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MOISES MAYORDOMO

Argumentiert Paulus
logisch?

Wissenschaftliche Untersuchungen
zum Neuen Testament
188

Mohr Siebeck
Wissenschaftliche Untersuchungen
zum Neuen Testament

Herausgeber / Editor
JörgFrey

Mitherausgeber / Associate Editors


Friedrich Avemarie . Judith Gundry-Volf
Martin Hengel . Otfried Hofius . Hans-Josef Klauck

188

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~RTIBUS

UII
J. C: B·

1'8-0-1
Moises Mayordomo

ArguInentiert Paulus logisch?


Eine Analyse vor dem Hintergrund antiker Logik

Mohr Siebeck
MOISES MAYORDOMO, geboren 1966; Studium der Ev. Theologie in Gießen, London,
Heidelberg und Bern; 1997 Promotion; 2004 Habilitation; Oberassistent im Fachbereich
Neues Testament der Christkatholischen und Evangelischen Theologischen Fakultät der
Universität Bern.

ISBN 3-16-148793-1
ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio-
graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de
abrufbar.

© 2005 Mohr Sieb eck Tübingen.


Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Ver-
lags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzun-
gen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
Systemen.
Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck-
papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Vorwort

Argumentiert Paulus logisch? Diese Frage entstammt nicht direkt dem


Binnenraum gegenwärtiger Fachexegese, sie erwächst vielmehr aus einem
weit verbreiteten Rezeptionsdilemma: Manche paulinischen Gedankengänge
sind selbst mit erheblichem Aufwand kaum zu ergründen. Sie konfrontieren
uns mit Begründungen, die konstruiert wirken, und mit Schlüssen, an deren
Folgerichtigkeit viele intuitiv Zweifel hegen. Der zum Verstehen unabdingba-
re rationale Nachvollzug bleibt damit versagt. Solche hermeneutischen
Sackgassen bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung. Sie
wurde im Wintersemester 2003/2004 von der Christkatholischen und
Evangelischen Theologischen Fakultät der Universität Bern als Habilitations-
schrift angenommen und ist für den Druck vor allem im Hinblick auf logische
Fragen überarbeitet worden1.
Die jetzige Veröffentlichung betrachte ich mit einer gewissen Ambivalenz,
denn das gewählte Thema hat zwischen meinen Interessen und meiner
Neugierde einerseits und meinen Kompetenzen andererseits eine empfindli-
che Lücke aufgerissen. Neben den eigenen Ansprüchen galt es nicht nur den
Anforderungen der eigenen Disziplin gerecht zu werden, sondern v.a. auch
denen der Logik. Logik jedoch ist eine Gefährtin, die keine Nebenbuhlerinnen
duldet. Sie erfordert Strenge, viel Übung und kombinatorische Freude. Logik
eignet sich daher nicht für ein interdisziplinäres Verfahren, das sich damit
zufrieden gibt, dem fremden Gebiet einen Kurzbesuch abzustatten, ausge-
suchte Andenken mitzunehmen und diese dem eigenen Systemgebäude
einzugliedern. Ohne den äußeren Druck einer akademischen Habilitation hätte
ich es wohl kaum gewagt, an irgendeiner Stelle einen Punkt zu setzen.
Damit mute ich der an Paulus interessierten fachlichen Öffentlichkeit einen
explorativen Versuch zu, der vieles offen lässt. Dies erscheint mir jedoch nur
dann eine unverzeihliche Leichtfertigkeit zu sein, wenn jener hier vorgelegte
Ausschnitt dessen, was die aufgeworfene Frage an eingehender Behandlung
verdient hätte, nicht auch Anregendes, Zutreffendes und Weiterführendes
enthielte. Von letzterem bin ich trotz aller Aporien überzeugt. Um es vorweg-

1 Die Einarbeitung inzwischen erschienener exegetischer Literatur konnte nur auswahl-


weise vorgenommen werden. Umso wichtiger war es mir, inhaltlich auf möglichst viele der
sachlichen Anregungen durch die Gutachter und weitere Gesprächspartnerinnen und -partner
einzugehen. Zwei längere Exkurse – zur Bewertung des Paulus als Theologen und zum
paulinischen Rationalitätsbegriff – hoffe ich, in Zukunft in überarbeiteter Form gesondert
vorlegen zu könnnen.
VI Vorwort

zuschicken: Als Desiderat empfinde ich vor allem die Behandlung paulini-
scher Argumentationen mit den Mitteln moderner Prädikatenlogik und die
präzise logische Aufarbeitung rabbinischer Argumentationsweisen. Die
Sekundärliteratur, über deren Umfang generell immer wieder Klagen
angestimmt werden, hat mich leider auf diesen spezifischen Gebieten im Stich
gelassen. Eine Weiterführung des Themas in diese Richtung hätte jedoch den
ohnehin allzu langwierigen Beschäftigungsprozess über einen ungewissen
Zeitraum hinaus ausgedehnt.
Zur Entstehung und Beendigung dieser Arbeit haben viele maßgeblich
beigetragen, denen ich von Herzen danken möchte: Prof. Ulrich Luz für die
kritische, geduldige und überaus anregende Begleitung, die bereits die
Dissertation und die Assistenzzeit zu einem wahren Vergnügen gemacht
haben; Prof. Thomas Schmeller für sein engagiertes, sachkundiges und
konstruktives Gutachten; Prof. Theodor G. Bucher für sein äußerst hilfreiches
Gutachten zu Fragen der Logik, für viele Emails und längere Sachgespräche,
die mir nicht nur die Grenzen meines logischen Wissens deutlich, sondern
zugleich auch viel Mut gemacht haben, am Ball der Logik zu bleiben (und
Frege zu lesen); PD Dr. Helmut Linneweber-Lammerskitten, dessen Einfüh-
rung in die Logik ich sehr genossen habe und der sich zudem Zeit genommen
hat, einzelne Paulusstellen logisch mit mir zu besprechen; PD Dr. Michael
Groneberg für weiterführende logische Gespräche, die dazu beigetragen
haben, die Anzahl der logischen Fehler in dieser Arbeit zu reduzieren (für die
restlichen bin ich alleine verantworlich…); Prof. Christine Janowski für
systematisch-theologische Anregungen, die mich weiterhin beschäftigen
werden; Prof. Matthias Konradt für viele kleinere und größere exegetische
Klärungen; Prof. E. Axel Knauf für eine Reihe erfrischend ehrlicher Rand-
glossen; Julia Müller-Clemm für unzählige Diskussionen, Korrekturen und
für den graphischen Hilfsdienst; Alison Sauer für spontane Hilfe in der Not;
Christina Drobe, David Fellenberg und Thomas Dummermuth für ihre
gründlichen Korrekturarbeiten; Prof. Jörg Frey für die unkomplizierte
Aufnahme in die WUNT-Reihe ebenso wie für eine inhaltliche Stellungnah-
me, die mir entscheidend geholfen hat, die anfängliche Publikationsscheu zu
überwinden; Dr. Henning Ziebritzki und Frau Tanja Mix für die professionel-
le Betreuung im Verlag; schließlich danke ich der Gruppe von Studierenden,
die sich im Wintersemester 2003/04 mit dieser exotischen Thematik beschäf-
tigt und mir mit ihren Fragen viel zu denken gegeben haben.
Kaum in Worte zu fassen, ist der Dank an diejenigen, mit denen ich das
Glück habe, das Leben zu teilen: Helga, Esteban und Milena Sara.

Moisés Mayordomo Marín


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungen ................................................................................................................................. XI
Formale Zeichen und Formalisierungen.....................................................................................XII

I. Hinführung
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas................................................................................. 1
1. »Fremd und widerspruchsvoll«: Paulinische obscuritas................................................... 1
2. »Einfach und klar«: Paulinische claritas............................................................................ 5
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese................................ 8
1. Theologie und Logik – Szenen einer (geschiedenen) Ehe ............................................... 8
2. Grundlegende Prinzipien der Logik ................................................................................. 15
3. Konsequenzen für die Exegese ........................................................................................ 20
4. Exkurs: Zum Status der Frage, ob Paulus logisch geschult war .................................... 23

II. Antike Logik im Überblick


A. Allgemeine Probleme ............................................................................................................. 27
1. Die Quellenlage................................................................................................................. 27
2. Zur Terminologie .............................................................................................................. 30
3. Die beiden Logiksysteme ................................................................................................. 33
4. Sprachtheoretische Grundlegung: Die wahrheitsdefinite Aussage................................ 34
B. Die aristotelische Termlogik .................................................................................................. 38
1. Weitere sprachtheoretische Überlegungen ...................................................................... 40
a) Die logisch relevanten Modi des Aussagesatzes....................................................... 40
b) Die logisch relevanten Formen des Gegensatzes ...................................................... 42
2. Der »Schluss« (sullogismóß) ........................................................................................ 46
3. Logik in der Wissenschaft: Die Analytik (Syllogistik) .................................................. 50
a) Der syllogistische Schluss .......................................................................................... 50
b) Die Schlussfiguren ...................................................................................................... 52
c) Exkurs: Die Induktion als »zweite Form« des Wissens ........................................... 55
4. Logik in der Diskussion: Die Dialektik (Topik) ............................................................. 57
a) Vorüberlegungen ......................................................................................................... 57
b) Die vier Prädikatsklassen............................................................................................ 60
c) Die vier Werkzeuge (Top. I 13–18) ........................................................................... 62
d) Würdigung .................................................................................................................... 63
5. Logik in der Rede: Das »Enthymem« (Rhetorik) ........................................................... 63
a) Logik als rhetorisches Überzeugungsmittel .............................................................. 63
b) Was ist ein Enthymem? .............................................................................................. 67
c) Die vier Arten des Enthymems .................................................................................. 69
6. Theophrast und das Erbe der aristotelischen Logik ........................................................ 72
7. Exkurs: Die Schriften des Aristoteles und das »Organon« ............................................ 74
VIII Inhaltsverzeichnis

C. Die stoische Aussagenlogik ................................................................................................... 80


1. Die Logik Chrysipps......................................................................................................... 81
a) Weitere sprachphilosophische Überlegungen ........................................................... 81
b) Die Argumentations- und Schlusslehre ..................................................................... 84
2. Historische Beziehungen und Auswirkungen stoischer Logik ...................................... 86

III. Analyse paulinischer Texte


A. Vorfragen: Textwahl und logische Analyseschritte.............................................................. 91
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19)................................................ 95
1. Exegetische Vorfragen...................................................................................................... 96
a) Rhetorik und Gliederung von 1Kor 15 ...................................................................... 96
b) Der literarische Kontext (15,1–11) ............................................................................ 99
c) Die Streitfrage ........................................................................................................... 101
2. Exegetische Anmerkungen ............................................................................................. 104
3. Logische Analyse............................................................................................................ 108
a) Auslegungs- und forschungsgeschichtliche Perspektiven ...................................... 108
b) Die Umkehrung der Implikation als Fehlschluss .................................................... 113
c) Textabgrenzung und Bestimmung logisch relevanter Sätze .................................. 115
d) Versuch einer termlogischen Analyse ..................................................................... 117
e) Aussagenlogische Struktur und Prüfung der Gültigkeit ......................................... 121
f) Fazit............................................................................................................................ 123
4. Exkurs: Fragen aufgrund der Topik ............................................................................... 124
5. Exkurs: Weitere Beispiele für »modus tollens« in den Paulusbriefen ........................ 126
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14)............................ 128
1. Exegetische Vorfragen.................................................................................................... 129
a) Rhetorik und Gliederung .......................................................................................... 129
b) Literarischer Kontext ................................................................................................ 131
c) Der Streitpunkt: Das Erbe Abrahams ...................................................................... 133
2. Exegetische Anmerkungen ............................................................................................. 134
a) Positive Argumentation: Abraham-Exemplum (3,6–9).......................................... 134
b) Negative Argumentation: Fluch des Gesetzes (3,10–12) ....................................... 140
c) Die »Lösung« des Kerygmas (3,13f) ....................................................................... 147
3. Logische Analyse............................................................................................................ 148
a) Formalisierung .......................................................................................................... 148
b) Analyse logischer Gültigkeit .................................................................................... 153
c) Gesamtgedankengang ............................................................................................... 162
d) Fazit............................................................................................................................ 164
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20)............................................................................. 166
1. Exegetische Vorfragen.................................................................................................... 166
a) Argumentationsziel von 1,18–3,20 .......................................................................... 167
b) Literarischer Kontext (Röm 1,1–17)........................................................................ 169
2. Exegetische Anmerkungen ............................................................................................. 171
a) Röm 1,18–32 ............................................................................................................. 171
b) Röm 2,1–16 ............................................................................................................... 189
c) Röm 2,17–29 ............................................................................................................. 200
d) Röm 3,1–20 ............................................................................................................... 205
Inhaltsverzeichnis IX

3. Logische Analyse ............................................................................................................ 212


a) Basale semantische Felder in Röm 1,18–3,20......................................................... 212
b) Formalisierung und Analyse..................................................................................... 215
c) Fazit............................................................................................................................ 228

IV. Schlussbetrachtung
A. Argumentiert Paulus logisch? .............................................................................................. 229
B. Exegetisch-methodischer Ertrag .......................................................................................... 232
C. Weiterführender Ausblick .................................................................................................... 235
1. Paulus und rabbinische Logik ........................................................................................ 235
2. Logik und paulinische Rhetorik ..................................................................................... 238
3. Logik und paulinische Theologie................................................................................... 239

Literaturverzeichnis
A. Quellen................................................................................................................................... 243
B. Nachschlagewerke und NT-Kommentare ........................................................................... 249
C. Philosophisch-logische und rhetorische Literatur............................................................... 251
D. Exegetisch-theologische Literatur........................................................................................ 258

Register
A. Quellen................................................................................................................................... 275
B. Autoren und Autorinnen ....................................................................................................... 294
C. Griechische Begriffe ............................................................................................................. 300
D. Sachen und Namen ............................................................................................................... 300
Abkürzungen

Alle bibliographischen Abkürzungen folgen Siegfried M. SCHWERTNER, Internationales


Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete. IATG2 (Berlin: de Gruyter, 21992).
Die folgenden Abkürzungen werden zusätzlich dazu verwendet:
AGPh Archiv für die Geschichte der Philosophie 40 (1931)ff.
AWDÜ Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung. Begründet von Ernst Grumach;
hrsg. von Hellmut Flashar. Berlin: Akademie.
Bauer / Aland BAUER, Walter / A LAND, Kurt / ALAND, Barbara. Griechisch-deutsches
Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen
Literatur. Berlin: de Gruyter, 61988.
BDR BLASS, Friedrich / DEBRUNNER, Albert / REHKOPF, Friedrich. Grammatik des
neutestamentlichen Griechisch. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 161984.
CAG Commentaria in Aristotelem Graeca. 23 Bde. Berlin: de Gruyter, 1882–1909.
ClArS Clarendon Aristotle Series. Oxford: Clarendon.
DiogL. Diogenes Laertios. De vita philosophorum (Leben der Philosophen).
DNP Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hrsg. von Hubert Cancik / Hel-
muth Schneider. Stuttgart; Weimar: Metzler, 1996ff.
FDS HÜLSER, Karlheinz. Die Fragmente zur Dialektik der Stoiker: Neue
Sammlung der Texte mit deutscher Übersetzung und Kommentaren. 4 Bde.
Stuttgart; Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog, 1987–1988.
GKom Grundlagen der Kommunikation; Berlin: de Gruyter.
GGPhA Grundriss der Geschichte der Philosophie »Ueberweg«: Die Philosophie der
Antike. Hrsg. Hellmut Flashar. Basel / Stuttgart: Schwabe.
HWRh Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Hrsg. von Gert Ueding. Tübingen:
Niemeyer, 1992ff.
JSJ.S Supplements to the Journal for the Study of Judaism. Leiden: Brill.
Louw / Nida LOUW, Johannes P. / NIDA, Eugene A. Greek-English Lexicon of the New
Testament Based on Semantic Domains. 2 vols. New York, NY: United Bible
Societies, 21988–1989.
LSJ LIDDELL, Henry George / SCOTT, Robert. A Greek-English Lexicon. Revised
and augmented throughout by Sir Henry Stuart JONES (with the assistance of
Roderick McKenzie). Oxford: Clarendon, 91996.
NW II/1 Neuer Wettstein: Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und
Hellenismus. Hrsg. von Georg Strecker / Udo Schnelle unter Mitarbeit von
Gerald Seelig. Bd. 2: Texte zur Briefliteratur und zur Johannesapokalypse.
Teilband 1. Berlin: de Gruyter, 1996.
RUnB Reclams Universal-Bibliothek. Stuttgart: Reclam.
STusc Sammlung Tusculum. München; Zürich u.a.: Artemis & Winkler.
WBC Word Biblical Commentary. Ed. John D.W. Watts / Ralph P. Martin. Dallas,
Texas: Word.
ZMDAL Zur modernen Deutung der aristotelischen Logik. Begründet von Albert
Menne / Niels Öffenberger. Ab Bd. 4 hrsg. von Niels Öffenberger.
Hildesheim: Olms, 1982ff.
Formale Zeichen und Formalisierungen

Junktoren zur Verknüpfung von Sätzen


Negation: ¬ »nicht«
Konjunktion: ∧ »und«
Adjunktion (vel): ∨ »oder«
Disjunktion (aut): ›–‹ »entweder … oder«
Implikation: → »wenn… dann«

Gültige aristotelische Syllogismen


(a = allgemein bejahend; e = allgemein verneinend; i = partikulär bejahend; o = partikulär verneinend.
In eckigen Klammern stehen die sog. »schwachen Schlüsse«, die weniger schließen, als sie könnten.)
Figur I Figur II Figur III Figur IV
MxP ∧ SxM → SxP PxM ∧ SxM → SxP MxP ∧ MxS → SxP PxM ∧ MxS → SxP
a-a-a Barbara e-a-e Cesare a-a-i Darapti a-a-i Bamalip
e-a-e Celarent a-e-e Camestres e-a-o Felapton a-e-e Calemes
a-i-i Darii e-i-o Festino i-a-i Disamis i-a-i Dimatis
e-i-o Ferio a-o-o Baroco a-i-i Datisi e-a-o Fesapo
[e-a-o] [a-e-o] o-a-o Bocardo e-i-o Fresison
[a-a-i] [e-a-o] e-i-o Ferison [a-e-o]

Gültige stoische Syllogismen


Beispielsatz Modusformel Schema
»Wenn es Tag ist, ist es hell; nun »Wenn das Erste, dann das Zweite; nun p→q
aber ist es Tag; also ist es hell.« aber das Erste; also das Zweite.« p→q
(modus ponens) q
»Wenn es Tag ist, ist es hell; nun »Wenn das Erste, dann das Zweite; nun p→q
aber nicht: es ist hell; also nicht: es aber nicht das Zweite; also nicht das ¬q
ist Tag.« Erste.« (modus tollens) ¬p
»Nicht: sowohl es ist Tag, als auch es »Nicht: sowohl das Erste als auch das ¬(p∧q)
ist Nacht; nun ist es Tag; also nicht: Zweite; nun aber das Erste; also nicht das ¬(p∧q)
es ist Nacht.« Zweite.« ¬q
»Entweder es ist Tag, oder aber es ist »Entweder das Erste, oder aber das p ›–‹ q
Nacht; nun ist es Tag; also nicht: es Zweite; nun aber das Erste: also nicht das p ›–‹ q
ist Nacht.« Zweite.« ¬q
»Entweder es ist Tag, oder aber es ist »Entweder das Erste oder das Zweite; nun p ›–‹ q
Nacht; nun aber nicht: es ist Nacht; aber nicht das Erste; also das Zweite.« ¬p
also: es ist Tag.« q
Formale Zeichen und Formalisierungen XIII

Satz- und termlogische Formalisierung von 1Kor 15,12–19


Nr. Vers Satz- Term- Satz
log. log.
(1) 12b C CaA Christus ist auferweckt worden.
(2) 12d.13a.15e.16a ¬A TeA Tote werden nicht (von Gott) auferweckt.
(3) 13b.14a.15d.16b.17a ¬C CeA Christus ist nicht (von Gott) auferweckt worden.
(4) 14b P PaI Die Predigt (von Paulus & Co.) ist inhaltslos.
(5a) 14c G GaI Der Glaube (der Korinther) ist inhaltslos.
(5b) 17b GaW Der Glaube (der Korinther) ist wirkungslos.
(6) 15a F EaF Paulus & Co. erweisen sich als Falschzeugen.
(7) 17c S KaS Die Korinther sind noch in ihren Sünden.
(8) 18 V VaD Die verstorbenen Christen gehen verloren.
(9) 19a H XaH Wir haben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt.
(10) 19b M XaM Wir sind die bemitleidenswertesten von allen
Menschen.

Termlogische Formalisierung von Gal 3,6–14


Nr. Vers Form Satz
(1) 3,6 AaD Der glaubende Abraham ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(2) 3,7 PaA Die Glaubensmenschen sind (Kinder) Abraham(s).
(3) 3,8a HaD Die (glaubenden) Nichtjuden sind von Gott Gerechtfertigte.
(4) 3,8b HaS Die Nichtjuden (in Abraham) sind von Gott Gesegnete.
(5) 3,9 PaS Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit Abraham.
(6) 3,10a NaK Die Nomosmenschen sind unter einem Fluch.
(7) 3,10b OaK Jeder, der nicht alle Gebote erfüllt, ist ein Verfluchter.
(8) 3,11a NeD Kein Gesetzesmensch ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(9) 3,11b DaP Der Gerecht(fertigt)e ist ein aus Glauben Lebender.
(10) 3,12a NeP Kein Nomos(mensch) ist ein Glaubensmensch.
(11a) 3,12b NaT Der Nomosmensch ist ein Tatmensch.
(11b) 3,12b TaZ Der Tatmensch ist ein Lebender. (3,12b)
(12) 3,13a CaE Christus ist Befreier aus Nomos-Fluch.
(13) 3,13b CaK Christus ist (stellvertretender) Fluch.
(14) 3,13c XaK Ein Gekreuzigter ist Verfluchter.
(15) 3,14a HaS Die Nichtjuden nehmen in Christus Jesus am Abrahamssegen teil.
(16) 3,14b PaG Die Glaubenden sind Empfänger des verheißenen Geistes.

Satzlogische Formalisierung von Röm 1,18–3,20


A Menschen sündigen / Menschen handeln unrecht.
D Gott anerkennt Menschen im Gericht als gerecht.
E Menschen verhalten sich gut nach dem Gesetz.
G Menschen erkennen die Wahrheit.
O Gottes Zorn kommt als Strafe über Menschen.
P Gott richtet alle Menschen nach dem gleichen Prinzip.
S Menschen belügen sich selbst / sind verblendet.
U Menschen sind als Angeklagte vor Gott schuldig.
»Aber ihr haltet mir entgegen, was man uns Engländern hier oft entgegenhält: Siehe, du hast
nach der Logik geantwortet. Los, los! Antworte gemäß der Theologie! Also ist bei den Theo-
logen die Logik überflüssig. In Wahrheit gibt es kein gefährlicheres Tier, wenn Anmaßung
dazukommt, als einen Theologen ohne Logik. Ihr wollt eine Frage ohne Logik behandeln: ihr
sucht einen Stoff wie eine Mauer ohne Zement! Ich habe, als ich jung war, gehört, daß
irgendein großer Mann sagte: Ein Theologe ohne gute Logik ist ein gehörnter Esel.«
Johannes Lutterell (†1335), Epistula de visione beatifica, nr. 20f (ed. F. Hoffmann, 117).

»Theologus non logicus est monstrosus haereticus. Est monstrosa et haeretica oratio. Contra
dictum commune. […] Breviter, Totus Aristoteles ad theologiam est tenebrae ad lucem.«
»›Zu sagen, ein Theologe, der kein Logiker ist, sei ein ungeheuerlicher Ketzer, ist eine
ungeheuerliche und ketzerische Rede. (Gegen die allgemeine Meinung.) […] Kurz, der ganze
Aristoteles verhält sich zur Theologie wie die Finsternis zum Licht.«
Martin Luther (1483–1546), Disputatio contra scholasticam theologiam, Thesen 45 und 50
(WA 1:226; dt. Aland, 1:358).

Mephistopheles: »Mein theurer Freund ich rath euch drum, / Zuerst Collegium Logikum. / Da
wird der Geist euch wohl dressirt, / In Spansche Stiefeln eingeschnürt, / Dass er bedächtger
so fort an / Hinschleiche die Gedanken Bahn. / Und nicht etwa die Kreuz und Queer /
Irrlichtelire den Weeg daher.«
Johann Wolfgang Goethe (1749–1832), Faust, Schülerszene (hrsg. R. Petsch).

»›For a complete logical argument,‹ Arthur began with admirable solemnity, ›we need two
prim Misses.‹ ›Of course!‹ she interrupted. ›I remember that word now. And they produce?‹
›A Delusion,‹ said Arthur. ›Ye-es?‹ she said dubiously. ›I don’t seem to remember that so
well. But what is the whole argument called?‹ ›A Sillygism‹.«
Lewis Carroll (1832–1898), Sylvie and Bruno (Chapter 18), in: The Complete Stories and
Poems of Lewis Carroll (New York: Gramercy, 2002) 138.
I. Hinführung

Die Frage nach der Logik paulinischer Argumentation steht im Kontext einer
langen Geschichte gescheiterter Verstehensversuche im Umgang mit den
Schriften des Apostels1. Legt man die auslegungsgeschichtliche Wahrneh-
mung paulinischer Sprache als Maßstab an, dann überwiegt das Schwere
gegenüber dem Leichten, die obscuritas gegenüber der claritas. Dass dies
nicht ausschließlich jenem oft zitierten »historischen Graben«, der die
Denkgewohnheiten des Paulus von den unseren unüberwindlich zu trennen
pflegt, zugeschrieben werden darf, soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht
werden. Ebenso soll vorab die Rolle der Logik bei der Behandlung der
anstehenden hermeneutischen Problematik beleuchtet werden.

A. Paulus zwischen obscuritas und claritas

1. »Fremd und widerspruchsvoll«: Paulinische obscuritas


»Ein Theaterstücklein, wie es noch niemand erfunden hat! Ein Ausspruch so fremd und so
widerspruchsvoll (hallókoton Hr¨jma kaì hasúmfwnon)! Ein Wort, das sich selbst durch das
eigene Schwert vernichtet! Ein ganz seltsamer Schuß, der zum Schützen zurückkehrt und ihn
selbst trifft!«2

Inhaltsleere, Unverständlichkeit und Widersprüchlichkeit bis zur argumenta-


tiven Selbstzerstörung. Dieses scharfe Urteil über die paulinische Argumenta-
tion geht auf einen griechischen Philosophen zurück, dessen Identität leider
nicht mit Gewissheit festgestellt werden kann3. Anlass dieser ironischen

1 Beispiele in W. FENSKE, Die Argumentation des Paulus in ethischen Herausforderungen


(Göttingen, 2004) 35–37; F. SIEGERT, Argumentation bei Paulus gezeigt an Röm 9–11
(WUNT 34; Tübingen, 1985) 2f; altkirchliche Stellungnahmen zum Stil des Paulus in E.
NORDEN, Die antike Kunstprosa (Stuttgart, 31915) II, 501–505.
2 MakarMag, Apokrit. III, 35 (A. Harnack, Kritik des Neuen Testaments von einem
griechischen Philosophen des 3. Jahrhunderts [TU 37/4; Leipzig, 1911] 66f).
3 Das Zitat entstammt dem literarischen Streitgespräch des Bischofs von Magnesia,
Makarius Magnes, das als h Apokritikòß ’j Monogen`jß pròß “ Jlljnaß überliefert ist (vgl.
zu Makarius knapp U. VOLP, Art. Makarius Magnes, RGG 4 5 [2002] 699 und ausführlicher
seinen demnächst erscheinenden Artikel in RAC 22 [2006]). In dieser apologetischen Schrift
aus der zweiten Hälfte des 4. Jhs. (zur Datierung vgl. V OLP in RAC) werden eine Reihe
antichristlicher quaestiones eines ungenannten »Hellenen« zitiert und zu widerlegen versucht.
(Eine längst überfällige zweisprachige Ausgabe des Apokritikos wird ab 2006 erscheinen;
hrsg. von U. Volp.) A. von HARNACK, Porphyrius »Gegen die Christen«, 15 Bücher
2 I. Hinführung

Abrechnung sind die bekannten Spannungen in der paulinischen Argumenta-


tion um das Götzenopferfleisch in 1Kor 8–10 (v.a. das Verhältnis von 8,4.8 zu
10,20.28). In Bezug auf die Aussagen des Paulus zum »Gesetz« (ein Thema,
das auch heute noch heftige Kontroversen hervorruft) lässt sich der Philosoph
nicht ohne Spott über dessen verwirrende Gedankengänge aus:
»[Paulus,] der Treffliche, der Kluge, der Verständige, der aufs genaueste im väterlichen
Gesetz unterrichtet war, der sich so oft des Moses aufs glücklichste erinnert hat – hebt wie im
Weinrausch (“wsper hen o‘in^w) das Gebot des Gesetzes durch seine Lehre auf (hanaireï
dogmatízwn toü nómou tò próstagma), indem er den Galatern schreibt: ›Wer hat euch
bezaubert, der Wahrheit nicht zu gehorchen?‹ [Gal 3,1] d.h. dem Evangelium. Dann, um
jedermann vor dem Gesetzesgehorsam schaudern zu machen, sagt er mit schrecklichen
Worten: ›Denn alle die, welche zum Gesetz der Werke gehören, sind unter dem Fluch‹ [Gal
3,10]. Er, der den Römern schreibt: ›Das Gesetz ist geistlich‹ [Röm 7,14], und wiederum:
›Das Gesetz ist heilig und das Gebot heilig und gerecht‹ [Röm 7,12], stellt die, welche dem
Heiligen gehorchen, unter den Fluch (toùß peiqoménouß t¨^w Hagí^w Hupò katáran tíqjsin).
Dann vermischt er die Materien dieses Lehrstoffs von oben und unten (fúrwn ‘anw kaì
kátw t`jn fúsin toü prágmatoß), verwandelt alles in einen Brei (sugcéei tò pän) und
lagert Dunkelheit drüber (kaì zoferòn hergázetai), so daß die Hörer beinahe vor Schwindel
krank werden (Hwß skotodiniásai mikroü deïn tòn hakoúonta) und wie in der Nacht an
beides anrennen (kaì kaqáper hen nuktì prosaráttein Hekatéroiß) und in dem Wirrwarr
sowohl gegen das Gesetz verstoßen als an dem Evangelium sich versündigen (t¨^w te nóm^w
prosptaíein kaì t^¨w ehu aggelí^w proskroúein t¨∆ sugcúsei), mißleitet durch den
Unverstand ihres Führers (dià t`j n toü ceiragwgoüntoß hamaqían).« 4

Dieses Zeugnis belegt die Schwierigkeiten, die Paulus einem in der Logik
geschulten griechischen Philosophen bereitete, ja notwendig bereiten musste5.

(AKPAW.PH Jg. 1916; Berlin) 3–15 hat darin Zeugnisse aus dem Werk »Gegen die
Christen« des Neuplatonikers Porphyrius (233/34–ca. 305) vermutet und damit die Forschung
nachhaltig beeinflusst. Die Diskussion um die Identität des Hellenen ist kürzlich durch den
Vorschlag von E. DEPALMA DIGESER (Hierokles Porphyry, Julian, or Hierokles? The
Anonymous Hellene in Makarios Magnês’ Apokritikos, JThS 53 [2002] 466–502), dass es
sich dabei um den Neuplatoniker Hierokles von Alexandria († ca. Mitte des 5. Jhs.) handelt,
neu entfacht worden. In seiner demnächst erscheinenden Replik »Porphyry, Julian, or
Hierokles? The Anonymous Hellene in Makarios Magnes’ Apokritikos. A Response to
Elizabeth DePalma Digeser« argumentiert U. VOLP vorsichtig für eine angesichts der
dürftigen Quellenlage komplexere Hypothese: Hinter dem »Hellenen« verberge sich
vielleicht mehr als ein Autor, wobei eine geistige Nähe zu Porphyrius zweifellos bestehe. (Ich
danke Herrn Kollegen Volp für diese Einblicke in seine laufenden Makarios-Projekte.)
4 MakarMag, Apokrit. III, 33 (Harnack, Kritik, 64f; vgl. auch Porphyrius »Gegen die
Christen«, 59, Nr. 30). Ähnliche Probleme mit der paulinischen Gesetzesauffassung bekundet
Julian, C. Gal. 319E (ed. Wright, 410f).
5 Dieses Urteil hat umso mehr Gewicht, wenn es sich beim Autor um Porphyrius handeln
sollte, ist er doch als Verfasser eines der einflussreichsten Lehrbücher (der sog. »Isagoge«) in
die Logikgeschichte eingegangen (s.u. S. 72). Zu dieser Frage darf ich aus einem Mail vom
8.5.2005 von Ulrich VOLP zitieren: »Der Apokritikos ›enthält‹ zweifellos Porphyrios, aber
sicher nicht als rekonstruierbares wörtliches Zitat. Im besten Fall als Epitomezitat und/oder
einer Reihe von Einzelzitaten; meiner Ansicht nach eher deshalb, weil die – unbekannten und
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas 3

Dass sich hier auch antichristliches Ressentiment zu Wort meldet, machen die
scharfen antipaulinischen Invektiven eines Julian »Apostata« deutlich:
Paulus überbiete, so Julian, »alle Magier und Schwätzer aller Orten und Zeiten« 6. »Denn je
nach Umständen ändert er seine Meinung über Gott (halláttei tà perì qeoü dógmata), wie
ein Polyp seine Farbe ändert, um sich den Felsen anzupassen. Zunächst beharrt er darauf,
dass die Juden alleine Gottes Erbanteil sind, dann wiederum, in einem Versuch, die Griechen
auf seine Seite zu bewegen, sagt er: ›Ist er alleine Gott der Juden? Nicht auch der Nationen?
Ja, auch der Nationen.‹ [Röm 3,29]« 7

Paulinische obscuritas ist jedoch nicht ausschließlich Projektionsfläche für


antichristliche Polemik, sondern, wie 2Petr 3,15f belegt, bereits innerhalb des
frühen Christentums Auslöser gescheiterter Verstehensprozesse8:
»Und haltet die Langmut unseres Herrn für Heil, wie ja auch unser geliebter Bruder Paulus
gemäß der ihm verliehenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen seinen Briefen,
in denen er von diesen Dingen redet, in denen einiges schwer verständlich (dusnójta) ist,
was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen (strebloüsin), wie sie es auch mit den
übrigen Schriften tun, zu ihrem eigenen Verderben.«

Neben der Wertschätzung, die dem »geliebten Bruder« als Lehrer der Kirche,
dessen Briefe bereits in Umlauf sind, zweifelsohne entgegengebracht wird,
erstaunt die Selbstverständlichkeit, mit der Verständnisschwierigkeiten
eingestanden werden und vor Missbrauch gewarnt wird9. Bemerkenswerter-
weise wird so bereits innerhalb des neutestamentlichen Kanons das Verstehen
der Paulusbriefe problematisiert.
Ähnliche Überlegungen stellt Origenes an den Anfang seines Römerbrief-
kommentars (in der rufinischen Übersetzung):
»Der Brief an die Römer gilt als schwerer verständlich (difficilior putatur ad intelligendum)
als die anderen Briefe des Apostels Paulus, meines Erachtens aus zwei Gründen: Erstens ist

m.E.s auch nicht erschließbaren – Autoren Porphyrios gelesen hatten, seine Argumentation
und Ansicht kannten und sich ihr anschlossen.«
6 C. Gal. 100A (ed. Wright, 340f): tòn pántaß pantacoü toùß p´wpote gójtaß kaì
hapate¨wnaß Huperballómenon Paülon. (eig. Übers.)
7 C. Gal. 106B (ed. Wright, 342f; eig. Übers.).
8 Vgl. P.J. A CHTEMEIER, ›Some Things in Them Hard to Understand‹: Reflections on an
Approach to Paul, Int 38 (1984) 254–267; E. DASSMANN, Der Stachel im Fleisch: Paulus in
der frühchristlichen Literatur bis Irenäus (Münster, 1979) 118–123; A. LINDEMANN, Paulus
im ältesten Christentum (BHTh 58; Tübingen, 1979) 91–97.261–263.
9 Ein ähnliches hermeneutisches Problem belegt DiogL. IX 13. Im Hinblick auf Heraklits
Hauptwerk »Über die Natur« soll der persische König Dareios in einem Brief beim Autor
persönlich seine Schwierigkeiten folgendermaßen bekundet haben: »Du hast ein Buch über
die Natur publiziert, das schwer zu verstehen und zu interpretieren ist (dusnójtón te kaì
dusex´jgjton). Nimmt man an manchen Stellen deine Worte wörtlich (katà léxin), dann
scheint sein Inhalt aus einer Theorie des gesamten Kosmos und seiner Erscheinungen zu
bestehen, die in der göttlichen Bewegung gründen. Meist aber bleibt man ratlos, so daß auch
die besten Literaturkenner hinsichtlich der genauen Exegese deiner Schrift in Verlegenheit
sind.« (übers. Jürß, 412; vgl. auch Heraklit, Epistulae 1,1)
4 I. Hinführung

die Redeweise des Paulus manchmal unklar, beziehungsweise es wird nicht alles ausgespro-
chen (elocutionibus interdum confusis et minus explicitus utitur). Zweitens wirft der Römer-
brief viele Probleme auf; darunter sind besonders solche, die den Häretikern Anlaß geben,
sich immer wieder auf den Römerbrief zu berufen […].« 10

Für Origenes ist die biblische Sprache generell von obscuritas geprägt. Das
gilt jedoch in besonderem Maße für den Apostel Paulus, dem er – bei aller
theologischen Wertschätzung – einen Mangel an Folgerichtigkeit (hakolou-
qía) und Ordnung (súntaxiß) bescheinigt11.
In der fiktiven Korrespondenz zwischen Seneca und Paulus aus dem 4. Jh. konstatiert
»Seneca«, dass »Paulus« vieles »mit dunklem Sinn« ausdrücke (Brief 13). Er wünscht sich
ferner, sein christlicher Freund würde mehr »auf den reinen lateinischen Stil […] achten und
für die erhabenen Gedanken auch die richtige Form […] finden« (Brief 13). Es entbehrt nicht
einer gewissen Komik, wenn »Seneca« aus Sorge um den paulinischen Stil diesem ein Buch
Über die Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten schickt (Brief 9)12.
In der Wahrnehmung des »schwierigen« Paulus stimmen bereits früh
christliche Theologen wie christentumskritische Philosophen überein. Solche
Urteile sind von modernen Altphilologen bestätigt worden13. Doch so reizvoll
es wäre, die Wirkungsgeschichte des Paulus aus der Perspektive seiner
»Unverständlichkeit« zu beleuchten, möchte ich mich darauf beschränken,
diesen Zeugnissen ein Zitat von Hans Lietzmann zur Seite zu stellen, das trotz
seines Alters (1937) nichts von seiner Aktualität für die moderne Paulusfor-
schung eingebüßt hat14:
»Paulus ist ein eigenartiger und einsame Bahnen ziehender Denker, und er ist ein eigener und
eigenwilliger Stilist – er redet bei aller Gelehrsamkeit auch nicht ›wie die Schriftgelehrten‹,
sondern mit der seltsamen Gewalt eines Propheten […]. Die Menschen werden von ihm
ergriffen, ohne ihn auch von sich aus ergreifen zu können. Voll verstanden hat den Paulus
keiner von seinen Hörern und Lesern – bis auf den heutigen Tag. Wir spüren es an seinen
Briefen, wie alles in ihm arbeitet, wenn er diktiert. Er erörtert ruhig, kühl und verstandesmä-
ßig, dann will er eine komplizierte Deduktion vortragen: er setzt an, verfängt sich im

10 Origenes, Comm. in Ep. ad Rom. I praefatio (ed. Th. Heither, 62f).


11 Origenes, Philoc. 9,3 (ed. M. Harl, 358f) bezieht sich dabei v.a. auf den Römerbrief,
dessen Gebrauch des Begriffs n´omoß nur unter der Annahme der Mehrdeutigkeit kohärent
verstanden werden kann. Vgl. dazu M. HARL, Origène et la sémantique du langage biblique,
VigChr 26 (1972) 161–187; Origène et les interprétations patristiques grecques de
l’›obscurité‹ biblique, VigChr 36 (1982) 334–371.
12 Übers. von C. Römer in NTApo II, 48.50.
13 Kein Geringerer als Eduard NORDEN (1868–1941), seines Zeichens Altphilologe und
Religionshistoriker, bekennt (Kunstprosa, II, 499): »Paulus ist ein Schriftsteller, den
wenigstens ich nur sehr schwer verstehe; das erklärt sich mir aus zwei Gründen: einmal ist
seine Art zu argumentieren fremdartig, und zweitens ist auch sein Stil, als Ganzes betrachtet,
unhellenisch.« A.D. N OCK, Paulus (Zürich; Leipzig, 1940) 189 fügt hinzu: »Wahrscheinlich
werden alle klassischen Philologen diesem Urteil zustimmen.«
14 H. LIETZMANN, Geschichte der Alten Kirche (Berlin, 21937) I, 112f (einbändige Aus-
gabe S. 114f).
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas 5

Satzgefüge, verfolgt einen Nebengedanken, bringt ein schiefes Bild, bleibt schließlich
stecken. Nun hebt er nochmal an, aber wieder überstürzen die Gedanken in ihrer Fülle die
mühsam nachhinkenden Worte und verschlingen sich erneut zu einem seltsamen Satzgebilde
– der Leser ahnt, was er sagen will, aber es kommt nicht zu Papier. Dann endlich – aber
keineswegs immer – bildet sich die Form dem Inhalt gemäß. Und derselbe Mann kann mit
hinreißendem Zauber der Gestaltung sein Gefühl ausströmen lassen in die Herzen der Leser
[…] als ein Sprachmeister von Gottes Gnaden, dem alle Register des menschlichen Organon
gehorchen, ein einziger genialer Wildling in der sauber gezüchteten Baumschule des
griechischen Literatentums der Zeit.«

Trotz solcher Urteile über die Unverständlichkeit paulinischer Argumentatio-


nen hat sich die Ansicht nicht durchgesetzt, es sei schlicht sinnlos, nach
Kohärenz zu fragen. Die bloße Tatsache, dass an die paulinische Briefliteratur
die Frage nach »Logik« oder »Stringenz« gestellt werden kann, spiegelt deren
Anspruch auf argumentative Schlüssigkeit wider. Wenn unsere hermeneuti-
schen Ressourcen bei der Lektüre eines Gedichts oder beim Hören eines
Gebetes versagen, kommt uns wohl kaum in den Sinn, nach deren »Logik«
oder »Stringenz« zu fragen. Sinnvoll ist ein solches Fragen nur dann, wenn es
der Frage wert ist. Ich gehe davon aus, dass Fragen, die sich als heuristisch
sinnvoll erwiesen haben, ein Indiz für das Vorhandensein konkreter Phäno-
mene in bestimmten Untersuchungsobjekten sind. Paulinische Rede ist nicht
nur »fremd und widerspruchsvoll« – wenn sie nur das wäre, könnten wir auf
jeglichen Versuch rationalen Nachvollzugs verzichten –, sie ist auch von einer
klar nachvollziehbaren Überzeugungskraft.

2. »Einfach und klar«: Paulinische claritas


»›Aber etwas muß doch verkehrt (diastrof¨j ß) sein‹, sagst du, ›wenn im gegenseitigen
Widerstreit sich alle auf ihn [= Paulus] berufen.‹ Freilich ist etwas verkehrt, aber suche es nur
nicht bei Paulus, sondern bei denen, die sich auf ihn berufen. Denn er ist nicht vieldeutig,
sondern einfach und klar (ohu gàr poikíloß tiß ~j n hallà Haploüß kaì saf´jß); diese aber
wenden und drehen seine Aussprüche nach ihren besonderen Meinungen.«15

So äußert sich einer der größten Anwälte des Paulus in der Alten Kirche,
Johannes Chrysostomus. Er richtet sich damit gegen die häretischen Zugriffe
auf seinen großen Helden durch Markion und die Manichäer16. Ganz ähnlich
urteilt Photios (820–891/897), Patriarch von Konstantinopel, der als »der
gelehrteste Mann seiner Zeit«17 gilt:

15 Joh. Chrysostomus, Hom. in 2 Cor. 21,4 [zu 2Kor 10,1f] (übers. A. Hartl, BKV I/6, 344
= PG 61, 545).
16 In Laud. 5 (ed. A. Piédagnel) nimmt Johannes jedoch die widersprüchlichen Handlun-
gen und Reden des Paulus zum Anlass einer Lobrede. Vgl. dazu M.M. MITCHELL, ›A
Variable and Many-sorted Man‹: John Chrysostom’s Treatment of Pauline Inconsistency,
JECS 6 (1998) 93–111; The Heavenly Trumpet: John Chrysostom and the Art of Pauline
Interpretation (HUTh 40; Tübingen, 2000) 330–353.
17 K. ZIEGLER, Art. Photios, KP 4 (1975) 813.
6 I. Hinführung

»Was sodann die tropische Verwendung der Wörter betrifft und das, was davon (bereits) zur
Härte hinneigt, weiß er [= Paulus] (beides) wohl zu scheiden und gönnt (dem zweiten) keinen
Raum. Und doch ist er es, der durchwegs mit Größe die Deutlichkeit (megéqei tò saféß)
verbindet, wie irgend ein anderer – nein, wie gar kein anderer.«18

Solche Aussagen sind nicht Frucht blinder Apologetik, sondern sachlich


durchaus berechtigt. Paulus greift zwar auf feste Traditionen aus seiner
christlichen und jüdischen Enzyklopädie zurück19, er benutzt Schriftzitate als
autoritative Überzeugungsmittel und redet zuweilen prophetisch, apodiktisch,
inspiriert20. Doch mehrheitlich besteht seine Rede nicht aus Orakelsprüchen,
Dichterversen, Fabeln, Erzählungen, Mythen, Genealogien, Weisheitssprü-
chen, kultischen Reden, Hymnen oder Gebeten. Rein formal betrachtet,
finden sich in der paulinischen Briefliteratur viele rhetorische Elemente, die
typisch für argumentative Sprachhandlungen sind, z.B. »diatribische« Diskus-
sionen, Antithesen, Analogien, Schlussformen und diverse Argumentations-
formeln21. Seinem Anspruch nach kommuniziert Paulus vorwiegend in
sprachlich gegliederten Gedankengängen und in verständlichen und nachvoll-
ziehbaren Aussagesätzen22. Desgleichen verteidigt er Thesen zu strittigen Fra-
gen und versucht, diese durch Rückgriff auf eine gemeinsame Überzeugungs-

18 Quaestiones ad Amphiliochium 92 (= PG 101, 585D/588A); übers. von B. WYSS,


Photios über den Stil des Paulus, MH 12 (1955) 241. Als Beispiele paulinischen Stils hat
Photios zuvor Röm 11,33 und Gal 3,13 zitiert.
19 Ich verwende den Begriff der »Enzyklopädie« im Sinne des kulturellen Wissens, in das
Autoren und Autorinnen sowie Leser und Leserinnen eingebunden sind. Dieses Vorwissen ist
nicht nur Teil der textuellen Kompetenzerwartung, sondern wird ebenso auch durch Texte
vermittelt. Vgl. dazu meine Arbeit Den Anfang hören: Leserorientierte Evangelienexegese
am Beispiel von Matthäus 1–2 (FRLANT 180; Göttingen, 1998) 47–51.151–163.
20 Vgl. H. MERKLEIN, Der Theologe als Prophet: Zur Funktion prophetischen Redens im
theologischen Diskurs des Paulus, in: Ders., Studien zu Jesus und Paulus II (WUNT 105;
Tübingen, 1998) 377–404.
21 Vgl. allgemein die wichtige Studie von SIEGERT, Argumentation und weiterhin R.
WONNEBERGER, Überlegungen zur Argumentation bei Paulus, in: M. Schecker (Hrsg.),
Theorie der Argumentation (Tübinger Beiträge zur Linguistik 76; Tübingen, 1977) 243–310
(am Beispiel von Röm 3,1–18); FENSKE, Argumentation und die Studien in J.S. VOS, Die
Kunst der Argumentation bei Paulus: Studien zur antiken Rhetorik (WUNT 149; Tübingen,
2002). Aus der umfangreichen Literatur zu Einzelproblemen vgl. R. BULTMANN, Der Stil der
paulinischen Predigt und die kynisch-stoische Diatribe (FRLANT 13; Göttingen, 1910); T.
SCHMELLER, Paulus und die »Diatribe« (NTA 19; Münster, 1987), vgl. bes. die Überblicks-
tabelle auf S. 70–74; S.K. STOWERS, The Diatribe and Paul’s Letter to the Romans (SBLDS
57; Chico, Calif., 1981); N. SCHNEIDER, Die rhetorische Eigenart der paulinischen Antithese
(HUTh 11; Tübingen, 1970); H.M. GALE, The Use of Analogy in the letters of Paul
(Philadelphia, 1964); C. MAURER, Der Schluß ›a minore ad majus‹ als Element paulinischer
Theologie, ThLZ 85 (1960) 149–152; E. BAASLAND, Die PERI-Formel und die Argumentati-
on(ssituation) des Paulus, StTh 42 (1988) 69–87.
22 Dies entspricht seiner Empfehlung an die korinthischen Pneumatiker, lieber »einige
verständliche Worte« als »zehntausend in Zungen« zu sprechen (1Kor 14,13–19).
A. Paulus zwischen obscuritas und claritas 7

basis (z.B. Bekenntnisformeln oder Schriftzitate) zu untermauern23. Paulus


verbindet in seinen Briefen das Ziel der Persuasion24 mit dem Anspruch,
möglichst deutlich und »vernünftig« für seine theologischen Überzeugungen
zu argumentieren. Diese Beobachtung erweist sich selbst unter der Bedingung
unterschiedlicher Definitionen von »Argumentation« als zutreffend25.
Diesbezüglich können (mindestens) zwei Ansätze unterschieden werden: 1. Funktionalistisch:
»Argumentation is generally spoken or written discourse, of varied dimensions, which
combines a large number of arguments with the aim of obtaining agreement from an audience
on one or more theses.«26 Oder: »In einer Argumentation wird versucht, mit Hilfe des
kollektiv Geltenden etwas kollektiv Fragliches in etwas kollektiv Geltendes zu überführen.« 27
2. Logisch-formalistisch: Ein Argument ist eine »Folge von Sätzen, bestehend aus mindestens
einer Prämisse und genau einer Konklusion«, und eine Argumentation ist eine »sprachliche
Handlung […], bei deren Vollzug ein Argument oder mehrere Argumente geäußert werden,
z.B. um Behauptungen zu begründen oder Entscheidungen zu rechtfertigen« 28.

Viele zentrale Fragen der gegenwärtigen Paulusforschung – etwa nach der


Kohärenz und Systemqualität paulinischer »Theologie« oder nach Brüchen
und Entwicklungen im Überzeugungssystem des Paulus – sind überhaupt erst
plausibel auf der Grundlage, dass Paulus in der Tat argumentiert. Ungeachtet
der Position, die zu diesen Themen bezogen wird, kann Paulus ein Mindest-
maß an Rationalität kaum ernsthaft abgesprochen werden. Es ist jedoch die
besondere Spannung zwischen claritas und obscuritas in der paulinischen
Argumentationsweise, die zu Recht das Bedürfnis nach Erklärungen weckt,
welche uns die Texte »einsichtig« machen. Dadurch gerät die Paulus-Exegese
– oftmals ohne sich dessen gewahr zu sein – in den Bereich der Logik29.

23 Ob eine Argumentation vorliegt, ist nicht nur aufgrund von formal-sprachlichen Krite-
rien zu beantworten, sondern muss sich auch anhand der persuasiven Intention einer
Kommunikationshandlung nachweisen lassen (SIEGERT, Argumentation, 19).
24 Zur Unterscheidung von »Überzeugung« und »Überredung« schlägt SIEGERT, Argu-
mentation, 22 idealtypisch vor: Ȇberzeugung verlangt die volle, kritische Mitarbeit des
Partners, Überredung sucht diese Mitarbeit auf das für die eigene Seite günstige Maß zu
reduzieren.«
25 Der lateinische Begriff der argumentatio steht in der antiken rhetorischen Tradition in
einem engen Zusammenhang mit dem Beweisteil (probatio) einer Rede. Vgl. H. LAUSBERG,
Handbuch der literarischen Rhetorik (Stuttgart, 31990) 190–236; J. MARTIN, Antike Rhetorik
(HAW II.3; München, 1974) 95–137.
26 C. P ERELMAN , The New Rhetoric and the Humanities (Dordrecht, 1979) 24.
27 W. K LEIN , Argumentation und Argumente, Zeitschrift für Literaturwissenschaft und
Linguistik 38/39 (1980) 19. Dieser Definition folgen SIEGERT, Argumentation, 16–22 und K.
BERGER, Formen und Gattungen im Neuen Testament (UTB 2532; Tübingen, 2005) 153. Die
Definition hat m.E. darin etwas Zirkuläres, dass Mittel und Ziel im »kollektiv Geltenden«
zusammenfallen.
28 K. BAYER, Argument und Argumentation (Opladen, 1999) 229f; ähnlich D. FØLLESDAL
u.a., Rationale Argumentation (GKom; Berlin, 1988) 244.
29 »Logik« spielt auch eine Rolle, wenn es darum geht, Glossen in den Paulusbriefen
»nachzuweisen« (s.u. S. 190, Anm. 474) oder Briefteilungshypothesen zu erhärten.
8 I. Hinführung

B. »Beständig und gottgewollt«:


Vom Nutzen der Logik für die Exegese
»Dennoch ist gerade die Richtigkeit der logischen Schlüsse (veritas conexionum) nicht von
Menschen eingerichtet, sondern vielmehr wahrgenommen und aufgezeichnet worden (non
instituta sed animadversa est ab hominibus et notata), damit man diese entweder lernen oder
lehren kann. Denn sie ist in der Vernunft der Dinge beständig und gottgewollt eingerichtet (in
rerum ratione perpetua et divinitus instituta). Wie nämlich der, welcher von der Abfolge der
Ereignisse erzählt, diese nicht selbst zusammenstellt und derjenige, der die Lage von Orten
oder die natürliche Beschaffenheit von Tieren, Wurzeln oder Steinen beschreibt, nicht von
Menschen eingerichtete Dinge beschreibt und jener, der die Sterne und ihre Bahnen
beschreibt, nicht eine von ihm selbst oder von irgendeinem Menschen eingerichtete Sache
beschreibt, so spricht auch, wer sagt: ›Wenn falsch ist, was folgt, ist notwendigerweise auch
falsch, was vorausgeht‹, sehr wahr und bewirkt doch nicht selbst, daß es so ist, sondern er
zeigt nur, daß es so ist (verissime dicit neque ipse facit ut ita sit, sed tantum ita esse
demonstrat).« 30

Für den einflussreichen Kirchentheologen Augustin ist Logik zur Klärung von
theologischen wie exegetischen Schwierigkeiten von unschätzbarem Wert,
denn sie entspricht der natürlichen und göttlich eingerichteten »Vernunft der
Dinge«31. Ein solch ungebrochenes Verhältnis zur Logik ist heute kaum
vorstellbar. Bevor über den Beitrag der Logik zur Deutung paulinischer
Argumentation nachgedacht werden kann, ist daher ein knapper historischer
Blick auf das Verhältnis von Theologie und Logik nötig.

1. Theologie und Logik – Szenen einer (geschiedenen) Ehe


Der Gebrauch der Logik in Theologie und Exegese war – wie auch obiges
Augustin-Zitat zeigt – lange Zeit eine Selbstverständlichkeit32. Theologen
haben dabei nicht nur auf logische Fragestellungen als Mittel der Textanalyse
und theologischen Argumentation zurückgegriffen, sie haben auch wissen-
schaftsgeschichtlich gewichtige Beiträge zur Logik selbst geleistet33. Die

30 Augustin, DoctrChr II,32(50),121 (dt. Pollmann, 88f; lat. ed. Green, 112).
31 Vgl.zur Auslegung dieser Stelle T.G. BUCHER, Zur formalen Logik bei Augustinus,
FZPhTh 29 (1982) 3–45.
32 Die Rolle der Logik in der vormittelalterlichen Theologiegeschichte ist wenig unter-
sucht worden. Vgl. zu Tertullian R.H. AYERS, Language, Logic, and Reason in the Church
Fathers (AWTS 6; Hildesheim, 1979) 7–60; zu Origenes R.E. HEINE, Stoic Logic as
Handmaid to Exegesis and Theology in Origen’s Commentary on the Gospel of John, JThS
44 (1993) 90-117 (dort weitere Literatur); zu Clemens Alexandrinus E. OSBORN, Logique et
exégèse chez Clément d’Alexandrie, in: Lectures anciennes de la Bible (CBiPa 1; Strasbourg,
1987) 169-190; zu Augustin BUCHER, Logik bei Augustinus.
33 Das gilt für Boethius (480–524), Thomas von Aquin (1224–1274), die beiden Franzis-
kaner Duns Scotus (1265–1308) und Ockham (1285–1349) und in besonderem Maße für
Abaelard (1079–1142). Vgl. dazu knapp M. MÜHLING-SCHLAPKOHL, Art. Logik, RGG4
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 9

Beziehung zwischen Theologie und Logik war, solange sie währte, dennoch
nie wirklich frei von Spannungen, v.a. wenn es darum ging das »Mischungs-
verhältnis« beider zueinander genau zu bestimmen34. Die Genese der
Trennung zwischen beiden ist komplex und kann hier nur angedeutet werden:
Trotz der Auseinandersetzung mit »der« scholastischen Theologie haben
manche Stränge humanistisch-reformatorischer Theologie sich einen Bezug
zur Logik bewahrt. Hier ist v.a. Melanchthon (1497–1560) hervorzuheben,
der einige einflussreiche logische Schriften in der Tradition des Aristoteles
verfasste35. Dem steht jedoch die Haltung Luthers (1483–1546) gegenüber,
der in seiner übereifrigen Polemik gegen die Scholastik auch der Logik wenig
Bedeutung beimaß und damit zum Teil das Kind mit dem Bade ausschüttete36.
Parallel zu diesen theologischen Entwicklungen kam es im Zuge der
humanistischen Bewegung generell zu einer graduellen Abwertung der Logik.
Für viele Humanisten war das scholastische Interesse an logischen Fragen
nicht aus wissenschaftstheoretischen Gründen zu vernachlässigen, sondern
schlicht aufgrund des »barbarischen Stils« und des wenig attraktiven Inhalts37.
Petrus Ramus (1515–1572), Humanist und späterer Anhänger des Calvinis-
mus, hatte daher mit seinem Entwurf einer antiaristotelischen Logik, bei der
sich Logik in Rhetorik auflöst, großen Erfolg38. Die enormen Fortschritte im
Bereich der Physik in der frühen Neuzeit machten schließlich deutlich, dass
Logik kein geeignetes Instrument zur Entdeckung und Wissenserweiterung
ist39. Damit verlor sie für Theologie und Philosophie zunehmend an Interesse.

(2002) 491 und bes. zu Abaelard W. KENALE / M. KNEALE, The Development of Logic
(Oxford, 21984) 202–224.
34 So hatten z.B. viele theologische Einwände und kirchenpolitische Angriffe gegen
Ockham mit der Frage zu tun, welchen Stellenwert die Logik in der Theologie einnehmen
soll. Vgl. F. H OFFMANN, Die Schriften des Oxforder Kanzlers Iohannes Lutterell (EThSt 6;
Leipzig, 1959) 141–186.
35 Compendaria dialectices ratio (1520 »Kurzgefasstes System der Dialektik«), Dialecti-
ces Philippi Melanthonis libri quatuor ab auctore (1528) und Erotemata Dialectices (1547).
Vgl. dazu G. FRANK, Melanchthons Dialektik und die Geschichte der Logik, in: J. Leonhard
(Hrsg.), Melanchthon und das Lehrbuch des 16. Jahrhunderts (Rostock, 1997) 125–147; N.
KUROPKA, Philipp Melanchthon: Wissenschaft und Gesellschaft (SuR N.R. 21; Tübingen,
2002) 2–40.
36 Dass dies nicht alles ist, was zu Luthers Verständnis von Logik zu sagen ist, macht die
differenzierte Darstellung in T. DIETER, Der junge Luther und Aristoteles (TBT 105; Berlin,
2001) 378–430 deutlich.
37 KNEALE / KNEALE, Logic, 300.
38 KNEALE / KNEALE, Logic, 301–305. Bezeichnend ist bereits der Titel von Ramus’
Magisterthese von 1536: »Und was immer Aristoteles sagte, ist erlogen« (Quecumque ab
Aristotele dicat essent, commentita esse). Sein 1555 auf französisch erschienenes Lehrbuch
»La dialectique« übte in der englischen Übersetzung von Roland MacIlmaine (1574) großen
Einfluss auf den englischen und amerikanischen Puritanismus aus.
39 KNEALE / KNEALE, Logic, 307–310 (dort auch zur Abwertung der Logik in Bacon’s
Novum Organum von 1620).
10 I. Hinführung

Eine für Theologie wie Philosophie so wichtige Figur wie Friedrich D.E. Schleiermacher hat
an dieser Lage wenig geändert. Er hat, im Gegenteil, kaum einen positiven Zugang zu Fragen
der Logik gefunden 40. Sein Urteil lautet: »Das syllogistische Verfahren ist für die reale
Urteilsbildung von keinem Wert.« 41 Logik im engeren Sinne trage zur Schlichtung eines
Disputs, worum es in der Dialektik zentral gehe, nichts bei42. Das Wenige jedoch, was er in
seiner Dialektik ausdrücklich zur Einseitigkeit formaler Logik sagt43, reicht aus heutiger
Sicht kaum aus, um sie in einer Form rhetorischer Dialektik aufgehen zu lassen.

Der Graben zwischen Theologie und Logik hat sich (zumindest im


deutschsprachigen Raum) durch den Einfluss der dialektischen Theologie
noch vergrößert44.
Von geradezu paradigmatischer Bedeutung dürfte hier die »rätselhafte« Freundschaft
zwischen Karl Barth und Heinrich Scholz sein 45: Beide besuchten als Studenten in Berlin
Harnacks Kolleg, doch zog es Scholz später von der Theologie über die Religionsphilosophie
zur Philosophie und schließlich (angeregt durch die Lektüre der Principia Mathematica von
Whitehead und Russell) gänzlich zur Logik. Als Ordinarius am ersten deutschen Lehrstuhl
für mathematische Logik und Grundlagenforschung in Münster erlangte er eine ähnliche
Bedeutung für die Logik wie Barth für die Theologie. Bis zum Tode von Scholz (1956)
blieben beide einander freundschaftlich verbunden46. Dennoch wurde die sachliche
Kommunikation zwischen ihnen durch den Umstand erschwert, dass die Faszination für die
wissenschaftlichen Interessen des jeweils Anderen von einem grundlegenden Unverständnis
überschattet wurde. Barth beschrieb in einem Brief an Thurneysen diese seltsame Distanz als
eine Kommunikation »durch rhythmisches Klopfen an die Wand«47. Damit ist zugleich das
Verhältnis zwischen dialektischer Theologie und Logik in ein treffendes Bild gefasst.

Erst durch die Auseinandersetzung der systematischen Theologie mit der


modernen analytischen Philosophie werden auch logische Aspekte berührt,
v.a. hinsichtlich des Problems einer vernünftigen und reflektierten Rede von
Gott48. Die Begriffe »Logik« und »logisch« werden jedoch selten im Sinne

40 Einige knappe Hinweise in C. ALBRECHT, Schleiermachers Theorie der Frömmigkeit


(SchlAr 15: Berlin, 1994) 58–60.
41 Dialektik, hrsg. M. Frank (stw 1529; Frankfurt a.M., 2001) I, 383.
42 Ebda., II, 34f.
43 Ebda., II, 403–408.
44 E. STOCK, Art. Logik und Theologie, EKL3 3 (1992) 181.
45 Vgl. A.L. MOLENDIJK, Eine ›rätselhafte‹ Freundschaft: Die Korrespondenz zwischen
Heinrich Scholz und Karl Barth, ZDT 8 (1992) 75–98.
46 Vgl. H. SCHOLZ, Warum ich mich zu Karl Barth bekenne, in: Antwort (FS K. Barth;
Zürich, 1956) 865–869.
47 Zitiert in MOLENDIJK, Freundschaft, 78.
48 Eine wichtige frühe Arbeit ist J. MACQUARRIE, Gott-Rede: Eine Untersuchung der
Sprache und Logik der Theologie (Würzburg, 1974; engl. 1967), bes. 93–111 (zur Auseinan-
dersetzung mit dem logischen Empirismus). Vgl. im deutschsprachigen Raum I.U. DALFERTH
(Hrsg.), Sprachlogik des Glaubens (BEvTh 66; München, 1974), bes. 9–62 (Einleitung des
Herausgebers); P. WIDMANN, Thetische Theologie: Zur Wahrheit der Rede von Gott (BEvTh
91; München, 1982); U. KROPAC, Naturwissenschaft und Theologie im Dialog (Studien zur
systematischen Theologie und Ethik 13; Münster, 1999), bes. 135–149; T. SCHÄRTL, Theo-
Grammatik: Zur Logik der Rede vom trinitarischen Gott (Ratio fidei 18; Regensburg, 2003).
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 11

einer »formalen Logik« gebraucht49. Eine umfassende Untersuchung, die


Logik und Theologie produktiv miteinander ins Gespräch bringt, bleibt m.E.
weiterhin ein dringendes Desiderat50. Nicht minder zaghaft sind Annäherun-
gen von Seiten der Logik an die Theologie. Bis auf die frühen Beiträge von
Heinrich Scholz51 ist mir an umfrangreicheren Arbeiten nur der Versuch von
J.M. Bochenski, Regeln und Gesetze der Logik auf die religiöse Sprache
anzuwenden, bekannt52. Innerhalb der Theologie hat dieses Werk jedoch
kaum Beachtung gefunden.
Es ist angesichts einer solchen Konstellation auch nicht verwunderlich,
dass es zur Fragestellung der vorliegenden Arbeit im engen Sinne keine
Forschungsgeschichte gibt53. Zu dieser Lücke möchte ich vier Anmerkungen
machen:

Auf moderne relationslogische Modelle greift M. MÜHLING-SCHLAPKOHL, Gott ist Liebe:


Studien zum Verständnis der Liebe als Modell des trinitarischen Redens von Gott (MThSt 58;
Marburg, 2000) 44–48.333–338 zurück. In seinem Artikel Logik, RGG4 5 (2002) 492f geht er
kurz auf systematisch-theologische Grundfragen ein.
49 Die anregende »kurze Darstellung der Zusammenhänge theologischer Grundgedanken«
(so der Untertitel) in D. RITSCHLS, Zur Logik der Theologie (KT 38; München, 21988)
erläutert den im Titel so exponierten Begriff der »Logik« weder in der »Erklärung bevorzug-
ter Begriffe« (19–23) noch im Abschnitt zur »Stellung der Logik« (109–129). Aus einzelnen
Aussagen lässt sich entnehmen, dass mit »Logik« so etwas gemeint ist wie eine »Grammatik«
des Glaubens, eine Art »Regulativ« für theologisches Reden (13.26.115f). »Logik« ist hier
jedenfalls nicht als »formale« Logik zu verstehen. Ähnlich unterbestimmt bleibt der Logik-
Begriff in der Arbeit seines Schülers H.O. JONES, Die Logik theologischer Perspektiven
(FSÖTh 48; Göttingen, 1985). Gänzlich missverständlich ist der Gebrauch des Wortes
»Logik« in H. BOUILLARD, Logik des Glaubens (QD 29; Freiburg, 1966), der darunter »die
Logik der freien Zustimmung zum Mysterium des Christentums« (9) versteht.
50 Als Beitrag zu einem Teilgebiet »theologischer Logik« versteht H. SCHRÖER seine
Untersuchung Die Denkform der Paradoxalität als theologisches Problem: Eine Untersu-
chung zu Kierkegaard und der neueren Theologie als Beitrag zur theologischen Logik
(FSThR 5; Göttingen, 1960). Eine logische Kriteriologie für die Theologie entwirft
A. JEFFNER, Kriterien christlicher Glaubenslehre (SDCU 15; Stockholm, 1977) 97–126.
51 H. SCHOLZ, Wie ist eine evangelische Theologie als Wissenschaft möglich? (1931), in:
G. Sauter (Hrsg.), Theologie als Wissenschaft (TB 43; München, 1971) 221–264; Was ist
unter einer theologischen Aussage zu verstehen? (1936), in: Sauter, Theologie als Wissen-
schaft, 265–278; Das theologische Element im Beruf des logistischen Logikers, in: Ders.,
Mathesis Universalis (Basel, 1961) 324–340. Der erste Aufsatz wurde von BARTH katego-
risch abgelehnt (vgl. KD 1 [1932] 7), auf die anderen ist er nicht mehr eingegangen. Vgl.
dazu H.G. ULRICH, Was heißt theologische Wahrheitsfindung? Bemerkungen zu Fragen von
Heinrich Scholz an Karl Barth, EvTh 43 (1983) 350–370; W. PANNENBERG, Wissenschafts-
theorie und Theologie (Frankfurt a.M., 1973) 270–277.
52 J.M. BOCHENSKI , Logik der Religion (Köln, 1968). Vgl. auch T.G. BUCHER, Wahr-
heitsgarantie der Theologie und der Beitrag der Logik, LingBibl 58 (1986) 15–43.
53 Vgl. das immer noch zutreffende Urteil von T.G. BUCHER, Die logische Argumentation
in 1. Korinther 15,12–20, Bib 55 (1974) 472: »Die Exegeten benutzen schon seit Jahrzehnten
12 I. Hinführung

1. Seit der 1773 veröffentlichten Logica Paulina von Carl Ludwig Bauer
ist mir keine Untersuchung bekannt, die systematisch Fragen der Logik auf
Paulus anzuwenden versucht54. Aus heutiger Sicht wirkt Bauers Arbeit
erratisch, nicht nur weil in der Folgezeit an die dort aufgeworfenen Fragen
nicht mehr angeknüpft wurde, sondern auch weil sich darin ein Verständnis
von Logik widerspiegelt, das durch seine Reduktion auf rhetorische Tropen
weder den Ansprüchen moderner Logik genügt55, noch den Leistungen
antiker Logik Rechnung trägt.
H. LEISEGANGS Analyse der »Denkform des Apostels Paulus«56 spricht zwar von paulini-
scher »Logik«, tut dies aber in einer so eigenwilligen Art und Weise57, dass für die
Fragestellung dieser Arbeit kaum etwas gewonnen werden kann. Paulus erscheint hier als
Vertreter eines »Denkens in Kreisen« neben Heraklit und Goethe. Da für Paulus der »Satz
vom Widerspruch« nicht gelte (116), sei er »mit den Denkmitteln der traditionellen Logik«
kaum zu verstehen (125), ja die Logik der Rationalisten müsse an Paulus zerbrechen (126)58.
Beim Versuch, die »Logik« des Paulus aus sich selbst heraus zu entdecken (128f), begeht
LEISEGANG m.E. zwei Kategorienfehler: Er unterscheidet weder zwischen axiomatischen und
deduzierten Sätzen 59 noch zwischen natürlicher und formaler Sprache. Die natürliche
Sprache formuliert häufig paradoxe Sätze, die jedoch keine formallogischen Antinomien sind,
sondern sprachlichen Äquivokationen entspringen60.

