152: »Denn die meisten übrigen Menschen beflecken
sich durch Geschlechtsverkehr, wobei sie großes Unrecht begehen, und ganze Länder und
Städte rühmen sich dessen (noch). Sie verkehren nämlich nicht nur mit Männern, sondern
beflecken auch Mütter und Töchter. Wir aber halten uns davon fern.« (Meisner, JSHRZ)
Weiterhin: SibOr 3,594–600.
463 Plánj ist wohl auf den »ursprünglichen« Irrtum bezogen, das die Herrlichkeit Gottes
durch Götzendienst ersetzte.
188 III. Analyse paulinischer Texte
Der Anschluss mit kaq´wß ist kausal und leitet damit die dritte »Übergabe«
(parédwken; vgl. 24.26) ein. Die Anklage der vorherigen Verse wird hier
nochmals zusammengefasst: Die Menschen haben es nicht für gut befunden,
Gott anzuerkennen. Deshalb hat er sie ihrem unbrauchbaren Verstand
übergeben464. Jetzt wird deutlich, dass Götzendienst und homoerotische
Sexualakte nur zwei Beispiele waren für all das Schlechte, was aus der
verkehrten Sicht der Nichtjuden erwächst465. Vielmehr führt sie ihre Vernunft
dazu, das zu tun, was sich nicht gehört (tà m`j kaq´jkonta)466. Der lange
Lasterkatalog in VV. 29–31 soll die gesamte Schlechtigkeit der Nichtjuden
vor Augen führen und braucht im Einzelnen hier nicht erläutert zu werden467.
32 o“itineß tò dikaíwma toü qeoü (Sie sind) solche die, obwohl sie die Rechtssat-
hepignónteß, zung Gottes kennen
“oti oÓ tà toiaüta prássonteß – dass nämlich die, die derlei Dinge tun,
‘axioi qanátou e˙sín, des Todes schuldig sind –,
ohu mónon ahutà poioüsin nicht nur diese Dinge tun,
hallà kaì suneudokoüsin sondern auch noch denen Beifall spenden,
toïß prássousin. die es tun.
Die wissentliche »Vertauschung« der Gotteserkenntnis bringt es mit sich, dass
sich die Nichtjuden der ethischen Verwerflichkeit all dieser Taten bewusst
sind. Sie wissen sogar, dass sie mit solchen Taten eine Todesschuld auf sich
laden468. Die Anklage kommt noch zu einem klimaktischen Abschluss: Sie
464 Vgl.das Wortspiel mit »nicht für gut befinden« (ohuk dokimázw) und »unbrauchbar«
(hadókimoß).
465 Philo, Decal 91: »Die Quelle aller ungerechten Taten ist Gottlosigkeit.«
466 Der Ausdruck, der in der LXX nur in 2Makk 6,3f belegt ist, hat deutlich stoischen
Charakter. Vgl. zur stoischen Lehre des kaq¨jkon M. POHLENZ, Die Stoa (Göttingen, 71992)
I, 129–131 und M. FORSCHNER, Die stoische Ethik (Darmstadt, 21995) 183–196. Allgemein
zur argumentativen Funktion von abstrakten Werten SIEGERT, Argumentation, 203–206.
467 SCHMELLER, Diatribe, 245: »Die lange Reihe unverbunden nebeneinandergestellter
Laster will offenkundig nur insgesamt, nicht im Detail wirken.«
468 Mit »Tod« ist wohl kaum die säkulare Rechtspraxis gemeint, sondern der Tod als
Ausgang des göttlichen Gerichts (1,18; vgl. 6,23: »Der Tod ist der Sünde Lohn…«), das
»ewige Verderben« (KONRADT, Gericht, 500).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 189
tun nicht nur solches, sondern ermutigen alle, die solches tun. Die Nichtjuden
sind also auf allen Ebenen schuldig469: Sie haben eine theologisch-ethische
Erkenntnismöglichkeit, doch sie verkehren dies in Götzendienst und allen
möglichen bösen Handlungen und ermuntern dazu andere, so zu handeln.
b) Röm 2,1–16470
Auf der rhetorischen Klimax antipaganer Polemik nimmt die Argumentation
eine Wende. Die direkte Anrede (~w ‘anqrwpe) und der Übergang zur zweite
Singularform markieren einen erkennbaren Einschnitt471. Paulus greift hier
deutlich auf den in der Antike bekannten Diatribe-Stil zurück472. Rezeptions-
ästhetisch lässt sich 1,18–32 als »reader entrapment« bezeichnen: Der in 2,1ff
angesprochene (fiktive) Dialogpartner gerät durch sein Mitnicken mit der
überspitzten Abrechnung im vorherigen Abschnitt in die Schlinge der
Selbstanklage. Das Urteilen über andere, das in 2,1 vorausgesetzt wird, ist
rhetorisch geschickt in 1,18–32 willentlich in Gang gesetzt worden. Auch in
Kap. 2 wird die Identifizierung der angesprochenen Menschengruppe zu-
nächst in der Schwebe gehalten. Erst in 2,17 wird explizit gemacht (vorberei-
tet durch den Hinweis auf das Gesetz in 2,12), dass hier jüdisches Privilegie-
rungsbewusstsein der Kritik ausgesetzt wird473.
Wieder lässt der Anschluss (in diesem Fall mit dió) die Frage nach dem
Bezug zum Vorherigen offen. Eine wirklich schlussfolgernde Funktion
(»deshalb«) ist nicht leicht anhand des Textes einsichtig zu machen474. In
jedem Fall wird man konzedieren müssen, dass sich die Begründung sachlich
zum Teil auch aus dem anschließenden verstärkenden gár herleitet und nicht
alleine aus 1,18–32 geschlossen werden kann (dazu s.u. S. 219f).
Der anvisierte Diskussionspartner wird näher qualifiziert als Kollektiv all
jener, die andere (insbesondere Nichtjuden) verurteilen (krínw)475 und dabei
das Gleiche tun. Nachdem in 1,18–32 deutlich geworden ist, dass bestimmte
Taten Gottes Zorn provozieren, liegt die Schuld in 2,1 nicht so sehr darin,
dass ein Mensch über andere urteilt, sondern ebenso handelt. Das Adjektiv
hanapológjtoß knüpft an 1,20 an und stellt die Richtenden unter das gleiche
Verdikt. Dabei impliziert das Richten, dass für den hier Angesprochenen die
»Rechtssatzung Gottes« (1,32 tò dikaíwma toü qeoü) bekannt ist. Damit
stellen 1,32b und 2,1 zwei Meta-Aussagen über die »Laster« der Menschen
einander gegenüber476: Die einen zollen ihnen Beifall, die anderen verurteilen
ihr Tun. Aber beide stimmen in ihrem Fehlverhalten überein.
2 o‘idamen dè “oti tò kríma toü Wir wissen aber, dass das Urteil Gottes
qeoü hestin katà hal´jqeian hepì gemäß der Wahrheit ist
toùß tà toiaüta prássontaß. gegen die, die derartiges tun.
474 Paulus
verwendet dió in der Regel folgernd (4,22; 13,5; 15,7.22; am Anfang eines
Gedankengangs in 15,7; 2Kor 4,16; Phlm 8). Eine solche Deutung führt hier aber zu recht
komplizierten Konstruktionen (vgl. etwa WILCKENS, I,123f; FITZMYER, 298f). Keine
inferentielle Bedeutung sehen hingegen LIETZMANN, 39; LOHSE, 98; MICHEL, 73; SCHLIER,
68. R. BULTMANNS Hypothese einer Ausscheidung von 2,1 als Glosse (Glossen im Römer-
brief [1947], in: Ders., Exegetica, hrsg. E. Dinkler [Tübingen, 1967] 281) wird zwar heute
(trotz KÄSEMANN, 50) zu Recht nicht mehr vertreten (vgl. etwa WILCKENS, I,123;
SCHMELLER, Diatribe, 234), sie ist aber deswegen interessant, weil sie sich als Ausweg aus
der Verlegenheit versteht, das dió zu erklären.
475 Der Wechsel von krínw zu katakrínw macht deutlich, dass es um eine starke
Abqualifizierung geht.
476 P. BOSMAN, Conscience in Philo and Paul (WUNT 2:166; Tübingen, 2003) 242,
Anm. 206.
477 Die theologische Dimension schwingt implizit in ha napológjtoß mit.
478 Vgl. ähnliches Hinweise auf »gemeinsames« Wissen in 3,19; 7,14; 8,22.28.
479 Kríma im Sinne von »Urteil« auch in 3,8; 13,2; Gal 5,10.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 191
480 Möglich wäre auch katà hal´j qeian adverbial (»zu Recht, wahrhaft«) zu übersetzen,
aber nachdem bereits in 1,18.25 an exponierter Stelle von der »Wahrheit« im Zusammenhang
mit der Erkenntnis Gottes die Rede war und diese als Maßstab für das Gericht gilt, empfiehlt
es sich auch hier, dem Wort sein volles Gewicht zu geben (vgl. weiterhin 2,8.20 und 3,7).
»Gericht« und »Wahrheit« stehen auch in 4Esr 7,34; syrBarApk 85,9; TestHiob 43,13; 1QS
4,20; CD 20,29f nebeneinander.
481 Wörtlich wiederholt werden hal´j qeia und h epí. Darüber hinaus entspricht tò kríma
toü qeoü in 2,2 sachlich der Wendung horg`j qeoü in 1,18.
482 Vgl. zur Rekonstruktion des Hintergrunds SCHMELLER, Diatribe, 247f.
483 Vgl. z.B. PsSal 15,8: Die Gerechten werden die »Sünder verfolgen und einholen, und
die, die Gesetzlosigkeit üben, werden nicht dem Gericht des Herrn entfliehen (ohuk
hekfeúxontai oÓ poioünteß hanomían tò kríma kuríou)« (Holm-Nielsen, JSHRZ).
484 Aufschlussreich ist SapSal 15,1–3: »Du aber, unser Gott, bist gütig und wahrhaftig,
langmütig (crjstòß kaì haljq´jß makróqumoß) und du verwaltest das Universum mit
Erbarmen (heléei); 2 denn auch wenn wir sündigen (heàn Hamártwmen), gehören wir dir, weil
192 III. Analyse paulinischer Texte
Durch den Anschluss mit »oder« (‘j) stellt sich die zweite rhetorische
Frage (V. 4) dar, als sollte hier die Aussage von V. 3 mit einer anderen
Formulierung untermauert werden. Der inhaltliche Bezug zwischen beiden
Aussagen ist aber nicht sogleich evident. Ein Nexus ist wahrscheinlich in der
Vorstellung zu suchen, dass Gottes Aufschiebung seines Gerichts (eben seine
Langmut und Güte) Raum zur Umkehr gewähren soll485, also keineswegs so
zu verstehen ist, als ob er das Unrecht seines Volkes nicht mehr strafen
würde486. Wer also durch den Rückzug auf bestimmte Privilegien meint, dem
Urteil Gottes entfliehen zu können und dabei verkennt, dass Gottes »Strafauf-
schub« der Umkehr dienen soll, verachtet de facto Gottes Güte.
5 katà dè t`j n skljrótjtá sou Nach Maßgabe deiner Sturheit
kaì hametanójton kardían und (deines) unbussfertigen Sinns
qjsaurízeiß seaut¨^w horg`jn hen häufst du gegen dich selbst Zorn auf
Hjmérâ horg¨jß kaì hapokalúyewß am Tag des Zorns und der Offenbarung des
dikaiokrisíaß toü qeoü, gerechten Gerichts Gottes.
6 “oß hapod´wsei Hekást^w katà tà der jedem entsprechend
‘erga ahutoü, seinen Taten gibt:
Ähnlich wie in 1,18–32 führt auch hier die Ätiologie menschlicher Schuldver-
strickung in den Bereich des Denkens (3: logízw; 4: hagno´ew). Diese Fehl-
einschätzung ist Produkt eines sturen und »unbussfertigen«487 Sinns (kar-
día)488. Entsprechend (katá) häuft er gegen sich (seaut¨^w dat. incommodi)
wir wissen, daß du die Macht besitzt. Wir werden aber nicht sündigen, weil wir wissen, daß
wir dir zugerechnet sind. 3 Denn dich kennen (bedeutet) vollkommene Gerechtigkeit, und um
deine Macht wissen, (bedeutet) die Wurzel der Unsterblichkeit.« (Georgi, JSHRZ) Vgl.
weiterhin PsSal 13,7; 15,4–6.13. Gegen diese Sicht scheinen auch andere NT-Texte zu
polemisieren. Vgl. Mt 3,9 (»Denkt bloß nicht, dass ihr unter euch sagen könntet: ›Als Vater
haben wir Abraham.‹«); 23,33; Lk 3,7par; Joh 8,33.
485 Paulus gebraucht metánoia sehr selten (2Kor 7,9f; als Verb in 2Kor 12,21). Vgl. zu
Gottes Langmut als Chance zur Umkehr SapSal 12,10 (s.a. 11,23; 12,2.20f); PsSal 13,8–10;
syrApkBar 21,20; 59,6. Allgemein zur jüdischen Umkehrpredigt: Dtn 9,27; syrBarApk 85,12;
4Esr 8,33; äthHen 50,4.
486 Eine ähnliche Absicht bewegt Sir 5,4–7: »Nicht sollst du sprechen: ›Ich habe gesün-
digt und was geschah mir?‹ Denn Gott ist langmütig (kurióß hestin makróqumoß). Nicht
sollst du sprechen: ›Gnädig ist der Herr und all meine Sündenschuld wird er wegwischen.‹ 5
Auf Vergebung hoffe nicht, wenn du häufst Schuld auf Schuld, 6 und indem du sprichst:
›Sein Erbarmen ist groß, entsprechend der Menge meiner Schuld wird er vergeben!‹ Denn
Erbarmen, aber auch Zorn sind bei ihm (‘eleoß gàr kaì horg`j parh ahut¨^w), und auf den
Frevlern ruht sein Grimm. 7 Nicht sollst du zögern, zu ihm umzukehren (hepistréyai), und
nicht sollst du es hinausschieben von Tag zu Tag. Denn plötzlich bricht hervor sein Grimm
(horg´j), und am Tag der Vergeltung (hen kair¨^w hekdik´jsewß) wirst du ein Ende nehmen.«
(Sauer, JSHRZ)
487 Das Adjektiv hametanójtoß knüpft an metánoia an.
488 Die Formulierung ist bewusst bibelarchaisch und ruft einen beliebten Topos der Kritik
an Israel auf: Dtn 9,27; 10,16; 29,3; 31,27; Ex 9,35; Jes 6,10; 29,10; Jer 4,4; Sir 16,10; 1QS
1,6; 5,4; CD 3,5.11; 8,8.19.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 193
Zorn an489. Diese strafende Seite Gottes wird sich erst vollends am »Tag des
Zorns«490 zeigen, wenn das »gerechte Gericht« (dikaiokrisía)491 Gottes
offenbart wird (vgl. 1,18).
Was dieses Gericht zu einem »gerechten« (und eben nicht zu einem
parteiischen) macht, ist, dass es durchaus einem bestimmten Gleichheitsprin-
zip entspricht: »Gott gibt492 jedem entsprechend seinen Taten.« (V. 6)493
Damit ruft Paulus eine im Judentum grundlegende Auffassung in Erinnerung,
die er auch angesichts seiner Rechtfertigungslehre nicht revidiert494.
7 toïß mèn kaqh Hupomon`j n ‘ergou Denen, die beharrlich im Tun des
hagaqoü dóxan kaì tim`jn kaì Guten nach Herrlichkeit, Ehre und
hafqarsían zjtoüsin, Unvergänglichkeit trachten,
zw`j n a˙´wnion≥ ewiges Leben;
8 toïß dè hex heriqeíaß denen aber, die aus Streitsucht (oder
kaì hapeiqoüsi t¨∆ haljqeíâ Eigennutz) und Ungehorsam gegenüber der
peiqoménoiß dè t¨∆ hadikíâ, Wahrheit dem Unrecht gehorchen,
horg`j kaì qumóß - Zorn und Grimm.
9 qlïyiß kaì stenocwría hepì päsan Trübsal und Not
yuc`jn hanqr´wpou toü katergazo- über jeden einzelnen Menschen,
ménou tò kakón, h Ioudaíou te der das Böse tut,
pr¨wton kaì “ Elljnoß≥ den Juden zuerst und Griechen;
489 Vgl. zur atl.-jüd. Wortgeschichte von skljrokardía und skljróß K. BERGER,
Hartherzigkeit und Gottes Gesetz: Die Vorgeschichte des antijüdischen Vorwurfs in Mc 10,5,
ZNW 61 (1970) 2–22 und zur Identifizierung von »hartherzig« und »ungerecht« ebda., 22–27.
490 Vgl. Y 109,5 (= MT 110,5); Hiob 20,28; 21,30; Zeph 1,15.18; 2,3; Jes 13,9; 37,3;
Klgl 1,12; 2,1.21f.24.
491 Vgl. WILCKENS, I,125f; KONRADT, Gericht, 502f, Anm. 127. Das Wort, das im Sinne
einer iustitia distributiva zu verstehen ist, ist selten belegt. Vgl. TestLev 3,2: »Und er hat
Feuer, Schnee und Eis, zubereitet für den Tag des Gerichts, an (dem) Gott (sein) gerechtes
Gericht (ausübt) (hen t¨∆ dikaiokrisíâ tou qeoü).« TestLev 15,1f: »Darum wird der
Tempel, den der Herr erwählen wird, durch Unreinigkeit öde werden, und ihr werdet als
Gefangene in alle Völker (zerstreut) werden. 2 Und ihr werdet unter ihnen ein Abscheu sein
und Schmähung und ewige Schande vom gerechten Gericht Gottes (parà t¨∆ß dikaiokri-
síaß toü qeoü) empfangen. Und alle, die euch hassen, werden sich über euer Verderben
freuen.« (Becker, JSHRZ) Vgl. weiterhin SibOr 3,704; sachlich nah ist auch 1QM 18,7f.
492 Das Verb hapodídwmi, das seines festen Ort in der Kauf- und Vertragssprache hat, ist
in theologischen Kontexten nicht einfach zu übersetzen, v.a. weil die geläufige Übersetzung
mit »vergelten« reichlich pejorativ klingt. Die Beispiele in VV. 7–10 zeigen, dass hapodídwmi
neutral verwendet wird. In Y 61,13 ist hapodídwmi ganz selbstverständlich eine Wirkung
göttlicher Barmherzigkeit. Vgl. zum Begriff SCHMELLER, Diatribe, 250.