2. An exegetischen Fachpublikationen, die die Vokabeln »Logik« und


»logisch« im Titel führen, herrscht kein Mangel. Die meisten davon sind

wissenschaftlich anerkannte Methoden. […] Gerade deshalb fällt es umso mehr auf, wenn
daneben die logische Struktur vernachlässigt wird oder gar unbeachtet bleibt.«
54 Carl Ludwig BAUER, Logica Paulina vel notatio rationis, qua utatur Paullus Apostolus
in verbis adhibendis, interpretando, definiendo, enuntiando, argumentando, et methodo
universa in usum exegeseos et doctrinae sacrae (Halle, 1773).
55 Als »Geburtsstunde« der modernen Logik gilt G. FREGES Begriffsschrift (Halle, 1879).
56 Denkformen (Berlin, 21951) 88–130. Anders als F ENSKE, Argumentation, 37 bewerte
ich den Beitrag Leisegangs eher negativ.
57 »Wenn ein Denker seine Denkform systematisch ausbaut, so geschieht dies mit einer
ihm eigenen Logik, und dieses Denken führt ihn zu einem mit den Mitteln dieser Logik
ausgeführten System eigener Struktur. Wenn es verschiedene Denkformen gibt, so müßte es
daher auch verschiedene ›Logiken‹ geben, die entweder nebeneinander bestehen können,
ohne sich zu stören, oder sich gegenseitig ausschließen.« (44)
58 Als Beispiel führt LEISEGANG 1Kor 15 an: »Wie soll etwa aus der Tatsache, daß ein
Mensch von den Toten auferweckt wurde, logisch folgen, daß nun alle auferweckt oder
verwandelt werden müssen?« (126)
59 Die Verbindung z.B. zwischen der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der an ihn
Glaubenden in 1Kor 15,20 ist nicht deduziert, sondern bildet den Ausgangspunkt für den
gültigen Schluss, dass die Glaubenden auferstehen werden. Der apokalyptische Zusammen-
hang, der in 1Kor 15,20 zum Ausdruck kommt, muss nicht selbst »logisch« sein, um als
Grundlage für logisch gültige Schlüsse dienen zu können.
60 Wenn z.B. in der Alltagssprache der Satz geäußert wird »Diese Männer sind keine
Männer«, dann sehen wir darin wohl kaum ein Indiz für »zyklisches Denken« und stellen den
Sprecher oder die Sprecherin auch nicht in die Gefolgschaft Heraklits. Viel eher durchschau-
en wir schnell, dass der Begriff »Mann« auf zwei unterschiedliche Weisen gebraucht wird.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 13

jedoch für die spezifische Fragestellung dieser Arbeit deshalb von geringem
Interesse, weil darin keine formallogischen Verfahren zum Einsatz gelan-
gen61. Es wäre an dieser Stelle nicht nur müßig, sondern geradezu beckmesse-
risch, dem nicht-terminologischen Sprachgebrauch durch Exegeten und
Exegetinnen von der Warte der Logik aus einen Riegel vorschieben zu
wollen. Zumindest ist dieser semantische Wucherungsprozess nicht nur im
Bereich der Exegese festzustellen, sondern typisch für viele andere Diszipli-
nen62. Die vorliegende Arbeit wird auf den alltagssprachlichen Gebrauch der
Termini »Logik« und »logisch« verzichten, denn die begriffliche Unschärfe
hat unweigerlich zur Folge, dass häufig Urteile, die logische Aspekte einer
Argumentation tangieren, eher der Intuition als einer kontrollierbaren
Methodik entsprechen.
3. Die aktuelle Rhetorik-Renaissance hat einige Arbeiten hervorgebracht,
die Fragen der Logik streifen, jedoch ohne sich eingehend damit zu befassen.
Das gilt z.B. für Hotzes Untersuchung zur Paradoxie bei Paulus63 ebenso wie
für den Versuch von Moores, Röm 1–8 mit Hilfe Eco’scher Semiotik auf
vorhandene aristotelische Enthymeme abzusuchen64. Neben einigen unbefrie-

61 »Logik« begegnet in Titeln von aktuellen Fachpublikationen in Kombinationen wie


»emotional logic«, »God’s semantic logic«, »agrartechnisch-biologische Logik der
Gleichnisse«, »logic of history«, »logic of the dietary laws«, »logic of the Logos Hymn«,
»logic of the role of the law«, »logical grammar of justification«, »Logik biblischer
Erzählungen«, »Logik der Praxis christlichen Glaubens«, »Logik des trinitarischen Bekennt-
nisses«, »narrative Logik«, »theologische Logik der Metapher ›Wiedergeburt‹«, usw. Ein
solcher Sprachgebrauch kann bestenfalls als »vorkritisch« bezeichnet werden. In der Regel
bleibt der Referenzbereich dessen, was mit den Begriffen bezeichnet wird, semantisch
unterdeterminiert.
62 Hier folgt die Wissenschaftssprache dem Alltagsgebrauch. Wir bezeichnen im Alltag
etwas als »logisch«, das uns folgerichtig, klar, vernünftig, einleuchtend oder einfach
selbstverständlich erscheint und bezeichnen mit dem Begriff »Logik« so etwas wie eine
Lehre von den Gesetzen des Denkens (vgl. Duden: Rechtschreibung der deutschen Sprache
[Mannheim, 211996] 463; G. WAHRIG, Deutsches Wörterbuch [Berlin, 1977] 2375).
Umgekehrt ist das Adjektiv »unlogisch«, insbesondere in der Steigerung »total unlogisch«,
häufig eine gepflegtere Art und Weise, etwas als »Unsinn« oder »Quatsch« zu bezeichnen.
63 G. HOTZE, Paradoxien bei Paulus (NTA 33; Münster, 1997). Der knappe Abschnitt
»Zur logischen Struktur eines Paradox« (27–30) ist aus logischer Sicht an mind. drei Punkten
unpräzise: Hotze geht zu unbedacht von der sprachlichen zur logischen Form über, er
unterscheidet nicht zwischen konträren und kontradiktorischen Gegensätzen und vermischt
logische Analyse und Wahrheitsbestimmung.
64 J.D. MOORES, Wrestling with Rationality in Paul: Romans 1–8 in a New Perspective
(MSSNTS 82; Cambridge, 1995). Aus logischer Sicht bleibt an dieser Arbeit unbefriedigend,
dass der Autor seine rekonstruierten Syllogismen nirgends formalisiert, um sie damit einer im
strengen Sinne logischen Analyse zugänglich zu machen. Damit bleibt Moores auf halbem
Wege.
14 I. Hinführung

digenden Ausführungen zu »Logik«65, hat sich v.a. die Kategorie des Enthy-
mems als ein fruchtbarer Untersuchungsgegenstand auf der Grenzlinie
zwischen Rhetorik und Logik erwiesen66.
4. Die einzige nennenswerte Ausnahme zu diesem generell zu konstatie-
renden logischen blinden Fleck in der Exegese ist die sog. »Bucher-
Bachmann-Kontroverse« um die logische Analyse von 1Kor 15,12–2067. Die
logische Diskussion, die die Exegese dieser Stelle ausgelöst hat, hat jedoch
keine Ausweitung auf das Gesamt der Paulus-Exegese erfahren68.
Insgesamt begegnen sich in der gegenwärtigen Forschung Theologie und
Logik auf dem Parkett der Disziplinen höchst selten69. Die Unterschiede
hinsichtlich der Pflege einer je eigenen Wissenschaftssprache, der leitenden

65 Etwa T.E. van SPANJE, Inconsistency in Paul? A Critique of the Work of Heikki Räisä-
nen (WUNT 2:110; Tübingen, 1999) 198f, der Argumentation als eine Funktion einzig und
allein der Rhetorik und nicht der Logik betrachtet. Oder FENSKE, Argumentation, 31–38, der
einen künstlichen Gegensatz zwischen »mathematischer« und »situationsorientierter« Logik
aufbaut. Völlig unbestimmt bleibt der Logikbegriff in D. STARNITZKE, Die Struktur
paulinischen Denkens im Römerbrief: Eine linguistisch-logische Untersuchung (BWANT
163; Stuttgart, 2004). Ich habe weder der Einführung (1–21) noch der Interpretation des
Römerbriefes (23–477) entnehmen können, in welcher Form logische Untersuchungsmetho-
den hier zum Einsatz gelangen.
66 Am gelungensten erscheint mir D.E. AUNE, The Use and Abuse of the Enthymeme in
New Testament Scholarship, NTS 49 (2003) 299–320. Vgl. weiterhin zu Paulus M.J.
DEBANNÉ, An enthymematic reading of Philippians: Towards a typology of Pauline
arguments, in: S.E. Porter / D.L. Stamps (eds.), Rhetorical Criticism and the Bible (JSNT.S
195; Sheffield, 2002) 481–503; L.R. DONELSON, Pseudepigraphy and Ethical Argument in
the Pastoral Epistles (HUTh 22; Tübingen, 1986) 69–90; D. HELLHOLM, Enthymemic
Argumentation in Paul: The Case of Romans 6, in: T. Engberg-Pedersen (ed.), Paul in his
Hellenistic Context (Edinburgh, 1994) 119–179; P.A. HOLLOWAY, The Enthymeme as an
Element of Style in Paul, JBL 120 (2001) 329–339; P. LAMPE, Reticentia in der Argumentati-
on: Gal 3,10-12 als Stipatio Enthymematum, in: U. Mell / U.B. Müller (Hrsg.), Das
Urchristentum in seiner literarischen Geschichte (FS J. Becker; BZNW 100; Berlin, 1999)
27–39. Vgl. zur aristotelischen Enthymem-Theorie u. S. 63ff.
67 Vgl. dazu S. 108f.
68 J. RENSHAW, Boolean Logic in the Corinthian Correspondance, in: T.J. Burke / J.K.
Elliott (eds.), Paul and the Corinthians (FS M. Thrall; NT.S 109; Leiden, 2003) 177–193
unternimmt ohne weitere Begründung den m.E. abenteuerlichen Versuch, die mathematische
Boolsche Logik, die v.a. in der Informatik zum Einsatz kommt, auf ein sprachliches Gebilde
wie die paulinische Korintherkorrespondenz anzuwenden.
69 Logik gehört in den meisten theologischen Curricula nicht zum Ausbildungskanon.
Dass sich die römisch-katholische Theologie ebenso wie die anglo-amerikanische, skandina-
vische und niederländische Religionsphilosophie insgesamt etwas logikfreundlicher als die
deutschsprachige evangelische Theologie zeigen (so STOCK, Logik, 181), bleibt angesichts
der Logikkenntnisse früherer Theologengenerationen ein sehr relatives Urteil. Von den
theologischen Standardlexika bieten zur spezifischen Frage »Logik und Theologie« TRE und
LThK4 keinen eigenen Eintrag; knapp informieren RGG4 (MÜHLING-SCHLAPKOHL, Logik,
492f) und EKL3 (STOCK, Logik und Theologie, 181–183).
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 15

Interessen und der standardisierten Vorgehensweisen scheinen so unüber-


windbar groß, dass die Theologie – selbst in einer Zeit, in der Bemühungen
um Interdisziplinarität nicht mehr das Stigma des Häretischen zu befürchten
haben – nur äußerst selten ein genuines Interesse daran zeigt, ihre Antwort-
strategien durch logische Fragestellungen zu bereichern. Die Beziehungsge-
schichte der beiden Disziplinen, die hier nur in Auswahl gestreift werden
konnte, steht heute an einem Punkt, an dem das Ignorieren der Logik seitens
der Theologie keinem Begründungszwang unterliegt. Angesichts dieser
Situation – die manche mehr andere weniger bedauern mögen – bedarf es im
Zusammenhang der vorliegenden Arbeit einer prinzipiellen Grundlegung.
Was kann Logik im Hinblick auf ein Verstehen der paulinischen Argumenta-
tion überhaupt leisten?

2. Grundlegende Prinzipien der Logik70

Im Verlauf eines Gesprächs sagt jemand: »Wir können ja wohl annehmen, dass keine
Tierschützerin zu den Verteidigern des Stierkampfs zählt. Und, wie wir alle wissen, ist
Christina überzeugte Tierschützerin. Muss ich noch mehr sagen?« Die Anwesenden werden
unweigerlich daraus den Schluss ziehen, dass Christina den Stierkampf nicht verteidigt.
Später fragt jemand: »Wo ist Christina eigentlich jetzt?« Antwort: »Christina sagte, dass sie
entweder daheim oder auf einem Konzert wäre. Sie ist jetzt definitiv nicht daheim.« Daraus
können alle folgern, dass sie sich auf einem Konzert befindet.

Das Folgern aus diesen Sätzen ist für uns ebenso natürlich wie die Summe aus
»1+2« zu ziehen. Unsere Alltagssprache ist so angelegt, dass jeder und jede
aus einer begrenzten Anzahl von Aussagesätzen (sog. Prämissen) eine weitere
Aussage folgern kann. Offenbar liegen der Sprache allgemeine Strukturen
oder Gesetzmäßigkeiten zugrunde, die Schlüssen einer bestimmten Art oder
Form gemeinsam sind. Dadurch sind Menschen in der Lage, vernünftige,
begründete und nachvollziehbare Argumentationen zu formulieren. Ausge-
hend von solchen sprachlichen Beobachtungen, beschäftigen sich die
klassischen logischen Entwürfe von Aristoteles in der Antike oder von
Gottlob Frege in der Moderne genau mit diesen Strukturen der natürlichen

70 Was hier zur Logik gesagt wird, bezieht sich nur auf die »klassische« zweiwertige
Logik und erhebt keinerlei Anspruch auf Originalität. Es gehört vielmehr zu dem seit der
Antike bekannten Basiswissen. Andere Bereiche der modernen Logik – mathematische,
intuitionistische, mehrwertige oder modale Logik – sind ohne Interesse für die vorliegende
Fragestellung. Empfehlenswert zur allgemeinen Einführung in den verzweigten Bereich der
modernen Logik sind T.G. BUCHER, Einführung in die angewandte Logik (SG 2231; Berlin,
2
1998) und P. HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik (RUnB 9692; Stuttgart, 1998). Wichtige
Texte zur modernen Logik finden sich in K. BERKA / L. KREISER, Logik-Texte (Berlin,
3
1983).
16 I. Hinführung

Sprache71. Logik wird daher als »Theorie der Regeln gültigen Schließens«72
oder als »Lehre der gültigen Formen«73 bestimmt.
Was kann Logik praktisch leisten? Indem sie die Gültigkeit von sprachli-
chen Schlussfolgerungen prüft, spielt sie für die Argumentationsanalyse eine
zentrale Rolle74. Sie ist in erster Linie eine ars iudicandi, ein Werkzeug zur
Analyse von Begründungen und Schlussfolgerungen. Die logische Analyse
richtet ihr Augenmerk auf die Angemessenheit des Übergangs von den
Prämissen zur Konklusion. In einem sehr elementaren Sinne ist sie die
Theorie der Partikel »also«, »folglich«, »daher«.
Logik kann sich mit vielem beschäftigen, aber die Anwendung der
klassischen Logik auf sprachliche Argumentationen unterliegt einer klaren
Beschränkung75: Sie untersucht aus der Menge aller sprachlichen Äußerungen
meistens solche, die zwei Bedingungen erfüllen76:
1. Eine Anzahl von Aussagesätzen77 muss so angeordnet sein, dass ihre
Beziehung zueinander als »Schluss« aufgefasst werden kann. Das bedeutet,

71 Vgl.zur sprachtheoretischen Grundlegung der Logik in der Antike u. S. 34ff. Die


wichtigsten sprachlogischen Studien von Frege (»Funktion und Begriff«, »Über Sinn und
Bedeutung« und »Über Begriff und Gegenstand«) sind bequem zugänglich in G. FREGE,
Funktion, Begriff, Bedeutung: Fünf logische Studien, hrsg. G. Patzig (KVR 1144; Göttingen,
7
1994). Vertiefend zum allgemeinen Problem von Sprache und Logik vgl. G. PATZIG,
Sprache und Logik (KVR 1281; Göttingen, 21981), bes. 5–38 und zum Begriff der Folgerung
S. READ, Philosophie der Logik (Rowohlts Enzyklopädie 581; Reinbek bei Hamburg, 1997)
50–82. Es war in der Logikgeschichte umstritten, ob Logik Gesetze des »Seins«, des Denkens
oder des Sprechens untersucht (vgl. E. TUGENDHAT / U. WOLF, Logisch-semantische
Propädeutik [RUnB 8206; Stuttgart, 1983] 7–16). In der Zeit zwischen der einflussreichen
Logik von Port-Royal (1662; dt. Ausgabe A. A RNAULD, Die Logik oder die Kunst des
Denkens [Darmstadt, 1972]) und dem Durchbruch der modernen Logik mit FREGES
Begriffsschrift dominierte ein psychologisches Interesse, das heute teilweise noch in der
populären Vorstellung nachwirkt.
72 H.-G. LICHTENBERG, Art. Logik, in: H. Seiffert / G. Radnitzky (Hrsg.), Handlexikon
zur Wissenschaftstheorie (München, 21994) 189.
73 BUCHER, Logik, 9.
74 Den Zusammenhang zwischen Logik und Argumentation betonen A. BÜHLER, Einfüh-
rung in die Logik (München, 32000) 11–39; W.C. SALMON, Logik (RUnB 7996; Stuttgart,
1983) 7–19. Zwei aktuelle Beiträge zur Argumentationsanalyse, die stark den Bezug zur
Logik betonen, sind BAYER, Argument und Argumentation und A. FISHER, The Logic of Real
Arguments (Cambridge, 22004).
75 Die Vorstellung, dass alle Lebens- oder Sprachvollzüge in das enge Korsett einer
logischen Rationalisierung geschnürt werden könnten, ist dem Anliegen der Logik fremd.
76 Die Unterscheidung zwischen logisch relevanten und logisch irrelevanten Sätzen
impliziert selbstverständlich kein Urteil über die Qualität oder den Wahrheitsgehalt Letzterer.
77 Einzelwörter oder -sätze sind für die Logik irrelevant. Eine Ausnahme bilden jedoch
logisch relevante Konjunktionen (im Mittelalter »synkategorematisch« genannt) wie »und«,
»oder«, »wenn« usw.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 17

dass eine Aussage (»Konklusion«) in der Regel aus zwei davon unterschiedli-
chen Aussagen (»Prämissen«) notwendig folgt78. Ein einfaches Beispiel:
Alle Musiker sind Künstler.
Alle Gitarristen sind Musiker.
Alle Gitarristen sind Künstler.
Nicht aus jeder Abfolge von Sätzen kann jedoch etwas gefolgert werden. Angenommen
jemand sagt: »Immer wenn es regnet, wird es draußen nass, und nun ist es draußen nass.«
Daraus kann jedoch nicht zwingend gefolgert werden, dass es geregnet hat, denn die Nässe
des Strassenbelags kann auf andere Ursachen zurückgeführt werden (z.B. auf Kinder, die mit
einem Wasserschlauch gespielt haben oder auf einen städtischen Reinigungswagen, der den
Boden mit Wasser gesäubert hat).
2. Die zu analysierenden Sätze müssen eine Aussage machen79. Die
Grundbedingung einer Aussage ist, dass sie »wahrheitsdefinit« ist; d.h. dass
sie »wahr« oder »falsch« sein kann, auch wenn dies im Einzelfall nicht genau
feststellbar ist. Grammatikalisch handelt es sich häufig um Sätze in der
Indikativform. Befehle, Wünsche, Aufforderungen, Gebete, Ausrufe, usw.
gehören nicht zum Gegenstand der Logik, weil sie weder wahr noch falsch
sein können80.
Die Alltagssprache ist nicht nur die Grundlage der klassischen Logik,
sondern häufig zugleich auch ihr Problem, denn unser natürliches Folgern
läuft manchmal ins Leere81.
Ein Beispiel:
Prämisse 1: Alle Autos sind Fortbewegungsmittel.
Prämisse 2: Alle VWs sind Fortbewegungsmittel.
Konklusion: Also: Alle VWs sind Autos.
Viele würden spontan diesem Schluss logische Stringenz zusprechen. Obwohl die Aussage
der Konklusion wahr ist, lässt sie sich aus den beiden vorherigen Prämissen »logisch« (im
fachlichen Sinne) nicht herleiten. Dies lässt sich anhand einer anderen »Einsetzung« zeigen:
Prämisse 1: Alle Autos sind Fortbewegungsmittel.
Prämisse 2: Alle Hubschrauber sind Fortbewegungsmittel.
Konklusion: Also: Alle Hubschrauber sind Autos.

78 Auf das besondere Problem von Konklusionen aus einer Prämisse sei hier nur hinge-
wiesen. Zur aristotelischen Definition des Schlusses s.u. S. 46ff.
79 Vgl. HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik, 28–35.153f. Man spricht auch von »Proposi-
tion«.
80 Diese Einschränkung geht bereits auf die Antike zurück (s.u. S. 34ff). Darüber hinaus
finden sich in der Antike bereits grundlegende Überlegungen zum Problem einer Modallogik
(Notwendigkeits- und Möglichkeitsaussagen). Erst im 20. Jh. gibt es Versuche einer
»deontischen Logik« (normative Sätze).
81 Vgl. allgemein zu »irrationalen« Verhaltensformen S.P. S TICH, Rationality, in: D.N.
Osherson / E.E. Smith (eds.), Thinking (An Invitation to Cognitive Science 3; Cambridge,
Mass.; London, 1990) 173–196.
18 I. Hinführung

Beide Beispiele sind formal gleich aufgebaut. Dennoch folgt im zweiten aus wahren Prämis-
sen eine falsche Konklusion. Selbst wenn im ersten Beispiel die Konklusion zufälligerweise
wahr ist, ist der Schluss aufgrund seiner Form logisch inkorrekt. Bei solchen (und anderen
wesentlich komplizierteren) Fällen führt unsere »Alltagslogik« häufig in die Irre.

Um die Gültigkeit von Schlüssen möglichst präzise prüfen zu können, ist es


unerlässlich die semantischen Ungenauigkeiten und die einzelnen Inhalte zu
umgehen. Logik operiert daher auf formaler und nicht auf inhaltlicher
Ebene82. Sie sucht unter Abstraktion von konkreten Inhalten und Situationen,
die Gesetzmäßigkeiten gültigen Schließens systematisch zu erfassen83. Wie
die Mathematik greift sie auf eine eigene abstrakte Formsprache zurück. Die
einfachste, seit der Antike bekannte Form der Abstraktion besteht darin, Sätze
oder Satzteile mit Buchstaben oder Zahlen wiederzugeben. Statt eine unendli-
che Anzahl möglicher Sätze zu untersuchen, gelangt formale Logik zu einer
Regelbildung anhand einer endlichen Anzahl analysierter Formen.
Wir können z.B. aus der Abfolge der Sätze »Wenn es regnet, wird der
Boden nass«, und »Es regnet«, schließen: »Der Boden ist nass.« Da sich
dieser Schluss in allen »Einsetzungen« als korrekt erweist, lässt sich daraus
ein gültiges formales Schema ableiten:
Wenn p, dann q; nun p; also: q.

Die kleinen Buchstaben stehen für ganze Aussagesätze84. Zuweilen kann es


jedoch auch logisch relevant sein, einzelne Wörter innerhalb eines Satzes in
dieser Art abstrakt darzustellen. Der Schluss »Wenn alle Musiker Künstler
sind und alle Gitarristen Musiker sind, dann sind alle Gitarristen Künstler«,
lässt sich z.B. auf folgendes Schema zurückführen:
Wenn alle A B sind und alle C A sind, dann sind alle C B.85
In diese logische Form lassen sich nun Begriffe so einsetzen, dass als
Ergebnis immer ein wahrer Satz entsteht: »Wenn alle Griechinnen Europäe-
rinnen sind und alle Athenerinnen Griechinnen sind, dann sind alle Athene-
rinnen Europäerinnen.« Oder: »Wenn alle Flaschen Tiere sind und alle
Bücher Flaschen sind, dann sind alle Bücher Tiere.«
Sprachliche Schlüsse sind dann gültig, wenn sie sich auf eine solche
gültige Schlussform zurückführen lassen. Die Überführung von Aussagesät-

82 Der
seit Kant geläufige Begriff der formalen Logik hebt dieses besondere Chrakteristi-
kum der Logik hervor.
83 Logik verhält sich damit zur Argumentation ähnlich wie Grammatik zur gesprochenen
Sprache.
84 Vgl. zu den in dieser Arbeit so spärlich wie möglich gebrauchten formallogischen
Zeichen o. S. XII.
85 Noch knapper formal darstellbar als: (AaB ∧ CaA) → CaB. Die Zeichen zur Verknüp-
fung von Teilsätzen sind in der antiken Logik nicht belegt.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 19

zen aus der Alltagssprache in eine logisch verwertbare Form86 ist daher keine
Spielerei ohne Erkenntniswert, sondern ein notwendiger, weil der Frage nach
der Gültigkeit von Schlüssen angemessener Schritt87.
Der Sachbereich dessen, was durch die Frage nach der Logik einer
Argumentation erfasst werden kann, sollte nicht zu weit ausgedehnt werden.
Logik prüft z.B. nicht die Wahrheit von Aussagen. Im Alltagsgebrauch
bezeichnen wir gerne eine falsche Aussage als »unlogisch«. Aus logischer
Sicht ist diese Einschätzung unzutreffend. Logik setzt zwar voraus, dass
Wahrheit eine Eigenschaft von Aussagen ist88, aber die tatsächliche Feststel-
lung von Wahrheit überlässt sie anderen Bereichen der Wissenschaft (z.B.
Erkenntnistheorie, Physik, Mathematik) oder einfach der empirischen
Erkenntnis. Dabei gilt seit der Antike die Grundregel, dass aus wahren
Aussagen bei Anwendung korrekter Schlussformen notwendig eine wahre
Aussage folgt. Bei Anwendung von logisch ungültigen Schlussformen gibt es
für den Wahrheitstransfer jedoch keine Garantie89.
Die Logik berührt wichtige philosophische Grundfragen, auf die hier nur am Rand eingegan-
gen werden kann. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (tertium non datur) besagt, dass
die Adjunktion (oder-Verbindung) aus einer Aussage und ihres kontradiktorischen Gegenteils
nicht falsch sein kann 90. So ist z.B. der Satz: »Es regnet oder es ist nicht der Fall, dass es
regnet«, immer wahr. Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Da nur die Werte »wahr« oder
»falsch« zugelassen sind, spricht man auch vom »Zweiwertigkeitsprinzip« und von
»zweiwertiger Logik«. Der Satz vom Widerspruch (principium contradictionis) besagt, dass
die Konjunktion (und-Verbindung) einer Aussage und ihres kontradiktorischen Gegenteils
nicht wahr sein kann 91. Für die klassische Logik sind diese beiden Sätze grundlegend. Es

86 Vgl. zum Problem der Formalisierung u. S. 92ff.


87 Exegeten und Exegetinnen, die nach der »Logik« eines Textes fragen, wagen es meis-
tens nicht, eine Formalisierung anzubieten. Wenn zur Ungenauigkeit paulinischer Sprache
noch die Vagheit des exegetischen Vokabulars hinzukommt, kann ohne formale Darstellung
zur Logik einer Argumentation nichts gesagt werden. Ausnahmen wie BUCHER und
BACHMANN (vgl. dazu S. 108f) bestätigen leider nur die Regel.
88 In der Regel setzt die Logik für die Satzwahrheit eine Korrespondenztheorie voraus:
Wahr ist eine Aussage, wenn sie mit der außersprachlichen Realität übereinstimmt. Eine
zunehmende Problematisierung dieser Wahrheitsauffassung hätte auch für die Logik
Konsequenzen (vgl. READ, Philosophie der Logik, 18–28).
89 Vgl. zum Begriff »Warheitstransfer« HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik, 15f. Eine
Argumentation ist in der Praxis nicht nur dann überzeugend, wenn sie sich ausschließlich der
Logik verpflichtet weiß. Es spielen ferner auch Aspekte der Charakterdarstellung, der
Affektsteuerung und der sprachlichen Ästhetik eine Rolle (s.u. S. 63ff).
90 Formal: p ∨ ¬p = »p oder nicht-p.« Vgl. zum Begriff des kontradiktorischen Gegenteils
u. S. 42ff.
91 Formal: ¬(p ∧ ¬p) = »Es ist nicht der Fall, dass p und nicht-p.« In verschiedenen
Versionen lautet es in Worten des Aristoteles (vgl. J. LUKASIEWICZ, Über den Satz des
Widerspruchs bei Aristoteles (1909), in: A. Menne / N. Öffenberger [Hrsg.], Über den
Folgerungsbegriff in der aristotelischen Logik [ZMDAL 1; Hildesheim, 1982] 5–29):
Ontologisch: »Es ist unmöglich, daß dasselbe demselben und in derselben Hinsicht zugleich
20 I. Hinführung

stellt sich jedoch die Frage, ob eine Logik außerhalb solcher Regeln entworfen werden
kann92. Zum Teil ist damit auch die Frage nach der Universalität und Kulturunabhängigkeit
von Logik berührt93.

Zusammenfassend: Logik beschäftigt sich mit der Struktur der Sprache. Sie
prüft die Gültigkeit von Schlussfolgerungen und beschränkt sich dabei auf
wahrheitsdefinite Aussagen, ohne jedoch ein Urteil über die Wahrheit der
gesetzten Prämissen zu geben. Die logische Analyse operiert lediglich auf
formaler Ebene und kann dadurch das tragende Gerüst von Argumentationen
sichtbar machen.

3. Konsequenzen für die Exegese


Die Tatsache, dass Exegese und Logik auf sprachliche Äußerungen ausgerich-
tet sind, sollte es möglich machen, einen für beide gemeinsamen Objektbe-

zukomme und nicht zukomme.« (Met. III 3,1005b19f) Logisch: »Der sicherste von allen
Grundsätzen ist der, daß widersprechende Aussagen nicht zugleich wahr seien.« (Met.
III 6,1011b13f) Psychologisch: »Es kann niemand glauben, daß dasselbe zugleich sei und
nicht sei.« (Met. III 3,1005b23f) Die Tatsache, dass Aristoteles diese Probleme in der
Metaphysik behandelt, zeigt, wie sehr Logik auf Fragen der Ontologie und Psychologie
gründet.
92 In einer mehrwertigen Logik, die neben »wahr« und »falsch« auch den Wahrheitswert
»unbestimmt« zulässt, ist der Satz vom Widerspruch nicht aufgehoben (vgl. U. BLAU, Die
dreiwertige Logik der Sprache [GKom; Berlin, 1978]; P. SCHROEDER, Art. Logik, mehrwer-
tige, EPhW 2 [1984] 678–680). Vgl. zu weiteren Logikentwürfen, die über die »traditionelle«
Logik hinausgehen, K. LORENZ, Art. Logik, intuitionistische, EPhW 2 (1984) 667–671. Das
philosophische Problem der Zweiwertigkeit diskutiert bereits Aristoteles in Int. 9,18a27–19b4
anhand des Satzes »Morgen wird eine Seeschlacht stattfinden«. Indem eine Aussage über die
Zukunft die Logik vor die Frage stellt, ob es sich dabei um eine wahre oder um eine falsche
Aussage handelt, führt sie diese in das philosophische Problemgebiet der Determiniertheit
(das Problem der sog. contingentia futuri). Vgl. dazu M. G RONEBERG, Futura Contingentia.
Die Suche nach der Logik kontingenter Zukunft (Habilitationsschrift Universität Frei-
burg / Schweiz, 2005).
93 Aristoteles argumentiert im Hinblick auf den Geltungsbereich von Rhetorik und Logik
(von ihm »Dialektik« genannt) für ein universales Verständnis: »[B]eide behandeln solche
Themen, deren Erkenntnis gewissermaßen allen Wissenschaftsgebieten (hepist´jmj)
zuzuordnen ist und keinem bestimmten. Daher haben auch in irgendeiner Weise alle
Menschen an beiden Anteil: Alle nämlich versuchen bis zu einem gewissen Grad, ein
Argument einerseits zu hinterfragen, andererseits zu begründen, einerseits zu verteidigen,
andererseits zu erschüttern (kaì hexetázein kaì Hupécein lógon kaì hapologeïsqai kaì
katjgoreïn). Die Mehrheit tut dies teils auf gut Glück, teils vermöge einer aus Gewohnheit
erworbenen Fertigkeit.« (Rhet. I 1,1354a1–7; übers. Krapinger, 7) Zur Verteidung der
Universalität von Logik im Hinblick auf das sog. »östliche Denken« vgl. G. PAUL, Der
Kulturstreit um die Universalität Aristotelischer Logik, in: N. Öffenberger / M. Skarica
(Hrsg.), Beiträge zum Satz vom Widerspruch und zur Aristotelischen Prädikationstheorie
(ZMDAL 8; Hildesheim, 2000) 117–136. Aus philosophischer Sicht vgl. auch T. NAGEL, Das
letzte Wort (RUnB 18021; Stuttgart, 1999) 82–113.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 21

reich zu bestimmen. Die Beschränkung der Logik auf wahrheitsdefinite


Aussagen schließt allerdings sehr viele Sprachformen religiösen Redens per
definitionem aus ihrem Untersuchungsbereich aus94. Der christliche Glaube
und die theologische Reflexion darüber drücken sich aber häufig auch in
Satzformen aus, auf die die Bedingungen der logischen »Analysierbarkeit«
zutreffen. Das gilt zweifelsohne auch für viele argumentative Abschnitte in
den Paulusbriefen. Es mag umstritten sein, ob es für theologische Aussagen
so etwas wie einen logischen »Freibrief« geben kann, aber wenn sich
Theologie mit dem Anspruch zu Wort meldet, in vernünftiger Art und Weise
eine These zu begründen oder aus einer Aussage nachvollziehbare Schlüsse
zu ziehen, fallen ihre Aussagen nolens volens in den Zuständigkeitsbereich
logischer Überprüfung95. Ebenso wie wir die Sprache des Paulus nach Stil,
Rhetorik oder Grammatik befragen, spricht prinzipiell nichts dagegen, die
Folgerichtigkeit seiner Argumentation mit den Mitteln formaler Logik zu
prüfen. Die logische Analyse verfolgt dabei nicht das Ziel, die hermeneutisch
so ungemein reiche paulinische Rede auf einfache logische Formeln zu
reduzieren, sondern jenen Ausschnitt paulinischer Sprache, der eine Argu-
mentation mit Begründungen und Schlussfolgerungen vorantreibt, auf seine
Schlüssigkeit hin zu untersuchen96.
Die logische Beschränkung auf die formalen Strukturen konkreter Sprach-
vollzüge lässt in der Textanalyse Fragen psychologischer oder produktionsäs-
thetischer Art in den Hintergrund treten. Die Erwartung, mit den Mitteln der
Logik einen direkten Einblick in die Denkprozesse der historischen Gestalt
des Paulus erhalten zu können, wäre kaum berechtigt. Logische Analysen
alltagssprachlicher Äußerungen müssen jedoch zuweilen unausgesprochene
Prämissen rekonstruieren, aus denen sich wiederum Aussagen über die
Enzyklopädie des Paulus ableiten lassen.
Die vorliegende Arbeit bleibt für die logische Argumentationsanalyse
weitgehend im Bereich der antiken Logik, obwohl die moderne Logik
genauere Verfahren zur formalen Erfassung alltagssprachlicher Aussagen
bereitstellt97. Die Leitfrage könnte demnach lauten: Was lässt sich im Rahmen

94 Eine logische Analyse von Gebeten oder Hymnen wäre nicht aus Pietätsgründen kein
erstrebenswertes Ziel der Logik, sondern schlicht, weil es sich dabei nicht um wahrheitsdefi-
nite Sätze handelt. Erzählungen sind m.E. der Logik schwer zugänglich, weil es in der
Erzählung (ebenso wie in der Geschichte) selten strikt notwendige Folgerungen gibt.
95 Logik kann als härteste Währung für Rationalität eine wichtige autoritätskritische Rolle
spielen.
96 Wenn SIEGERT, Argumentation, 20 schreibt: »Argumentation ist also keineswegs nur
Anwendung der Logik, und Argumente sind etwas anderes als Beweise«, dann ist das nur für
den Fall zutreffend, dass Logik als Wissenschaft vom Beweis definiert wird. Eine solche
Einschränkung ist jedoch kaum begründet.
97 Einer meiner logischen Diskussionspartner warnte mich: »Wenn du mit alten Instru-
menten operierst, könnte der Patient sterben.« Ein moderner Rückgriff auf die antike Logik
22 I. Hinführung

einer modernen Deutung der antiken Logik über die Schlüssigkeit der
paulinischen Argumentation sagen? Diese Vorgehensweise ist zunächst darin
begründet, dass für die gegenwärtige Exegese der Bereich der historischen
Vor- und Gleichzeitigkeit einen privilegierten Ort des Verstehens bildet98. Der
historisch-kulturelle Rahmen, der Autor, Text und Rezipienten wie Rezipien-
tinnen in einen gemeinsamen Verstehenshorizont stellt, umfasst auch die
Errungenschaften auf dem Gebiet der Logik. Die Exegese ist demnach gut
beraten, paulinische Argumentationen zunächst auf diesen Hintergrund zu
lesen.
Es erscheint mir weiterhin sachlich angemessen, mit den ersten Schritten
der Logik zu beginnen. Wie sich noch zeigen wird, hat die antike Logik ganz
wesentliche Formen sprachlichen Argumentierens formal korrekt erfasst und
ist darin noch bis heute gültig. Sie ist durch moderne Logik nicht einfach
ersetzt, sondern darin (teilweise als deren einfachstes Gebiet) integriert und
präzisiert worden99. Eine Beschränkung auf die antike Logik verschafft der
Exegese daher einen sicheren Ausgangspunkt, um mit einfachen Mitteln
elementare Schlussformen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Das mag
zwar nur ein erster Schritt sein, er ist aber gerade angesichts des Fehlens einer
entsprechenden Forschungstradition m.E. unausweichlich100.
Eine Deutung paulinischer Argumentationsgänge auf dem Hintergrund
antiker formaler Logik kann auch für die hermeneutische Selbstreflexion
gewinnbringend sein. Die scheinbar zweistellige Frageanordnung nach Paulus
und (antike) Logik erweist sich bei genauerem Hinsehen als eine dreistellige
Konstellation: Paulus, Logik und wir. Auch wenn dieser hermeneutische
Aspekt nicht im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht, so ist jedes
auslegende Subjekt bewusst oder unbewusst durch eine bestimmte Vorstel-
lung von Logik geprägt, die sich im exegetischen Vollzug an vielen Stellen
niederschlägt. Die Möglichkeit, dass unsere Entwürfe paulinischer Theologie
(auch) Projektionen unserer eigenen »Theo-Logik« sind, ist daher kaum

kommt jedoch nicht umhin, von modernen Deutungen und Darstellungsformen auszugehen.
Es geht also nicht darum, sich in einen Logiker aus dem 1. Jh. n.Chr. zurückzuversetzen.
98 Knappe Überlegungen dazu in M. MAYORDOMO, Wirkungsgeschichte als Erinnerung
an die Zukunft der Texte, in: Ders. (Hrsg.), Die prägende Kraft der Texte: Hermeneutik und
Wirkungsgeschichte des Neuen Testaments (SBS 199; Stuttgart, 2005) 11f.
99 Die meisten modernen Logiklehrbücher beginnen mit Beispielen, die formal aus der
antiken Logik stammen. Das erste Beispiel in BUCHER, Angewandte Logik, 9 lautet: »Alle
Winterartikel sind ausverkauft. Alle Schlittschuhe sind Winterartikel. Also sind alle
Schlittschuhe ausverkauft.« HOYNINGEN-HUENE, Formale Logik, 14 steigt ein mit: »Alle
Logiker sind Menschen. Alle Menschen sind schlafbedürftig. Also: Alle Logiker sind
schlafbedürftig.« Beide Beispiele sind mit den Mitteln aristotelischer Logik einfach und
präzise analysierbar.
100 Da die »antike Logik« den Referenzrahmen aller logischen Diskussionen bis ins 19.
Jh. bildete, fördert eine solche Vorgehensweise das Verständnis für die logik-relevanten
exegetischen Diskussionen in der Auslegungsgeschichte.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 23

a priori von der Hand zu weisen. Eine Beschäftigung mit Fragen der Logik ist
daher für die »Horizontabhebung« zwischen den Schriften des Paulus und
modernen Entwürfen paulinischer Theologie von nicht zu unterschätzender
Bedeutung101.
Für den Fall, dass sich am Ende dieser Arbeit herausstellt, paulinische
Argumentationen seien logisch ungültig, gilt ein solches Ergebnis zunächst
»nur« im Rahmen der hier gewählten logischen Verfahrensweisen. Da jedoch
antike Logik in keinem kontrafaktischen Verhältnis zur modernen Logik
steht, wird es – nach meiner derzeitigen Wahrnehmung – ein außerordentlich
schweres Unterfangen sein, mit den Mitteln moderner Logik-Systeme ein
solches Ergebnis zu falsifizieren. Eine Möglichkeit, ad hoc eine eigene
paulinische »Logik« zu rekonstruieren, sehe ich nicht – jedenfalls nicht, wenn
die terminologische Bedeutung des Wortes »Logik« gewahrt werden soll102.
Außerdem ist die sprachliche Basis dafür zu schmal.
Ein Letztes noch: Logik trägt nicht zum Wahrheitsgewinn bei, beugt aber
der Gefahr vor, durch falsches Folgern der Wahrheit verlustig zu gehen. Das
legitime Interesse der Theologie an der Wahrheitsfrage wird daher von der
Logik nur indirekt berührt. Diese kümmert sich nicht um das Problem, ob die
Wahrheit der Prämissen einer paulinischen Argumentation verifiziert werden
kann. Wenn sich aber Folgerungen als logisch ungültig erweisen, besteht für
die Wahrheit des Schlusses keine Garantie.

4. Exkurs: Zum Status der Frage, ob Paulus logisch geschult war


Als Einwand könnte an dieser Stelle die Frage formuliert werden, ob Paulus
überhaupt etwas von Logik wusste oder wissen konnte103. Damit werden nicht
nur Aspekte der frühen Biographie des Paulus berührt104, sondern generell
auch die Verortung des Apostels innerhalb der hellenistischen Kultur. Es
dürfte jedoch aus dem bisher Gesagten deutlich geworden sein, dass die

101 Zum Begriff der Horizontabhebung vgl. meine Arbeit Den Anfang hören, 62–65.
102 Auf das Problem einer spezifischen »rabbinischen Logik« komme ich am Ende der
Arbeit zu sprechen (s.u. S. 235ff).
103 Ähnliche Fragen werden im Hinblick auf die Angemessenheit rhetorischer Analysen
paulinischer Texte aufgeworfen.
104 Vgl. K. HAACKER, Zum Werdegang des Apostels Paulus: Biographische Daten und
ihre theologische Relevanz, ANRW II.26.2 (1995) 852–855 = DERS., Paulus: Der Werdegang
eines Apostels (SBS 171; Stuttgart, 1997) 50–53; M. HENGEL, Der vorchristliche Paulus, in:
M. Hengel / U. Heckel (Hrsg.), Paulus und das antike Judentum (WUNT 58; Tübingen,
1991) 177–293; G. STRECKER / T. NOLTING, Der vorchristliche Paulus: Überlegungen zum
biographischen Kontext biblischer Überlieferung – zugleich eine Antwort an Martin Hengel,
in: T. Fornberg / D. Hellholm (eds.), Texts and Contexts (FS L. Hartman; Oslo, 1995) 713–
741; W. WUELLNER, Der vorchristliche Paulus und die Rhetorik, in: S. Lauer / H. Ernst
(Hrsg.), Tempelkult und Tempelzerstörung (70 n.Chr.) (FS C. Thoma; JudChr 15; Bern, 1995)
133–165.
24 I. Hinführung

streng historisch-biographische Frage, ob Paulus über Logikkenntnisse


verfügte, von untergeordneter Bedeutung ist. Dies aus dreierlei Gründen:
1. Historische Unklarheit: Präzise Angaben über das Bildungsniveau des
Paulus gehören nicht zu unserem gesicherten historischen Wissen105. Die
vorhandenen Quellen vermitteln zwar ein gutes Bild über das antike Schul-
system106, aber die Verwertbarkeit dieser Daten für die Profilierung des
paulinischen Bildungshintergrundes wird meist davon abhängig gemacht, ob
Tarsus oder Jerusalem als primärer Ausbildungsort favorisiert wird107. Der
hellenistische Bildungweg (die sog. hegkúklioß paideía; lat. artes liberales)
führte vom Elementarunterricht (7–11jährig) über den Unterricht beim
Grammatiker (11–16/17jährig) bis zur Rhetoren-Schule (ab dem 17. Lebens-
jahr) und umfasste (etwa in dieser Reihenfolge) Lesen, Schreiben, Rechnen,
dann elementare Kenntnisse in Geometrie, Astronomie, Musik, Grammatik
und schließlich Logik und Rhetorik108. Einer der frühesten Texte, der

105 Eineumfangreiche Aufarbeitung der antiken Bildungsthematik im Hinblick auf Paulus


bietet T. V EGGE, Die Schule des Paulus: Eine Untersuchung zur Art und zum Stellenwert
schulischer Bildung im Leben des Paulus (Oslo, 2004). Vgl. weiterhin HENGEL, Der
vorchristliche Paulus, 212–239; R.F. HOCK, Paul and Greco-Roman Education, in: J.P.
Sampley (ed.), Paul in the Greco-Roman World (Harrisburg, 2003) 198–227; D.
KREMENDAHL, Die Botschaft der Form: Zum Verhältnis von antiker Epistolographie und
Rhetorik im Galaterbrief (NTOA 46; Freiburg, CH / Göttingen, 2000) 28–31; J.H. N EYREY,
The Social Location of Paul: Education as the Key, in: D.B. Gowler, et al. (eds.), Fabrics of
Discourse (FS V.K. Robbins; Harrisburg, 2003) 126–164; SCHMELLER, Diatribe, 81–89; U.
SCHNELLE, Paulus (De Gruyter Lehrbuch; Berlin, 2003) 56–71; S.K. STOWERS, Apostrophe,
PROSWPOPOIIA and Paul’s Rhetorical Education, in: J.T. Fitzgerald, et. al. (eds.), Early
Christianity and Classical Culture (FS A.J. Malherbe; NT.S 110; Leiden, 2003) 351–369.
106 Vgl. an aktueller Literatur J. CHRISTES, Art. Bildung. DNP 2 (1997) 663–673; Art.
Erziehung, DNP 4 (1998) 110–120; Art. Schule, DNP 11 (2001) 263–268; R. CRIBIORE,
Gymnastics of the Mind: Greek Education in Hellenistic and Roman Egypt (Princeton, 2001);
T. MORGAN, Literate Education in the Hellenistic and Roman Worlds (Cambridge, 1998);
VEGGE, Schule des Paulus, 13–376.
107 Obwohl hellenistische Einflüsse in Jerusalem nicht ausgeschlossen werden können
(vgl. HENGEL, Der vorchristliche Paulus, 212–239.256–265), stellt Tarsus als Herkunftsort
des Paulus (Apg 9,11.30; 11,25; 21,39; 22,3) deswegen eine reizvolle Metropole dar, weil sie
als Zentrum berühmter Lehrer und Rhetoren galt (vgl. Strabo, Geographica XIV,5,13; Dio
Chrysostomus, orat. 33–34 und die Belegsammlung in H ENGEL, Der vorchristliche Paulus,
180–182, Anm. 11). Seit der Arbeit von W.C. van UNNIK, Tarsus or Jerusalem: The City of
Paul’s Youth, in: Ders., Sparsa Collecta I (NT.S 29; Leiden, 1973) 259–320 wird die Notiz in
Apg 22,3 dahingehend gedeutet, dass Paulus bereits früh nach Jerusalem kam und im
Wesentlichen dort ausgebildet wurde. Dies dürfte zumindest als die Sichtweise des Lukas
gelten. Ob diese Angabe jedoch im Sinne eines präzisen historischen Datums gewertet
werden darf, steht zur Debatte. Vgl. zur Kritik A.B. DU TOIT, A Tale of Two Cities: ›Tarsus
or Jerusalem‹ Revisited, NTS 46 (2000) 375–402; VEGGE, Schule des Paulus, 475–484).
108 Als ausführlichste und zuverlässigste Quelle dazu gilt Quint, Inst. I,10. Vgl. U.
LINDGREN, Art. Artes liberales, HWRh 1 (1992) 1080–1109; G. RECHENAUER, Art. Enkyklios
Paideia, HWRh 2 (1994) 1160–1185.
B. »Beständig und gottgewollt«: Vom Nutzen der Logik für die Exegese 25

Rhetorik und Dialektik (= Logik) als Teil schulischer Bildung aufführt, findet
sich in Philo, Congr 18:
»Die Dialektik aber, Schwester oder, wie einige sagen, Zwillingsschwester der Rhetorik
(dialektik`j dè Hj Hrjtorik¨jß hadelf`j kaì dídumoß), scheidet die wahren von den falschen
Gründen, widerlegt die sophistischen Scheinargumente und heilt somit von einer großen
Krankheit der Seele, der Trugrede. Mit diesen und anderen Gegenständen sich zu beschäfti-
gen und sich vorher zu üben ist nützlich.« (gr. Colson / Whitaker, IV, 466; dt. Heinemann /
Adler, in: Cohn, VI, 9)

Entsprechend fragt Epiktet am Anfang des 2. Jhs. n.Chr.: »Und was sonst hast
du in der Schule geübt?«, um anschließend selbst zu antworten: »Syllogismen
und Sophismen«109. Auf die Frage, warum in früheren Zeiten mehr Fortschrit-
te im Bereich der Logik erzielt wurden, obwohl heute mehr darüber gearbeitet
wird, antwortet Epiktet, dass heute mehr in die »Lösung von Syllogismen«
(sullogismoùß hanalúein) investiert werde110. In den schulischen Übungs-
texten, den sog. Progymnasmata111, finden sich entsprechend Hinweise auf
das konkrete Einüben von Syllogismen und Enthymemata112.
Fasst man die These einer Schulbildung in Tarsus ins Auge, dann ist mit
der Möglichkeit zu rechnen, dass Paulus (je nach Schichtzugehörigkeit!) mit
der damals weit verbreiteten stoischen Logik in Kontakt gekommen ist113.
Die Geschichte der stoischen Logik weist einige relevante Bezüge zu Tarsus auf. Apollonios
(oder Apollonides), der Vater Chrysipps, siedelte von Tarsus nach Soloi (FDS, 153). Zenon
aus Tarsus wurde Nachfolger Chrysipps in der Leitung der Stoa. Später übernahm Antipatros
aus Tarsus von Zenons Nachfolger, Diogenes aus Seleukeia (der »Babylonier«), die Leitung
der Stoa. Als Schüler des Antipatros werden u.a. Sosigenes und Herakleides, beide aus
Tarsus, genannt114. Ebenso aus Tarsus stammen die Schüler des Panaitios Dikaios und
Paramonos115. Im 1. Jh. v.Chr. sind folgende Stoiker mit Tarsus verbunden: Athenodoros
Kordylion116 und bes. Athenadoros, Sohn des Sandon, aus Kana (einem Dorf bei Tarsus) 117.
Er wirkte in Rom, kehrte aber im Alter nach Tarsus zurück (als Octavian, dessen Lehrer er

109 Epikt., Diss. II,13,21: kaì tí ‘allo hemelétaß hen t¨∆ scol¨∆; Sullogismoüß kaì
metapíptontaß (gr. Oldfather, I, 302; eig. Übers.). Vgl. a. Diss. I,7,5–12.
110 Epikt., Diss. III,6,1-3 (Oldfather, II, 44–47).
111 Vgl. allgemein dazu die Sammlungen von R.F. HOCK / E. O’NEIL, The Chreia in
Ancient Rhetoric, vol. 1: The Progymnasmata (SBL.TT 27; Atlanta, 1986); The Chreia and
Ancient Rhetoric: Classroom Exercises (Writings from the Greco-Roman World 2; Atlanta,
2002); G.A. KENNEDY, Progymnasmata: Greek Textbooks of Prose Composition and
Rhetoric (Writings from the Greco-Roman World 10; Atlanta, 2003).
112 Vgl. VEGGE, Schule des Paulus, 218–237.
113 Direkte Kenntnisse der aristotelischen Logik sind aufgrund der verwickelten Wir-
kungsgeschichte des Peripatos in der hellenistischen Zeit eher unwahrscheinlich (vgl. u. S.
74ff).
114 P. STEINMETZ, Die Stoa, in: H. Flashar (Hrsg.), Die hellenistische Philosophie
(GGPhA 4; Basel; Stuttgart, 1994) 641.
115 STEINMETZ, Stoa, 661.
116 STEINMETZ, Stoa, 708.
117 STEINMETZ, Stoa, 711.
26 I. Hinführung

gewesen war, den Osten beherrschte), wo er im Alter von 82 Jahren starb. Er verfasste ein
Werk über Tarsus und ein weiteres »Gegen die Kategorien des Aristoteles«, worin er vom
Standpunkt stoischer Logik aus die Sprachphilosophie des Aristoteles angreift.

Soweit die erreichbaren Daten. Was jedoch konkret daraus für Paulus
geschlossen werden kann, reicht über das Mögliche kaum hinaus118. Die
Bedeutung der Stadt Tarsus hat bereits zu so vielen biographischen Spekulati-
onen im Hinblick auf die hellenistische Bildung des Apostels Anlass gegeben,
dass Zurückhaltung das Gebot der Stunde ist.
2. Methodischer Vorrang der Textanalyse: Angesichts einer Quellenlage,
die nur unsichere Wahrscheinlichkeitsurteile erlaubt, erscheint es ratsamer,
statt vom allgemeinen Bildungskontext auf Paulus, umgekehrt von den
konkreten paulinischen Texten auf die entsprechende Bildung zu schließen119.
Gerade im Bereich hellenistischer Rhetorik hat sich m.E. diese induktive
Vorgehensweise bewährt und der These, dass Paulus über ein Mindestmaß an
hellenistischer Bildung verfügte, eine breite Basis verschafft120. Entsprechend
sollte die Möglichkeit logischer Kenntnisse für Paulus nicht a priori ausge-
schlossen werden.
3. Prinzipielle Autarkie der Logik: Letztlich aber ist der Status logischer
Analysen verkannt, wenn diese nur in solchen Fällen zum Einsatz kommen
dürfen, in denen als gesichert gelten darf, dass ein Sprecher oder eine
Sprecherin mit den Grundregeln der Logik vertraut ist. Insofern die antike
Logik sich an der realen Situation dialektischen Argumentierens orientiert,
handelt es sich dabei um eine deskriptive und weniger um eine präskriptive
Wissenschaft. Die Logik einer Argumentation lässt sich wie die Grammatik
eines Textes unabhängig von der Frage nach dem tatsächlich vorhandenen
Fachwissen in Logik oder in Grammatik analysieren. Die möglichen Logik-
Kompetenzen des Paulus bilden eine hinreichende, aber gewiss keine
notwendige Bedingung für das spezifische Anliegen der vorliegenden
Arbeit121.

118 F.NIETZSCHE, der alles andere als ein Paulusfreund war, hat auch aus diesem Faktum
eine antipaulinische Invektive zu formulieren gewusst: »Einen Paulus, der seine Heimath an
dem Hauptsitz der stoischen Aufklärung hatte, für ehrlich halten, wenn er sich aus einer
Hallucination den Beweis vom Noch-Leben des Erlösers zurecht macht, oder auch nur seiner
Erzählung, daß er diese Hallucination gehabt hat, Glauben schenken, wäre eine wahre
niaiserie [Albernheit, MMM] seitens eines Psychologen: Paulus wollte den Zweck, folglich
wollte er auch die Mittel.« (Der Antichrist, Nr. 42 [Kritische Studienausgabe 6; München,
2
1988] 216)
119 Vgl. VEGGE, Schule des Paulus, 379–381.
120 Vgl. u.a. die Arbeiten in T. ENGBERG-P EDERSEN (ed.), Paul in his Hellenistic Context
(Edinburgh, 1994); SCHMELLER, Diatribe, 79–81; DU TOIT, Two Cities, 392–401.
121 Vgl. zur hermeneutischen Kritik an der sinndeterminierenden Rolle der »Intention des
Autors« meine Überlegungen in Den Anfang hören, 170–187.
II. Antike Logik im Überblick1

A. Allgemeine Probleme

Der Abschnitt der Logikgeschichte, der für die Fragestellung dieser Arbeit
von Interesse ist, umfasst die Zeit von ihrer ersten Ausformulierung durch
Aristoteles bis zu dem frühen Aristoteles-Kommentator Alexander von
Aphrodisias und den ersten Lehrbüchern von Apuleius und Galen2. Der damit
umrissene Zeitraum von ca. 600 Jahren (Mitte 4. Jh. v.Chr. bis Mitte 3. Jh.
n.Chr.) lässt einen sehr unterschiedlichen Grad an Beschäftigung, Überliefe-
rung und Fortschritt auf dem Gebiet der Logik erkennen, zeigt aber auch
kontinuierliche Linien und Problemkonstellationen auf.

1. Die Quellenlage
Die Quellen, die für die antike Logik zur Verfügung stehen, sind sehr
uneinheitlich überliefert:
An erster Stelle steht die Logik des Aristoteles (384–322)3. Das Corpus
Aristotelicum mit den aristotelischen Lehrschriften (den sog. »Pragmatien«)

1 Die beiden wichtigsten Werke zur Logikgeschichte sind die kommentierte Quellenaus-
wahl von J.M. BOCHENSKI, Formale Logik (OA III,2; Freiburg; München, 21962) und die
Darstellung von KNEALE / KNEALE, Logic. Die monumentale vierbändige Geschichte der
Logik im Abendlande von C. PRANTL (Leipzig, 1855–1870) ist heute vorwiegend aufgrund
der reichhaltigen originalsprachlichen Zitate von Interesse. Das Urteil des Autors, dass es
nach Aristoteles keine nennenswerten Beiträge zur Logik gegeben hat, macht seine
Darstellung ebenso einseitig wie unzuverlässig (zur Kritik BOCHENSKI, Formale Logik, 8–
10). Vgl. für die antike Logik noch: E. KAPP, Der Ursprung der Logik bei den Griechen
(KVR 214/216; Göttingen, 1965); K. LORENZ, Art. Logik II. Die Logik der Antike, HWP 5
(1980) 362–367; J. BARNES / S. BOBZIEN / M. MIGNUCCI, Logic and Language, in: K. Algra
et al. (eds.), The Cambridge History of Hellenistic Philosophy (Cambridge, 1999) 65–176; K.
IERODIAKONOU, Art. Logik, DNP 7 (1999) 393–400.
2 Unabhängig von der abendländischen Logik entwickelte sich ab dem 3. Jh. v.Chr. in
Indien eine formale Logik, die im gesamten ostasiatischen Raum wirkte. Vgl. K. LORENZ,
Art. Logik, indische, EPhW 2 (1984) 656–662; BOCHENSKI, Formale Logik, 13f. 481–517.
3 Vgl. zur Biographie des Aristoteles I. D ÜRING, Aristoteles (BKAW NF 1/2; Heidelberg,
1966) 1–20; O. HÖFFE, Aristoteles (München, 1996) 13–35. Die Darstellung in DiogL. V 1 ist
nicht frei von legendarischen Ausmalungen. Aristoteles erscheint als »Dandy«, der, stets gut
gekleidet, es nie an der Pflege seiner Haare missen ließ. Zum antiken biographischen Material
vgl. I. DÜRING, Aristotle in the Ancient Biographical Tradition (GUÅ 63:2; Göteborg, 1957)
und zum Forschungsstand H. FLASHAR, Aristoteles, in: H. Flashar (Hrsg.), Ältere Akademie,
Aristoteles, Peripatos (GGPhA 3; Basel; Stuttgart, 1983) 175–457.
28 II. Antike Logik im Überblick

beginnt mit den Abhandlungen zu Sprache und Logik. Diese Zusammenstel-


lung verdankt sich der maßgebenden Edition und Redaktion durch Androni-
kos von Rhodos, der 70–50 v.Chr. Schulhaupt der von Aristoteles gegründe-
ten Schule (des sog. »Peripatos«) war4. Seit der Spätantike werden die
»logischen« Schriften als Organon bezeichnet und im Sinne einer Propädeu-
tik zur eigentlichen Philosophie aufgefasst5. Zu diesen Schriften zählen
traditionellerweise die folgenden Einzelwerke6:
Werk Griech. Lat. Abk. Bekker-Zit. Inhalt
Kategorien Katjgoríai Categoria Cat. 1a–15b Semantisch-
ontolog.
Grundlegung
Hermeneutik Perì De inter- Int. 16a–24b9 Sprachtheorie
Hermjneíaß pretatione und Satzlehre
Erste h Analutikà Analytica An. pr. 24a10–70b Schlusslehre
Analytik(en) prótera priora (Syllogistik)
Zweite h Analutikà Analytica An. post. 71a–100b Wissen-
Analytik(en) “ustera posteriora schaftslehre
(Beweis)
Topik Topik´j Topica Top. 100a18– Dialektik
164b19 (Argumenta-
tionslehre)
Sophistische Perì t¨wn sofis- Sophistici Soph. el. 164a20– Analyse des
Widerlegungen tik¨wn helégcwn elenchi 184b8 Fehlschlusses
Zu diesen Schriften kann weiterhin die Rhetorik (Rhet.) hinzugerechnet
werden, weil hier Aspekte der Logik in ihrer Anwendung im Bereich der
öffentlichen Rede zum Einsatz kommen7.

4Vgl. DÜRING, Aristoteles, 54–59. Zu Werdegang der aristotelischen Schriften und zu


den logischen Schriften im Besonderen s.u. S. 74ff.
5 Der Bezug der einzelnen Schriften zur Logik ist unterschiedlich ausgeprägt. Die Katego-
rienschrift ist nach moderner Auffassung am weitesten von Fragen der Logik entfernt.
6 Die Schriften des Aristoteles werden mit Angabe des Kapitels und (nach einem Komma)
der Folioseite der Standardausgabe von Bekker (z.B. 183b) gefolgt von der Zeilenangabe
(34–36) zitiert. Die zweisprachige Ausgabe von H.G. ZEKL, Aristoteles: Organon (4 Bde.;
PhB 492–495; Hamburg / Darmstadt, 1997/1998) ist nicht immer zuverlässig und dazu von
unnötiger sprachlicher Sperrigkeit geprägt. Vgl. zur Kritik F. BUDDENSIEK, in: AGPh 81
(1999) 334–338 (zu Top.); H. WEIDEMANN, Originalfassung mit deutschen Untertiteln. Das
Aristotelische Organon unter der Regie von H. G. Zekl, Zeitschrift für philosophische
Forschung 53 (1999) 602–610 (zu An. pr. und An. pr.); Ein gelungener Versuch der
Quadratur des Zirkels? Zu H.G. Zekls Neubearbeitung des Aristotelischen Organons, AGPh
83 (2000) 90–99 (zu Cat. und Int.). Wenn nicht anders angegeben, zitiere ich Cat. und Int.
nach den Übersetzungen von K. Oehler und H. Weidemann in »Aristoteles Werke in
deutscher Übersetzung« (AWDÜ) und die restlichen Schriften des Organon nach Zekl.
7 Die arabische Aristoteles-Tradition rechnete nicht ganz ohne Grund die Rhetorik und die
Poetik noch zum Organon. Vgl. dazu D.L. BLACK, Logic and Aristotle’s Rhetoric and Poetics
in Medieval Arabic Philosophy (Leiden, 1990).
A. Allgemeine Probleme 29

Theophrast(us) (372/370–288/286), der Nachfolger des Aristoteles als


Leiter des Peripatos, baute den Schulbetrieb aus und trug damit grundlegend
zur Etablierung der Philosophie seines Vorgängers bei. Nach Auskunft der
biographischen Tradition in Diogenes Laertios (3. Jh. n.Chr.) soll er 225
Werke verfasst haben (DiogL V 42–50), darunter eine ansehnliche Anzahl
von logischen Beiträgen, von denen jedoch nur Zitate und Fragmente in der
griechischen, lateinischen und arabischen Tradition erhalten geblieben sind8.
Chrysipp (281/277–208/204) ist für die stoische Logik ebenso einfluss-
reich wie Aristoteles für die Logik des Peripatos. Das umfangreiche logische
Œuvre dieses einflussreichen stoischen Philosophen sowie die gesamte daran
anschließende stoische Logiktradition ist quellenmäßig nur in fragmentari-
scher Form überliefert. Die wichtigsten zusammenhängenden Informationen
verdanken wir den Referaten in Diogenes Laertios und Sextus Empiricus9.
Mehr oder minder erhaltene Werke zur Logik finden wir erst wieder ab
dem Ende des 2. Jhs. n.Chr.: Von Alexander von Aphrodisias, der zwischen
198 und 209 als Lehrer für aristotelische Philosophie vermutlich in Athen
wirkte10, ist jener Teil eines Kommentars zu den An. pr. erhalten geblieben,
der das erste Buch behandelt11. Eine knappe systematische Einführung in die

8 Vgl. die ausführliche Sammlung der logischen Texte: Theophrastus of Eresus, ed. W.W.
Fortenbaugh et al. (PhAnt 54; Leiden, 1992) I, 114–275 (Frg 68–136) und Die logischen
Fragmente des Theophrast, hrsg. A. Graeser (KlT 191; Berlin, 1973).
9 DiogL VII; Sextus Emp., Pyrrhoniae institutiones II; Advers. Math. VIII. Alle Fragmen-
te und Zitate sind bequem zugänglich in der zweisprachigen Edition von K. HÜLSER, Die
Fragmente zur Dialektik der Stoiker (4 Bde.; Stuttgart; Bad Cannstatt, 1987–1988; abgekürzt
FDS). Hinweise auf die klassische Fragmentensammlung von H. VON A RNIM, Stoicorum
veterum fragmenta (4 Bde.; Leipzig, 1903–05, 1924; Nachdr. Stuttgart, 1964; abgekürzt:
SVF) werden damit überflüssig (bes. Bd. 2: »Chrysippi Fragmenta Logica et Physica«).
Hervorheben möchte ich noch die Quellensammlung mit Einleitungen, Übersetzungen und
Kommentaren von M. BALDASSARRI, La logica stoica: Testimonianze e frammenti (8 Bde. in
10; Como, 1984–1987; ca. 1460 S.). Deutsche Texte in Auswahl bieten BOCHENSKI, Formale
Logik, 125–153 und Th. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei Sextus Empiricus:
Untersuchungen zur Entstehung der Aussagenlogik (Hyp. 95; Göttingen, 1991) 311–327.
10 Vgl. R.W. SHARPLES, Art. Alexandros von Aphrodisias, DNP 1 (1996) 480–482.
11 Alexandri in Aristotelis Analyticorum Priorum Librum I Commentarium, ed. M. Wal-
lies (CAG II/1; Berlin, 1883). Englische Übersetzung: Alexander of Aphrodisias On Aristotle
Prior Analytics 1.1–7, transl. by J. Barnes et al. (London, 1991); On Aristotle Prior Analytics
1,8–13, transl. by I. Mueller et al. (London, 1999); On Aristotle Prior Analytics 1,14–22,
transl. by I. Mueller et al. (London, 1999). Die spätere Kommentartradition kann in der
vorliegenden Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden. Aus der Kommentarliteratur zu den
An. pr. sind noch hervorzuheben der unvollständig erhaltene Kommentar des Ammonius (ca.
Ende 5. Jh.) und der Kommentar seines Schülers Johannes Philoponus (der einzige vollstän-
dig erhaltene Kommentar zur An. pr.!). Vgl. generell T.-S. LEE, Die griechische Tradition der
aristotelischen Syllogistik in der Spätantike (Hyp. 79; Göttingen, 1984); R. SORABJI (ed.),
Aristotle Transformed: The Ancient Commentators and Their Influence (London, 1990) und
30 II. Antike Logik im Überblick

Logik stammt aus der Feder des Arztes und Philosophen Galen aus Pergamon
(129–216)12, der noch weitere Abhandlungen logischen Inhalts verfasst haben
soll13. Schließlich finden wir noch ein dünnes Lehrbuch zur formalen Logik
mit dem Titel »Peri Hermeneias«, dessen Autorschaft nach anfänglichen
Zweifeln heute Apuleius von Madaura (Verfasser des Romans »Der goldene
Esel«) zugeschrieben wird14. Diese drei Werke verdanken ihren Wert zum
größten Teil dem Umstand, dass sie einen Einblick in damalige logische
Auseinandersetzungen geben; sie sind jedoch kaum weiterführend in der
Lösung logischer Probleme. Galens Institutio Logica ist auch deswegen
bedeutsam, weil hier jener, die Spätantike und das Mittelalter dominierende,
Weg eingeschlagen wird, der die Unterschiede zwischen der aristotelischen
und der stoischen Logik zugunsten einer stärker an Aristoteles orientierten
Systematik aufhebt.
Die Tatsache, dass geschichtliche (Re)konstruktionen nur auf der Grundla-
ge vorhandener Quellen geschehen können, ist im Falle der frühen Logikge-
schichte besonders schmerzlich. Aus dem Umstand, dass das aristotelische
Organon gesamthaft erhalten geblieben ist und wir von den logischen
Traktaten des Stoikers Chrysipp nur Zitate und spärliche Fragmente haben,
lässt sich keineswegs auf die tatsächliche Bedeutung oder auf den kurz- und
mittelfristigen philosophischen Einfluss dieser beiden herausragenden
Logiker schließen. In der Darstellung der antiken Logik nimmt zwar Aristote-
les aufgrund der besseren Bezeugung einen breiteren Raum ein, vieles deutet
jedoch darauf hin, dass Chrysipp sich nicht nur sehr viel umfassender mit
Problemen der Logik beschäftigt hat, sondern auch dass seiner Logik eine viel
breitere Wirkung beschieden war (zumindest in der hellenistischen Zeit)15.
Ironie der Überlieferungsgeschichte!

2. Zur Terminologie
»[A]ußer ›Philosophie‹ gibt es vielleicht keinen Namen einer Wissenschaft,
welcher in der Geschichte so viele Bedeutungen angenommen hat wie

die Homepage des von ihm geleiteten Projekts »Ancient Commentators on Aristotle«:
http://www.kcl.ac.uk/kis/schools/hums/philosophy/aca/ (zuletzt besucht am 15.08.2005).
12 Galeni Institutio Logica, ed. K. Kalbfleisch (Leipzig, 1896). Eine deutsche Überset-
zung mit Kommentar bietet J. MAU, Galen Einführung in die Logik (Institutio Logica)
(Berlin, 1960).
13 V. NUTTON , Art. Galenos aus Pergamon, DNP 4 (1998) 748–756.
14 The Logic of Apuleius: Including a complete Latin text and English translation of the
Peri Hermeneias of Apuleius of Madaura, ed by D. Londey / C. Johanson (PhAnt 47; Leiden,
1987). Weiterhin wird diskutiert, ob es sich um die lateinische Übersetzung eines verlorenen
griechischen Originals handelt und ob es u.U. das dritte Buch der Schrift »De Platone et eius
dogmate libri II« darstellt (da dort drei Bücher angekündigt werden). Vgl. M. ZIMMERMANN,
Art. Apuleius von Madaura, DNP 1 (1996) 910–914.
15 S.u. 86ff.
A. Allgemeine Probleme 31

›Logik‹.«16 Um Äquivokationen zu vermeiden, muss daher der heutige


fachterminologische Wortgebrauch der historischen Benennungsvielfalt
gegenübergestellt werden17.
Das Substantiv Hj logik´j scheint erst ab dem 1. Jh. v.Chr. zaghaft als
Terminus technicus für die Wissenschaft der Logik als Schlusslehre in
Gebrauch zu kommen:
So nennt Cicero jenen Teil der Philosophie, der Methode und Dialektik behandelt, logik´j 18
und meint, dass die Stoiker ihre Abhandlungen über die Verwirrungen (de perturbationibus)
als logiká bezeichnen, »weil es mit besonderer Präzision erörtert wird«19. Die Tatsache,
dass Cicero beide Male im lateinischen Text griechisch formuliert, scheint auf eine
vorgeprägte Sprachtradition hinzudeuten. Diese lässt sich jedoch erst mit Sicherheit Anfang
des 3. Jhs.. n.Chr. bei Alexander von Aphrodisias nachweisen. Im Vorwort seines Kommen-
tars zu den An. pr. nimmt er Stellung zur Frage, ob »Logik« Teil der Philosophie oder
Propädeutik ist, und spricht dabei ganz selbstverständlich von Hj logik´j im Sinne von
»Syllogistik« (sullogistik´j) 20.

Die Wortfamilie logik´j findet im Werk des Aristoteles keine fachterminolo-


gische Verwendung. Ihre sprachliche Eingrenzung gestaltet sich jedoch
schwierig21. Das Adjektiv logikóß jedenfalls bezeichnet bei Aristoteles im

16 BOCHENSKI, Formale Logik, 3.


17 Vgl. die Beispiele in W. RISSE, Art. Logik I. Die historischen Benennungen der Logik,
HWP 5 (1980) 357–362.
18 Fin. I,22 (= Gigon / Straume-Zimmermann, 24f).
19 Tuscul. disput. IV 14,33 (= FDS, 42).
20 In An. Pr. Comm. 1,3–6,14 (Barnes et al., 41–48; abschnittweise auch in FDS, 27). Er
nennt seine Abhandlung gleich zu Beginn eine »zur Logik und Syllogistik«, spricht aber im
weiteren Verlauf nur noch von »Logik«.
21 Der aristotelische Gebrauch des Adjektivs logikóß und seiner Ableitungen wird am
ehesten in seinem Verhältnis zu hanalutikóß greifbar. Dass beide Begriffe keineswegs
synonym verwendet werden, macht schon rein formal ihre Einbettung in mén-dé-Sätze deut-
lich (An. post. I 22,84a7; 84b2). Der ganze Abschnitt An. post. I 22,82b35ff ist diesbezüglich
aufschlussreich: Aristoteles teilt seine Beweisführung (83b32: hapódeixiß) in zwei Argumen-
tationsgänge ein: logik¨wß (82b35–84a4) und hanalutik¨wß (84a5–b2). Die dem logik¨wß
entsprechende Betrachtungsweise ist eher allgemeiner Natur (83a1: kaqólou dè ˆwde
légomen) und geht offenbar nicht so sehr in die Tiefe wie die »analytische«, denn mit der
ersten wird im Hinblick auf das zu behandelnde Problem eine scheinbare Gewissheit erlangt,
während die zweite erst den Beweisgang definitiv abschließt. Der Unterschied wäre also
graduell im Sinne einer Intensivierung der Argumentation von der einfachen und allgemeinen
zur differenzierten und spezifischen Beweisführung zu fassen. Dass mit dem logik-Lexem
etwas für den Beweisgang allein nicht zureichendes ausgesagt wird, machen auch andere
Texte deutlich: 1. Nach einer Reihe von Argumenten zur Frage nach dem Vorrang bestimm-
ter Beweisarten wendet Aristoteles in An. post. I 24,86a22 selbst ein, dass das soeben
Vorgetragene nur logiká sei, um unmittelbar ein abschließend klärendes Argument
einzuführen. (Richtig daher Zekl, 588, Anm. 148: »logik¨wß hat diese peiorative Bedeutung.
In der Tat, die Häufung so vieler Argumente ist ja ›schön‹, doch liegen Einwände auf der
Hand: Das zu Beweisende wird zu stark vorausgesetzt, und gelegentlich steigt die Argumen-
tation auf topisches Niveau herunter. Das ist ihm selbst also klar.«) 2. In An. post. I 32,88a19
32 II. Antike Logik im Überblick

Unterschied zum analytischen Beweis die wahrscheinliche Folgerung aus


mehr oder minder vagen Voraussetzungen22.
Wesentlich umfassender ist der stoische Wortgebrauch: Hier teilt sich die
gesamte Philosophie in einen physikalischen, einen ethischen und einen
»logischen« Teil auf, wobei sich die »Logik« mit Denken und Sprache
beschäftigt und auch »dialektisch« genannt werden kann23. Nach der einfluss-
reichen Darstellung des Diogenes Laertios gelten für die »Logik« noch
weitere Untergliederungen:
»Das Gebiet der Logik (tò dè logikòn méroß) gliedert sich, wie einige erklären, in zwei
Wissenschaften, in Rhetorik und Dialektik (e˙ß Hrjtorik`j n kaí e˙ß dialektik´j n) […] Die
Dialektik gliedert sich nach ihnen in das Gebiet ›Über das Bezeichnete (die Bedeutungen)‹
und in das ›Über die Stimme (den Laut, das sprachliche Zeichen)‹ (tòn perì t¨wn sjmaino-
ménwn kaì t¨jß fwn¨j ß tópon). Das Thema der Bedeutungen wiederum gliedert sich
einerseits in die Lehre von den Vorstellungen und andererseits in die Lehre von den auf
diesen beruhenden Lekta (tòn perì t¨wn fantasi¨wn tópon kaì t¨wn hek toútwn Hufista-
ménwn lekt¨wn), nämlich (in die Lehre) von den Aussagen, den [übrigen] vollständigen
[Lekta] und den Prädikaten sowie den darunter befindlichen persönlich aktiven und
persönlich passiven Prädikaten, den Gattungen und Arten, ferner von Argumenten, Modus-
formeln und Syllogismen sowie von den teils durch die Stimme (den sprachlichen Ausdruck)
und teils durch die Sachen (Bedeutungen) verursachten Trugschlüssen.« (DiogL. VII 41.43 =
FDS, 33 [alle Klammern original])

Trotz der Unklarheit mancher Fachtermini ist deutlich, dass die Bezeichnung
logik´j in der stoischen Philosophie sehr viel mehr umfasst, als heute dem
Wort fachterminologisch zugemutet werden kann, nämlich auch weite

führt Aristoteles einen ersten Argumentationsgang mit der Wendung logik¨wß qewroüsin
ein, erbringt aber dann den gültigen Erweis »aufgrund des Festgesetzten« (88a30: hek dè t¨wn
keiménwn). 3. In An. post. II 8,93a15 bezeichnet Aristoteles den logikòß sullogismóß
geradewegs als untauglich für den Beweis und lässt einen Argumentationsgang folgen, der
wieder am Anfang (hex harc¨jß) ansetzt. 4. Die Vermutung eines graduellen Übergangs von
logikóß zu hanalutikóß wird m.E. in Cael. I 7,275b12 [= Gigon, 76] bestätigt: Nach einer
Diskussion über die Begrenztheit des Alls leitet Aristoteles zu einer eingehenderen Beweis-
führung mit der Wendung über: »Theoretischer (logik´wteron) läßt sich auch folgenderma-
ßen schließen…« Die komparative Steigerung macht an dieser Stelle deutlich, dass der
analytische Beweis eine Intensivierung der sprachlich-logischen Argumentation darstellt.
22 An. pr. I 30,46a9f; II 16,65a36f; II 23,68b9ff; Top. I 1,100a22 u. 29f; vgl. H. BONITZ,
Index Aristotelicus (Aristotelis Opera 5; Berlin, 1961 = 1870) 183. Diese Bedeutung
entspricht dem platonischen Begriff der »Dialektik« (Top. I 2,101b4; vgl. RISSE, Art. Logik,
358). Daher vermag ich das Urteil von KAPP, Ursprung der Logik, 25 »daß der spätere Name
der Wissenschaft von der Logik auf Aristoteles’ Verwendung des Adjektivs zurückgeht«,
kaum zu bestätigen.
23 Ps.-Plutarch (ca. 2. Jh. n.Chr.), De plac. philos. 874E: »Aus diesem Grund ist auch die
Philosophie dreiteilig; einer ihrer Teile ist der physikalische (fusikón), ein zweiter der
ethische (hj qikón), der dritte der logische Teil (logikón). [… D]er logische Teil ist der über
das Denken (logikòn dè tò perì tòn lógon); ihn nennt man auch den dialektischen
(dialektikón) Teil.« (= FDS, 15) Vgl. zur klassischen stoischen Dreiteilung der Philosophie
die Fragmente 1–26 in FDS.
A. Allgemeine Probleme 33

Bereiche der Rhetorik, Grammatik und Erkenntnistheorie24. Der heutige


fachterminologische Gebrauch wäre als Unterkategorie der »Dialektik« im
Bereich zwischen Bedeutungs- und Aussagelehre zu suchen25:

logik´j
M
Hrjtorik´j dialektik´j
(Rhetorik) (Dialektik)
M
perì t¨jß fwn¨jß perì t¨wn sjmainoménwn
(Zeichenlehre) (Bedeutungslehre)
M
perì t¨wn fantasi¨wn perì lekt¨wn
(Vorstellungen) (Aussagen)

Damit zeigt sich, dass es in der Antike in aller Regel andere Begriffe waren,
deren fachterminologische Verwendung dem nahekommt, was heute mit
»Logik« bezeichnet wird. Aristoteles benutzt mit Vorliebe Begriffe aus dem
Wortfeld hanalutikóß26, während die Stoa vornehmlich von dialektik´j
spricht. Im Folgenden wird der Begriff »Logik« im modernen Sinne für jenes
theoretische Untersuchungsfeld verwendet, das sich der Überprüfung der
Gültigkeit von sprachlichen Schlüssen widmet. Dabei gilt es jedoch zu
beachten, dass in der Antike Logik auch für die philosophische Schuldiskus-
sion (Topik) und die öffentliche Beredsamkeit (Rhetorik) bedeutsam war.
Gerade für die exegetische Zielsetzung der vorliegenden Arbeit sind diese
praktischen Anwendungsmöglichkeiten der Logik von Interesse.

3. Die beiden Logiksysteme


Auch wenn die Singularformulierung es nahe legen könnte, gibt es die antike
Logik als ein einheitliches, sich progressiv aufbauendes Gedankengebäude
nicht. Eher haben sich im Abstand eines knappen Jahrhunderts zwei große
Systeme gebildet, die (trotz späterer Vereinheitlichungsversuche) den
jeweiligen Vertretern als unvereinbar galten:
Die Logik des Aristoteles beschäftigt sich mit Sätzen, die einem Subjekt S
ein Prädikat P zu- oder absprechen. Die Kernfrage ist, wie sich aus zwei oder
mehreren Sätzen der Form »Alle/einige A sind/sind nicht B«, ein Schluss
notwendig ziehen lässt. Weil Aristoteles auf der Suche nach formalen
Grundstrukturen von Schlüssen die zentralen Terme bzw. Prädikate des
einfachen Aussagesatzes berücksichtigt, wird dieses Modell (in moderner

24 Vgl. weitere Texte in FDS, 33–43.


25 BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 65–67.
26 An. post. I 22,84a7–11.
34 II. Antike Logik im Überblick

Terminologie) als »Term- oder Prädikatenlogik« bezeichnet. Ein typisches


Beispiel dieser Form von Logik wäre:
Wenn (1.) alle Menschen (M) sterblich (S) sind und (2.) alle Hellenen (H) Menschen (M)
sind, dann folgt notwendig, (3.) dass alle Hellenen (H) sterblich (S) sind. Formal: Wenn MaS
und HaM, dann HaS.

Die stoische Logik untersucht die logische Beziehung von Aussagesätzen


zueinander und formalisiert daher den Einzelsatz als Ganzes. Daher spricht
man von einer »Satz- oder Aussagenlogik«. Ein Beispiel:
Die Erde ist entweder eine Scheibe oder die Erde ist eine Kugel. S ›–‹ K
Es ist nicht der Fall, dass die Erde eine Scheibe ist. ¬S
Also ist die Erde eine Kugel. K
Wenn die damit implizierten philosophischen Fragen außer Acht gelassen
werden, stellt sich der Unterschied zwischen beiden Systemen »nur« als eine
Frage dar, wonach die logische Formalisierung fragt, bzw. wie engmaschig
das logische Netz sein soll27.

4. Sprachtheoretische Grundlegung: Die wahrheitsdefinite Aussage


Grammatik, Semantik und Logik sind aufs Engste miteinander verzahnt.
Darin sind sich antike und moderne Logik einig28. Aristoteles und nach ihm
die Stoiker haben sich entsprechend um eine Klärung sprachbezogener
Probleme bemüht und sind dabei von einer gemeinsamen Basis ausgegangen:
Grundlage logischer Theoriebildung ist die Aussage.
1. Aristoteles: Für eine Beschäftigung mit der aristotelischen Sprachauffas-
sung bietet die »Hermeneutik« (Int.), die im Wesentlichen vom Satz und von
der Verknüpfung von Satzteilen handelt, den wichtigsten Ausgangspunkt29.
Am Anfang dieser Schrift steht die wohl einflussreichste antike Sprachtheo-
rie30:
»Nun sind die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme (tà hen t¨∆ fwn¨∆) ein Symbol für
das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt (t¨wn hen t¨∆ yuc¨∆ paqjmátwn
súmbola), und das, was wir schriftlich äußern, (ist wiederum ein Symbol) für die (sprachli-
chen) Äußerungen unserer Stimme. Und wie nicht alle (Menschen) mit denselben Buchstaben
schreiben, so sprechen sie auch nicht alle dieselbe Sprache. Die seelischen Widerfahrnisse
aber, für welche dieses (Gesprochene und Geschriebene) an erster Stelle ein Zeichen
(sjmeïa) ist, sind bei allen (Menschen) dieselben; und überdies sind auch schon die Dinge,

27 In
der Spätantike wurden für diese unterschiedlichen Systeme die Begriffe »kategori-
sche Syllogistik« (Aristoteles) und »hypothetische Syllogistik« (Stoa) benutzt (vgl. BARNES /
BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 77f).
28 Vgl. KAPP, Ursprung der Logik, 12–15; TUGENDHAT / WOLF, Propädeutik, 7–10.
29 Vgl. bes. DÜRING, Aristoteles, 64–69; und die kommentierte Übersetzung Peri Herme-
neias, übers. Weidemann (AWDÜ I/2; Berlin, 1994).
30 W. AX , Aristoteles, in: M. Dascal u.a. (Hrsg.), Sprachphilosophie (Berlin, 1992) I,
244–259.
A. Allgemeine Probleme 35

von denen diese (seelischen Widerfahrnisse) Abbildungen sind (Homoi´wmata prágmata),


(für alle) dieselben. […] Wie sich aber in unserer Seele (hen t¨∆ yuc¨∆) bald ein Gedanke
(nójma) befindet, ohne daß es ihm zukäme, wahr oder falsch zu sein (‘aneu toü haljqeúein
’j yeúdesqai), bald aber auch einer, dem notwendigerweise eines von beidem zukommt
(hanágkj toútwn Hupárcein), so äußern wir auch mit der Stimme (teils sprachliche
Ausdrücke der einen und teils solche der anderen Art). Denn Falschheit wie Wahrheit sind an
Verbindung und Trennung geknüpft (perì gàr súnqesin kaì diaíresín hesti tò yeüdóß
te kaì tò haljqéß). Es gleichen nun die Nennwörter (tà ho nómata [in etwa »Nomen«]) und
die Aussagewörter (tà Hr´jmata [in etwa »Verb«]) für sich allein einem Gedanken ohne
Verbindung und Trennung, wie z.B. das Wort ›Mensch‹ oder das Wort ›weiß‹, wenn nicht
noch etwas hinzugefügt wird. Denn (für sich allein) ist (ein solches Wort) noch nicht falsch
oder wahr (o‘ute gàr yeüdoß o‘ute haljqéß), aber es ist (dennoch) ein Zeichen (sjmeïon)
mit einer ganz bestimmten Bedeutung. Auch das Wort ›Bockhirsch‹ (beispielsweise) bedeutet
ja etwas (sjmaínei ti), ist aber (deshalb) noch lange nicht wahr oder falsch, wenn man nicht
hinzufügt – sei es schlechthin, sei es in einer temporal abgewandelten Form –, daß (die mit
ihm gemeinte Sache) ist oder nicht ist (d.h. existiert oder nicht existiert).« (Int. 1,16a3–18;
übers. Weidemann, 3f; vgl. auch Soph. el. 1,165a7)

Das Verhältnis zwischen »seelischen Widerfahrnissen«, bzw. »Gedanken«,


Sprache, Schrift und Einzeldingen lässt sich graphisch wie folgt darstellen31:

seelische Widerfahrnisse
(Gedanken)

symbolisieren bilden ab

gesprochene Sachverhalte
Worte

symbolisieren

geschriebene
Worte

Konvention Natur

31 Schaubild nach Peri Hermeneias, übers. Weidemann (AWDÜ I/2) 149.


36 II. Antike Logik im Überblick

Aristoteles unterscheidet deutlich zwischen, modern gesprochen, konventio-


nellen und allgemeinen Aspekten der Sprache: Im Zentrum stehen die
»Widerfahrnisse der Seele«32, die allen Menschen gemeinsam sind, weil sie
die Außenwelt, die Dinge und Sachverhalte33, abbilden. Die Vernunftseele
bildet aufgrund der Wahrnehmung Gedanken. Für diese Gedanken stellt jede
Kultur konventionelle Zeichen oder Symbole zur Verfügung, die sich
zunächst im gesprochenen Wort zur Sprache bringen und dann wiederum in
der Schrift. Sprechen und Denken verlaufen parallel auf gegenüber liegenden
Seiten von Konvention und Natur34. Aristoteles nimmt damit eine für die
Logik sehr wichtige sprachtheoretische Weichenstellung vor: Die Werte
»wahr« und »falsch« kommen nicht den Einzelwörtern zu, sondern den zu
Aussagesätzen verbundenen Wörtern. Damit gelangt die Aussage, die sog.
»Proposition«, die etwas bejaht oder verneint und damit als wahr oder falsch
bestimmt werden kann, ins Zentrum der Analyse35:
»Es ist aber jede Rede (lógoß “apaß) zwar bedeutend (sjmantikóß), aber nicht wie ein
Werkzeug (Hwß ‘organon)36, sondern, wie bereits gesagt, nach Übereinstimmung (katà
sunq´jkjn). Nicht jede (Rede) aber ist aussagend (hapofantikóß), sondern nur jene, zu der
das Wahrsein oder Falschsein gehört (tò haljqeúein ’j yeúdesqai Hupárcei). (Eine solche
Eigenschaft) gehört aber nicht zu jeder (Rede), z.B. ist ein Gebet (Hj ehuc´j) zwar auch eine
Rede, doch weder wahr noch falsch. Diese anderen (Arten der Rede) seien nun auf die Seite
gestellt – ihre Erörterung (skéyiß) gehört eher in die Rhetorik oder Poetik –, die aussagende
Rede (hapofantikóß) hingegen ist Gegenstand der gegenwärtigen Betrachtung (qewríaß).«
(Int. 4,16b33–17a6; eig. Übers.)

Knapp fasst Aristoteles am Anfang der An. pr. zusammen: »Eine Aussage ist
eine Rede, die etwas von etwas bejaht oder verneint.«37 Die beiden Bestand-
teile oder Terme der Aussage sind ‘onoma und Hr¨jma38. Damit sind in etwa

32 Páqjma bezeichnet das Empfangen eines Eindrucks, in gewisser Weise die Wahr-
nehmung.
33 Zur Bedeutung von prägma in diesem Sinne vgl. Met. IV 29,1024b17–25.
34 Vgl. AX, Aristoteles, 254. Vgl. zu dieser Parallelität auch Int. 3,16b20f; 14,23a32f.
35 Vgl. G. ENGLEBRETSEN, On Propositional Form, in: Menne / Öffenberger (Hrsg.),
Formale und nicht-formale Logik, 131–140.
36 Die Wendung bedeutet in etwa »von Natur aus« (vgl. Int. 4,16a27)
37 An. pr. I 1,24a16–17: Prótasiß mèn o~u n h estì lógoß katafatikòß ’j h apofatikóß
tinoß katá tinoß. (eig. Übers.) Als logischen Terminus technicus für die wahrheitsdefinite
Aussage gebraucht Aristoteles häufig auch hapófansiß von hapofaínw (vgl. Int. 5,17a20–
22), das von hapófasiß (»negierte Aussage« von hapófjmi) zu unterscheiden ist. Selten
begegnet aber auch die Form hapófasiß für hapófansiß. LSJ, 226 s.v. hapófasiß (B) zählt
aus dem aristotelischen Schrifttum nur Rhet. I 8,1365b27 dazu (textkritisch jedoch unsicher!).
38 Griech. “oroß bedeutet »Grenze, Demarkationslinie, Maß, Regel« und ist in der Logik
v.a. in drei Verwendungsweisen relevant: »Term einer Aussage« oder auch »Variable für den
Term« (auf Subjekt ebenso wie auf Prädikat anwendbar), »Definition« und »Prämisse eines
Syllogismus« (vgl. LSJ, 1256). Im Sinne von »Term« bestimmt Aristoteles am Anfang der
An. pr. I 1,24b16–18: »Einen ›Term‹ (“oron) nenne ich das, in was die Aussage aufgelöst
wird (e˙ß ”o n dialúetai Hj prótasiß), nämlich das, was ausgesagt wird, und das, wovon es
A. Allgemeine Probleme 37

Subjekt und Prädikat gemeint (Int. 2,16a19–3,b25): Das »Nennwort« ist ein
konventioneller Laut, der etwas bedeutet (im Gegensatz etwa zu Tierlauten)
und der durch Zusatz von »ist«, »war«, »wird sein« oder deren Verneinungen
eine wahre oder eine falsche Aussage macht. Das »Verb« bringt das Element
der Zeit mit sich und ist nur bedeutungsvoll aufgrund seiner Beziehung zum
»Nennwort« (d.h. ohne Verbindung zu einem solchen ist z.B. »ist gesund«
ohne Bedeutung). Diese zweistellige sprachliche Konstellation, in der etwas
von jemandem oder etwas ausgesagt wird, ist als Proposition für logische
Analyse relevant.
2. Stoa: Im Anschluss an sprachphilosophische Überlegungen Zenons
unterscheidet die Stoa drei Grundgegebenheiten der Sprache39. In einem für
die antike Semantik wichtigen Text fasst Sextus Empiricus die stoische
Position folgendermaßen zusammen:
»Es gab bei diesen Leuten aber auch noch eine andere Kontroverse [gemeint ist die
Auseinandersetzung über das Wahre unter den alten Philosophen], indem die einen das
Wahre und Falsche in die Bedeutung (perì t¨^w sjmainomén^w) setzen, während die anderen
es mit dem Laut (perì t¨∆ fwn¨∆) verbanden und wieder andere es auf die Bewegung des
Verstandes (perì t¨∆ kin´jsei t¨j ß dianoíaß) bezogen. Die herausragenden Vertreter der
ersten Auffassung sind die Stoiker mit ihrer Lehre, daß sich dreierlei miteinander verbinde:
das Bezeichnete (die Bedeutung) (tò sjmainómenon), das Bezeichnende (das sprachliche
Zeichen) (tò sjmaïnon) und das Erlangende (tò tugcánon). Dabei ist das sprachliche
Zeichen der Laut (t`j n fwn´jn), z.B. das Wort ›Dion‹; die Bedeutung ist eben die Sache (tò
prägma), auf die durch den Laut hingewiesen wird und die wir begreifen, da sie in
Abhängigkeit von unserem Denken existiert, die aber fremdsprachige Leute nicht verstehen,
so sehr sie auch den Laut hören; das Erlangende schließlich ist dasjenige, was vorgängig
außerhalb zugrundeliegt, (das äußere Substrat), nämlich etwa die Person des Dion selbst.
Zwei von diesen sind Körper (s´wmata), nämlich der Laut und das Erlangende; eines
hingegen ist unkörperlich (has´wmaton) nämlich die bezeichnete Sache (tò sjmainómenon
prägma), und zwar ein Lekton (kaì lektón), welches eben auch wahr oder falsch werden
kann. Das freilich gilt nicht durchweg für jedes Lekton. Vielmehr sind Lekta teils unvollstän-
dig (hellipéß), teils vollständig (ahutoteléß). Und von den vollständigen ist die sogenannte
Aussage (haxíwma) [wahr oder falsch]; diese umschreiben sie nämlich auch dadurch, daß sie
sagen: ›Eine Aussage ist das, was wahr oder falsch ist.‹« (Adv. Math. VIII,11f = FDS, 67)
Ähnlich wie Aristoteles wird unterschieden zwischen dem physisch wahr-
nehmbaren Lautgebilde (»das Bezeichnende« = tò sjmaïnon; der Laut
/Dion/), dem Gemeinten (das Bezeichnete = tò sjmainómenon; die Vorstel-
lung von Dion) und dem außersprachlichen Gegenstand (tò tugcánon; die
Person Dion selbst). In einer nicht sehr scharf umrissenen Terminologie wird

ausgesagt wird (tó te katjgoroúmenon kaì tò kaqh oˆu katjgoreïtai), unter Hinzuset-
zung [Textvariante: »oder Auslassung«] von ›ist‹ oder ›ist nicht‹.« Vgl. auch DÜRING,
Aristoteles, 78, Anm. 178.
39 Nach STEINMETZ, Stoa, 595.
38 II. Antike Logik im Überblick

das Gemeinte zugleich als tò lektón bestimmt40 und diesem die »Aussagen«
zugeordnet, auf die das Urteil wahr oder falsch zutrifft41.
Im Bereich des Bezeichnenden untersuchte Chrysipp sehr genau die Wort-
und Formenlehre im Hinblick auf die verschiedenen Wortarten und ihre
Flexionen. Wichtiger für die Logik jedoch ist der Bereich der durch Sätze
ausgedrückten Sachverhalte – die sog. lektá –, denn nur diese sind wahr-
heitsdefinit42. Mithilfe einer Reihe von Unterscheidungen versucht Chrysipp,
den logischen Status des »Sagbaren« zu erfassen. Es gibt verschiedene
Satzarten (Fragen, Befehle, Wünsche, Aussagesätze, usw.) und entsprechend
auch verschiedene Sachverhalte. Die Logik (im engeren Sinne) hat es nach
Chrysipp – darin Aristoteles gleich – nur mit Aussagen zu tun (haxi´wmata)43.
Eine Aussage ist »ein vollständiges Lekton, welches behauptet werden kann,
soweit dies an ihm liegt«44.

B. Die aristotelische Termlogik

Aristoteles ist der Begründer der Logik im Sinne einer formalen Wissen-
schaft45. In einem viel zitierten Abschnitt überschaut er seine eigene Leistung
und stellt nicht ohne Stolz fest:

40 Lektón meint wörtlich »das Sagbare«.


41 Vgl. zur Unterscheidung zwischen dem Gemeinten und dem Gesprochenen DiogL. VII
57: »Auch unterscheidet sich das Reden (Sagen) vom Vorbringen (Aussprechen) (diaférei
dè kaì tò légein toü proféresqai); denn vorgebracht (ausgesprochen) werden die Laute
(Stimmen) (proférontai mèn gàr aÓ fwnaí), gesagt aber die Sachen, die auch die lekta
(das Gesagte, Sagbare) sind (légetai dè tà prágmata, ”a d`j kaì lektà tugcánei).« (=
FDS, 476)
42 Die grundsätzliche Unterscheidung zwischen vollständigen und unvollständigen Lekta
(lektà ahutotel¨j , lektà hellip¨j) ist für die Logik nicht besonders relevant, weil einem
unvollständigen Satz (etwa der indefiniten Form gráfei = »er/sie/es schreibt«) ein Wahr-
heitswert erst dann zugesprochen werden kann, wenn es gelingt, die Aussage in eine definite
zu überführen (etwa: »Sokrates schreibt«).
43 Vgl. zur Übersetzung G RAESER, Zenon, 24, Anm. 2.
44 Sextus Emp., Pyrrh. II,104 (= FDS, 878): lektòn ahutotelèß h apofantòn “oson
hefh Heaut^¨w. Vgl. zur Auslegung dieser umständlichen Formulierung und zu weiteren
Definitionen BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 93–95.
45 Aus der umfangreichen Literatur: H. MAIER, Die Syllogistik des Aristoteles (3 Bde;
Tübingen, 1896–1900); F. SOLMSEN, Die Entwicklung der aristotelischen Logik und Rhetorik
(Berlin, 1929); A. BECKER, Die aristotelische Theorie der Möglichkeitsschlüsse (Berlin,
1933); J. LUKASIEWICZ, Aristotle’s Syllogistic from the Standpoint of Modern Formal Logic
(Oxford, 21957); G. PATZIG, Die aristotelische Syllogistik (AAWG.PH 3:42; Göttingen,
1959); K. EBBINGHAUS, Ein formales Modell der Syllogistik des Aristoteles (Hyp. 9;
Göttingen, 1964); F.-P. HAGER (Hrsg.), Logik und Erkenntnislehre des Aristoteles (WdF 226;
Darmstadt, 1972); J. LEAR, Aristotle and Logical Theory (Cambridge, 1980); R. SMITH, The
Syllogism in ›Posterior Analytics I‹, AGPh 64 (1982) 113–135; A. MENNE / N.
B. Die aristotelische Termlogik 39

»Von allem, was so gefunden wird, ist einiges von anderen schon früher ergriffen und mit
Mühe ausgearbeitet worden; es ist dann Stück für Stück fortgeschritten unter der Arbeit derer,
die es später übernahmen. Anderes, das neu gefunden wird, pflegt zunächst nur geringen
Fortschritt zu nehmen, der allerdings viel nutzbringender ist als alle spätere Vermehrung
daraus. Das Größte ist ja wohl der Anfang von allem, wie das Sprichwort sagt. Daher ist er
auch das Schwierigste. Je wirkungsmächtiger das ist, desto winzigkleiner ist es an Größe und
daher am schwierigsten zu Gesichte zu bekommen. Ist dieser (Anfang) aber erst einmal
gefunden, so ist es leichter, das übrige hinzuzusetzen und zu mehren. […] Von dieser
Anstrengung [pragmateía auch ›Untersuchung‹] dagegen war nicht einiges schon vorher
ausgearbeitet, anderes noch nicht, sondern es lag noch gar nichts vor. […] Was die Kunst der
Redner angeht, so war viel alter Lehr- und Vortragsstoff vorhanden; was das genaue
Schlüsseziehen betrifft, so hatten wir früher gar nichts vorzutragen als nur, daß wir,
zeitaufwendig herumsuchend, uns lange abmühten. Wenn es euch, indem ihr die Sache
anschaut, so scheint, daß – angesichts solcher anfänglicher Vorgaben – dieser Entwurf einer
Lehre einigermaßen gut dasteht im Vergleich zu den anderen Ausarbeitungen […], so wäre es
nunmehr noch Aufgabe von euch allen, die es gehört haben, dafür, daß Stücke in dieser
wegbereitenden Untersuchung noch fehlen, Nachsicht zu gewähren, für das Gefundene aber
viel Anerkennung.« (Soph. el. 34,183b17–184b8)

Diese Selbsteinschätzung ist bis heute kaum ernsthaft bestritten worden46.


Obwohl es bereits vor Aristoteles elementare Regeln für gültige Schluss- und
Beweisverfahren gab und Diskussionen über logikrelevante Themen nicht
fehlten47, hat erst er der Logik zu einer eigenen Metasprache verholfen und
damit ihren Rang als eine klar umrissene Wissenschaft begründet. Wegwei-
send ist die Abstraktionsleistung, einzelne Elemente des Satzes durch
Variablen (A, B, C, usw.) zu ersetzen. Damit hat Aristoteles das Formale bei
der Analyse von Schlüssen ins Zentrum gerückt. Die aristotelische Logik ist
in ihrer begrenzten Ausrichtung auf eine mit Termen operierende Schluss-

ÖFFENBERGER (Hrsg.), Über den Folgerungsbegriff in der Aristotelischen Logik (ZMDAL 1;


Hildesheim, 1983); A. MENNE / N. ÖFFENBERGER (Hrsg.), Formale und nicht-formale Logik
bei Aristoteles (ZMDAL 2; Hildesheim, 1985); A. MENNE / N. Ö FFENBERGER (Hrsg.),
Modallogik und Mehrwertigkeit (ZMDAL 3; Hildesheim, 1988); N. ÖFFENBERGER, Zur
Vorgeschichte der mehrwertigen Logik in der Antike (ZMDAL 4; Hildesheim, 1990); F.
BUDDENSIEK, Die Modallogik des Aristoteles in den Analytica Priora (ZMDAL 6; Hildes-
heim, 1994); Th. EBERT, Was ist ein vollkommener Syllogismus des Aristoteles? AGPh 77
(1995) 221–247; R. PATTERSON, Aristotle’s Modal Logic (Cambridge, 1995); O. PRIMAVESI,
Die aristotelische Topik (Zet. 94; München, 1996), 59–82; P. THOM, The Logic of Essentia-
lism: An Interpretation of Aristotle’s Modal Syllogistic (Dordrecht, 1996).
46 DÜRING, Aristoteles, 72: »Sein Stolz ist berechtigt.« BOCHENSKI , Formale Logik, 47
nennt Aristoteles den »erste(n) formale(n) Logiker«. Ähnlich J.L. ACKRILL, Aristoteles (SG
2224; Berlin, 1985) 122: »Aristoteles ist dafür berühmt, den Syllogismus erfunden oder
entdeckt und damit die formale Logik begründet zu haben.«
47 Davon zeugt indirekt auch Aristoteles, wenn er auf vorgängige Diskussionen verweist,
etwa Soph. el. 10,170b12–14 (zur Unterscheidung von »Wort« [‘onoma] und »Sinn«
[diánoia]) oder 10,171a1–2 (Theorien zur Widerlegung: tò perì helégcou dialégesqai).
Vgl. zur voraristotelischen Logik BOCHENSKI, Formale Logik, 35–46 (unter dem
bezeichnenden Titel »Die Vorläufer«) und KNEALE / KNEALE, Logic, 1–22.
40 II. Antike Logik im Überblick

lehre (die sog. »Syllogistik«) bis heute gültig48. Ihre Begrenzungen sind zwar
durch die moderne Prädikatenlogik, in der sie vollständig integriert ist, mehr
als deutlich geworden49. Dennoch ist sie aufgrund ihrer Systematik weiterhin
für die moderne philosophiosche Logik von Interesse50.

1. Weitere sprachtheoretische Überlegungen


Neben der Konzentration auf die wahrheitsdefinite Aussage sind darüber
hinaus zwei Aspekte der Sprache für die aristotelische Logik von grund-
legender Bedeutung:

a) Die logisch relevanten Modi des Aussagesatzes


Neben der wichtigen Unterscheidung zwischen bejahenden (katafatikóß)
und verneinenden (hapofatikóß) Aussagen führt Aristoteles weitere Eintei-
lungskategorien ein: einfache und zusammengesetzte51 oder tatsächliche,
notwendige und mögliche Aussagen.
An. pr. I 2,25a1f: »Jeder Aussagesatz bezeichnet entweder das, was ist, oder das, was mit
Notwendigkeit ist, oder das, was sein kann (’j toü Hupárcein ’j toü hex hanágkjß Hupárcein
’j toü hendécesqai Hupárcein).« Auf den ersten Blick könnte man bei dieser Gliederung an
Indikativ-, Konjunktiv- und Imperativsätze denken. Doch gehören die letzten beiden
Satzarten nicht zum Behandlungsfeld aristotelischer Logik, weil sie nicht wahrheitsdefinit

48 HÖFFE, Aristoteles, 49 urteilt über diese Leistung: »klar, gründlich, so gut wie fehlerfrei
und zum ersten Mal mit Elementen einer logischen Kunstsprache.« Ebenso einflussreich wie
einseitig ist das Urteil von Immanuel KANT, Kritik der reinen Vernunft (Vorrede B VIII),
hrsg. W. Weischedel (Frankfurt a.M., 1956) 20: »Daß die Logik diesen sicheren Gang [einer
Wissenschaft, MMM] schon von den ältesten Zeiten her gegangen sei, läßt sich daraus
ersehen, daß sie seit dem Aristoteles keinen Schritt rückwärts hat tun dürfen, wenn man ihr
nicht etwa die Wegschaffung einiger entbehrlicher Subtilitäten oder deutlichere Bestimmung
des Vorgetragenen als Verbesserungen anrechnen will […]. Merkwürdig ist noch an ihr, daß
sie auch bis jetzt keinen Schritt vorwärts hat tun können und also allem Ansehen nach
geschlossen und vollendet zu sein scheint.«
49 Vgl. BUCHER, Angewandte Logik, 172.
50 Bahnbrechend war die Arbeit des polnischen Logikers LUKASIEWICZ, Aristotle’s
Syllogistic. Die wichtige Arbeit von PATZIG, Aristotelische Syllogistik, 199 kommt zu dem
Urteil, dass wir es in den An. pr. mit einem Werk von »beispielhafter Strenge und logischer
Reinheit« zu tun haben. Der Dialog zwischen aristotelischer und moderner Logik wird auf
sehr hohem Niveau in der Buchreihe »Zur modernen Deutung der aristotelischen Logik«
(hrsg. A. Menne, N. Öffenberger; Hildesheim; New York, 1983ff; bisher 8 Bde.) geführt.
Diese Arbeiten haben einen deutlichen Unterschied zwischen der Logik des Aristoteles und
der späteren Systematisierung in der klassischen Logik herausgearbeitet.
51 Int. 5,17a20–22: »Davon ist die eine die einfache Aussage (H j Hapl¨j hapófansiß), wenn
etwas über etwas (bejaht wird), oder etwas von etwas (verneint wird) (tì katà tinòß ’j tì
hapò tinóß); die andere ist die aus diesen zusammengesetzte, wenn es schon irgendeine
zusammengefügte Rede ist (lógoß tiß ‘j dj súnqetoß).«
B. Die aristotelische Termlogik 41

sind52. Am besten wird diese Unterscheidung anhand von Beispielsätzen deutlich: a)


Tatsächlich: »Einige Menschen werden zwei Meter groß.« Die Größe von zwei Metern
kommt einigen Menschen tatsächlich zu. Es handelt sich aber um eine kontingente Eigen-
schaft, die nicht notwendig zum Menschsein dazugehört. b) Notwendig: »Jeder Mensch
besteht aus Fleisch und Knochen.« Die Eigenschaft, einen Körper zu haben, gehört
notwendigerweise zum Menschsein dazu. Das heißt, dass etwas Körperloses kein Mensch
sein kann. c) Möglich: »Es kann sein, dass jetzt niemand schläft.« Es geht in diesem Satz um
die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort die Tätigkeit
des Schlafens von niemandem ausgesagt werden kann.

Für die Logik am wichtigsten jedoch ist die Unterscheidung zwischen


universalen und partikulären Aussagen:
»Ein Satz ist eine Rede, die etwas von etwas bejaht oder verneint. Sie ist entweder allgemein
(kaqólou) oder partikulär (hen mérei) oder unbestimmt (hadióristoß).« (An. pr. I 1, 24a16f)

Universale Sätze machen allgemeine Aussagen, wie »Alle Menschen sind


Lebewesen«, oder »Kein Tisch ist ein Tier«. Partikuläre Sätze machen be-
schränkte Aussagen, wie »Einige Pflanzen sind Fleischfresser«, oder »Einige
Menschen sind nicht weiß«. Es handelt sich dabei aber nicht um eine strikte
Partikularität (im Sinne von »nur einige«), sondern um eine abgeschwächte
(»wenigstens einige«)53. Die Unterscheidung universal-partikulär bezieht sich
auf den quantitativen Modus der Aussage und nicht auf die Bestimmung der
Dinge selbst54. Der unbestimmte Modus ist logisch irrelevant55.
Die wichtigsten Modi für die aristotelische Logik betreffen demnach die
Quantität (allgemein / partikulär) und die Qualität (affirmativ / negativ) einer
Aussage. Daraus ergeben sich vier Möglichkeiten für logisch relevante Sätze:
affirmativ-allgemein, affirmativ-partikulär, negativ-allgemein und negativ-

52 Die drei Modalitäten werden von der modernen Logik assertorisch, apodiktisch und
problematisch genannt (vgl. J. BARNES, Aristoteles [RUnB 8773; Stuttgart, 1992] 47). Ich
folge hier dem aristotelischen Sprachgebrauch.
53 Das ist wichtig für die Umkehrungsgesetze, die Aristoteles in seiner Syllogistik entfal-
tet (vgl. A. MENNE, Zur Syllogistik strikt partikulärer Urteile, in: Menne / Öffenberger,
Formale und nicht-formale Logik, 141).
54 Nach Int. 7,17a36 können die Dinge selbst allgemein oder partikulär sein, je nachdem
ob etwas von mehreren ausgesagt werden kann (z.B. »Mensch«) oder nur von einem
Einzelding (z.B. »Kallias«). Da Aristoteles in den Analytiken an Einzeldingen kein Interesse
hat, ist die Kategorie des singulären bzw. individuellen Satzes nicht in die eigentliche Logik
eingegangen (vgl. ENGLEBRETSEN, Propositional Form, 132f). Zum Problem individueller
Terme s.u. S. 117.
55 Der unbestimmte Satz ist einer, dessen Aussage weder eindeutig als allgemein noch als
partikulär bestimmt werden kann. Aristoteles gibt selbst zwei Beispiele (An. pr. I 1,24a20–
22): »Das Konträre fällt unter dieselbe Wissenschaft.« »Die Lust ist kein Gut.« Für die
aristotelische wie auch für die moderne Logik sind solche Sätze nur dann interessant, wenn
sie eindeutig als universal oder partikulär interpretiert werden. Aristoteles nimmt diese Sätze
jedoch sehr ernst. Damit erkennt er die Vagheit der Alltagssprache an. Gemäß Int. 10,19b6f
muss das in der Behauptung Ausgesagte eines sein und über einen Gegenstand gesagt sein
(”en dè deï e~inai kaì kaqh Henòß tò hen t¨∆ katafásei).
42 II. Antike Logik im Überblick

partikulär. Seit dem Mittelalter hat sich die bis heute übliche Darstellung
eingebürgert56:
Satzart Form Deutung57
affirmativ-allgemein a-Satz SaP Allen S kommt P zu.
affirmativ-partikulär i-Satz SiP Einigen S kommt P zu.
negativ-allgemein e-Satz SeP Keinem S kommt P zu.
negativ-partikulär o-Satz SoP Einigen S kommt P nicht zu.

b) Die logisch relevanten Formen des Gegensatzes58


Aristoteles setzt in seinem philosophischen Werk durchgehend vier Weisen
des Gegensatzes (Top. II 8,113b15: hantiqéseiß téttareß) voraus59:
»In vierfachem Sinne sagt man, eines stehe einem anderen gegenüber (“eteron Hetér^w
hantikeïsqai): entweder wie die Relativa (tà próß ti) oder wie das Konträre (tà henantía)
oder wie Mangel und Besitz (stérjsiß kaì “exiß) oder wie Bejahung und Verneinung
(katáfasiß kaì hapófasiß). Jedes davon steht gegenüber, um es im Umriß zu sagen,
einerseits wie die Relativa, zum Beispiel das Doppelte und das Halbe; andererseits wie das
Konträre, zum Beispiel das Schlechte und das Gute; oder wie Mangel und Besitz, zum
Beispiel Blindheit und Sehkraft; oder wie Bejahung und Verneinung, zum Beispiel ›er sitzt‹
und ›er sitzt nicht‹.« (Cat. 10,11b16–22; übers. Oehler, 30)

Aristoteles behandelt diese vier Gegensatzarten ausgiebig:


Gegensatz Fachtermini (griech. / lat.) Text in Cat.
Relativ próß ti / opposita relativa 60 10,11b23–30 (vgl. 7,6a36f)
Konträr henantíon / opposita contraria 10,11b31–12a25
Privativ “exiß kaì stérjsiß / habitus et privatio 10,12a26–b5; 12b14–13a35
Kontradiktorisch hantífasiß / opposita contradictoria 10,12b5–25; 13a36–b35

56 Die modalen Platzhalter a e i und o leiten sich vom lateinischen affirmo für die beiden
affirmativen Modi und nego für die beiden negativen her.
57 Als ein Verstehensversuch mit den Mitteln heutiger Mathematik lassen sich die aristo-
telischen Satzarten mengentheoretisch formulieren: 1. a-Satz: S ist Teilmenge von P (S ⊆ P).
Das bedeutet, dass S und alles, was außerhalb von P liegt, keine gemeinsamen Elemente
haben (S ∩ P’ = 0). 2. i-Satz: S und P haben eine gemeinsame Schnittmenge (S ∩ P ≠ 0).
3. e-Satz: S und P haben keine gemeinsame Schnittmenge (S ∩ P = 0). 4. o-Satz: S und P
bilden eine Differenzmenge (S \ P). Das bedeutet, dass die Schnittmenge von S und allem,
was außerhalb von P liegt, mindestens ein gemeinsames Element aufweist (S ∩ P’ ≠ 0).
58 BOCHENSKI, Formale Logik, 66–69; Kategorien, übers. K. Oehler (AWDÜ I/1; Berlin,
3
1997) 328–337.
59 Cat. 10,11b16–11,14a23; Top. II 2,109b18f; 8,113b15–114a25; Met. X 3,1054a23ff;
4,1055a38ff; 7,1057a33f. Einzig in Met. V 10,1018a20ff findet sich eine in einem Glied
unterschiedliche Viererreihe (das »Äußerste« statt »Bejahung und Verneinung«).
60 Seit Boethius haben sich diese Fachbegriffe eingebürgert (vgl. Boethius, In Categorias
Aristotelis, IV [PL 64,264B–283D]).
B. Die aristotelische Termlogik 43

Relative, konträre und privative Gegensätze beziehen sich auf das Verhältnis
einzelner Wörter zueinander. Der kontradiktorische Gegensatz hingegen
bezieht sich entweder auf die direkte Verneinung eines Wortes oder auf die
eines ganzen Satzes. Für die Logik ist insbesondere der Unterschied zwischen
»konträr« und »kontradiktorisch« von entscheidender Bedeutung.
Der konträre Gegensatz (henantíon) besteht aus zwei Gliedern, die nicht
aufeinander bezogen sind und die sich naturgemäß derart ausschließen, dass
sie unmöglich einem Subjekt gleichzeitig zukommen können. Sie können aber
beide gleichzeitig einem Subjekt nicht zukommen. So kann z.B. etwas
Weißes nicht zugleich schwarz sein, es kann aber etwas weder weiß noch
schwarz sein; etwas Totes kann nicht lebendig sein, es kann aber etwas weder
tot noch lebendig sein (etwa eine Bratpfanne)61. Der kontradiktorische
Gegensatz verneint Wörter (lebendig, nicht-lebendig) und v.a. wahrheitsdefi-
nite Aussagen62. Dabei gilt notwendigerweise, dass, wenn eine der beiden
Aussagen wahr, die andere falsch sein muss63.
Müssen aber die anderen Gegensatzarten nicht auch notwendigerweise wahr oder falsch sein,
wenn sie in Form von Aussagesätzen auftreten? Aristoteles macht dies abhängig von der
Existenz des Ausgesagten (vgl. Cat. 10,13b12–35): Wenn Sokrates (= S.) existiert, dann
können die konträren Aussagesätze »S. ist gesund«, und »S. ist krank«, nicht gleichzeitig
wahr sein. Wenn der eine Satz wahr ist, ist der andere falsch, und umgekehrt. Wenn aber S.
nicht existiert, sind beide Sätze falsch. Die privativen Aussagesätze »S. hat Sehkraft«, und
»S. ist blind«, sind für den Fall, dass S. existiert, im gegenseitigen Wahrheitswert unbe-
stimmt64. Die kontradiktorischen Aussagesätze »S. ist krank«, und »Es ist nicht der Fall, dass
S. krank ist«, können bei Existenz von S. nicht gleichzeitig wahr sein. Für den Fall jedoch,
dass S. nicht existiert, ist der Satz »S. ist krank«, falsch und der Satz »Es ist nicht der Fall,
dass S. krank ist«, wahr 65.

61 Für manche dieser Mittelwerte gibt es keine passenden Bezeichnungen, so dass man
sich mit der Negation der beiden Gegensätze behelfen muss. Es gibt zwar eine Farbe grau, die
zwischen weiß und schwarz ist, aber für einen Mittelwert zwischen gut und schlecht wählt
Aristoteles das Beispiel: »weder gut noch schlecht«.
62 Cat. 10,13b10–12: »Überhaupt aber ist nichts von dem, was ohne Verbindung gesagt
wird (t¨wn katà mjdemían sumplok`jn legoménwn), entweder wahr oder falsch; und alles
oben Angeführte wird ohne Verbindung gesagt.« (Übers. Oehler, 34)
63 Jedoch ist mit der Negationspartikel Vorsicht geboten, da diese nicht automatisch einen
Satz zu einem kontradiktorischen Gegensatz macht. Wie Aristoteles selbst in Int. 10,19b20–
30 ausführt, gibt es neben der Affirmation »Mensch ist gerecht« auch die Affirmation
»Mensch ist nicht-gerecht«. Die Verneinungen dazu lauten »Mensch ist nicht gerecht« und
»Mensch ist nicht nicht-gerecht«.
64 Aristoteles konstruiert den Fall, dass Sokrates existiert, aber ihm die Natur noch nicht
Sehkraft verliehen hat (z.B. als neugeborenes Kind). In diesem Fall wäre er nicht »blind« zu
nennen, weil er noch keine Sehkraft hatte, der er beraubt worden wäre.
65 Vgl. weiterhin Kategorien, übers. Oehler, 273f.
44 II. Antike Logik im Überblick

Das Problem des für die Logik so wichtigen kontradiktorischen Gegensatzes


von Bejahung und Verneinung behandelt Aristoteles ausgesprochen differen-
ziert in Int. 6,17a26–7,18a1266:
»Somit ist es offenkundig, daß jeder bejahenden Aussage eine verneinende entgegengesetzt
ist (pás∆ katafásei hestìn hapófasiß hantikeiménj) und jeder verneinenden Aussage eine
bejahende. Und wenn eine bejahende und eine verneinde Aussage einander entgegengesetzt
sind, so wollen wir sie eine Kontradiktion (hantífasiß) nennen. Als einander entgegengesetzt
bezeichne ich (eine bejahende und eine verneinende Aussage) dann, wenn sie dasselbe
demselben Gegenstand zu- bzw. absprechen (légw dè hantikeïsqai t`j n toü ahutoü katà
toü ahutoü), nicht in homonymer Weise freilich 67.« (Int. 6,17a31–35; übers. Weidemann, 8)

Aristoteles unterscheidet ferner in Int. 7,17a38–18a12 zwischen vier Klassen


von entgegengesetzten Aussagepaaren68:
1. Singuläre Aussagepaare69 bejahen und verneinen »etwas Einzelnes« (kaqh “ekaston):
»Sokrates ist weiß« – »Sokrates ist nicht weiß«. 2. Partikuläre Aussagepaare sprechen derart
über Allgemeines (hepì toü kaqólou), dass einer allgemeinen Aussage ein partikulärer
Gegensatz gegenübersteht: »Alle Menschen sind weiß.« (SaP) – »Nicht jeder Mensch ist
weiß.« (SoP). »Kein Mensch ist weiß.« (SeP) – »Irgendein Mensch ist weiß.« (SiP)
3. Universelle Aussagepaare beziehen sich in allgemeiner Weise auf Allgemeines: »Alle
Menschen sind weiß.« (SaP) – »Kein Mensch ist weiß.« (SeP) 4. Indefinite Aussagepaare
beziehen sich auf Allgemeines, ohne jedoch anzugeben, ob das Gesagte irgendeinem oder
jedem Ding zukommt oder nicht zukommt: »[Ein] Mensch ist weiß.« – »[Ein] Mensch ist
nicht weiß.«

Der Gegensatz zwischen den Gliedern der ersten, zweiten und vierten Klasse
wird als als »kontradiktorisch«, der der dritten Klasse als »konträr« bezeich-
net. Die Kategorie der indefiniten Aussagen ist für die Logik sehr problema-
tisch70. Die logischen Beziehungen zwischen den Aussagepaaren der zweiten

66 Diese Ausdifferenzierung ist auch durch die Auseinandersetzung mit den Sophisten
motiviert, gegen deren »Lästigkeiten« Aristoteles zu Felde zieht (Int. 6,17a35–37).
67 Unter »homonym« (oder äquivok) versteht Aristoteles nach Cat. 1,1a1–6 identische
Wortformen, die sich aber auf unterschiedliche Sachen beziehen. So wären die Sätze (1)
»Schlösser sind groß« und (2) »Schlösser sind nicht groß« nur dann eine Kontradiktion, wenn
sich »Schlösser« in beiden Sätzen auf repräsentative Wohnbauten des Adels bezieht und
nicht, wenn in Satz (1) solche Bauten und in Satz (2) eine Schlossvorrichtung an einer Tür
gemeint sind. Ähnlich äußert sich Aristoteles in Soph. el. 5,167a23–27: »Widerlegung ist
nämlich Widerspruch hinsichtlich eines und desselben (‘elegcoß mèn gár hestin hantífasiß
toü ahutoü kaì Henóß) nicht Wortes, sondern Sachverhalts (m`j honómatoß hallà prágma-
toß), und wenn schon eines Wortes, so nicht eines anderen, das in etwa das gleiche
bezeichnet, sondern genau desselben.«
68 Vgl. den Kommentar in Peri Hermeneias, übers. Weidemann (AWDÜ I/2) 202–217.
69 Die gängigen Bezeichnungen (singulär, partikulär, universell, indefinit) gehen auf
Boethius zurück. Drei davon finden sich auch in An. pr. I 1,24a17: ’j kaqólou (universell) ’j
hen mérei (partikulär) ’j hadióristoß (indefinit).
70 Wenn über den Status der Allgemeinheit oder Partikularität eines Satzes nichts gesagt
werden kann, dann kann auch nicht darüber entschieden werden, ob zwei kontradiktorisch
B. Die aristotelische Termlogik 45

und dritten Klasse werden seit der Hermeneutik des Platonikers und Sophisten
Apuleius von Madaura (*125 n.Chr.) und aufgrund der Vermittlung des
Boethius bis in die Gegenwart mit dem sog. »logischen Quadrat« graphisch
ausgedrückt71:

Jedes S ist P (SaP) (A) konträr (E) Kein S ist P = Jedes S ist
nicht P (SeP)
Alle Menschen Kein Mensch ist gut = Alle
sind gut. Menschen sind nicht gut.

subaltern kontradiktorisch subaltern

Irgendein Mensch Nicht jeder Mensch ist gut =


ist gut. Irgendein Mensch ist nicht gut.
Irgendein S ist (I) subkonträr (O) Nicht jedes S ist P = Irgend-
P (SiP) ein S ist nicht P (SoP)

Zur Erläuterung: Wenn die Aussage »Alle Menschen sind gut«, wahr ist,
muss die Aussage »Nicht jeder Mensch ist gut«, (oder »Irgendein Mensch ist
nicht gut«) falsch sein, und umgekehrt. Wenn aber die Aussage »Alle
Menschen sind gut«, falsch ist, muss die Aussage »Kein Mensch ist gut«,
nicht zwangsläufig wahr sein. Beide Sätze wären dann falsch, wenn es
zutrifft, dass »einige Menschen gut sind«. Konträre Sätze können zwar nicht
zugleich wahr, im Gegensatz zu kontradiktorischen Sätzen können sie jedoch
zugleich falsch sein. Eine subalterne Beziehung besteht zwischen dem
Universalsatz und dem sich daraus ableitenden Partikulärsatz. Wenn »Jeder
Mensch ist gut«, wahr ist, ist auch »Irgendein Mensch ist gut«, wahr, aber
nicht umgekehrt. »Subkonträr« ist die Umkehrung von »konträr«: Beide
Aussagen können zugleich wahr, aber nicht zugleich falsch sein.

entgegengesetzte Aussagen wahr oder falsch sind. In Int. 8,18a11f bedenkt Aristoteles diesen
Fall, in Int. 12,21b4 und Cat. 10,12b5–25; 13a36–b35 offenbar nicht (mehr?).
71 Vgl. Logic of Apuleius, ed. Londey / Johanson, 86–89.108–112; C. THIEL, Art. Quadrat,
logisch, EPhW 3 (1995) 423–424; TUGENDHAT / WOLF, Propädeutik, 69–73.
46 II. Antike Logik im Überblick

2. Der »Schluss« (sullogismóß)


Im Zentrum der aristotelischen Logik steht der Schluss (sullogismóß).
Aristoteles definiert an drei Stellen, was er darunter versteht72:
Top. I 1,100a25–27 An. pr. I 1,24b18–20 Soph. el. 1,165a1f
‘esti d`j sullogismòß lógoß sullogismòß dé hesti ló- Ho mèn gàr sullogismòß hek
hen ˆ^w teqéntwn tin¨wn “eterón goß hen ˆ^w teqéntwn tin¨wn tin¨wn hesti teqéntwn “wste
ti t¨wn keiménwn hex hanágkjß “eterón ti t¨wn keiménwn légein “eteron hex hanágkjß ti
sumbaínei dià t¨wn keimé- hex hanágkjß sumbaínei t¨^w t¨wn keiménwn dià t¨wn kei-
nwn. taüta e~inai. ménwn.
»Es ist nun ein Schluss eine »Ein Schluss ist eine Rede, »Der Schluss besteht nämlich
Rede, in der, wenn einige (An- in welcher, wenn einige aus einigen (Annahmen), die
nahmen) gesetzt werden, etwas (Annahmen) gesetzt werden, gesetzt werden, so dass er not-
von den vorliegenden (Annah- etwas von den vorliegenden wendig etwas von den vorlie-
men) Verschiedenes notwendig (Annahmen) Verschiedenes genden (Annahmen) Verschie-
folgt aufgrund der vorliegen- notwendig daraus folgt, dass denes aufgrund der vorliegen-
den (Annahmen).« diese sind.« den (Annahmen) aussagt.«
(eig. Übers.) (eig. Übers.)73 (eig. Übers.)

Der Text der An. pr. fährt noch mit einer wichtigen Bestimmung fort:
»Ich meine aber mit ›daraus, dass dieses sind‹ (t¨^w taüta e~inai): ›Es folgt aufgrund dieser‹
(tò dià taüta sumbaínein). Und mit ›es folgt aufgrund dieser‹: Es bedarf keines von außen
(eingeführten) Begriffes (tò mjdenòß ‘exwqen “orou prosdeïn) 74, damit sich die Notwen-
digkeit ergibt (pròß tò genésqai tò hanagkaïon).« (I 1,24b20–22; eig. Übers.)
Ein syllogistischer Schluss ist also eine gegliederte Rede oder ein Satz (lógoß
ist vieldeutig), in dem aus einigen Annahmen (also mindestens zwei) etwas
anderes notwendig folgt75. Oder anders formuliert: In einem Schluss werden
mindestens drei Aussagen dergestalt miteinander verbunden, dass aus den
ersten etwas davon Unterschiedliches folgt. Die Folge muss sich »notwendig«
(hex hanágkjß) aus den Prämissen der Vordersätze ergeben. Es bedarf also
keiner weiteren Erklärungen, damit ihre Notwendigkeit einsichtig wird76.