493 Paulus kann hier Prov 24,12 (”oß hapodídwsin H ekást^ w katà tà ‘ erga ahutoü) oder Y
61,13 (sù hapod´wseiß Hekást^w katà tà ‘erga hautoü) im Sinn haben oder einfach eine ganz
allgemein bekannte jüdische Maxime zitieren (so R. HEILIGENTHAL, Werke als Zeichen
[WUNT 2:9; Tübingen, 1983] 174; YINGER, Judgment, 156f).
494 Vgl. dazu SNODGRASS, Romans 2, 77–79; N.M. WATSON, Justified by Faith; Judged
by Works – an Antinomy?, NTS 29 (1983) 209–221. Ausführlich zum jüdischen Hintergrund
HEILIGENTHAL, Werke als Zeichen, 143–164 und YINGER, Judgment, 19–141.
194 III. Analyse paulinischer Texte
10 dóxa dè kaì tim`j kaì e˙r´jnj Herrlichkeit, Ehre und Frieden allen,
pantì t¨^w hergazomén^w tò hagaqón, die das Gute tun,
h Ioudaí^w te pr¨wton kaì “ Elljni≥ den Juden zuerst und den Griechen.
Die Entsprechung von Gericht und Taten wird in zwei chiastisch angeordne-
ten Gängen ausgeführt495. Diese Anordnung bringt auch die Vorstellung zum
Ausdruck, dass mit diesen beiden Ausgängen alle Optionen umrissen sind. Es
gibt zwischen dem positiven und dem in Antithese dazu stehenden negativen
Urteil keine dritte Alternative496.
A) Positiv (V. 7): Belohnt werden nicht einfach einzelne gute Werke,
sondern die Haltung, die darin zum Ausdruck kommt; nämlich die Beharr-
lichkeit (Hupomon´j in diesem Sinne auch in 2Kor 1,6) und die Ausrichtung
auf »jenseitige« Werte: Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit (dóxan kaì
tim`jn kaì hafqarsían)497. Diesen Menschen »gibt« Gott das, was ihrem
Trachten entspricht (vgl. 2,10): »ewiges Leben«498.
B) Negativ (V. 8): Bestraft mit »Zorn und Grimm«499 hingegen werden
jene, die es vorziehen, dem Unrecht zu folgen statt der Wahrheit (vgl. hadikía
und haljqeía in 1,18)500.
B') Negativ (V. 9): »Trübsal und Not«501 über alle Menschen (bibelarcha-
isch »jede menschliche Seele«), die das Böse tun.
A') Positiv (V. 10): Herrlichkeit, Ehre und Frieden (dóxa dè kaì tim`j kaì
e˙r´jnj) für alle, die das Gute tun.
Die letzten beiden Gegensatzpaare weiten die ersten beiden noch durch den
ausdrücklichen Hinweis auf Juden und Griechen aus, wodurch die Vorrang-
stellung der Juden aus 1,16 wiederholt wird.
11 ohu gár hestin proswpoljmyía Denn es gibt kein Ansehen der Person
parà t¨^w qe¨^w. bei Gott.
495 FITZMYER, 302f weitet den Chiasmus auf VV. 6–11 aus (s.a. YINGER, Judgment, 153).
Die Positionen des indirekten und direkten Objekts wechseln von VV. 7f (indirektes –
direktes) zu VV. 9f (direktes – indirektes).
496 Im Sinne der Logik sind die Gegensätze kontradiktorisch und nicht konträr.
497 Das Handeln der Nichtjuden, die die göttliche Doxa mit vergänglichen Bildern ver-
tauscht haben (1,23), erscheint geradezu als Gegenbeispiel zu dem hier propagierten Ideal.
498 Die Vorstellung vom »ewigen Leben« ist traditionsgeschichtlich fest im jüdischem
Schrifttum verankert (Dan 12,2; 2Makk 7,9; 4Makk 15,3; 1QS 4,7). Damit wird nicht einfach
Quantität (unendlich lang währendes Leben), sondern vielmehr Qualität (Leben im Bereich
des ewigen Gottes) ausgedrückt.
499 h Org`j kaì qumóß bilden ein beliebtes semantisches Zweiergespann (Jes 13,9; 30,30;
Jer 7,20; 21,5; 51,6).
500 Die Motivationsangabe h ex h eriqeíaß ist nicht eindeutig bestimmbar, da das seltene
heriqeía »Eigennutz« oder »Streitsucht« bedeuten kann. Letzteres liegt vom NT her näher
(2Kor 12,20; Gal 5,20; Phil 1,17; 2,3; Jak 3,14.16).
501 In Dtn 28,53.55.57 gehören qlïyiß kaì stenocwría zum Fluch im Falle von Unge-
horsam (vgl. auch Jes 8,22; 30,6; LXX-Esth 11,8).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 195
502 Nach J.M. BASSLER, Impartiality, passim (s.a. Divine Impartiality in Paul’s Letter to
the Romans, NT 26 [1984] 43–58) liegt hier das Gravitationszentrum der Argumentation von
Röm 1–2, aus dem sich sogar die paulinische Rechtfertigungslehre herleitet. Zur Kritik vgl.
FITZMYER, 298.
503 Vgl. Lev 19,15; Dtn 10,17; 2Chron 19,7; Mal 1,8; Hiob 34,19; 42,8; Ps 82,2; SapSal
6,7; Sir 35,12f; PsSal 2,18; Jub 5,15; Gal 2,6; Kol 3,25; Eph 6,9; vgl. weiterhin M. KONRADT,
Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief (SUNT 22; Göttingen, 1998) 135f.
504 Dass sich das Gegensatzpaar ha nómwß / h en nóm^w auf das mosaische Gesetz bezieht,
darf im Zusammenhang der Juden-Nichtjuden-Thematik als gesichert gelten.
505 Die Passivform kriq´jsontai, die h apoloüntai aufnimmt, ist theologisch zu deuten.
506 S.K. STOWERS, A rereading of Romans (New Haven, 1994) 134–138 deutet ha nómwß
im allgemeinen Sinne von »gesetzlos« = »gottlos«. Dagegen spricht aber 1Kor 9,21 ebenso
wie der nachfolgende Kontext von Röm 2,13ff.
507 Gal 2,15; Jub 23,24.
196 III. Analyse paulinischer Texte
Um die Feststellung zu unterstreichen (gár), dass nur die Taten und nicht das
Gesetz an sich im Hinblick auf das Gericht von Belang sind, konstruiert
Paulus einen interessanten Fall (“otan), dessen faktische Realisierung in der
Schwebe gelassen wird511: Nichtjuden512, die das mosaische Gesetz nicht
508 Vgl. Jak 1,22f.25; 4,11; Mt 7,24–27; für weitere Belege vgl. KONRADT, Gericht, 504,
Anm. 140.
509 Das Verb dikaiów im Pass., das zu sehr viel theologischen Wortbestimmungen
Anlass gegeben hat, ist hier aufgrund seiner antonymen Stellung zu den Passiva in V. 12
hapóllumi (»vergehen«) und krínw (»gerichtet werden«) relativ klar semantisch als deren
Gegenteil zu bestimmen: »von Gott als gerecht anerkannt werden«, »unbeschadet aus dem
Gericht hervorgehen«.
510 Der Kontrast von 2,13 zu 3,20 wirft die Frage nach Widersprüchlichem im paulini-
schen Text auf! Das Problem wird meistens mittels rhetorischer Intention »gelöst«: »In this
verse [2,13] Paul argues dato, non concesso, for the sake of his argument.« (FITZMYER, 308)
Für RÄISÄNEN, Paul and the Law, 1–15 ist das eines der Hauptzeugen für paulinische
Inkohärenz.
511 Das Fehlen des Artikels vor ‘eqnj deutet jedenfalls darauf hin, dass der hier dargestell-
te Fall nicht als die Regel betrachtet wird. Weiterhin macht V. 15 deutlich, dass Paulus diesen
Fall als »Beweis« (hendeíknumi) für seine Position aufführt, er also zumindest mit der
Möglichkeit einer Realisierung rechnen musste. MARTENS, Stoic Reading, bemüht zur
Lösung dieses Problems stoische Vorstellungen des vollkommenen Weisen. Die antike
Rhetorik unterschied zwischen faktischen, unmöglichen und erfundenen aber möglichen
»Beweisen«. Vgl. zum Beweis a fictione oder kaqh Hupóqesin MARTIN, Antike Rhetorik, 115.
512 Die These, dass an dieser Stelle mit ‘ eqnj nicht allgemein die Nichtjuden, sondern
spezifisch »Heiden«christen (wie in 11,13; 15,9) gemeint sind, wird zwar von einigen
vertreten (CRANFIELD, I, 156f; A. ITO, Romans 2: A Deuteronomistic Reading, JSNT 59
[1995] 28–35), ist aber angesichts des Argumentationszusammenhangs sehr fragwürdig. Vgl.
BELL, Extra ecclesiam, 37f; G. BORNKAMM, Gesetz und Natur, Röm 2,14–16, in: Ders.,
Studien zu Antike und Urchristentum: Gesammelte Aufsätze II (BEvTh 28; München, 1959)
93–118; F. KUHR, Römer 2,14f und die Verheißung bei Jeremia 31,31ff, ZNW 55 (1964)
252–261; O. KUSS, Die Heiden und die Werke des Gesetzes (nach Röm 2,14–16) (1954), in:
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 197
haben, handeln dennoch gemäß dem, was dort geboten ist, und zwar »von
Natur aus« (fúsei; vgl. 1,26)513. Diese Aussage ruft nicht nur stoische
Vorstellungen von einem in der Natur gegebenen Gesetz auf514, sondern sie
knüpft auch an eine Tradition an, die besonders im hellenistischen Judentum
an Raum gewann515: Das mosaische Gesetz steht nicht im Widerspruch zum
Naturgesetz, sondern ist eben dessen älteste und vollkommenste Formulie-
rung516.
Die völlig negative Bewertung nichtjüdischer Schuldverstrickung in 1,19–
32 wird hier ausbalanciert: Die Erkenntnis Gottes aufgrund seiner Erschlie-
ßung in seinen Schöpfungswerken muss nicht in der Katastrophe der »Vertau-
schung« enden, sondern kann (zumindest als Hypothese) sich auch darin
Ders., Auslegung und Verkündigung (Regensburg, 1963) I, 213–245; LOHSE, 105. In jedem
Fall müsste das an dieser Stelle sehr viel deutlicher zum Ausdruck gebracht werden.
513 Das Umstandsattribut fúsei, das sich hier an das Folgende und nicht an das Vorherige
anschließt (vgl. FITZMYER, 310; gegen CRANFIELD, I,156f), begegnet im NT noch in Gal 2,15
(Juden von Geburt); 4,8 (Götter, die in Wahrheit keine sind); Eph 2,3 (von Natur aus Kinder
des Zorns); Jak 3,7 (die menschliche Natur); vgl. weiterhin 3Makk 3,29; SapSal 13,1. Eine
sachliche Parallele findet sich in Philo, Abr 275f (Abraham erfüllte die Forderungen Gottes
durch das in der Natur eingeschriebene Gesetz).
514 MARTENS, Stoic Reading, 56–59. Vgl. Chrysipp in Plutarch, De Stoicorum repugnan-
tiis 9,1035C (= SVF III, 323); Cicero, De legibus I,6,18; Philo, Quod omnis probus liber sit
46; Abr 276; Jos 29; äthHen 2,1–5,4; weitere Texte in NW II/1, 77–85. Die wichtige Frage,
wie bewusst Paulus hier an stoische Vorstellungen vom »Naturgesetz« anknüpft, wird nicht
einheitlich beantwortet. Positiv äußern sich E. NORDEN, Agnostos Theos (Leipzig, 1913) 11,
Anm. 2; M. POHLENZ, Paulus und die Stoa, in: Rengstorf, Paulusbild, 524–526 (allerdings sei
Paulus nicht direkt von Stoa beeinflusst, sondern von der jüdischen Tradition); G.
BORNKAMM, Gesetz und Natur; KUHR, Römer 2,14f; FORSCHNER, Handeln, 17f. Skeptisch
zeigt sich B. REICKE, Syneidesis in Röm 2,15, ThZ 12 (1956) 161.
515 Für einen Überblick über den Topos des »Naturgesetzes« vom AT bis zu den Rabbi-
nen vgl. M. BOCKMUEHL, Natural Law in Second Temple Judaism, VT 45 (1995) 17–44. Zum
stoischen Einfluss speziell in dieser Frage im Hinblick auf Philo vgl. R.A. HORSLEY, The
Law of Nature in Philo and Cicero, HThR 71 (1978) 35–59 und (mit einem weiteren
Schwerpunkt auf SapSal) J.J. COLLINS, Natural Theology and Biblical Tradition: The Case of
Hellenistic Judaism, CBQ 60 (1998) 1–15. Allgemein zum biblischen Kontext: J. BARR,
Biblical Faith and Natural Theology (Oxford, 1993).
516 So konnte der jüdisch-hellenistische Philosoph Aristobul behaupten, Plato habe sein
Wissen aus dem Gesetz des Mose (Fragment in Eusebius, Praepar. Evang. XIII,12,1
= Walter, JSHRZ). Für Philo, Op 3 herrscht zwischen Kosmos und Nomos komplette
Harmonie (= Colson / Whitaker, 1.7). Vgl. auch SapSal 13,1–9. Durch diesen Topos wollten
Apologeten die jüdische Religion an die philosophisch-ethischen Traditionen ihrer Zeit
anschlussfähig machen. Eine Ausnahme bildet hier jedoch Contra Apionem, da Josephus hier,
gegen seine sonstige Gewohnheit, das Gesetz nicht an hellenistisch-kulturelle Vorgaben
anzuknüpfen sucht (vgl. dazu G. HAALAND, Jewish Laws for a Roman Audience: Toward an
Understandig of Contra Apionem, in: J.U. Kalms / F. Siegert [Hrsg.], Internationales
Josephus-Kolloquium Brüssel 1998 [Münsteraner Judaistische Studien 4; Münster, 1999]
282–304).
198 III. Analyse paulinischer Texte
äußern, dass Nichtjuden (wenn auch nur wenige) den moralischen Ansprü-
chen des mosaischen Gesetzes in ihrer gelebten Praxis voll und ganz entspre-
chen517.
15 o“itineß hendeíknuntai Solche zeigen auf,
tò ‘ergon toü nómou graptòn dass das Werk, welches das Gesetz verlangt,
hen taïß kardíaiß ahu t¨wn, in ihren Sinn geschrieben ist,
summarturoúsjß ahut¨wn t¨jß indem ihr Gewissen mit Zeugnis
suneid´jsewß kaì metaxù ablegt und ihre Gedanken
hall´jlwn t¨wn logism¨wn sich untereinander anklagen
katjgoroúntwn ’j kaì oder auch verteidigen
hapologouménwn,
16 hen Hjmérâ “ote krínei Ho qeòß tà am Tag, an dem Gott
kruptà t¨wn hanqr´wpwn das Verborgene der Menschen richtet
katà tò ehu aggélión mou dià entsprechend meinem Evangelium durch
Cristoü h Ijsoü. Christus Jesus.
Solche Fälle – auch wenn es sich dabei für Paulus um Ausnahmen handeln
mag – zeigen deutlich auf (hendeíknumi)518, dass es die Möglichkeit gibt,
aufgrund des Gewissens das zu halten, was das Gesetz gebietet519. In Anspie-
lung an Jer 33 (LXX-Jer 31; vgl. auch Jes 51,7) wird Nichtjuden bescheinigt,
dass das göttliche Gesetz in ihren Sinn »eingeschrieben« ist520. Von diesem
»eingeschriebenen« Gesetz gibt auch das Gewissen Zeugnis521, als eben jene
Instanz, die ein moralisches Urteil erlaubt522.
517 Treffend C.H. DODD, Natural Law in the New Testament, in: Ders., New Testament
Studies (Manchester, 1953) 141: »[T]he argument does require that there is sufficient
knowledge of God available to ensure man’s responsibility, and that there is sufficient
practice of the Law of God among pagans to shame the bad Jew.« (Hervorhebung vom Autor)
518 Es ist von 2,15 her kaum anzunehmen, dass es sich für Paulus um einen komplett
undenkbaren Fall handeln sollte. ZELLER, 69 denkt an Nichtjuden vor der Zeit der Gesetzge-
bung. Auch für diese reizvolle Hypothese fehlen Hinweise im Text.
519 Die syntaktische Einheit tò ‘ ergon toü nómou wird von Paulus gewöhnlich im Plural
pejorativ benutzt (3,20.28; Gal 2,16; 3,2; 5,10). Der Singular bezieht sich auf die konkreten
Werke, die vom Gesetz verlangt werden (vgl. KÄSEMANN, 59).
520 Interessant ist die Position des Origenes in C. Cels. I 4 (griech. ed. Marcovich, 9): Auf
den Vorwurf »die christliche Sittenlehre (tòn hj qikòn tópon) sei dieselbe wie die der
anderen Philosophen (koinòn e~inai kaì pròß toùß ‘allouß filosófouß) und durchaus
keine besonders erhabene und neue Lehre (ohu semnón ti kaì kainòn máqjma)«, antwortet
er keineswegs mit einer Gegenrede. Vielmehr führt er die Gemeinsamkeiten unter Berufung
auf Röm 2,15 darauf zurück, dass diese »gemeinsamen Vorstellungen« (tàß koinàß hennoíaß
[eine sehr stoisch angehauchte Wendung]) allen Menschen vom Schöpfer eingepflanzt
worden sind, um allen im Gericht die gleiche Chance zu geben.
521 Es bleibt unklar, ob sún in summarturoúsjß impliziert, dass es noch andere Zeugen
dieses Wissens gibt, oder ob es nur der Verstärkung dient.