72 PRIMAVESI, Topik, 59–82.


73 In
allen drei Texten gebraucht Aristoteles für die »Annahmen« erst Passiv von tíqjmi
und dann keïmai. Beide Verben werden gewöhnlich im Sinne von »vorlegen, annehmen»
gebraucht (vgl. LSJ 934 III.4; 1791 B.II), wobei keïmai häufig an Stelle des Passivs von
tíqjmi steht (LSJ 1790). Sie sind in den vorliegenden Texten deutlich kontextsynonym.
74 DÜRING, Aristoteles, 78, Anm. 178 plädiert dafür, “oroß mit »Term« zu übersetzen.
75 Die petitio principii – also jener Beweisfehler, der die zu ziehende conclusio als Prä-
misse setzt (im Sinne von »Wenn p, dann p«) – ist als aristotelischer Schluss unzulässig (vgl.
zum a˙teïsqai tà hen harc¨∆ Top. VIII 13,162b31–163a13 und An. pr. II 16,64b28–65a37).
76 Die Bedingung selbstevidenter logischer »Notwendigkeit« berührt einen sehr komple-
xen Bereich aristotelischer Philosophie, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann
(vgl. PATZIG, Syllogistik, 24–51). An. pr. I 10,30b32–40 unterscheidet zwei Formen der
Notwendigkeit: 1. Die syllogistisch-relative Notwendigkeit (I 10,30b38f: toútwn ‘ontwn
hanagkaïon) bezieht sich auf die Folgerichtigkeit einer Wenn-dann-Beziehung, also auf die
B. Die aristotelische Termlogik 47

Man darf diese allgemeine Syllogismusdefinition nicht im engen Sinne der


in den Analytiken ausgereiften Syllogistik verstehen (s.u. S. 50ff). Denn von
Schlusssätzen mit drei Begriffen, von Figuren, von Umkehrungsregeln usw.
ist weder in der Topik noch in den sophistischen Widerlegungen noch in der
Rhetorik die Rede77. Dass der aristotelische Syllogismusbegriff breiter zu
verstehen ist, als es die Ausführungen in den beiden Analytiken nahelegen,
lässt sich auch dem Umstand entnehmen, dass sich im weiteren philosophi-
schen Werk des Philosophen im Sinne der An. pr. vollständige Syllogismen
nur selten finden78. Dennoch beansprucht die gleichlautende Definition
Gültigkeit für alle drei logischen Werke und für die Rhetorik. Sullogismóß
ist also ein weitgefächerter Gattungsbegriff, der verschiedene Arten von
Schlüssen umfasst, die sich im Hinblick auf den Zuverlässigkeitsgrad ihrer
Annahmen unterscheiden (vgl. Top. I 1,100a27–101a23)79:
1. Ein apodiktischer Syllogismus (An. pr.) liegt vor, »wenn aus wahren und
unmittelbaren (Annahmen) der Schluß erfolgt, oder aus solchen, die von
bestimmten wahren Erstannahmen aus den Ausgangspunkt der Erkenntnis
darüber genommen haben«80. Damit sind Prämissen gemeint, »die nicht über

syntaktische Verknüpfung von mehreren Teilsätzen. »Es ist eine Notwendigkeit: Wenn AaB
und BaC, dann AaC.« 2. Die uneingeschränkte oder absolute Notwendigkeit (I 10,30b40:
Hapl¨wß hanagkaïon) bezeichnet die semantische Verknüpfung von Subjekt und Prädikat
innerhalb eines einzigen Satzes: »A kommt B mit Notwendigkeit zu.«
77 Vgl. dazu M.F. BURNYEAT, Enthymeme: Aristotle on the Logic of Persuasion, in: D.
Furley / A. Nehemas (eds.), Aristotle’s Rhetoric: Philosophical Essays (Princeton, 1994) 14f.
Der Umstand, dass die Syllogistik erst in den Analytiken zur Vollendung kommt, dient als
Hauptbegründung für jene häufig vertretene Entwicklungshypothese, die Top. zeitlich vor An.
pr. ansetzt (vgl. PRIMAVESI, Topik, 60f mit Anm. 6 und 7).
78 J. BARNES, Aristotle’s Theory of Demonstration, Phronesis 14 (1969) 123: »The
method which Aristotle follows in his scientific and philosophical treatises and the method
which he prescribes for scientific and philosophic activity in the Posterior Analytics seem not
to coincide.« BARNES hat daraus die nicht unumstrittene These abgeleitet, dass die Syllogistik
nicht eine Theorie der Forschungspraxis, sondern vielmehr eine der Lehre sein will (vgl. An.
post. I 1,71a1f).
79 PRIMAVESI, Topik, 63–65 setzt diese drei Syllogismusarten mit den drei Arten des
Frage- und Antwort-Logos in Verbindung (Top. VIII 5,159a25–b35; Soph. el. 2,165a38–
b11): Dialog zwischen Übungspartnern (dialektische gumnasía), zwischen Streitenden
(Eristik) und zwischen Lehrer und Schüler (Apodiktik). Apodiktische Syllogismen finden
sich auch außerhalb solcher Dialoge, etwa im einfachen Lehrvortrag. Ferner wäre noch die
rhetorische Situation zu berücksichtigen (vgl. dazu u. S. 63ff).
80 Top. I 1,100a27–29: hapódeixiß mèn o~u n hestin, “otan h ex haljq¨wn kaì pr´wtwn Ho
sullogismòß ~∆ , ’j hek toioútwn “a diá tinwn pr´wtwn kaì haljq¨wn t¨j ß perì ahu tà
gn´wsewß t`j n harc`j n e‘iljfen. Vgl. die sehr ähnliche Formulierung in An. post. I 2,71b20ff.
Nach An. pr. I 1,24a30f muss eine Prämisse im apodiktischen Schluss »wahr und auf dem
Wege über die Voraussetzungen vom Anfang her zur Annahme gelangt« sein (haljq`j ß kaì
dià t¨wn hex harc¨jß Hupoqésewn e˙ljmménj). An. post. I 2,71b17f definiert den Beweis
knapp als »den zum Wissen führenden Schluss« (hapódeixin dè légw sullogismòn
hepistjmonikón).
48 II. Antike Logik im Überblick

andere vermittelt, sondern durch sich selbst die Gewähr besitzen«81, weil sie
entweder selbstevident sind oder als wissenschaftlich bewiesen gelten. Da
solche Sätze nicht abgelehnt werden können, wird die apodiktische Prämisse
in aller Regel nicht als Frage vorgelegt82.
2. Ein dialektischer Syllogismus (Top.) ist ein solcher, »welcher aus
einleuchtenden (Annahmen) (hek hendóxwn) zum Schlussergebnis kommt.«83
Aristoteles selbst präzisiert:
‘ Endoxa »ist aber das, was allen oder den meisten oder den Weisen – und unter ihnen
entweder allen oder den angesehensten und namhaftesten – so erscheint.« (Top. I 1,100b21–
23; eig. Übers.; vgl. auch I 10,104a8–11; I 14,105a34–105b3)
Der so verstandene dialektische Schluss bildet das Herzstück der Argumenta-
tion um ein gestelltes Problem, bei der Schlussfolgerungen nur aus Prämissen
gezogen werden dürfen, die der Dialogpartner zugestanden hat84. Die
Prämisse wird daher – den Gepflogenheiten damaliger Übungsgespräche
entsprechend (s.u. S. 58f) – als Entscheidungsfrage gestellt85. Sie wird dem
Partner zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt und im Falle einer Annahme
als Grundlage für einen Schluss gebraucht.
3. Der rhetorische Schluss (Rhet.), der auch »Enthymem« genannt wird,
gründet auf Regeln, Hinweisen und Sentenzen und dient v.a. als Beweismittel
für den sachlichen Teil einer öffentlichen Rede.
4. Ein eristischer Syllogismus (Soph. el.) ist ein spitzfindiger und auf Streit
ausgerichteter (so der Sinn des griech. heristikóß) Schluss:

81 Top.I 1,100a30–100b21: tà m`j dih Hetérwn hallà dih ahut¨wn ‘econta t`jn pístin.
Aristoteles erklärt sofort: »Man darf nämlich bei den wissenschaftlichen Anfangsgründen
(hepistjmonikaïß harcaïß) nicht nach dem ›aufgrund wovon?‹ (tò dià tí) suchen, sondern
(muß annehmen), daß jede der Anfangsannahmen (t¨wn harc¨wn) selbst für sich selbst
beglaubigt ist (kaqh Heaut`j n e~inai pist´jn).«
82 An. pr. I 1,24a24: ohu gàr herwt^ä h allà lambánei Ho hapodeiknúwn.
83 Top. I 1,100a29f: dialektikòß dè sullogismòß Ho h ex h endóxwn sullogizómenoß.
Bei diesen Prämissen handelt es sich nicht einfach um »wahrscheinliche Sätze« (so die
Rolfes-Übersetzung), sondern um allgemein »akzeptierte« Sachverhalte, die von der
gelehrten Mehrheit geteilt werden (opinio communis). H ÖFFE, Aristoteles, 54f: »Endoxa
haben aber nichts mit objektiver (statistischer) Wahrscheinlichkeit (probabilitas) zu tun. [...]
Gemeint ist auch nicht eine subjektiv begrenzte Gewißheit (verisimilitudo), schließlich nicht
der erkenntnistheoretische Umstand, daß es für manche Aussagen statt hinreichender nur
einleuchtende Gründe gibt. Der Ausdruck ist nämlich nicht abschwächend, sondern
verstärkend gemeint; es geht um Aussagen, die nach allem, was man bislang weiß, richtig
sind.« Vgl. weiterhin PRIMAVESI, Topik, 33, Anm. 11.
84 KAPP, Ursprung der Logik, 8.
85 Top. I 10,104a9f (hesti dè prótasiß dialektik`j h er´wtjsiß ‘ endoxoß); vgl. auch An.
pr. I 1,24a24f (Hj dè dialektik`j her´wtjsiß hantifáse´wß hestin). In 24b12 verweist
Aristoteles ausdrücklich auf die Topik (kaqáper hen toïß Topikoïß e‘irjtai).
B. Die aristotelische Termlogik 49

»der aus anscheinend Einleuchtendem, das es in Wirklichkeit aber nicht ist, (erfolgt), und der,
welcher aus Einleuchtendem oder anscheinend Einleuchtendem nur scheinbar zusammen-
kommt« 86.

Aristoteles geht offenbar von zwei Grundformen aus: Ein Schluss auf der
Grundlage von nur scheinbar akzeptablen Prämissen87 und ein scheinbarer
Schluss auf der Grundlage von akzeptablen Prämissen. Letzteres verdient
jedoch nicht die Bezeichnung »Schluss« (Top. I 1,101a3f)88.
Schluss Annahmen Verwendung Form Schrift
apodiktisch Wahres, Evidentes, Beweis, wissen- Wissenschaftl. An. pr.
Bewiesenes schaftl. Erkenntnis Untersuchung
dialektisch Akzeptiertes Gespräch, Persuasion, Frage – Antwort Top.
Argumentation
rhetorisch Hinweise, allg. Öffentliche Rede Inventio-Teil der Rhet.
anerkannte Regeln Rede, Enthymem
eristisch scheinbar Akzeptiertes Streitrede Dialog Soph. el.

Aus dieser Einteilung gehen zwei wichtige Aspekte hervor: 1. Das charakteri-
sche Merkmal eines gültigen Schlusses ist der »Wahrheitstransfer« von den
Prämissen zur conclusio. Wenn also die Prämissen wahr sind, muss die
Konklusion auch wahr sein. Damit im Überzeugungsgespräch ein Schluss als
gültig angesehen werden kann, reicht es aus, dass die Prämissen von beiden
Partnern akzeptiert werden89. 2. Ein Syllogismus kann bei Aristoteles
verstanden werden als eine Form eines gültigen Arguments90. Dabei liegt der
Unterschied zwischen apodiktischem und dialektischem Schluss nicht in der
Stringenz der Beweiskette (beiden liegt ja die gleiche Grunddefinition
zugrunde), sondern »im Grad der Evidenz«91. Darin wird nicht zuletzt auch
die enge Verzahnung von abstrakter Logik und praktischer Argumentation
erkennbar.

86 Top. I 1,100b23–25: heristikòß dh hestì sullogismòß Ho hek fainoménwn hendóxwn m`j


‘ontwn dé, kaì Ho hex hendóxwn ’j fainoménwn hendóxwn fainómenoß. Mit der lakonischen
Begründung »Denn nicht alles, was einleuchtend erscheint, ist auch einleuchtend.« (100b26)
problematisiert Aristoteles die Stellung der Endoxa.
87 Ein bekanntes Beispiel eines »eristischen Schlusses« ist das sog. »Horn-Paradox«
(DiogL. VII 187 = FDS, 1244–1246). Hier ist die erste Prämisse nur scheinbar akzeptabel:
Prämisse 1: Was man nicht verloren hat, das besitzt man noch. Prämisse 2: Du hast keine
Hörner verloren. Konklusion: Du hast Hörner.
88 In der modernen Logik nennt man solche Schlüsse »formal ungültig«.
89 Topics, transl. R. Smith (ClArS, 1997) 45: »Put briefly: whatever is (believed to be)
deduced from believed premisses is believed.«
90 Topics, transl. Smith, 43: »His definition here [gemeint ist Top. I 1,100a25–27] […]
comes close to embracing any sort of valid argument […], though it probably differs in some
points from standard modern logical usage.«
91 FLASHAR, Aristoteles, 326.
50 II. Antike Logik im Überblick

Im Folgenden soll die Logik des Aristoteles entlang dieser unterschiedli-


chen Kontexte für den Syllogismus dargestellt werden, wobei jedoch auf eine
besondere Zusammenfassung der Eristik verzichtet wird92.

3. Logik in der Wissenschaft: Die Analytik (Syllogistik)


Die rezeptionsgeschichtliche Wahrnehmung der Logik des Aristoteles hat zu
einer Einschränkung auf die Syllogistik geführt. Die Tatsache, dass der
»Syllogismus« auch im Zusammenhang von Top. und Rhet. von Bedeutung
ist, sollte als Argument gegen derlei Einseitigkeiten genügen. Dennoch gehört
die Syllogistik zu den herausragendsten Teilen der aristotelischen Logik und
kann – im Gegensatz zur Topik – einem spezifischen philosophischen »Sitz
im Leben« nicht deutlich zugeordnet werden93.

a) Der syllogistische Schluss


Es gehört zum logischen Basiswissen der modernen »traditionellen« Logik,
dass ein »Syllogismus« die Beziehung zwischen drei Sätzen ausdrückt, wobei
die ersten beiden eine obere und eine untere Prämisse und der dritte Satz die
daraus zu ziehende Konklusion bilden. Besonders bekannt ist der »Sokrates-
Syllogismus«, der als Ausgangspunkt für die Annäherung an das Verständnis
des Aristoteles dienen soll:
Alle Menschen sind sterblich. [Obere Prämisse]
Sokrates ist ein Mensch. [Untere Prämisse]
Sokrates ist sterblich. [Konklusion]

Formalisiert kann dieser »Syllogismus« so wiedergegeben werden:


Alle M sind P. [Obere Prämisse]
S ist M. [Untere Prämisse]
S ist P. [Konklusion]
Aristoteles selbst hat weder dieses noch ein formal gleiches Beispiel formu-
liert. Die Unterschiede sind nicht ohne Bedeutung94:
1. Aristoteles formuliert seine Syllogismen in aller Regel nicht als drei
Einzelsätze, sondern als einen Konditionalsatz mit zwei Prämissen (protá-
seiß) und einer Konklusion (sumpérasma)95. Der Sokrates-Syllogismus

92 ImRahmen der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit kann auf die »Meta-Logik« des
Aristoteles verzichtet werden. Weite Teile der An. post. kommen daher hier nicht zur
Sprache. Vgl. dazu LEAR, Aristotle and Logical Theory; PATZIG, Syllogistik, 137–196.
93 HÖFFE, Aristoteles, 49 hält es für möglich, dass Aristoteles Gepflogenheiten aus Debat-
ten im akademischen Disputationsbetrieb systematisiert. Konkrete Hinweise fehlen jedoch.
94 Vgl. zum Folgenden PATZIG , Syllogistik, 11–24.
95 Diese Deutung ist von LUKASIEWICZ, Aristotle’s Syllogistic, 30–30 und dann von
PATZIG, Syllogistik vertreten worden.
B. Die aristotelische Termlogik 51

wäre daher als Implikation zu formulieren: »Wenn alle Menschen sterblich


sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist Sokrates sterblich.« Eine solche
Deutung hat den Vorteil, dass sich über die Wahrheit des Syllogismus eine
Aussage treffen lässt, die die gesamte Aussage und nicht drei Einzelaussagen
betrifft96. Sie hat aber auch den Nachteil, dass sie den Beweischarakter des
Syllogismus verdeckt97. Im Folgenden werden daher – der üblichen Darstel-
lung folgend – Syllogismen mit drei Sätzen untereinander dargestellt.
2. Der Sokrates-Syllogismus wäre aber auch in der Formulierung als
Konditionalsatz wohl kaum in der Syllogistik des Aristoteles anzutreffen, weil
darin keine Indivualbegriffe wie »Sokrates« auftauchen98. Im Rahmen einer
wissenschaftlichen Untersuchung besteht Aristoteles darauf, dass die benutz-
ten Terme weder individuelle Gegenstände noch die höchste Allgemeinheit
bezeichnen99. Diese Entscheidung ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen,
dass Aristoteles das Gebiet der Wissenschaft v.a. auf Ausdrücke beschränkt
sieht, die sich weder auf das Einzelne noch auf das Allgemeinste beziehen100.
Die verwendeten Terme müssen daher in der Prädikats- als auch in der der
Nomenstellung verwendet werden können101.
3. Die geläufige Formulierung »S ist (hestín) P«, findet sich bei Aristoteles
nicht102. Er bevorzugt vielmehr Formulierungen wie »Das A kommt B zu«
(Hupárcei)103, »A wird ausgesagt von B« (légesqai katá oder katà
katêgoreïsqai)104, »A folgt dem B« (hakolouqeïn)105 oder »B ist in A als

96 Deswegen fällt es in der aristotelischen Formulierung einfacher, sich mit der Tatsache
anzufreunden, dass gültige Schlüsse auch mit falschen Prämissen gebildet werden können.
Vgl. etwa den Satz: »Wenn alle Gelehrten Brillen tragen und Theologinnen Gelehrte sind,
dann tragen Theologinnen Brillen.« Dieser Satz ist als Konditionalperiode wahr, unabhängig
von der Frage nach der Wahrheit der beiden Prämissen.
97 So der Haupteinwand von LEAR, Aristotle and Logical Theory, 8–11.
98 Die wenigen Ausnahmen stehen entweder in Beispielsätzen für unkorrekte Schlüsse
(An. pr. II 27,70a16ff) oder als Terme, aus denen nichts geschlossen werden kann (An. pr.
I 33,47b15ff).
99 An. pr. I 27,43a25–43; 43b12f.
100 Wird Gott als das Allgemeinste gedacht, dann hätte dies zur Konsequenz, dass »Gott«
nicht Teil eines wissenschaftlichen Syllogismus sein kann.
101 Man kann zwar sagen »Sokrates ist ein Mensch«, aber man kann nicht sagen »einige
Menschen sind Sokrates«. Am Rande sei vermerkt, dass FREGE eine sehr viel tiefere Analyse
der Beziehung zwischen »Begriff« (als Bedeutung eines grammatikalischen Prädikats) und
Gegenstand (als Bedeutung eines Nomens) geliefert hat, die sich im Nachhinein als
philosophische Begründung für die vorsichtige Vorgehensweise des Aristoteles lesen lässt
(vgl. Über Begriff und Gegenstand [1892], in: Ders., Funktion, Begriff, Bedeutung, 66–80).
Ob Aristoteles sich über diese Probleme bewusst war, steht auf einem anderen Blatt.
102 Einfache Aussagesätze benutzt er gelegentlich, um konkrete Begriffe einzuführen
(z.B. An. pr. I 2,25a6.9; II 27,70a21.26f), jedoch nicht wenn er mit Variablen arbeitet.
103 An. pr. I 4,26a25.36f; 26b3.
104 An. pr. I 4,25b37ff; I 2,24b27; I 2,25a1f.
105 An. pr. I 4,26a2; 4,26b6; 27,43b4.
52 II. Antike Logik im Überblick

einem Ganzen« (hen “ol^w e~inai “eteron Hetér^w)106. Manche dieser Formulie-
rungen legen eine Analogie zur modernen Mengenlehre nahe107. Der Sokra-
tes-Syllogismus müsste also aristotelisch umformuliert werden:
»Wenn allen Menschen das Sterblichsein zukommt und wenn allen Hellenen das Menschsein
zukommt, dann kommt allen Hellenen das Sterblichsein zu.«

Patzig betont zurecht, dass »[a]lle diese Ausdrucksweisen […] im Griechi-


schen ebensowenig natürliche Rede wie im Deutschen« sind108. Er vermutet
dahinter die Absicht, die logische Struktur der Sätze deutlicher zu machen.
Zugleich umgeht Aristoteles damit die Vieldeutigkeit des Verbs »sein«, das
als Kopula Nomen und Prädikat verbinden (z.B. »Alle Wale sind Säugetie-
re.»), aber auch Teil des Prädikats sein kann (z.B. »Der Morgenstern ist die
Venus«)109.
4. Syllogismen werden meistens »deduktiv« gelesen, also von »oben« nach
»unten«, von den Prämissen zum Schluss. Diese Beweisrichtung ist im Werk
des Aristoteles jedoch eher selten. Es geht ihm zumeist um den Erweis von
Gültigkeit als Hilfe für die Argumentationspraxis110. Der Syllogismus ist also
»weniger deduktiv als explikativ zu lesen«111.

b) Die Schlussfiguren
Das besondere Merkmal der Syllogistik ist das Verfahren der hanálusiß (An.
pr. I 38,49a19), in dem es darum geht, Terme (“oroi) zu finden und so
anzuordnen, dass die Konklusion mit Notwendigkeit folgt. Aristoteles arbeitet
dabei in den Beispielsätzen immer mit drei Termen: Oberterm (P), Unterterm
(S) und Mittelterm (M). Seine Fragestellung ist rein formaler Art112: Welche
»Figuren« (sc´jmata) lassen sich formal bestimmen, die unabhängig von den
eingesetzten Begriffen immer dann zu wahren Konklusionen führen, wenn die
Prämissen wahr sind? Die erste und grundlegende Figur definiert Aristoteles
wie folgt:
»Wenn drei Begriffe (“oroi) sich so zueinander verhalten, daß der letzte in dem mittleren ganz
enthalten ist (hen “ol^w e~inai) und der mittlere in dem ersten ganz entweder enthalten ist oder
nicht enthalten ist, dann muß sich notwendig (hanágkj) für die Eckbegriffe ein vollkommener
Schluß (sullogismòn téleion) ergeben. […] Wenn nämlich A von jedem B und B von

106 An.pr. I 2,24b27–30.


107 HÖFFE, Aristoteles, 50.
108 Syllogistik, 20. PATZIG beruft sich dabei nicht einfach auf sein griechisches Sprachge-
fühl, sondern auf den Analytik-Kommentar des Alexander von Aphrodisias.
109 Diese Unterschiede sind von FREGE, Begriff und Gegenstand, 67–69 herausgearbeitet
worden.
110 Vgl. An. pr. I 27,43a22–24.
111 HÖFFE, Aristoteles, 53.
112 Aristoteles benutzt Begriffsvariablen (A, B, C); konkrete Beispiele verwendet er nur
bei ungültigen Schlüssen (z.B. »Tier, Mensch und Stein« in An. pr. I 4,26a9).
B. Die aristotelische Termlogik 53

jedem C (ausgesagt wird), so ist notwendig: A wird von jedem C ausgesagt (katjgoreïs-
qai). […] Entsprechend aber auch, wenn A von keinem B, B dagegen von jedem C
(ausgesagt wird, dann gilt), daß A an keinem C vorliegen wird.« (An. pr. I 4,25b30–26a2)

Als Satz ausgedrückt: Wenn alle M P sind und alle S M sind, dann sind alle S
P. In »traditioneller« Darstellung:
Alle M sind P MaP [Große Prämisse oder maior]
Alle S sind M SaM [Kleine Prämisse oder minor]
Alle S sind P SaP [Konklusion]
Die folgenden Regeln sind zu beachten: a) Es kommen drei verschiedene
Terme vor. b) In der Konklusion darf kein neuer Term auftreten. c) Der
Mittelterm muss in beiden Prämissen erscheinen und sich auf den gleichen
Inhalt beziehen. d) Der Mittelterm erscheint nicht in der Konklusion.
Aristoteles erkannte, dass nicht nur die Satzart (affirmativ, negativ,
allgemein und partikulär), sondern auch die Stellung des Mittelterms von
entscheidender Bedeutung für die logische Struktur des Syllogismus ist.
Bei den Syllogismen der ersten Figur steht der Mittelterm in der großen Prämisse in der
Subjekt- und in der unteren Prämisse in der Prädikatstellung. Wenn zwei Allgemeinaussagen
derart angeordnet sind, kann eine davon unterschiedliche Allgemeinaussage als notwendiger
Schluss gezogen werden. Wenn der Mittelterm z.B. in beiden Prämissen in der Prädikatstel-
lung erscheint, kann aus zwei Allaussagen nicht mehr auf eine davon unterschiedliche
Allaussage notwendig geschlossen werden, wie sich aus dem folgenden Fehlschluss leicht
ersehen lässt: »Wenn alle Männer Menschen sind und wenn alle Frauen Menschen sind, dann
sind alle Frauen Männer.«

Die einzelnen aristotelischen Schlussfiguren richten sich daher nach dem


Mittelterm, der in jeder Prämisse je in Subjekt- oder in Prädikatstellung
erscheinen kann. Daraus ergeben sich rein rechnerisch vier Figuren:
MxP PxM MxP PxM
I. SxM II. SxM III. MxS IV. MxS
SxP SxP SxP SxP

Aus Gründen, die in der Fachliteratur kontrovers diskutiert werden, hat


Aristoteles jedoch die vierte Figur nicht eigens thematisiert113. Das x steht für
die vier Modi affirmativ-allgemein (a), affirmativ-partikulär (i), negativ-
allgemein (e) und negativ-partikulär (o). Wenn sich diese vier Satzarten auf

113 Das Fehlen der vierten Figur ist auffällig in Anbetracht der Tatsache, dass Aristoteles
für sein System Vollständigkeit beansprucht (An. pr. I 23,41b1–3). LUKASIEWICZ, Aristotle’s
Syllogistic, 27 spricht von einem Flüchtigkeitsfehler, aber nach PRANTL, Geschichte der
Logik, I, 367 ist diese Figur wissenschaftlich »schlechthin wertlos«; KANT nennt sie
»unnatürlich« (»Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren«, [1762] in:
Vorkritische Schriften, hrsg. A. Buchenau [Immauel Kants Werke 2; Berlin, 1912] 57;
ähnlich Prior and Posterior Analytics, ed. W.D. Ross, 34f). PATZIG, Syllogistik, 117–127
schlägt vor, dass Figur IV im Rahmen der aristotelischen Methode gar nicht von Figur I
unterschieden werden kann.
54 II. Antike Logik im Überblick

drei Teilsätze (2 Prämissen und eine Konklusion) verteilen, ergibt das in jeder
Figur 43 = 64 Kombinationsmöglichkeiten. Berücksichtigt man (wie seit dem
frühen Mittelalter üblich) die Syllogismen der vierten Figur gibt es eine
Anzahl von 256 Syllogismen. Davon sind insgesamt 24 Schlussformen
logisch gültig114:
Figur I: a-a-a; [a-a-i]; a-i-i; e-a-e; [e-a-o]; e-i-o
Figur II: a-e-e; [a-e-o]; a-o-o; e-a-e; [e-a-o]; e-i-o
Figur III: a-a-i; a-i-i; e-a-o; e-i-o; i-a-i; o-a-o
Figur IV: a-a-i; a-e-e; [a-e-o]; e-a-o; e-i-o; i-a-i

Die Figur I beinhaltet in der Konklusion alle vier Modi (a, e, i, o), Figur II nur
zwei (e, o), Figur III ebenso zwei (i, o). Aristoteles unterscheidet weiterhin
zwischen vollkommenen Schlüssen, deren Gültigkeit direkt evident ist (das
gilt nur für die der ersten Figur!) und unvollkommenen Schlüssen, deren
Schlüssigkeit nur indirekt evident ist, nämlich durch ihre Rückführung auf
vollkommene Schlüsse (An. pr. II 1,52b38–53b3)115. Seit dem Mittelalter
werden die gültigen Syllogismen mit folgendem Merkspruch bezeichnet116.
Barbara, Celarent primae, Darii Ferioque;
Cesare, Camestres, Festino, Baroco secundae;
Tertia grande sonans recitat Darapti, Felapton,
Disamis, Datisi, Bocardo, Ferison; quartae
sunt Bamalip, Calemes, Dimatis, Fesapo, Fresison.

In der Fachliteratur werden diese Begriffe zur Bezeichnung der Schlussfor-


men weiterhin verwendet. So kann z.B. ein Schluss der Art »Wenn alle
Elefanten Tiere sind und alle Elefanten Rüsselträger sind, dann sind einige
Rüsselträger Tiere« als Darapti der 3. Figur bezeichnet werden.
Zusammenfassend (ohne die vierte Figur):
Figur I Figur II Figur III
MxP ∧ SxM → SxP PxM ∧ SxM → SxP MxP ∧ MxS → SxP
a-a-a Barbara e-a-e Cesare a-a-i Darapti
e-a-e Celarent a-e-e Camestres a-i-i Datisi
a-i-i Darii e-i-o Festino e-a-o Felapton
e-i-o Ferio a-o-o Baroco e-i-o Ferison
[e-a-o] [e-a-o] i-a-i Disamis
[a-a-i] [a-e-o] o-a-o Bocardo

114 DieSchlüsse in eckigen Klammern bezeichnen sog. »schwache« Konklusionen, weil


sie zwar gültig sind, aber weniger schließen, als möglich ist. Z.B.: Maior: Alle Menschen sind
sterblich. Minor: Alle Griechen sind Menschen. Konklusion: Einige Griechen sind sterblich.
115 Dafür liegen drei Beweisarten vor: 1. Konversion (Umkehrung), 2. Reductio ad
absurdum (Nachweis eines Widerspruchs bei gegenteiliger Annahme) und 3. Ekthesis (z.B.
durch Einsetzen eines Unterbegriffes; selten verwendet).
116 Dabei bezeichnen die Vokale der Namen die Modi der beiden Prämissen und der
Konklusion. Die Anfangsbuchstaben deuten auf die Konversionsregeln hin.
B. Die aristotelische Termlogik 55

c) Exkurs: Die Induktion als »zweite Form« des Wissens


Im Gegensatz zur modernen Logik beschäftigt sich Aristoteles aus wissen-
schaftstheoretischen Gründen auch mit einer Form des Wissens, die nicht
syllogistisch verfährt. Auf der Ebene des wissenschaftlichen Diskurses steht
neben dem Syllogismus die Induktion (hepagwg´j)117 als eine zweite Form der
Sicherung von Wissen118. Aristoteles definiert den Fachterminus hepagwg´j
(wörtlich »Heranführung«) als »Aufstieg vom Besonderen zum Allgemei-
nen«119. Er gibt selbst ein Beispiel dieser Vorgehensweise:
»Wenn wirkungsvollster Steuermann der ist, der seine Sache versteht, und so beim Wagen-
lenker auch (usf.), dann ist auch überhaupt in jedem Belange, wer seine Sache versteht, der
vorzüglichste.« (Top. I 12,105a14–16)

Bei der Induktion kommt der Wahrnehmung eine zentrale Rolle zu:
»Einsichtig ist auch: Wenn es an einer bestimmten Sinneswahrnehmung (tiß a‘isqjsiß)
mangelt, dann muß es auch an einem bestimmten Wissen (hepist´jmjn) mangeln, das man
dann unmöglich ergreifen kann, – wenn wir uns doch Wissen aneignen über Heranführung
oder Beweis (manqánomen ’j hepagwg¨∆ ’j hapodeíxei), und es erfolgt der Beweis von den
allgemeinen Aussagen aus (‘esti dh Hj mèn hapódeixiß hek t¨wn kaqólou), die Heranführung
dagegen von Aussagen über Teilbereiche aus (Hj dh hepagwg`j hek t¨wn katà méroß), und es ist
unmöglich, das allgemeine ›über alles‹ zum Betrachtungsgegenstand zu machen, wenn nicht
über Heranführung (hadúnaton dè tà kaqólou qewr¨jsai m`j dih hepagwg¨jß).« (An. post.
I 18,81a38–81b2)

In der Induktion geht es nicht einfach um die Auflistung von Beispielen,


sondern um den Transfer von empirisch verifizierbaren Einzelbeobachtungen
zu einem allgemeinen Schluss. Dies ist nur aufgrund der Annahme möglich,
dass es ein gesetzmäßiges Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Phänome-
nen gibt120. Dieses Verhältnis oder diese »Proportion« wird griechisch lógoß
genannt, woraus sich die Analogie herleitet. Die aristotelische Induktion ist
eine Analogiemethode: Der wahrnehmend denkende Mensch isoliert aus
verschiedenen Phänomenen gemeinsame Elemente und zieht daraus einen
Schluss.

117 Vgl. ROSS, Analytics, 47–51.481–487; ausführlich und in Auseinandersetzung mit


modernen Konzepten von Deduktion K. von FRITZ, Die hepagwg´j bei Aristoteles (1964), in:
Ders., Grundprobleme der Geschichte der antiken Wissenschaft (Berlin, 1971) 623–676.
118 An. pr. II 23,68b13f: »Denn alles, was uns glaubwürdig vorkommt, kommt entweder
über Schluß oder durch Heranführung.« (“apanta gàr pisteúomen ’j dià sullogismoü ’j
hex hepagwg¨jß) Vgl. weiterhin An. pr. I 25,42a3f; II 23,68b32–37; An. post. I 1,71a5–11.
119 Top. I 12,105a13f: hepagwg` j dè Hj hapò t¨wn kaqh “ ekasta h epì tò kaqólou ‘ efodoß.
Vgl. zum Wortgebrauch ROSS, Analytics, 481–485.
120 Eine solche Grundlage bildet die aristotelische Diskussion der »Ähnlichkeit« (Hj
Homoiótjß) in Top. I 17,108a7–18,108b31 (vgl. DÜRING, Aristoteles, 80).
56 II. Antike Logik im Überblick

Im Vergleich zum Syllogismus geht die Induktion den umgekehrten Weg.


Das Wissen steigt vom Einzelnen zum Allgemeinen auf121. Der Schluss
geschieht nicht aufgrund einer allgemeinen Wahrheit über einen Mittelbegriff,
sondern aufgrund von Einzelbeobachtungen und einer diesen gemeinsamen
Proportion (An. pr. II 23,68b15ff). Damit ein induktiver Schluss uneinge-
schränkt als wissenschaftlicher Beweis gelten kann, müssten aber alle
Einzelfälle berücksichtigt werden122. Eine solche vollständige Induktion ist
jedoch eine empirische Unmöglichkeit, da nicht alle Phänomene zu allen
Zeiten registriert werden können. Das Problem einer solchen »vollständigen
Induktion« stellt sich für Aristoteles jedoch nicht, weil es ihm bei der
Induktion nicht um einen »Beweis« geht. Als stringente wissenschaftliche
Beweisform ist die Induktion dem Syllogismus unterlegen123, aber für die
Erfassung der ersten, weil eben nicht beweisbaren Prinzipien, ist eine
Herleitung mittels Induktion unerlässlich124:
»Es ist uns notwendig, die allerersten (Ausgangsbegriffe) mittels Heranführung zu erkennen
(Hjmïn tà pr¨wta hepagwg¨∆ gnwrízein hanagkaïon); es ist so auch die Wahrnehmung, die in
uns das Allgemeine einbildet (kaì gàr Hj a‘isqjsiß o“utw tò kaqólou hempoieï).« (An. post.
II 19,100b3–5)
»Von den Ursprüngen aber erkennt man die einen durch Induktion (t¨wn harc¨wn dh a”i mèn
hepagwg¨∆ qewroüntai), die anderen durch Wahrnehmung (a˙sq´jsei), wieder andere durch
eine Art von Gewöhnung (heqism¨^w tiní) und andere wieder anders.« (EN I 7,1098b3–5;
übers. Gigon, 30f)
»Die Induktion ist auch Prinzip des Allgemeinen (Hj mèn d`j hepagwg`j harc´j hestin kaì toü
kaqólou), die Schlußfolgerung dagegen geht vom Allgemeinen aus (Ho dè sullogismòß hek
t¨wn kaqólou). Es gibt Prinzipien, aus denen die Schlußfolgerung kommt (e˙sìn ‘ara
harcaì hex ˆwn Ho sullogismóß) und die nicht wieder durch eine Schlußfolgerung gewonnen
sind (ˆwn ohuk ‘esti sullogismóß). Also tritt da die Induktion ein (hepagwg`j ‘ara).« (EN VI
3,1139b29–32; übers. Gigon, 242f)

Syllogismus und Induktion bilden komplementäre Formen des Wissens. Der


Syllogismus dient dem Nachweis von Gültigkeit, während die Induktion den
Transfer von Einzelbeobachtungen in ein übergeordnetes Ganzes leistet.

121 Belege bei Analytics, ed. Ross, 48 mit Anm. 1–4.


122 An. pr. II 23,68b28f: »C ist das aus allen den Einzel(-Wesen und -Fällen) zusammen
Bestehende; die Heranführung erfolgt ja über alle (Fälle).« (tò G tò hex Hapántwn t¨wn kaqh
“ekaston sugkeímenon≥ Hj gàr hepagwg`j dià pántwn.)
123 Interessant ist die Gegenüberstellung in Top. I 12,105a16–19: »Dabei ist die Heran-
führung überzeugender, durchsichtiger, über Wahrnehmung leichter erkennbar und der
großen Masse der Leute gemeinsam; der Schluß ist zwingender und gegenüber spitzfindigen
Streitkünstlern wirksamer.«
124 ROSS, Analytics, 49 nennt als Beispiel das »Gesetz vom Widerspruch«: Indem der
Mensch wahrnimmt, dass ein Gegenstand A nicht gleichzeitig die Eigenschaft B haben und
nicht haben kann, und dass dies auch auf den Gegenstand C in Bezug auf die Eigenschaft D
zutrifft usw., kann geschlossen werden, dass es ein generelles »Gesetz vom Widerspruch«
gibt.
B. Die aristotelische Termlogik 57

4. Logik in der Diskussion: Die Dialektik (Topik)125


a) Vorüberlegungen
Der Zusammenhang zwischen Logik und Argumentation tritt in der Topik
deutlich zutage. »Dialektik« (von dialégesqai) bezeichnet die philosophi-
sche Schuldiskussion, bei der Thesen des Gegners angegriffen und eigene
verteidigt werden. Das Ziel solcher Debatten besteht darin, aus akzeptierten
Prämissen zu einem Schluss zu gelangen (s.o. S. 48). Für die praktische
Bedeutung der Logik ist der Zusammenhang zur konkreten Argumentations-
praxis von außerordentlicher Bedeutung.
Was ein »Topos« ist, wird in der Topik nicht eigens definiert, doch findet
sich die Bedeutung »Gesichtspunkt« oder »Gemeinplatz« für tópoß erstmals
bei Aristoteles126. Es geht dabei um methodisch erschlossene Gesetzmäßig-
keiten für die korrekte Aufstellung von Sätzen für Schlüsse und Beweise (vgl.
Beispiele u. S. 124ff)127. Die Topik ist daher ein ausführliches an der Praxis
der dialektischen Diskussionen in der Akademie orientiertes Lehrbuch der
logischen Argumentationstechnik, das gültige »Gemeinplätze« dem Anspruch
nach vollständig aufführt und diskutiert128. Aristoteles bietet erstmals ein
theoretisches Nachschlagewerk, eine dialektische técnj, zum Erlernen der
angemessenen »Topoi« in der Argumentation129.

125 DÜRING, Aristoteles , 69–87; HÖFFE, Aristoteles, 53–8; Topics, transl. Smith.
126 In Rhet. I 2,1358a12–14 definiert Aristoteles tópoi als »die allgemeinen Gesichts-
punkte (oÓ koinoí) in Bezug auf Recht, Natur, Politik und vieles andere verschiedener Art,
wie beispielsweise der Topos des Mehr und Weniger.« (übers. Sieveke, 19); vgl. weiterhin
Rhet. II 22,1396b30; 1397a7; II 26,1403a17f (tópoß = stoiceïon). Cicero, Top. 2,7 führt den
technischen Begriff »Topos« klar auf Aristoteles zurück: »Wie also das Auffinden von
Dingen, die im verborgenen liegen, dann leicht ist, wenn die Stelle gezeigt und bezeichnet ist,
so müssen wir, wenn wir irgendein Argument aufspüren wollen, erst einmal die ›Stellen‹
(locos) kennen; so nämlich sind diese – man könnte sagen ›Sitze‹ (sedes) – von Aristoteles
genannt worden, aus denen man die Argumente hervorholt.« (übers. Bayer, 10f) Die
lateinische Rhetoriktradition entwickelte die Lehre von den Loci als Teil der inventio (vgl.
Quintilian V,10,20: »›Stellen‹ (locos) nenne ich […], wo die Beweise ihren Sitz haben (sedes
argumentorum), wo sie sich verbergen und man sie suchen muß.« [Rahn, I, 554f]).
127 FLASHAR, Aristoteles, 327; PRIMAVESI, Topik, 83–88. Obwohl der Syllogismus zentral
für die Topik ist, wird in den Büchern II bis VII,2 nur äußerst spärlich darauf Bezug
genommen. Das erklärt sich aus dem methodisch-praktischen Interesse dieser Schrift.
128 So schreibt er am Ende von Buch 7: »Die Gesichtspunkte (tópoi), mittels derer wir
reichlich Vorrat haben, an jede gestellte Aufgabe Hand anzulegen, sind somit in etwa
vollständig aufgezählt.« (Topik VII 5,155a36f)
129 Im Unterschied zu Platon ist für Aristoteles Dialektik eine Kunstfertigkeit wie Rheto-
rik oder Medizin (DÜRING, Aristoteles, 78). In der mittelalterlichen Loci-Tradition kam es
allerdings zu einer Verwechslung der Loci mit den Argumenten selbst. Dadurch kam im 17.
und 18. Jh. die Topik als unnütz in Verruf. Beim Auswendiglernen der Loci würde man – so
hieß es – das Nachdenken unterlassen. Vgl. K. PETRUS, Genese und Analyse: Logik, Rhetorik
und Hermeneutik im 17. und 18. Jahrhundert (QSP 43; Berlin, 1997) 23–28.
58 II. Antike Logik im Überblick

Der »Sitz im Leben« der Topik ist in den Schuldebatten und Argumentati-
onsübungen in der Akademie zur Zeit Platons zu suchen130. Die Vorgehens-
weisen solcher verbalen Schlagabtausche waren klar geregelt:
In der von der Topik her vorausgesetzten Standardsituation stehen sich im Gespräch zwei
Diskussionspartner gegenüber, die die Rolle des Fragestellers (Ho herwt¨wn) und des Antwor-
tenden (Ho hapokrinómenoß) übernehmen (z.B. I 18,108a23)131. Beide einigen sich auf einen
Diskussionsgegenstand, der die Form eines bejahenden Aussagesatzes hat. Das Gespräch
wird dadurch eröffnet, dass der Fragesteller dem Antwortenden den Gegenstand als
Wahlfrage (próbljma) wörtlich »vor-wirft« (probállein) 132. Wenn der Antwortende
daraufhin eine Position bezieht (qésiß), ist es Aufgabe des Fragestellers, diese anzugreifen
(hepiceiréw). Je nachdem ob der Antwortende die Wahlfrage bejaht oder verneint, ist der
Fragesteller bestrebt, den Sinn des Satzes »aufzuheben« (hanairéw, hanaskeuázw) oder
diesen »aufzurichten« (kataskeuázw). Dieses Ziel versucht der Fragesteller anzusteuern,
indem er Schlüsse zieht (sullogízomai), für die er der Zustimmung seines Gesprächspart-
ners bedarf. Daher versucht er durch Entscheidungsfragen (protáseiß), die er diesem
»hinstreckt« (proteínw), sein Einverständnis zu erzielen 133. Dabei muss er taktisch so
vorgehen, dass die Verwendungsmöglichkeiten der Prämissen dem Gegner nicht sofort
deutlich werden. Durch Fragen gelangt also der Fragesteller zu den Prämissen, die er dann
einsetzt, um die Conclusio (tò sumpérasma) ziehen zu können, die das kontradiktorische
Gegenteil der anfänglichen Position des Antwortenden zum Inhalt haben muss134.

130 DiesePraxis kann relativ genau aus Top. I 10,104a3–11,105a9 und VIII erschlossen
werden. Ich folge hier der Zusammenfassung in PRIMAVESI, Topik, 38–40. Ausführlicher
dazu P. SLOMKOWSKI, Aristotle’s Topics (PhAnt 74; Leiden, 1997) 9–42. Die meisten der
Beispiele in der Top. entnimmt Aristoteles den Werken Platons und den Diskussionen in der
Akademie (vgl. I. DÜRING, Aristoteles, RE Suppl. 11 [1968] 189ff), so dass wir hier eine
kreative Fortführung der platonischen Dialektik, bzw. eine methodische Systematisierung der
Dihairesismethode Platons finden, mit der Aristoteles einer Forderung Platons selbst
nachkommt (Platon, Soph. 253b.c). Vgl. zum Verhältnis der Top. zu Plato FLASHAR,
Aristoteles, 326–328.
131 Das Frage-Antwort-Spiel ist für die aristotelische Dialektik grundlegend. Die Ur-
sprünge dieser Form von Wahrheitsfindung gehen auf Sokrates zurück.
132 In Top. I 10–11 geht Aristoteles ausführlich darauf ein, was im Gespräch als Frage
(prótasiß) und Problem (próbljma) annehmbar ist. Beispiele solcher »Wahlfragen« finden
sich in I 4,101b32f (»Ist ›zweifüßiges Landlebewesen‹ eine Definition des Menschen oder
nicht?«); I 11,104b7f (»Ist Lust erstrebenswert oder nicht? Ist die Welt ewig oder nicht?«).
133 Der Unterschied zwischen der als Frage formulierten Aufgabe (próbljma) und einer
im Gesprächsverlauf fallenden Entscheidungsfrage (prótasiß) ist v.a. formeller Art (Top.
I 4,101b26–36): Als próbljma gilt im dialektischen Gespräch eine Frage, die einer weiteren
Diskussion bedarf (z.B. »Ist es der Fall [ãrá ge], daß ›zweifüßiges Lebewesen, zu Lande
lebend‹ die Definition von ›Mensch‹ ist?«), während die Entscheidungsfrage auf eine
einfache Ja-oder-Nein-Antwort abzielt (z.B. »Ist ›zweifüßiges Lebewesen, zu Lande lebend‹
die Definition von ›Mensch‹ oder nicht?«). Das »Problem« ist demnach disjunktiv, die
»Wahlfrage« dagegen suggestiv (Zekl, 601, Anm. 64).
134 Die Fragen sind Lockmittel, um die eigene Meinung zu begründen. Der Antwortende
muss »auf der Hut sein vor Konzessionen, die dem Fragenden zu seiner Schlußfolgerung
verhelfen könnten. Denn wenn der Fragende zu seiner Schlußfolgerung gelangt, ist der
B. Die aristotelische Termlogik 59

Absicht und Nutzen der Topik umreißt Aristoteles folgendermaßen:


»Das Vorhaben der Untersuchung (besteht darin), eine methodische Vorgehensweise zu
finden, aufgrund derer wir in der Lage sein werden, Schlüsse zu ziehen über jede zu
behandelnde Streitfrage aus allgemein anerkannten Annahmen und, wenn wir selbst eine
Sache verteidigen müssen 135, nichts Widersprüchliches zu sagen.«136 (Top. I 1,100a18–21;
eig. Übers.)
Mit der in der Topik vorliegenden Studie (pragmateía) soll demnach eine
»Methode«137 entfaltet werden, die an der Praxis der Diskussion orientiert ist.
Das Ziel wird in doppelter Weise abgesteckt: Befähigung zur Bildung von
nachvollziehbaren Schlüssen über jede Streitfrage und Widerspruchsfreiheit
bei der eigenen Verteidigung138.
Die in der Topik dargestellten Schritte und Kniffe sind von Bedeutung für die Ethik,
Jurisprudenz, Politik, Rhetorik und Poetik 139. Von besonderem Nutzen sind sie jedoch in drei
Bereichen (Top. I 2,101a26–28), denen der Bezug auf eine andere Person gemeinsam ist
(Top. VIII 1,155b10f)140: Als 1. Übung für Schuldebatten, die nach der oben ausgeführten
Form vor sich gehen, 2. für den lockeren Gedankenaustausch in der Diskussion mit
Ungeschulten auf der Grundlage ihrer Meinung und 3. für die philosophische Diskussion, um
das Für und Wider aller wissenschaftlichen Meinungen zu untersuchen.

Die Dialektik steht im Dienst der Wahrheit. Es geht ihr nicht einfach um den
möglichst schnellen Sieg141. Sie hat jedoch eine negative Grundtendenz: am
Ende bewährt sich indirekt nur das, was allen Kritikversuchen zu widerstehen
vermag.

Antwortende offensichtlich der Verlierer, da er gezwungen ist zu leugnen, was er zu Beginn


behauptet hatte, oder umgekehrt.« (KAPP, Ursprung der Logik, 18)
135 Zum Gebrauch des Verbs Hupécw vgl. S LOMKOWSKI, Aristotle’s Topics, 9, Anm. 1.
136 H J mèn próqesiß t¨j ß pragmateíaß méqodon eHureïn h afh ˆ jß dunjsómeqa sullo-
gízesqai perì pantòß toü proteqéntoß probl´jmatoß hex hendóxwn, kaì ahutoì lógon
Hupéconteß mjqèn heroümen Hupenantíon. Vgl. zur Stelle Topics, transl. Smith, 41–43.
137 Ich gehe von einer weitgehenden Übereinstimmung zwischen unserem Begriff »Me-
thode« und dem aristotelischen Gebrauch von méqodoß aus. Einer semantischen Bestimmung,
die méqodoß praktisch zum Synonym von pragmateía macht (Topics, transl. Smith, 41),
stehe ich gerade von dieser Textstelle her sehr skeptisch gegenüber. Die Methode ist nicht
identisch mit der Untersuchung, sondern Gegenstand derselben. Der Zusammenhang mit dem
Verb eHureïn und dem anschließenden Relativsatz (hafh ˆjß …) macht deutlich, dass es um die
Systematisierung einer für die praktische Diskussion bestimmten Vorgehensweise geht.
138 PRIMAVESI, Topik, 31 stellt die im Zusammenhang dieser Praxis leicht nachvollziehba-
re These auf, dass die doppelte Zielsetzung der Topik den komplementären Rollen von
Fragesteller und Antwortendem entspricht: Ersterem soll sie dazu verhelfen, gültige Schlüsse
aus akzeptierten Annahmen zu ziehen; Zweiterem, sich bei seiner Verteidigung nicht in
Widersprüche zu verfangen.
139 FLASHAR, Aristoteles, 328f.
140 Obwohl auch eine Debatte mit sich selbst möglich ist (Top. VIII 14,163b3f; vgl. VIII
1,155b5f).
141 In klarer Abgrenzung von der sophistischen Praxis (vgl. Met. IV 2,1004b26; Top. I
1,100b23ff; Soph. el. 11,171b3–172b8).
60 II. Antike Logik im Überblick

b) Die vier Prädikatsklassen


Besonders wichtig für den Inhalt und den Gesamtaufbau der Topik ist die
»Einteilung aller prädizierten, d.h. mit einem bestimmten Subjekt verbunde-
nen Prädikate (katjgoroúmena) in vier Klassen, die jeweils durch eine
bestimmte Relation zwischen Prädikat und Subjekt gekennzeichnet sind«142.
Diese vier Klassen liegen den über 300 (!) Topoi zugrunde, aus denen die
Sätze für Schlussverfahren gewonnen werden, und dienen als Einteilung für
die gesamte Topik143:
»Gemäß der jetzt vorgenommenen Einteilung ergibt sich, daß es insgesamt vier sind,
entweder Begriffsbestimmung oder eigentümlich oder Gattung oder nebenbei zutreffend (’j
“oron ’j ‘idion ’j génoß ’j sumbebjkóß).« (Top. I 4,101b24f)

1. Eine Definition (“oroß) ist für Aristoteles eine Rede – also mehr als ein
gleichbedeutendes Wort –, die das Wesen, die Essenz, die Substanz von etwas
bezeichnet144. Die schwer verständliche Wendung tò tí ~jn e~inai (wörtlich:
»das Was-es-zu-sein-war«) bezieht sich auf das, was es für X bedeutet, X zu
sein145. Es gibt neben der Definition im strengen Sinne auch definitorische
Bestimmungen, wie z.B. »Das Schöne ist das Anständige«, die aber dem
gleichen Kriterium unterliegen, wesentlich zwischen Identität und Differenz
zu scheiden. Eine bei Aristoteles sehr häufige Definition von Mensch wäre
z.B. »zweibeiniges, zu Lande lebendes Lebewesen« (Top. I 4,101b30f).
2. Als Proprium (‘idion) gilt, was zwar nicht das Wesen eines Gegenstan-
des bezeichnet, aber doch etwas, was nur diesem eigentümlich ist und
»wechselweise voneinander ausgesagt« werden kann146. Die Forderung der
wechselseitigen Aussagbarkeit ist nicht leicht zu deuten. In der modernen
Forschung vermutet man dahinter die Koextension beider Begriffe147: Wenn
A das Proprium von B ist, dann wäre umgekehrt auch B ein Proprium von A.
So wäre z.B. der Schlaf kein Proprium des Menschen, weil dies auch auf
andere Lebewesen zutrifft, die Schreibfähigkeit jedoch wäre ein Proprium
(zumindest nach damaliger Auffassung). Eine genaue Abgrenzung jedoch zur
»Definition« wird durch den Begriff des »Wesentlichen« erschwert148.

142 PRIMAVESI, Topik, 89.


143 Vgl.zum Inhalt FLASHAR, Aristoteles, 238–240 und DÜRING, Aristoteles, 72–86.
144 Top. I 5,101b38: ‘esti dh “oroß mèn lógoß Ho tò tí ~j n e~ inai sjmaínwn.
145 Topics, transl. Smith, 60. Zur Problematisierung der Definition äußert sich Aristoteles
ausführlich in Top. VI und An. post. II 8,93a1–10,94a19.
146 Top. I 5,102a18f: ‘ Idion dh h estìn “o m`j djloï mèn tò tí ~jn e~inai, món^ w dh Hupárcei
kaì hantikatjgoreïtai toü prágmatoß.
147 Topics, transl. Smith, 61f. Als Extension gilt in der Logik der Umfang eines Begriffs,
bzw. die Gesamtheit der unter diesen Begriff fallenden Gegenstände.
148 Wäre für Aristoteles Schreibfähigkeit kein Teil der Definition eines Menschen, weil
man auch ohne eine solche wohl zur Spezies Mensch zu rechnen ist? Oder wäre für
Aristoteles allenfalls die potentielle Schreibfähigkeit dem Menschen wesentlich?
B. Die aristotelische Termlogik 61

Weitere Differenzierungen zeigen, dass Aristoteles es sich mit dem Problem


des Propriums nicht leicht gemacht hat149.
3. Gattung (génoß) ist, »was über mehrere (Gegenstände), die der Art nach
verschieden sind, in dem Bereich ›was ist es?‹ ausgesagt wird«150. Eine
Gattung liegt also vor, wenn man von unterschiedlichen Dingen auf die Frage
»Was ist das Vorliegende?« (I 5,102a34: tí hesti tò prokeímenon) die
gleiche Antwort geben kann. So wäre z.B. »Lebewesen« Antwort auf die
Frage »Was ist X?«, wenn X für »Mensch«, »Rind« oder »Albatros« stünde.
4. Alles, was weder Definition noch Proprium noch Gattung ist, aber
dennoch auf einen beliebigen Gegenstand zutreffen (oder auch nicht zutref-
fen) kann, nennt Aristoteles »nebenbei zutreffend« oder Akzidenz (sumbebj-
kóß)151. Es geht um Bestimmungen, die in Bezug auf das Subjekt entweder
zeitlich variabel sein können (z.B. die sitzende Haltung hinsichtlich einer
bestimmten Person) oder nicht notwendigerweise zu diesem Subjekt gehören
müssen (z.B. die Farbe weiß in Bezug auf einen Gegenstand). Die Grenzen
sind jedoch zuweilen durchlässig: Wenn die Extension eines Begriffes nur ein
Element umfasst (z.B. wenn sich die Menge der Sitzenden zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt auf eine Person reduziert), dann kann dieses »nebenbei
Zutreffende« zum Proprium werden, weil die Bestimmung »der Sitzende«
eine eindeutige Referenz darstellt (Top. I 5,102b20–26).

1. Klasse 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse


griech. “oroß ‘idion génoß sumbebjkóß
lat. definitio proprium genus (differentia accidens
specifica)
dt. Definition charakteristisches Art, Gattung Akzidenz, Ereignis
Merkmal
Top I 5 101b38–102a17 102a18–30 102a31–102b3 102b4–26
Topoi152 Top. VI–VII Top. V Top. IV Top. II–III
(112 Topoi) (35 Topoi) (74 Topoi) (91 Topoi)

149 In
Top. V 1,128b34–129a5 unterscheidet Aristoteles vier Arten des Propriums: gat-
tungsbildende Unterschiede (kaqh aHutó), Relationsattribute (pròß “eteron), immer
vorhandenes Proprium (haeí) und zeitweilig vorhandenes Proprium (poté).
150 Top. I 5,102a31f: Génoß dh hestì tò katà pleiónwn kaì diaferóntwn t¨^w e‘idei h en
t¨^w tí hesti katjgoroúmenon. Zur Unterscheidung zwischen »Gattung« und »Art« vgl.
Topics, transl. Smith, 63f.
151 Top. I 5,102b4–7: Sumbebjkòß dé h estin ”o mjdèn mèn toútwn hestí, m´jte “oroß
m´jte ‘idion m´jte génoß, Hupárcei dè t¨^w prágmati, kaì ”o hendécetai Hupárcein Hot^woün
Henì kaì t¨^w ahut^¨w kaì m`j Hupárcein. Der Terminus technicus sumbebjkóß ist Part. Perf.
von sumbaínw (»zusammenkommen, zutreffen, sich ereignen, widerfahren«).
152 Zahlenangaben nach der Einleitung, in: Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, LXXVI, CVIII–
CXV.
62 II. Antike Logik im Überblick

c) Die vier Werkzeuge (Top. I 13–18)


Aristoteles gibt seinen Schülern vier Werkzeuge (‘organa) in die Hand, um
Schlüsse (sullogismoí) zu finden (Top. I 13,105a20–25)153:
1. Die logische Erfassung von Prämissen (tò protáseiß labeïn; vgl.
I 14) zu den drei Bereichen Ethik, Natur und Logik154 bedarf der genauen
Sammlung von Gelehrtenmeinungen (sog. Endoxa, s.o. S. 48) und eingehen-
der Beschäftigung mit niedergeschriebenen Reden. Durch gezieltes Fragen
werden im Gespräch die dialektischen Prämissen gefunden. Dabei schöpfen
die Dialogpartner entweder direkt Aussagen aus dem Reservoir der Meinun-
gen und Reden155 oder sie bilden eigenständige Sätze, die aber den Endoxa
ähnlich sind. Für die dialektische Situation ist es ausreichend, sich auf
angesehene Meinungen zu stützen, wohingegen die Wissenschaft auf
eindeutig Wahrem fußen sollte (I 14,105b30f).
2. Die Fähigkeit zur semantischen Einteilung von Mehrdeutigkeiten (tò
posac¨wß “ekaston légetai dúnasqai dieleïn) wird durch eine Reihe von
kritischen Schritten geschärft (vgl. I 15), etwa durch die Betrachtung gegen-
teiliger Begriffe (z.B. »scharf-dumpf« in Bezug auf die Stimme und »scharf-
stumpf« in Bezug auf Gegenstände), durch Prüfung der Gattungen (z.B.
»Bock« als Tier, »Bock« als Sportinstrument) oder durch Verwendung in
unterschiedlichen Zusammenhängen (z.B. bedeutet »hell« in den Wendungen
»helle Stimme« und »heller Himmelskörper« nicht das gleiche).
3. Das Auffinden von Unterschieden (tò tàß diaforàß eHureïn; vgl. I 16)
hat nicht zum Ziel, festzustellen, dass Dinge unterschiedlich sind, sondern
aufgrund welcher Eigenschaften sie sich voneinander unterscheiden. Unter-
schiede zwischen Dingen, die zu unterschiedlichen Gattungen gehören (z.B.
»Fisch« und »Fahrrad«), sind weniger interessant als solche, die innerhalb der
gleichen Gattung vorkommen. Erst dann kann man von wirklichen »Differen-
zen« reden, die innerhalb der Gattung eine Art von der anderen unterschei-
den156.
4. Die kritische Prüfung von Ähnlichkeit (Hj toü Homoíou skéyiß; vgl. I 17)
ist ein zum Auffinden von Unterschieden komplementärer Prozess. Auch hier
gilt die Unterscheidung zwischen gattungsverschiedenen und artverschiede-
nen Dingen. Gehören die Dinge zu unterschiedlichen Gattungen, dann lassen

153 Aristotelesgeht hierbei nach dem »dihairetischen« Prinzip von Trennen und Definie-
ren vor.
154 In Top. I 14,105b20f zählt Aristoteles mérj tría auf: aÓ mèn gàr hjqikaì protáseiß
e˙sín, aÓ dè fusikaí, aÓ dè logikaí.
155 Aristoteles stellt bereits die Forderung des Quellenbelegs: »Dazu muß man anmerken,
daß es Meinung dieses oder jenes Mannes ist.« (Top. I 14,105b16)
156 In Top. VI 6,143b3–10 unterscheidet Aristoteles entsprechend zwischen »Unter-
schieden der Gattung« (toü génouß diaforá) und »artbildenden Unterschieden« (e˙dopoiòß
diaforá).
B. Die aristotelische Termlogik 63

sich analoge Strukturen finden (z.B. das Wissen verhält sich zu dem, was man
wissen kann, wie die Wahrnehmung zum Wahrnehmbaren). Gehören sie aber
zur gleichen Gattung, dann sind gemeinsame Merkmale, die die Ähnlichkeit
begründen, zu suchen.

d) Würdigung
Die Topik gewährt zwar einen anderen Blickpunkt auf praktische Anwendun-
gen der Logik, sie erweist sich jedoch wesentlich sperriger gegenüber den
Interessen der modernen Logik als die Syllogistik. Hier ist Logik kein
formales Analyseinstrument zur Prüfung der Gültigkeit von Schlüssen,
sondern ein Übungsfeld für das Auffinden von schlagenden Argumenten. In
ihrer kaum überschaubaren Vielfalt und fehlenden Systematizität ist die
aristotelische Topik exegetisch schwer anzuwenden157.

5. Logik in der Rede: Das »Enthymem« (Rhetorik)158


a) Logik als rhetorisches Überzeugungsmittel
Die Beziehung zwischen Logik und Rhetorik war in der Philosophiegeschich-
te selten frei von Spannungen159. Für Aristoteles, der sich damit zwischen
seinem Lehrer Platon und den sophistischen Rhetorikern positioniert, gehören
Logik und Rhetorik keinesfalls in konkurrierende Lager160; vielmehr bildet

157 Der knappe Exkurs u. S. 124ff stellt einen Anwendungsversuch dar.


158 Vgl. zum Enthymem die vorzügliche Studie von J. SPRUTE, Die Enthymemtheorie der
aristotelischen Rhetorik (AAWG.PH 3:124; Göttingen, 1982) und zur Begriffsgeschichte M.
KRAUS, Art. Enthymem, HWRh 2 (1994) 1197–1222. Vgl. weiterhin: W.M.A. GRIMALDI,
The Centrality of the Enthymeme, in: Ders., Studies in the Philosophy of Aristotle’s Rhetoric
(Hermes Einzelschriften 25; Wiesbaden, 1972) 53–82; S. SCHWEINFURTH-WALLA, Studien zu
den rhetorischen Überzeugungsmitteln bei Cicero und Aristoteles (Mannheimer Beiträge zur
Sprach- und Literaturwissenschaft 9; Tübingen, 1984) 38–64; BURNYEAT, Enthymeme, 3–55;
M. WÖRNER, Das Ethische in der Rhetorik des Aristoteles (München, 1990) 352–357.
159 G. GABRIEL, Logik und Rhetorik der Erkenntnis (Explicatio; Paderborn, 1997) führt
den Niedergang der Rhetorik in der Moderne darauf zurück, »daß ihr methodologischer Teil,
insbesondere die Lehre von den rhetorischen Schlüssen, gegenüber der Lehre vom Ausdruck
(elocutio) ins Hintertreffen geraten ist, so daß Rhetorik schließlich nicht mehr als Theorie der
Rede, sondern der Redefiguren, ja, des Redeschmucks verstanden worden ist.« (13) Vgl. auch
P. RICŒUR, Die lebendige Metapher (Übergänge 12; München, 1986) 13f. Durch hermeneuti-
sche und postmoderne Positionen hat die Rhetorik in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung
gewonnen. Manchen postmodernen Philosophen gilt sie sogar als »Gegenmittel« gegen die
Logik. Vgl. etwa P. de MAN, Allegorien des Lesens (es 1357; Frankfurt a.M., 1988) 40:
»Rhetorik ist die radikale Suspendierung der Logik und eröffnet schwindelerregende
Möglichkeiten referentieller Verirrung.«
160 Vgl. S PRUTE, Enthymemtheorie, 41–55; SCHWEINFURTH-W ALLA, Überzeugungsmittel,
19–24. Der Nexus zwischen beiden Disziplinen war auch im Mittelalter ungebrochen. Vgl.
64 II. Antike Logik im Überblick

Logik (neben Psychologie!) einen Grundpfeiler der Rhetorik161. Das wird


nicht nur daran ersichtlich, dass die Topik zu weiten Teilen in Bereiche der
Rhetorik hineingreift162, sondern auch daran, dass Aristoteles für seine
Syllogistik mit den drei Schlussfiguren Gültigkeit für die Rhetorik bean-
sprucht163, insofern diese das Ziel verfolgt, mit vernünftigen Schlüssen eine
These zu belegen und Andersdenkende zu überzeugen164. Bereits in der
Einleitung seines rhetorischen Lehrbuchs macht Aristoteles den Zusammen-
hang unmissverständlich klar:
»Von den durch die Rede geschaffenen Überzeugungsmitteln (t¨wn dè dià toü lógou
porizoménwn pístewn) gibt es drei Arten: Sie sind zum einen im Charakter des Redners
angelegt (hen t¨^w ‘jqei toü légontoß), zum anderen in der Absicht, den Zuhörer in eine
bestimmte Gefühlslage zu versetzen (hen t¨^w tòn hakroat`j n diaqeïnaí pwß), zuletzt in der
Rede selbst, indem man etwas nachweist oder zumindest den Anschein erweckt, etwas
nachzuweisen (hen ahut^¨w t¨¨^w lóg^w dià toü deiknúnai ’j faínesqai deiknúnai). Durch den
Charakter geschieht dies, wenn die Rede so dargeboten wird, daß sie den Redner glaubwürdig
erscheinen läßt (“wste haxiópiston poi¨jsai tòn légonta). Den Anständigen glauben wir
nämlich eher und schneller (toïß gàr hepieikési pisteúomen mällon kaì qätton),
grundsätzlich in allem, ganz besonders aber, wo es eine Gewißheit nicht gibt (tò hakribèß m`j
‘estin), sondern Zweifel (tò hamfidoxeïn) bestehen bleiben. […] Mittels der Zuhörer
überzeugt man, wenn sie durch die Rede zu Emotionen verlockt werden (“otan e˙ß páqoß
Hupò toü lógou proacq¨wsin). Denn ganz unterschiedlich treffen wir Entscheidungen, je
nachdem, ob wir traurig oder fröhlich sind, ob wir lieben oder hassen (hapodídomen tàß
kríseiß lupoúmenoi kaì caíronteß, ’j filoünteß kaì misoünteß). […] Durch die Rede
(dià dè toü lógou [gemeint ist die logische Argumentation]) endlich überzeugt man, wenn
man Wahres oder Wahrscheinliches aus jeweils glaubwürdigen Argumenten darstellt (“otan
haljqèß ’j fainómenon deíxwmen hek t¨wn perì “ekasta piqan¨wn). Da Überzeugung nur
durch diese drei Mittel erfolgt (aÓ písteiß dià toútwn e˙sí), ist augenscheinlich, daß nur
der sie erreichen wird, der Schlüsse ziehen (toü sullogísasqai dunaménou), über
Charakterzüge und Vorzüge und drittens über Affekte urteilen kann (toü qewr¨j sai perì tà
‘jqj kaì perì tàß haretàß kaì tríton [toü] perì tà páqj) […] 25 Daraus ergibt sich, daß
die Rhetorik gewissermaßen ein Schößling der Dialektik und der Beschäftigung mit Ethik ist

J. FRIED (Hrsg.), Dialektik und Rhetorik im früheren und hohen Mittelalter (Schriften des
Historischen Kollegs: Kolloquien 27; München, 1997).
161 Vgl. die relativ häufigen Hinweise auf die Analytiken in Rhet. I 2,1356b9; 1357a30;
1357b25; II 25,1403a5.12.
162 Die Rhetorik umfasst folgerichtig auch eine Sammlung von Topoi (Rhet.
II 22,1395b20–24,1402a29). Hier kann sich der Redner heuristische Hilfestellung holen, um
für den inventio-Teil der Rede die angebrachten Enthymeme zu finden.
163 In An. pr. II 23,68b9–13 stellt er fest, »daß nicht nur die dialektischen und apodikti-
schen Schlüsse (oÓ dialektikoì kaì hapodeiktikoì sullogismoí) durch die aufgeführten
Figuren (scjmátwn) gehen, sondern auch die rhetorischen (oÓ Hrjtorikoí) und überhaupt
jedes Mittel zur Überzeugung, welches auch immer und einerlei, nach welchem Verfahren
(méqodon) herbeigeführt.« (eig. Übers.)
164 Rezeptionsgeschichtlich interessant ist die Tatsache, dass in der einflussreichen
arabischen Aristoteles-Tradition Rhetorik und Poetik noch als Teil des Organon angesehen
und nicht wie in den modernen Editionen auseinandergerissen wurden. Vgl. dazu BLACK,
Rhetoric and Poetics.
B. Die aristotelische Termlogik 65

(parafuéß ti t¨jß dialektik¨j ß e~inai kaì t¨jß perì tà ‘jqj pragmateíaß), die die
Bezeichnung ›Staatskunst‹ (politik´j n) 165 verdient.« (Rhet. I 2,1356a1–28 übers. Krapinger,
12f)166

Insofern das Ziel der Beeinflussung oder Veränderung fremder Meinungen


und Urteile nicht mit den Mitteln der Gewalt, der Bestechung oder der Magie
erreicht werden soll, bleibt als wichtigstes und vernünftigstes (wenngleich
nicht immer auch erfolgreichstes) Überzeugungsmittel einzig die Sprache167.
Dies entspricht dem weit verbreiteten Selbstverständnis der antiken Rhetorik
als eine »Kunst der sprachlichen Überzeugung«168. In der ihm eigenen
analytischen Schärfe und auf Grundlage bis heute gültiger empirischer
Beobachtungen gelangt Aristoteles zu einer Dreiteilung der sprachlichen
Überzeugungsmittel (písteiß)169:
1. Charakter (~j qoß): Auf welche Art und Weise weckt ein Sprecher durch seine Rede
Sympathie für seine Person und das Vertrauen seiner Zuhörer und Zuhörerinnen in seine
Glaubwürdigkeit und Kompetenz, um damit eine Übernahme seiner Ansichten und
Handlungsweisen zu erleichtern? 2. Affektsteuerung (páqoß): Welche sprachlichen Mittel
werden eingesetzt, um jene Gefühlsregungen hervorzurufen, die den eigenen Zielsetzungen
förderlich sind? 3. Logische Argumentation (lógoß)170: Inwiefern sind die vorgetragenen
Argumente sachlich-logisch schlüssig und nachvollziehbar?