522 Vgl. ECKSTEIN, Syneidesis und R. SCHNACKENBURG, Die sittliche Botschaft des
Neuen Testaments (HThK.Supp 2; Freiburg i.Br., 1988) II, 48–58. Das AT kennt keinen
Gewissensbegriff (suneídjsiß begegnet spät in Koh 10,20 und SapSal 17,10). Erst in der
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 199
Populärphilosophie ab dem 2. Jh. v.Chr. treten die Begriffe suneídjsiß, suneidóß und lat.
conscientia in den Vordergrund, um das innere Bewusstsein von Schuld als Folge und Strafe
von schlechten Taten auszudrücken: Diodorus Siculus IV,65,7: »Wegen des Bewußtseins
(suneídjsin) seines Verbrechens geriet er [= der Muttermörder Alkmäon] in Wahnsinn.«
Bei Seneca entspricht mala conscientia dem deutschen »schlechten Gewissen« (Ep I 12,9;
V 43,4; XVII–XVIII 105,8; XIX–XX 122,14; De Ben III,1,4). Cicero, Tuscul. disput.
IV 20,45 spricht vom »Gewissensbiss«. Man wird vom Gewissen wie von Furien gejagt und
am Schlaf gehindert (Curtius Rufus, Hist VI,10,14), betroffen (Livius XXXIII,28,14),
überführt (Cicero, Catil II,6,13), aufgeschreckt (Plinius d. Jüngere, Ep I,5,8), getrieben
(Quintilian V,13,46). Für Seneca steht das schlechte Gewissen im direkten Zusammenhang
mit Ehre und Schande: »Ein gutes Gewissen ruft die Menge zu Zeugen, ein schlechtes ist
auch in der Einsamkeit angstvoll und unruhig. Wenn anständig ist, was du tust, mögen es alle
wissen, wenn schimpflich, was nützt es, dass niemand es weiß, wenn du es weißt? O du
Unglücklicher, wenn du diesen Zeugen verachtest!« (Ep V 43,5; übers. Rosenbach, 343)
Philo denkt, dass der absichtlich sündigende Mensch »durch das eigene Gewissen im Innern
überführt« wird (SpecLeg I,235). Bei ihm ist das Gewissen eine Stimme der göttlichen
Vernunft im Menschen (vgl. Fug 118; Imm 135). Josephus spricht auch vom guten Gewissen,
das »Zuversicht vor Gott und Menschen schenkt« (Ant 2,52).
523 CRANFIELD, I, 162; KÄSEMANN, 61; FITZMYER, 311.
524 Für BULTMANN, Glossen, 200f ein ausreichender Grund, diesen Vers zur Glosse zu
erklären (siehe zu 2,1). FITZMYER, 312 sieht hier »a conclusion for the whole paragraph«.
Doch leider fehlt eine Folgerungspartikel.
525 Vgl. dazu: 1Sam 16,7; 1Chron 29,9; Ps 139,1f.23; Jer 17,10; 1Kor 4,5.
526 Dass Gott sein Gericht auch an andere delegieren konnte, ist jüdisch belegt: äthHen
45,3–6; 11QMelch; TestAbr (Rec, A) 13,5.
527 Es ist nicht ganz eindeutig, ob dià Cristoü h Ijsoü meint, dass Christus Jesus Mittler
des göttlichen Gerichts ist (so FITZMYER, 312 mit Hinweis auf 2Kor 5,10; 2Thess 1,7–10;
2Tim 4,1; Joh 5,27; Apk 22,12), oder dass Christus Jesus (analog dià nómou in 2,12) die
kritischer Maßstab des göttlichen Gerichts ist. Im letzteren Falle würde jedoch katà tò
ehuaggélión mou in der Luft hängen, denn der Gerichtsmaßstab wird gewöhnlich durch
200 III. Analyse paulinischer Texte
c) Röm 2,17–29528
17 E˙ dè sù h Ioudaïoß heponomáz∆ Wenn du dich aber »Jude« nennst
kaì hepanapaú∆ nóm^w und dich auf das Gesetz verlässt
kaì kaucäsai hen qe¨^w und dich Gottes rühmst;
18 kaì gin´wskeiß tò qéljma und du kennst den Willen (Gottes)
kaì dokimázeiß tà diaféronta und stellst (kritisch) fest, worauf es ankommt,
katjcoúmenoß hek toü nómou, weil du im Gesetz unterrichtet bist,
19 pépoiqáß te seautòn Hodjgòn und dir selbst zutraust, ein Leiter der Blinden
e~inai tufl¨wn, f¨wß t¨wn hen zu sein, ein Licht denen in Dunkelheit,
skótei,
20 paideut`jn hafrónwn, didáska- ein Erzieher der Unwissenden,
lon njpíwn, ein Lehrer der Unmündigen,
‘econta t`j n mórfwsin t¨jß der die Verkörperung der Erkenntnis
gn´wsewß kaì t¨jß haljqeíaß hen und der Wahrheit im Gesetz hat:
t¨^w nóm^w -
Die Anklage nimmt nun explizit »den« Juden ins Visier, der hier weiterhin im
Diatribe-Stil direkt angesprochen wird als jemand, der sich selbst als Jude
versteht. Paulus entwirft – frei von Ironie! – das Bild eines »Musterjuden«,
dessen Selbstverständnis sich von einer privilegierten Position Gott und damit
auch den Nichtjuden gegenüber definiert529. Gravitationszentrum jüdischer
Identität ist nach diesem Verständnis das mosaische Gesetz530.
Im Einzelnen: Das Gesetz ist nicht etwas, was den Juden belastet oder in
Unruhe stürzt; vielmehr verlässt er sich darauf, ja er ruht förmlich darauf
(17b)531. Zugleich rühmt er sich nicht seiner eigenen Leistungen, sondern
Gottes (17c)532. Die systematische katechetische Unterweisung im göttlichen
Gesetz (18c) versetzt »den« Juden in die Lage, Gottes Willen zu kennen
krínw diá c. Acc. und nicht durch dià c. Gen. bezeichnet (vgl. Joh 7,24; 8,15; 18,31; Apg
23,3; 1Petr 1,17; Apk 20,12f).
528 J.M.G. BARCLAY , Paul and Philo on Circumcision: Romans 2.25–9 in Social and
Cultural Context, NTS 44 (1998) 536–556; BELL, No One Seeks, 184–200; T.W. BERKLEY,
From a Broken Covenant to Circumcision of the Heart: Pauline Intertextual Exegesis in
Romans 2:17–29 (SBLDS 175; Atlanta, GA., 2000); L. GOPPELT, Der Missionar des
Gesetzes. Zu Röm 2,21f. (1959), in: Ders., Christologie und Ethik (Göttingen, 1968) 137–
146; S. LYONNET, Le ›paien‹ au ›coeur circoncis‹ ou ›le chretien anonyme‹ selon Rom 2,29,
in: Ders., Etudes sur l’epître aux Romains (Analecta Biblica 120; Rom, 1989) 71–88.
529 Vgl. etwa 4Esr 6,55f: »Das alles aber habe ich vor dir, Herr, ausgesprochen, weil du
gesagt hast, daß du unseretwegen die erste Welt geschaffen hast. 56 Die übrigen Völker aber,
die von Adam abstammen – von ihnen hast du gesagt, daß sie nichts seien –, sind dem
Speichel gleich, du hast ihre übergroße Menge dem Träufeln vom Eimer gleichgestellt.«
(Schreiner, JSHRZ)
530 Vgl. Sir 39,8; syrBarApk 48,22–24.
531 Das seltene Verb hepanapaoúmai bedeutet ihm wörtlichen Sinne »ruhen« (Lk 10,6).
Vgl. in LXX Mi 3,11; Hes 29,7; 1Makk 8,11.
532 Paulus formuliert vielleicht in Anlehnung an Jer 9,23, das er in 1Kor 1,31 und 2Kor
10,17 zitiert (vgl. PsSal 17,1).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 201
Hier bricht die Beschreibung ab und Paulus geht unvermittelt dazu über,
»den« Idealjuden im Sinne von 2,1–16 zu überführen536: Er richtet andere und
tut das Gleiche. Die Fragen sind deutlich rhetorische Einkleidung für fünf
konkrete Anklagen, die zudem mit dem Idealbild aus 2,17–20 kontrastie-
ren537:
533 Zur Bedeutung vom Willen Gottes in jüdischer Frömmigkeit vgl. Ps 40,9; 143,10;
2Makk 1,3f; Bar 4,4; 1QS 9,23.
534 Die syntaktische Einheit ist keineswegs traditionell formuliert, deutet aber einen
deutlichen Kontrast an zu den Möglichkeiten wahrer Gotteserkenntnis außerhalb des Bundes
mit Israel. Der Sachzusammenhang zwischen gn¨wsiß (bzw. gin´wskw) und hal´j qeia
erschließt sich wohl am deutlichsten aus 1,18–32: Wahres über Gottes Wesen wird erkannt
aus der Schöpfung, insofern sich Gott darin erschließt. Die sehr seltene Wortbildung
mórfwsiß begegnet sonst nur noch in 2Tim 3,5 und bezieht sich dort auf die äußere Form der
Frömmigkeit (mórfwsiß ehusebeíaß) im Gegensatz zur darin wirkenden Kraft (dúnamiß).
Der Begriff, der im Zusammenhang von 2,20 sicherlich nicht abwertend gemeint ist, scheint
dennoch einen Unterschied zu markieren zwischen äußerer Form und innerem »Geist«. Wird
hier schon die Geist-Buchstabe-Dichotomie in 2,27–29 vorbereitet?
535 Vgl. SapSal 2,12–15; Sir 37,19; Mt 15,14; 23,16.24. Zur Lichtmetaphorik vgl. Jes
42,6f; 49,6.
536 Vgl. zur asyndetischen Satzstruktur BDR §454.3; 460.3.
537 Zur Kombination von Diebstahl, Ehebruch und Tempelraub vgl. Philo, Conf 163.
202 III. Analyse paulinischer Texte
Er (der Leiter, Erzieher und Lehrer) lehrt zwar andere, lehrt sich selbst aber nicht (2,21a). Er
(der Gottes moralischen Willen kennt) verbietet Diebstahl, stiehlt jedoch selbst (2,21b). Er
(der weiß, worauf es ankommt) verbietet Ehebruch und begeht ihn selbst (2,22a). Er (der im
Gesetz bestens unterrichtet ist) verabscheut die Götzen 538, begeht aber selbst Tempelraub
(2,22b)539. Zusammenfassend: Er (der sich Gottes rühmt [vgl. 2,17]) rühmt sich des Gesetzes
und bereitet Gott nur Schande durch dessen Übertretung (2,23)540.
Mit einem direkten Zitat aus Jes 52,5 (LXX) wird in V. 24 die letzte Aussage
untermauert541.
25 peritom`j mèn gàr hwfeleï Denn Beschneidung ist zwar von Nutzen, wenn
heàn nómon práss∆ß≥ du das Gesetz befolgst;
heàn dè parabátjß nómou ~∆ß, wenn du aber ein Gesetzesübertreter bist,
Hj peritom´j sou hakrobustía dann ist deine Beschneidung Unbeschnittenheit
gégonen. geworden.
26 heàn o~un Hj hakrobustía tà Wenn nun der Unbeschnittene
dikai´wmata toü nómou die Rechtsforderung des Gesetzes
fuláss∆, ohuc Hj hakrobustía befolgt, wird nicht sein Unbeschnittensein
ahutoü e˙ß peritom`j n lo- als Beschneidung angerechnet werden?
gisq´jsetai;
Von 2,12 bis 2,23 spannt sich ein Bogen, unter dem zentral die Frage nach der
Bedeutung des mosaischen Gesetzes im Hinblick auf das Gericht verhandelt
wird. VV. 12–16 haben v.a. betont, dass das Gesetz nur von Nutzen ist, wenn
es eingehalten wird. Demgegenüber heben VV. 17–24 darauf ab, dass in
Bezug auf die genaue Einhaltung des Gesetzes eine Lücke zwischen An-
spruch (17–20) und Wirklichkeit (21–24) klafft, so dass sich die noch recht
allgemein formulierte Anklage von 2,1–11 am Ende anhand »des« Juden
konkretisieren lässt: Sie richten andere für etwas, was sie selber tun. Nachdem
also die Argumentation dem auf das Gesetz sich stützenden jüdischen
Privilegierungsbewusstsein den Boden entzogen hat (zumindest ihrem
Anspruch nach), steht noch ein zweiter zentraler Aspekt jüdischer Identität
zur Diskussion542: die Beschneidung als das Zeichen des Bundes zwischen
Gott und Israel543. Hier kommt Paulus zu den radikalsten Schlussfolgerungen
des gesamten Abschnitts544.
Kann die Beschneidung als Heilszeichen auch dann im Gericht von Nutzen
sein, wenn das mosaische Gesetz nicht genau eingehalten worden ist? Die
Beantwortung dieser Frage führt Paulus letztlich zu einer Neudefinition
dessen, was es bedeutet, »Jude« zu sein. Paulus wendet das Prinzip des
absoluten Vorrangs der Werke gegenüber allen Privilegien auch auf die
Beschneidung an: Beschneidung ist nur dann (im Gericht) von Nutzen, wenn
jemand das im Gesetz Gebotene hält (2,25a; vgl. auch Gal 5,3)545. Umgekehrt
gilt: Wenn jemand das Gesetz übertritt, dann wird die Beschneidung faktisch
zur Unbeschnittenheit (2,25b). Der beschnittene jüdische Gesetzesübertreter
wird damit auf die gleiche Stufe mit einem Nichtjuden gestellt546. Paulus geht
noch einen Schritt weiter: Wenn ein Unbeschnittener sich an die Rechtsforde-
rung des Gesetzes hält (eine Möglichkeit, mit der nach 2,14f gerechnet
werden kann), dann sollte ihm das als Beschneidung angerechnet werden547.
Diese letzte Schlussfolgerung zieht Paulus nur indirekt als rhetorische Frage.
27 kaì krineï Hj hek fúsewß Und der von Natur aus Unbeschnittene,
hakrobustía tòn nómon teloüsa der das Gesetz erfüllt, richtet dich,
sè tòn dià grámmatoß kaì der du mit Buchstaben und Beschneidung ein
peritom¨j ß parabátjn nómou. Übertreter des Gesetzes bist.
542 Gár am Anfang ist in diesem sehr allgemeinen Sinn anknüpfend, sicherlich nicht
begründend nach hinten verbunden.
543 Gen 17,10ff; Jub 15,25–28; 1Makk 1,48.60f; 2,46; 2Makk 6,10; Josephus, Ant 20,34–
38. Alle relevanten Texte zur Beschneidungsthematik werden in A. BLASCHKE, Beschneidung
(TANZ 28; Tübingen, 1998) analysiert (S. 108–322 zur jüdischen Umwelt und S. 323–360
zum Urteil griechischer und lateinischer Autoren). Beschneidung galt nicht immer als
Bedingung der Proselytenaufnahme. Vgl. J.J. COLLINS, A Symbol of Otherness: Circumcisi-
on and Salvation in the First Century, in: Ders., Seers, Sybils and Sages in Hellenistic-Roman
Judaism (JSJ.S 54; Leiden, 1997) 211–235; F.W. HORN, Der Verzicht auf die Beschneidung
im frühen Christentum, NTS 42 (1996) 492–494.
544 BARCLAY , Circumcision, 544. Generell M. HENGEL, Judentum und Hellenismus
(WUNT 10; Tübingen, 31988) 561: »Der Kampf des Paulus gegen die Beschneidung und das
Gesetz war nicht zuletzt auch wegen der ›ethnisch-politischen Konsequenzen‹ in den Augen
seiner judaistischen Gegner ein ›Verrat am Judentum‹.«
545 Vgl. Lev 18,5; Dtn 30,16. Bill., III,119 führt rabbinische Texte auf, die der Beschnei-
dung absolute Heilsbedeutung zuschreiben. Inwiefern diese Aussagen aber auch in die Zeit
des Paulus rückdatierbar sind, wage ich nicht zu beurteilen.
546 Vgl. Gal 5,6; 1Kor 7,19.
547 Die Begriffe »Unbeschnittenheit« und »Beschneidung« werden metonym (Abstraktes
für Konkretes; Unbeschnittenheit = Unbeschnittener) benutzt. J. MARCUS, The Circumcision
and the Uncircumcision in Rome, NTS 35 (1989) 75f hat darauf hingewiesen, dass diese
Terminologie im Judentum »highly unusual« ist.
204 III. Analyse paulinischer Texte
Die anklagende Rolle des Nichtjuden548 tritt dadurch zutage, dass er ohne
Beschneidung gesetzeskonform lebt, während der Jude, der in der günstigen
Lage ist549, den Buchstaben des Gesetzes (vgl. mórfwsiß in 2,20) und die
Beschneidung zu haben, trotzdem ein Übertreter des Gesetzes geworden ist.
28 ohu gàr Ho hen t¨^w faner¨^w Denn ein Jude ist nicht der,
h Ioudaïóß hestin, der es es nach außen hin ist,
ohudè Hj hen t¨^w faner¨^w und nicht (das) ist die (rechte) Beschneidung,
hen sarkì peritom´j ≥ die am Fleisch sichtbar (ist),
29 hallh Ho hen t¨^w krupt¨^w h Ioudaïoß, sondern der ist ein Jude, der es im Verborgenen
kaì peritom`j kardíaß (ist), und (die wahre) Beschneidung (ist die) des
hen pneúmati ohu grámmati, Herzens durch (den) Geist (wörtl. im Geist) nicht
oˆu Ho ‘epainoß ohuk hex hanqr´wpwn durch (die) Schrift, dessen Lob nicht vom
hallh hek toü qeoü. Menschen kommt, sondern von Gott.
d) Röm 3,1–20553
Die Argumentation bleibt an dieser Stelle in gewisser Weise stehen, um in
VV. 1–9 auf Einwände und Fragen einzugehen, die sich aus der Gleichset-
zung von Juden und Nichtjuden in 1,18–2,29 ergeben554. Die Generalanklage
wird in VV. 10–19 durch eine lange Reihe alttestamentlicher Texte rhetorisch
eindrucksvoll untermauert555, um in V. 20 mit jener Aussage zu schließen, die
den Gedankengang ab V. 21 dominieren soll: Kein Mensch wird aus Geset-
zeswerken vor Gott gerechtfertigt.
3,1 Tí o~un tò perissòn toü Welches (ist) denn eigentlich der Vorteil des
h Ioudaíou, ’j tíß Hj hwféleia t¨jß Juden oder der Nutzen der Beschneidung?
peritom¨j ß;
2 polù katà pánta trópon. Viel in jeder Hinsicht.
pr¨wton mèn [gàr] “oti hepis- Zuallererst nämlich, dass ihnen die
teúqjsan tà lógia toü qeoü. Worte Gottes anvertraut worden sind.
Nachdem im Hinblick auf das unparteiische Gericht Gottes nach den Werken
dem Juden gegenüber dem Nichtjuden die beiden wichtigsten »marker of
identity«, das Gesetz und die Beschneidung, als nutzlos dargestellt worden
sind, stellt sich ganz selbstverständlich als Folge davon (tí o~un) die Frage:
Welchen Vorteil hat der Jude als Jude556 und welchen Nutzen hat die Be-
schneidung als Zeichen des Heilsbundes zwischen Gott und seinem Volk? Die
unmittelbare Antwort verspricht durch den prompten Hinweis auf die
»vielen« Vorteile »in jeder Hinsicht« mehr, als sie dann einzulösen vermag,
denn nach einem »ersten« Vorteil (pr¨wton) bleibt der Apostel weitere
Hinweise schuldig, bzw. spart sie bis 9,4ff auf.
553
BELL, No One Seeks, 201–237; W.S. CAMPBELL, Romans iii as a Key to the Structure
and Thought of the Letter, in: Ders., Paul’s Gospel in an Intercultural Context (SIGC 69;
Frankfurt a.M., 1992) 25–42; C.H. COSGROVE, What if some have not believed? The Occa-
sion and Thrust of Romans 3,1–8, ZNW 78 (1987) 90–105; A. FEUILLET, La situation privi-
légiée des Juifs d’après Rm 3,9. Comparaison avec Rm 1,16 et 3,1–2, NRT 105 (1983) 33–46;
D.R. HALL, Romans 3.1–8 Reconsidered, NTS 29 (1983) 183–197; R.B. HAYS, Psalms 143
and the Logic of Romans 3, JBL 99 (1980) 107–115; O. HOFIUS, Der Psalter als Zeuge des
Evangeliums: Die Verwendung der Septuaginta-Psalmen in den ersten beiden Hauptteilen des
Römerbriefes, in: Ders., Paulusstudien II, 38–57; L.E. KECK, The Function of Romans 3:10–
18: Observations and Suggestions, in: J. Jervell / W.A. Meeks (eds.), God’s Christ and His
People (FS N.A. Dahl; Oslo, 1977) 141–157; J.F. PIPER, The Rigtheousness of God in
Romans 3,1–8, ThZ 36 (1980) 3–16; H. RÄISÄNEN, Zum Verständnis von Röm 3,1–8, in:
Ders., The Torah and Christ (SESJ 45; Helsinki, 1986) 185–205; D. SÄNGER, Die Verkündi-
gung des Gekreuzigten und Israel (WUNT 75; Tübingen, 1994) 135–155 (zu 3,1–8); S.K.
STOWERS, Paul’s Dialogue with a Fellow Jew in Romans 3:1–9, CBQ 46 (1984) 707–722.
554 KÄSEMANN , 73 spricht von einem »Atemholen vor dem Abschluß«, LUZ, Aufbau, 169
von einem »Exkurs, der das Thema von Röm 9–11 vorwegnimmt« (s.a. 175).
555 Dieser Gliederungsvorschlag ist nicht allzu schematisch zu verstehen, da V. 9 Schar-
nierfunktion hat und sowohl nach hinten als auch nach vorne anschließt.
556 Zum kollektiven Gebrauch des Singular BDR §139.
206 III. Analyse paulinischer Texte
Was ihm aber offenbar als erstes in den Sinn kommt, sind die »Worte
Gottes« (tà lógia toü qeoü), die Gott seinem Volk anvertraut hat (3,2).
Insofern hier keine weiteren Einschränkungen explizit gemacht werden, ist
dabei allgemein an die Heilige Schrift zu denken (vgl. Dtn 4,7f)557, die Israel
»anvertraut« worden ist.
3 tí gàr e˙ hjpístjsán tineß; Was ist denn, wenn einige untreu waren?
m`j Hj hapistía ahu t¨wn t`j n pístin Wird etwa ihre Untreue die Treue Gottes außer
toü qeoü katarg´jsei; Kraft setzen?
4 m`j génoito≥ ginésqw dè Ho qeòß Auf keinen Fall! Vielmehr möge sich Gott als
haljq´jß, päß dè ‘anqrwpoß wahrhaftig und jeder Mensch als Lügner
yeústjß, kaq`wß gégraptai, erweisen! Wie geschrieben steht:
“ Opwß ’an dikaiwq¨∆ß hen toïß Damit du recht behältst in deinen
lógoiß sou kaì nik´jseiß Worten und den Sieg davonträgst,
hen t¨^w krínesqaí se. wenn man mit dir rechtet.
Die Aufzählung der Vorteile wird durch einen weiteren kasuistischen
Einwand abgebrochen558. Was gilt im Hinblick auf Gottes Treue für den Fall,
dass »einige« (nicht alle!) Juden untreu waren559? Die biblische Geschichte
kennt genug Beispiele von Israels Untreue560, die in Auseinandersetzung mit
konkreten historischen Erfahrungen Anlass zur Reflexion über die Beziehung
von menschlicher Untreue zu göttlicher Treue gaben561. Aus der Gleichbe-
handlung von Juden und Nichtjuden könnte man schließen, dass Paulus die
Position einnimmt, Gott habe seinen Treuebund Israel gegenüber aufgegeben.
Durch die Untreue »einiger« wäre dann Gottes Treue aufgehoben worden.
Paulus entgegnet diesem Gedanken mit einem scharfen »Nein« (4: m`j
génoito)562 und versucht damit sich des Verdachts zu entziehen, dass er ein
557 In diesem Sinne auch Hebr 5,12; 1Petr 4,11; Philo, Praem 1; VitCont 25; Josephus,
Bell 6,311–313. Der LXX-Gebrauch ist demgegenüber etwas enger auf die Worte der
Propheten bezogen (Num 24,4.16; Y 106,11).
558 Zu tí gár vgl. BDR §299.3.
559 Das Wortspiel mit drei Begriffen aus der pist-Wortfamilie lässt sich im Deutschen
besser mit »(un)treu« als mit »(un)gläubig« wiedergeben. Ob die ursprünglichen Rezipienten
und Rezipientinnen ihrem natürlichen Sprachempfinden nach einen Unterschied zwischen
»Treue« und »Glauben« den Begriffen beigelegt haben, mag dahingestellt sein!
560 Ex 15,22–16,36; Num 14; 1Kön 18,21; Hos 4,1f. Auch Josephus verschweigt die
Gesetzesübertretungen des Volkes (trotz Ant 3,223) nicht: Ant 3,218; 5,144–147; 18,81;
20,218.
561 Dass dies eine echte Frage war, wird aus nachexilischen Zeugnissen deutlich (vgl. Jer
2,2–13). Im NT ist dies v.a. in Apg von Bedeutung. Vgl. J. JERVELL, Gottes Treue zum
untreuen Volk, in: C. Bussmann / W. Radl (Hrsg.), Der Treue Gottes trauen (FS G.
Schneider; Freiburg i.Br., 1991) 15–27.
562 Zur Wendung vgl. BDR §384. In der LXX Gen 44,7.17; Jos 22,29; 24,16; 1Makk 9,10
als Einleitung zu einer längeren Rede. Im Sinne einer dezidierten Verneinung innerhalb eines
Dialogs wird der Begriff noch bei Epiktetus benutzt und gilt daher als typisch für den
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 207
Diatribe-Stil. Vgl. A.J. MALHERBE, M`j génoito in the Diatribe and Paul, in: Ders., Paul and
the Popular Philosophers (Minneapolis, 1989) 25–33.
563 Vgl. zum, Ausdruck pístiß qeoü 1Sam 21,3 (anders MT); Y 32,4; PsSal 8,28; wei-
terhin Ex 34,6f; Num 23,19; Dtn 7,9; Jes 49,7; Hos 2,19–23; 1QS 11,9–14; 2Tim 2,13.
564 Im Hinblick auf die Israel-Problematik führt Paulus diesen Gedanken in 11,25–27
weiter aus. Vgl. W. K ELLER, Gottes Treue – Israels Heil: Röm 11,25–27, die These vom
»Sonderweg« in der Diskussion (SBB 40; Stuttgart, 1998).
565 »Wahrheit« im Sinne von Bundestreue in Y 89,2.6.9.15.25.34.
566 3,3 wäre somit als Vorgriff auf Röm 9–11 formuliert.
567 Y 50,6: soì món^w “jmarton kaì tò ponjròn hen´ wpión sou hepoíjsa, o “ pwß ’an
dikaiwq¨∆ß hen toïß lógoiß sou kaì nik´js∆ß hen t¨^w krínesqaí se. (»Alleine gegen dich
habe ich gesündigt und das Böse vor dir getan, so dass du dich in deinen Reden als gerecht
erweist und den Sieg davonträgst, wenn man mit dir rechtet.«) Paulus übernimmt den
genauen Wortlaut bis auf die Änderung des Aorists nik´js∆ß in den Futur nik´jseiß (vgl.
dazu HOFIUS, Psalter, 44, Anm. 28). Die Angleichung an den LXX-Wortlaut in B, G, L, Y,
365, 1175, 1739 und 1881 ist sicherlich sekundär.
208 III. Analyse paulinischer Texte
Zorn straft, die doch seine Heilstreue ins Licht gestellt haben568. Die kon-
struierte Dialogsituation entbindet Paulus dennoch nicht, seiner Scheu darüber
Ausdruck zu geben, dass er einen solchen Gedanken überhaupt formuliert. Er
qualifiziert daher: »Ich rede nach menschlicher Weise.«569
Selbstverständlich kann Paulus einen Schluss, der in Gottes Ungerechtig-
keit mündet, nur nach Kräften bestreiten (V. 6 wieder mit m`j génoito). Er
versucht diese Aussage mit einer ähnlichen Strategie zu entkräften, nämlich
indem er zeigt, dass daraus auch nur eine falsche Schlussfolgerung gezogen
werden könnte. Wenn Gott nämlich ungerecht ist, dann könnte er sicherlich
nicht die Welt richten. Da aber an Letzterem kein Zweifel besteht570, ist es
gewiss falsch, Gott Ungerechtigkeit zu unterstellen571.
7 e˙ dè Hj hal´j qeia toü qeoü hen t¨^w Wenn aber Gottes Wahrhaftigkeit sich wegen
hem¨^w yeúsmati heperísseusen meiner Lüge als übergroß erweist
e˙ß t`j n dóxan ahutoü, zu seiner Herrlichkeit,
tí ‘eti khag`w Hwß Hamartwlòß warum werde ich dann noch als Sünder
krínomai; gerichtet?
8 kaì m`j kaq`wß blasfjmoúmeqa Und sollen wir etwa [so handeln] – wie man uns
kaì kaq´wß fasín tineß übel verleumdet und wie einige behaupten, dass
Hjmäß légein “oti Poi´jswmen tà wir sagen: Lasst uns das Schlechte tun,
kakà “ina ‘elq∆ tà hagaqá; damit das Gute komme?
ˆwn tò kríma ‘endikón hestin. Deren Verdammung ist gerecht!
568 PIPER, Righteousness, 15 möchte hier dikaiosúnj als Hinweis auf Gottes »gracious
faithfulness to his promises and his punitive judgment upon sin« verstehen. Nichts deutet aber
darauf hin, den Begriff in diesem Sinne auszuweiten. Im Gegenteil: Die Aporie zwischen
dikaiosúnj und horg´j, die in dem Einwand zur Sprache kommt, zeigt, dass sich beide
Begriffe keineswegs auf einem gemeinsamen Horizont deuten lassen.
569 Diese Wendung, die sich in ähnlicher Weise auch an anderen Stellen findet (Röm
6,19; 1Kor 9,8; 15,32; Gal 3,15) – und die eine schöne Umschreibung dessen ist, was
Theologie in ihrem Kern ist –, macht auch klar, dass Paulus die Einwände selbst formuliert
und nicht etwa aus einer realen Diskussion übernimmt.
570 Dies ist ja in Röm 1,18–32 vorausgesetzt worden. Vgl. Jes 66,16; Joel 3,12; Ps 94,2;
96,13.
571 Für BULTMANN , Diatribe, 103 ist 3,6 ein anschauliches Beispiel für die Art und
Weise, wie Paulus mangels Argumenten vorgeht: »Wenn kein anderes Argument vorhanden
ist, so schlägt Paulus wie Epiktet den Gegner nieder mit dem Satze: Gott wäre nicht mehr
Gott, wenn der Gegner recht hätte (Röm 3,6).«
572 3,8 (und wahrscheinlich der ganze Abschnitt 3,1–9a) setzt voraus, dass von frühchrist-
lichen Theologen, die eine andere Position als Paulus einnahmen, nach argumentativen
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 209
Mit tí o~un schließt die Argumentation nicht nur formal, sondern auch
inhaltlich wieder an V. 1 an. Dabei deutet die Formel »eine Verlegenheit, ein
noch nicht ganz bewältigtes Missverständnis« an574.
Leider lässt die Mehrdeutigkeit von proecómeqa nicht mit letzter Sicherheit entscheiden, ob
die Frage aus V. 1 wiederholt oder gerade ihr Gegenteil ausgesagt wird 575. Deutet man die
Passiv-Mediumform aktivisch 576, dann würde die Frage lauten: »Sind wir (Juden anderen
gegenüber) im Vorteil?« 577 Wenn aber der Passivbedeutung Rechnung getragen wird, wäre
der Sinn: »Werden wir (Juden von anderen) übertroffen?«578 Die vehemente Verneinung der
Frage mit ohu pántwß579 würde aber gerade bei aktiver Deutung nicht so recht zur eindeuti-
gen Bejahung jüdischer Vorteile in VV. 1f passen. Ich ziehe daher die passive Deutung vor.
Im Hinblick auf das Gericht kann keine Gruppe die andere ausstechen. Als
Grund (gár) verweist Paulus auf seine bisherige Argumentation. Er gibt dabei
jedoch nicht vor, gezeigt zu haben, dass alle Menschen, Juden ebenso wie
Griechen, der Macht der Sünde ergeben sind580. Er hat lediglich alle dessen
beschuldigt. Die Anklage lautet, dass alle Sünder sind581. Wenn Paulus der
Meinung wäre, dass er diese Anklage vollumfänglich erwiesen hätte, dann
wären die folgenden Zitate für die Argumentation überflüssig. Jetzt aber führt
er zum Beweis seiner Anklage die »Worte Gottes« (3,2) an.
10b Ohuk ‘estin díkaioß ohu dè eˆiß,582 Es gibt keinen Gerechten, nicht einmal einen.
11 ohuk ‘estin Ho suníwn, ohuk ‘estin Es gibt keinen Verständigen, es gibt keinen,
Ho hekzjt¨wn tòn qeón.583 der Gott sucht.
12 pánteß hexéklinan, “ama Alle haben sich abgewendet, sie sind gemeinsam
hjcre´wqjsan≥ ohuk ‘estin Ho unbrauchbar geworden. Es gibt niemanden, der
poi¨wn crjstótjta, [ohuk ‘estin] rechtschaffen handelt, [es gibt] nicht einmal
“ewß Henóß.584 einen.
13 táfoß hane^wgménoß Ho lárugx Ihre Kehle (ist) ein offenes Grab,
ahut¨wn, taïß gl´wssaiß ahut¨wn mit ihren Zungen
hedolioüsan, ˙òß haspídwn Hupò betrügen sie, Otterngift (verbirgt sich)
tà ceílj ahut¨wn,585 unter ihren Lippen.
14 ˆwn tò stóma haräß kaì pikríaß Ihr Mund ist voll von Fluch
gémei≥586 und Bitterkeit.
15 hoxeïß oÓ pódeß ahut¨wn hekcéai Ihre Füße sind schnell, Blut
aˆima,587 zu vergiessen.
16 súntrimma kaì talaipwría hen Vernichtung und Not (ist)
taïß Hodoïß ahut¨wn,588 auf ihren Wegen
17 kaì Hodòn e˙r´j njß ohuk und den Weg des Friedens haben sie nicht
‘egnwsan.589 erkannt.
18 ohuk ‘estin fóboß qeoü hapénanti Gottesfurcht ist nicht vor ihren Augen.
t¨wn hofqalm¨wn ahu t¨wn.590
582 Qoh 7,20a: “oti ‘anqrwpoß ohuk ‘estin díkaioß hen t¨∆ g¨∆; Y 13,1d: ohuk ‘estin poi¨wn
crjstótjta, ohuk ‘estin “ewß Henóß.
583 Y 13,2: ku/rioß e˙ k touv ouj ranouv die÷ kuyen e˙pi» tou\ß ui˚ou\ß tw◊n aÓnqrw¿p wn
touv i˙dei√n ei˙ e¶s tin suni÷wn h· e˙kzhtw◊n to\n qeo/n.
584 Y 13,3a: pa¿ nteß e˙ xe÷ klinan a‚m a hjc rew¿qhsan ouj k e¶ stin poiw◊ n crhsto/thta
oujk e¶s tin eºwß e˚no/ß.
585 Y 5,10b: táfoß ha ne^ wgménoß Ho lárugx ahut¨ wn, taïß gl´ wssaiß ahu t¨wn h edolioü-
san. Y 139,4b: ˙òß haspídwn Hupò tà ceílj ahut¨wn.
586 Y 9,28a: oˆu haräß tò stóma ahutoü gémei kaì pikríaß kaì dólou.
587 Jes 59,7a: oÓ dè pódeß ahut¨ wn h epì ponjrían trécousin tacinoì h ekcéai aˆima.
588 Jes 59,7c: súntrimma kaì talaipwría h en taïß Hodoïß ahu t¨wn. (vgl. auch Prov 1,16)
589 Jes 59,8a: kaì Hodòn e˙r´j njß ohuk o‘idasin.
590 Y 35,2b: ohuk ‘estin fóboß qeoü hapénanti t¨wn ho fqalm¨ wn ahutoü.
591 Kompositionsgeschichtliche und quellenkritische Fragen sollen hier nicht weiter
interessieren. Vgl. dazu HOFIUS, Psalter, 47–50; KOCH, Schrift als Zeuge, 179–184;
FITZMYER, 334–336. Eine hilfreiche Gegenüberstellung der in Frage kommenden Texte
findet sich in H. HÜBNER, Vetus Testamentum in Novo (Göttingen, 1997) II, 52–55.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 211
Dem Einwand, dass die Schrift in all diesen Fällen von Nichtjuden rede, wird
in V. 19 mit einem Hinweis auf gemeinsam geteiltes Wissen der Boden
entzogen: Das Gesetz, das soeben zitiert worden ist593, spricht nämlich zu den
Juden594. Aus der Zitatensammlung ergibt sich nun ein zweifaches Resultat
(s.o. S. 169): Zum einen möchte Paulus denen »den Mund stopfen«, die noch
nach Ausflüchten suchen595. Er möchte eine wirkliche Argumentationskrise
herbeiführen, allen möglichen Einwänden im Vorfeld jegliche Grundlage
entziehen. Zum anderen soll sich die ganze Welt Gott gegenüber als schuldig
(Hupódikoß) erweisen.