165 Die Rhetorik ist natürlich nicht einfach eine um politisches Wissen erweiterte Dialek-
tik, denn als técnj bringt sie auch eigene Leistungen hervor.
166 Vgl. den Rückbezug auf diesen Text in I 4,1359b9–11 und einen Abschnitt ähnlichen
Inhalts in II 1,1377b20ff. Zur Auslegung des Textes W.M.A. GRIMALDI, Aristotle, Rhetoric I:
A Commentary (New York, 1980) 38–45. Cicero empfiehlt unter Rückbezug auf diesen
Anfangstext der aristotelischen Rhetorik, dass sich der Redner Kenntnisse in der »benachbar-
ten Disziplin der Dialektik« aneignen sollte (Orator 32,113f = FDS, 38). Dort berichtet er
auch davon, wie Zenon, der Gründer der Stoa, das Verhältnis von Logik und Rhetorik
gestisch zu erklären pflegte: »Er preßte nämlich die Finger zusammen und machte eine Faust;
dazu erklärte er dann, so sei die Dialektik; wenn er andererseits die Finger auseinanderspreiz-
te und die Hand öffnete, dann erklärte er, die Beredsamkeit ähnele dieser flachen Hand.«
(Orator 32, 113 = FDS, 38)
167 Es gibt nach Rhet. I 2,1355b35–39 neben den písteiß ‘entecnoi auch nicht-
rhetorische Überzeugungsmittel (písteiß ‘atecnoi), wie z.B. Zeugen, Folterungen,
Schriftdokumente usw. Die nicht-rhetorischen Beweismittel liegen vor, die rhetorischen
müssen erst »gefunden« (inventio) werden. Die spätere lateinische Nomenklatur unterscheidet
entsprechend zwischen genus artificiale probationum und genus inartificiale probationum.
168 Die »Überredung« oder »Überzeugung« (peíqein) gilt in der gesamten Antike als die
dominante Funktion der Rhetorik. Rhetorik als »Kunst des schönen Ausdrucks« (e~u légein)
tritt demgegenüber zurück. Vgl. dazu MARTIN, Antike Rhetorik 2–4.
169 Vgl. zum semantischen Spektrum des aristotelischen pístiß-Begriffs SPRUTE, Enthy-
memtheorie, 59f. GRIMALDI, Aristotle Rhetoric I, 39 betont zu Recht, dass es bei den drei
elementaren písteiß um sprachliche Ausdrucksweisen geht, weswegen hier am ehesten die
Bedeutung »Überzeugungsmittel« ins Zentrum gerückt wird.
170 Der griech. Chamäleonbegriff lógoß schwankt in der Rhetorik des Aristoteles zwi-
schen allgemein »Rede« und spezifisch »Argument« oder »logisch-sachliche Erklärung«.
66 II. Antike Logik im Überblick

Mit einem solch umfassenden Modell verfolgt der Philosoph die Absicht,
einer funktionellen Reduktion der Rhetorik auf den Aspekt der Affektsteue-
rung einen Riegel vorzuschieben (vgl. Rhet. I 2,1356b16f)171. Dieses Zusam-
menwirken ethischer, pathetischer und sachlicher Überzeugungsmittel gehört
seit Aristoteles in verschiedenen Variationen zum rhetorischen Grundwis-
sen172. Die bleibende Aktualität des aristotelischen Dreierschemas wird durch
die moderne Argumentationsforschung indirekt dadurch bestätigt, dass
weiterhin die Entstehung und Veränderung von Überzeugungen im Hinblick
auf Sender, Empfänger und Nachricht untersucht werden (Sender ≈ Ethos;
Empfänger ≈ Pathos; Nachricht ≈ Logos)173.
Es bleibt insgesamt umstritten, ob Aristoteles dem sachlichen Argument
innerhalb dieser Trias eine vorrangige Stellung zugewiesen hat.
Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass in Rhet. I 1,1354a1–1355b25 – in scharfer
Abgrenzung gegenüber bisherigen Entwürfen – eine rhetorische Methode in Aussicht gestellt
wird, die beinahe ausschließlich an der Logik orientiert zu sein scheint. Der Argumentations-
gang in I 1,1355a3–15 führt zwangsläufig zu einer Vorrangstellung des syllogismusartigen
Enthymems. Ein guter Redner zeichnet sich dadurch aus, dass er ein guter »Enthymematiker«
ist (I 1,1354b21f: henqumjmatikóß). Die »Königswürde« des Enthymems als s¨wma t¨j ß

Vgl. dazu GRIMALDI, Aristotle, Rhetoric I, 39f; J.M. COOPER, Ethical-Political Theory in
Aristotle’s Rhetoric, in: Furley / Nehamas, Aristotle’s Rhetoric, 197, Anm. 8.
171 Dass die Rhetorik sich nie völlig aus dem Gefahrenbereich dieser Reduktion bewegen
konnte, bedarf im Zeitalter massenmedialer Überzeugungsmechanismen keiner weiteren
Begründungsversuche. Rhet. I 1,1354a14–18: Die bisherigen Rhetorik-Bücher »sprechen
nämlich nicht von den Enthymemen, worin doch gerade die Grundlage der Überzeugung
besteht; was jedoch außerhalb der eigentlichen Aufgabe liegt, damit befassen sie sich
zumeist: Denn Verdächtigung, Mitleid, Zorn und dergleichen Affekte der Seele zielen nicht
auf die Sache selbst, sondern auf den Richter.« (übers. Sieveke, 7)
172 Einige Beispiele in chronologischer Reihenfolge: Dionysius Halic. (I v.Chr.), Lys
19,1–4 unterteilt die rhetorischen Beweisformen (písteiß) ähnlich in prägma (im Sinne von
»Sache«), páqoß und ~jqoß und zeigt in allen drei Bereichen Stärken und Schwächen in der
Rhetorik des Lysias auf (ed. Usher, 60f). Für Cicero (I v.Chr.) sind die drei Formen der
rhetorischen Überzeugung (fides): »die Herzen gewinnen« (concilientur animi), »belehren«
(doceantur) und »gefühlsmäßig bewegen« (moveantur) (De Orat II,121 = Merklin, 280f; vgl.
auch II,115.128.310; in PartOrat 13,46 nennt er allerdings nur Glaubwürdigkeit und
Gefühlsregung). Ähnlich sieht Quintilian (I n.Chr.) die drei Pflichten oder Aufgaben (officia)
des Redners als Lehren (docere), Bewegen (movere) und Unterhalten (delectare) (III,5,2; V,
pr. 1; 8,3; VIII, pr. 7; IX,2,4; 4,4; X,1,119; 2,27; XI,1,6; XII,2,11; 10,43.59). Noch im Athen
des 3. Jhs. n.Chr. äußert sich der Rhetor Minukianos, Epich 1 (ed. Hammer, 340, Z. 8f) ganz
im Sinne des Aristoteles: t¨wn dè hentécnwn pístewn aÓ mén e˙sin hjqikaí, aÓ dè paqjti-
kaí, aÓ dè logikaí, aÓ ahutaì kaì pragmatikaí. Vgl. zum Beweis als wichtigsten
Bestandteil der inventio MARTIN, Antike Rhetorik, 95–137 und zur Rolle von Ethos und
Pathos in der Antike die Studie von J. WISSE, Ethos and Pathos from Aristotle to Cicero
(Amsterdam, 1989).
173 Ähnlich WISSE, Ethos and Pathos, 6. Die sachliche Nähe zu Aristoteles ist etwa in
FØLLESDAL u.a., Rationale Argumentation, 5–30 offensichtlich. Ähnliche triadische Modelle
finden sich häufig in der Literatur- und Kommunikationswissenschaft.
B. Die aristotelische Termlogik 67

pístewß (I 1,1354a15) oder als kuri´wtaton t¨wn pístewn (I 1,1355a7f) weicht aber ab I 2
einer gleichberechtigten Stellung neben Ethos und Pathos (vgl. z.B. die lange Beschäftigung
mit Gefühlen und Zuhörerpsychologie in II 2–14). Diese Unterschiede sind häufig als Anlass
für weitreichende entstehungsgeschichtliche Theorien genommen worden 174. Es ist aber auch
möglich, dass Aristoteles in Rhet. I 1 einen ersten Idealentwurf wagt, der nur anwendbar wäre
in einem Staat, dessen Verfassung den Gebrauch sachfremder Argumente vor Gericht
verbietet (vgl. I 1,1354a21–24), um anschließend im Rahmen der real existierenden Praxis zu
reflektieren 175. Das Enthymem bleibt für Aristoteles das Überzeugungsmittel im engeren
Sinne176.

b) Was ist ein Enthymem?


Die Beschäftigung mit der aristotelischen Enthymemlehre steht am Anfang
vor der Aufgabe, die historische Betrachtung von den heute gängigen
Enthymemdefinitionen zu entlasten.
Gewöhnlicherweise gilt ein Enthymem als ein Syllogismus, bei dem eine Prämisse oder sogar
die conclusio aus Gründen der rhetorischen Wirksamkeit unausgesprochen bleibt und daher
hinzugedacht werden muss177. Beliebt ist die terminologische Rückführung des Begriffs auf
die Wendung hen qum^¨w, weil das fehlende Glied »im Geiste« präsent ist. Vieles an dieser
populären Konstruktion geht auf die spätantike und frühmittelalterliche Aristoteles-Rezeption
zurück, kann aber für Aristoteles selbst nicht geltend gemacht werden.

Es mag bedeutsam sein, dass sich Aristoteles nicht veranlasst sieht, den
Begriff henqúmjma bei seinem ersten Gebrauch in Rhet. I 1,1354a14 näher zu
erklären. Wenn also der Begriff als bekannt vorausgesetzt wird, dann deutet
der voraristotelische Gebrauch zunächst einmal nur sehr allgemein an, dass es
sich dabei um einen besonders pointierten Gedanken handelt, der als rhetori-
sches Beweismittel vor allem dazu dient, einen Widerspruch aufzuzeigen178.
Der Begriff leitet sich daher kaum von hen qum^¨w her, sondern vom Verb
henqumeïsqai (»beherzigen, erwägen, überlegen, ersinnen«)179. Aristoteles
knüpft an diesen Wortgebrauch an, verbindet den Terminus aber mit seiner
Syllogistik, indem er das folgende Verhältnis postuliert:
»Was aber der Unterschied zwischen Beispiel und rhetorischem Schlußverfahren (diaforà
paradeígmatoß kaì henqum´jmatoß) ist, geht aus der Topik hervor – denn dort ist bereits

174 Vgl. u.a. SOLMSEN, Entwicklung, 208–211.


175 So die attraktive These von SPRUTE, Enthymemtheorie, 36–41. Vgl. zum Problem
weiterhin COOPER, Ethical-Political Theory, 196f und J. BRUNSCHWIG, Rhétorique et
Dialectique, Rhétorique et Topiques, in: Furley / Nehamas, Aristotle’s Rhetoric, 86–90.
176 SPRUTE, Enthymemtheorie, 66.
177 Vgl. z.B. BUCHER, Logik, 198f. Diese Sicht findet sich bereits in den alten Aristoteles-
Kommentaren von Alexander und Philiponus (vgl. BURNYEAT, Enthymeme, 6f).
178 Vgl. dazu KRAUS, Enthymem, 1201f.
179 Vgl. zur Wortgeschichte BURNYEAT, Enthymeme, 11f. Von dieser Herleitung wissen
noch die römischen Rhetoriker Cicero (Top. 13,55) und Quintilian (V,10,1; VIII,5,9). Vgl. zu
späteren Herleitungen KRAUS, Enthymem, 1200f.
68 II. Antike Logik im Überblick

früher schon über Syllogismus und Induktion (hepagwg¨jß) gehandelt –, daß nämlich der
Beweis, es verhalte sich etwas an Hand von Vielem und Ähnlichem so (hepì poll¨wn kaì
Homoíwn deíknusqai “oti o“utwß ‘ecei), dort die Induktion, hier aber das Beispiel ist, und daß
ferner der Nachweis, unter bestimmten Voraussetzungen ereigne sich – entweder allgemein
oder meistens (’j kaqólou ’j Hwß hepì tò polú) – etwas anderes als dieses dadurch, daß diese
Voraussetzungen existieren, dort ›Syllogismus‹, hier aber ›Enthymem‹ heißt.« (Rhet.
I 2,1356b13–17; Sieveke, 14f)

Indem Aristoteles das Enthymem als deduktiven Schluss im Sinne seiner


Syllogistik versteht, versucht er, die damals geläufige, terminologisch recht
weite rhetorische Verwendung des Begriffs auf ein methodisch schärfer
umrissenes Terrain zu führen180. Das Enthymem ist jedoch nicht nur etwas
dem Syllogismus Analoges (wie das eben angeführte Zitat nahelegen könnte),
sondern es ist selbst ein Syllogismus im Kontext einer Rede: »Ein Enthymem
ist ein [unvollständiger] Schluß aus Wahrscheinlichem oder Indizien.«181
Die formale Eigenschaft einer unausgesprochenen Prämisse gehört
auffälligerweise nicht zum Wesen des Enthymems182. Ähnlich wie im Falle
der Topik (Top. I 1,100a25–b23) unterscheidet sich das Enthymem als
rhetorischer Syllogismus nicht aufgrund seiner Form vom kategorischen
Syllogismus, sondern aufgrund des Evidenzgrades der verwendeten Prämis-
sen183. Diese drücken im Falle des Enthymems nicht etwas aus, was »notwen-
digerweise« der Fall sein muss, sondern das, was nur »zumeist« oder »in der
Regel« der Fall ist und sich daher auch anders verhalten könnte184. Es geht
dabei weder um das Beweisen im wissenschaftlichen Sinne noch um das
Gewinnen einer dialektischen Diskussion, sondern um die Persuasion
angesichts der Erfordernisse öffentlicher Redesituationen (bes. natürlich im
Gerichtsverfahren). Daraus erklärt sich ein besonders gewichtiger Unterschied
zum apodiktischen und dialektischen Syllogismus: Im Enthymem als
rhetorischem Schluss ist der Gebrauch singulärer Termini der Regelfall185.

180 Aristoteleswirft seinen Vorgängern vor, den Begriff vernachlässigt zu haben (Rhet. I
1,1354a14–16; b16–22). Die voraristotelische Rhetorik kannte ein »topisches Enthymem«,
bei dem es darum ging, aufgrund vorgegebener Regeln und Muster logisch nicht zwingende
aber suggestiv überzeugend wirkende Argumente zu bilden (KRAUS, Enthymem, 1197f).
Diesen Gebrauch möchte Aristoteles mit der Syllogistik nach Möglichkeit unterbinden.
181 An. pr. II 27,70a10: h enqúmjma mèn o~un sullogismòß [hatel`jß] h ex e˙kótwn ’j
sjmeíwn. Vgl. ähnliche Definitionen in Rhet. I 2,1357a32f; I 3,1359a7–10.
182 Das Adjektiv hatel´j ß ist textkritisch auszuscheiden, zeugt aber von dem Missver-
ständnis, ein Enthymem sei ein formal unvollkommener Syllogismus. Vgl. dazu BURNYEAT,
Enthymeme, 6–8.
183 Dadurch berührt Aristoteles Probleme der Modalität von Aussagen. Die Anforderun-
gen an den Wahrheitswert von Aussagen sind je nach Sprechsituation (Beweis, Disputation,
öffentliche Rede) unterschiedlich streng. Das kommt modernen Logiksystemen nahe, die
innerhalb einer Skala von 1 (= wahr) und 0 (= falsch) unendlich vielen Werte zulassen.
184 Rhet. I 2,1357a13–15.22–31.34–36; II 25,1402b15f.
185 Zur logischen Behandlung von Singuläraussagen s.u. S. 117.
B. Die aristotelische Termlogik 69

Die Streichung einer Prämisse (oder gar der conclusio) gehört zwar nicht
zum Wesen des Enthymems im aristotelischen Sinne, entspricht aber einer
Empfehlung im Sinne der rhetorischen Tugend der Kürze186. Daher ist auch
die Mehrheit der von Aristoteles angeführten Beispiele zweigliedrig in Form
von einfachen Begründungssätzen formuliert: »A ist der Fall, da B der Fall
ist.«187 So lässt sich aus einer Sentenz z.B. durch das Hinzufügen eines
Grundes (a˙tía) ein Enthymem bilden188. Ein Begründungssatz (z.B. der
Form »S. ist sterblich, denn er ist ein Mensch«, oder »S. ist sterblich, denn
alle Menschen sind sterblich«) löst seinen Geltungsanspruch durch seine
Rückführbarkeit auf ein syllogistisches Enthymem ein. Damit erlaubt die
aristotelische Enthymemtheorie die logische Analyse von Begründungssätzen.

c) Die vier Arten des Enthymems


Die aristotelischen Enthymemata sind ihrem Wesen nach syllogistisch. Die
weiteren Einteilungsversuche, die Aristoteles vornimmt, sind aufgrund der
Tatsache verwirrend, dass er an einigen Stellen zwei Arten unterscheidet189,
während er an anderen Stellen von vier Enthymemata spricht190. Die folgende
Zuordnung ist daher nicht völlig stringent191:
1. Das Eikós-Enthymem (hex e˙kótwn, ex probabilibus) ist ein Syllogismus
der ersten Figur, bei dem die Oberprämisse aus einem Satz besteht, der eine
allgemein anerkannte Ansicht wiedergibt192. Auch wenn solche Schlüsse für
den wissenschaftlichen Beweis ungenügend wären, sind sie für die rhetorische

186 Rhet. I 2,1357a16–21; II 22,1395b25–27. BURNYEAT, Enthymem, 21–24 erinnert zu


Recht daran, dass der aristotelische Syllogismus nicht per definitionem aus exakt zwei
Prämissen gebildet wird, sondern aus mindestens zwei Prämissen. Deswegen ergibt sich
selbst bei Befolgung der rhetorischen brevitas nicht zwangsläufig ein Enthymem der Form
Prämisse-Conclusio.
187 Vgl. die Beispiele in Rhet. I 2,1357b15; II 24,1401b10–13.20–22. SPRUTE, Enthy-
memtheorie, 92f.
188 Rhet. II 21,1394a29–34. Vgl. dazu S PRUTE, Enthymemtheorie, 131.
189 An. pr. II 27,70a10: h ex e˙kótwn ’j sjmeíwn; Rhet. I 2,1357a32: hex e˙kótwn ’j
sjmeíwn.
190 Rhet. II 25,1402b13f: hepeì dè tà h enqum´jmata légetai hek tettárwn, tà dè tétta-
ra taüth hestín, e˙kòß parádeigma tekm´jrion sjmeïon.
191 KRAUS, Enthymem, 1197f nennt aus der antiken Enthymem-Diskussion noch das
topische Enthymem, das auf der Grundlage anerkannter Topoi arbeitet, den verkürzten
Syllogismus und die Sentenz mit Begründung. Das syllogistische Enthymem nennt KRAUS
»Protasen-Enthymem«.
192 An. pr. II 27,70a3–6; Rhet. I 2,1357a34–b1. Die unterschiedlichen Formulierungen H wß
hepì tò polù ‘on (Rhet. I 2,1357a30–34) und tà Hwß hepì tò polù dokoünta (Rhet. II
25,1402b14–16) lassen sich im Oberbegriff der ‘endoxa zusammenfassen (vgl. zum
Zusammenhang SPRUTE, Enthymemtheorie, 74–80 und zum Begriff der ‘endoxa oben S. 48).
Als Beispiele solcher Sätze nennt SPRUTE, 78: »Elefanten sind grau«, »Kinder, die geschla-
gen werden, weinen«.
70 II. Antike Logik im Überblick

Situation ausreichend193. Hier kann der Redner auch auf Sentenzen (gn´wmj)
zurückgreifen, die meistens allgemein anerkannte Aussagen über das
menschliche Verhalten knapp zusammenfassen194. Ihre Widerlegung ist
jedoch nicht dadurch erbracht, dass die Nicht-Notwendigkeit der Prämissen
gezeigt wird, sondern ihre Nicht-Wahrscheinlichkeit195.
2. Das Paradeigma196 ist ein Schluss auf der Grundlage von Beispielen, die
im Sinne einer unvollständigen Induktion197 einen allgemeinen Satz wahr-
scheinlich machen sollen198. Dabei verhält sich das angeführte Beispiel zu
dem vorliegenden Fall wie »Teil zu Teil, Ähnliches zu Ähnlichem«199.
Ein Beispiel (aus Rhet. I 2,1357b26–30): »Peisistratos und andere trachteten, als sie eine
Leibwache forderten, nach der Tyrannis. Nun fordert Dionysios eine Leibwache. Also strebt
er nach der Tyrannis.« Der erste Satz kann als große Prämisse nur dann »funktionieren«,
wenn er in der Redesituation als allgemeiner Hinweis verstanden wird, dass Menschen, die
eine Leibwache fordern, grundsätzlich oder aller Regel nach Tyrann werden wollen. Ein
ähnliches Beispiel findet sich in An. pr. II 24,69a2f: Um zu zeigen, dass der Krieg der
Athener gegen die Thebaner ein Übel ist, beruft sich Aristoteles darauf, dass der Krieg der
Thebaner gegen die Phoker ein Nachbarschaftskrieg war und zugleich ein Übel. Daraus lässt
sich die große Prämisse konstruieren: Nachbarschaftskriege sind (ganz allgemein) ein Übel.

Als »Beispiele« sind nicht nur tatsächliche Gegebenheiten aus der Geschichte
denkbar, sondern auch fiktive Beispiele, sofern diese Ähnlichkeit mit dem zur
Diskussion stehenden Problem aufweisen200. Aristoteles unterscheidet
zwischen »Parabel« und »Fabel« (II 20,1393a29f) und fasst Ersteres als eine
fiktionalisierte Tatsache aus dem täglichen Leben auf201 und Letzteres als eine
Veranschaulichung menschlicher Verhaltensweisen anhand der Tierwelt.

193 Aristotelesführt dies auf das einfache Gemüt der ungebildeten Leute zurück (Rhet. I
2,1357a3–4.10–11; II 22,1395b25f).
194 Rhet. I 2,1357a22–27; II 21,1394a26–28; II 21,1394b8–16.
195 Vgl. SCHWEINFURTH-WALLA , Überzeugungsmittel, 44 (Hinweis auf II 25,1402b34f).
196 Verwirrenderweise behandelt Aristoteles in diesem Zusammenhang das parádeigma
als eine Unterkategorie des Enthymems, stellt es aber an anderen Stellen gleichberechtigt
neben das Enthymem (z.B. Rhet. I 2,1356b5–7; I 9,1368a29–33; II 18,1392a1–4; II
20,1393a23f; III 17,1418a1–2). Vgl. allgemein dazu: An. pr. II 24 (ausführlichste Diskussi-
on); Rhet. I 2,1357a10–24.b25–36; II 20,1393a25ff; II 25,1402b16–18. In der späteren
Rhetorik ist das »Beispiel« weiterhin eines der gerichtlichen Beweismittel in Quintilian, Inst.
V,11,6: exemplum est … utilis ad persuadendum id, quod intenderis, commemoratio. Vgl.
MARTIN, Antike Rhetorik, 119–124; J.C. RAYMOND, Enthymemes, Examples, and Rhetorical
Method, in: R.J. Connors et al. (eds.). Essays on Classical Rhetoric and Modern Discourse
(Carbondale, 1984) 140–151.280–81.
197 Vgl. zum Analogieverhältnis Beispiel-Induktion Rhet. I 2,1356b13–17 (s.o. S. 67f).
198 Rhet. I 2,1357b25–36; II 25,1402b16–18; An. pr. II 24,68b38–69a19.
199 Rhet. I 2,1357b26–30: Hwß méroß pròß méroß.
200 Rhet. II 20,1393a27f; II 20,1394a3f.
201 Rhet. II 20,1393b3–8 mit dem Beispiel: Wenn Athleten nicht nach dem Los, sondern
nach ihren Fähigkeiten ausgewählt werden, dann sollte man auch Politiker nicht durch
Losentscheid wählen.
B. Die aristotelische Termlogik 71

3. Das Indizien-Enthymem (hek sjmeíwn, ex signis) basiert auf Prämissen,


die einen Sachzusammenhang ausdrücken.
»Dasjenige ist ein Indiz (sjmeïon) für das Vorhandensein oder für das Geschehensein einer
Sache, bei dessen Vorhandensein die Sache auch vorhanden ist oder im Hinblick auf dessen
Geschehensein die Sache früher oder später geschehen ist.« 202

Kompliziert wird die Diskussion durch den Umstand, dass Aristoteles weiter
unterscheidet zwischen notwendigen und nicht-notwendigen Indizien und für
Erstere den Begriff tekm´jria (»Nachweise«) und für Letztere (mangels
Alternativen?) den Begriff sjmeïa benutzt203.
a) Das Tekmêrion-Enthymem gründet auf »Indizien«, die aller Erfahrung
nach immer gemeinsam oder in Abfolge auftreten, also echte allgemeine
Aussagen sind. Aristoteles nennt als Beispiele (Rhet. I 2,1357b14–16): Fieber
ist ein Indiz für Krankheit, Milch-Haben ist ein Indiz für vorangegangene
Schwangerschaft. Natürlich sind auch diese Zusammenhänge nur dann für
den rhetorischen Schluss relevant, wenn sie sich allgemeiner Anerkennung
erfreuen, aber dennoch handelt es sich bei den echten »Indizien« nicht um
e˙kóta, denn für Aristoteles sind sie rhetorisch nicht zu widerlegen.
b) Das Semeion-Enthymem (im engeren Sinne) beruft sich auf Indizien, die
nicht notwendigerweise zusammengehören (z.B. krank sein und schwer
atmen)204, und das deswegen widerlegbar ist.
Um die Beweiskraft des Indizien-Enthymems zu bestimmen, greift Aristoteles in der Analytik
auf einen anderen Klassifizierungsversuch zurück (An. pr. II 27,70a11–38)205. Hier gilt als
Kriterium die Stellung des »Indizes« als Mittelterm in den drei Schlussfiguren:

Figur I MxP Milch haben ist Anzeichen, dass jd. geboren hat. Nachweis
SxM Diese Frau hat Milch. (nicht widerlegbar)
SxP Diese Frau hat geboren.
Figur II PxM Wer schwanger ist, ist bleich. Niemals gültig
SxM Diese Frau ist bleich.
SxP Diese Frau ist schwanger.
Figur III MxP Pittakos ist gut. Anfechtbar, auch
MxS Pittakos ist weise. wenn conclusio wahr
SxP Alle Weisen sind gut.
Interessant ist diese Unterscheidung v.a. deswegen, weil es sich dabei m.W. um das einzige
Beispiel handelt, in dem Aristoteles die für seine Syllogistik charakteristische Figuren-Lehre
für die Rhetorik verwertet. Damit ist auch in der Rhetorik das Gewicht der ersten Figur
unangefochten.

202 An. pr. II 27,70a7–9: oˆu gàr ‘o ntoß ‘estin ’j oˆu genoménou próteron ’j “usteron
gégone tò prägma, toüto sjmeïón hesti toü gegonénai ’j e~inai.
203 An. pr. II 27,70b1–6; Rhet. I 2,1357b3–10. Vgl. zum Begriff der Notwendigkeit
SPRUTE, Enthymemtheorie, 91–98.
204 Rhet. I 2,1357b10–13.
205 Vgl. Rhet. I 2,1357b10–21.
72 II. Antike Logik im Überblick

6. Theophrast und das Erbe der aristotelischen Logik


Die Wirkungsgeschichte der aristotelischen Logik würde sich zum größten
Teil mit der Geschichte der Logik im Allgemeinen decken206 – zumindest bis
zu Freges epochaler »Begriffsschrift«. Die wichtigsten Anwälte des Aristote-
les seit der Spätantike waren zum Teil aber auch diejenigen, denen aus
heutiger Sicht Einseitigkeiten, Vereinfachungen und Verzerrungen angelastet
werden können.
In einer solchen Galerie wären der Plotin-Schüler Porphyrios hervorzuheben, dessen
Einleitung in die Kategorien (»Isagoge« oder »Quinque Voces«) über Jahrhunderte hinweg
fester Bestandteil der dialektisch-logischen Schulausbildung war207, die Übersetzungen und
Kommentare aristotelischer Werke bes. durch Boethius, der damit auch die gültige lateinische
Logik-Sprache schuf 208, Thomas von Aquin, der sich nicht nur in Vielem auf Aristoteles (bei
ihm einfach »der Philosoph«) berief, sondern auch Kommentare zu logischen Schriften
hinterlassen hat, Wilhelm von Ockham und Immanuel Kant, dessen Urteil über die Vollkom-
menheit aristotelischer Logik (s.o. Anm. 48) ebenso einseitig wie einflussreich war.
Für die Fragestellung dieser Arbeit ist eine Beschränkung auf die hellenisti-
sche Zeit209 und dabei besonders auf Theophrast (372/370–288/286) gebo-
ten210. Die spärlichen Zeugnisse, die über seine logischen Studien erhalten
geblieben sind, erlauben den Schluss, dass dieser für die hellenistische
Periode als wichtigster Repräsentant peripatetischer Logik anzusehen ist211.

206 Einen Gesamtüberblick über die Wirkungsgeschichte des Aristoteles von der Antike
bis in die Gegenwart bietet O. GIGON, Art. Aristoteles, TRE 3 (1978) 760–768. Zum
Aristotelismus als philosophische Denkrichtung vgl. ebda. H. DÖRRIE (768–776: Antike), A.-
T. KHOURY (777–779: Arabisch-Islamisch), H. GREIVE (779–782: Judentum), W. KLUXEN
(782–789: Mittelalter) und R. SCHÄFER (789–796: Reformation und nachreformatorische
Theologie). Speziell zur patristischen Rezeption des Aristoteles vgl. J.H. WASZINK / W.
HEFFENING, Art. Aristoteles, RAC 1 (1950) 657–667; D.T. RUNIA, Festugière Revisited:
Aristotle in the Greek Fathers, VigChr 43 (1989) 1–34.
207 Diese Schrift wirkte in ihrer lateinischen Übersetzung durch Boethius ebenso wie
durch Übersetzungen ins Syrische, Armenische und Arabische auf breitester Basis während
des gesamten Mittelalters. Vgl. die dt. Übersetzung in der Organon-Ausgabe von Zekl, Bd. I,
155–188 und die Einführung S. LIII–LXIII.
208 Vgl. bes. seine Übersetzung und Kommentar der Cat (In Cat. Arist. = PL 64).
209 Zur Wirkungsgeschichte des Aristoteles ist das zweibändige Werk von P. MORAUX
unverzichtbar: Der Aristotelismus bei den Griechen: Von Andronikos bis Alexander von
Aphrodisias (2 Bde.; Peripatoi 5–6; Berlin, 1973, 1984). Der Bekanntheitsgrad des Aristote-
les war im 1. Jh. n.Chr. begrenzt. So urteilt ein guter Kenner der Szene, Aristoteles sei
jemand, »von dem sogar zünftige Philosophen, ganz wenige ausgenommen, keinen Schimmer
haben« (Cicero, Top. 1,3: …qui ab ipsis philosophis praeter admodum paucos ignoretus).
210 Vgl. zu Person und Quellenlage oben S. 29. Zur Logik vgl. I. BOCHENSKI, La logique
de Théophraste (CF N.S. 32; Fribourg, 1947); J. BARNES, Theophrastus and Hypothetical
Syllogtistic, in: J. Wiesner (Hrsg.), Aristoteles – Werk und Wirkung (FS P. Moraux; Berlin,
1985) I, 557–576; BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 78–83.
211 BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 74: »Peripatetic logic in the
Hellenistic period is for us the logic of Theophrastus.«
B. Die aristotelische Termlogik 73

Neben der Einführung einer zum Teil genaueren Terminologie212 sind vor
allem zwei Aspekte gegenüber Aristoteles hervorzuheben:
1. Die Frage, wie syllogistische Schlüsse zu ziehen sind, wenn die
Prämissen sich Sätzen unterschiedlicher Modalitäten bestehen213, hat Theoph-
rast mit der später sogenannten Peiorem-Regel gelöst214: Das Mögliche ist
»schwächer« als das Tatsächliche und dieses wiederum »schwächer« als das
Notwendige. Für einen modal gemischten Syllogismus gilt nun, dass die
conclusio dem schwächsten Modus der Prämissen entsprechen muss215.
Nehmen wir als Prämissen einen apodiktischen Satz (»Alle Menschen sind sterblich«) und
einen problematischen (»Möglicherweise sind alle lesefähigen Lebewesen Menschen«).
Daraus kann nicht geschlossen werden »Alle lesefähigen Lebewesen sind sterblich«, sondern
nur im problematischen Modus: »Möglicherweise sind alle lesefähigen Lebewesen sterblich.«

2. Aristoteles bezieht sich in seiner Logik immer auf Sätze der Form »allen
/ einigen A kommt B zu / nicht zu«. In An. pr. I 44,50a39–b2 spricht er jedoch
en passant von »hypothetischen« Syllogismen und stellt in Aussicht, diese
später zu behandeln216. Der spätere Aristoteles-Kommentator Alexander stellt
jedoch fest, dass der Meister kein Buch zu diesem Problem hinterlassen hat,
dass aber Theophrast (und Eudemos) diese Lücke geschlossen haben217.
Leider erlauben die Quellen kaum, einigermaßen Klarheit über den Umfang
der Beschäftigung mit dieser Frage zu gewinnen und dadurch auch zu
erahnen, inwieweit im Peripatos Aspekte, die erst aus der stoischen Logik
bekannt sind, vorweggenommen worden sind218. Wenn sich aber die Darle-
gungen Alexanders zum hypothetischen Syllogismus auf Theophrast zurück-
führen lassen219, dann ist es vorstellbar, dass der Nachfolger des Aristoteles
an Syllogismen der folgenden Art arbeitete: Wenn A, dann B. Wenn B, dann
C. Daher: Wenn A, dann C. Wenn es regnet, wird der Boden nass. Wenn der
Boden nass wird, wird es grün. Daher: Wenn es regnet, wird es grün.

212 Vgl. dazu Alexander, In An. Pr. Comm. 69,26–70,21.


213 Vgl. zu den drei Modi assertorisch, apodiktisch und problematisch oben S. 40.
214 Vgl. Alexander, In An. Pr. Comm. 124,8–13 und die Texte 105–107 in
FORTENBAUGH, Theophrast. Die Scholastik prägte den Merkspruch: peiorem semper sequitur
conclusio partem.
215 Vgl. zur theophrastischen Modallogik BOCHENSKI, Théophraste, 73–102.
216 Der Sprachgebrauch ist nicht völlig klar. Folgt man aber einer Spur in Galens, Inst.
Log. 3,3–5 dann entsprach es peripatetischer Redeweise zwei Arten »hypothetischer« Sätze
zu unterscheiden: Bedingungssätze wurden hypothetisch »durch Verbidung« (katà
sunéceian) genannt und disjunktive Sätze hypothetisch »durch Teilung« (katà diaíresin).
217 Alexander, In An. Pr. Comm. 389,31–390,9. Vgl. dazu BARNES, Theophrastus.
218 Manche sehen in Theophrast einen direkten Vorläufer der Logik Chrysipps (etwa
PRANTL, Geschichte der Logik, I, 379). Vgl. dazu BOCHENSKI, Théophraste, 9 und das
vorsichtige Fazit in BARNES, Theophrastus, 574–576 und Fragmente des Theophrast, hrsg. A.
Graeser, 42.46.
219 Vgl. In An. Pr. Comm. 326,22–25.
74 II. Antike Logik im Überblick

Diese in ihren Umrissen halbwegs erkennbaren Erneuerungen, die


Theophrast gegenüber der logischen Grundlagenarbeiten seines Lehrers
vorgenommen hat, lassen etwas von der Innovationskraft und analytischen
Schärfe der theophrastischen Version aristotelischer Logik erahnen. Sie
deuten aber auch Entwicklungen an, die in der stoischen Aussagenlogik
weiter entwickelt werden, nämlich die logische Analyse von ganzen Sätzen
und Satzverbindungen.

7. Exkurs: Die Schriften des Aristoteles und das »Organon«


Das Gesamtwerk des Aristoteles ist von erstaunlichem Umfang:
Das Werkverzeichnis des Diogenes Laertios führt 146 Titel mit insgesamt 445270 Zeilen auf
(DiogL. V 22–27), wobei die Metaphysik und die Nikomachische Ethik fehlen. Etwa drei
Viertel des Gesamtœuvres sind heute nicht mehr erhalten. Die bis heute gültige Einteilung in
»exoterische« und »esoterische« Schriften ist bereits alt220: 1. Als exoterische oder
enzyklische Schriften gelten Lehrwerke für ein gebildetes Publikum, die auf dem Bücher-
markt zu erwerben waren. Dazu gehören der Protreptikos (Werbeschrift für die Philosophie)
und viele Dialoge (Über die Philosophie, Über Gerechtigkeit, Politikos, Über Dichter). Diese
populären Schriften wurden nach dem Tod des Stagariten weiterhin gelesen. Sie gingen
jedoch vor dem Mittelalter aus bis heute nicht ganz einsichtigen Gründen verloren 221.
Esoterische Schriften (oder »Pragmatien«) werden professionelle Abhandlungen für Schüler
und Kollegen genannt, die innerhalb des Lehrbetriebs verfasst wurden. Die Ausführungen
sind gedrängt, der Stil zuweilen elliptisch, der Gedankengang manchmal abrupt, was eine
sehr intensive Lektüre nötig macht. Die meisten uns erhaltenen Schriften stammen aus dieser
Werkgruppe. Es handelt sich mehr oder weniger um Vorlesungsnotizen, die ständig
überarbeitet wurden, teils von Aristoteles selbst, teils aber auch von seinem Nachfolger
Theophrast und anderen Schülern. 3. Schließlich gibt es noch Sammlungen von Forschungs-
material mit Lehrmeinungen früherer Philosophen zur Naturforschung und zur Politik,
Sammlungen von Sprichwörtern, homerischen Streitfragen, Aufführungsdaten von Tragö-
dienwettkämpfen (Didaskalien), griechische Verfassungen, usw. Der Großteil dieser
Sammlungen ist nicht erhalten.

Die geschichtlichen Umstände, denen wir den heutigen Bestand an Aristote-


les-Schriften zu verdanken haben, sind ebenso verwickelt wie unklar222: Die
nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Pragmatien weckten zum Teil auch
außerhalb des Peripatos Interesse bei Spezialisten verschiedener Disziplinen,
die diese dann in der Bibliothek der Schule benutzen oder sich eine Kopie
davon anfertigen lassen konnten (z.B. eine Kopie der Metaphysik für die
Eudemos-Schule in Rhodos). Ob und in welchem Umfang Aristoteles selbst

220 Gemäß Cicero, Fin. V,12 sprachen bereits die Peripatetiker von duo genera librorum,
nämlich die populariter scriptum, quod hexwterikón appellabant und die Werke quod in
commentariis reliquerunt.
221 Immerhin lobt Cicero ihren »goldenen Fluß der Rede« (Acad. 2,119: flumen orationis
aureum).
222 Vgl. MORAUX , Aristotelismus bei den Griechen, I, 3–94; J. BARNES, Roman Aristotle,
in: J. Barnes / M. Griffin (eds.), Philosophia Togata II (Oxford, 1997) 1–69.
B. Die aristotelische Termlogik 75

seine Vorlesungsnotizen in eine elementar lesbare Form brachte oder dies


seinen Schülern, Mitarbeitern und späteren Herausgebern überlassen bleiben
sollte, ist nicht näher zu bestimmen. Dass aber Aristoteles einige seiner Texte
selbst bearbeitete, steht in der Forschung außer Frage. Die mehr als ansehnli-
che Bibliothek des Aristoteles – einem der ersten systematischen Bücher-
sammler! – ging nach dessen Tod in den Besitz seines Mitarbeiters und
Nachfolgers Theophrast über. Dieser vererbte sie dann seinem Mitarbeiter
Neleus, der allerdings enttäuscht in seine Heimatstadt Skepsis (in Troas)
zurückkehrte, als nicht er, sondern Straton zum Leiter der Schule gewählt
wurde. Später verkaufte Neleus einen Teil des Bücherbestandes der kurz
zuvor gegründeten alexandrinischen Bibliothek, bewahrte aber einen Teil in
Skepsis auf; allem Anschein nach v.a. die Werke des Aristoteles223.
Die gängige Vorstellung, dass die internen Schulschriften des Aristoteles unmittelbar nach
seinem Tod in völlige Vergessenheit gerieten, ist in dieser Absolutheit nicht haltbar. Noch ein
halbes Jahrhundert nach seinem Tod gab es Lehrschriften von ihm in Skepsis (bei Neleus),
Alexandrien (in der Bibliothek), Rhodos (in der Schule Eudems) und weiterhin im atheni-
schen Peripatos. Auch zeugt der nachweisliche literarische Einfluss dieser Schriften auf die
erste Generation des Peripatos (Theophrast, Eudemos, Straton) davon, dass diese noch einige
Zeit Gegenstand der Lektüre im engen Kreise blieben 224. Eine breite öffentliche Wirksamkeit
war den Pragmatien natürlich nicht vergönnt.

Unter der Leitung Stratons verlor der Peripatos an Bedeutung. Straton


hinterließ Lykon die Leitung der Schule samt der Bibliothek. Dieser teilte bei
seiner Erbschaftsverfügung die Bücher in zwei Gruppen auf: Die bereits
Gelesenen und die noch nicht Edierten. Erstere vermachte er seinem Freige-
lassenen Chares, Letztere Kallinos, einem Vertreter des neuen Leitungskolle-
giums der Schule. Dass alle aristotelischen Pragmatien weiterhin im Besitz
der Schule blieben, ist zwar vorstellbar aber nicht nachweisbar.
Vom Schicksal des literarischen Nachlasses des Aristoteles in Skepsis ist
bekannt225, dass die Erben des Neleus kein Interesse am Inhalt dieser Bücher
hatten. Einer Tradition zufolge versteckten sie diese in einem unterirdischen
(und für Schriftrollen schädigend feuchten!) Raum, damit sie nicht im Auftrag
der Könige Pergamons für den Aufbau ihrer Bibliothek beschlagnahmt
wurden. Als sicher gilt, dass anfangs des ersten Jhs. v.Chr. der reiche
Sammler und peripatetische Philosoph Apellikon aus Teos den Nachlass des
Neleus zu einem hohen Preis erwarb226. Als der erfolgsverwöhnte Feldherr

223 MORAUX, Aristotelismus, I, 13–15 hält es für sehr wahrscheinlich, dass Abschriften
aristotelischer Schriften in der alexandrinischen Bibliothek zur Verfügung standen.
224 Nach einer zuverlässigen Tradition hatte Epikur in der zweiten Hälfte des 3. Jhs.
v.Chr. die Analytiken, die Physik und De caelo benutzt und exzerptiert (vgl. MORAUX,
Aristotelismus, I, 11, Anm. 22).
225 Vgl. zur Quellenlage MORAUX, Aristotelismus, I, 18–28.
226 Nach einer nicht über jeden Zweifel erhabenen Tradition, die Strabon überliefert,
versuchte Apellikon die stark beschädigten Manuskripte mehr schlecht als recht zu ergänzen.
76 II. Antike Logik im Überblick

Sulla 84 v.Chr. Athen eroberte, fand auch Apellikon den Tod. Sulla brachte
neben vielen Kunstwerken auch Apellikons wertvolle Bibliothek nach
Rom227. Hier wurde sie von dem hoch angesehenen Grammatiker Tyrannion
von Amisos († 26/5 v.Chr.) bearbeitet und einzelne Schriften (von weniger
sorgfältigen Buchhändlern) in fehlerhaften Abschriften auf den Büchermarkt
gebracht228. Tyrannion versorgte Andronikos von Rhodos, der ab ca. 80
v.Chr. Schulhaupt des Peripatos war, mit Kopien. Dieser gab die Pragmatien
schließlich in einer Sammlung heraus229.
Oftmals werden die Arbeit des Tyrannion und die Herausgabe des
Andronikos für eine völlige Neuentdeckung des Aristoteles im 1. Jh. v.Chr.
verantwortlich gemacht. Es gibt jedoch klare Anzeichen für eine davon
unabhängige Rezeption des aristotelischen Œuvres in Rom230: In der prunk-
vollen Bibliothek des L. Lucullus gab es Werke des Aristoteles, die Cicero
begierig zu Rate zog231. Der Epikuräer Philodem zitierte Auszüge aus der
aristotelischen Ökonomik und Cicero gab 55 v.Chr ein Gespräch wieder, das
so 36 Jahre zuvor stattgefunden haben soll. Darin soll Catullus gegenüber
Antonius bemerkt haben:
»Die meisten Philosophen geben keine Anweisungen für die Rede und sind trotzdem für die
Behandlung jedes Themas vorbereitet. Doch Aristoteles, den ich besonders bewundere, führte
ganz bestimmte Fundstellen an (quosdam locos) [Hinweis auf die Topik], wo jede Argumen-
tation nicht nur für eine philosophische Erörterung, sondern auch für die Art der Rede, die
wir bei Prozessen halten, zu finden sei. Mit diesem Mann stimmst du, Antonius, in deinen
Worten schon längst überein, sei es, daß du aus Gründen der Ähnlichkeit mit seinem
göttlichen Geist auf denselben Spuren wandelst oder daß du, was in meinen Augen jedenfalls
wahrscheinlicher ist, auch gerade die betreffenden Passagen gelesen und studiert hast.«
(Cicero, De Orat., II,152 = Merklin, 300f) Später behauptet Antonius: »Ich las von ihm
[= Aristoteles] sowohl das Buch, in dem er alle früheren rhetorischen Systeme dargestellt hat,
wie die Bücher, in denen er selbst seine eigene Auffassung über ebendiese Wissenschaft
geäußert hat.« (II,160 = Merklin, 307)

Auch wenn diese Angaben für das Jahr 91 einen Anachronismus darstellen,
geht daraus hervor, dass zumindest im Jahre 55 »die Benutzung von Lehr-
schriften des Aristoteles keine besondere Schwierigkeit zu machen schien«232.

227 Die
Bibliothek ging nach Sullas Tod (78 v.Chr.) in den Besitz seines Sohnes Faustus
über, der diese wahrscheinlich mit einem Teil seiner Habe versteigern ließ, um anstehende
Schulden zu bezahlen. Zu manchen dieser Bücherschätze hatte anscheinend Cicero Zugang
(vgl. MORAUX, Aristotelismus, I, 37–39).
228 Eine Aristoteles-Ausgabe lag damit jedoch nicht vor (MORAUX, Aristotelismus, I, 34).
229 Ort und Zeit dieser editorischen Leistung sind in der Forschung umstritten: Entweder
wirkte Andronikos Anfang des 1. Jhs. v.Chr. in Athen (Frühdatierung) oder er gab die Werke
später (nach Ciceros Tod) zwischen 40 und 20 v.Chr. in Rom heraus (Spätdatierung). Vgl.
MORAUX, Aristotelismus, I, 45–58 mit Argumenten für eine Frühdatierung.
230 MORAUX, Aristotelismus, I, 39–41.
231 Vgl. Cicero, Fin. III,10.
232 MORAUX, Aristotelismus, I, 41.
B. Die aristotelische Termlogik 77

Wenn also mit der Ausgabe des Andronikos nicht eine völlige Neuentde-
ckung des Aristoteles einsetzt, so wird man doch eingestehen müssen, dass
Andronikos mit seiner zuverlässigen und leicht zugänglichen Edition die
Grundlage für eine Neubelebung des Aristotelismus um die Zeitwende
legte233. Er stellte jedoch die ihm zugänglichen Werke nicht mehr oder minder
wahllos zusammen, sondern er fügte thematisch verwandte Texte zu Einhei-
ten zusammen234. Damit schaffte er eine systematische Ordnung, die über
Jahrhunderte die Aristoteles-Rezeption nicht weniger geprägt hat als die
eigentliche Edition235. In der Andronikus-Edition hat das aristotelische Œuvre
unzweifelhaft das Gepräge eines systematisch-philosophischen Gesamtent-
wurfs: Nach einer logisch-wissenschaftstheoretischen Propädeutik (das
»Organon«) folgen die Praktische Philosophie (Ethik, Politik, Rhetorik,
Poetik), die Naturphilosophie (Physik, Naturkunde) und schließlich die
»Metaphysik« (weil »nach« der Physik platziert).
Im Folgenden soll nur das »Organon« interessieren236: Traditionell wird
den hier zusammengestellten sprachlich-logischen Schriften die Rolle einer
Propädeutik in die Philosophie zugewiesen. Inhaltlich scheint das organische
Zueinander der verschiedenen Werke der Zusammenstellung durch Androni-
kos im Nachhinein Recht zu geben: Nach einer Begriffs- und Satzlogik (Cat.
und Int.) folgt eine Schlusslogik oder Syllogistik (An. pr.), eine Beweislogik
(An. post.) und eine dialektische Diskurstheorie als komplementäre Beweis-
form (Top.), die schließlich mit einer Theorie der Trugschlüsse abgerundet
wird (Soph. el.). Gegen beide Vorstellungen – die einer systematischen
Einheit und die einer »bloßen« Propädeutik – sprechen starke Argumente237:

233 MORAUX, Aristotelismus, I, 45.


234 Dass Andronikos verschiedene Einzelwerke zu größeren Abhandlungen zusammenge-
fügt hat, ergibt sich aus dem Vergleich zu den beiden vorandronikischen Verzeichnissen der
aristotelischen Werke (MORAUX, Aristotelismus, I, 60–63): DiogL. V 22–27 (= Düring,
Biographical Tradition, 41–50) und Anonymus Menagii (= Hesychius) 10 (= Düring,
Biographical Tradition, 83–89).
235 Darin ist er dem späteren Plotin-Herausgeber Porphyrius ein ausdrückliches Beispiel:
»Ich hielt es zuerst für richtig, das Durcheinander einer sich nach der Entstehungszeit der
Schriften richtenden Edition zu vermeiden; ich ahmte den Athener Apollodor und den
Peripatetiker Andronikos nach: Der erste trug die Produktion des Komikers Epicharm
zusammen und verteilte sie auf zehn Bände, der andere teilte die Werke des Aristoteles und
des Theophrast in Pragmatien auf, indem er die verwandten Stoffe zusammenbrachte.«
(Porphyrius, Vit. Plot. 24, zitiert nach MORAUX, Aristotelismus, I, 59)
236 Ob der Ausdruck »Organon« auf Andronikos selbst zurückgeht, ist nicht auszuma-
chen. Der Begriff ist als Sammelbezeichnung erst in spätantiken Kommentaren belegt.
Sachlich dürfte er sich aus Top. I 18,108b32 herleiten (vgl. FLASHAR, Aristoteles, 236): Hier
werden die Hilfsmittel zur Aufstellung gültiger Schlüsse, um die es im Top I geht, als
‘organa bezeichnet (‘organa dih ˆwn oÓ sullogismoí; vgl. auch Top VIII 14,163b9).
237 DÜRING, Aristoteles, 53; HÖFFE, Aristoteles, 37–39.
78 II. Antike Logik im Überblick

1. Es gibt – mit Ausnahme der beiden Analytiken und einem Hinweis in Int. 11,20b26 – keine
Querverweise zwischen den Werken, die vermuten lassen könnten, dass sie von Aristoteles
bewusst als ein organisches Ganzes konzipiert worden wären238. Die beiden Analytiken und
die Topik sind zwei in sich geschlossene Abhandlungen, die zudem zwei verschiedene
Formen der Logik entwerfen. 2. Die unterschiedlichen Werke sind in ihrem Umfang
unproportioniert (v.a. die Topik ist auffallend umfangreich). 3. Eine einheitliche Begrifflich-
keit, die alle Abschnitte durchwaltet, fehlt (das gilt bes. für die zehn Kategorien aus dem
gleichnamigen Werk). 4. Die logischen Schriften werden nirgends von deren Autor selbst als
Einheit hervorgehoben oder erwähnt. 5. Dass die Logik nicht zur eigentlichen Philosophie
gehört, sondern nur deren Propädeutik ist, lässt sich schwerlich mit dem Denken des
Aristoteles vereinbaren. Für ihn stehen logische Sätze gleichberechtigt neben ethischen oder
physikalischen Aussagen239. 6. Inhaltlich werden Themen behandelt, die den Rahmen einer
nur einführenden Logik deutlich sprengen: Grammatik in Int. und Fragen der Ontologie in
Cat. 7. Logische und wissenschaftstheoretische Exkurse durchziehen das gesamte aristoteli-
sche Œuvre240, ebenso allgemeine wissenschaftstheoretische Überlegungen 241.

Chronologisch stammen die logischen Schriften aus der ersten Athenperiode


(367–347). Es sind beinahe ausschließlich inhaltliche Aspekte, die über ihre
relative Reihenfolge Auskunft geben können. Dass die Topik vor den
Analytiken verfasst wurde, gilt seit langem als wissenschaftlicher Konsens242.
Darüber hinaus gibt es keine einheitlich vertretene Meinung243. Die heute
geläufigen Titel stammen, wie in der Antike allgemein üblich244, nicht vom
Autor selbst, sondern sind erst in den spätantiken Sammlungen und Kommen-
tarwerken belegt.
1. Kategorien (Cat.): Im 19. Jh. wurde diese Schrift zum Teil noch als
unecht betrachtet245. Auch die sog. Postprädikamente (Kap. 10–15) sind in
den Verdacht der Unechtheit geraten. Der heutige Forschungskonsens ist
wesentlich zuversichtlicher: Mit der (vielleicht von Aristoteles selbst verfass-
ten) interpolierten Überleitungsformel in 11b8–15 sind die Kap. 1–9 und die
Kap. 10–15 zusammengefügt worden. Dies geschah bereits vor der Samm-
lung des Andronikos246. Beide ursprünglich selbstständigen Teile gehören zu

238 In
An. pr. I 1,24b14 gibt es z.B. einen Hinweis auf die Topik.
239 Vgl.Top. I 14,105b20f.
240 Z.B. EN I 1; I 2; I 7 und II 2; De An. I 1,402a–403a.
241 Phys. I 1; EN VI 1–7; VII 1,1145b2–7. Es gibt auch eine Reihe von Texten, die als
selbstständige Texte erst später integriert wurden: Part. an. I 1; Met. I 1–2; II; VI 1.
242 Grundlegend zu diesem Konsens beigetragen hat die Arbeit von C.A. BRANDIS, Über
die Reihenfolge der Bücher der Aristotelischen Organons und ihre Griechischen Ausleger,
Histor.-philolog. Abh. der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1833 (Berlin,
1835) 249–291; Nachtrag 292–299.
243 Vgl. DÜRING, Aristoteles, 54; HÖFFE, Aristoteles, 24f; P.M. HUBY , The Date of
Aristotle’s Topica and its Treatment of the Theory of Ideas, CQ NS 12 (1962) 72–80;
FLASHAR, Aristoteles, 236f. Veraltet ist SOLMSEN, Entwicklung.
244 Vgl. einige knappe Hinweise in MAYORDOMO, Anfang, 206f.
245 So noch W.W. JAEGER, Aristoteles (Berlin, 21955) 45.
246 DÜRING, Aristoteles, 55.
B. Die aristotelische Termlogik 79

den frühesten Arbeiten des Philosophen, da bes. der Inhalt der Kap. 1–9 in
allen übrigen frühen Schriften als bekannt vorausgesetzt wird.
2. Hermeneutik (Int.): Während man im 19. Jh. diese mit vielen Ausle-
gungsschwierigkeiten belastete Schrift erst in die Spätzeit des Aristoteles
verlegte, ist man sich heute darin einig, dass sie in die Zeit des ersten Athen-
Aufenthalts gehört: Wir finden zum einen in 11,20b26 einen Hinweis auf die
Topik247. Zum anderen ist deutlich, dass manche Aspekte dieser Schrift in den
Analytiken klarer und schärfer behandelt werden. Dass sie thematisch an
Fragen über die Bedeutung der Wörter anknüpft, die Platon im Kratylos,
Theaitetos und Sophistes diskutiert, spricht auch für eine Entstehung während
der Akademie-Zeit des Aristoteles. Überlieferungsgeschichtlich ist es
möglich, dass Kap. 14 ein hier später angefügter Text des Aristoteles selbst
darstellt248.
3. Topik (Top.): Die Entstehung dieser Schrift, auf die Aristoteles oftmals
verweist, ist komplex, da sie aus Einzelabhandlungen (z.B. VII,1–2) hervor-
gewachsen ist. Wahrscheinlich finden sich in den Büchern II–VII die ältesten
Entwürfe. Das erste einleitende Buch und Buch VIII mit praktischen Ratsch-
lägen sind danach entstanden. Wenn in VII 3,153a24f auf die Analytiken
verwiesen wird (was keineswegs sicher ist), dann wäre VII,3–5 später
entstanden. Ihre jetzige Form erhielt die Topik wahrscheinlich zu der Zeit, als
die beiden Analytiken entstanden. Trotz ihrer Entstehungsgeschichte steht
hinter der Topik eine einheitliche Grundkonzeption. Die Topik gilt chronolo-
gisch als die erste große logische Schrift der Philosophiegeschichte. Aller-
dings gilt es als sicher, dass Aristoteles das syllogistische Verfahren der An.
pr. bei der Abfassung der Top. noch nicht vor Augen hatte. Früher ist häufig
daraus geschlossen worden, dass die Top. nur eine Vorstudie auf dem Weg
zur ausgereiften Analytik ist. Heutzutage wird die Topik jedoch als eine
eigenständige Abhandlung gewürdigt, die ihr Autor auch nach Fertigstellung
der Analytik vorgetragen und überarbeitet hat249. Für Aristoteles handelt es
sich demnach um zwei parallele Darstellungen zu verschiedenen Gebieten
(An. pr. I 30,46a28–30): Die Topik gehört in das dialektische Gespräch, die
beiden Analytiken hingegen sind dem wissenschaftlichen Beweis gewidmet.
4. Sophistische Widerlegungen (Soph. el.): Das neunte Buch der Topik
wird seit der Spätantike eigens als Einzelwerk hervorgehoben. Der Titel
stammt aus den Anfangsworten (1,164a20) und der Zusammenfassung

247 Wahscheinlich ist auf Soph. el. 5,167b38 und 169a6 angespielt.
248 Das vermutet J.L. ACKRILL in seiner Übersetzung Aristotle’s Categories and De
interpretatione (ClArS; Oxford, 1963) 153.
249 Vgl. zu solchen Überarbeitungsindizien E. WEIL, Die Rolle der Logik innerhalb des
aristotelischen Denkens (1951), in: F.–P. Hager (Hrsg.), Logik und Erkenntnislehre des
Aristoteles (WdF 226; Darmstadt, 1972) 137–142 mit Anm. 7. DÜRING, Aristoteles, 80–83
hat gezeigt, dass viele zentrale philosophische Grundsätze des Aristoteles ebenso wie
wichtige Abgrenzungen gegenüber Platon bereits in Top. zu finden sind.
80 II. Antike Logik im Überblick

(12,172b5). Der Rückverweis in 12,172b27 (»wie früher gesagt«) auf Top.


II 5 zeigt deutlich, dass die in diesem Buch versammelten Stücke bereits von
Aristoteles mit der Topik verbunden worden waren. Die Berührungspunkte
mit anderen Schriften des Aristoteles lassen kaum den Schluss zu, dass es sich
um eine sehr frühe Schrift handeln könnte.
5. Erste und Zweite Analytik (An. pr., An. post.): Aristoteles selbst hat die
vier Bücher der Analytiken als ein Werk in der heutigen Bücherreihenfolge
konzipiert und sich auch gesamthaft darauf als hanalutiká berufen250. Ob
sich jedoch die Entstehungchronologie der einzelnen Abhandlungen mit der
jetzigen Anordnung deckt, ist nicht mit Sicherheit auszumachen. Manche
Zeichen der Unabgeschlossenheit lassen eher daran zweifeln 251.

C. Die stoische Aussagenlogik252

Das Konstrukt einer »stoischen Logik« ist mit zwei Schwierigkeiten behaf-
tet253: Zum einen ist der Logik-Begriff der Stoa wesentlich umfassender als
der gegenwärtige fachterminologische Gebrauch (vgl. dazu oben S. 32f). Zum
anderen erlaubt die Quellenlage nicht, stoische Logik als einheitliche Lehre
analog der formalen Begriffslogik des Aristoteles zu rekonstruieren. Die
dürftige Quellenlage (s.o. zu Chrysipp S. 29) legt vielmehr sogar nahe, dass es

250 Vgl. Int. 10,19b31; Top. VIII 11,162a11; 13,162b32; Soph. el. 2,165b9; Met. VI
12,1037b8; EN VI 3,1139b26.32; MM II 6,1201b25; EE I 6,1217a17; II 6,1222b38; II
10,1227a10; Rhet. I 2,1356b9; I 2,1357b24f; II 25,1403a5.12.
251 In An. pr. I 44,50b1–2 weist Aristoteles z.B. auf eine spätere thematische Ausführung
hin, die sich aber nirgends mehr finden lässt. Das zweite Buch der An. pr. besteht aus
Einzeluntersuchungen (Kap. 1–15; 16–21 und 23–27). Während An. post. I eine straffe und
einheitliche Beweistheorie bietet, finden sich im 2. Buch unvollendete Entwürfe für eine
Wissenschaftstheorie. Mit Sicherheit jedoch gilt die These als falsch, die zweite Analytik sei
vor der ersten verfasst worden.
252 Literatur: U. EGLI , Zur stoischen Dialektik (Basel, 1967); M. FREDE, Die stoische
Logik (AAWG.PHK 3:88; Göttingen, 1974); S. BOBZIEN, Die stoische Modallogik (Episte-
mata Reihe Philosophie 32; Würzburg, 1986); Th. EBERT, Dialektiker und frühe Stoiker bei
Sextus Empiricus: Untersuchungen zur Entstehung der Aussagenlogik (Hyp. 95; Göttingen,
1991); K. DÖRING / Th. EBERT (Hrsg.), Dialektiker und Stoiker: Zur Logik der Stoa und ihrer
Vorläufer (Philosophie der Antike. Veröffentlichungen der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung
1; Stuttgart, 1993); S. BOBZIEN, Stoic Syllogistic, Oxford Studies in Ancient Philosophy 14
(1996) 133–192; J. BARNES, Logic and the Imperial Stoa (PhAnt 75; Leiden, 1997); J.
BARNES, Aristotle and Stoic Logic, in: K. Ierodiakonou (ed.), Topics in Stoic Philosophy
(Oxford, 1999) 23–53; A. SPECA, Hypothetical Syllogistic and Stoic Logic (PhAnt 87;
Leiden, 2001). Kurze Zusammenfassungen zur stoischen Logik in IERODIAKONOU, Art.
Logik, 398f; K. HÜLSER, Art. Logik, stoische, EPhW 2 (1984) 687–689.
253 Vgl. FREDE, Stoische Logik, 9–12.
C. Die stoische Aussagenlogik 81

innerhalb der Stoa keine einheitliche Meinung zu logischen Fragen gab254.


Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass trotz möglicher Vorläufer in der
sog. »megarischen Schule«255 die Logik einen eigenständigen philosophi-
schen Wert in der Stoa erst unter ihrem »zweiten Gründer« Chrysipp(os) aus
Soloi (281/77–208/04) erlangt hat256. Er gilt daher in der heutigen Forschung
als Hauptzeuge stoischer Logik, was jedoch nicht impliziert, dass es vor,
neben oder nach ihm keine nennenswerten logischen Beiträge von Stoikern
gegeben hat257. Im Folgenden soll der Ausdruck »stoische Logik« im engeren
Sinne auf die Logik Chrysipps beschränkt bleiben.

1. Die Logik Chrysipps


Im Nebel des Fragmentarischen lassen sich einige klare Umrisse erkennen.
Die beiden wichtigsten Pfeiler sind zum einen die Sprach- und zum anderen
die Argumentationslehre.

a) Weitere sprachphilosophische Überlegungen


Wie bereits erwähnt gehen die Stoiker wie Aristoteles von Aussagesätzen aus.
Stoische Logik hebt sich jedoch dadurch ab, dass sie ihr Augenmerk auf den
Satz als Ganzes und die Verbindung von Sätzen lenkt. Sie gelangt dadurch zu
einer reicheren Kategorisierung von Satzarten258. Chrysipp unterteilt die
Aussageformen in folgende Kategorien:

254 Galen, De libris propriis, 11 schreibt über die Unterschiede in der Logik: »Bei den
Peripatetikern ist die Uneinigkeit (diafwnía) verhältnismäßig klein; bei den Stoikern und
Platonikern aber ist sie groß.« (= FDS, 225) Auch Cicero weiß von innerstoischen Diskrepan-
zen in Sachen Logik zu berichten (Acad. 2,143 = Schäublin, 184–187). Vgl. weiterhin
BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 71f und die Überlegungen von
HÜLSER, der demgegenüber den systematischen Charakter stoischer Logik hervorhebt
(Fragmente I, XLIX–LVI).
255 BOCHENSKI, Formale Logik, 121–125 spricht von »megarisch-stoischer Logik« und
nennt als megarische Vorläufer u.a. Diodoros Kronos, Apollonios Kronos, Eubulides von
Milet und den Sokrates-Schüler Euklid von Megara. Während FREDE, Stoische Logik, 19–23
diese mehrfach vertretene Meinung kritisiert, wird sie von EBERT differenziert und verfeinert,
Dialektiker und frühe Stoiker, vgl. bes. 21–24. Vgl. zu den Megarikern K. DÖRING, Art.
Megariker, DNP 7 (1999) 1143f.
256 Vgl. allgemein zu Chrysipp STEINMETZ, Stoa, 584–625 (Lit!), bes. zur Logik Chry-
sipps S. 593–603. Zu Chrysipp als »Urheber der stoischen Logik« vgl. FREDE, Stoische
Logik, 27f.
257 In der Zeit vor Chrysipp hat v.a. Zenon wichtige sprach- und erkenntnistheoretische
Fragen behandelt. Vgl. dazu A. GRAESER, Zenon von Kition (Berlin, 1974) 8–81. In der Zeit
nach Chrysipp gibt es Hinweise auf einige bedeutsame Beiträge durch Poseidonius (vgl. dazu
BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 71f). Zur Berechtigung der Konzentra-
tion auf Chrysipp vgl. FREDE, Stoische Logik, 29–31.
258 Vgl. dazu die Texte in FDS, 914f.952 und die Diskussion in BARNES / BOBZIEN /
MIGNUCCI, Logic and Language, 97–103.
82 II. Antike Logik im Überblick

Einfache Aussagen (Haplä) sind Aussagen, die weder mit sich selbst noch mit anderen
verknüpft sind:
1. Affirmativ (bejahend): a) Definite Aussagen bestehen aus Prädikat und einem
hinweisenden Begriff (z.B. »Dieser wandelt umher«).
b) Indefinite Aussagen führen ein unbestimmtes Pronomen als
Subjekt (z.B. »Jemand wandelt umher«).
c) In mittleren Aussagen ist ein Appellativ oder eine Eigenname
Subjekt (z.B. »Ein Mensch sitzt«, »Sokrates wandelt um-
her«).
2. Negativ (verneinend): a) Verneinung (hapofatikón) durch die Negation des gesamten
Satzes (z.B. »Nicht [ohu] ist es Tag«).
b) Bestreitung (harnjtikón) durch ein negatives Pronomen als
Subjekt (z.B. »Niemand [ohudeíß] wandelt umher«).
c) Privation (stjrjtikón) durch a-Privativum (z.B. »Ein
Nicht-Menschenfreund [hafilánqrwpoß] ist dieser«).
Nicht-einfache Aussagen (ohuc Haplä) sind Aussagen, die entweder mit sich selbst (z.B. »Es
ist Tag und es ist Tag«) oder mit anderen (z.B. »Wenn es regnet, wird es nass«) durch
Konjunktionen verbunden sind.
1. Konjunktive Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »und«
(haxíwma sumpepljgménon): (kaí) gebildet wird (z.B. »Es ist Tag und es ist hell«).
2. Disjunktive Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »entwe-
(haxíwma diezeugménon): der … oder« (‘jtoi ... ‘j) gebildet wird (z.B. »Entweder ist es
Tag oder Nacht«).
3. Implikative Aussage Zweistellige Aussage, die durch die Konjunktion »wenn«
(haxíwma sunjmménon): (e˙) gebildet wird und in der der Nachsatz aus dem
Vordersatz »folgt«259 (z.B. »Wenn es Tag ist, ist es hell«).

Dass Aussagen aufgrund ihrer Beziehung zu einer außersprachlichen Wirk-


lichkeit mit den Wahrheitswerten »wahr« oder »falsch« belegt werden
können, ist Grundlage der stoischen Logik. Die Frage, wie sich dies genau
bewerkstelligen lässt, ist ein Problem der Erkenntnislehre oder der Metaphy-
sik, jedenfalls nicht der Logik, denn hierbei geht es um die Frage der Refe-
renz zum außersprachlichen Gegenstandsbereich260. Zentral aber für das

259 Formulierung nach DiogL VII 71 (= FDS, 914): Die Implikation ist »die Aussage, die
vermittels des implikativen Satzverknüpfers (Junktor) ›wenn‹ (e˙) zusammengesetzt ist –
dieser Satzverknüpfer (Junktor) besagt, daß das Zweite aus dem Ersten folgt (hepaggélletai
dh Ho súndesmoß oˆutoß hakolouqeïn tò deúteron t^¨w pr´wt^w).«
260 Vgl. DiogL. VI 65: »Ihren Namen hat die Aussage (h axíwma) von haxioüsqai (be-
hauptend in Geltung setzen) her erhalten; wer nämlich sagt: ›Es ist Tag‹, behauptet
offensichtlich mit Geltungsanspruch, daß es Tag ist. Wenn es nun wirklich Tag ist, so ist die
vorliegende Aussage wahr. Wenn aber nicht, dann wird sie falsch.« (= FDS, 874).
STEINMETZ, Stoa, 597: »Eine Vorstellung ist dann wahr, wenn eine Aussage, die sie richtig
beschreibt, wahr ist, und das ist der Fall, wenn sie mit der die Vorstellung verursachenden
Wirklichkeit (den tugcánonta) übereinstimmt. Wenn ich die Vorstellung habe, es sei Tag,
und die Aussage ›Es ist Tag‹ richtig ist, weil es tatsächlich Tag ist, dann ist meine Vorstel-
lung wahr.« Vgl. weiterhin FDS, 1212; FREDE, Stoische Logik, 40–44.
C. Die stoische Aussagenlogik 83

logische Verhältnis von Sätzen ist die Bestimmung des Wahrheitswertes von
zusammengesetzten Aussagen. Im Anschluss an vorgängige Diskussionen
durch die Megariker beschreitet Chrysipp den Weg über den Wahrheitswert
der einfachen Aussagen, aus denen die Gesamtaussage sich zusammensetzt.
Konjunktive Aussagen (durch »und« verbunden) sind nur dann wahr, wenn
beide Aussagen wahr sind. Disjunktive Aussagen (ausschließendes »oder« im
Sinne von aut) sind nur dann wahr, wenn eines der Glieder wahr ist und das
andere falsch. Die implikative Aussage (»wenn…, dann«) ist besonders
problembeladen, da es sehr viele unterschiedliche Formen gibt, die Beziehung
zwischen Vorder- und Nachsatz zu fassen261. Für Chrysipp ist der innere
Zusammenhang (sunártjsiß) ausschlaggebend. Dadurch gelangt er zu zwei
Bestimmungen:
1. Wahr ist eine Implikation dann, wenn das kontradiktorische Gegenteil des Nachsatzes mit
dem Vordersatz unvereinbar ist. So ist z.B. die Aussage »Wenn es Tag ist, ist es hell« wahr,
weil die Kontradiktion »es ist nicht hell« im Widerspruch steht zur Aussage »Es ist Tag«.
2. Umgekehrt ist eine Implikation falsch, wenn das kontradiktorische Gegenteil des
Nachsatzes mit dem Vordersatz vereinbar ist. Die Implikation »Wenn es Tag ist, wandelt
Dion umher« ist falsch, weil die Aussage »Dion wandelt nicht umher« mit »Es ist Tag«
vereinbar ist.

Diese logischen Bestimmungen können in sog. Wahrheitstafeln formal


dargestellt werden (w = wahr; f = falsch):
Konjunktion Disjunktion Implikation262
p q p∧q p q p ›–‹ q p q p→q
w w w w w f w w w
w f f w f w w f f
f w f f w w f w w
f f f f f f f f w

Chrysipp dachte zwar, dass eine Aussage wahr oder falsch sein muss, aber er
war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass aufgrund von Zeit- und
Ortsangaben oder deiktischen Hinweisen (wie »hier« oder »dieser«) der
Wahrheitswert des Sachverhaltes sich ändern kann263. So ist die Aussage »Es
ist Tag« nicht zu jedem Zeitpunkt wahr. Chrysipp fragte daher auch nach dem

261 Die Frage nach dem Wahrheitswert von Konditionalsätzen war in der Zeit vor Chry-
sipp ausgiebig diskutiert worden (Cicero, Acad. 2,143). Vgl. zu den Unterschieden zwischen
der (in der Stoa aufgenommenen) philonischen und der diodereischen Implikation BARNES /
BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 84–86; BOCHENSKI, Formale Logik, 133–136;
KNEALE / KNEALE, Logic, 128–138; FREDE, Stoische Logik, 80–93.
262 Das Konditional wird in der modernen Aussagenlogik auf seine extensionale Bedeu-
tung reduziert: »Es ist nicht der Fall, dass A wahr und B falsch ist.« = ¬ (A ∧ ¬ B) = A → B.
263 Vgl. DiogL. VII 65 (= FDS, 696).
84 II. Antike Logik im Überblick

logischen Status von möglichen, unmöglichen, notwendigen und nicht


notwendigen Aussagen (vgl. das Referat in DiogL. VII 75)264.
Modalität Bestimmung Beispiel
(nach Sachverhalt und äußeren Umständen)
möglich: was (a) wahr sein kann und (b) von äußeren »Diokles lebt.«
Umständen nicht gehindert wird.
unmöglich: was (a) nicht wahr sein kann und (b) von den »Die Erde fliegt.«
äußeren Umständen gehindert wird.
notwendig: was (a) wahr ist und nicht falsch sein kann; oder: »Die Tugend nützt.«
was (a) falsch sein kann, aber (b) von äußeren
Umständen gehindert wird, falsch zu sein.
nicht notwendig: was (a) sowohl wahr als auch falsch sein kann, und »Dion wandelt
(b) von äußeren Umständen nicht gehindert wird. umher.«

b) Die Argumentations- und Schlusslehre265


Die Hauptbegriffe der stoischen Argumentations- und Schlusslehre werden
von Diogenes Laertios knapp eingeführt:
»Das Argument (tòn lógon) selbst sei ein System aus Prämissen und Konsequenz
(sústjma hek ljmmátwn kaì hepiforäß). Der Syllogismus aber sei ein aus diesen
Komponenten bestehendes syllogistisches Argument (tòn dè sullogismòn lógon
sullogistikòn hek toútwn). Und der Beweis (hapódeixin) sei ein Argument, welches das
weniger Erkannte korrekt aus dem besser Erkannten erschließt (dià t¨wn mällon katalam-
banómenon peraínonta).« (DiogL. VII 45 = FDS, 1037)

Die stoische Logik benutzt für die Aussagen Variablen wie »das erste«, »das
zweite« oder »a«, »b«. Im Gegensatz zum aristotelischen System stehen diese
nicht für Begriffe, sondern für einfache Aussagen. Ein typischer stoischer
Schluss hat die folgende Form:
Wenn p, dann q. Wenn es Tag ist, dann ist es hell.
Aber (dé) p. Nun gilt: Es ist Tag.
Also (‘ara) q. Also ist es hell.
Häufig besteht die »leitende Prämisse« (Hjgemonikòn l¨jmma) aus einer nicht-
einfachen und die »Zweitprämisse« (prósljyiß) aus einer einfachen
Aussage. Dass ein Schluss nur aus mehreren Prämissen gezogen werden kann,
war auch in der Stoa die orthodoxe Sicht266. Die logische Gültigkeit eines
syllogistischen Schlusses hängt von seiner Rückführbarkeit auf eine der sog.

264 Hierwerden Aspekte der modernen Modallogik vorweggenommen, welche die sog.
»alethischen« Modalitäten berücksichtigt: »notwendig« (Symbol: Δ,  oder L) und »mö-
glich« (Symbol: ∇,  oder M). Vgl. K. LORENZ, Art. Modallogik, EPhW 2 (1984) 907–911.
265 Vgl. zum Folgenden BARNES / BOBZIEN / MIGNUCCI, Logic and Language, 121–157.
266 »Schlüsse« der Form »p, deshalb p«, »p und q, deshalb p« oder »p, dehalb p oder q«
wären stoisch betrachtet unzulässig.
C. Die stoische Aussagenlogik 85

fünf unbeweisbaren Formen (hanapódeiktoß)267 ab. Es handelt sich dabei um


Regeln, mit deren Hilfe aus einer Reihe unbeweisbarer, weil direkt evidenter
Sätze wahre Aussagen gewonnen werden können. Die fünf »Grundsyllogis-
men« werden bei Sextus und Diogenes Laertios ausführlich dargestellt268:
Beschreibung a) Beispielsatz; b) Modusformel Form269
1. »Wenn ein Argument zwei Prämissen hat, a) »Wenn es Tag ist, ist es hell; p→q
von denen die eine eine Implikation und die nun aber ist es Tag; also ist es p→q
andere der in der Implikation enthaltene Vor- hell.« (modus ponens) q
dersatz ist, und wenn es außerdem als Konse- b) »Wenn das Erste, dann das
quenz den in derselben Implikation enthaltenen Zweite; nun aber das Erste; also
Nachsatz hat.« (Sextus) das Zweite.«
2. »Wenn ein Argument wiederum aus zwei a) »Wenn es Tag ist, ist es hell; p→q
Prämissen zusammengestezt ist, von denen die nun aber nicht: es ist hell; also ¬q
eine eine Implikation und die andere der kon- nicht: es ist Tag.« 270 (modus ¬p
tradiktorische Gegensatz des in der Implikation tollens)
enthaltenen Nachsatzes ist, und wenn es außer- b) »Wenn das Erste, dann das
dem als Konsequenz den kontradiktorischen Zweite; nun aber nicht das Zwei-
Gegensatz des Vordersatzes hat.« (Sextus) te; also nicht das Erste.
3. »Das dritte unbeweisbare Argument ist das- a) »Nicht: sowohl es ist Tag, als ¬(p∧q)
jenige, welches aufgrund einer negativen Kon- auch es ist Nacht; nun ist es Tag; ¬(p∧q)
junktion und einem der Konjunktionsglieder also nicht: es ist Nacht.« ¬q
den kontradiktorischen Gegensatz des verblei- b) »Nicht: sowohl das Erste als
benden Konjunktionsglieds als Schlusssatz auch das Zweite; nun aber das
hat.« Erste; also nicht das Zweite.«
4. »Der vierte unbeweisbare Syllogismus ist a) »Entweder es ist Tag, oder p ›–‹ q
der Typ von Argumenten, der aufgrund einer aber es ist Nacht; nun ist es Tag; p ›–‹ q
Disjunktion und eines der Disjunktionsglieder also nicht: es ist Nacht.« ¬q
[als Prämissen] den kontradiktorischen Gegen- b) »Entweder das Erste, oder
satz des verbleibenden Disjunktionsglieds als aber das Zweite; nun aber das
Schlusssatz hat.« Erste: also nicht das Zweite.«
5. »Der fünfte unbeweisbare Syllogismus, das a) »Entweder es ist Tag, oder p ›–‹ q
ist die Klasse all der Argumente, die aus einer aber es ist Nacht; nun aber nicht: ¬p
Disjunktion und dem kontradiktorischen Ge- es ist Nacht; also: es ist Tag.« q
gensatz eines der Disjunktionsglieder kons- b) »Entweder das Erste oder das
truiert werden und deren Konsequenz das ver- Zweite; nun aber nicht das Erste;
bleibende Disjunktionsglied ist.« also das Zweite.«

267 DiogL. VII 79 (= FDS, 1036).


268 Die Zitate in der folgenden Tabelle stammen für 1–3 aus Sextus Empir., Adv. Math.
VIII,224–227 (= FDS, 1131) und 4–5 aus DiogL. VII 80f (= FDS, 1036).
269 Die fünf stoischen Axiome sind auch in der modernen Aussagenlogik gültig. Daher
wird hier die knappe Formel in moderner »Schreibweise« geboten.
270 An dieser Stelle ist der sonst sehr zuverlässigen Darstellung von BARNES / BOBZIEN /
MIGNUCCI, Logic and Language, 128 ein bedauernswerter Fehler unterlaufen. Die Wiederga-
be der Beschreibung des zweiten Axioms ist korrekt, der Beispielsatz, der sich sowohl bei
Sextus als auch bei Diogenes Laertios findet, ist jedoch falsch angegeben: »If it is day, it is
light. Not: it is day. Therefore not: it is light.«
86 II. Antike Logik im Überblick

Diese »Unbeweisbaren« sind selbstevident und dienen als formale Matrix für
die Bestimmung syllogistischer Gültigkeit271. Auf diese Grundtypen lassen
sich dann weitere »beweisbare« Syllogismen zurückführen.

2. Historische Beziehungen und Auswirkungen stoischer Logik


Die historischen Beziehungen zwischen den Vertretern stoischer Logik und
der heute viel klarer greifbaren Logik des Aristoteles lässt sich anhand der
Quellen nicht mit Gewissheit klären. Bereits in den spätantiken Aristote-
les-Kommentaren werden Elemente stoischer Logik integriert, so dass das
stoische System ab dem 2. Jh. n.Chr. immer weniger als eigenständige Größe
erkennbar wird272. Diese Entwicklung hat sich bis ins 19. Jh. in Form des
wissenschaftlichen Konstrukts einer einheitlichen »antiken Logik« – die es so
nie gab – fortgesetzt273. Die stoische Logik ist erst im 20. Jh. aus ihrer
aristotelischen »Umklammerung« gelöst und als sachlich eigenständiges
System gewürdigt worden.
Was das Verhältnis der stoischen zur aristotelischen Logik betrifft, so ist
unsicher, ob Chrysipp das aristotelische logische Werk kannte. Die verschie-
denen Schulen in Athen waren sich jedoch geographisch so nahe, dass
Querbezüge vorstellbar sind. Unterstützung erhält diese Vermutung durch
Plutarch, der aus Chrysipps »Über die Dialektik« Folgendes entnimmt:
»Im dritten Buch ›Über die Dialektik‹ weist er darauf hin, daß Platon und Aristoteles sich
ernsthaft um die Dialektik bemüht haben (hespoúdase perì t`jn dialektik´j n), desgleichen
ihre Nachfolger bis hin zu Polemon und Straton, ganz besonders aber Sokrates; und er fügt
hinzu, daß man wegen der großen Zahl und der Qualitäten dieser Leute sogar bereit wäre,
sich mit ihnen auf Irrwege einzulassen (sunexamartánein).« (De Stoic. repugn. 24, 1045F–
1046A = FDS, 217)

271 Die lateinischen Autoren haben diese Liste durch zwei weitere »Syllogismen« erwei-
tert, die jedoch kaum etwas zu den fünf Syllogismen Chrysipps beitragen. Vgl. Cicero, Top.
12,53–14,57 (= FDS, 1138); Boethius, Cic. Top. 355–358 (= FDS, 1140); Galen, Inst. Log.
5,3f (= FDS, 1119); 6,7 (= FDS, 1152); 15,1–11 (= FDS, 1153).
272 Vgl. zu Galen(os) o. S. 30.
273 Typisch etwa für die Forschungslage bis ins 19. Jh. ist die Darstellung in PRANTL,
Geschichte der Logik, I, 401–496, der der stoischen Logik Minderwertigkeit bescheinigt und
sie gänzlich der aristotelischen unterordnet. Als typisch kann das folgende (Fehl)urteil gelten:
»Materiell Neues in der Logik hat Chrysippus eigentlich nicht geschaffen, denn er wiederholt
nur das bei den Peripatetikern schon Vorhandene sowie die von den Megarikern aufgebrach-
ten Einzelheiten; seine Thätigkeit besteht darin, dass er in der Behandlungsweise des
Materials zu einem bemitleidenswerthen Grade von Plattheit, Trivialität und schulmässiger
Abschachtelung heruntersank …« (408). Der entscheidende Anstoß zur Entdeckung der
stoischen Logik als einem eigenständigen und wissenschaftlich relevanten Entwurf kam von
dem bedeutenden polnischen Logiker J. LUKASIEWICZ, Zur Geschichte der Aussagenlogik,
Erkenntnis 5 (1935) 111–131.
C. Die stoische Aussagenlogik 87

Wenn Plutarch den Inhalt der chrysippischen Dialektik korrekt wiedergege-


ben hat, dann würde dies bedeuten, dass Chrysipp die Logik des Peripatos mit
Respekt aber auch mit kritischer Distanz zur Kenntnis nahm. Von einer
direkten Beeinflussung ist daher kaum zu sprechen274. In der Folgezeit haben
die Vertreter der beiden Schulen ihre jeweiligen Logik-Systeme als einander
ausschließend gegeneinander zu behaupten versucht275. Dies verstärkt den
Eindruck, dass wir es bei der stoischen Logik mit einer genuin eigenständigen
und von Aristoteles unabhängigen Entwicklungslinie zu tun haben. Dass
Chrysipp sehr viel intensiver an Fragen der Logik gearbeitet hat als Aristote-
les und seine Nachfolger, lässt sich nicht nur einem Hinweis Ciceros entneh-
men276, sondern auch der beeindruckend langen Liste logischer Schriften
Chrysipps, die Diogenes Laertios aufführt277. Der fragmentarische Zustand
der Texte zur stoischen Logik – ein bedauernswerter Zufall der Überliefe-
rung – darf über diese Tatsache nicht hinwegtäuschen.
In der frühen Kaiserzeit waren die Gebildeten nach Cicero ohne weiteres in
der Lage, die Logik der Peripatetiker und die der Stoiker voneinander zu
unterscheiden:
»Von einem wirklich guten Redner erwarte ich also, daß ihm die gesamte dialektische
Methodik bekannt ist, soweit sie mit der Vortragsrede in Verbindung gebracht werden kann.
Wie du […] zweifellos weißt, wurde dieses Gebiet auf zweierlei Art bearbeitet (duplicem
habuit docendi viam). Denn einerseits hat Aristoteles selbst sehr viele Argumentationsregeln
niedergelegt; und andererseits haben später die sogenannten Dialektiker noch weitaus
spitzfindigere Vorschriften entwickelt. Wer sich daher vom Ruhm der Beredsamkeit abziehen
läßt, der darf, so meine ich, auf diesem Gebiet nicht völlig ungebildet sein; vielmehr soll er
entweder nach jener alten Schule oder nach der des Chrysipp (vel illa antiqua vel hac
Chrysippi disciplina institutum) ausgebildet sein.« (Orator 32,114f = FDS, 38)

Die Formulierung Ciceros legt zudem nahe, dass die Logik Chrysipps als die
»moderne Logik schlichtweg« galt278. Bedenkt man ferner das Schicksal der
aristotelischen Schriften bis zur Edition des Andronikos von Rhodos im 1. Jh.
v.Chr.279, dann erscheint die Annahme mehr als plausibel, dass im 1. Jh.

274 Vgl. BARNES, Aristotle and Stoic Logic, 23–53 und auf genereller Ebene F.H.
SANDBACH, Aristotle and the Stoics (Proceedings of the Cambridge Philological Society.
Supplementary vol. 10; Cambridge, 1985). Für sachliche Einflüsse auf dem Gebiet der
Sprachtheorie plädiert vorsichtig W. AX, Der Einfluß des Peripatos auf die Sprachtheorie der
Stoa, in: Döring / Ebert, Dialektiker und Stoiker, 11–32.
275 Vgl. FREDE, Stoic vs. Aristotelian Syllogistic, AGPh 56 (1974) 1–32; I. MUELLER,
Stoic and Peripatetic Logic, AGPh 51 (1969) 173–187.
276 Cicero, Fin. IV,9 = FDS 252: »Wenn auch Chrysipp an diesen Dingen sehr intensiv
gearbeitet hat (a Chrysippo maxime est elaboratum)…«
277 DiogL VII 189–202 = FDS 194. Vgl. dazu J. BARNES, The Catalogue of Chrysippus,
in: K.A. Algra et al. (eds.), Polyhistor: Studies in the History and Historiography of Ancient
Philosophy (FS J. Mansfeld; PhAnt 72; Leiden, 1996).
278 FREDE, Stoische Logik, 27.
279 S.o. Exkurs S. 74ff.
88 II. Antike Logik im Überblick

n.Chr. nicht die aristotelische, sondern die stoische Logik das philosophische
Feld beherrschte280. Noch im 3. Jh. weiß Diogenes Laertios zu berichten,
»dass die meisten Leute meinten, falls es bei den Göttern eine Dialektik gäbe,
so würde es sich wohl um keine andere handeln als um die des Chrysipp«281.
Es stellt sich jedoch die Frage, welche Bedeutung der Logik in der
stoischen Philosophie während der Kaiserzeit überhaupt zukam. Die Tatsache,
dass bekannte Stoiker wie Seneca, Musonius, Epiktet und Marc Aurel sich
vorrangig mit ethischen Problemen beschäftigten, spricht eher gegen ein
ausgeprägtes logisches Interesse.
Der stoische Kaiser Marc Aurel äußert sich in seinen Selbstbetrachtungen wiederholte Male
negativ über die Logik: So dankt er den Göttern u.a. auch dafür, dass er bei seinem philoso-
phischen Streben nicht einem Sophisten verfiel und sich »nicht hinsetzte, Gemeinplätze zu
verfassen oder Syllogismen aufzulösen« (I,17,22: hepì tò tópouß suggráfein ’j sullogis-
moùß hanalúein; übers. Theiler; vgl. a. VII,67,3). Die minderwertige Bedeutung der Logik
ist v.a. darin begründet, dass sie den Menschen nicht dem Glück näher bringt. Das glückliche
Leben findet sich nämlich »nicht in Syllogismen (ohuk hen sullogismoïß), nicht im
Reichtum, nicht im Ruhm, nicht im Genuß«, sondern in einem Leben im Einklang mit der
Natur (VIII,1,5; übers. Theiler). Der Briefwechsel zwischen N. Cornelius Fronto und seinem
(ehemaligen) Schüler Marc Aurel legt jedoch nahe, dass wir es hierbei sehr wahrscheinlich
mit einer Alterseinsicht zu tun haben. Fronto, der berühmte Redner, zeigt sich nämlich in
seinen Briefen »über die Redekunst« (de eloquentia) sehr darum bemüht, seinen Schüler von
der Logik abzubringen und für die Redekunst zu gewinnen 282.
Das Werk Senecas bietet ein ähnliches Bild 283: In ep. V 45 (Rosenbach, III, 346–357)
führt der Philosoph einen »Streit mit den Dialektikern« (V 45,13: lis cum dialecticis), bei dem
ein Argument im Zentrum steht: Die logische Beschäftigung mit Wortbedeutungen,
Fehlschlüssen und Spitzfindigkeiten ist angesichts der Herausforderungen, die die Philoso-
phie zu meistern hat, nichts als Zeitverschwendung (s.a. V 49,7). An verschiedenen Stellen

280 Zudiesem Ergebnis gelangt die große Studie von MORAUX, Aristotelismus, I, 169:
»Die einzige formale Logik, die nach dem Einschlafen des Peripatos nach den ersten
Nachfolgern des Aristoteles und bis zur Wiederbelebung durch Andronikos praktiziert wurde,
war eben die der Stoiker. Trotz ihrer Herkunft muss sie weniger als die Logik einer Schule
denn als die moderne, fortgeschrittene Logik überhaupt erschienen sein.«
281 DiogL VII 180 (= FDS 154).
282 Fronto sieht mit großer Sorge, dass Marc Aurel sich mit Fehlschlüssen beschäftigt und
dabei die Rhetorik vernachlässigt (2,13 [van den Hout, 141] = 1,14 [Haines, II, 66f]). Sein
Schüler folge dabei einer weit verbreiteten Unsitte (4,5 [van den Hout, 149] = 3,4 [Haines, II,
74f]). Fronto erinnert ihn nicht nur daran, dass der sicherlich vom jungen Marc Aurel hoch
geschätzte stoische Logiker Chrysipp von vielen rhetorischen Redeformen Gebrauch gemacht
hat (2,14f [van den Hout, 141f] = 1,15f [Haines, II, 66–69]), er malt ihm ferner den
einschläfernden Logik-Unterricht aus (5,4f [van den Hout, 151f] = 4,3f [Haines, II, 82–85]
und beschwört ihn geradezu: »Tell me, I pray you, do you take anything in from your
dialectics? are you proud of taking in anything?« (1,18b [Haines, II, 71] = 2,17 [van den
Hout, 144: dic, obsecro, mihi: de dialecticis istis ecquid tenes? ecquid tenere te gaudes?)
283 Vgl. dazu BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 10–23. F ENSKE, Argumentation, 34
betont nur die negative Seite von Senecas Stellungnahmen.
C. Die stoische Aussagenlogik 89

bedenkt Seneca Fehlschlüsse, die zu seiner Zeit diskutiert wurden, mit beißendem Spott284.
Aus seiner Sicht handelt es sich um kindische Belanglosigkeiten (pueriles ineptias), die den
Menschen nicht auf den Tod vorbereiten oder in Armut oder Reichtum helfen (V 48,6f;
Rosenbach, III, 378–381; s.a. X 82,8f.19). Obwohl solche Diskussionen unnütz sind (V 49,5),
sollte man »einen Blick auf derlei werfen, aber es darf nur betrachtet und von der Schwelle
aus gegrüßt werden zu dem einen Zweck, daß wir uns nicht Worte vormachen lassen und
meinen, ihnen wohne ein großes und geheimes Gut inne« (V 49,6; Rosenbach, III, 389). Die
Art und Weise, wie Seneca über den Briefadressaten Lucilius auf eine breitere Öffentlichkeit
einzuwirken versucht, zeigt, dass es ein großes Interesse v.a. der Jugend an solchen logischen
Diskussionen gab, welches der Philosoph einschränken will285. Ferner ist zu beachten, dass
Senecas Kritik nicht der Logik schlechthin gilt, sondern ihrer Überbewertung angesichts der
»großen« philosophischen Fragen nach Leben und Tod286. Die lange Kette von syllogisti-
schen Argumenten gegen den Reichtum in ep. IX 87,11–41 macht deutlich, dass Seneca ein
logischer »Utilitarist« ist, der immer dann gerne auf logische Schlüsse rekurriert, wenn diese
für die Erhellung moralischer Fragen nützlich sind.

Die negativen Aussagen zur Logik von bekannten stoischen Philosophen


lassen sich nicht ohne weiteres als Beleg für ein allgemeines Desinteresse an
logischen Fragen anführen. Der polemische Ton legt viel eher nahe, dass die
zitierten Autoren gegen eine zu eifrige Beschäftigung mit logischen Quisqui-
lien (oder was sie dafür hielten) argumentieren. Die z.B. von Frede vertretene
Meinung, »daß die stoische Logik von der Alten Stoa entwickelt, von der
Mittleren und Neuen Stoa aber so vernachlässigt worden ist, daß sie völlig
verfiel«287, bedarf demnach einer differenzierteren Sicht. Leider wissen wir
nur sehr wenig über stoische Logiker aus der Kaiserzeit288. Das Werk Epiktets
gibt jedoch klarere Auskunft über den Stellenwert der Logik289:
Epiktet hat bei Musonius Rufus Logik gelernt290. Neben einem Traktat über den Gebrauch
von äquivoken Prämissen und hypothetischen Argumenten (I,7: perì t¨jß creíaß t¨wn

284 Er nennt u.a. den Horn-Fehlschluss (V 45,8), das Lügner-Paradox (V 45,10), den
Maus-Fehlschluss (V 48,6–7: Maus ist eine Silbe. Eine Maus nagt den Käse. Also: Eine Silbe
nagt den Käse.) und den Vers-Fehlschluss (XIX–XX 113,25f: Ein guter Vers ist ein Gut.
Jedes Gut ist ein Lebewesen. Also: Ein Vers ist ein Lebewesen.).
285 Viele der diskutierten Fehlschlüsse werden Seneca von Lucilius als Frage vorgelegt
(z.B. V 45,10; 48,6f).
286 Es ist nicht klar, seit wann der Topos der Nützlichkeit von Logik, der etwa bei Galen
begegnet, philosophisch diskutiert wurde. Vgl. dazu J. BARNES, Galen and the Utility of
Logic, in: J. Kollesch / D. Nickel (Hrsg.), Galen und das hellenistische Erbe (Sudhoffs
Archiv Beihefte 32; Stuttgart, 1993) 33–52.
287 Vgl. FREDE, Stoische Logik, 31; BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 3 nennt diese
Meinung »a commonplace«.
288 Vgl. zu möglichen Kandidaten BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 4f mit Anm. 19.
289 Vgl. BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 24–145.
290 Eine kleine biographische Anekdote dazu findet sich in I,7,32 (Oldfather, I,56f):
Epiktet berichtet davon, dass Musonius Rufus ihm vorgeworfen habe, eine fehlende Prämisse
in einem Syllogismus nicht erkannt zu haben (tò paraleipómenon ”en hen sullogism^¨w tini
ohuc e“uriskon). Epiktet erwiedert, dass das wohl kaum so schlimm sei, als ob er das Kapitol
niedergebrannt hätte. Musonius entgegnet: »Sklave, das Fehlen ist das Kapitol!«
90 II. Antike Logik im Überblick

metapiptóntwn kaì Hupoqetik¨wn) und einem über die Notwendigkeit der Logik (II,25: p¨wß
hanagkaïa tà logiká) greift Epiktet im Verlauf seiner Argumentation zuweilen auf logische
Argumentationsformen zurück (z.B. I,8,1–3; II,20,2f; IV,1,61)291. Er drückt explizit das aus,
was Seneca in seinen Angriffen gegen die »Dialektiker« zu implizieren scheint: Logik war in
den ersten beiden Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bei vielen Philosophen besonders
beliebt. In III,2,1–4 unterscheidet er drei Gebiete des philosophischen Studiums, die zur
menschlichen Vollendung führen: die Gefühle (Ho perì tà páqj), die gesellschaftliche
Pflicht (Ho perì tò kaq¨jkon) und schließlich die Vermeidung von Irrtümern (Ho perì t`j n
hanexapatjsían) 292. Dass mit Letzterem die Logik gemeint ist, macht schließlich seine
Klage über die »heutigen Philosophen» (oÓ nün filósofoi) deutlich (III,2,6): Diese
übergehen nämlich das erste und das zweite Gebiet und konzentrieren sich auf das dritte, auf
»äquivoke Prämissen, durch Fragen gewonne (Syllogismen), hypothetische Prämissen und
Lügner-Paradoxa« (metapíptontaß, t^¨w hjrwt¨jsqai peraínontaß, Hupoqetikoúß,
Yeudoménouß; Oldfather II,22–25)293. Für Epiktet ist jedoch die Beschäftigung mit den
beiden ersten Gebieten grundlegend (III,2,3f) und mit der Logik soll sich jemand erst dann
beschäftigen, wenn die ethische Vollendung erreicht ist (III,2,7: tòn kalòn kaì hagaqón) 294.

Die Stoiker der Kaiserzeit zeigen gerade mit ihren Invektiven gegen die
Logik, welche Anziehungskraft dieser Teil der Philosophie damals ausübte295.
Für das kulturelle Umfeld des Paulus bedeutet dies zweierlei: Die dominie-
rende Form von Logik war die chrysippisch-stoische und diese war im
philosophischen Diskurs der Zeit höchst präsent296.

291 Zum Gebrauch logischer Fachtermini in Epiktet vgl. BARNES, Logic and the Imperial
Stoa, 27–29.
292 Die Dreiteilung ist häufig in Epiktet (vgl. I,4,11f; 17,22–24).
293 Vgl. a. II,23,41. Eine ähnliche Argumentation begegnet in Ench. 52: »[W]e spend our
time in the third division, and all our zeal is devoted to it, while we utterly neglect the first.«
(Oldfather, II, 536f). Epiktet beklagt sich über junge Philosophen, die bei einem Gastmahl
mit ihren Kenntnissen über hypothetische Argumente prahlen (I,26,9; s.a. II,19,8–10).
294 Vgl. I,4,6–9: Die Lektüre der Schriften Chrysipps vermag nicht, Fortschritt in der
Tugend zu erbringen.
295 In diesem Sinne beschließt BARNES, Logic and the Imperial Stoa, 126 seine Studie
über Epiktet: »[H]is contemporaries – Stoic teachers and Stoic pupils – were obsessed not by
ethics but by logic; they gave themselves to logical matters with a passion, a single-
mindedness, and no doubt a pedantry which galled Epictetus – as it had galled Seneca […]
Nonetheless, it seems to me beyond doubt that logic engrossed men during this period in the
history of philosophy as it has rarely engrossed men in any other period.«
296 Historisch sind demnach Querbezüge zwischen paulinischem Gedankengut und
stoischer Logik denkbar (vgl. jedoch zum Status dieser Frage o. S. 23ff). Neuere Studien zum
Themenfeld »Paulus und die Stoa« gehen auf die Logik nicht ein (vgl. M.L. COLISH, Stoicism
and the New Testament: An Essay in Historiography, ANRW II.26.1 [1992] 334–379; T.
ENGBERG-PEDERSEN, Paul and the Stoics [Edinburgh, 2000]). Wenn wir den Blick in die
frühere Theologiegeschichte ausweiten, dann lassen sich Spuren stoischer Logik deutlich bei
Origenes und Augustin nachweisen (vgl. HEINE, Stoic Logic; BUCHER, Logik bei Augusti-
nus).
III. Analyse paulinischer Texte

A. Vorfragen: Textwahl und logische Analyseschritte

Die im Folgenden behandelten Texte sollen einen exemplarischen Einblick in


die logische Struktur paulinischer Argumentationsgänge gewähren. Eine
Auswahl muss neben rein arbeitsökonomischen Gründen auch sachlich
begründet sein1: 1Kor 15,12–19 darf in einer Arbeit zur Logik paulinischer
Aussagen nicht fehlen, weil es nur zu diesem Text eine Logik-Debatte gibt,
die sich mit den Zielsetzungen der vorliegenden Untersuchung deckt. Gal
3,6–14 und Röm 1,18–3,20 stellen zentrale argumentative Texte dar, die beide
relativ zu Beginn längerer Ausführungen stehen und beide auf Schriftbeweise
und christliche Bekenntnisformeln rekurrieren. Der Argumentationsverlauf
von Gal 3,6–14 wird von vielen Exegeten als besonders verwirrend empfun-
den, so dass sich hier die Frage nach der Logik in besonderem Maße auf-
drängt. An der theologischen Kohärenz von Röm 1,18–3,20 bestehen ebenso
Zweifel. Zudem stellt sich hier das Problem der logischen Analyse einer
längeren Argumentation.
Da logische Analyse nicht Bestandteil gegenwärtiger Exegese ist, möchte
ich einige Überlegungen zur methodischen Anwendung dieser Fragestellung
in der Exegese anschließen:
Logische Analyse versucht zwar, von rein inhaltlichen Fragen zu abstrahie-
ren, da aber konkrete alltagssprachliche Äußerungen selten so präzise sind,
dass sie sich gleich logisch formalisieren ließen, kann auf die exegetische
Beschäftigung mit dem Text nicht verzichtet werden. Um zu einer logisch
verwertbaren Formalisierung zu gelangen, sind vor allem exegetische
Verfahren wichtig, die auf der Textebene das Argumentationsziel2 und die
sprachlich-rhetorischen Dimensionen zu erfassen helfen, und jene, die die

1 Ein früherer Versuch meinerseits, anhand von rein formal-sprachlichen Kriterien die
argumentative Dichte von paulinischen Textpassagen quasi-objektiv zu erfassen, ist gerade
aufgrund der Diskrepanz zwischen sprachlich-grammatikalischer und logischer Form (s.u. S.
93) gescheitert.
2 Hier helfen einfache Fragen wie: Was ist der fragliche oder strittige Punkt? Welche
Partner stehen sich gegenüber? Welche Positionen werden zu diesem Fraglichen bezogen?
Von welcher gemeinsamen Basis aus wird argumentiert? Welche These soll verteidigt oder
widerlegt werden? Welche Argumente liegen vor?
92 III. Analyse paulinischer Texte

vom Text aufgerufenen enzyklopädischen Kompetenzbereiche erhellen3. Die


Übersetzung der für die Logik interessanten Partikeln (z.B. gár, “wste, usw.)
stellt ein besonderes Problem dar, auf das in der Exegese besonders geachtet
werden muss.
Auf der Grundlage solcher exegetischen Analyseschritte kann die logische
Analyse einsetzen. Diese verfolgt das Ziel, die logische Gestalt eines sprach-
lichen Schlusses so offen zu legen, dass eine Entscheidung über die Gültigkeit
des Schlusses anhand der Satzform und nicht anhand des Satzinhalts getroffen
werden kann. Ich möchte dazu einen Dreischritt vorschlagen, der sicherlich
nicht in jedem Fall streng schematisch zu befolgen ist: Bestimmung der
logisch relevanten Sätze, Formalisierung und Prüfung der Gültigkeit.
1. Bestimmung logisch relevanter Sätze: In der Regel sind Fragesätze,
Ausrufe, Gebete, Wünsche und Befehle für die logische Analyse irrelevant4.
Meistens kann es eine Hilfe sein, wenn aus den relevanten Aussagesätzen,
insofern sie eine komplexe Struktur aufweisen, sog. Elementar- oder »Atom-
sätze« gebildet werden.
Auf Folgendes ist dabei zu achten: a) Passive Formen sollten möglichst in aktive umgewan-
delt werden. b) Manchmal kann es sinnvoll sein, Genitivkonstruktionen aufzulösen, bildliche
Sprachfiguren umzuformulieren und Ellipsen zu vervollständigen. c) Am Ereignis beteiligte
»Agenten« sollten als Subjekte der betreffenden Verbalhandlung genannt werden (z.B. im
Falle eines Passivum divinum). d) Verben des Mitteilens, Meinens und Wahrnehmens und
Redewendungen der Einleitung, des Einschubs oder des Abschlusses sind logisch irrelevant
und können ausgeklammert werden.
2. Formalisierung5: Der heikelste und zugleich schwerste Schritt jeder
logischen Analyse besteht im Versuch der Formalisierung. Diese bildet
jedoch nicht das Ziel der Analyse, sondern einen Zwischenschritt, um die
Rückführbarkeit auf eine logisch gültige Form im wahrsten Sinne des Wortes
sichtbar zu machen. Dabei gilt es einige Regeln zu beachten:

3Rhetorische Fragestellungen sind dabei ebenso wichtig wie eine möglichst genaue
Klärung des Streitpunkts, bzw. des persuasiven Ziels. Die Betrachtung des unmittelbar
voranstehenden Kontextes kann insofern von Bedeutung sein, weil der zu behandelnde Text
u.U. Prämissen voraussetzt, die vorher bereits genannt worden sind. Nicht alle fachexegeti-
schen Probleme, derer es in den betreffenden Texten wahrlich nicht mangelt, sind für die hier
gestellte Aufgabe gleichermaßen relevant.
4 Die Exegese kann allerdings in begründeten Fällen zeigen, dass sich hinter einem
Fragesatz in Wirklichkeit eine für die Schlussfolgerung unabdingbare Aussage verbirgt (z.B.
in Form einer rhetorischen Frage). Diese wäre in der logischen Analyse zu berücksichtigen.
5 Vgl. zum Folgenden G. BRUN, Die richtige Formel: Philosophische Probleme der
logischen Formalisierung (Frankfurt a.M., 2003); R.M. SAINSBURY, Logical Forms (Oxford,
1993). Beispiele für Formalisierungen von längeren Textpassagen sind mir kaum begegnet.
Ein faszinierendes theologisches Beispiel bearbeitet einen Text von Anselm: J.L. SCHERB,
Anselms philosophische Theologie (MPhS N.F. 15; Stuttgart, 2000).
A. Vorfragen: Textwahl und logische Analyseschritte 93

a) Sprachliche und logische Form sind nicht identisch. Eine der größten
Schwierigkeiten in der Praxis der Formalisierung ist auf den Umstand der
Inkongruenz zwischen Alltagssprache und logischer Form zurückzuführen.
Ein Beispiel: Der alltagssprachliche Satz »Der Sommer kommt und die Menschen gehen ins
Freibad«, ist für eine logische Formalisierung nicht auf Anhieb zugänglich. Das hängt mit
den vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Konjunktion »und« zusammen. Rein
mechanisch wäre man versucht, den Satz als logische Konjunktion zu fassen: S∧M. Nach den
Wahrheitskriterien der Stoiker wäre der zusammengesetzte Satz nur dann wahr, wenn beide
Aussagen wahr sind. Er wäre also auch dann falsch, wenn der Fall eintritt, dass der Sommer
nicht kommt und die Menschen nicht ins Freibad gehen. Vielleicht ist aber der Sinn der
Aussage präziser wiederzugeben mit: »Wenn der Sommer kommt, dann gehen die Menschen
ins Freibad.« In der logischen Analyse wäre dieser Satz als Implikation zu formalisieren:
S→M. Diese logische Form hat eine andere Wahrheitstabelle, je nachdem welcher Wahr-
heitswert den einzelnen Teilsätzen zugeordnet wird. Die Entscheidung, welche von beiden
Formalisierungen angemessener ist, kann ohne eine Auslegung der betreffenden Aussage
nicht gefällt werden 6.

b) Insbesondere die aristotelische Logik kann nicht jeden Aussagesatz


formal erfassen. Eine wichtige Beschränkung betrifft z.B. Aussagen, die
Relationen ausdrücken7. Aussagen der Art »A und B sind miteinander
verwandt«, oder »A liegt zwischen B und C«, sind aristotelisch nicht formali-
sierbar. Während die stoische Aussagenlogik jeden Aussagesatz formalisieren
kann, ist die aristotelische Syllogistik reduziert auf Aussagesätze der Form
»Von allen/keinen/einigen B wird A ausgesagt/nicht ausgesagt«. Wenn man
also den Weg der aristotelischen Syllogistik wählt, dann sind komplexe Sätze
auf ihre zentralen Terme zu reduzieren und möglichst in einfachen Aussage-
sätzen wiederzugeben – auch wenn die sprachliche Eleganz auf der Strecke
bleibt8. Es handelt sich nur um eine »Hilfsstütze« für die Analyse.
c) Zwischen einer aussagenlogischen und einer prädikaten- oder termlogi-
schen Formalisierung muss unterschieden werden. Wie bereits dargestellt,
arbeiten beide Systeme mit verschieden engmaschigen Netzen, um die
Beziehung zwischen Aussagen, aus denen etwas gefolgert wird, zu erfassen.
Es geht nicht um die Frage, welches von beiden Systemen »richtig« ist,
sondern nur darum, welches geeigneter ist, um mit möglichst wenig Aufwand
die logischen Strukturen des Textes freizulegen.
d) Die relevanten Sätze müssen in eine logische Form überführt werden.
Die logischen Zeichentypen, die für die Anwendung der antiken Logik

6 Es gibt in der Logik m.W. keine anerkannten, standardisierten Formalisierungsverfah-


ren, die ohne Auslegung der betreffenden Sätze der Alltagssprache auskommen könnten. Das
ist wahrscheinlich der Grund, warum sich Logik-Lehrbücher ihre Sätze »zurechtlegen«, ohne
sich allzu sehr um die Probleme der Alltagssprache zu kümmern.
7 Vgl. BUCHER, Angewandte Logik, 244–248.
8 Der Satz »A liebt B« müsste, um aristotelisch »verwertbar« zu sein, umformuliert
werden in »A ist ein B-Liebender«, usw. Aber: Ästhetische Urteile treffen die Logik nicht!
94 III. Analyse paulinischer Texte

benötigt werden, sind (im Vergleich zur modernen Logik) nicht besonders
zahlreich: Wir benötigen Aussage- und Prädikatenkonstanten (meist Groß-
buchstaben), um – je nach gewähltem System – ganze Aussagen oder einzelne
Terme zu symbolisieren9, und logische Konstanten, um die Verknüpfungen
zwischen den Aussagen (»und«, »oder«, »wenn…dann«, »genau dann wenn«)
und um die Quantoren (»alle«, »keiner«, »einige«, usw.) wiederzugeben. Die
formale Struktur des Textes wird durch die Verbindung dieser Konstanten
sichtbar.
Ein Problem stellt die Vagheit der Sprache und die rhetorische Tugend der variatio dar. So
werden innerhalb eines Abschnittes oftmals verschiedene mehr oder minder kontextsynony-
me Begriffe benutzt, die für die Logik möglichst »semantisch generalisiert« werden müssen.
Die logische Formalisierung muss in manchen Fällen unterschiedliche griechische Begriffe
mit einer Aussagekonstante verknüpfen. Diese semantische Engführung ist nur innerhalb
eines klar gekennzeichneten Kontextes zulässig und auch nur dann, wenn die Exegese das
semantisch rechtfertigt. Solche Schlüsse wären nach wissenschaftlichen Maßstäben inexakt,
weil die Terme nicht wirklich identisch sind; aber für den konkreten Sprachgebrauch ist das
ausreichend.

3. Überprüfung der Gültigkeit: Auf der Grundlage der Formalisierung


kann die logische Struktur auf ihre Gültigkeit hin untersucht werden, entwe-
der anhand der aristotelisch gültigen Schlüsse oder durch die stoischen
axiomatischen Schlussformen.
Die Diskussion um das »Enthymem« (s.o. S. 63ff) hat gezeigt, dass es im konkreten
rhetorischen Vollzug dazu kommen kann, dass nicht jede für einen Schluss notwendige
Prämisse explizite Erwähnung im Text findet. Die Überprüfung der Schlüssigkeit benötigt
aber innerhalb der aristotelischen Syllogistik mindestens zwei Prämissen und eine Konklusi-
on. Der für den Schluss vorauszusetzende Satz muss hier also rekonstruiert und mit
berücksichtigt werden 10. Für die Auffindung solcher impliziten Prämissen empfiehlt es sich,
von der Konklusion auszugehen und im Text nach mindestens einer geeigneten Prämisse zu
suchen. Von den drei syllogistischen Figuren ist in der Praxis die grundlegendste die erste.
Damit sind die wichtigsten Figuren für »Rückschlüsse« auf fehlende Prämissen Barbara,
Celarent, Darii und Ferio.

9
Die verwendeten Buchstaben müssen sich innerhalb einer Analyse immer auf die glei-
che Aussage oder den gleichen Term beziehen.
10 Den Grad der Selbstverständlichkeit, mit der von einer »natürlichen Annahme« ausge-
gangen werden darf, hat die Traditions- und Motivgeschichte zu prüfen.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 95

B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19)11

1Kor 15 steht nicht zufällig, beiläufig oder als Anhängsel am Ende dieses
thematisch so vielseitigen Briefes. Vielmehr bildet dieses Kapitel »Höhe- und
Schlüsselpunkt«, »Spitze und Krone« des gesamten Briefes12. Die Bedeutung,
die diesem Kapitel für die Erschließung paulinischer »Eschatologie« beige-
messen wird, ist ganz ohne Zweifel berechtigt. Die Art und Weise, wie die
Frage der Auferstehungshoffnung von Paulus behandelt wird, deutet darauf
hin, dass sich die theologische »Lehrbildung« auf diesem Gebiet noch in statu
nascendi befand, obgleich die Auferstehung Jesu in der urchristlichen
Missionspredigt von Anfang an fest verankert war (vgl. 15,1–11; Röm 1,3f).
Manche sehen in 1Kor 15 daher nicht ganz ohne Grund eine »in sich ge-
schlossene Abhandlung über die Auferstehung der Toten«13. Diese Einschät-
zung verdankt sich gewiss auch der analytischen Kraft von 15,12–1914.

11 J.-N. ALETTI, L’Argumentation de Paul et la position des Corinthiens. 1Co 15,12–34,


in: L. de Lorenzi (ed.), Résurrection du Christ et des Chrétiens (1 Co 15) (Rome, 1985) 63–
97; M. BACHMANN, Zur Gedankenführung von 1Kor 15,12ff, ThZ 34 (1978) 265–276;
Rezeption von 1. Kor. 15 (V. 12ff) unter logischem und unter philologischem Aspekt,
LingBibl 51 (1982) 79–103; Noch einmal: 1 Kor 15,12ff und Logik, LingBibl 59 (1987) 100–
104; Sünder oder Übertreter: Studien zur Argumentation in Gal 2,15ff (WUNT 59; Tübingen,
1992) 48f mit Anm. 132; Zum ›argumentum resurrectionis‹ 1Kor 15,12ff nach Christoph
Zimmer, Augustinus und Paulus, LingBibl 67 (1992) 29–39; Eulen und Fallen: Zu Christoph
Zimmers ›Replik‹ hinsichtlich des Verständnisses des ›argumentum resurrectionis‹ von 1Kor
15, LingBibl 68 (1993) 95–99; 1Kor 15,12f.: ›resurrection of the dead (= Christians)‹, ZNW
92 (2001) 295–299; H. BINDER, Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von 1Kor 15,12,
ThZ 46 (1990) 193–201; T.G. BUCHER, Die logische Argumentation in 1Kor 15,12–20, Bib
55 (1974) 465–486; Auferstehung Christi und Auferstehung der Toten, MThZ 28 (1976) 1–
32; Nochmals zur Beweisführung in 1Kor 15,12–20, ThZ 36 (1980) 129–152; Allgemeine
Überlegungen zur Logik im Zusammenhang mit 1 Kor 15,12–20, LingBibl 53 (1983) 70–98;
J. HOLLEMAN, Jesus’ Resurrection as the Beginning of the Eschatological Resurrection
(1 Cor 15,20), in: R. Bieringer (ed.), The Corinthian correspondence (BEThL 125; Leuven,
1996) 653–660; G. SELLIN, Der Streit um die Auferstehung der Toten (FRLANT 138;
Göttingen, 1986) 15–37.255–260; B. SPÖRLEIN, Die Leugnung der Auferstehung (BU 7;
Regensburg, 1971) 63–70; C.M. TUCKETT, The Corinthians who say ›There is no resurrection
of the dead‹ (1 Cor 15,12), in: Bieringer, Corinthian Correspondence, 247–275; J.S. VOS,
Die Logik des Paulus in 1Kor 15,12–20, ZNW 90 (1999) 78–97; teilweise aufgenommen in:
Logik und Rhetorik in 1Kor 15,12–20, Kunst der Argumentation, 158–171; Chr. ZIMMER,
Das argumentum resurrectionis 1Kor 15,12–20, LingBibl 65 (1991) 25–36; Die enthymemati-
sche Falle: Replik zu Bachmann, LingBibl 67 (1992) 40–44.
12 Dieses Urteil von K. BARTH, Die Auferstehung der Toten (Zürich, 41953) 1.57 erfreut
sich allgemeiner Anerkennung.
13 CONZELMANN , 302, dem sich THISELTON, 1177 anschließt. Für weitere Beispiele vgl.
SCHRAGE, IV, 8, Anm. 4, der selbst feststellt, dass die »abstechende Konsistenz der
zugrundeliegenden Gedanken […] nicht gut zu übersehen« ist.
14 Vgl. das Urteil von WITHERINGTON, 303: »This is one of the most rhetorically powerful
and detailed arguments in the letter.«
96 III. Analyse paulinischer Texte

1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung von 1Kor 15
Der erste Korintherbrief ist Gegenstand unterschiedlicher rhetorischer
Untersuchungen geworden15. Neben der methodischen Grundsatzfrage,
inwieweit sich rhetorische Kategorien auf Briefe übertragen lassen16, sind
m.E. zwei Fragen weithin ungeklärt:
1. Welchen Stellenwert für eine mögliche Gesamtdeutung haben eindeuti-
ge Genusattributionen für den Brief als Ganzen?
Methodisch möchte ich darauf hinweisen, dass die drei rhetorischen Genera sich nach den
vom Redner intendierten Qualifizierungen und Beurteilungsmöglichkeiten im Rahmen der
drei Standardsituationen öffentlicher Rede in der Antike richten (Gerichtsrede, politische
Beratungsrede vor der Volksversammlung und öffentliche Lob- oder Schmährede) 17.
Dementsprechend geht es um die Qualifizierung von etwas (oder jemandem) als díkaion
oder ‘adikon (»gerecht/ungerecht«) im genus iudiciale (tò dikanikòn génoß), als sumféron
oder blaferón (»nützlich/unnütz«) im genus deliberativum (tò sumbouleutikòn génoß)
oder als kalón oder a˙scrón (»gut/schlecht«) im genus demonstrativum (tò hepideiktikòn
génoß). Die alternativen Beurteilungsmöglichkeiten sind Anklage/Verteidigung, Zura-
ten/Abraten oder Lob/Tadel. Da sich die Rhetorik auf standardisierte öffentliche Situationen

15 Vgl.(in chronologischer Reihenfolge): M. BÜNKER, Briefformular und rhetorische


Disposition im 1. Korintherbrief (GTA 28; Göttingen, 1983); E. SCHÜSSLER FIORENZA,
Rhetorical Situation and Historical Reconstruction in I Corinthians, NTS 33 (1987) 386–403;
M.M. MITCHELL, Paul and the Rhetoric of Reconciliation: An Exegetical Investigation of the
Language and Composition of 1 Corinthians (HUTh 28; Tübingen, 1991); H. PROBST, Paulus
und der Brief: Die Rhetorik des antiken Briefes als Form der paulinischen Korintherkorres-
pondenz (1 Kor 8–10) (WUNT 2:45; Tübingen, 1991); S.M. POGOLOFF, Logos and Sophia.
The Rhetorical Situation of 1 Corinthians (SBLDS 134; Atlanta, Ga, 1992); D. LITFIN, St.
Paul’s Theology of Proclamation. 1 Corinthians 1–4 and Greco-Roman Rhetoric (MSSNTS
79; Cambridge, 1994); I. SAW, Paul’s Rhetoric in 1 Corinthians 15 (Lewiston, 1995); F.W.
HUGHES, Rhetorical Criticism and the Corinthian correspondence, in: S.E. Porter / T.H.
Olbricht (eds.), The Rhetorical Analysis of Scripture (JSNT.S 146; Sheffield, 1997) 336–350;
A. ERIKSSON, Traditions as Rhetorical Proof: Pauline Argumentation in 1 Corinthians
(CB.NT 29; Stockholm, 1998).
16 Vgl. zur Diskussion zwischen Rhetorik und Brieftheorie R.D. ANDERSON, Ancient
Rhetorical Theory and Paul (Contributions to biblical exegesis and theology 18; Kampen,
1996) 93–110; H.-J. K LAUCK, Die antike Briefliteratur und das Neue Testament (UTB 2022;
Paderborn, 1998) 165–180; KREMENDAHL, Botschaft der Form, 15–20; PROBST, Brief, 99–
101; C.A. WANAMAKER, Epistolary vs. Rhetorical Analysis: Is a Synthesis Possible?, in: K.P.
Donfried / J. Beutler (ed.), The Thessalonians Debate (Grand Rapids, MI, 2000) 255–286.
Zur Begründung rhetorischer Analysen vgl. C.J. CLASSEN, Paulus und die antike Rhetorik,
ZNW 82 (1991) 1–33; engl. Überarbeitung: St. Paul’s Epistles and Ancient Greek and Roman
Rhetoric, in: Rhetorical Criticism of the New Testament (WUNT 128; Tübingen, 2000) 1–28;
S.E. PORTER, The Theoretical Justification for Application of Rhetorical Categories to
Pauline Epistolary Literature, in: S.E. Porter / T.H. Olbricht (eds.), Rhetoric and the New
Testament (JSNT.S 90; Sheffield, 1993) 100–122.
17 Vgl. Aristoteles, Rhet. I 3,1358a35–1359a29; Rhet. ad Her. 1,2; 2,1.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 97

bezieht, sollte es nicht verwundern, wenn nicht alle Qualifizierungen, die Sprachhandlungen
intendieren können, von diesem Inventar erfasst werden 18. Die Frage z.B., ob ein Sachverhalt
»wahr« oder »falsch« ist, wird von der Rhetorik deswegen nicht behandelt, weil solche
Fragen der philosophischen Schuldiskussion vorbehalten waren. Die »Kunst« dieser Form
von Rede wird in der Topik behandelt.
Was das Genus des 1Kor angeht, ist der Vorschlag Bünkers, den Brief zum genus
iudiciale zu rechnen 19, weitgehend der These einer Zuweisung zum genus deliberativum
gewichen. Dies verdankt sich vornehmlich dem ausführlichen Begründungsversuch durch
Mitchell20, die daraus allerdings sehr weitreichende Konsequenzen in Bezug auf die
Gesamtpragmatik des Briefes zieht21. Gerade die Argumentation in 1Kor 15 sperrt sich
gegenüber einer solchen einheitlichen Genusbestimmung22.

2. Wenn der 1Kor als kommunikative Einheit betrachtet wird23, inwiefern


können dann einzelne Abschnitte nach rhetorischen Kategorien wie exordium,
narratio, argumentatio und peroratio/conclusio segmentiert werden? Ein
Vergleich zwischen drei aktuellen rhetorischen Analysen von 1Kor 15 zeigt
zum Teil beträchtliche Unterschiede:
Bünker 24 (genus iudiciale) Mack 25 (genus deliberativum) Watson26 (genus deliberativum)
exordium (1–3a) exordium (1–2) exordium (1–2)
narratio (3b–11) narratio (3–20) narratio (3–11)
argumentatio I (12–28) refutatio I (12–19)
confirmatio I (20–28)
peroratio I (29–34) argumentatio (21–50) peroratio I (29–34)
argumentatio II (35–49) refutatio II (35–44a)
confirmatio II (44b–57)
peroratio II (50–58) conclusio (51–58) peroratio II (58)

18 Diese Beschränkung der gängigen Klassifikation bemängelt bereits Quintilian, III,4,3f:


»Denn wenn wir die Aufgabe, zu loben und zu tadeln, als dritten Teil annehmen, in welcher
Gattung werden wir uns dann wohl befinden (in quo genere versari videbimur), wenn wir
klagen, trösten, besänftigen, anfeuern, erschrecken, bestärken, lehren, unklar Ausgedrücktes
erklären, erzählen, abbitten, danken, beglückwünschen, Vorwürfe machen, schmähen,
beschreiben, empfehlen, mitteilen, wünschen, vermuten und so vieles andere? Deshalb muß
ich, wenn ich bei der alten Überzeugung verharre, fast um Nachsicht bitten und die Frage
stellen, wodurch denn die Früheren sich haben bewegen lassen, einen so weit zerstreuten
Stoffkreis so knapp zu fassen.« (übers. Rahn)
19 BÜNKER, Briefformular, 49–51,
20 Vgl. MITCHELL, Rhetoric, 20–64.
21 MITCHELL, Rhetoric, 184ff: »a unified deliberative letter urging concord«.
22 MITCHELLS Versuch, 1Kor 15 im Sinne der Pragmatik des »urging concord« zu lesen
(Rhetoric, 283–290), ist m.E. wenig überzeugend (im Gegensatz zu anderen Textanalysen).
Vgl. zur Kritik ANDERSON, Rhetorical Theory, 229–238.
23 Das Problem möglicher Teilungshypothesen ist im Folgenden nicht von Belang.
24 BÜNKER, Briefformular, 59–72.
25 B.L. MACK , Rhetoric and the New Testament (GBS; Minneapolis, 1990) 56–59.
26 D.F. WATSON, Paul’s Rhetorical Strategy in 1 Corinthians 15, in: Porter / Olbricht,
Rhetoric and the New Testament, 231–249.
98 III. Analyse paulinischer Texte

Ob die Unterschiede zwischen diesen und ähnlichen Analysen27 auf methodi-


sche Unschärfen oder aber auf die Besonderheiten des Briefes zurückzuführen
sind, ist schwer zu entscheiden28. Angesichts der in den VV. 12–19 dominie-
renden negativen Grundannahme »Tote werden nicht auferweckt« wird sich
für diesen Abschnitt eine »widerlegende« Funktion kaum von der Hand
weisen lassen. In diesem Sinne möchte ich für diese Verse von einer refutatio
reden29. Auf der Inhaltsebene lässt sich 1Kor 15 grob in drei Abschnitte
einteilen30, die zum Teil mit den rhetorischen Vorschlägen übereinstimmen:
1. Das paulinische Kerygma als gemeinsame Grundlage (1–11)
2. Aufweis der Widersprüche in der korinthischen Position (12–34)
a) Die Toten werden nicht auferweckt (12–19)
b) Die Auferstehung Christi und die Konsequenzen (20–28)
c) Absurdität der korinthischen Position (29–34)
3. Der Modus der Auferstehung (35–58)

Ein Hinweis, der die antike Rhetorik nicht für Fragen der Textgliederung
funktionalisiert, findet sich im Kommentar von Georg Heinrici zum 1Kor31:
»Die einzelnen Beweisstücke haben ihre Analogien in den tópoi der antiken Rhetorik,
welche Überzeugung erwecken wollen, den písteiß […]. Dieselben sind teils ‘atecnoi, die in
der Sache selbst liegenden, dazu gehören Tatsachen und testimonia divina (vgl. V. 1–11.20–
28.50–58), teils ‘entecnoi, die durch Induktion, durch Schlüsse oder Analogien gefunden
werden und sich an Kopf, Herz und das sittliche Bewusstsein wenden (V. 12–19.29f.36f.).« 32

27 Eine ähnliche Struktur wie BÜNKER schlägt für 15,1–34 J.-N. A LETTI, La dispositio
rhétorique dans les épîtres pauliniennes, NTS 38 (1992) 396 vor: exordium (1–2), narratio (3–
11), propositio (12a), probatio (12b–32), peroratio (33–34). An MACK orientiert sich
WITHERINGTON, 292: exordium (1–2), narratio (3–11), propositio (12–19), »thesis« (20),
probatio (21–50) und conclusio (51–58). Analog zu WATSON der Vorschlag von ERIKSSON,
Traditions, 248–251: exordium (1–2), narratio (3–11), refutatio (12–19), confirmatio (20–
34), refutatio II (35–49), confirmatio II (50–57), probatio (58). THISELTON, 1177f folgt
diesem Vorschlag, bestimmt aber 1–11 als narratio.
28 Die Tatsache jedoch, dass bei Anwendung der gleichen Methode unterschiedliche
Ergebnisse erzielt werden, ist per se kein Argument gegen die Angemessenheit dieser
methodischen Vorgehensweise. Zudem ist Vielfalt ein Antrieb und kein Hindernis für
forschendes Fragen.
29 In Bezug auf den Gebrauch rhetorischer Kategorien zur Segmentierung einzelner
Abschnitte innerhalb eines Briefes bleibe ich skeptisch. Vgl. das Fazit von ANDERSON,
Rhetorical Theory, 238: »[U]nlike Paul’s letters to the Galatians and Romans, the body of the
first letter to the Corinthians cannot be analysed in terms of sustained rhetorical argumentati-
on. It therefore bears little resemblance to a rhetorical speech.« Generell mahnt KLAUCK,
Briefliteratur, 179: »Eine nahezu mechanische Anwendung des klassischen Redeschemas auf
Briefe und Briefteile ist eher geeignet, die rhetorische Analyse in Mißkredit zu bringen.«
30 Ähnlich SCHRAGE, IV, 9.
31 HEINRICI hat das hellenistische Erbe des Paulus so stark betont, dass er sich den lauten
»Protest« von NORDEN zugezogen hat (Kunstprosa, II, 493f). Es mag daher kein »Zufall«
sein, dass ein solcher Hinweis gerade in seinem Kommentar zu finden ist.
32 HEINRICI, 441f (Rechtschreibung modernisiert).
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 99

Damit sind die unterschiedlichen rhetorischen Überzeugungsmittel (s.o. S.


63ff), die Paulus zum Einsatz bringt, zutreffend bestimmt33. Zugleich macht
der Hinweis Heinricis deutlich, warum sich die logische Analyse auf den
Abschnitt 15,12–19 beschränkt. Der Abschnitt 15,1–11 argumentiert nicht,
sondern stellt die Inhalte der apostolischen Verkündigung dar. Mit 15,20 setzt
eine Argumentation ein, die sich in ihrem Gebrauch apokalyptischer Vorstel-
lungszusammenhänge nicht mit den Mitteln der Logik beschreiben lässt (s.u.
S. 114f)34.

b) Der literarische Kontext (15,1–11)


Mit 15,1 setzt ein neuer Abschnitt ein, der sich ausführlich dem Thema der
Auferstehung widmet. Gleich zu Beginn ruft Paulus seinen Hörern und
Hörerinnen in Erinnerung, wie sehr ihre Vergangenheit (parelábete »ihr
habt empfangen«), ihre Gegenwart (Hest´jkate »ihr steht«; katécete »ihr
haltet fest«) und ihre Zukunft (s^´wzesqe »ihr werdet errettet«) vom paulini-
schen Kerygma geprägt ist (1–2)35. Der Inhalt des Kerygmas wird in VV 3–5
von Paulus in Form eines überlieferten Bekenntnisses zur Sprache gebracht36.
Dabei bedient sich Paulus einer für die Übermittlung mündlicher Traditionen
typischen Terminologie (vgl. auch die Abendmahlsparadosis in 11,23): Er hat
ihnen das Kerygma »übermittelt« (paradídwmi), das im Wesentlichen aus
zwei Hauptaussagen besteht, deren Wahrheit von den Schriften bezeugt
wird37: Jesus ist »für die Sünden« gestorben und – darauf richtet sich das
Interesse im gegenwärtigen Kontext – am dritten Tag von Gott auferweckt
worden. Die Auferweckung ist von den Schriften bezeugt38 und durch Petrus

33 Diesen Zusammenhang stellt neuerdings auch WITHERINGTON, 291 her (anscheinend


ohne Kenntnis von H EINRICI).
34 BACHMANN , Gedankenführung, 276 stellt zu Recht zu 15,20–58 (von BÜNKER, Brief-
formular, 142, Anm. 126 inkorrekterweise als Aussage BACHMANNS zum Verständnis von
15,12–20 zitiert) fest: »Für das Verständnis dieses wichtigen Argumentationsganges […] ist
freilich, wie schon an der Benutzung der Anschauung, Christus stehe zu Adam in Entspre-
chung, deutlich werden wird, von der klassischen Logik her kaum Hilfe zu erwarten.«
35 Vgl. ROBERTSON / PLUMMER, 331.
36 Dass hier eine vorpaulinische Tradition vorliegt, wird einhellig vertreten (vgl. ähnliche
Aussagen in Lk 24,45–47; Apg 13,28–31). Über den Umfang und den genauen Wortlaut
besteht jedoch kein Konsens. Vgl. J. KLOPPENBORG, An Analysis of the Pre-Pauline Formula
in 1Cor 15:3b–5 in Light of Some Recent Literature, CBQ 40 (1978) 351–367; SCHRAGE, IV,
18–25.
37 Beide Hauptaussagen sind parallel aufgebaut: 1. Bekenntnissatz (»Christus starb«,
»Christus wurde auferweckt«), 2. Schriftbeweis (»nach der Schrift«) und 3. stützender
»Beweis« (»er wurde begraben«, »er erschien Kephas und den Zwölfen«).
38 An welche Texte konkret gedacht werden soll und welche hermeneutischen Prozesse
notwendig wären, um eine solche Verbindung herzustellen, wird leider nicht näher erläutert.
Vgl. zu möglichen Schriftbezügen K. LEHMANN, Auferweckt am dritten Tag nach der Schrift
(QD 38; Freiburg, 1968) 262–290.
100 III. Analyse paulinischer Texte

und »die Zwölf« zumindest als Erfahrung einer »Erscheinung« beglaubigt39.


Die Ausweitung der Zeugenliste in VV 6f ist wohl bereits paulinisch. Hier
wird nicht nur die hohe Zeugenzahl (500 gleichzeitig!) betont, sondern auch
die Tatsache, dass viele von ihnen noch am Leben sind. Weiterhin werden
Individualerscheinungen im Falle des Herrenbruders »Jakobus« und im Falle
der »Apostel« hervorgehoben40. Über diese Erscheinungen gelangt Paulus
chronologisch auch zu seiner eigenen Damaskuserfahrung (VV 8–10), die ihn
als »Letzten von allen« (‘escaton pántwn), als »Fehlgeborenen« (hektr´wma)
und als »Geringsten von den Aposteln« (Ho helácistoß t¨wn hapostólwn)
noch an dieser besonderen Gnade teilhaben ließ, obgleich er die Gemeinde
verfolgte. Die Liste der Zeugen schließt mit einer umfassenden Aussage ab:
»Es sei nun ich oder jene: so [wie gerade dargestellt] predigen wir, und so
habt ihr geglaubt (o“utwß kjrússomen kaì o“utwß hepisteúsate).« Das
Kerygma ist keine paulinische Sonderüberlieferung, sondern steht – so
zumindest stellt es Paulus dar – in völliger Übereinstimmung zur apostoli-
schen Predigt der ersten Zeugen der Auferstehung Jesu. Dies gilt auch für die
Christen und Christinnen in Korinth.
Den VV. 1–11 kommt für den weiteren Gedankengang eine grundlegende
Funktion zu41. Der Rückgriff auf vorgegebene Traditionen ist – wie Eriksson
gezeigt hat – eine charakteristische Argumentationsstrategie im 1Kor42. Dabei
fungieren die Traditionen als Prämissen für die weitere Argumentation43.
Paulus etabliert durch diesen Anfangstext aber auch sein »Ethos« als zuver-
lässiger Verkündiger, der – im Einklang mit den Aposteln – die Korinther mit
der heilbringenden Macht des Evangeliums in Berührung gebracht hat.