20 dióti hex ‘ergwn nómou ohu di- Deswegen wird aus Gesetzeswerken
kaiwq´jsetai päsa sàrx hen´wpion kein Mensch (wörtl. alles Fleisch) vor ihm
ahutoü, dià gàr nómou hepígnwsiß gerechtfertigt, denn durch das Gesetz
Hamartíaß. (kommt nur) Erkenntnis der Sünde.
592 Dass dies früh so empfunden wurde, lässt sich an der interessanten rezeptionsge-
schichtlichen Tatsache ablesen, dass viele Handschriften der LXX im Anschluss an Ps 13,3
den gesamten Zitatenblock aus Röm 3 übernommen haben. Über Origenes gelangte diese
christliche Ausweitung des AT-Textes auch in die Vulgata. Vgl. dazu A. RAHLFS, Psalmi
cum Odis (Göttinger Septuaginta 10; Göttingen, 1931) 30f.
593 Auch wenn kein Zitat aus der Torah in 3,10–18 zu finden ist, wird nómoß (wie in 1Kor
14,21) als Pars pro toto für die gesamten Heiligen Schriften verwendet.
594 Diese hermeneutisch nicht über jeden Zweifel erhabene »Maxime« stimmt allerdings
auch sachlich mit der Strategie von 1,18–32 gegenüber 2,1ff überein, denn dort hat Paulus die
Anklage gegen die Nichtjuden auch auf die Juden übertragen.
595 Vgl. Ps 63,12; 107,42; Hiob 5,16; 1Makk 9,55.
212 III. Analyse paulinischer Texte
bestehen (vgl. Gal 2,16)596. Neu an dieser Schlussfolgerung ist der Begriff der
‘erga nómou597. Diese Erweiterung ist allerdings für den weiteren Verlauf der
Argumentation unerlässlich, weil damit angedeutet ist, dass es neben dem
bisherigen Weg der »Rechtfertigung durch Taten« einen anderen, gleich
darzulegenden Weg gibt. Die Begründung in 20b ist durch die bisherige
Argumentation nur ungenügend vorbereitet: »durch Gesetz Erkenntnis der
Sünde«.
3. Logische Analyse
Die logische Analyse eines relativ langen Argumentationsganges steht
zunächst vor der Aufgabe, den semantischen Reichtum des Textes auf jenes
verantwortbare Maß zu reduzieren, welches eine Verknüpfung der tragenden
Aussagen in logischer Hinsicht erlaubt. Ob sich im Falle von Röm 1,18–3,20
ein logisches architektonisches Gerüst freilegen lässt, das zum Verstehen des
Textes als Ganzes hilft, ist hier zu prüfen. Dabei darf die Rolle von 1,18–32
für die Frage nach der argumentativen Geschlossenheit des gesamten Röm
nicht unterschätzt werden598.
596 Der Wortlaut erinnert deutlich an Y 142,2: kaì m`j e˙sélq∆ß e˙ß krísin metà toü
doúlou sou “oti ohu dikaiwq´jsetai hen´wpión sou päß z¨wn (»und geh nicht ins Gericht
mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht«). Um ein Zitat handelt es sich
dennoch nicht (anders WILCKENS, I, 173).
597 Vgl. zum Begriff o. S. 141f.
598 POPKES, Aufbau, 490: »Die logische Struktur von 1,18–32 ist von größter Wichtigkeit
für das Gelingen des ganzen Diskurses.«
599 SCHULZ, Anklage hat anhand unterschiedlicher religionsgeschichtlicher Bezugspunkte
gezeigt, dass »von einer religionsgeschichtlichen Einheit der in Röm. 1,18ff vorliegenden
›Anklage‹ keine Rede sein kann.«
600 Auch dieser Schritt kann nicht rein formal durchgeführt werden, sondern muss auf die
Gewichtungen, die sich in der Exegese ergeben, achten.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 213
601 Auffällig für dieses Aussagefeld ist die Häufung von Begriffen mit a-privativum und
Negationen. Dies ist für die antithetische Struktur der gesamten Argumentation von
Bedeutung.
602 »Jenseitige« und »diesseitige« Aspekte der Zornesstrafe werden hier nicht voneinan-
der abgehoben. Für die Logik des Textes ist eine Differenzierung der Zeitebenen nicht weiter
relevant.
214 III. Analyse paulinischer Texte
Diese acht Felder betreffen die Hauptaussagen des Textes. Daneben spielen
noch zwei Antithesen eine Rolle, die sich nicht als Aussagen deuten lassen:
der Gegensatz »Juden/Nichtjuden« und der Gegensatz »innen/außen«.
Die fehlende Verbindung der einzelnen Sätze zueinander durch »Mittel-
terme« zeigt, dass eine Formalisierung mit den Mitteln aristotelischer
Termlogik wenig Aussicht auf Erfolg hat603.
Damit ist aber der Inhalt von 1,18 nicht ganz erfasst. Der Hinweis auf die
hal´jqeia, die nach den oben getroffenenen exegetischen Entscheidungen zum
Feld der »Erkenntnis« gehört, sollte in der Implikation eine Rolle spielen. Nur
dadurch wird die Bedeutung von 1,19–21 für die Argumentation gebührend
berücksichtigt.
Die Formalisierung verlangt aber eine weitere Entscheidung: Offenbart
sich Gottes Zorn, wenn Menschen die Wahrheit erkennen und Unrecht
handeln, oder wenn es der Fall ist, dass wenn Menschen die Wahrheit
erkennen, sie dann Unrecht handeln? Also: (G∧A)→O oder (G→A)→O. Eine
Entscheidung ist weder nach logischen noch nach exegetischen Gesichtspunk-
ten einfach zu fällen604. Es gilt zu prüfen, in welchen Fällen beide logische
Aussagen wahr sind. Zur besseren Darstellung möchte ich hier auf aussagen-
logische Wahrheitstafeln zurückgreifen (s.o. S. 83):
befindet (Figur III) lassen sich bei allgemein-affirmativen Sätzen nur partikuläre Schlüsse
ziehen. Z.B. aus den Sätzen »Alle Menschen sind Gott-Erkennende«, und »Alle Menschen
sind Sünder«, lässt sich (nach Darapti) nur die »schwache« Aussage schlussfolgern: »Einige
Sünder sind Gott-Erkennende.« Partikuläre Aussagen sind jedoch gewiss nicht das Argumen-
tationsziel dieses Abschnitts.
604 An dieser Stelle möchte ich meinen logischen Gesprächspartnern, Michael Groneberg
und Theodor G. Bucher danken, dass sie mich vor einer logisch falschen Formalisierung
bewahrt haben. Damit sei auch eine Änderung gegenüber der eingereichten Habilitations-
schrift angezeigt.
216 III. Analyse paulinischer Texte
G A O (G → A) → O (G ∧ A) → O
w w w (w) w (w) (w) w (w)
w w f (w) f (f) (f) f (f)
w f w (f) w (w) (f) w (w)
w f f (f) w (f) (f) w (f)
f w w (w) w (w) (f) w (w)
f w f (w) f (f) (f) w (f)
f f w (w) w (w) (f) w (w)
f f f (w) f (f) (f) f (f)
Die Tabelle gibt Auskunft darüber, wie sich der Wahrheitswert der Gesamt-
aussage verändert je nach dem Wahrheitswert der einzelnen Aussagen. Sie ist
so zu lesen, dass in den drei linken Spalten alle acht möglichen Kombinatio-
nen aufgezählt werden. Die beiden rechten Spalten notieren jeweils außen in
Klammern die daraus resultierenden Wahrheitswerte für die darüber liegen-
den Aussagen und in Fettdruck in der Mitte den Wahrheitswert der Gesamt-
aussage. Was im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung interessiert, sind
jene Fälle, bei denen die Aussagen (G→A) und O, bzw. (G∧A) und O wahr
sind und die Gesamtaussage wahr ist605. Hier zeigt sich der Unterschied
zwischen beiden Formalisierungsvorschlägen:
G A O (G → A) → O (G ∧ A) → O
w w w (w) w (w) (w) w (w)
f w w (w) w (w)
(G→A)→O kennt zwei und (G∧A)→O nur einen Fall, auf den die gestellte
Bedingung zutrifft. Die Unterschiede sind exegetisch nicht ohne Belang: Die
Formalisierung (G→A)→O wäre auch dann wahr, wenn die Menschen Gott
nicht erkennen (Wahrheitswert f für G), sie sündigen und Gottes Zorn sie
trifft. Die Erkenntnis Gottes durch die Torah oder durch die Natur jedoch
bildet in Röm 1f (und nur um diesen Text geht es hier) einen so grundlegen-
den Ausgangspunkt der paulinischen Befindlichkeitsanalyse (1,19f), dass der
Argumentation schwerlich entnommen werden kann, die Gottesstrafe träffe
sündige Menschen auch dann, wenn sie Gott nicht erkannt hätten. Der Text
lässt dem Menschen keine Möglichkeit, der Erkenntnis Gottes zu »entgehen«.
Daher ist eine Formalisierung vorzuziehen, die ausschließlich den Wahr-
heitswert »wahr« für G kennt, also: (G∧A)→O606.
[2] (G ∧ A) → O Wenn Menschen die Wahrheit erkennen und sie unrecht handeln,
dann kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.
605 Diese
Einschränkung »unterstellt«, dass Paulus von der Wahrheit seiner Aussagen
ausgeht. Daher interessieren jene Fälle nicht, die das Falschsein einzelner oder zusammenge-
setzter Aussagen postulieren.
606 Mit der Exportationsregel, eine logische Äquivalenzregel der modernen Aussagenlo-
gik (vgl. BUCHER, Angewandte Logik, 118), ließe sich (G∧A)→O umwandeln in G→(A→O).
Für weitergehende Analyse könnte das von Interesse sein.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 217
Dass die Struktur dieses Satzes die logische Hauptader des Textes darstellt,
wird dadurch sehr wahrscheinlich, dass sich eine ähnliche Struktur auch
anderen Stellen zugrunde legen lässt:
G (Wahrheitserkenntnis) A (Sünde) O (Strafe)
1,32 Menschen erkennen (etwas Menschen handeln un- Die Rechtssatzung Gottes
von) Gottes Wahrheit im recht (oÓ tà toiaüta fordert den Tod (tò di-
Sinne eines moralischen prássonteß) und er- kaíwma toü qeoü “oti ...
Urteils (o“itineß he- freuen sich am Unrecht ‘axioi qanátou e˙sín).
pignónteß). anderer .
2,2 Dass der Maßstab im Ge- Menschen handeln da- Das Gerichtsurteil Gottes
richt die »erkannte Wahr- durch unrecht, dass sie (tò kríma toü qeoü)
heit« (katà hal´jqeian) das von ihnen inkrimi- kommt über (hepí wie in
ist, setzt eine solche Er- nierte Fehlverhalten an- 1,18) diese Menschen.
kenntnis voraus. derer selbst praktizieren
(toùß tà toiaüta
prássontaß).
2,8 Es gibt eine »Wahrheit« Menschen handeln un- Nach dem Prinzip der Ver-
(hal´jqeia), die soweit er- recht, indem sie lieber geltung erhalten diese Men-
kannt worden ist, dass man der Ungerechtigkeit (ha- schen von Gott horg`j kaì
sich ihr gegenüber als un- dikía; wie in 1,18) ge- qumóß.
gehorsam erweisen kann. horchen (peíqw) als der
Wahrheit.
2,12b Versteht man von 2,20 her Menschen sündigen Menschen werden von Gott
die Torah als »Verkörpe- (“jmarton). gerichtet (kriq´jsontai pa-
rung von Erkenntnis und rallel zu hapoloüntai in
Wahrheit«, dann haben die 12a).
Menschen, die der Torah
gegenüber verpflichtet sind
(“osoi hen nóm^w), eine kla-
re Erkenntnis.
Es geht hier nicht um einfache Wortwiederholungen oder um eine Wiederauf-
nahme bestimmter Motive, sondern um eine für die logische Argumentations-
struktur des Textes grundlegende Form der Korrelation von Aussagen. Die
gewählte Formalisierung [2] stellt damit im Rahmen der Beschränkungen, die
komplexe Aussagen durch solche Formalisierungen erfahren, m.E. eine
angemessene Form dar.
Betrachtet man nun die gesamte Argumentation von ihrem (vermeintli-
chen) Ziel in 3,9 her, dann wäre das einfachste logische Gerüst für den ganzen
Text eines, das als zweite Prämisse die Aussage der Protasis von Satz [2]
postuliert. Für alle Menschengruppen, für die gezeigt werden kann, dass G∧A
zutrifft, kann auf Satz O geschlossen werden. Leider ist der Argumentations-
verlauf etwas verwirrender.
Die VV. 19–23 lassen sich zunächst als modus ponens zum Basissatz [2]
lesen: Die Menschen haben Gott durch seinen in der Natur wahrnehmbaren
218 III. Analyse paulinischer Texte
Wenn die VV. 19–23 als Einsetzung der Protasis von Satz [2] gelesen werden
können, dann darf die erste par´edwken-Aussage in V. 24 als conclusio
aufgefasst werden:
607 Vielleicht – um die Logik weiter in das Gebiet der Theologie eindringen zu lassen – ist
die Aussage S aus einem anderen Grund nötig: 1,21a scheint vorauszusetzen, dass »wenn
Erkenntnis Gottes, dann Anbetung Gottes«. Das hieße aber nach modus tollens, dass wenn
Menschen Gott nicht anbeten (was nachweislich für viele Nichtjuden aus jüdischer Sicht der
Fall ist), das zur Folge hat, dass sie ihn nicht erkannt haben (was Paulus aber nach 1,19f als
eine falsche Aussage ansehen musste).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 219
Die Kleinbuchstaben lassen offen, welche der Basissätze hier zum Ausdruck
gebracht werden. Die Ähnlichkeit zum Basissatz [2] ist so offensichtlich609,
gefragt werden muss, ob sich 2,1 den Aussagefeldern (G, A, O), die in 1,18
vorkommen, zuordnen lässt.
Am deutlichsten ist das Aussagefeld A (»Menschen sündigen«) zu erkennen: Die Richtenden
handeln verkehrt nach ihren eigenen Maßstäben und – wie 2,2 hervorhebt – auch nach
göttlichen Kriterien. Der Aspekt der Erkenntnis (Satz G) ist im Akt des Richtens (krínw)
impliziert. Auf die gemeinsame Erkenntnis wird in 2,2 mit o‘idamen explizit Bezug
genommen. Im Verlauf der Argumentation wird zudem der Erkenntnisvorsprung, den die
Torah als Offenbarungmittel den Juden verschafft, ausdrücklich erwähnt (2,17–20; 3,1) 610.
608 Ich rechne beide Verse zur Aussage der »Zornesstrafe«, weil sich zum anfänglichen
parédwken ahu toùß Ho qeóß eine sachliche Entsprechung am Ende von V. 27 in dem
Hinweis auf den »Lohnempfang für ihre Verirrung« (t`jn hantimisqían ”jn ‘edei t¨j ß plánjß
ahut¨wn hen Heautoïß hapolambánonteß) findet.
609 Auch in diesem Fall habe ich für die Protasis eine Implikation und keine einfache
Konjunktion gewählt, weil es m.E. sachlich begründet erscheint, dass die Reihenfolge eine
Rolle spielt. Es könnte schließlich jemand etwas tun und andere dafür verurteilen, nachdem er
oder sie zur Einsicht gelangt ist, dass es falsch ist.
610 Das krínei tòn “eteron in 2,1 hat eine sachliche Entsprechung in Ho didáskwn
“eteron in 2,21 und wird in 2,27 auf den Kopf gestellt.
220 III. Analyse paulinischer Texte
Von Gottes strafendem Zorn (Satz O) ist in 2,1 nicht die Rede, jedoch von der Schuld (Satz
U: hanapológjtoß).
Wie ist nun das logische Verhältnis von 2,1ff zu 1,18–32 zu verstehen? Nach
der hier vorgeschlagenen Formalisierung stellt 2,1a die conclusio (U:
Menschen sind schuldig) voran und begründet (gár) die Aussage über die
zweite Prämisse (1b) des Basissatzes [2]. Die für den Schluss notwendige
erste Prämisse ist in 1,18 formuliert worden (daher der Anschluss mit dió)
und wird zudem in 2,2 mit sehr ökonomischen sprachlichen Mitteln wieder-
holt611. Aufgrund einer theologischen Prämisse, die nicht explizit erwähnt
wird, sind die Sätze U und O für Paulus austauschbar.
Der Abschnit 2,3–5 ist aufgrund der rhetorischen Frageform logisch nicht
formalisierbar und auch für den Argumentationsverlauf aus logischer
Perspektive vernachlässigbar. Inhaltlich wird hier v.a. deutlich gemacht, dass
es aus dem Wahrheitszusammenhang der Sätze [2] und [3] keine argumenta-
tive Fluchtmöglichkeit gibt (2,3). Auch die Güte Gottes (2,4) ist keine
»Hintertür«, denn sie führt nicht am Gericht vorbei, sondern zur Buße! So
bleibt in 2,5 nur die prophetische Ankündigung des göttlichen Zorns (mit
611 Abaelard,
der mittelalterliche Logikmeister, versteht 2,1 als afortiori-Schluss aus
1,18–32: »Da diese, denen das geschriebene Gesetz nicht gegeben worden ist, sich ja nicht
mit ihrer Unkenntnis Gottes für die Sünde entschuldigen können, das heißt für die Mißach-
tung des Schöpfers, kann es folglich überhaupt keiner. Und dies bedeutet: ›Darum bist du
unentschuldbar, oh Mensch, ein jeder, der du richtest‹.« (Exp. in Epist. ad Rom., übers. R.
Peppermüller, FC I/26:1, 170f) Leider ist dieses Argumentationsmuster logisch nicht
formalisierbar.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 221
einem deutlichen Rückbezug auf 1,18), die sicherlich eher pathetischen als
logischen Zielen dient612.
2,6–11 bringt eine neue Aussage in den Gedankengang ein: Gott ist
unparteiisch (11) und richtet daher alle Menschen nach dem gleichen Prinzip
(6). Die Begründungspartikel gár in 2,11 macht deutlich, dass sich aus
diesem Axiom über Gott das Prinzip der Gleichbehandlung im Gericht (V. 6)
folgern lässt, welches wiederum zwei Aussagekonstellationen zur Folge hat:
Wenn Menschen Gott erkennen und sündigen, erwartet sie das Vernichtungs-
urteil (VV. 8f). Wenn Menschen Gutes tun, erwartet sie das ewige Leben
(VV. 7.10). Damit greifen die Aussagen in VV. 6 und 11 hinter die Argumen-
tationskette von 1,18 zurück613. Nur dadurch kann in die Argumentation eine
Aussage eingebracht werden, die im inhaltlicher Spannung zum Basissatz in
1,18 steht: E→D (»Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im
Gericht als gerecht an«). Die logische »Architektur« geht von 2,11 aus:
Gott ist unparteiisch (2,11).
(G∧A)→U E→D
Der Schluss von 2,11 zu 2,6 bedarf kaum einer logischen Formalisierung, um
plausibel zu erscheinen, weil Unparteilichkeit definiert werden kann als das
Prinzip, dass alle Menschen gleich behandelt werden. V. 6 ist daher weniger
ein Schluss als vielmehr die Wesensbeschreibung von V. 11. Dennoch bedarf
es einer unausgesprochenen Prämisse, um von 2,11 auf 2,6 zu gelangen: das
Prinzip der Gleichbehandelung richtet sich nach dem Kriterium der »Werke«.
Generell wären auch andere Kriterien denkbar, aber auf dem theologischen
612 Wenn das Motiv der »Sturheit« in 2,5 als Verkürzung für das Aussageverhältnis G∧A
(Wenn Erkenntnis dann Sünde) verstanden werden kann, dann hätten wir in 2,5 eine
Wiederaufnahme der logischen Grundstruktur von 1,18.
613 Dass sich aus dem »Axiom« der Unparteilichkeit Gottes die Rechtfertigungslehre
folgern ließe, ist eine etwas überzogene Einseitigkeit in den Publikationen von BASSLER
(»Divine Impartiality« und Divine Impartiality), für die sie zu Recht kritisiert worden ist. Die
hier vorgelegte logische Analyse kann jedoch bestätigen, dass zumindest für 1,18–3,20 die
Aussagen in 2,6.11 das argumentative Epizentrum bilden und dass 2,11 zu Recht ein
»Axiom« genannt werden muss.
222 III. Analyse paulinischer Texte
Boden, auf dem Paulus argumentiert, denkt und lebt, ist diese Annahme im
aristotelischen Sinne zu den Endoxa (»allgemein geteilten Meinungen«) zu
zählen614.
Auch der »Schluss« von 2,6 auf 2,7–10 bedarf der Zusatzprämisse, dass es
nur zwei Arten von Werken gibt (gute oder schlechte) und entsprechend nur
zwei Gerichtsausgänge (Heil oder Vernichtung). Diese Antithesen, die im
Hintergrund leitend auf die Argumentation wirken615, sind als kontradiktori-
sche Gegensätze aufzufassen: Die Negation von beiden kann nicht wahr sein.
Dadurch werden aber einige Elemente der Aussagefelder als gegenseitige
Negationen aufeinander bezogen:
A ›–‹ E Entweder Menschen handeln unrecht oder Menschen verhalten sich gut.
O ›–‹ D Entweder Gottes Zorn kommt als Strafe über die Menschen oder Gott
anerkennt Menschen im Gericht als gerecht.
Nach dem vierten und fünften Axiom der stoischen Logik lässt sich aus der
Negation eines Gliedsatzes der andere schließen: Aus ¬A folgt E und aus ¬E
folgt A; entsprechend folgt aus ¬O D und aus ¬D folgt O. Der wichtigste
Beitrag der VV. 6–11 für den weiteren Argumentationsverlauf ist jedoch der
neue Basissatz aus VV. 8.10:
[4] E→D Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im Gericht als gerecht
an.616
2,12 kann logisch nicht als Begründung (gár) von V. 11 aufgefasst werden.
Vielmehr stellt V. 12 eine erläuternde Konsequenz von 11 dar: Weil Gott alle
gleich beurteilt, hebt der Besitz der Torah die Unumgänglichkeit von Satz [4]
nicht auf. V. 12 kann wie folgt formalisiert werden:
12a (¬T∧A)→O Wenn Menschen die Torah nicht haben und sie Unrecht tun, dann
kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.
12b (T∧A)→O Wenn Menschen die Torah haben und sie Unrecht tun, dann
kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.«
Wenn also Gott Juden wie Nicht-Juden nach dem gleichen Prinzip richtet und
wenn der Zusammenhang von 1,18 nicht aufgelöst werden kann, dann spielt
es keine Rolle, ob sich die Erkenntnis der Wahrheit aus der Torah herleitet
oder nicht617. Deswegen ist die Aussage in 12b nur eine Variante des Leitsat-
zes in 1,18 (s.o. S. 217) und braucht nicht als eine eigene Basisaussage der
Argumentation betrachtet zu werden.
2,13–16 ist nicht nur inhaltlich, sondern auch argumentativ-logisch schwer
zu verstehen. V. 13 kann aufgrund des Umkehrungsverhältnisses, in dem die
Aussagen A/E und O/D zueinander stehen, als logische Begründung (gár)
von V. 12 aufgefasst werden. Die Aussage, dass »die Täter des Gesetzes von
Gott im Gericht als gerecht anerkannt werden«, lässt sich auf den Basissatz
[4] zurückführen.
V. 14 scheint ein Beispiel für E→D zu sein. Für eine Formalisierung in
diesem Sinne wäre jedoch der folgende Wortlaut zu erwarten: »Wenn
Nichtjuden von Natur aus die Forderungen des Gesetzes in die Tat umsetzen,
dann werden sie von Gott als gerecht anerkannt.« Statt dessen formuliert die
Apodosis: »… jene, die das Gesetz nicht haben, sind sich selbst ein Gesetz
(oˆutoi nómon m`j ‘econteß Heautoïß e˙sin nómoß).« V. 15 macht inhaltlich
deutlich, dass die Nichtjuden ein inneres moralisches Kriterium haben, das
dem der Torah analog ist618. Das wäre eine Aussage, die zum Feld »Erkennt-
nis der Wahrheit« (G) gehört. Jedoch ist das Verhältnis zwischen den
Aussagen E (»Menschen, in diesem Fall Nichtjuden, handeln im Sinne der
Torah gerecht«) und G nicht deutlich619. V. 16 fällt sprachlich aus dem
Rahmen und setzt inhaltlich neue Akzente: Das Gericht des Verborgenen (tà
kruptá) findet nach dem Evangelium statt (katà tò ehuaggélion)620. Der
prophetisch-proklamatorische Stil und die zukünftige Zeitebene machen eine
logische Analyse unmöglich.
Auf rhetorischer Ebene betreibt 2,14–16 ganz ähnlich wie 2,25–29 eine »Dekonstruktion« der
zwei zentralen »identity marker« jüdischen Selbstverständnisses: Diejenigen, die kein Gesetz
(im Sinne von Torah) haben, sind sich selbst Gesetz; ebenso wird den »Unbeschnittenen« ihr
617 Das Adjektiv hanómwß bedeutet zwar in diesem Kontext »ohne Torah«, impliziert aber
nicht »ohne Erkenntnis«. Eine Erkenntnis aus der Schöpfung ist ja in 1,19–21 von Paulus für
Nichtjuden postuliert worden.
618 MELANCHTHON deutet 2,14f als einen »außerordentlich geschickten und scharfsinni-
gen [enthymematischen] Beweisschluß (eleganti et arguto enthymemate)«: »Die Heiden
haben ein Gewissen […]; daher gibt es (in ihnen) ein Gesetz. Denn was ist das Gewissen
anderes als ein Urteil über unsere Tat, das von einem Gesetz oder einer für alle gültigen
Regel gefordert wird?« (Loci communes 3,7f, hrsg. Pöhlmann, 100f). Aristotelisch: Wenn das
Gewissen ein Gesetz ist und wenn die »Heiden« ein Gewissen haben, dann haben die
»Heiden« ein Gesetz.
619 Die Formalisierung E→D wäre näher an der Formulierung des Textes, scheint aber
kaum sinnvoll. Die Formalisierung D→E passt eher in den Zusammenhang, verlangt aber ein
unnatürliches Verständnis des Satzes im Sinne von: »Wenn Nichtjuden das Gesetz halten,
dann zeigt sich darin, dass sie sich selbst Gesetz sind.«
620 Richtet Gott die Menschen »nach den Werken« (2,6: katà tà ‘erga) oder »nach dem
Evangelium« (2,16)? Oder besteht darin kein Widerspruch?
224 III. Analyse paulinischer Texte
Handeln als »Beschneidung« von Gott angerechnet. M.E. ist das ein rhetorisch effektvoller
Angriff gegen eine Haltung, die Paulus als falsche religiöse kaúcjsiß (2,17.23) auffasst. Für
den logischen Verlauf des Textes sind diese beiden Abschnitte dadurch wichtig, dass sie die
Bedeutung der Werke im Hinblick auf das göttliche Gericht durch das Beispiel »torah-
konformer« Nichtjuden untermauern. Auf eine logische Formalisierung in allen Einzelheiten
kann demnach verzichtet werden.
In den VV. 17–20 findet sich die lange Protasis eines abgebrochenen Konditi-
onalsatzes. Rhetorisch effektvoll soll dadurch der Widerspruch zwischen
Anspruch und Tat, der bereits in 2,1–3 affirmiert wurde, zur Sprache gebracht
werden. Für die logische Funktion des schweren nómoß-Begriffs ist die
Aussage in 1,20 von größter Wichtigkeit: Die »Torah« ist Verkörperung von
Erkenntnis und Wahrheit.
2,21–24 greift deutlich 2,1–3 wieder auf und bietet ein Beispiel für die dort
geäußerte Protasis: »Jemand erkennt die Wahrheit (in diesem Fall eindeutig
durch die Torah) und übertritt die Torah« (G∧A). Der Schluss, dass sie
schuldig sind, braucht nicht mehr explizit gezogen werden. In gewisser Weise
bilden die VV. 17–24 ein argumentatives Pendant zu 1,19–32. Hier wie dort
wird für den Basissatz anhand einer Anklage der in der Protasis genannte Fall
als zweite Prämisse gesetzt. Der Schluss ist in beiden Fällen evident: Sie sind
schuldig, bzw. Gottes Zornesstrafe kommt über sie.
Die Argumentation wechselt in 2,25–29 vom Topos des Gesetzes zum
Topos der Beschneidung. Die Funktion ist der von 2,14–16 analog (s.o.). Der
geringe logische Wert für den gesamten Gedankengang kann anhand eines
Formalisierungsversuchs für die VV. 25–27 deutlich gemacht werden:
Der Text operiert mit den Sätzen »Menschen sind beschnitten« (B), »Menschen sind
unbeschnitten« (¬B), »Menschen verhalten sich gut nach dem Gesetz« (E) und »Menschen
übertreten das Gesetz« (¬E; sachlich identisch mit A). Der Text spielt jedoch mit einer
metonymischen Bedeutung von »Beschnittenheit, bzw. Unbeschnittenheit« im Sinne von
»Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit zum Heilsbund«. Im Sinne einer Begrenzung auf
eine möglichst reduzierte Anzahl von Basissätzen soll im Folgenden mit D (»Beschnitten-
heit« im Sinne von Zugehörigkeit zum eschatologischen Heil) und ¬D (»Unbeschnittenheit«
im Sinne von Nichtzugehörigkeit zum Heilsbund; sachlich identisch mit Satz O) operiert
werden 621. Das führt zu folgender Formalisierung:
2,25a (B∧E)→D Wenn »Beschneidung« und »Gesetzesgehorsam« dann »Heil«.
2,25b (B∧¬E)→¬D Wenn »Beschneidung« und »kein Gesetzesgehorsam« dann
»kein Heil« (also: »Zornesstrafe«; ähnlich in 2,27).
2,26 (¬B∧E)→D Wenn »keine Beschneidung« und »Gesetzesgehorsam« dann
»Heil«.
Da sich der Wert von D immer nach dem Wert von E richtet, zeigt die Formalisierung sehr
schön, dass der Wert von B für die Implikation keine Rolle spielt. Die einzelnen Sätze sind
621 Die Nähe zur Rechtfertigungssprache ist in 2,26 (Hj hakrobustía ahu toü e˙ß peri-
tom`jn logisq´j setai) auffällig (vgl. Röm 4,3.9).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 225
logisch nicht voneinander ableitbar, stehen aber auch in keinem logischen Widerspruch
zueinander 622.
622 Ein Beispiel aus der Alltagssprache kann das vielleicht verdeutlichen: (1) »Wenn es
hell ist und regnet, dann kommen die Schnecken hervor.« (2) »Wenn es hell ist und es nicht
regnet, dann kommen die Schnecken nicht hervor.« (3) »Wenn es nicht hell ist und es regnet,
dann kommen die Schnecken hervor.« Es bedarf keiner großen Überlegung, um festzustellen,
dass die einzige wesentliche Beziehung in diesen Konditionalsätzen die zwischen »Regen«
und »Schnecken« ist.
623 Möglicherweise wäre hier die antike Topik-Lehre nützlicher. Interessanterweise
spiegelt Röm 3,1ff eine Situation wider, bei der jemand mit zentralen Inhalten paulinischer
Theologie das Gleiche unternimmt wie Paulus mit der korinthischen These in 1Kor 15,12–19:
eine reductio ad impossibile.
624 Rhetorisch kann eine solche abschließende Allgemeinaussage als argumentum ad
lapidem bezeichnet werden.
625 Der von Paulus formulierte Einwand setzt ein recht pragmatisches Sündenverständnis
voraus: Wenn eine Tat etwas Gutes hervorbringt, ist es keine Sünde. Wenn also die Folgen
sog. »sündiger« Taten am Ende das Wirken von Gottes Wahrheit und Recht hervorbringen,
können es keine »sündigen« Taten sein. Die ganze paulinische Konstruktion wäre ad
absurdum geführt: »Sünde« wäre keine »Sünde«!
226 III. Analyse paulinischer Texte
könnte, vor? Dass er auch hier weniger sachlich begründend auf die Einwände reagiert, zeigt
das Verdammungsurteil am Ende von V. 8.
3,9b begründet die negative Antwort auf die Frage, ob es am Ende nicht sogar
nachteilig sein könnte Jude zu sein. Dies ist nicht der Fall, weil der Text
insgesamt alle unter Anklage gestellt hat: Juden und Nichtjuden. Damit wird
aber ein Fazit gezogen, dass sich logisch nicht aus dem bisherigen Verlauf
folgern lässt. Der Text ist bisher im Wesentlichen von zwei Basisimplikatio-
nen ausgegangen:
[2] (G∧A)→O »Wenn es der Fall ist, dass (wenn Menschen die Wahrheit erkennen
und sie dann unrecht handeln), dann kommt Gottes Zorn als Strafe
über sie.«
[4] E→D »Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im Gericht als
gerecht an.«
Für alle diese Implikationen hat die Argumentation im Sinne eines einfachen
modus ponens eine zweite Prämisse formuliert, die dem Satz der Protasis
entspricht. Dabei wird die Protasis von Satz [2] sowohl für Nichtjuden (1,19–
32) wie für Juden (2,1ff) belegt. Die Protasis für Satz [4] wird zwar an zwei
Stellen für Nichtjuden belegt (2,14–16.26–29), aber 2,10 formuliert diesen
Grundsatz ganz allgemein für Nichtjuden und Juden. Es ist gezeigt worden,
dass Juden und Nichtjuden unter der Macht der Sünde stehen. Es ist aber nicht
gezeigt worden, dass alle unter der Macht der Sünde stehen626.
Dass dieses pántaß logisch nicht deduzierbar ist, macht ein Detail im Einwand in 3,3
deutlich: Dort ist – durchaus im Sinne der bisherigen Argumentation – nur von der Untreue
der tineß die Rede. Hat Paulus eine Partikuläraussage stillschweigend in eine Allgemeinaus-
sage verwandelt?
Als ob Paulus gemerkt hätte, dass eine solche Allgemeinaussage als Fazit von
1,19–3,8 nicht gezogen werden kann, schickt er eine Reihe von Schriftworten
nach, die voller Allgemeinaussagen sind627. Damit wird zwar die Allaussage
in 3,9b durch Schriftzitate a posteriori begründet628, aber es entsteht zugleich
eine deutliche Spannung zur Einsetzung der Protasis des Basissatzes [4]. Es
gibt eine Menge derer, die durch Werke gerecht werden, nur scheint diese
Menge leer zu sein. Die diskursive »Leerung« vollzieht sich in 3,9b–18.
Dieses Problem wird durch die letzte Aussage in 3,20 nicht aufgehoben,
sondern verschärft. Hier wird der Schluss gezogen (dióti), dass durch das
626 In
Fragen der empirischen Induktion ist Paulus vielen modernen Theologen darin ein
»Vorläufer«, dass er sich um die konkrete Empirie wenig kümmert.
627 Ohuk ‘estin (10b.11a.b.12b), pánteß (12a), ohudè eˆ iß (10b) und [ohuk ‘estin] “ ewß Henóß
(12c). Ein eigenständiger argumentativer Wert ist für 3,13–18 zumindest aus logischer Sicht
nicht erkennbar.