39 Die Passivform ‘wfqj, die sich in VV. 5–8 wiederholt (vgl. auch Lk 24,34 und Apg
13,31), kann in nicht-religiösen Zusammenhängen »erscheinen« (1Makk 4,6; Apg 7,26: Mose
erscheint bei seinen Landsleuten, während diese streiten) oder »sichtbar sein« (LXX Gen 1,9;
Cant 2,12; 1Makk 4,19; 9,27) bedeuten. Meistens jedoch dient der Ausdruck in religiösen
Kontexten als Hinweis auf Epiphanien, Erscheinungen und andere Formen visionärer
Erfahrungen: Engelserscheinungen (LXX Ex 3,2; Ri 6,12; 13,3; Tob 12,22; Lk 1,11; 22,43;
Apg 7,30), Gottesepiphanien (LXX Gen 12,7; 17,1; 18,1; 22,14; 26,2.24; 35,9; 48,3; Ex
16,10; Lev 9,23; Num 14,10; 16,19; 17,7; 20,6; 3Bas 3,5; 9,2; 2Chron 1,7; 3,1; 7,12; LXX
Jer 38,3 = MT 31,3; Apg 7,2), Erscheinungen von besonderen Gestalten (Mk 9,4par [Mose
und Elia]; Bar 3,22.38 [die Weisheit]), Traumgesichte (2Makk 3,25 [?]; Apg 16,9),
apokalyptische Visionen (Apk 11,19; 12,1.3).
40 Der Unterschied zwischen den »Zwölfen« (V. 5) und der Gruppe »aller Apostel« (V. 7)
ist nicht ganz klar (vgl. dazu FEE, 729).
41 Der Inhalt des Evangeliums scheint zumindest in seinem Kernbestand nicht strittig zu
sein. Nichts in 1Kor 15,1–11 deutet darauf hin, dass Paulus hier schon Überzeugungsarbeit
leisten müsste. FEE, 714 spricht zu Recht von »reestablishing their commonly held ground«.
42 ERIKSSON , Traditions untersucht die rhetorisch-argumentative Funktion der folgenden
Traditionsstücke im 1Kor: 8,6.11b; 10,16; 11,23–25; 12,3.13; 15,3–5; 16,22.
43 ERIKSSON , Traditions, 3: »My suggestion is that the traditions constitute agreed upon
premises which are the starting point for argumentation.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 101

c) Die Streitfrage
Was steht in 15,12ff zur Debatte? Nachdem Paulus die gesamte Diskussion
auf die Grundlage des traditionellen Kerygmas vom Tod und der leiblichen
Auferstehung Jesu gestellt hat (1–11), nennt er in V. 12 das zwischen ihm und
den Korinthern Strittige:
»Wenn aber Christus verkündigt wird; und zwar, dass er von den Toten auferweckt wurde,
wie können manche unter euch nur behaupten: ›Eine Auferstehung von den Toten gibt es
nicht (hanástasiß nekr¨wn ohuk ‘estin)‹?«

Es ist nicht näherhin bestimmbar, wie Paulus zu seinem Wissen über diese
Auffassung gelangt ist44. Der Streitpunkt selbst lässt sich sehr allgemein
dahingehend eingrenzen, dass »einige« (tineß) in Korinth die Vorstellung
einer Totenauferstehung – in welcher Form auch immer – leugneten45. Dass
die Korinther an der Auferstehung Jesu zweifelten46, ist angesichts der
Tatsache, dass in 15,1–11 die beiden Diskussionspartnern gemeinsame Basis
durch den Rückgriff auf das apostolische Kerygma gelegt wird, höchst
unwahrscheinlich. Die »logische Dissonanz«, wie sie sich für Paulus darstellt,
besteht in der Möglichkeit, an die Auferstehung Jesu glauben und zugleich
eine Totenauferstehung leugnen zu können. Die Streitfrage wäre aus paulini-
scher Sicht am ehesten so zu formulieren: Ist es möglich, dass es eine
Auferstehung von Toten nicht gibt angesichts der Tatsache, dass Jesus von
den Toten auferstanden ist?

44 Dass der Abschnitt nicht mit perì dé einsetzt (wie 7,1.25; 8,1; 12,1; 16,1.12), schließt
den Brief der Korinther an Paulus als primäre Informationsquelle (vgl. 7,1) für Kap. 15 aus.
Deswegen muss bei der Beantwortung der Frage nach dem Streitpunkt deutlich unterschieden
werden zwischen dem in der Rhetorik des Textes Strittigen und der tatsächlichen These der
Korinther, die Paulus hier ad absurdum zu führen versucht (ähnlich SELLIN, Streit, 17). Ohne
ein Urteil über die »Fairness« des Apostels zu präjudizieren, muss zumindest die Möglichkeit
ins Auge gefasst werden, dass durch die Behandlung der Problematik, wie sie in 1Kor 15
vorliegt, die korinthische Position gewisse Transformationen erfahren hat. Wann immer also
von der »These der Korinther« die Rede ist, bezieht sich das nur auf die im Text erfasste
paulinische Wahrnehmung, Selektion und polemische Wiedergabe dieser These. Methodisch
ganz anders akzentuiert LINDEMANN, 338: »Aus methodischen Gründen abzuweisen ist die
Erwägung, Paulus sei über die in Korinth vertretene Position nicht zutreffend informiert
gewesen; in diesem Fall gäbe es gar keine Möglichkeit, die in 15,12b zitierte Aussage (und
die Gegenargumente des Paulus) angemessen zu interpretieren.« Nach meiner Wahrnehmung
lässt sich eine Aussage auch dann angemessen interpretieren, wenn die Aussage selbst keine
angemessene Interpretation des darin ausgedrückten Sachverhaltes darstellt.
45 Ob diese Meinung von allen oder beinahe allen in der Gemeinde vertreten wurde, lässt
sich kaum näher bestimmen. Die Wendung hen Humïn tineß legt vielleicht nahe, dass es zwar
nur einige waren, aber sicherlich solche, die einen starken Einfluss innerhalb der korinthi-
schen Hausgemeinden ausübten (vgl. SELLIN, Streit, 15; FEE, 713f; SCHRAGE, IV, 16 mit
Anm. 14–18). SELLIN, Streit, 14 weist zu Recht darauf hin, dass in Kap. 15 Paulus »durchge-
hend die Gesamtgemeinde anredet« (so auch WOLFF, 377).
46 So W. SCHMITHALS, Die Gnosis in Korinth (FRLANT 66; Göttingen, 31969) 150.
102 III. Analyse paulinischer Texte

Lässt sich die korinthische Position anhand von Angaben aus dem Brief selbst schärfer
umreißen? Und lässt sie sich einem ideengeschichtlichen Hintergrund plausibel zuweisen?
Beide Fragen haben in der Forschung zu einer Reihe unterschiedlicher Hypothesen geführt47:
1. Leugnung jeder postmortalen Existenz: Die Aussagen in VV. 13–19 und 30–34
schließen eine solche Sicht nicht aus. Die Philosophie- und Religionsgeschichte hält sowohl
auf jüdischem (sadduzäische Auferstehungsleugnung) wie auf nicht-jüdischem Boden
(epikuräische Skepsis) Analogien dazu bereit. Diese These, die früher häufig vertreten
wurde48, wird heute mit guten Gründen als unwahrscheinlich betrachtet49: Zum einen wäre
zu fragen, welche Art »Skeptiker« dem Grundkerygma von 1Kor 15,1–11 hätten zustimmen
können. Zum anderen bezieht das Argument in 15,18 (Wenn Christus nicht auferweckt
wurde, dann »würden auch die verstorbenen Christen verloren gehen«) seine persuasive Kraft
einzig auf dem Hintergrund einer von den Korinthern geteilten postmortalen Erlösungsvor-
stellung. Auch der mysteriöse Hinweis auf die »Taufe für die Toten« (15,29) bezeugt den
Glauben an eine Erlösung post mortem 50.
2. Leugnung der Leiblichkeit der Auferstehung: Justin warnt in seinem »Dialog mit
Tryphon« vor solchen, die »sich Christen nennen […] und sich dazu erdreisten, den Gott
Abrahams und den Gott Isaaks und den Gott Jakobs zu lästern, und die behaupten, dass es
eine Auferstehung von Toten nicht gebe, sondern dass ihre Seelen zugleich mit dem Sterben
in den Himmel aufgenommen werden«51.
Dieser Text macht in der Tat deutlich, dass die in der Antike so weit verbreitete
Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele zur Leugnung einer leiblichen Auferstehung
führen konnte. Sieht man eine solche dualistische Anthropologie im Hintergrund wirken,
dann lassen sich nicht nur im Bereich des Platonismus oder der späteren Gnosis Analogien
finden, sondern auch – was näher liegend erscheint – im hellenistischen Judentum (v.a. im
Werk Philos) 52. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass das Wortfeld s¨wma erst ab
VV. 35ff eine argumentative Rolle spielt. Doch selbst in 15,35ff wird die These einer

47 Von den Kommentaren informieren bes. ausführlich SCHRAGE, IV, 111–119 und
THISELTON, 1172–1176. Die Gruppierung der einzelnen Thesen verdankt sich dem for-
schungsgeschichtlichen Überblick von SELLIN, Streit, 17–37, an den u.a. auch TUCKETT,
Corinthians who say, 251–261 anknüpft. Vgl. aus der neueren Literatur noch J.R. ASHER,
Polarity and Change in 1 Corinthians 15 (HUTh 40; Tübingen, 2000) 32–35.
48 Z.B. ROBERTSON / P LUMMER, 346f.
49 Neuerdings jedoch neu aufgelegt von J.S. VOS, Argumentation und Situation in 1Kor
15, NT 41 (1999) 313–333.
50 Die Annahme, dass in 15,29 eine andere Gruppe innerhalb der Gemeinde angesprochen
sei (A.J.M. W EDDERBURN, The Problem of the Denial of the Resurrection in 1 Corinthians
XV, NT 23 [1981] 229; LINDEMANN, 338; WITHERINGTON, 301f; frühere Vertreter dieser
Sicht nennt TUCKETT, Corinthians who say, 252, Anm. 23), ist nicht durch rhetorische
Signale zu belegen. Sie ist zudem im Sinne der wissenschaftstheoretischen Notwendigkeit zur
Hypothesenbeschränkung (Ockham’s berühmtes »Rasiermesser«) »unökonomisch«.
51 Justin, Dialog mit Tryphon 80,4: tisi legoménoiß Cristianoïß ... kaì blasfjmeïn
tolm¨wsi tòn qeòn h Abraàm kaì tòn qeòn h Isaàk kaì tòn qeòn h Iak´wb [die dreigliedri-
ge Gottesbezeichnung nimmt die Auferstehungsbegründung Jesu gegenüber den Sadduzäern
in Mt 22,32par auf], o”i kaì légousi m`j e~inai nekr¨wn hanástasin, hallà “ama t¨^w
hapoqn´jskein tàß yucàß ahut¨wn hanalambánesqai e˙ß tòn ohuranón (griech. Text ed.
Ruiz Bueno, 446; eig. Übersetzung). Justin fährt fort, dass man solche ebenso wenig als
»Christen« ansehen, wie man Sadduzäer »Juden« nennen sollte.
52 Das hat v.a. SELLIN, Streit, 30–37 und passim herausgearbeitet.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 103

nicht-leiblichen Weiterexistenz kaum angegriffen 53. Weder 1–11 noch die Diskussion in 12–
34 rücken das Problem der Leiblichkeit ins Zentrum54, auch fehlen explizite Hinweise darauf,
dass für Paulus die leibliche Auferstehung die Unsterblichkeit der Seele ausschließt55.
3. Leugnung der Zukünftigkeit der Auferstehung: Als eine neutestamentlich belegbare
Analogie wird häufig auf 2Tim 2,17f verwiesen: Hymenäus und Philetus werden als für den
Glauben gefährliche Irrlehrer namentlich aufgeführt, weil sie behaupten, »die Auferstehung
sei bereits geschehen« (hanástasin ‘j dj gegonénai). Wenn der 1Kor als »Spiegel« für die
Theologie der Korinther gelesen werden kann 56, lassen sich Texte wie 4,8 oder 15,20–28
dahingehend auswerten, dass von den Korinthern tatsächlich eine Form von »realized
eschatology« vertreten wurde57. In diesem Falle wäre für Christen und Christinnen die
Auferstehung bereits vollzogen, eine zukünftige Auferstehung nach dem Tod somit
überflüssig 58. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine solche Spiritualisierung der christlichen
Auferstehungssprache so früh vorstellbar ist59 und ob sie als These sprachlich mit dem Satz
hanástasiß nekr¨wn ohuk ‘estin überhaupt ausgedrückt werden konnte. Zudem setzt Paulus
zwar die zukünftige Dimension der Auferstehung in 1Kor 15 voraus, hebt diesen Aspekt aber
nicht besonders hervor.

53 SPÖRLEIN , Leugnung, 98f: »poí^w s´wmati hat als Gegenüber nicht etwa ein (unausge-
sprochenes) ›ohne Leib‹. Die Leiblichkeit der kommenden Auferstehung sieht allem An-
schein nach Paulus nicht eigens bestritten.« (Hervorhebung vom Autor)
54 TUCKETT, Corinthians who say, 255.
55 Vgl. LANG, 218. Dass beide Vorstellungen verbunden werden konnten, belegt Jo-
sephus, Bell 2,163 gerade für die Pharisäer: »Zwar sei jede Seele unsterblich, es gehen aber
nur die der Guten in einen anderen Leib über, die der Schlechten jedoch würden durch ewige
Bestrafung gezüchtigt (yuc´jn te päsan mèn ‘afqarton, metabaínein dè e˙ß “eteron
s¨wma t`j n t¨wn hagaq¨wn mónjn, tàß dè t¨wn faúlwn a˙dí^w timwríâ kolázesqai).«
(Michel / Bauernfeid, 1:212–215) J.H. ULRICHSEN, Die Auferstehungsleugner in Korinth:
Was meinten sie eigentlich?, in: T. Fornberg / D. Hellholm (eds.), Texts and Contexts (FS L.
Hartman; Oslo, 1995) 781–799 plädiert dafür, die korinthische Auferstehungsleugnung von
der Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele her zu begründen. Er wertet den umstrittenen
Text 2Kor 5,1ff dahingehend aus, dass Paulus seine Gegner zur Zeit der Abfassung von 1Kor
für Materialisten hielt, er aber später aufgrund besserer Informationen zur Einsicht gelangte,
dass sie die Unsterblichkeit der Seele lehren. Dagegen wolle er in 2Kor nicht weiter
argumentieren.
56 Vgl. generell zu den Gefahren des »mirror reading« G. LYONS, Pauline Autobiography
(SBLDS 73; Atlanta, GA, 1985) bes. 96–105.
57 Diese Sicht wird mit verschiedenen Nuancen heute von der Mehrheit der Exegeten und
Exegetinnen vertreten (vgl. A.C. THISELTON, Realized Eschatology at Corinth, NTS 24
[1977/78] 510–526). Zum sozialgeschichtlichen Hintergrund vgl. WITHERINGTON, 292–295.
58 Ob dies auf die Einwohnung durch das göttliche Pneuma zurückgeführt wurde oder
sich aus einer mit dem Taufgeschehen verbundenen Unsterblichkeitsvorstellung herleitete, ist
schwer zu beantworten. Aus den Kapiteln 12–14 wird deutlich, dass Paulus um ein angemes-
ses Verständnis dessen ringt, was es bedeutet pneumatikóß zu sein. Liegt hier ein themati-
scher Nexus zwischen Kap. 12–14 und 15? Vielleicht wurde die Geisterfahrung in Korinth als
ein Versetztwerden in einen »engelsgleichen« Zustand (vgl. 13,1) verstanden, der schließlich
den Menschen über den Bereich des Leiblichen enthebt.
59 Zurückhaltend zeigen sich A.J.M. W EDDERBURN , Baptism and Resurrection (WUNT
44; Tübingen, 1987) 164–232; G. SELLIN, ›Die Auferstehung ist schon geschehen‹: Zur
Spiritualisierung apokalyptischer Terminologie im Neuen Testament, NT 25 (1983) 220–237.
104 III. Analyse paulinischer Texte

Vielleicht spielten beide Elemente, leibliche und zukünftige Auferstehung,


eine Rolle. Zieht man jedoch die Möglichkeit in Betracht, dass Paulus die
korinthische Position missverstanden hat oder unzureichend darüber infor-
miert war60, dann bleibt der Blick »hinter die Kulissen« versperrt. Doch selbst
ohne eine solche Annahme sind die Angaben des Apostels zu knapp, um eine
historische Rekonstruktion, die über plausible Mutmaßungen hinausgelangt,
zu ermöglichen. Leider zeigt er an genetischen Herleitungen ebenso wenig
Interesse wie an der Definition der benutzten Termini. Die logische Analyse
kann nur von der jetzigen Sprachgestalt ausgehen, obwohl es reizvoll wäre,
die korinthische Seite der Argumentation logisch zu beleuchten.

2. Exegetische Anmerkungen
12 E˙ dè Cristòß kjrússetai Wenn aber Christus verkündigt wird;
“oti hek nekr¨wn heg´jgertai, und zwar, dass er von den Toten auferweckt
p¨wß légousin hen Humïn tineß wurde, wie können manche unter euch
“oti hanástasiß nekr¨wn ohuk behaupten: »Eine Auferstehung von Toten gibt
‘estin; es nicht«?

Paulus stellt gleich zu Anfang jenen Teil des Kerygmas aus 1–11 voran, der in
der weiteren Diskussion im Zentrum steht: Christus »wird verkündigt«61,
nämlich dass er »aus den Toten«62 auferweckt worden sei (Passivum divi-
num?)63. Die apostolische Verkündigung (kjrússetai) wird der Behauptung

60 Vgl. die Diskussion in SELLIN, Streit, 18–20.


61 Die Prolepse (in diesem Fall die Vorwegnahme des Objektes aus dem Nebensatz “oti
Cristóß hek nekr¨wn in den Hauptsatz) dient der Betonung des Verbalinhalts des Nebensat-
zes (in der Übersetzung ausgedrückt durch »und zwar«). Durch die komplizierte Satzstruktur
gelingt es Paulus, Cristóß als Subjekt voranzustellen und in zwei “oti-Sätzen das Kerygma
und die korinthische These einander gegenüberzustellen.
62 Zum Ausdruck h ek nekr¨wn im Sinne von »die Toten insgesamt« vgl. P. H OFFMANN ,
Die Toten in Christus (NTA N.F. 2; Münster, 21969) 180–185; M.C. de BOER, The Defeat of
Death (JSNT.S 22; Sheffield, 1988) 107. Für BACHMANN, Gedankenführung, 268 verweist
das Fehlen des Artikels vor nekr¨wn auf die »Gesamtheit der Verstorbenen, alle in der
Unterwelt befindlichen«. Er betont daher sehr stark, dass es nicht um »Auferstehung der
Toten« oder um die »allgemeine Totenauferstehung« gehe, sondern um das »Heraustreten aus
dem Kreis der Toten« (269). Kontextuell sichert BACHMANN, Gedankenführung, 269–271
diese Deutung durch Hinweis auf ähnlichen Gebrauch in Röm 1,4 und 1Kor 15,12ff ab. Die
Gegenprobe findet sich in 1Kor 15,35ff, da hier von der allgemeinen Totenauferstehung stets
mit Artikel die Rede ist (V. 42: Hj hanástasiß t¨wn nekr¨wn; 35.52: oÓ nekroì [hegeíres-
qai]). BDR §254, Anm. 7 setzen in Bezug auf 1Kor 15 einen etwas anderen Akzent: Der
Artikel muss fehlen, »weil es auf den Begriff, nicht auf die Vollzahl ankommt«.
63 Die Parallelität zwischen hanístjmi aufstehen und hegeírw ist bereits in LXX Jes 26,19
belegt: hanast´jsontai oÓ nekroí, kaì eh gerq´jsontai oÓ hen toïß mnjmeíoiß. Zum Verb
hegeírw vgl. neben den Wörterbüchern S. SABUGAL, Anástasis (BAC 536; Madrid, 1993) 77–
81. Dem Passiv kommt dabei an sich keine besondere theologische Bedeutung zu, da die
intransitive Passivform im nicht-übertragenen Sinne einfach »aufwachen« (und nicht
spezifisch »aufgeweckt werden«) bedeutet (Bauer / Aland, 433). Vgl. bes. O. HOFIUS, ›Am
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 105

einiger (légousin tineß)64, dass es eine »Auferstehung von Toten« nicht


gebe65, gegenübergestellt. Ob hierbei allgemein an alle Toten66 oder nur an
die verstorbenen Glaubenden zu denken ist, lässt sich den Begriffen alleine
nicht entnehmen67. Die negative These ist jedoch so formuliert, dass von einer
Auferstehung die Rede ist und dass Christus zur Gruppe der »Toten« zu
zählen ist68. Die rhetorische Frage (p¨wß) zeigt etwas von der (sicherlich nicht
vorgespielten) Fassungslosigkeit, mit der Paulus dieser Aussage begegnet69.
Er verfolgt im Folgenden das argumentative Ziel, die korinthische These zu
widerlegen, mit zwei parallelen »Schlussketten« (13–15 und 16–19).
13 e˙ dè hanástasiß nekr¨wn ohuk Wenn es aber eine Auferstehung von Toten nicht
‘estin, ohudè Cristòß heg´jgertai≥ gibt, dann wurde Christus nicht auferweckt.
14 e˙ dè Cristòß ohuk heg´jgertai, Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde,
kenòn ‘ara [kaì70] tò k´jrugma dann ist [sowohl] unsere Verkündigung
Hjm¨wn, ken`j kaì Hj pístiß Hum¨wn71, inhaltslos, und euer Glaube ist inhaltslos,

driten Tage auferstanden von den Toten‹: Erwägungen zum Passiv hegeíresqai in christolo-
gischen Aussagen des Neuen Testaments, in: Ders., Paulusstudien II (WUNT 143; Tübingen,
2002) 202–214.
64 Die durativen Präsensformen betonen die Gleichzeitigkeit beider Sprechakte.
65 Die Zusammenstellung von hanístjmi und nekroí begegnet auch in Jes 26,14.19;
2Makk 12,44. Die einzigen LXX-Texte, die hanástasiß im Sinne von Totenauferstehung
gebrauchen sind 2Makk 7,14b und 12,43.
66 Vgl. BACHMANN, 1Kor 15,12f. gegen die Vorstellung, dass bereits in 15,12 an das
besondere Problem der Auferstehung von Christen und Christinnen zu denken sei.
67 Gegen die These von J. JEREMIAS (›Flesh and Blood cannot inherit the Kingdom of
God‹ (I Cor. XV. 50), in: Ders., Abba [Göttingen, 1966] 303f), dass nekroí ohne Artikel (V
12f.15f.20f.29.32) und mit Artikel (V 29.35.42.52) sich je auf Tote allgemein und auf
verstorbene Christen bezieht, vgl. SCHRAGE, IV, 128, Anm. 574. CONZELMANN, 312f denkt
bereits in 15,12 an gestorbene Christen, begründet dies aber m.E. nicht ganz schlüssig mit
dem »christologische[n] Charakter des Beweises«.
68 Paulus will kaum argumentieren: »Wenn Christus von den Toten auferweckt wurde,
wie können einige behaupten, dass manche Tote nicht auferstehen?« Dass Paulus einen
negierten Allfall (und nicht etwa einen Partikuläraussage) im Sinn hat, ist für die logische
Form relevant. Ob Paulus und seine Leserschaft an eine allgemeine Totenauferstehung oder
an eine exklusive Auferstehung der Gerechten zum Heil dachten, ist daher nebensächlich.
69 P¨ wß drückt Verwunderung aus (ROBERTSON / PLUMMER, 346; LINDEMANN , 377). Der
theologische Zusammenhang, der erst in 15,20 zum Ausdruck kommt, steht ihm hier bereits
vor Augen (s.u. S. 114).
70 Kaí bleibt textkritisch umstritten, da für beide Optionen sehr gute Zeugen sprechen:
Während es in a* A D F G 33 erscheint, wird es im P46 a2 und B ausgelassen. Von den
Kommentaren plädiert z.B. THISELTON, 1218 für Auslassung und LINDEMANN, 339 für
Einbeziehung. Inhaltlich ändert sich wenig.
71 Die Variante in der ersten Plural Hj pístiß Hjm¨wn ist zwar ausgesprochen gut hand-
schriftlich belegt (B D* 0243 0270* 6 33 81 1241s 1739 1881; gegenüber Hum¨wn in a A D2 F
G), lässt sich aber leicht als Angleichung an Hjm¨wn in 14a erklären. Zudem nimmt 17a die
Wendung Hj pístiß Hum¨wn aus 14c wieder auf.
106 III. Analyse paulinischer Texte

15 eHuriskómeqa dè kaì yeudomár- und wir erweisen uns als falsche


tureß toü qeoü, “oti hemar- Zeugen Gottes, da wir
tur´jsamen katà toü qeoü “oti gegen Gott bezeugt haben,
‘jgeiren tòn Cristón, dass er Christus auferweckt hat,
“on ohuk ‘jgeiren e‘iper ‘ara den er nicht auferweckte, da nämlich
nekroì ohuk hegeírontai. Tote nicht auferweckt werden.
Typisch für die Argumentationsstruktur dieses Abschnitts ist die Form von
Bedingungssätzen72. Dies erlaubt der Argumentation eine Art Wahrheitssus-
pension, da Implikationen auch dann wahr sind, wenn beide Teilsätze falsch
sind73. Paulus kann so die These der Korinther als Prämisse für eine Kette von
Schlüssen übernehmen74. Bereits der erste Schluss hat eine vernichtende Wir-
kung: Wenn es eine Auferstehung von Toten nicht gibt, dann ist auch Christus
nicht von Gott auferweckt worden. Daraus ergibt sich eine ganze Kaskade
dramatischer Konsequenzen (VV 14f)75: Erstens, die apostolische Verkündi-
gung (vgl. 15,11) wird inhaltlich ausgeleert (kenóß), sie verliert ihren
Realitätsgehalt76. Zweitens, erweist sich der Glaube der Korinther, der sich
dieser Verkündigung verdankt, ebenso als hohl und leer (wieder kenóß)77.
Schließlich werden die christlichen Verkündiger entlarvt78 als Falschzeugen

72 Vgl. zu e˙ in paulinischen »Beweisführungen« BDR §372,2b.


73 SCHRAGE, IV, 129 verkennt diesen Sachverhalt, wenn er sich darüber erstaunt zeigt,
dass »trotz der hypothetischen Redeweise […] die Auferstehung Jesu Christi, die doch von
einer langen Zeugenkette bestätigt worden ist […], von Paulus in Frage gestellt wird.« In IV,
139 referiert SCHRAGE die Meinung Augustins, der – logisch korrekt – zu V. 13 bemerkt, dass
zwar die beiden Sätze falsch sind, der Konditionalsatz aber wahr (DoctrChr II,31[49],119f).
Paulus stellt also nichts in Frage! Ein Beispiel: Der Satz »Wenn die Sonne nicht scheint,
gehen Meiers nicht an den Strand« ist auch dann wahr, wenn es sowohl der Fall ist, dass die
Sonne scheint, als auch, dass Meiers an den Strand gehen.
74 Die Kette von Schlüssen und neu gesetzten Prämissen kann als sorites (vgl. BUCHER,
Angewandte Logik, 196f) bezeichnet werden. Vgl. S.M. LEWIS, »So that God May be All in
All«: The Apocalyptic Message of 1 Corinthians 15,12–34 (Tesi Gregoriana. Serie Teologia
42; Roma, 1998) 43. LINDEMANN, 337 spricht von einem »Kettenschema«.
75 Besonders bedeutsam für 15,13–19 ist der Topos des persönlichen »Nachteils« als
Folge einer bestimmten Meinung. Die Möglichkeit des Heilsverlustes, die in diesem
Abschnitt mehr als nur angedeutet wird, appelliert untergründig an die Angst der Rezipienten
und betont damit stark die Ebene des Pathos. Vgl. A. ERIKSSON, Fear of Eternal Damnation:
Pathos Appeal in 1 Corinthians 15 and 16, in: T.H. Olbricht / J.L. Sumney (eds.), Paul and
»Pathos« (SBL Symposium Ser., 16; Atlanta, 2001) 117–119.
76 Kenón steht betont voran; auch das Fehlen der Kopula dient der Betonung.
77 Sachlich steht diese Konsequenz in der Nähe der in 15,2 geäußerten Befürchtung, die
Korinther seien womöglich »vergeblich zum Glauben gekommen« (e˙k¨∆ hepisteúsate).
Demgegenüber hält Paulus für seinen eigenen apostolischen Dienst fest, dass sich hier
»Gottes Gnade nicht als vergeblich erwiesen hat« (15,10a: Hj cáriß ahu toü Hj e˙ß hemè ohu
ken`j hegen´jqj).
78 Louw / Nida geben für die Passivform eHurískomai an: »to be in a state which has not
been anticipated, to be found to be, to discover to be, to turn out to be.« Bauer / Aland, 658:
»Wie ax;m]nI sich zeigen, erscheinen, erkennbar werden, sich erweisen, erfunden werden als.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 107

Gottes (yeudomártureß79 toü qeoü80) und Lügner gegen Gott, weil sie
gegen Wissen und Evidenz verkündigen, dass Gott Jesus auferweckt habe, wo
es doch keine Auferweckung gibt81.
16 e˙ gàr nekroì ohuk hegeírontai, Wenn also Tote nicht auferweckt werden,
ohudè Cristòß heg´jgertai≥ dann ist auch Christus nicht auferweckt worden.
17 e˙ dè Cristòß ohuk heg´jgertai, Wenn aber Christus nicht auferweckt wurde,
mataía Hj pístiß Hum¨wn, ‘eti hestè dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid noch
hen taïß Hamartíaiß Hum¨wn. in euren Sünden.
18 ‘ara kaì oÓ koimjqénteß hen Folglich würden auch die Entschlafenen in
Crist¨^w hap´wlonto. Christus verloren gehen.
19 e˙ hen t¨∆ zw¨∆ taút∆ hen Crist¨^w Wenn wir in diesem Leben unsere Hoffnung auf
hjlpikóteß hesmèn mónon, Christus gesetzt haben (und nur das), dann sind
heleeinóteroi pántwn wir die bemitleidenswertesten 82 von allen
hanqr´wpwn hesmén. Menschen.
Der zweite Argumentationsgang setzt wieder mit der These der Korinther aus
V. 13 an und zieht daraus wieder den Schluss, dass Christus nicht auferweckt
worden sei (16). Paulus knüpft in V. 17 an die bereits dargestellte Konse-
quenz, dass der Glaube »leer« sei (14c), an (mataía), betont hier aber stärker
die Wirkungslosigkeit eines solch ausgehöhlten Glaubens83. Daraus zieht er
zwei weitere Schlüsse: Eine Erlösung von Sünden84 hätte nicht stattgefunden

79 Das Ablegen eines falschen Zeugnisses (yeudomarturéw) wird im Dekalog ausdrück-


lich verboten (LXX Ex 20,16; Dtn 5,20) und gilt in der Spruchweisheit als ein großes
moralisches Fehlverhalten (LXX Prov 6,19; 14,5.25; 19,5.9; 21,28; 24,28; 25,18).
80 Der Genitiv drückt entweder Zugehörigkeit aus (»Falschzeugen im Dienst Gottes«; so
ROBERTSON / PLUMMER, 348f; CONZELMANN, 314f) oder das Objekt des Falschzeugnisses
(»Lügenzeugen über Gott«; so BACHMANN, 437; FEE, 742f; WOLFF, 378f).
81 BARRETT, 348 formuliert mit theologischem Feinsinn: »If there is no resurrection, the
Christian proclamation is a lie placed where it is likely to do most damage, in a statement
about God.«
82 Vgl. zum Gebrauch des Komparativs für den Superlativ BDR §60.
83 Es ist unklar, ob mataía gegenüber kenóß in V. 14 einen Unterschied markiert. Für
Kontextsynonymität plädieren u.a. LINDEMANN, 340 und A. OEPKE, Art. kenóß ktl., ThWNT
3 (1938) 660/37–39. Eine solche Bedeutungsüberlappung lässt sich in der LXX belegen: Y
30,7; Hiob 20,18; Hos 12,2; Mi 1,14; Jes 30,7; 59,4; weitere Belege in Bauer / Aland, 870.
CONZELMANN, 325; ROBERTSON / PLUMMER, 349; SCHRAGE, IV, 129; THISELTON, 1219f; W.
VERBURG, Endzeit und Entschlafene. Syntaktisch-sigmatische, semantische und pragmatische
Analyse von 1 Kor 15 (FzB 78; Würzburg, 1996) 137, Anm. 158 machen jedoch einen
semantischen Unterschied zwischen »inhaltsleer« (kenóß) und »wirkungslos« (mataía). Der
literarische Kontext spricht m.E. für eine solche Nuancierung: Während es in 14b–15 darum
geht, dass die Apostel Lügenzeugen sind, weil sie etwas ohne Inhalt verkündigen, geht es in
17c–18 darum, dass die Korinther verloren gehen, wenn ihr Glaube ohne Wirkung ist.
84 Der für Paulus seltene Plural von Hamartía schließt an das Kerygma in 15,3 an. H.
BRAUN, Exegetische Randglossen zum 1. Korintherbrief, in: Ders., Gesammelte Studien zum
Neuen Testament und seiner Umwelt (Tübingen, 21967) 201–204 denkt konkret an die Tat-
sünden der vorchristlichen Existenz.
108 III. Analyse paulinischer Texte

(17)85 und die verstorbenen Christen und Christinnen (euphemistisch »die


Entschlafenen«) wären statt in die jenseitige Errettung ins Verderben gegan-
gen (18: hap´wlonto). Paulus beendet die Argumentation mit einer pathetica
sententia (19)86: Wenn christliche Hoffnung für dieses Leben gilt – und nur
das87, dann sind »wir die bemitleidenswertesten aller Menschen«88.

3. Logische Analyse
a) Auslegungs- und forschungsgeschichtliche Perspektiven
Die Auslegungsgeschichte von 1Kor 15,12–19[20] ist mit wechselnder
Intensität und Sachkenntnis an die Logik dieses Textes herangegangen. In der
Gegenwart ist v.a. die Auseinandersetzung zwischen dem Logiker Theodor G.
Bucher und dem Exegeten Michael Bachmann nicht nur unter auslegungsge-
schichtlichen Gesichtspunkten von Interesse, sondern v.a. auch deshalb, weil
dadurch eine Reihe entscheidend wichtiger Fragen methodischer und
hermeneutischer Natur im Hinblick auf das Verhältnis von Exegese und
Logik zur Sprache gebracht worden sind89.
Zur Bucher-Bachmann-Debatte90: In seinem ersten Aufsatz zum Text hat Bucher vorge-
schlagen 91, 1Kor 15,12–20 mit den Mitteln stoischer Satzlogik als modus tollens (das ent-

85 Wenn der Glaube, dass Jesus »für die Sünden« gestorben ist (15,3) inhaltsleer wird,
dann ist folglich auch die Vergebung dieses Pseudokerygmas ohne Realitätsbezug.
86 So Bullinger (nach SCHRAGE, IV, 134). MACK, Rhetoric, 57, der die pathetische Note
bemerkt, stellt sie jedoch ganz ohne Grund der argumentativen Logik des Textes entgegen:
»This ends on a pathetic note, showing that Paul’s argument was designed not to give reasons
for the trustworthiness of the kerygma but to ward off questions about it.«
87 Mónon ist kaum zu helpikóteß zu ziehen (so aber ALLO, 403), da helpízw bei Paulus
immer positiv konnotiert ist. Häufig wird es mit hen t¨∆ zw¨∆ verbunden (»wir sind nur in
diesem Leben Hoffende«; BDR §3521; CONZELMANN, 315; FEE, 744f; LINDEMANN, 341;
SCHRAGE, IV, 134f; W EISS, 355; WOLFF, 380). Die syntaktische Stellung jedoch legt nahe,
mónon auf den gesamten Satz zu beziehen (BACHMANN, 439; BARRETT, 349f; THISELTON,
1221). ROBERTSON / PLUMMER, 350 übersetzen: »If in this life we are hopers in Christ and
have nothing beyond.«
88 Der Grund dieses bemitleidenswerten Zustandes besteht nicht einfach darin, dass es
keine Auferstehung der Toten gibt, sondern darin, dass die in VV. 13ff angeführten Nachteile
zu ertragen sind. In einem anderen Zusammenhang äußert sich syrBarApk 21,13 ähnlich:
»Denn gäbe es nur dies Leben, das jedermann hier hat – nichts könnte bitterer sein.« (Klijn,
JSHRZ V/2, 136)
89 Die Debatte selbst ging über verschiedene »Runden« in verschiedenen Zeitschriften
(Bib., ThZ, LingBibl) und brachte als »Nachzügler« noch einen kleinen Meinungsaustausch
zwischen BACHMANN und Christoph ZIMMER und letzthin einen Artikel von Johan S. VOS
hervor (vgl. die vollen bibliographischen Angaben oben in S. 95, Anm. 11).
90 Ein detailliertes chronologisches Referat der Auseinandersetzung ist deswegen wenig
ertragreich, weil im Verlauf derselben das zwischen beiden Strittige ebenso wie das
Gemeinsame sich in verschiedenen Anläufen immer deutlicher herausgeschält hat und es
nicht nur zu Annäherungen gekommen ist, sondern auch zu wichtigen Präzisierungen, sowohl
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 109

spricht der zweiten stoischen Grundform; s.o. S. 85) aufzufassen. Aus logischer Perspektive
hat er dabei nicht nur Vorschläge wie reductio ad absurdum oder argumentum ad hominem
einer kritischen Analyse unterzogen, sondern auch Grundlagenwissen über Logik vermit-
telt92. Bachmann hat in seiner Replik 93 v.a. an der Formulierung Buchers, hier ginge es um
eine »allgemeine Auferstehung«94, Anstoß genommen und darauf gedrängt, die logische
Analyse auf eine exaktere philologische Untersuchung der verwendeten Terme zu gründen95.
Uneinig zeigen sich beide im Hinblick auf das Problem der verwendeten logischen Formali-
sierungssystematik. Während Bucher die logischen Strukturen des Textes nur mit satzlogi-
schen Mitteln zu erheben versucht96, geht Bachmann auch prädikatenlogisch vor97. Beide
haben in der Folge auch die Auslegungsgeschichte in Patristik und Mittelalter berücksich-
tigt98. Trotz einiger Abweichungen fundamentallogischer Natur gibt es auf dem Gebiet der
konkreten Formalisierung kaum Unterschiede. So kann Bucher nicht sehen, »worin denn
unsere Abweichung sachlich besteht« (Beweisführung, 139). Dieser Eindruck drängt sich
auch Außenstehenden beim Anblick von Bachmanns synoptischer Gegenüberstellung der
beiden Formalisierungsvorschläge auf99:
Bucher Bachmann
(1) ¬A → ¬C (V. 13) (i) ¬A* → ¬C (V.13)
(2) C (V. 20a) (ii) C (V. 20a)
(3) A (iii) A* (s. V. 20b.21b)

im Hinblick auf die Möglichkeit einer logischen Textanalyse als auch im Hinblick auf das
konkrete Verständnis der Argumentation von 1Kor 15,12–20.
91 BUCHER, Logische Argumentation. Der gleiche Gedankengang findet sich in »Aufer-
stehung Christi«.
92 Zur Implikation vgl. BUCHER, Logische Argumentation, 477–486; Beweisführung,
135f; zur Satz- und Prädikatenlogik und zum Problembereich von »Wahrheit und Gültigkeit«
vgl. Überlegungen, 72–80.84–91. Allgemein hat sich BUCHER zu solchen Fragen in seiner
Einführung in die angewandte Logik geäußert.
93 BACHMANN , Gedankenführung.
94 BUCHER, Logische Argumentation, 470.
95 Vgl. bes. BACHMANN , Gedankenführung, 268–272; Rezeption, 81–83.94.
96 BUCHER, Logische Argumentation betont mit Nachdruck, »dass sich die vorliegende
Argumentation nicht in Syllogismen ausdrücken lässt« (473, Anm. 1). Die Prädikatenlogik
aristotelischer Manier könne an diesem Texte nicht angelegt werden, weil »Paulus […] hier
nach der Aussagenlogik [argumentiert], d.h. er teilt die Aussagen nicht in Subjekt und
Prädikat auf, von denen eines als Mittelterm fungiert, sondern er nimmt die Aussagen als
ganze« (474). Ähnlich S. 486: »Paulus argumentiert mit der stoisch-megarischen Logik und
die Exegeten suchen den Gedankengang in der Syllogistik von Aristoteles unterzubringen.
Die Prädikatenlogik ist aber dem diskutierten Problem nicht angepasst.« In BUCHER,
Überlegungen, 80–83 argumentiert er nochmals gegen den Einsatz der Prädikatenlogik.
97 In Gedankenführung, 272, Anm. 42 postuliert er diese Möglichkeit, bietet aber nur
Beispiele satzlogischer Art. Erst in Noch einmal, 101 formalisiert BACHMANN 15,13 als einen
aristotelischen Syllogismus der Form ferio: »1) Kein Gestorbener ist der Auferstehung
teilhaftig. 2) Christus ist ein Gestorbener. 3) Christus ist der Auferstehung nicht teilhaftig.«
Vgl. auch BACHMANN, Argumentum, 38f.
98 BUCHER, Beweisführung, 143–152 (zu Augustin und Thomas von Aquin); BACHMANN,
Argumentum, 33–38 (zu Augustin).
99 In BACHMANN , Rezeption, 84. Die gleiche Formalisierung schlägt ZIMMER, Argumen-
tum, 25f vor.
110 III. Analyse paulinischer Texte

Die Diskussion hat als Minimalergebnis die Einsicht gebracht, dass sich 1Kor 15,12–19 trotz
seiner zweifellos von Pathos getragenen rhetorischen Einkleidung auf seine logische
Stringenz hin sinnvoll befragen lässt100.

In der Fachexegese finden sich häufig Vorschläge zur argumentativen


Struktur des Textes, die die »Logik« im engen Sinne wenig berühren:
1. Johannes Weiß hat in 1Kor 15,12ff »ein Spiel mit dem logischen
Gesetz« erblickt, »daß ein allgemeiner negativer Satz nicht aufrecht erhalten
werden kann, wenn eine positive Ausnahme nachgewiesen ist, oder daß es
nicht eine einzige Ausnahme geben darf, wenn die allgemeine Negation
aufrecht erhalten werden soll.«101 Dieses »Gesetz« kann – trotz der Tatsache,
dass es in der Folgezeit von vielen aufgenommen worden ist102 – schon
alleine deswegen kein Gesetz der Logik sein, weil es Logik um das Verhältnis
von Aussagesätzen zueinander geht und nicht um das von Satzinhalten zu aus
der Empirie herbeigezogenen »Ausnahmen«103. Das »Weiß’sche Gesetz«
jedenfalls hat mehr mit Erkenntnistheorie als mit Logik zu tun104.
2. Häufig wird 1Kor 15,12ff als reductio ad absurdum oder reductio ad
impossibile bestimmt105. Da die Bedeutung beider Begriffe nicht immer scharf
umrissen ist, bedarf es an dieser Stelle einer Klärung:
Der Begriff der reductio ad absurdum (auch deductio ad impossibile) hat in logischem und in
rhetorischem Kontext eine je andere Beudeutung. In der griechischen Bezeichnung hapagwg´j
e˙ß tò hadúnaton hat es sein Heimatrecht zunächst deutlich im Bereich der Logik, wo es
einen indirekten Beweis bezeichnet. In den Worten des Aristoteles: »Denn alle Folgerungen
aufgrund von Unmöglichem schließen zwar auf Falsches, beweisen aber die hypothetische
Anfangsannahme, wenn nämlich aus der Annahme des (kontradiktorischen) Gegenteils etwas
Unmögliches folgt.« (An. pr. I 23,41a22–26; eig. Übers.) 106

100 Seine zweite Erwiderung an BUCHER schreibt BACHMANN »aus der mich mit Bucher
fraglos einenden Überzeugung heraus, es könne von der klassischen Logik (und ihrer
modernen Formalisierung) her Hilfe für das Verständnis von Texten wie 1. Kor. 15,12ff.
erhofft werden.« (Rezeption, 79)
101 WEISS, 353. S CHLATTER, 404 formuliert eine ähnliche »logische[...] Regel […], daß
von einer allgemein gültigen Verneinung jeder besondere Fall getroffen wird.«
102 Vgl. z.B. S PÖRLEIN , Leugnung, 67; LINDEMANN, 337.
103 SCHRAGE, IV, 126, Anm. 566: »Das aber ist schon darum fraglich, weil es bekanntlich
keine Regel ohne Ausnahme gibt.« Ein solcher Einwand berührt logische Fragen nicht.
104 Vgl. zur Kritik weiterhin BUCHER, Logische Argumentation, 473f.
105 BACHMANN , 437 (deductio ad absurdum); K. BERGER, Formgeschichte des Neuen
Testaments (Heidelberg, 1984) 103; Exegese des Neuen Testaments (UTB 658; Heidelberg,
21984) 54; V. HASLER, Credo und Auferstehung in Korinth. Erwägungen zu 1 Kor 15, ThZ 40

(1984) 24; HÉRING, 163; ROBERTSON / PLUMMER, 348; SCHRAGE, IV, 109 und 126, Anm.
566; SIEGERT, Argumentation, 241; W. STENGER, Beobachtungen zur Argumentationsstruktur
von 1Kor 15, Strukturale Beobachtungen zum Neuen Testament (NTTS 12; Leiden, 1990)
259. J. HOLLEMAN, Resurrection and Parousia (NT.S 84; Leiden, 1996) 41, Anm. 4 definiert
das argumentum ad absurdum kurzerhand im Sinne des Weiß’schen Gesetzes.
106 Pánteß gàr oÓ e˙ß tò h adúnaton peraínonteß tò mèn yeüdoß sullogízontai, tò
dh hex harc¨jß hex Hupoqésewß deiknúousin, “otan hadúnaton ti sumbaín∆ t¨jß hantifásewß
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 111

Da hier die Absurdität oder Unmöglichkeit nicht Ziel, sondern Mittel zum Beweis ist,
wäre es präziser, von probatio per absurdum107 oder demonstratio per impossibile108 zu
sprechen. In der modernen Logik ist dieses Beweisverfahren gültig und hat meist eine der
beiden folgenden Grundformen109:
(1a) B (1b) B (2a) (2b)
(A ∧ B) → C (¬A ∧ B) → C A→C ¬A → C
(A ∧ B) → ¬C (¬A ∧ B) → ¬C A → ¬C ¬A → ¬C
¬A A ¬A A
Wie C. Thiel zurecht betont, sollte im strengen Sinne von einer reductio ad absurdum nur
dann die Rede sein, »wenn der erreichte Widerspruch ein logischer (ein ›absurdum‹) ist, d.h.
nicht bloß einer empirischen Tatsache widerspricht (›impossibile‹) oder gar nur ein ›lästiges
Faktum‹ (›incommodum‹) ist« 110. An dieser Stelle wird der Übergang zur argumentativen
Verwendung des Begriffs deutlich. In der Argumentation geht es nicht um den Beweis,
sondern um den Aufweis von Ungereimtheiten bei Annahme der gegenteiligen Position. So
bietet z.B. W.C. Salmon ein logisch weniger strenges Schema111:
Behauptung: p.
Voraussetzung: Nicht-p.
Daraus deduziert man: Eine falsche Aussage; entweder
p (Widerspruch zur Voraussetzung nicht-p) oder
q und nicht-q (Selbstwiderspruch) oder
irgendeine andere Aussage r, die bekanntermaßen falsch ist.
Konklusion: Nicht-p ist falsch; also gilt p.
Dieses Schema lässt jede Deduktion zu, »die bekanntermaßen falsch ist«. In diesem Sinne
kann auch in der Rhetorik von einer reductio gesprochen werden 112, wenn eine gegnerische
Meinung durch den Aufweis widerlegt wird, dass »die Vordersätze der Schlüsse falsch
sind«113. Dennoch sind Begriffe wie hapagwg´j oder reductio kaum in die Rhetorik-Lehr-
bücher eingegangen114. Ich möchte daher im Folgenden unterscheiden zwischen der streng
logischen reductio ad absurdum und einer eher rhetorischen reductio ad impossibile115.

teqeísjß. Vgl. weiterhin Aristoteles An. pr. I 5,27a14f; 6,28b21; 7,29b6 (dazu PATZIG,
Aristotelische Syllogistik, 153–166; KNEALE / KNEALE, Logic, 96–100). Vorformen dieser
Argumentationsform finden sich bei Platon (z.B. Theaithetos 164a.b; Apologie 27d.e) oder
bei Zenon von Elea (vgl. KNEALE / KNEALE, Logic, 15f).
107 S. MATUSCHEK , Apagoge, HWRh 1 (1992) 758.
108 N. RESCHER, Art. Reductio ad absurdum, HWPh 7 (1992) 369.
109 C. THIEL, Art. reductio ad absurdum, EPhW 3 (1995) 516.
110 THIEL, reductio, 516.
111 SALMON, Logik, 64.
112 MATUSCHEK , Apagoge, 759.
113 MARTIN , Antike Rhetorik, 125 nennt dies eines der wichtigsten Ziele der lúsiß oder
refutatio (vgl. allg. dazu S. 124–133).
114 MATUSCHEK , Apagoge, 759.
115 Eher zur Verwirrung geeignet ist die Abgrenzung von KNEALE / KNEALE, Logic, 9:
»Perhaps the name reductio ad absurdum may be allowed to cover those which are not
strictly instances of reductio ad impossibile.«
112 III. Analyse paulinischer Texte

Für den unter Betracht stehenden Text lässt sich die Bestimmung als reductio
ad impossibile nicht leicht von der Hand weisen: Paulus geht hypothetisch
von der These der Korinther aus und nimmt diese als Ausgangsprämisse für
eine Reihe von Konklusionen, denen die Korinther kaum zugestimmt haben
dürften. Ein logischer Beweis im obigen Sinne ist jedoch nicht formalisierbar.
3. Am direktesten ist die Frage nach der Logik betroffen, wenn sie für den
Text schlicht als irrelevant betrachtet wird116. In diese Richtung bewegt sich
deutlich die These, der Text sei lediglich ein argumentum ad hominem117.
Doch die rhetorischen Kommunikationsebenen von Ethos, Pathos und Logos
greifen derart ineinander über, dass mit der Aussage, in einem Text werde an
Gefühle appelliert oder ein Text ziele auf Persuasion, nichts über die logische
Struktur des Textes gesagt ist – und umgekehrt118. Auch der Hinweis, dass die
Christologie im Zentrum stehe, dispensiert wohl kaum von einer Analyse der
logischen Gültigkeit119. Im Namen der theologischen »Sache« sollte ein Text
nicht gegen die Möglicghkeit einer logischen Analyse immunisiert werden120!

116 CONZELMANN , 313 setzt sich z.B. von WEISS ab: »Das ist nicht formallogische Kon-
sequenzmacherei.« Bereits Luther erblickte in diesem Text nur einen »schwachen Beweis«,
»einen Schluß vom Besonderen auf das Allgemeine« (Korintherbriefe, hrsg. Ellwein, 213).
117 Vgl. SPÖRLEIN , Leugnung, 69; W EISS, 354f (allerdings nur im Hinblick auf V. 17 und
das nicht zu Unrecht!). Zur Kritik vgl. BUCHER, Logische Argumentation, 469. Neuerdings
wieder SCHRAGE, IV, 111: »Dabei geht es Paulus allerdings weniger um logische Gesetze
und Beweise als um persuasive Argumente ad hominem, wobei er auch affektische Mittel
einsetzt.« Zur BUCHER-BACHMANN-Debatte urteilt SCHRAGE, IV, 127, Anm. 569: »Insofern
sind die scharfsinnigen formallogischen Distinktionen auf der Basis der antiken Prädikaten-
oder Aussagenlogik von Bucher und Bachmann m.E. nur mit Vorbehalt hilfreich.«
118 Wenn z.B. der logischen Analyse BUCHERS vorgeworfen wird, er verkenne »den
grundsätzlichen Charakter von 1. Kor 15 als lebendiger Rede und als dynamischen Argumen-
tationsprozeß« (BÜNKER, Briefformular, 142, Anm. 126), dann steht dahinter das Zerrbild
einer »Logik«, die im konkreten Sprachvollzug mit so etwas wie dynamischen Prozessen
unvereinbar ist. BÜNKER, Briefformular, 68: »Nicht die logisch distanzierte Abhandlung wird
im Vordergrund stehen, sondern die Überredung bzw. Überzeugung der Zuhörer.« Eine
ebenso falsche wie traurige Alternative!
119 SCHRAGE, IV, 126, Anm. 566 wendet gegen die logische Bestimmung der Argumenta-
tion ein: »Vor allem der Zusammenhang zwischen V 1–11 und 12ff spricht dagegen. Nicht in
sich schlüssige Denkrichtungen und weltanschauliche Möglichkeiten stehen im Zentrum der
Debatte, sondern die Christologie und ihre universalen und eschatologischen Dimensionen.«
S. 127: »Gewiß sind Enthymeme mit Prämissen und Konklusionen erkennbar (V 13.16), mit
denen Paulus auf Inkonsequenzen aufmerksam macht. Das Entscheidende aber ist nicht, daß
dann, wenn die Auferstehung Jesu feststeht, eine prinzipielle Leugnung der Totenauferste-
hung logisch unhaltbar ist. Entscheidend ist vielmehr, daß die Wirklichkeit der Auferwe-
ckung Jesu als Anbruch der neuen Welt und als eschatologischer Beginn und Grund der
Totenauferstehung zu verstehen ist…«
120 Dies gilt etwa für BRAUN, Randglossen, 198, der das »Weiß’sche Gesetz« ablehnt und
meint, dass der ganze Text »in syllogistischer Form inhaltliche Notwendigkeiten geltend
macht, nach dem Gesetz der Sache, die da verbietet, von Christi Auferweckung zu reden, wo
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 113

Insgesamt ist der beschränkte, aber doch unverkennbare Nutzen der Logik
für die Analyse von Schlussverfahren trotz der Beiträge von Bucher und
Bachmann in der Fachexegese nicht in vollem Umfang gewürdigt worden.
Manche Abgrenzungen zeugen vielmehr von einer unzutreffenden Auffas-
sung von Logik121.

b) Die Umkehrung der Implikation als Fehlschluss122


In der Literatur findet sich häufig ein Fehlschluss, bei dem zwei logisch
relevante Implikationen miteinander verwechselt werden:
(1) Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ¬p → ¬q
dann ist Christus nicht auferweckt worden
(2) Wenn es eine Auferstehung der Toten gibt, p→ q
dann ist Christus auferweckt worden.
Der Schritt von Satz 1 zu Satz 2 entspricht zwar häufiger »Alltagslogik«123,
ist aber logisch unzulässig, wie ein Beispiel zeigt: Wenn es regnet, wird der
Boden nass (S1). Wenn es nicht regnet, wird der Boden nicht nass (S2).
S2 kann unmöglich aus S2 logisch gefolgert werden. Wenn gilt, dass der

man die Totenauferstehung bestreitet«. BUCHER, Logische Argumentation, 474–476 attestiert


BRAUN eine Vermischung von Logik und Ontologie.
121 Dass dies nicht immer so war, zeigt der informative Aufsatz von Vos, der die Ausle-
gungsgeschichte danach befragt, wie die Logik und Rhetorik dieses Textes bestimmt worden
sind (Logik des Paulus, 80–96. Vgl. auch die knappen Hinweise in SCHRAGE, IV, 139–142).
Er gelangt dabei im Wesentlichen zu drei Optionen (modus tollens, modus ponens und
reductio ad absurdum), die in unterschiedlichen Kombinationen bei Augustin, Thomas von
Aquin, Cajetan, Bullinger, Osiander und weiteren Exegeten bis ins 19. Jh. nachweisbar sind.
Ein solches auslegungsgeschichtliches Panoptikum hat jedoch für die Sachfrage nach der
logischen Struktur von 1Kor 15,12–19 deswegen kaum Gewicht, weil sich die Logik seit dem
Humanismus in einem derartigen Niedergang befand (vgl. KNEALE / KNEALE, Logic, 298ff),
dass die meisten, die hier zu Wort kommen, kaum als Experten für logische Fragen gelten
können. Die m.E. gewichtigste logische Diskussion zu diesem Text findet sich in Augustin
DoctrChr II 31(49),119–32(50),121 (lat. Green, 112; dt. Pollmann, 88f), der den Text im
Sinne eines stoischen modus tollens analysiert. Vos führt Augustins, Contra litteras Petiliani
III, 46(55)–47(57) = CSEL 52, 207–10 als Beleg dafür auf, das Augustin den Text auch im
Sinne einer reductio ad absurdum deuten konnte. Ich bin hier skeptisch: In seiner antidona-
tistischen Schrift benutzt Augustin 1Kor 15,13–15 als Beispiel dafür, wie hypothetische
Aussagen missverstanden werden können, wenn der erste Teil der Aussage nicht berücksich-
tigt wird. In diesem Sinne könne Paulus die Aussage »Christus ist nicht auferstanden«
unterstellt werden. In DoctrChr geht es Augustin darum, anhand von 1Kor 15,13ff elementa-
re Gesetze der Logik aufzuzeigen, hier geht es ihm um die Kommunikationsabsicht des
Paulus. Im Hinblick auf die besondere Fehlmeinung der Korinther möchte Paulus ihre
»Absurdität korrigieren« (46[56] absurditate corrigit), indem er aufzeigt, welche gottlosen
Aussagen daraus folgen. Eine technische Aussage über die Argumentationsform des Textes
scheint mir das nicht zu sein.
122 Vgl. zur Asymmetrie der Implikation BUCHER, Logische Argumentation, 480–483.
123 Ein Beispiel: »Wenn es schneit, fahren wir in die Berge. Nun schneit es nicht, also…«
114 III. Analyse paulinischer Texte

Boden immer nass wird, wenn es regnet, ist noch keine Aussage darüber
getroffen, was im Falle von ausbleibenden Regenfällen geschieht. Da es viele
andere Ursachen dafür geben kann, dass der Boden nass wird (z.B. ein
Wasserrohrbruch), lässt sich nicht nur in diesem Fall, sondern generell aus der
Negation der Protasis einer Implikation nichts folgern124.
Die Argumentationsrichtung von 1Kor 15,12–19 ist in den Bedingungssät-
zen in VV. 13 und 16 gleich zweimal mit unmissverständlicher Klarheit
angegeben: Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, dann ist Christus
nicht auferweckt worden. Daraus ist jedoch nichts im Hinblick darauf zu
schließen, wie es sich mit der Auferstehung Christi verhalten könnte, wenn es
eine Auferstehung der Toten gäbe. An keiner Stelle deutet der Text mit auch
nur einem Wort die Absicht an, von der allgemeinen Auferstehung auf die
Auferstehung Jesu schließen zu wollen. Dies ist mit den Mitteln der Logik aus
den Implikationen in 15,13.16 auch völlig unmöglich125. Die Auferstehung
Jesu wird nach der Darlegung des Kerygmas in 15,1–11 in 15,20 fern jeder
logischen Beweisbarkeit »kategorisch affirmiert«126.
Die Argumentationsrichtung von der Auferstehung Christi zur Auferstehung der Toten
beginnt erst in 15,20 (nicht bereits in 15,12)127. Dass ab hier jedoch nicht mehr im Sinne
logischer Implikationen argumentiert wird, lässt sich daran ablesen, dass Paulus ab V. 20
stilistisch von Konditional- zu Aussagesätzen übergeht (einzige Ausnahme: 15,32b). Der
argumentative Schritt ist dadurch möglich, dass ein zusätzlicher Aspekt ins Spiel gebracht
wird: Die »allgemeine« Auferstehung (vielleicht nur auf verstorbene Christen und Christin-
nen bezogen) findet ihre Begründung deshalb in der Auferstehung Jesu, weil diese als
eschatologischer »Eröffnungsakt« verstanden wird 128. Dies liegt sachlich (nicht logisch!) in

124 Die stoische Logik war sich des Problems bewusst, so dass von den zwei axioma-
tischen Implikationen (s.o. S. 85), keine als zweite Prämisse die Negation der Protasis setzt.
125 SELLIN, Auferstehung, 257, Anm. 107: »Was er [= Paulus] letztlich zeigen will, ist,
daß aus der Auferweckung Christi die Auferweckung der (aller) Christen folgen wird. Keine
Logik allein bringt solchen Schluß zustande.« Die letzte Aussage ist zwar zutreffend, aber
zumindest für 15,12–19 gilt keineswegs, dass Paulus die Auferweckung der Christen aus der
Auferweckung Christi zeigen wollte.
126 BUCHER, Logische Argumentation, 470. Erhellend auch 471, Anm. 1: »Die Annehm-
barkeit von V. 20 ist Sache der Erkenntnistheorie, resp. der theologischen Entscheidung, hat
aber mit Logik nichts zu tun. Diese unglückselige Vermischung zwischen Logik und
Erkenntnistheorie schreibt der Logik auf der einen Seite Leistungen zu, die sie nicht
erbringen will, auf der anderen Seite werden ihr Leistungen in ihrem eigenen Kompetenzbe-
reich gar nicht zugetraut und a priori als unmöglich hingestellt.«
127 Anders CONZELMANN, 313, Anm. 18 (zu V. 13): »Es schwebt bereits hier der kausale
Zusammenhang zwischen der Auferstehung Christi und derjenigen des Christen vor.«
128 Vgl. 6,14; 15,20; 2Kor 4,14; Röm 8,11. S. VOLLENWEIDER, Ostern – der denkwürdige
Ausgang einer Krisenerfahrung, in: Ders., Horizonte neutestamentlicher Christologie
(WUNT 144; Tübingen, 2002) 118f betont, dass die Auferstehung Jesu »im Sinne einer
gewissmachenden Antizipation« zur allgemeinen Auferstehung in Bezug gesetzt wird, was
allerdings nicht als Aufarbeitungsversuch von Todesfällen in den Gemeinden zu werten ist,
sondern als »eine zunächst fast selbstverständliche Implikation«. U. LUZ, Das Geschichtsver-
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 115

der apokalyptischen Vorstellung begründet, dass mit der Auferstehung Jesu die Heilszeit
ihren Anfang nimmt129. Paulus täuscht an dieser Stelle also keineswegs mehr logische
Stringenz vor, als den Sätzen beigelegt werden könnte130. Im Gegensatz zu manchen seiner
modernen Ausleger begeht er den Fehlschluss der Implikationsumkehrung nicht131.

c) Textabgrenzung und Bestimmung logisch relevanter Sätze


Die Abgrenzung der Texteinheit unter logischen Gesichtspunkten kann
zuweilen von gängigen Textabgrenzungen abweichen. So sind zwar die VV.
12–19 aufgrund der Kette von Bedingungssätzen als eine Einheit zu betrach-
ten, aber Bucher hat in seiner logischen Analyse vorgeschlagen, V. 20a als
»die erforderliche Zusatzprämisse, um eine Folgerung abzuleiten«, zu berück-
sichtigen132. Dies ist allerdings nicht zwingend, weil die Affirmation der
Auferstehung Jesu bereits in 15,1–11 dargelegt worden ist und sich in den
traditionellen Stücken des 1Kor gerade auch die Prämissen der weiteren
Argumentation finden (s.o. S. 100). Im Hinblick auf die Ausscheidung von
logisch irrelevanten Sätzen gerät V. 12 ins Visier Buchers, weil die Frage nur
»psychologisch-rhetorische Bedeutung« hat133. Aus der rhetorischen Form der
Frage geht jedoch hervor, dass es hier um mehr geht als nur um psycholo-
gisch-rhetorische Beeinflussung (Pathos). Hier wird die Ausgangsfrage
formuliert: Besteht zwischen dem Satz »Christus ist auferweckt worden«, und
dem Satz »Es gibt keine Auferstehung von Toten«, ein Widerspruch?
Beziehungsweise: Besteht zwischen der allgemeinen urchristlichen Missions-

ständnis des Paulus (BEvTh 49; München, 1968) 333, Anm. 61: »in Wirklichkeit argumen-
tiert er – vielleicht pseudologisch – von der Auferstehung Christi her«. SCHRAGE, IV, 128:
»Prämisse und Ziel seiner Argumentation ist V 20, der die Eingangsthese von V 12a
wiederholt und daraus folgert, daß die Toten auferstehen.« Dies ist nicht ganz richtig, weil V.
20 nicht V. 12a wiederholt, sondern durch haparc`j t¨wn kekoimjménwn ganz entscheidend
qualifiziert.
129 ROBERTSON / PLUMMER, 347f: »The connexion between antecedent and consequent is
therefore not logical merely, but causal: the Resurrection of Christ is not viewed by the
Apostle as one particular case of a general law, but as the source of Divine Power which
effects the Resurrection in store for His members.« (Hervorhebung vom Autor)
130 Wieder ROBERTSON / PLUMMER, 351: »In these verses [20–28, MM] the Apostle
ceases to argue, and authoritatively declares the truth. Human logic is for the moment
dropped, and the inspiration of the Prophet takes its place.«
131 Richtig THISELTON , 1214: »Any possible sense of confusion for the modern reader
arises because the resurrection of Christ is also regarded (in vv. 20–34) as the paradigm case
of resurrection in reality. Hence it may appear that Paul is turning an anticipated argument
upside down. In practice, however, these two approaches represent different and complemen-
tary arguments. There is no contradiction of logic between vv. 12–19 and 20–34.«
132 BUCHER, Logische Argumentation, 472f; vgl. auch LANG , 217. WOLFF, 376 segmen-
tiert 15,12–20 ohne weitere Begründung als eine Einheit.
133 BUCHER, Logische Argumentation, 465. Für ihn ist V. 12 ein argumentum ad homi-
nem (S. 466).
116 III. Analyse paulinischer Texte

verkündigung und der Behauptung einiger Christen in Korinth ein Wider-


spruch?134 Für die logische Analyse ergeben sich zehn Elementarsätze:
Satz Elementarsatz Vers
(1) Cristòß hek nekr¨wn Christus ist auferweckt worden. [= Gott 12b.15c.20a
heg´jgertai. hat Christus von den Toten auferweckt.]
(2) hanástasiß nekr¨wn ohuk Tote werden nicht (von Gott) auferweckt. 12d.13a.15e.
‘estin. 16a
(3) Cristòß ohuk heg´jgertai. Christus ist nicht auferweckt worden. 13b.14a.15d.
[= Gott hat Christus nicht auferweckt.] 16b.17a
(4) tò k´jrugma Hjm¨wn hestin Die Predigt (von Paulus & Co.) ist inhalts– 14b
kenón. los.
(5a/b) Hj pístiß Hum¨wn hestin Der Glaube (der Korinther) ist inhaltslos / 14c.17b
ken´j / mataía. wirkungslos.
(6) eHuriskómeqa yeudo- Paulus & Co. erweisen sich als Falschzeu- 15a
mártureß toü qeoü. gen Gottes.
(7) ‘eti hestè hen taïß Die Korinther sind noch in ihren Sünden. 17c
Hamartíaiß Hum¨wn.
(8) oÓ koimjqénteß hen Die verstorbenen Christen gehen verloren. 18
Crist¨^w hap´wlonto.
(9) hen t¨∆ zw¨∆ taút∆ hen Wir haben in diesem Leben unsere 19a
Crist¨^w hjlpikóteß Hoffnung auf Christus gesetzt.
hesmèn mónon.
(10) heleeinóteroi pántwn Wir sind die bemitleidenswertesten von 19b
hanqr´wpwn hesmén. allen Menschen.
Auffällig ist die Wiederholung gleicher Aussageinhalte (Nr. 1-3). Ein kontra-
diktorischer Gegensatz besteht zwischen Satz (1) und (3). Die restlichen Sätze
(4)–(10) hängen inhaltlich alle dadurch miteinander zusammen, dass sie in
rhetorisch wirkungsvoller Abwechslung die Konsequenzen der Implikation
der korinthischen These (Satz 2) ausmalen: Die Verkündigung wie der Glaube
sind inhaltslos und nutzlos (4) (5), die Prediger sind Falschzeugen (6), die
Christen sind noch in ihren Sünden (7), die verstorbenen Christen sind
verloren (8), die auf Christus Hoffenden sind bemitleidenswert (9) (10).
Dadurch wird deutlich, dass die Grundstruktur der Argumentation mit vier
basalen Sätzen operiert:
(1) Christus ist (von Gott) auferweckt.
(2) Tote werden nicht (von Gott) erweckt.
(3) Christus ist (von Gott) nicht auferweckt worden.
(4–10) Die Verkündigung ist inhaltslos, usw.