628 Im Sinne einer gewissen argumentativen Ökonomie stellt sich die Frage, warum die
Argumentation nicht sogleich ihren Gang von diesen Schriftzitaten genommen hat.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 227
torah-gemäße Handeln kein Mensch von Gott als gerecht anerkannt wird. Der
Widerspruch zwischen 3,20 und 2,13b ist unübersehbar:
2,13b: oÓ poijtaì nómou 3,20: hex ‘ergwn nómou ohu dikaiwq´jsetai päsa
dikaiwq´jsontai sàrx hen´wpion ahutoü
629 In diesem Falle würde das Prinzip des »ausgeschlossenen Dritten« für eine zentrale
theologische Aussage nicht gelten.
630 Ich verwende hier die termlogischen Konstanten aus der Analyse von Gal 3,6–14.
631 Der vorliegende Gedankengang ist dem des Origenes in Philoc 9,3 (ed. M. Harl, 358f)
ähnlich: Origenes stellt fest, dass sich die Aussagen zu nómoß in einer Art und Weise logisch
widersprechen, die nur dadurch aufgelöst werden kann, dass Paulus den Begriff mit
unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht.
632 Die Implikation G→E (»Wenn Menschen im Gesetz Gottes Wahrheit erkennen, dann
handeln sie gerecht«) kommt in 1,18–32 nicht vor. Ihre Unmöglichkeit gehört wohl zum
Überzeugungssystem des Paulus.
228 III. Analyse paulinischer Texte
mit 1,18 geschlossen werden, dass alle unter dem Verdammungsurteil Gottes
stehen (Satz O), was mit der Negation von Satz E (»Gott anerkennt Menschen
im Gericht als gerecht«) identisch ist. Wenn man mit 3,9b–18 nun im modus
ponens die Protasis von 1,18 auf die gesamte Menschheit anwendet, dann
ergibt sich daraus, dass niemand von Gott als gerecht anerkannt werden kann.
c) Fazit
Unter dem Vorbehalt, dass die Reduzierung auf bestimmte semantische
Felder und dass die hier vorgeschlagene Formalisierung den Aussagen des
Textes entsprechen, kann die Argumentation von Röm 1,18–3,20 über weite
Strecken als logisch stringent erwiesen werden. Von 1,18 ausgehend lassen
sich viele Abschnitte als ein modus ponens verstehen:
1,18 (G∧A)→O Prämisse 1
1,19–23 G∧A Prämisse 2
1,24 (G∧A)→O Konklusion (nach modus ponens)
1,25 G∧A
1,26f (G∧A)→O
1,28a G∧A
1,28b (G∧A)→O
1,29–31 A
1,32 (G∧A)→O
2,1f (G∧A)→U (wobei U und O für Paulus austauschbar sind)
2,3–5 nicht formalisierbar
2,6–11 Axiomatik in 2,6.11, aus der sich sowohl (G∧A)→U als auch E→D herleiten.
2,12 Logische Irrelevanz der Torah für A→U
2,13–3,9 nicht formalisierbar
3,10–18 A
3,19 logisch nicht relevant
3,20 (G∧A)→O
Die schwerste Frage, der sich die logische Analyse zu stellen hat, ist die nach
dem Verhältnis von 2,13b und 3,20. Sie muss m.E. offen bleiben: Die
Bestimmung Dunns zum Begriff ‘erga nómou ist nicht über jeden Zweifel
erhaben. Sich an dieser Stelle eindeutig für diese These zu entscheiden, wäre
zwar die eleganteste, aber auch die bequemste Lösung. Rein methodisch sollte
die Frage nach paulinischer Logik nicht von vornherein jene Auslegungsopti-
onen favorisieren, die zu einer positiven Antwort führen. Die modale Lösung
ist möglich, aber anhand des Textes nicht verifizierbar. Es kann also auch
nicht ausgeschlossen werden, dass hier ein konträrer Widerspruch vorliegt633.
3Ich würde mich aber von ECKSTEIN, Verheißung, 131 abgrenzen: Paulus gehe es nicht
um den »logisch-argumentativen Nachweis«, sondern »lediglich um den Schriftbeweis«. Für
LAMPE, Reticentia, 28 zu Recht eine »traurige Alternative«.
A. Argumentiert Paulus logisch? 231
setzt, deckt sich mit der historischen Evidenz hinsichtlich der Popularität
stoischer Logik zur Zeit des Paulus.
b) Die Schlüssigkeit mancher Argumentationen (v.a. der Übergang von
Gal 3,6–9 zu 10–12; 3,13f und Teile von Röm 1–3) ist selbst bei genauer
Rekonstruktion impliziter Prämissen logisch nicht evident. Das könnte
bedeuten, dass für Paulus die anderen rhetorischen Überzeugungsmittel,
»Ethos« und »Pathos«, wichtiger waren. Nicht-syllogistische Argumentati-
onsformen wie Analogien oder Beispiele, die von der formalen Logik nicht
erfasst werden, bewegen sich aber keineswegs außerhalb dessen, was für
Aristoteles und die antike Rhetorik den Logos einer Argumentation ausmacht.
Eine genaue Bestimmung des Verhältnisses affektiver, charakterlicher und
logisch-argumentativer Überzeugungsmittel zueinander ist hier also nicht
möglich. Ein niedriger »Anteil« an strikt logisch formalisierbaren Schluss-
formen würde aber weder implizieren, dass Paulus rhetorisch unsachgemäß
vorgeht, noch dass seine Schlussfolgerungen – auch wenn es ihnen zuweilen
an logischer Stringenz mangelt – als sachlich falsch anzusehen sind.
Zwei Probleme können hier nur ganz am Rande gestreift werden: 1. Zeitebenen: Logische
Analysen beziehen sich in aller Regel auf Sätze im Präsens4. Es scheint mir aber, dass sich
bei Paulus die Zeitebenen von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft im christologischen
Heilsgeschehen auf eine so merkwürdige Art und Weise verschränken, dass dies von der
Logik kaum gebührend registriert werden kann5. 2. Modus: Es ist auffällig, wie wenig Fragen
der Modalität von Aussagen (s.o. S. 40) sich als bedeutsam erweisen. Schon Nock bemerkte,
dass Paulus »nie ›wahrscheinlich‹ oder ›möglicherweise‹« sagt6. Die Sprache des Paulus
bewegt sich zumeist auf einer schwer abgrenzbaren Linie zwischen assertorisch und
apodiktisch, also zwischen der Feststellung, dass etwas ist, und der Behauptung, dass etwas
notwendigerweise so sein muss. Sicherlich würde er für die Wahrheit seiner »Axiome« die
gleiche Gewissheit beanspruchen wie Aristoteles für die ersten, selbstevidenten Sätze in der
wissenschaftlichen Argumentation7.
Summa summarum kann die Frage generell weder eindeutig positiv noch
eindeutig negativ beantwortet werden. Die Analysen zeigen auf der Textebe-
ne, dass sich manche paulinische Argumentationen auf logisch gültige
Schemata zurückführen lassen. Auf der autorbezogenen Ebene lässt sich m.E.
4 Der Wahrheitswert von Aussagen zu zukünftigen Ereignissen gehört seit der Antike zu
einem der meist diskutierten logischen Grundlagenproblemen (die sog. »contingentia futuri«).
Aussagen über die Vergangenheit sind nicht in der Vergangenheit wahr, sondern – so bereits
die stoische Sprachphilosophie – in der Gegenwart.
5 Die seltsame Verschränkung der Ebenen kommt z.B. in Gal 3,8a schön zum Ausdruck.
Treffend LUZ, Geschichtsverständnis, 41ff unter dem Titel: »Die gegenwärtige Vergangen-
heit: Das Gotteswort des Alten Testaments.«
6 NOCK, Paulus, 191.
7 Obwohl aus der Sicht des aristotelischen Wissenschaftsbegriffs die paulinischen Prämis-
sen wohl eher als »Endoxa« (vgl. dazu S. 48) zu werten wären.
232 IV. Schlussbetrachtung
sagen, dass Paulus in der Lage war, logisch zu argumentieren8. Warum diese
Dimension in seinen Argumentationen nicht häufiger zu erkennen ist, bzw.
warum sein Sprachstil die logischen Strukturen z.T. äußerst schwer durch-
schaubar macht, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dass aber
Paulus logisch argumentiert, ist eine Tatsache, die innerhalb einer Gesamt-
würdigung seiner Argumentation angemessen berücksichtigt werden sollte9.
B. Exegetisch-methodischer Ertrag
In seinem Beitrag zur Sprache und Logik der Theologie äußert J. Macquarrie
vorsichtig die Hoffnung, die logische Analyse könne auf dem Gebiet der
Bibelwissenschaft »einen nützlichen Beitrag leisten«10:
»Eine ausgewogene Erklärung hätte auf die Logik der Bibelsprache zu achten und immer
daran zu denken, daß die Grammatik der Logik oft nur ausgesprochen irreführende
Anhaltspunkte liefert. […] Dadurch würde auch die Bibeltheologie noch mehr in die
systematische Theologie integriert, was für beide ein Gewinn wäre.« 11
8 Dem Apostel kann man m.E. weder aus moderner noch aus antiker Sicht ein gewisses
Maß an »theologischer Rationalität« absprechen. Theologisch gesehen, besteht bei Paulus
durchaus ein Nexus zwischen Glauben und Verstehen, Pneuma und Logos (vgl. die
Schlussüberlegungen in SIEGERT, Argumentation, 252–254). Wenn der dünne Faden
zwischen Pneuma und Logos zerreißt, löst sich Theologie als Glaubensreflexion entweder auf
oder sie wird zur Theorie ihrer eigenen Unmöglichkeit.
9 In seiner knappen zusammenfassenden Betrachtung der »Argumentationsweise des
Paulus« übergeht BULTMANN, Diatribe, 102 die »Abschnitte rabbinischer Beweisführung wie
Röm 4; Gal 3,6ff; 4,21ff«, und kommt zum Ergebnis: Paulus »ist nicht wählerisch mit seinen
Gründen und nicht vorsichtig in seiner Beweisführung. Er rückt dem Gegner mit Fragen und
Ausrufungen zu Leibe und schlägt ihn nötigenfalls einfach nieder.« Als eine differenzierte
Gesamtaussage zur paulinischen Argumentation kann ein solches Urteil nicht gelten.
10 MACQUARRIE, Gott-Rede, 109.
11 MACQUARRIE, Gott-Rede, 109f. Ähnlich SCHRÖER, Denkform, 19: »Eine theologische
Logik hat als konkrete Aufgaben, die theologische Begriffs- und Urteilsbildung sowie die
theologische Beweisführung auf ihre logische Struktur zu untersuchen. In ihren Bereich
gehört weiter eine theologische Axiomatik und eine theologische Kategorienlehre. Grundbeg-
riffe wie Relation, Modalität, Möglichkeit und Wirklichkeit sowie Einheit und Notwendigkeit
wären von ihr zu interpretieren.«
12 RITSCHL, Logik der Theologie, 117.
B. Exegetisch-methodischer Ertrag 233
muß man […] miterleben, wie der Versuch, logisch die Bedeutung eines Satzes zu präzisie-
ren, stattdessen dazu beiträgt, seinen eigentlichen Sinn total zu verdecken.« 13
Ich möchte an diesen letzten Einwand anknüpfen, weil hier Richtiges und
Falsches nebeneinander stehen. Es ist zutreffend, dass die Formalisierung von
Aussagen nur einen reduzierten Ausschnitt ihrer Sinnmöglichkeiten beleuch-
tet. Als dramatisch wäre eine solche Reduktion jedoch nur dann zu bezeich-
nen, wenn es das Ziel logischer Formalisierung wäre, den Sinn eines Textes
erschöpfend zur Geltung zu bringen. Dass dies nicht der Fall ist, sollte an
dieser Stelle kaum einer Begründung bedürfen. Für die Exegese ist Logik vor
allem angewandte Logik, die im Sinne einer ars iudicandi die Gültigkeit einer
sprachlichen Schlussfolgerung überprüft. Jede sprachliche Äußerung, die den
Anspruch erhebt zu argumentieren, kann einer solchen Überprüfung unterzo-
gen werden. Der paulinischen Sprache eine solche Überprüfung zu verwei-
gern, wäre m.E. kein Akt des Respekts, sondern ein subtile Art, Paulus in der
Sache nicht ernst genug zu nehmen.
Die Frage ist daher nicht, ob es der Sache nach angemessen ist, paulinische
Argumentation logisch zu analysieren (ganz gleich ob mit antiker oder mit
moderner Logik), sondern ob ein Erkenntniswert sichtbar ist, der den
Aufwand der Analyse rechtfertigt14. Es besteht m.E. kein Grund, die Logik in
marktschreierischem Ton als Heilmittel gegen paulinische obscuritas
anzupreisen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Beschäftigung mit
Logik das Maß an obscuritas in der exegetischen Sprache reduzieren könnte –
die ironischerweise die Begriffe »Logik« und »logisch« häufig semantisch
höchst unscharf verwendet.
In der Praxis zwingt die logische Analyse zu einer sehr präzisen Wahr-
nehmung und Beschreibung der schlussfolgernden Operationen eines Textes.
Indem die grammatikalische, rhetorische und semantische Betrachtung ihr
Augenmerk auf Begründungen und Folgerungen richtet, vermag sie die
Vagheit zentraler Begriffe und die Reichweite möglicher Äquivokationen
genauer einzuschätzen15. Logische Analyse kann jedoch die Vielfalt exegeti-
scher Optionen nur sehr bedingt einschränken. Denn: die »mit einer Formali-
sierung verbundene Präzisierung zwingt dazu, sich auf eine bestimmte
13 A. NYGREN, Sinn und Methode (Göttingen, 1979) 178; vgl. S. 168–183 zu seiner
Auseinandersetzung mit dem logischen Positivismus.
14 Ähnlich fragen F. NEUHAUS / U. SCHEFFLER / Y. SHRAMKO, Tautologien und Triviali-
täten? Logische Methoden in der Philosophie, ZPhF 57 (2003) 413, »ob der zum Teil
erhebliche Aufwand, der für die logische Bearbeitung eines Themas getrieben werden muß,
in einem vernünftigen Verhältnis zu den erzielten philosophischen Ergebnissen steht«.
15 NEUHAUS / SCHEFFLER / S HRAMKO, Tautologien, 421: »Aufgrund ihrer Präzision sind
formale Sprachen besonders dazu geeignet, um verdeckte Mehrdeutigkeiten von Argumenten
aufzudecken und die verschiedenen möglichen Auslegungen zu diskutieren. Solche
Diskussionen tragen zu einem vertieften Verständnis der untersuchten Fragen bei.«
234 IV. Schlussbetrachtung
ein System erkennbar machen, bei dem sich zwei Mengen von Sätzen derart
gegenüberstehen, dass alle Sätze der einen Menge aus denen der anderen
Menge deduziert werden können19.
Ob solche Fragestellungen die Exegese auch für die Systematische
Theologie interessanter machen (wie Macquarrie sich erhofft), müssen andere
beurteilen. Die Interessen der Exegese und der Systematischen Theologie sind
jedoch unterschiedlich: Für die Exegese kann Logik im besten Falle als
Analyseinstrument nützlich sein, die Systematische Theologie hat v.a. die
»Rede von Gott« angesichts der Grundlagenkritik durch den logischen
Empirismus und den Herausforderungen der Analytischen Philosophie zu
bedenken20.
C. Weiterführender Ausblick
19 Dies ist, nebenbei bemerkt, die »Höchstforderung«, die H. SCHOLZ an eine evangeli-
sche Theologie als Wissenschaft stellt (Evangelische Theologie, 236.239–242).
20 NEUHAUS / SCHEFFLER / S HRAMKO, Tautologien, 420–425 diskutieren ähnlich zwei für
die Philosophie nützliche Verwendungsweisen der Logik: bei der Analyse von Argumenten
und als formale Beschreibungssprache. M.E. ist für die Exegese Logik eher ein »Mittel zur
Evaluierung von Argumenten« und für die Systematik eher ein »Medium zum Philosophie-
ren« (beide Wendungen ebd., 429).
21 Der interessanten Arbeit von A. SION, Judaic Logic: A Formal Analysis of Biblical,
Talmudic and Rabbinic Logic (Geneva, 1997) fehlt leider eine historische Differenzierung der
untersuchten Quellen. Zudem schlägt er Formalisierungen vor, die mir in der Literatur zur
modernen Logik nicht begegnet sind, weshalb ich mich eines sachlichen Urteils enthalten
muss. Die frühe Arbeit von A. SCHWARZ, Der hermeneutische Syllogismus in der talmudi-
schen Litteratur (Wien, 1901) ist leider hinsichtlich logischer Fragestellungen hoffnungslos
veraltet. Zur logischen Analyse eines rabbinischen Textes vgl. R.E. COHEN, The Relationship
236 IV. Schlussbetrachtung
Es stellt sich die Frage, inwieweit diese ersten Leistungen auf dem Gebiet
logischer Theorie von jüdischer Seite an Entwicklungen des rabbinischen
Judentums früherer Jahrhunderte anknüpfen bzw. inwiefern darin eine
besondere Affinität zwischen rabbinischen Argumentationsweisen und
aristotelischen Konzeptualisierungen zum Ausdruck kommt23. Der knappe
Logik-Artikel in der Encyclopaedia Judaica stellt dazu fest:
Between Topic, Rhetoric, Logic: Analysis of a Syllogistic Passage in the Yerushalmi, in: J.
Neusner / E.S. Frerich (eds.), Judaic and Christian Interpretation of Texts (New Perspectives
on Ancient Judaism 3; Lanham, 1987) 87–125. Analog zur »juristischen Logik« (vgl. E.
SCHNEIDER, Logik für Juristen [München, 41995]) beschäftigen sich Arbeiten zu »jüdischer
Logik« vornehmlich mit Fragen talmudischer Rechtsanwendung: vgl. z.B. M. ABITBOL,
Logique du droit talmudique (Paris, 1993) und das einflussreiche Werk von L. JACOBS,
Studies in Talmudic Logic and Methodology (London, 1961). Leider lässt sich daraus für den
Zeitraum des Paulus kaum etwas entnehmen.
22 Traité de logique, ed. R. Brague (Paris, 1996); vgl. weiterhin: J.L. KRAEMER, Maimo-
nides on the Philosophic Sciences in his Treatise on the Art of Logic, in: J.L. Kraemer (ed.),
Perspectives on Maimonides (The Littman Library of Jewish Civilization; Oxford, 1991) 77–
104. Vor Maimonides scheinen Isaac Israeli und Joseph ibn Zaddik logische Abhandlungen
abgefasst zu haben. Vgl. J. HABERMANN, Art. Logic, EJ 11 (1972) 459.
23 Vgl. J. NEUSNER, Jerusalem and Athens: The Congruity of Talmudic and Classical
Philosophy (JSJ.S 52; Leiden, 1997), der nicht nur im Bereich der Logik und Dialektik,
sondern auch in dem der Naturphilosophie und Ethik eine Übereinstimmung zwischen den
rabbinischen Lehrern, die die Gemara hervorgebracht haben, und den Lehrern des abendlän-
dischen Denkens, Sokrates, Platon und Aristoteles, konstatiert. Da diese Übereinstimmung
nicht auf Kenntnisse griechischer Philosophie seitens der Rabbinen zurückgeführt werden
kann, erweist sich darin für NEUSNER die weltgeschichtliche Bedeutung und Eigenständigkeit
des Talmuds als »Klassiker« des abendländischen Denkens. Im Bereich der griechischen
Philosophie malt N EUSNER jedoch mit allzu grobem Pinsel, indem er z.B. Platon und
Aristoteles philosophisch nicht voneinander unterscheidet und die Stoa völlig außer Acht
lässt.
C. Weiterführender Ausblick 237
»Although some of the methods of biblical exegesis and legal interpretation (middot)
employed by the rabbis of the talmudic period rest upon the rules of logic […], it is doubtful
that the rabbis had a formal knowledge of the subject.« 24
28 Beiträge zur paulinischen Rhetorik, in: Theologische Studien (FS B. Weiss; Göttingen,
1897) 166.247.
29 Der neutestamentliche Teil der Bibliographie von D.F. WATSON, A.J. HAUSER, Rheto-
rical Criticism of the Bible: A Comprehensive Bibliography with Notes on History and
Method (Biblical Interpretation Series 4; Leiden, 1994) 126–206 ist veraltet und leider nicht
fortgesetzt worden. Das Internet erweist sich als aktuelleres Medium. Vgl. die Online-
Bibliographien unter http://rhetjournal.net/Bibliographies.html (15.08.2005 aufgerufen), die
Teil der von James D. H ESTER herausgegebenen Internet-Zeitschrift »The Journal for the
Study of Rhetorical Criticism of the New Testament« (http://rhetjournal.net/) sind.
30 So definiert das bereits zum Klassiker avancierte Werk von G.A. KENNEDY, New
Testament Interpretation through Rhetorical Criticism (Studies in religion; Chapel Hill, NC,
1984) 12: »The ultimate goal of rhetorical analysis, briefly put, is the discovery of the
author’s intent and of how that is transmitted through a text to an audience.«
31 RICŒUR, Lebendige Metapher, 13f. Die Begriffe »Dialektik«, »Organon« und »prima
philosophia« weisen alle auf das Gebiet der Logik hin.
C. Weiterführender Ausblick 239
32 Darin ist dem Urteil von D.L. STAMPS, Rhetorical Criticism of the New Testament:
Ancient and Modern Evaluations of Argumentation, in: S.E. Porter / D. Tombs (eds.),
Approaches to New Testament Study (JSNT.S 120; Sheffield, 1995) 168 beizupflichten: »The
persuasive nature of the New Testament is not limited to its logic or reason or the convincing
nature of its theological propositions.«
33 Vgl. zur Unterscheidung LAUSBERG, Handbuch, §454.
34 Eine Rhetorik ohne Logik ist entweder lächerlich oder geradewegs gefährlich.
35 Vgl. zu »Pathos« OLBRICHT / SUMNEY , Paul and »Pathos«; allzu knapp zu »Ethos«
und »Pathos« ist SIEGERT, Argumentation, 230f.
240 IV. Schlussbetrachtung
schen Frage indirekt berührt, denn logische Folgerichtigkeit darf als notwen-
dige Bedingung für Kohärenz betrachtet werden. Logische Analysen von
einzelnen zentralen Argumenten können wichtige Bausteine für den Entwurf
einer paulinischen Theologie liefern. So ist die logische Beziehung zwischen
Röm 2,13b und 3,20 zweifelsohne auch theologisch von Gewicht. Wenn die
Möglichkeit eines logischen Widerspruchs ins Auge gefasst wird36, dann ist
immer noch nicht deutlich, welche Folgen dies für die Bewertung der
paulinischen »Theologie« haben könnte. Die Folgerung, dass Paulus zu einer
widerspruchsfreien Argumentation selbst innerhalb eines geschlossenen
Gedankengangs nicht in der Lage sei, wäre aber m.E. verfrüht. Es ist ebenso
gut möglich, dass wir bei der Gesetzesthematik auf eine genuine Aporie
innerhalb der paulinischen Theologie stoßen37. Hier erweist sich die logische
Analyse als eine Art »Feuermelder« für die theologische Kohärenzbildung38.
Eine gewisse Konstanz ist in der Wahl der »axiomatischen« Sätze zu
beobachten39: Paulus argumentiert von den Schriften Israels her aus der
Perspektive des frühchristlichen Bekenntnisses zu Jesus als Messias. Auch
wenn es kein sachlich-theologisches Zentrum gäbe, auf das hin sich alle
theologischen Einsichten des Paulus systematisch anordnen ließen, gibt es
einen axiomatischen Fluchtpunkt, von dem aus Paulus immer wieder argu-
mentiert40.
Die Frage, ob es bei manchen paulinischen Themen nicht in der »Natur der
Sache« selbst liegen könnte, dass die logische Analyse versagt, vermag ich
deswegen nicht zu beantworten, weil ich mir nicht vorstellen kann, welche
Bedingungen erfüllt sein müssten, damit von einer Sache notwendigerweise
nicht stringent gesprochen werden könnte. Natürlich sind paulinische
Kreuzestheologie, die Vorstellung von einem »sühnenden« Austausch im Tod
Jesu oder auch Aussagen über Gott nicht logisch »deduzierbar«, aber sie
36 Der Begriff des »Widerspruchs«, der in der Exegese ebenso häufig wie unbedacht
gebraucht wird, bräuchte gerade angesichts der antiken Diskussion (s.o. S. 42ff) eine
terminologische Präzisierung.
37 Jedes »System« hat solche Reibungspunkte, nur gelingt es manchen besser als anderen,
diese zu verheimlichen.
38 Es wäre reizvoll, die Tatsache, dass sich gerade beim Thema nach der Funktion des
Gesetzes das größte logische »schwarze Loch« auftut, mit der Biographie des Paulus in
Verbindung zu bringen. Damit aber hätten wir das Gebiet der Logik weit hinter uns gelassen.
39 RITSCHL, Logik, 21 definiert »regulative Sätze« als: »die impliziten Axiome, mit denen
ein Mensch oder eine Gruppe (mit gemeinsamer Story) ausgestattet ist. Sie sorgen für
überprüfbares Denken und Sprechen und für geordnetes Handeln. Sie sind nicht unbedingt
und immer sprachlich ausformuliert.« Bereits LOHMEYER, Grundlagen, 7 weist dem Satz
»Niemand wird aus Gesetzeswerken gerecht« (Röm 3,20; Gal 2,16; vgl. Röm 3,28; Gal 3,11)
den »logischen Charakter eines Fundamentalsatzes« zu.
40 Ich spreche bewusst von »einem«, weil für Paulus die Schriften und das Bekenntnis
nicht zwei unterschiedliche Linien sind, sondern einen gemeinsamen Horizont abstecken (vgl.
den Bezug auf die Schrift im Bekenntnis von 1Kor 15,3–5).
C. Weiterführender Ausblick 241
41 Der Axiom-Begriff wird hier in jenem allgemeinen Sinne verwendet, wie er etwa auch
von Aristoteles (An. post. I 2,71b20ff) verwendet wird, als Bezeichnung für jene notwendig
wahren Sätze, die als »erste Sätze« unvermittelt einsichtig sind und als Grundlage für
Beweise dienen, ohne selbst bewiesen werden zu können (vgl. L. OEING-HANHOFF, Art.
Axiom, HWP 1 (1971) 737–748. In der modernen Wissenschaftstheorie sind Axiome
Konstituentene eines geschlossenen Systems, das vollständig und widerspruchsfrei ist (vgl. B.
BULDT, Art. System, axiomatisches, EPhW 4 (1996) 185–188).
42 J.D.G. DUNN , The Theology of Paul the Apostle (Edinburgh, 1998) 27–50 hat die
Axiomatik der paulinischen Gottesrede auf breiterer Basis, als dies hier möglich ist,
dargestellt. »God is the fundamental presupposition of Paul’s theology, the starting point of
his theologizing, the primary subtext of all his writing. […] The problem for us, however, is
that Paul’s convictions about God are all too axiomatic. Because they were axioms, Paul
never made much effort to expound them. They belong to the foundations of his theology and
so are largely hidden from view.« (28) Vgl. auch SCHNELLE, Paulus, 441: »Gott ist das
unhinterfragbare und zugleich alles bestimmende Axiom paulinischer Theologie, ihr
weltanschaulicher Ausgangspunkt.« (Hervorhebungen vom Autor) Logisch betrachtet müssen
diese Aussagen jedoch dahingehend präzisiert werden, dass Gott kein Axiom sein kann,
sondern nur wahrheitsdefinite Aussagen über Gott.
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Register
A. Quellen
Daniel Micha
8,19 175 1,14 107
9 143 3,11 200
9,16 173 7,18 177
12,2 194
Habakuk
Hosea
2,4 140, 145f, 171
2,19–23 207
4,1f 206 Zephanja
10,13 177
1,15.18 175, 193
12,1f 119
2,2f 173, 175
12,2 107
2,3 193
3,8 175
Joel
3,12 208 Maleachi
1,8 195
3. Neues Testament
Matthäusevangelium 27,18 (par) 183
27,26 183
3,9 133, 192
4,12 (par) 183
Markusevangelium
5,25 183
7,24–27 196 1,2 135
10,4 (par) 183 7,13 183
10,17.19 (par) 183 8,11 176
10,21 183 8,38 170
11,27 (par) 183 9,4 (par) 100
12,28 153 9,13 135
15,14 201 9,31 183
18,1 153 14,21 135
18,34 183 14,62 170
20,18f 183
22,32 (par) 102 Lukasevangelium
23,16.24 201
1,2 183
23,33 192
1,11 100
24,9f 183
2,23 135
25,14.20.22 183
2,35 171
26,2 183
3,7 (par) 192
26,15f 183
3,8 133
26,21 183
4,6 183
26,23–25 183
4,21 138
26,24 135
9,54 176
26,45 183
10,6 199
26,46.48 183
11,30 135
27,2 (par) 183
12,8 170
27,3f 183
280 Register
2. Thessalonicherbrief Jakobusbrief
1,7–10 199 1,20 173
1,22f.25 196
1. Timotheusbrief 2,20–26 135
2,23 135
1,9 176
3,7 197
1,20 183
3,14.16 194
6,7 145
4,11 196
2. Timotheusbrief
1. Johannesbrief
1,8.12.16 170
3,12 135
2,13 207
2,17f 103
1. Petrusbrief
3,5 201
4,1 199 1,17 200
2,23 183
Titusbrief 4,11 206
4,18 176
1,10 137
2. Petrusbrief
Philemonbrief
2,21 183
8 190
3,15f 3
Hebräerbrief
Judasbrief
1,12 182
3 183
2,11 170
15 176
3,7; 4,3.7; 5,6 135
5,12 206
Johannes-Apokalypse
10,38 145
11,16 170 11,19; 12,1.3 100
20,12f 200
22,12 199
4. Jüdische Schriften
Aristeas-»Brief« (EpArist) (syrische) Baruch-Apokalypse
139 185 21,13 108
152 187 21,20 192
48,22–24 200
Aristobul (in: Eusebius, Praepar. Evang.) 59,6 192
85,9 191
XIII,12,1 197
85,12 192
Assumptio Mosis
Esra-Apokalypse (4. Esra)
1,12f 180
6,55f 200
7,34 191
8,33 192
286 Register
5. Aristoteles
An. post. I 27,43a22–24 52
I 27,43a25–43 51
I 1,71a1f 47
I 27,43b4 51
I 1,71a5–11 55
I 27,43b12f 51
I 2,71b17f 47
I 30,46a9f 32
I 2,71b20ff 47, 241
I 30,46a28–30 79
I 18,81a38–81b2 55
I 33,47b15ff 51
I 22,82b35–84b2 31
I 38,49a19 52
I 22,84a7–11 33
I 44,50a39–b2 73
I 24,86a22 31
I 44,50b1–2 80
I 32,88a19–30 31f
II 1,52b38–53b3 54
II 8,93a1–10,94a19 60
II 16,64b28–65a37 46
II 8,93a15 32
II 16,65a36f 32
II 19,100b3–5 56
II 23,68b9ff 32
II 23,68b13f 55
An. pr.
II 23,68b15ff 56
I 1,24a16–17 36, 41 II 23,68b28f 56
I 1,24a17 44 II 23,68b9–13 64
I 1,24a20–22 41 II 23,68b32–37 55
I 1,24a24f 48 II 24 70
I 1,24a24 48 II 24,68b38–69a19 70
I 1,24a30f 47 II 24,69a2f 70
I 1,24b12 48 II 27,70a3–6 69
I 1,24b14 78 II 27,70a7–9 71
I 1,24b16–18 36f II 27,70a10 68, 69
I 1,24b18–20 46 II 27,70a11–38 71
I 1,24b20–22 46 II 27,70a16ff 51
I 2,24b27–30 52 II 27,70a21.26f 51
I 2,24b27 51 II 27,70b1–6 71
I 2,25a1f 40f, 51
I 2,25a6.9 51 Cael.
I 4,25b30–26a2 52f
I 7,275b12 32
I 4,25b37ff 51
I 4,26a2 51
Cat.
I 4,26a9 52
I 4,26a25.36f 51 1,1a1–6 44
I 4,26b3 51 7,6a36f 42
I 4,26b6 51 9,11b8–15 78
I 5,27a14f 111 10,11b16–11,14a23 42
I 6,28b21 111 10,11b16–22 42
I 7,29b6 111 10,11b23–30 42
I 10,30b32–40 46f 10,11b31–12a25 42
I 23,41a22–26 110f 10,12a26–b5 42
I 23,41b1–3 53 10,12b5–25 42, 45
I 25,42a3f 55 10,12b14–13a35 42
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I 2,1357b10–21 71 11,171b3–172b8 59
I 2,1357b10–13 71 12,172b5 80
I 2,1357b14–16 71 12,172b27 80
I 2,1357b15 69 34,183b17–184b8 38f
I 2,1357b24f 80
I 2,1357b25–36 70, 70 Top.
I 2,1357b25 64
I 1,100a18–21 59
I 2,1357b26–30 70
I 1,100a22 32
I 2,1358a12–14 57
I 1,100a25–b23 68
I 3,1358a35–1359a29 96
I 1,100a25–27 46, 49
I 3,1359a7–10 68
I 1,100a27–101a23 47
I 4,1359b9–11 65
I 1,100a27–29 47
I 8,1365b27 36
I 1,100a29f 32, 48
I 9,1368a29–33 70
I 1,100a30–100b21 48
II 1,1377b20ff 65
I 1,100b21–23 48
II 2–14 67
I 1,100b23–26 49, 59
II 18,1392a1–4 70
I 1,101a3f 49
II 20,1393a23f 70
I 2,101a26–28 59
II 20,1393a25ff 70
I 2,101b4 32
II 20,1393a27f 70
I 4,101b24f 60
II 20,1393a29f 70
I 4,101b26–36 58
II 20,1393b3–8 70
I 4,101b30f 60
II 20,1394a3f 70
I 4,101b32f 58
II 21,1394a26–28 70
I 5,101b38–102a17 61
II 21,1394a29–34 69
I 5,101b38 60
II 21,1394b8–16 70
I 5,102a18–30 61
II 22,1395b20–24,1402a29 64
I 5,102a18f 60
II 22,1395b25–27 69, 70
I 5,102a31–102b3 61
II 22,1396b30 57
I 5,102a31f 61
II 22,1397a7 57
I 5,102a34 61
II 24,1401b10–13.20–22 69
I 5,102b4–26 61
II 25,1402b13f 69
I 5,102b4–7 61
II 25,1402b14–16 69
I 5,102b20–26 61
II 25,1402b15f 68
I 10,104a3–11,105a9 58
II 25,1402b16–18 70, 70
I 10,104a8–11 48
II 25,1402b34f 70
I 10,104a9f 48
II 25,1403a5.12 64, 80
I 11,104b7f 58
II 26,1403a17f 57
I 12,105a13f 55
III 17,1418a1–2 70
I 12,105a14–16 55
I 12,105a16–19 56
Soph. el.
I 13–18 62f
1,164a20 80 I 13,105a20–25 62
1,165a1f 46 I 14,105a34–105b3 48
1,165a7 35 I 14,105b16 62
2,165a38–b11 47 I 14,105b20f 62, 78
2,165b9 80 I 14,105b30f 62
5,167a23–27 44 I 17,108a7–18,108b31 55
10,170b12–14 39 I 18,108a23 58, 77
A. Quellen 291
Livius Ps.-Plutarch
XXXIII,28,14 199 De plac. philos.
874E (= FDS 15) 32
Lukian
Porphyrius
Amores 28 187
Dialog. meret. 5,2 187 Vit. Plot. 24 77
C. Griechische Begriffe
a˙tiáomai 167 logik´j, logikóß 31f
halássw 182435 lógoß 64170
analutikóß 3121, 33 méqodoß 59
haph ohuranoü 175f ‘onoma 36f
hapófasiß (hapófansiß) 3637 ‘orexiß 187
‘ara 136, 153f “oroß 3638, 4674
dialektik´j 32f páqjma 3632
dikaiosúnj qeoü 172f, 208568 paradídwmi 183f, 185448
dikaiów 196509 Hr¨jma 36f
dialektik´j 32f sullogismóß 46f
dió 190474 tíqjmi / keïmai 4673
‘eqnj 169354 tópoß 57
‘endoxa 48, 62, 69192 Hupò katáran 142f
hepagwg´j 55 cr¨jsiß 186457
‘erga nómou 141 “wste 156
Óerosuléw 202539 ‘wfqj 10039
kaq´wß 134f
ISBN 3-16-148793-1
Mohr Siebeck