134 DieArgumentation weiß sich damit dem Prinzip vom »ausgeschlossenen Dritten«
verpflichtet. Beide Aussagen können gleichzeitig nicht wahr sein.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 117

d) Versuch einer termlogischen Analyse


Wie oben dargestellt, ist die Frage nach der Formalisierung von Bucher und
Bachmann unterschiedlich gewichtet worden. Beide sind darin einig, dass
sich die argumentative Grundlinie aussagenlogisch formalisieren lässt. Um in
dieser Frage jedoch keine Vorentscheidung zu treffen, soll zunächst ein
termlogischer Versuch unternommen werden.
Ein erstes Formalisierungsproblem stellt der Individualterm »Christus«
dar. Obwohl in der Rhetorik Indivualterme vorkommen, hat Aristoteles in der
Syllogistik diese nicht berücksichtigt, so dass wir vor die Frage gestellt sind,
ob sie im Sinne einer All- oder einer Partikuläraussage formalisiert werden
sollen. Die mittelalterliche Logik hat sich für den Allquantor entschieden135.
D.h.: Der Satz »Sokrates ist ein weiser Mann«, ist zu formalisieren als SaM
(etwa: »Alle Menschen, auf die es zutrifft, Sokrates zu sein, sind weise«) und
nicht als SiM (etwa: »Einige Menschen/Mindestens ein Mensch, auf den es
zutrifft, Sokrates zu sein, sind/ist weise«). In diesem Sinne lassen sich die
zehn Elementarsätze folgendermaßen formalisieren:
Satz Form Elementarsatz
(1) CaA Christus ist auferweckt worden.
(2) TeA Tote werden nicht (von Gott) auferweckt.
(3) CeA Christus ist nicht auferweckt worden.
(4) PaI Die Predigt (von Paulus & Co.) ist inhaltslos.
(5a) GaI Der Glaube (der Korinther) ist inhaltslos.
(5b) GaW Der Glaube (der Korinther) ist wirkungslos.
(6) EaF Paulus & Co. erweisen sich als Falschzeugen Gottes.
(7) KaS Die Korinther sind noch in ihren Sünden.
(8) VaD Die verstorbenen Christen gehen verloren.
(9) XaH Wir haben in diesem Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt.
(10) XaM Wir sind die bemitleidenswertesten von allen Menschen.
Die aristotelische Termlogik vermag die logische Grundstruktur der Argu-
mentation nicht zu erfassen136, sie wirft jedoch einiges Licht auf die implizite
Logik der Schlusskette (sorites) in den VV. 13–19.
Ein Beispiel: Der Behauptung »Sokrates ist unsterblich«, könnte entgegnet werden: »Wenn er
unsterblich ist, dann ist er kein Mensch.« Hinter dieser Implikation verbirgt sich ein

135 Vgl. BUCHER, Wahrheitsgarantie, 28–30. Die Gründe, die dazu geführt haben, lassen
sich z.B. am Darapti-Schluss der dritten Figur veranschaulichen: »Alle Menschen sind
Denkende. Alle Menschen sind Atmende. Also: Einige Atmende sind Denkende.« Aus den
Prämissen »Sokrates ist ein Denkender«, und »Sokrates ist ein Atmender«, lässt sich ebenso
der Schluss ziehen: »Einige (im Sinne von: mindestens einer) Atmende sind Denkende.«
Dieser Schluss ist bei einer Formalisierung der beiden Individualaussagen als i-Sätze nicht
zulässig.
136 Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Formalisierung der Individualaussagen in
Satz (1) und (3): CaA und CeA bilden einen konträren und keinen kontradiktorischen
Gegensatz.
118 III. Analyse paulinischer Texte

verkürzter Syllogismus, dessen obere Prämisse, dass alle Menschen sterblich sind, unausge-
sprochen bleibt. In diesem Sinne können einige der Implikationen in VV. 13–19 auf ihre
Logik hin befragt werden.

Der Verlauf der »Argumentationskette« nimmt seinen Ausgang in 13a–14a


und dann erneut in 16a–17a mit der wiederholten Grundimplikation: Wenn
Tote nicht auferweckt werden, ist Christus nicht auferweckt worden. Von
dieser Folgerung aus verläuft die Argumentation in zwei »parallel« verlau-
fenden Linien: Die erste (14b–15) geht vom Inhaltsverlust (kenóß) aus und
malt die Konsequenzen aus, die dies für die Apostel und ihre Verkündigung
(1. Plural) hat137. Die zweite Linie (17b–18) greift das Problem der Wirkungs-
losigkeit (mátaioß) auf und zieht Konsequenzen im Hinblick auf das Heil der
Korinther (3. Plural). Der Plural in V. 19 schließt wahrscheinlich beide
Gruppen (hesmén) ein. Sowohl jene, die Leeres verkündigen, als auch jene, die
Kraftloses glauben, sind bemitleidenswert.
Insgesamt arbeitet der Text mit sieben Implikationen, deren fehlende
Prämissen mit den Mitteln aristotelischer Logik teilweise eruiert werden
können. Für die erste Implikation (15,13.16) besteht ein gültiger Syllogismus
nach Celarent:
TeA Wenn Tote nicht auferweckt werden [maior]
CaT und Christus ein Toter ist/war, [minor, implizit]
CeA dann ist Christus nicht auferweckt worden. [concl.]

Die zweite Implikation in V. 14 (und ähnlich in V. 17) lässt sich in der


jetzigen Formalisierung nicht logisch anordnen, wie bereits die formale
Darstellung der beiden Sätze deutlich macht: »Christus ist nicht auferweckt
worden« (CeA) und »Die Predigt ist inhaltslos« (PaI): Damit liegen insgesamt
vier unterschiedliche Terme und kein Mittelterm vor (C, A, P, I). Bei
genauerer Analyse jedoch gibt sich die Problemursache in der Vermischung
von Objektsprache (»Christus ist nicht auferstanden«) und Metasprache (»Wir
verkündigen…«) zu erkennen138. Der Übergang von einer Ebene auf die
andere gründet auf der Überzeugung: Wenn p gilt, dann ist die Aussage »p ist
wahr« wahr. Umgekehrt: Wenn die Aussage »p« falsch ist, gilt nicht-p. Der
»Schluss«, der in natürlicher Sprache stringent erscheint, kann formal als
Barbara-Schluss dargestellt werden, indem die Aussage »Christus ist
auferstanden« selbst als Term erscheint (= AC):

137 Die erste Pluralform steht daher in 14b–15 im Zentrum. Der Hinweis auf den Glauben
der Korinther in 14c schlägt eine Brücke zur zweiten Argumentationslinie in 17b–18.
138 Th. LEWANDOWSKI, Linguistisches Wörterbuch (UTB 201; Heidelberg, 31979) 2:524f:
»In der umgangssprachlichen Kommunikation gehen O[bjektsprache] und Metasprache oft
unmerklich ineinander über, Mißverständnisse und Paradoxien können durch den Kontext
vermieden werden. Rein sprachliche Indikatoren für O[bjektsprache] und M[etasprache] gibt
es nicht.« Es gilt als anerkannt, »daß die Nichtbeachtung dieser Unterscheidung zu folgen-
schweren Paradoxien und semantischen Antinomien führt« (525).
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 119

AC a I Wenn »Christus ist auferstanden« inhaltslos ist [maior]


P a AC und wenn die Predigt lautet »C. ist auferst.«, [minor implizit]
PaI dann ist Christus nicht auferweckt worden. [concl.]
Mit einem solchen Vorschlag sind jedoch die Möglichkeiten der antiken
Logik wohl überreizt. Das Problem liegt in der Vagheit der Alltagssprache,
die problemlos von der Objekt- auf die Metaebene wechseln kann139.
Auffällig ist noch, dass in den beiden ersten Implikationen eine »kleine«
Prämisse zu ergänzen ist, die sich aus der Bekenntnisformel in 15,3–5
herleitet: Jesus ist gestorben (impliziert in V. 13/16) und er ist von den Toten
auferweckt worden (impliziert in V. 14 als Inhalt der Verkündigung). Damit
bestätigt sich die These, dass Traditionen im 1Kor Prämissen für die Argu-
mentation bereitstellen (s.o. S. 100).
Die dritte Implikation (14b.c) hat einen gemeinsamen Term und kann
daher im folgenden Sinne zu einem Barbara-Schluss ergänzt werden:
PaI Wenn die Predigt inhaltslos ist [maior]
GaP und der Glaube in der Predigt »enthalten« ist, [minor implizit]
GaI dann ist der Glaube inhaltslos. [concl.]

Dass Verkündigung und Glaube ursächlich miteinander verbunden sind, setzt


Paulus hier deutlich voraus.
Die vierte Implikation ist einfacher als eine Folgerung von V. 15 aus 14b
(anstatt aus 14c) zu verstehen, da V. 15 deutlich macht, warum die apostoli-
sche Verkündigung kenóß ist. Sie ist »leer«, weil sie eine Aussage über
Gottes Heilshandeln macht, die nicht zutreffen kann, wenn es wahr ist, dass
Tote nicht auferweckt werden. Die logische Herleitung von V. 15 aus V. 14b
ist aber mit den vorhandenen vier Termen (P, I, E, F) unmöglich. Im Sinne
einer semantischen Generalisierung müsste für eine solche Analyse der Term
kenóß (14b) als kontextsynonym mit yeudómartuß140 oder katà toü qeoü
marturéw (15) betrachtet werden (also PaI = PaF). Damit lässt sich der
folgende Barbara-Schluss konstruieren:
PaF Wenn die christl. Predigt falsch/gegen Gott (leer) ist [maior aus PaI],
EaP und die Apostel diese Predigt verkündigen, [minor (15c–e)]
EaF dann sind die Apostel falsche Zeugen / gegen Gott. [concl.]

139 Im Rahmen dieser Vermischung von Objekt- und Metasprache erscheint ein Argument
wie »Weil es keinen Weihnachtsmann gibt, sind die Erzählungen der Eltern ohne Inhalt«, als
schlüssig.
140 Beide Begriffsfelder können sich semantisch überschneiden. Vgl. Sir 34,1: »Eitel ist
die Hoffnung (kenaì helpídeß) des Toren und eine trügerische (yeudeïß) Erwartung, und
Träume beunruhigen törichte Menschen.« (Sauer, JSHRZ) Hos 12,1f: »In Ephraim ist
allenthalben Lüge (yeúdei) wider mich … und täglich mehrt es Eitles und Nichtiges (kenà
kaì mátaia).«
120 III. Analyse paulinischer Texte

Auch hier ist eine gewisse Grenze des Formalisierbaren erreicht. Dennoch
leuchtet das Argument ein: Die christlichen Verkündiger sind lügenhafte
Zeugen, weil sie das Gegenteil dessen behaupten, was der Fall ist141. V. 16
wiederholt die Argumentation von V. 13. Die Implikation in V. 17a.b wieder-
holt im Wesentlichen 14b.c, geht aber gleich zum Glauben über und tauscht
kenóß durch mátaioß aus. Dieser Wechsel ist für die weitere Argumentation
nicht ohne Bedeutung, bleibt aber logisch nicht begründbar.
Die fünfte Implikation (17b.c) schließt aus der Unwirksamkeit des Glau-
bens auf die Tatsache, dass die Christen noch in ihren Sünden sind. Der
Zusammenhang ist deutlich: »Sündenvergebung gehört zu den ›Wirkungen‹
des Glaubens. Wenn aber der Glaube ›wirkungslos‹ (weil ›inhaltslos‹) ist,
dann sind auch seine Wirkungen illusorisch.« Einen Weg, diese Struktur zu
erfassen, sehe ich mit den Mitteln aristotelischer Syllogistik nicht.
Die sechste Implikation (17c–18) hat zwar vier Terme, aber K (korinthi-
schen Christen) und V (Verstorbene) beziehen sich nicht auf zwei ganz unter-
schiedliche Menschengruppen, sondern im Wesentlichen auf korinthische
Christen. Es ist daher durchaus sachgemäß, mit drei Termen zu operieren:
SaD Wenn Menschen »in Sünden« verloren gehen [maior implizit]
KaS u. wenn die korinth. Christen (auch d. Verstorbenen) »in Sünden« sind, [minor]
KaD dann gehen die korinth. Christen (samt der Verstorbenen) verloren. [concl.]
Die siebte Implikation in V. 19 markiert gegenüber der bisherigen Kettenar-
gumentation einen Bruch, weil sie nicht an eine vorherige Schlussfolgerung
anschließt. Es gibt zwar einen sachlichen Bezug zwischen der Aussage, dass
jemand seine Hoffnung auf eine inhaltsleere und wirkungslose Botschaft
setzt, und der Aussage, dass eine solche Person zu bemitleiden ist142, aber der
superlativische Komparativ »am bemitleidenswertesten« ist syllogistisch nicht
formalisierbar. Hier ist ohnehin mehr Pathos als Logos am Werk!
Fazit: Die einzelnen Implikationen der Argumentation sind nicht fern jeder
syllogistischen Logik. Die Gültigkeit der ersten und dritten Implikation ist
unter Zuhilfenahme einer impliziten Prämisse problemlos aufweisbar. Bei der
vierten und sechsten Implikation muss einer der vorhandenen Terme durch
semantische Generalisierung gestrichen werden. Die zweite Implikation bietet
ein besonderes Problem der Alltagssprache: die Vermischung von Objekt-
und Metasprache. Schließlich sind die fünfte und siebte Implikation ebenso
wenig wie der Übergang von 17a zu 17b syllogistisch formalisierbar. Die
aristotelische Syllogistik steht vor dem Problem, dass die sprachliche Vielfalt
eine Reduktion auf die drei für den Schluss nötigen Terme nicht immer

141 Katà toü qeoü impliziert, dass Gott als die Instanz von »Wahrheit« gilt.
142 Als »Syllogismus«: »(1) Menschen, die ihre Hoffnung auf eine inhaltsleere Botschaft
setzen, sind bemitleidenswert. (2) Christen sind solche Menschen. (3) Christen sind
bemitleidenswert.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 121

ermöglicht. Aber selbst wenn sich mit Zusatzprämissen und Stützhypothesen


die logische Struktur der Implikationskette einigermaßen durchleuchten lässt,
hat die Termlogik für die Analyse des gesamten Argumentationsgangs nichts
erbracht. Es ist nicht gezeigt, dass der Satz »Es gibt keine Auferstehung von
Toten« falsch ist, sondern nur, dass es unvorteilhaft ist, von einer solchen
Aussage auszugehen. Im logischen Sinne des Fachbegriffs liegt hier demnach
auch keine reductio ad absurdum vor.

e) Aussagenlogische Struktur und Prüfung der Gültigkeit143


Satz Form Elementarsatz
(1) C Christus ist auferweckt worden.
(2) ¬A Tote werden nicht (von Gott) auferweckt.
(3) ¬C Christus ist nicht auferweckt worden.
(4) P144 Die Predigt (von Paulus & Co.) ist inhaltslos.
(5a/b) G Der Glaube (der Korinther) ist inhaltslos/wirkungslos.
(6) F Paulus & Co. erweisen sich als Falschzeugen Gottes.
(7) S Die Korinther sind noch in ihren Sünden.
(8) V Die verstorbenen Christen gehen verloren.
(9) H Wir haben in diesem Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt.
(10) M Wir sind die bemitleidenswertesten von allen Menschen.

Ob die Konditionalsätze logisch als materiale Implikationen werden können


(s.o. S. 83)145, ist nun zu prüfen:
Satz 1 Form 1 Form 2 Satz 2
Wenn Tote nicht erweckt ¬A → ¬C = ¬(¬A ∧ C) Es kann nicht gleichzeitig gelten,
werden, ist Christus nicht dass Gott Tote nicht erweckt und
erweckt worden. (13.16) Christus erweckt (hat).
Wenn Gott Christus nicht ¬C → P = ¬(¬C ∧ ¬P) Es kann nicht gleichzeitig gelten,
erweckt hat, ist die Ver- dass Gott Christus nicht erweckt hat
kündigung inhaltslos. (14; und die Verkündigung nicht inhalts-
s.a. 17) los ist
Wer auf Christus gehofft H → M = ¬(H ∧ ¬M) Es kann nicht gleichzeitig gelten,
hat, ist äußerst bemitlei- dass Menschen auf Christus hoffen u.
denswert. nicht äußerst bemitleidenswert sind.

143 Für die satzlogische Formalisierung habe ich der besseren Vergleichbarkeit willen die
Satzbuchstaben von BUCHER, Logische Argumentation, 467 übernommen.
144 Es ist Ermessenssache, ob ein Satz der natürlichen Sprache wie »Die Predigt ist
inhaltslos« als eine positive Aussage aufgefasst wird oder bereits als Negat der Aussage: »Die
Predigt ist sinnvoll«. BUCHER, Logische Argumentation, 467 schlägt P als Aussagekonstante
für den Satz vor: »Die Predigt ist nicht leer = sie ist sinnvoll, begründet.« Um näher an der
Formulierung des Textes zu bleiben, habe ich den Satz als »positive« Aussage gefasst. Das
Gleiche gilt für Satz (5) in 14c.
145 p → q im Sinne von ¬(p∧¬q). Also: Wenn p, dann q = Es ist nicht der Fall, dass
gleichzeitig p und nicht-q gilt.
122 III. Analyse paulinischer Texte

Diese Umformulierung der Sätze macht deutlich, dass die Verbindungsparti-


kel e˙ in den VV 13f.16f und 19 logisch als Implikation gedeutet werden
kann146. In Anlehnung an Bucher möchte ich die folgende Formalisierung
vorschlagen147:
Vers Formalisierung Aussage
13/16 ¬A → ¬C Wenn Tote nicht (von Gott) erweckt werden, dann ist Christus
nicht (von Gott) erweckt worden.
14f ¬C → (P ∧ G ∧ F) Wenn Gott Christus nicht erweckt hat, dann ist die Verkündi-
gung inhaltslos, der Glaube inhaltslos und die Apostel
erweisen sich als Falschzeugen Gottes.
17f ¬C → (G ∧ S ∧ V) Wenn Christus nicht auferstanden ist, dann ist der Glaube
nichtig und ihr seid in euren Sünden und die in Christus
Entschlafenen sind verloren..
19 H→M Wenn wir nur gehofft haben, dann sind wir bejammenswerter
als die andern Menschen.
20a C Christus ist von den Toten auferweckt worden.

Die Aussagenlogik erlaubt es, die logische Struktur klarer auf ihre Gültigkeit
hin zu untersuchen. In diesem Falle geht es um den Nachweis der logischen
Stringenz zwischen der Auferstehung Christi und der Negation, dass Gott
Tote auferwecke. Aus der Aussage »Gott hat Jesus von den Toten aufer-
weckt« wird die Aussage »Es gibt keine Auferstehung von Toten« in einer
Art als falsch erwiesen, die der alten aussagenlogischen Regel des modus
tollens entspricht148. Die beiden Prämissen für den Schluss sind in den Versen
13 und 20a (bzw. schon in 15,4f) zu finden:
1. Wenn Tote (von Gott) nicht auferweckt werden, ¬A → ¬C Prämisse 1
dann ist auch Christus nicht auferweckt worden (13).
2. Nun ist aber Christus auferweckt worden (20). C Prämisse 2
3. Also werden Tote (von Gott) auferweckt. A 1, 2, modus tollens

Dieser Schluss ist »zwingend, ja er kann an logischer Strenge nicht mehr


überboten werden«149. Paulus nennt diese Konklusion nicht ausdrücklich,
wahrscheinlich weil er ab V. 20 die eschatologische Vorstellung von der

146 BUCHER, Logische Argumentation, 477: »Die Bedeutung der Implikation kann hier
kaum überschätzt werden.« 485f: »Ganz allgemein läßt sich zur Implikation bemerken, dass
dieser logische Funktor von den Theologen in seiner Bedeutung unterschätzt wird.«
147 BUCHER, Logische Argumentation, 467.
148 Darin sind sich BUCHER, BACHMANN und ZIMMER einig; ihnen folgen u.a. F EE, 740;
und ASHER, Polarity, 60 (der in Anm. 98 die Struktur allerdings falsch angibt: »if A then B;
not A; therefore not B« korrekt wäre: »if A then B; not B; therefore not A«).
149 BUCHER, Logische Argumentation, 471. Luther, Korintherbriefe, 213, der davon
ausging, dass die Korinther die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten leugneten,
hält diesen Text deswegen für einen »schwachen Beweis«, weil »das, was bestritten wird,
durch das bewiesen wird, was man leugnet. […] Das heißt man einen Beweis erschleichen.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 123

Auferstehung Jesu als »Erstling« ins Spiel bringt und dadurch Auferstehung
Jesu und Auferstehung von Christen auf eine andere Art und Weise miteinan-
der verbindet150.

f) Fazit
Es hat sich gezeigt, dass von einem Text unterschiedliche Formalisierungen
möglich sind. Im streng logischen Sinne liegt hier jedoch nur eine Schluss-
form vor: der zweite stoische axiomatische Syllogismus, der sog. modus
tollens151. Für 1Kor 15,12–19 lässt sich festhalten, dass Paulus logisch gültig
argumentiert152. Die Empfehlung Bachmanns, »bis zum Erweis des Gegen-
teils das Wahrheitssystem des Paulus als mit der klassischen Logik verträglich
aufzufassen und die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Paulus wolle (gele-
gentlich) streng logisch argumentieren«153, kann aufgrund dieses Textes nur
unterstrichen werden154.
Was das Verhältnis zur traditionellen Exegese anbelangt, hat Bucher den Vorrang der Logik
gegenüber Fragen historischer Exegese verteidigt: Bevor nämlich die Exegese den Text mit
Hilfe von »Zusatzhypothesen« zur vorausgesetzten Situation zu verstehen versucht, sollte sie
prüfen, »wie weit die Struktur der Argumentation derartige Vermutungen rechtfertigt«155.
Damit kommt für Bucher der logischen Analyse einer Argumentation eine vorrangige und
von der konkreten Rekonstruktion der impliziten Kommunikationssituation unabhängige
Rolle zu. M.E. kann die satzlogische Analyse mehr auf exegetische Detailfragen verzichten,
weil die Formalisierung ganzer Sätze großzügig über Inhalte hinwegsehen kann. Aristoteli-
sche Syllogistik ist nur auf der Grundlage genauer Exegese durchführbar, weil sowohl die
inhaltliche Bestimmung als auch die Reduktion auf die nötigen Terme ohne Exegese nicht
begründet werden kann.

150 BUCHER, Logische Argumentation, 471 führt dies darauf zurück, dass die damaligen,
in solchen logischen Verfahren geschulten Leser und Leserinnen, es sofort begriffen hätten.
151 Darin stimmen BUCHER und BACHMANN überein. BUCHER benutzt 1Kor 15,12–20 als
Übung in seiner Einführung in die angewandte Logik, 126f.416.
152 BACHMANN , Gedankenführung, 266f meint jedoch, dass die Schlussfolgerung im
modus tollens keineswegs den Beweis des Wahrheitswertes »wahr« für die Aussage »Es gibt
eine allgemeine Totenauferstehung (A)« erbringe, sondern nur für die folgende Aussage
(266f): »Der Satz ›es gibt eine allgemeine Totenauferstehung‹ ist wahr, wenn der Fall eintritt,
dass es keine Totenauferstehung gibt und Christus nicht auferstanden ist, Christus aber doch
auferstanden ist‹; also (¬A→¬C ∧ C) → A.« Die logische Analyse ist damit durch unnötige
Differenzierungen belastet (vgl. BUCHER, Überlegungen, 84–91).
153 BACHMANN , Gedankenführung, 267, Anm. 15. THISELTON, 1217: »These verses
underline Paul’s expectation that believing Christians will respect logical coherence and
rational thought. He does not hesitate to appeal to it.«
154 Die biographische Frage ist in dieser Arbeit zurückgestellt worden (s.o. S. 23ff).
Dennoch darf hier spekuliert werden: Wären die Mehrheit der paulinischen Argumentationen
diesem Text ähnlich, gäbe es an der logischen Bildung des Paulus keinen Zweifel.
155 BUCHER, Logische Argumentation, 465.
124 III. Analyse paulinischer Texte

4. Exkurs: Fragen aufgrund der Topik


Der folgende Versuch, mit den Mitteln der Topik (s.o. S. 57ff) Aspekte des
Textes zu beleuchten, bewegt sich nach heutigem Verständnis kaum noch
innerhalb der Grenzen der Logik, sondern eher im Graubereich nicht-
analytischer Schlussformen. Eine logische Formalisierung ist meistens nicht
möglich.
Zur These der Korinther, dass es keine Auferstehung der Toten gibt, steht
die These des Apostels in einem kontradiktorischen Gegensatz: Es gibt eine
Auferstehung der Toten. Von den vier Prädikatsklassen der aristotelischen
Topik betrifft diese Diskussion ein Proprium: Paulus behauptet, dass es
verstorbenen Menschen (oder zumindest Christen) »eigen« ist, nach dem Tod
von Gott auferweckt zu werden. Es handelt sich also um keine theo-logische
Frage, in der etwa die Macht Gottes, solches zu tun, zur Debatte stünde.
Paulus hält beide Thesen für unvereinbar.
Welche argumentativen »Allgemeinplätze« stehen Paulus zur Verfügung,
um diesen Disput in seinem Sinne zu entscheiden? Aus dem reichhaltigen
Inventar der aristotelischen Topik kommen die folgenden in Betracht:
1. Spezifizierung von Allgemeinaussagen in ihre Arten (vgl. Top. II
2,109b13–29): Wenn eine Allgemeinaussage aufgestellt wird (z.B. »Es gibt
bzw. es gibt nicht eine Auferstehung der Toten«), dann sind die Gegenstände
genau zu betrachten, zuerst nach ihren Arten bis hin zu den Einzeldingen156.
Ähnlich dem Popper’schen Fallibilismus gilt die Aussage solange als richtig,
bis ein Gegenbeispiel gefunden ist157. Anders als die topischen Empfehlungen
des Aristoteles differenziert Paulus nicht, welche Arten von Auferstehung
oder von toten Menschen es geben könnte, sondern er geht gleich zu einem
»empirischen« Gegenbeispiel über: der auferstandene Christus. Die Allge-
meinthese der Korinther kann dadurch zu Fall gebracht werden.
2. Nach den Prämissen oder Folgen einer Aussage fragen (Top. II
4,111b17–23)158: a) Im begründenden Sinne soll die Richtigkeit der Prämisse
gezeigt werden, aus der dann die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung
folgt. b) Um aber eine These zu widerlegen, ist auf die Folgen dieser These zu
schauen. Aristoteles formuliert deutlich:

156 Der Satz z.B.: »Das gleiche Wissen bezieht sich auf Gegenteile«, wäre zuerst auf die
verschiedenen Arten von Gegenteilen und dann im Hinblick auf konkrete Beispiele
(»gerecht-ungerecht« usw.) zu prüfen.
157 Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, XLII fasst zusammen: »Ein o-Fall destruiert eine
a-Konstruktion, ein i-Fall eine e-Konstruktion.«
158 Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, 603, Anm. 72: »Der später so genannte Topos ab antece-
dentibus et a consequentibus. Er hat eher seinen Ort in der Rhetorik.« Ebda., XLIV: »Das
enthält alles nicht viel Philosophie, stiftet nur oberflächliche Verbindungen, ermangelt der
wirklich kausalen Strenge, nähert sich rhetorischen Argumentationsfiguren.«
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 125

»›Was ist, wenn das Vorliegende ist?‹ wenn wir nämlich zeigen können, daß das dem
Vorliegenden Folgende nicht besteht (tò hakólouqon t^¨w prokeimén^w m`j ‘o n), so werden
wir auch das Vorliegende aufgehoben haben (han∆rjkóteß hesómeqa tò prokeímenon).« 159

Was Aristoteles hier beschreibt, kommt in der praktischen Ausführung dem


modus tollens der stoischen Satzlogik sehr nahe: Wenn aus »a« »b« folgt und
»b« falsch ist, dann ist »a« auch falsch. Ausgangspunkt ist die Überzeugung,
dass aus einer richtigen Annahme keine falsche Konklusion folgen kann.
3. Es gibt auch topische Verschleierungstaktiken, die ins Spiel gebracht
werden können. Im Topos der »falschen Fährte« (Top. II 3,110a23–110b7)
geht es um den Fall, dass die Mehrdeutigkeit eines für die These zentralen
Begriffes dem Diskussionspartner verborgen ist. Der Disputant kann nun
seine These begründen oder die fremde widerlegen, indem er nur für eine der
Begriffsbedeutungen stützende oder gegenteilige Argumente sucht160. Grund-
sätzlich ist es möglich, dass Paulus mit einem Begriff von Auferstehung
operiert, der dem der Korinther gar nicht entspricht. In diesem Fall würde er
(bewusst oder unbewusst) diese Mehrdeutigkeit in seinem Sinne gebrau-
chen161.
Da wir über die genauen Begründungsformen der korinthischen Position
nicht ausreichend informiert sind, ist auch die Möglichkeit zu erwägen, dass
Paulus mit seiner Argumentation gar nicht den Kern der Debatte getroffen
hat. Verschiedene Szenarien sind denkbar:
1. Die Korinther haben ein anderes, nämlich ein nicht-leibliches Verständ-
nis von Auferstehung. Der Nexus zwischen der Auferstehung Jesu und der der
Christen und Christinnen ist also nicht aufgelöst. Jesus ist nicht-leiblich
auferweckt worden und ebenso sind die Christen und Christinnen in Korinth
bereits pneumatisch auferweckt worden (oder werden es in Zukunft, aber
nicht in leiblicher Art und Weise)162.
2. Die Korinther verbinden »Jesus« nicht mit der »Menschheit«; d.h. die
Auferstehung Jesu wäre kein schlüssiges Beispiel gegen die allgemeine
Behauptung, dass es eine Totenauferstehung nicht gibt. Dann käme nur in

159 Ähnlich auch Top. II 5: Explikation von Impliziertem. Gelingt es, ein Implikat zu
stürzen, fällt auch das Implizierende.
160 Diese stillschweigende Umwandlung eines i-Falles in einen a-Fall ist beinahe sophis-
tisch. Organon (Bd. 1), hrsg. Zekl, XLIII: »Die Anweisung grenzt an Sophistik: Wenn das
Ganze nicht geht, so genüge die Hälfte, und die sei dann für das Ganze behauptet! Also
Schluß vom i- auf den a-Fall.«
161 BARTH, Auferstehung, 89 bemerkt: »Es ist die Hinterlist dieses Abschnittes, daß
Paulus in das von den Korinthern Zugegebene, die Auferstehung Christi, zum vornherein
einen Sinn hineinlegt, der ihnen so fremd ist, wie das von ihnen nicht Zugegebene, die
allgemeine Totenauferstehung, und sie nun von daher überrumpelt und aufrollt.«
162 Ähnlich erwägt WITHERINGTON, 302, dass die Korinther bereits die Auferstehung Jesu
spiritualisiert haben.
126 III. Analyse paulinischer Texte

Frage, dass Jesus als generelle Ausnahme oder als nicht-menschliches Wesen
betrachtet wurde163.
Die Haltung der Korinther, wie sie sich in 1Kor 15,12ff widerzuspiegeln
scheint, macht in der Tat einen logisch so absurden Eindruck, dass an solche
Differenzierungen zu denken ist (zumal sie vom Gesamtbefund her glaub-
würdig erscheinen!). Hat Paulus diese Differenzierungsmöglichkeiten nicht
sehen wollen oder nicht sehen können (aufgrund seiner überlieferten Anthro-
pologie und Eschatologie)?

5. Exkurs: Weitere Beispiele für »modus tollens« in den Paulusbriefen


Die folgende Zusammenstellung verfolgt nicht das Ziel einer ausführlichen
logischen Analyse. Es soll lediglich anhand einiger Beispiele gezeigt werden,
dass sich auch an anderen Stellen paulinische Argumentationen auf das
Schema des modus tollens zurückführen lassen:
Röm 4,2: »Denn wenn (e˙) Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist (hex ‘ergwn
hedikai´wqj), so hat er etwas zum Rühmen (‘ecei kaúcjma), aber nicht vor
Gott (hallh ohu pròß qeón).«
Basissätze:
(1) Ga Abraham wird aus Werken gerechtfertigt (2a).
(2) Ra Abraham hat (vor den Menschen) nicht vor Gott Ruhm (2b).
Der »modus tollens«-Schluss wird nicht ausdrücklich formuliert, da Paulus
das in 4,3 folgende Zitat aus Gen 15,6 offenbar so versteht, dass es die
Wahrheit von Satz 1 ausschließt. Es ist aber gut denkbar, dass der folgende
Schluss in 4,2 implizit mitzudenken ist:
Ga → Ra Wenn Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist (2a), dann hat er Ruhm
¬Ra (vor den Menschen) nicht vor Gott (2b). Nun hat aber Abraham Ruhm vor
¬Ga Gott. Daher gilt nicht, dass Abraham aus Werken gerechtfertigt worden ist.

1Kor 2,8: »Keiner von den Fürsten dieser Welt hat sie [= die Weisheit Gottes] erkannt
(‘egnwken), denn wenn sie sie erkannt hätten (e˙ gàr ‘egnwsan), so würden sie
wohl den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt haben (ohuk ’an tòn kúrion
t¨jß dóxjß hestaúrwsan).«
Basissätze:
(1) Wm Die Machthaber erkennen Gottes Weisheit (8b).
(2) Km Die Machthaber kreuzigen den Herrn der Herrlichkeit (8c).
Wm→¬Km Wenn die Machthaber Gottes Weisheit erkennen (8b), dann kreuzigen sie den
Km Herrn der Herrlichkeit nicht (8c). Nun haben sie aber den Herrn der Herrlich-
¬Wm keit gekreuzigt (implizit). Also ist es nicht der Fall, dass die Machthaber
Gottes Weisheit erkennen (8a).

163 CONZELMANN , 313, Anm. 18: Die Korinther hätten erwidern können, »Christus sei –
als Himmelswesen – eine Ausnahme«.
B. Widerlegung der Auferstehungsleugnung (1Kor 15,12–19) 127

Gal 2,21: »Ich mache die Gnade Gottes nicht ungültig; denn wenn Gerechtigkeit durch
Gesetz kommt (e˙ gàr dià nómou dikaiosúnj), dann ist Christus umsonst
gestorben (‘ara Cristòß dwreàn hapéqanen).«
Basissätze:
(1) G Die Gerechtigkeit kommt durch das Gesetz (21b).
(2) C Christus ist umsonst gestorben (21c).
G→C Wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt (21b), dann ist Christus umsonst
¬C gestorben (21c). Nun ist Christus nicht umsonst gestorben (vgl. 1,4). Also ist
¬G es nicht der Fall, dass die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt.

Gal 3,18: »Denn wenn das Erbe aus Gesetz (kommt), so (kommt es) nicht mehr aus
Verheißung (e˙ gàr hek nómou Hj kljronomía, ohukéti hex hepaggelíaß); dem
Abraham aber hat Gott es durch Verheißung geschenkt (dih hepaggelíaß
kecáristai).«
Basissätze:
(1) E Das Erbe (Abrahams) kommt aus dem Gesetz (18a).
(2) V Das Erbe (Abrahams) kommt aus der Verheißung (18b).
E → ¬V Wenn das Erbe (Abrahams) aus dem Gesetz kommt (18a), dann kommt es
V nicht aus der Verheißung (18b). Nun kommt es aber aus der Verheißung (18c).
¬E Also ist es nicht der Fall, dass das Erbe (Abrahams) aus dem Gesetz kommt.
(Der Schluss wird nicht ausdrücklich gezogen, aber die weitere Diskussion in
3,19–29 baut deutlich darauf auf.)

Gal 3,21: »Ist denn das Gesetz gegen die Verheißungen (Gottes)? Auf keinen Fall. Denn
wenn ein Gesetz gegeben worden wäre (e˙ gàr hedóqj nómoß), das lebendig
machen könnte, dann wäre wirklich die Gerechtigkeit aus Gesetz (‘o ntwß hek
nómou ’an ~j n Hj dikaiosúnj).«
Basissätze:
(1) L Es wird ein lebendig machendes Gesetz gegeben (21b).
(2) G Die Gerechtigkeit kommt aus dem Gesetz (21c).
L→G Wenn ein lebendig machendes Gesetz gegeben wird (21b), dann kommt die
¬G Gerechtigkeit aus dem Gesetz (21c). Nun kommt aber die Gerechtigkeit nicht
¬L aus dem Gesetz (2,16.21). Also ist es nicht der Fall, dass ein lebendig
machendes Gesetz gegeben wird.
128 III. Analyse paulinischer Texte

C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen


und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14)164

Gal 3,6–14 stellt die Auslegung vor besondere Schwierigkeiten165. Die


Sachurteile über die argumentative obscuritas dieses Textes fallen entspre-
chend aus: »a maze of laboured exegesis, puzzling illustration, and cryptic
theological shorthand«166, »highly condensed and cryptic«167, »Paul’s way of
arguing appears arbitrary in the highest degree«168. Angesichts solcher
Zeugnisse, die sich problemlos erweitern ließen169, verspricht die Suche nach

164 N. BONNEAU, The Logic of Paul’s Argument on the Curse of the Law in Galatians
3:10–14, NT 39 (1997) 60–80; D. BOYARIN, A Radical Jew (Berkeley, 1994) 136–157; M.
CRANFORD, The Possibility of Perfect Obedience: Paul and an Implied Premise in Galatians
3:10 and 5:3, NT 36 (1994) 242–258; T.L. DONALDSON, The ›Curse of the Law‹ and the
Inclusion of the Gentiles: Galatians 3:13–14, NTS 32 (1986) 94–112; J.D.G. DUNN, Works of
the Law and the Curse of the Law (Galatians 3:10–14), NTS 31 (1985) 523–542 = Jesus, Paul
and the Law: Studies in Mark and Galatians (London, 1990) 215–241; H.-J. ECKSTEIN,
Verheißung und Gesetz: Eine exegetische Untersuchung zu Galater 2,15–4,7 (WUNT 86;
Tübingen, 1995) 94–170; D.B. GARLINGTON, Role reversal and Paul’s use of scripture in
Galatians 3.10–13, JSNT 65 (1997) 85–121; G.W. HANSEN, Abraham in Galatians:
Epistolary and Rhetorical Contexts (JSNT.S 29; Sheffield, 1989) 109–127; R.B. HAYS, The
Faith of Jesus Christ: The Narrative Substructure of Galatians 3:1–4:11 (Grand Rapids, MI,
2002) 166–183; I.-G. HONG, Does Paul Misrepresent the Jewish Law? Law and Covenant in
Gal. 3:1–14, NT 36 (1994) 164–182; M. KONRADT, ›Die aus Glauben, diese sind Kinder
Abrahams‹ (Gal 3,7). Erwägungen zum galatischen Konflikt im Lichte frühjüdischer
Abrahamtraditionen, erscheint in: G. Gelardini (Hrsg.), Kontexte der Schrift, Bd. 1: Text –
Ethik – Judentum und Christentum – Gesellschaft (FS E.W. Stegemann; Stuttgart, 2005) 27–
50; J. LAMBRECHT, Curse and Blessing: A Study of Galatians 3,10–14 (1991), in: Ders.,
Pauline Studies. Collected Essays (BEThL 115; Leuven, 1994, 271–298; LAMPE, Reticentia;
K.A. MORLAND, The Rhetoric of Curse in Galatians: Paul Confronts Another Gospel (Emory
Studies in Early Christianity 5; Atlanta, 1995), bes. 24–28; 181–233; G.M.M. PELSER, The
Opposition Faith and Works as Persuasive Device in Galatians (3:6–14), Neotest. 26 (1992)
389–405; W. REINBOLD, Gal 3,6–14 und das Problem der Erfüllbarkeit des Gesetzes bei
Paulus, ZNW 91 (2000) 91–106; J.M. SCOTT, ›For as Many as are of Works of the Law are
under a Curse‹ (Galatians 3.10), in: C.A. Evans / J.A. Sanders (ed.), Paul and the Scriptures
of Israel (JSNT.S 83; Sheffield, 1993) 187–221; H.–J. SCHOEPS, Paulus (Tübingen, 1959)
183–192; C.D. STANLEY, ›Under a Curse‹: A Fresh Reading of Galatians 3.10–14, NTS 36
(1990) 481–511; N.T. W RIGHT, Climax of the Covenant (Minneapolis, 1992) 137–156
(»Curse and Covenant: Galatians 3.10–14«); N.H. YOUNG, Who’s cursed – and why?
(Galatians 3:10–14), JBL 117 (1998) 79–92.
165 Vgl. das Zeugnis des unbekannten hellenistischen Philosophen o. S. 2.
166 DONALDSON, Curse, 94.
167 BONNEAU, Logic, 60.
168 BETZ, 137.
169 Weitere Beispiele in LAMPE, Reticentia, 27; Probleme logischer Kohärenz listet
LAMBRECHT, Curse, 272–274 auf.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 129

der Logik der Argumentation von Gal 3,6–14 ein besonders aussichtsloses
Unterfangen zu werden170.
Mit der Frage nach der Argumentationskohärenz ist das Problem verknüpft, ob das Verhältnis
des Paulus zu seinem jüdischen Erbe (insbesondere aufgrund der Aussagen in 3,10–14) nicht
bereits einen Punkt erreicht hat, an dem man dem Apostel zwar nicht »Antisemitismus« wird
vorwerfen können, aber doch ein grobes Missverständnis jüdischer Torahfrömmigkeit. Aus
der Sicht jüdischer Religionsgeschichte bemängelt G.F. Moore zu Gal 3,10–12: »How a Jew
of Paul’s antecedents could ignore, and by implication deny, the great prophetic doctrine of
repentance […] – that seems from the Jewish point of view inexplicable.« 171 Das Problem
der jüdischen Identität des Paulus (und damit auch das der frühen Brüche in der Beziehung
des sich bildenden Christentums zum »formativen« Judentum) bildet einen reizvollen
hermeneutischen Blickwinkel auf Gal 3,6–14, dem im Folgenden nicht weiter nachgegangen
werden kann 172.

1. Exegetische Vorfragen
a) Rhetorik und Gliederung
Dass der Gal zu einem Sturmzentrum kontroverser rhetorischer Analysen
geworden ist, verdankt sich besonders dem Kommentar von Hans Dieter
Betz173, der zu einem wahren Rhetorik-»Revival« in der Paulus-Exegese
geführt hat174. Zwar hat sein Vorschlag, den Gal der Gattung des »apologeti-
schen Briefes« und damit dem genus iudiciale zuzurechnen, von vielen Seiten
Kritik erfahren175, aber sein makrotextueller Gliederungsvorschlag ist vielfach
positiv rezipiert worden176.

170 LAMPE, Reticentia, der wie viele andere festellen muss, dass »die Logik des Textes
[…] prima facie rätselhaft« erscheint (27), fragt dennoch: »Kann dem Abschnitt eine
sinnvolle Logik unterstellt werden?« (28) Ähnlich wagt MORLAND, Curse, 182 »an attempt to
uncover its logic«. Der Beitrag von BONNEAU, Logic beschäftigt sich trotz des Titels nicht
mit Fragen der Logik im technischen Sinne.
171 Judaism in the First Centuries of the Christian Era (Cambridge, 1958) 3:151.
172 Vgl. dazu den Kommentar von MUSSNER. BOYARIN, Radical Jew, 136–157 behandelt
Gal 3 unter dem bezeichnenden Titel »Was Paul an ›Anti-Semite‹?« und stellt den Apostel als
radikalen jüdischen Kulturkritiker dar, der mit den Mitteln »häretischer« Midrashim
argumentiert. SCHOEPS, Paulus, 183–192 nimmt Gal 3 als Paradebeispiel dafür, dass Paulus
die jüdische Gesetzesauffassung grundlegend missverstanden hat; ähnlich E.P. SANDERS,
Paul, the Law, and the Jewish People (Philadelphia, 1983) 20–27.
173 Die Hauptthese des Kommentars legte BETZ bereits früher vor: The Literary Composi-
tion and Function of Paul’s Letter to the Galatians, NTS 21 (1975) 353–379. Sie wird
neuerdings von KREMENDAHL, Botschaft der Form, 120–150 vertreten.
174 Vgl. zur Forschungsgeschichte ANDERSON , Rhetorical Theory, 111–123; R.A.
BRYANT, The Risen Crucified Christ in Galatians (SBLDS 185; Atlanta, 2001) 44–52;
KREMENDAHL, Botschaft der Form, 6–14.
175 Diejenigen, die gegenüber BETZ das genus deliberativum für den Gal bevorzugen (z.B.
V. JEGHER-BUCHER, Der Galaterbrief auf dem Hintergrund antiker Epistolographie und
Rhetorik [AThANT 78; Zürich, 1991]; J. SMIT, The Letter of Paul to the Galatians: A
130 III. Analyse paulinischer Texte

Betz177 Smit178 Hall179


Präskript (1,1–5) exordium (1,1–5)
exordium (1,6–11) exordium (1,6–12) propositio (1,6–9)
narratio (1,12–2,14) narratio (1,13–2,21) probatio (1,10–6,10)
propositio (2,15–21) A. narratio (1,10–2,21)
probatio (3,1–4,31) confirmatio (3,1–4,11) B. »further headings«
exhortatio (5,1–6,10) conclusio (4,12–5,12 ) (3,1–6,10)
1. conquestio (4,12–20)
2. enumeratio (4,21–5,6)
3. indignatio (5,7–12)
[später Zusatz (5,13–6,12)]
Postskript (6,11–18) amplificatio (6,11–18) Epilogue (6,11–18)

Die Vorschläge machen – unabhängig von der den hermeneutischen Blick


zum Teil verengenden Genusfrage – auf das aufmerksam, was sich anhand
der Evidenz als klar herausstellt, aber auch auf das, wofür der Text als
Grundlage einer klaren rhetorischen dispositio eine zu schwache Basis liefert.
Die Tatsache, dass 1,12(13)–2,21 grundlegende Themen des Briefes narrativ
ausgestaltet, berechtigt zur Bezeichnung narratio180. Ebenso deutlich ist der
Einsatz der probatio (oder confirmatio) in 3,1181. Spätestens ab Kap. 5
versagen aber m.E. die Kategorien der antiken Rhetorik.

Deliberative Speech, NTS 35 [1989] 1–26), arbeiten zwar die Schwachpunkte der Betz’schen
These heraus, werden aber häufig durch eine andere, aber ebenso eindeutige Zuweisung des
gesamten Briefs zu einem der drei rhetorischen Genera der Vielfalt intentionaler Redehand-
lungen im Gal m.E. kaum gerecht (vgl. generell zur methodischen Kritik an dieser Vorge-
hensweise o. S. 96f). ANDERSON, Rhetorical Theory, 106–108 zweifelt grundsätzlich an der
Existenz einer Gattung des »apologetischen Briefes«. Interessant ist, dass sich Melanchthon
im Hinblick auf den Gal veranlasst sah, den gängigen Dreierkanon der rhetorischen Genera
um ein Glied zu erweitern, dem genus didacticum (vgl. CLASSEN, Rhetorical Criticism, 11).
176 Z.B. (mit teils geringen Änderungen) B.H. BRINSMEAD , Galatians – Dialogical
Response to Opponents (SBLDS 65; Chico, CA, 1982) 57–90; J.D. HESTER, The Rhetorical
Structure of Galatians 1:11–2:14, JBL 103 (1984) 223–233; KREMENDAHL, Botschaft der
Form, 157–161; J. SCHOON-JANSSEN, Umstrittene Apologien in den Paulusbriefen (GTA 45;
Göttingen, 1991) 71; F. VOUGA, La construction d’histoire en Galates 3–4, ZNW 75 (1984)
259–269; Zur rhetorischen Gattung des Galaterbriefes, ZNW 79 (1988) 291f (bestätigt den
Aufbauvorschlag von Betz durch Vergleich mit einer Rede von Demosthenes).
LONGENECKER übernimmt in seinem Kommentar trotz Kritik an BETZ (vgl. S. cix–cxiii) im
Wesentlichen dessen Aufbau. KLAUCK, Briefliteratur, 178 bezeichnet den Betz’schen
Gliederungsvorschlag als »ausgesprochen erhellend«.
177 BETZ, 14–25.
178 SMIT, Deliberative, 9–22.
179 R.G. HALL, The Rhetorical Outline for Galatians, JBL 106 (1987) 277–287.
180 S.a. BONNEAU, Logic, 64.
181 Das bedeutet nicht, dass Kap 1–2 nicht bereits argumentative Züge tragen. M.E.
dienen diese Kapitel dazu, das »Ethos« des Redners sprachlich zu vermitteln. Johannes
Chrysostomus deutet das Verhältnis von Kap 1–2 zu Kap 3–4 in seiner meisterhaft knappen
Auslegung (In Ep. Gal. Com.) ähnlich: »Des Weiteren, nachdem er [= Paulus] sich selbst als
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 131

Der Abschnitt 3,6–14 ist von den rhetorischen Fragen in 3,1–5 klar
abgehoben. Mit der direkten Anrede und der metaskommunikativen Wendung
»ich rede nach menschlicher Weise« ist 3,15 deutlich als neuer Einsatz im
Rahmen der Abraham-Thematik markiert182. Eine genauere Untergliederung
für 3,6–14 ergibt sich aus den unterschiedlichen Argumentationsabsichten183:
Nach der positiven Argumentation anhand des »Beispiels« Abrahams (6–9),
folgt als dessen Negativum der »Fluch« des Gesetzes (10–12) und schließlich
die »Lösung« des Kerygmas, der Freikauf durch Christus (13f).

b) Literarischer Kontext
Die enge Verbindung von 3,1–5 und 3,6–14 lässt sich rein formal an der
Verteilung des Leitbegriffes pístiß (3,2.5.8f.11f.14) und an der inclusio
zwischen 3,2 und 3,14 (Stichwörter: pneüma, lambánw, pístiß) ablesen184.
Ein thematisch wichtiger Zusammenhang besteht zur Hauptthese des Briefes,
die in einer recht umständlichen Formulierung in 2,16 gleich dreimal
wiederholt wird185. Es ist v.a. diese Aussage, die in 3,6ff argumentativ
untermauert werden soll186.
Der Übergang zur probatio des Briefes setzt in 3,1 mit der wenig schmei-
chelnden Anrede der Adressaten als »unvernünftige Galater« (~w hanójtoi
Galátai) recht grob ein187. Die rhetorischen Fragen, die sich daran anschlie-

vertrauenswürdigen Lehrer hingestellt hat, führt er hier seine Rede mit umso größerer
Kontrolle (Macht) fort, indem er einen (rhetorischen) Vergleich macht zwischen Glaube und
Gesetz.« (hentaüqa dè loipòn haxiópiston katast´jsaß Heautòn didáskalon metà
pleíonoß t¨jß ahuqentíaß dialégetai, pístewß kaì nómou súgkrisin poioúmenoß. 3,1 =
PG 61, 647 [zu 3,1]; eig. Übersetzung) Johannes versteht Gal 1–2 als Apologie gegen
Vorwürfe (ebda: t¨wn kaqh Heautòn hapelog´jsato). Mit 3,1 gehe Paulus deutlich zu einem
»anderen Hauptpunkt« über (hefh “eteron kefálaion).
182 Vgl. LONGENECKER, 126.
183 Die ausführlichste und m.E gelungenste Gliederungsbegründung bietet EBELING, 229–
232; ähnlich LUZ, Geschichtsverständnis, 149, der zudem einen Bezug zum weiteren
Argumentationsverlauf herstellt: 3,15ff (Abraham); 3,19ff (Gesetz); 3,25ff (Christus).
184 Mit LONGENECKER, 109 u.a. Für S CHLIER, 126 und MUSSNER, 211 ist 3,6–14 nur
locker mit 3,1–5 verbunden.
185 »Da wir wissen, dass durch Werke des Gesetzes (h ex ‘ ergwn nómou) kein Mensch
gerecht gesprochen wird (ohu dikaioütai), sondern nur durch den Glauben an Jesus Christus
(dià pístewß h Ijsoü Cristoü), haben auch wir an Christus Jesus geglaubt (e˙ß Cristòn
h Ijsoün hepisteúsamen), damit wir aus Glauben an Christus (hek pístewß Cristoü)
gerecht gesprochen werden (dikaiwq¨wmen) und nicht aus Werken des Gesetzes (hex ‘ergwn
nómou), denn aus Werken des Gesetzes (hex ‘ergwn nómou) wird kein Mensch gerecht
gesprochen (dikaiwq´jsetai).«
186 BETZ, 142; STANLEY, Curse, 497.
187 Seit 1,11 hat Paulus die Adressaten nicht direkt angeredet. Die namentliche Anrede ist
– wie MUSSNER, 206 hervorhebt – bei Paulus selten (2Kor 6,11; Phil 4,15). Durch ~w +
Vokativ wird der Neueinsatz in 3,1 deutlich verstärkt.
132 III. Analyse paulinischer Texte

ßen (3,1–5), dienen auf pragmatischer Ebene der Erzeugung von Schamge-
fühlen durch Tadel. Dass Paulus hier vorwiegend mit »Pathos« zu überzeugen
sucht, liegt auf der Hand188. Dennoch lassen sich in diesem Übergangsab-
schnitt auch Konturen von Rationalität erkennen: Die tadelnde Beschimpfung
als hanójtoi (1a) hat diesbezüglich Signalcharakter und wird durch Wieder-
holung verstärkt (3a)189. Am Anfang einer aus der Sicht des Paulus verhee-
renden Reihe von Selbstwidersprüchen und Inkonsequenzen steht das
Aussetzen der Vernunft190. Denn aus der klaren Nachzeichnung des Kreuzes-
geschehens und seiner Bedeutung (1c), aus dem hörenden Glaubensgehorsam
(2b: hako¨jß pístewß) und aus der Erfahrung eines vom kraftvollen Wirken
des göttlichen Geistes bewegten Lebens (3b.5) hätte etwas anderes »folgen«
sollen als das Zurückfallen in die Gesetzeswerke und das »Fleisch« (2b.3b).
Für diese Fehlentwicklung – die sogar Anlass zur Befürchtung gibt, alles sei
umsonst gewesen (4) – findet Paulus in der leicht übertriebenen Tonart der
ersten rhetorischen Frage nur eine Erklärung: Die Galater sind einer nicht
näher spezifizierten Form von irrational-magischer Einwirkung (1b: baska-
ínw) zum Opfer gefallen.
Die zweimalige Anklage der Unvernunft ist nicht nur literarischer Rück-
griff auf gängige Beschimpfungsmuster, sondern auch Ausdruck des Unver-
ständnisses gegenüber einer Entwicklung, die Paulus rational kaum nachvoll-
ziehen kann191. Die rhetorischen Fragen machen allesamt auf die Inkonse-

188 MUSSNER, 206 vermutet an dieser Stelle »etwas Erregendes an sich« und wird »einer
gewißen zornigen Bitterkeit und Ironie« gewahr. Die Rhetorik des Pathos impliziert jedoch
nicht entsprechende Gefühlsregungen seitens des Sprechers.
189 Aus dem für uns erstaunlichen Umstand, dass Beschimpfungen in der Antike in den
unterschiedlichsten Gattungen belegt sind (von der Komödie über Graffiti bis zu Gerichtsre-
den), lässt sich ablesen, in welch hohem Maße »verbale Aggression offenbar […] geduldet
wurde« (B.-J. SCHRÖDER, Art. Schimpfwörter, DNP 11 [2001] 175). Die interessante Studie
von I. OPELT, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte sprachliche Erscheinungen
(Heidelberg, 1965) untersucht eingehend den Gebrauch von Schimpfwörtern in unterschiedli-
chen Beziehungskonstellationen, von denen im Hinblick auf das besondere Verhältnis des
Paulus zu seinen Gemeinden die Beziehungen Vater-Sohn (S. 54–58) und Lehrer-Schüler
(S. 115–124) von besonderem Interesse sind. In der erzieherischen Scheltrede dienen
Beschimpfungen dem Ziel, den Sohn zur Vernunft zu bringen (S. 54). Wenn der Lehrer sich
genötigt sieht, zur Scheltrede zu greifen, dann ist das ein Zeichen dafür, dass seine bisherigen
Bemühungen gescheitert sind. »[D]er pädagogische Tadel ist daher entweder Vorwurf der
Dummheit oder moralische Disqualifizierung.« (S. 115)
190 Eine genaue semantische Abgrenzung von hanójtoß ist kaum möglich. MUSSNER, 206
denkt an »mangelnde Einsicht […] in das Wesen des Evangeliums«. Textpragmatisch hat der
Vorwurf der »Dummheit« eine »ermahnende« Funktion. OPELT, Schimpfwörter, 262 stellt
generell für die lateinische Literatur fest, dass ein solcher Vorwurf »stets ›nouthetisch‹«
ausgerichtet ist (vgl. etwa zum beliebten Schimpfwort stultus [»dumm«] die Beleghinweise
im Register S. 281).
191 OPELT, Schimpfwörter, 261 zieht das Fazit, dass Schimpfwörter nicht ausschließlich
als Leistung des Affektes anzusehen sind. Aus »dem Verhältnis der Wortwahl zur Situation«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 133

quenz zwischen anfänglichen Überzeugungen und Erfahrungen und dem


jetzigen Zustand aufmerksam. Trotz des erkennbaren Pathos setzt die
Betonung der Unvernunft einen wichtigen Doppelpunkt vor die folgenden
Argumentationsgänge: Paulus möchte von einer gemeinsam akzeptierten
Basis aus die Galater von der Falschheit ihrer Position argumentativ überzeu-
gen192. Die vermutete »Verhexung« soll nicht durch einen noch stärkeren
rhetorischen Zauber außer Kraft gesetzt, sondern mit den Mitteln der Argu-
mentation, insbesondere der Schriftargumentation, bekämpft werden.

c) Der Streitpunkt: Das Erbe Abrahams


Von den in der Einleitungswissenschaft zu Genüge diskutierten Positionen
zum polemischen Hintergrund des Gal sind die folgenden für das Verständnis
von 3,6–14 besonders relevant193:
Paulus sah sich judenchristlichen Missionaren gegenübergestellt, die in bewusster Konkur-
renz zu seiner gesetzesfreien »Heiden«mission 194 eine »Alternative« verkündigten und damit
in den von Paulus gegründeten galatischen Gemeinden erfolgreiche Überzeugungsarbeit
leisteten (1,6–9). Dabei spielte die Frage der Torahobservanz durch Christen und Christinnen
nichtjüdischer Provenienz eine besondere Rolle, was sich v.a. daran ablesen lässt, dass die
Beschneidung als verpflichtend galt, ebenso wie die Einhaltung eines bestimmten Festtagska-
lenders (4,10; 6,12f). Eines der wichtigsten »Überzeugungsmittel« der Konkurrenten war die
Schrift. Dabei machten sie in besonderem Maße Gebrauch von der Abraham-Figur195. Es ist
vorstellbar, dass die Figur Abrahams als Vorbild benutzt wurde, um die galatischen Christen
zur Beschneidung zu bewegen. Vielleicht lehrten sie, dass Christen erst durch die Beschnei-
dung auch in vollem Umfang als »Kinder Abrahams« am Heilsbund teilnehmen 196.

ist vielmehr »die Vorherrschaft des Verstandes auch im Bereiche der affektivischen Sprache«
ablesbar. Die Beschimpfung gerät umso stärker in den Bereich des Affekts je hyperbolischer
sie durch Adjektive, Genitive u.ä. verstärkt wird. Der relativ moderate Einsatz von Tadel in
Gal 3,1–5 deutet also weniger auf Affekt als auf einen rationalen Einsatz damals gewöhnli-
cher pädagogischer Sprachmittel hin.
192 Ähnlich VOUGA , 66 (zu 3,1).
193 Vgl. neben den Einleitungen und Kommentaren die methodischen Überlegungen in
J.M.G. BARCLAY, Mirror-reading a Polemic Letter: Galatians as a Test Case, JSNT 31 (1987)
84–86 (zur Methode) und zu Gal 1–2 LYONS, Autobiography.
194 Zur Übersetzungsschwierigkeit von ‘eqnoß s.u. Anm. 354.
195 Dies ist für BARCLAY, Mirror-reading, 88 »highly probable«; s.a. LONGENECKER, 114;
BURTON, 153f; ausführlich HANSEN, Abraham, 167–174; KONRADT, Kinder Abrahams. Das
Frühchristentum hat die mit dem Namen Abrahams verknüpfte Frage, wer als Jude gelten
kann und wer nicht, auf neue Weise problematisiert (vgl. Mt 3,9; Lk 3,8; 16,24; Joh 8,33f;
Röm 2,28f; 9,6).
196 Der Abrahamsbund wurde im antiken Judentum nicht einheitlich als Beschneidungs-
bund gedeutet. Bei Philo fehlt ein solcher Zusammenhang, in Sir 44,19–21; CD 16,4–6 und
im Jubiläenbuch wird er ausdrücklich hergestellt. Vgl. dazu KONRADT, Kinder Abrahams;
und allgemein zur Abraham-Figur K. BERGER, Art. Abraham II. Im Frühjudentum und Neuen
Testament, TRE 1 (1977) 372–382; HANSEN, Abraham, 175–199; F.E. WIESER, Die Abra-
hamvorstellungen im Neuen Testament (EHS 23/317; Bern, 1987) 153–179.
134 III. Analyse paulinischer Texte

Eine polemische Auseinandersetzung um das »Erbe Abrahams« besonders im


Hinblick auf die Stellung der Nichtjuden zum abrahamitischen Heilsbund ist
als Hintergrund von Gal 3,6–14 förmlich mit Händen zu greifen. Abraham
galt als »greatest example of the Jewish ›faith‹«197, als »personalisierte
Erwählungsgeschichte Israels«198. Er bildete daher einen steten Referenzpunkt
für Identitätszuweisungen. Vieles spricht dafür, die Frage nach Abrahams
»wahren Erben« als einen, vielleicht sogar den Hauptpunkt (rhetor. »Stasis«)
der argumentativen Auseinandersetzung in Gal zu verstehen199.

2. Exegetische Anmerkungen
a) Positive Argumentation: Abraham-Exemplum (3,6–9)200
6 kaq`wß h Abraàm (Es ist) wie (im Falle) Abrahams:
hepísteusen t¨^w qe¨^w, er vertraute (glaubte an) Gott,
kaì helogísqj ahut¨^w e˙ß und es wurde ihm als Gerechtigkeit (Bundes-
dikaiosúnjn. treue) angerechnet. [Gen 15,6]

Der Anschluss mit kaq´wß wird satzsyntaktisch unterschiedlich bewertet:


Im Sinne von o“utwß als »verlegene[s] Flickwort« 201, als implizite Antwort auf die
rhetorische Frage in V. 5202, als Abkürzung für die Wendung kaq´wß gégraptai203 oder als
Einleitung zum exemplum Abrahams204. Während der erste Vorschlag eher eine Verlegen-
heitslösung darstellt und der zweite 3,6ff zu stark von der letzten rhetorischen Frage abhängig
macht205, kann sich der dritte auf den häufigen Gebrauch dieser Formel206 und auf eine

197 BETZ, 141.


198 BECKER, 49.
199 HANSEN, Abraham, 170–174; HONG, Misrepresent, 165; KONRADT, Kinder Abrahams.
200 3,6–9 fehlt in Markions Apostolikon (vgl. A. von HARNACK, Marcion [Leipzig,
2
1924] *72).
201 LIETZMANN, 18 übersetzt entsprechend: »So hat Abraham ›Gott geglaubt…‹«; ähnlich
SCHLIER, 126f. Aus rein grammatikalischer Perspektive hält C.K. BARRETT, The Allegory of
Abraham, Sarah, und Hagar in the Argument of Galatians, in: J. Friedrich (Hrsg.), Rechtferti-
gung (FS E. Käsemann; Tübingen / Göttingen, 1976) 6 diese Option als die Beste.
202 BRUCE, 152; BURTON , 153; MARTYN, 296f; ähnlich HAYS, Faith, 169f; WILLIAMS, 85.
LIGHTFOOT, 136 übersetzt als Antwort auf V. 5: »Surely of faith and so it was with
Abraham«.
203 BETZ, 140; BONNARD , 65; DUNN, 160. Das eigentliche Zitat würde also mit »Abra-
ham« beginnen.
204 LONGENECKER, 112; MORLAND, Curse, 195f; PELSER, Opposition, 396; VOUGA, 71;
ähnlich D.-A. KOCH, Die Schrift als Zeuge des Evangeliums (BHTh 69; Tübingen, 1986) 106.
BAUER, Logica, 382 spricht von »exemplo Abrahami«.
205 ECKSTEIN, Verheißung, 94.
206 Vgl. W. RADL, Art. kaq´ wß, EWNT 2,556f; ausführlich zu Einleitungsformeln: J.A.
FITZMYER, The Use of Explicit Old Testament Quotations in Qumran Literature and in the
New Testament, in: Ders., Essays on the Semitic Background of the New Testament (London,
1971) 7–16; B.M. METZGER, The Formulas introducing Quotations of Scripture in the New
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 135

(schwach bezeugte) textkritische Variante207 berufen. Problematisch jedoch ist die Stellung
am Anfang der Argumentation, denn die komplette Einführungsformel kaq´wß gégraptai
steht ansonsten immer nach der zu begründenden Aussage208. Einfaches kaq´wß ist als
Einführungspartikel für exempla belegt209. Versteht man 3,6 in diesem Sinne, dann ist
allerdings eine Unterbrechung des Satzgefüges in Kauf zu nehmen 210. Die rhetorische
Bestimmung der Figur Abrahams als exemplum ist für die Argumentation des Textes von
Belang 211.

Mit Gen 15,6 greift Paulus einen zentralen Abrahamstext heraus212. Durch die
Rekontextualisierung in den Argumentationsgang von Gal 3 erhält der
alttestamentliche Intertext eine neue Bedeutung. Der Apostel deutet den Text
– gegen jüdische und judenchristliche Positionen seiner Zeit213 – im Sinne des
semantischen Netzes seiner theologischen Schwerpunkte214. Es geht dabei
nicht um die »Treue« Abrahams, die sich durch seine Standfestigkeit in den
Versuchungen bewährt, sondern um sein »Vertrauen« auf Gottes Verhei-
ßung215. Ähnlich ändert sich der Referenzbereich der Wendung »zur Gerech-
tigkeit anrechnen«216 im Sinne der paulinischen Vorstellung der Rechtferti-

Testament and the Midrash, in: Ders., Historical and Literary Studies (NTTS 8; Leiden,
1968) 52–63.
207 G Vgclem Ambrosiaster ergänzen in diesem Sinne.
208 Vgl. kaq` wß gégraptai oder johanneisch kaq`wß hestin gegramménon in Mt 26,24;
Mk 1,2; 9,13; 14,21; Lk 2,23; Joh 6,31; 12,14; Apg 7,42; 15,15; Röm 1,17; 2,24; 3,4.10; 4,17;
8,36; 9,13.33; 10,15; 11,8.26; 15,3.9.21; 1Kor 1,31; 2,9; 2Kor 8,15; 9,9. Ähnlich verhält es
sich mit Wendungen, die kaq´wß mit Verben des Sprechens verbinden und ein Zitat einleiten:
Joh 1,23; Apg 7,48; Röm 9,29; 2Kor 6,16; Hebr 3,7; 4,3.7; 5,6.
209 Kaq´ wß als Hinweis auf eine Analogie zu einer Gestalt oder einem Ereignis aus der
Schrift: Lk 11,30 (Jona); 17,26.28 (Tage Noahs – Tage Lots); Joh 3,14 (Erhöhung der
Schlange durch Mose); 1Joh 3,12 (Kain als Negativbeispiel: ohu kaq`wß Káin).
210 KOCH, Schrift, 13f, Anm. 12: »[D]as Zitat hat ein derartiges Eigengewicht, daß der
übergeordnete syntaktische Zusammenhang zerbricht.« Er vermutet ferner, dass anstelle der
Fortsetzung des Vergleichs (etwa kaq`wß h Abraàm ... o“u twß oÓ hek pístewß ktl.), »die
schlußfolgernde Zitatinterpretation von V 7« erscheint (S. 106). Die Änderung in der
Wortstellung gegenüber der LXX dient zudem der Absicht, »Abraham« möglichst an den
Satzbeginn zu stellen.
211 Vgl. zur Funktion des »Beispiels« in der rhetorischen Logik des Aristoteles o. S. 70f.
212 Zur atl.-jüd. Auslegungsgeschichte vgl. J.R. WISDOM, Blessing for the Nations and the
Curse of the Law (WUNT 2:133; Tübingen, 2001) 23–42.65–86. MARTYN, 297 vermutet
m.E. zu Recht, dass dieser Text nicht auf das Konto der »Gegner« geht (gegen BARRETT,
Allegory, 6).
213 Die traditionelle Verbindung zwischen dem »Glauben« und den »Werken« Abrahams
bringt Jak 2,20–26 unmissverständlich klar zum Ausdruck. Vgl. dazu F. AVEMARIE, Die
Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefs: A very old perspective on Paul, ZThK 98
(2001) 282–309.
214 Ähnlich BETZ, 141.
215 Theologisch wird dieser Gedanke in Röm 4, bes. 4,13–25, ausgeführt.
216 Die syntaktische Einheit erscheint noch in Röm 4,3f.9.22f; vgl. logízomai in Röm
2,3.26; 3,28; 4,4–6.8.10f.24; 6,11 usw.; Jak 2,23.
136 III. Analyse paulinischer Texte

gung aus Glauben217. Argumentatorisch liegt hier eine (beabsichtigte oder


unbeabsichtigte?) Äquivokation vor218. Dass also Paulus in seiner Abrahams-
deutung den Glauben von seiner Treue in der Prüfung trennt und das gesamte
Gewicht auf ersteren Aspekt legt, ist im Rahmen jüdischer Abrahamsvorstel-
lungen einzigartig219. Für Paulus beginnt die Torahtreue erst mit Moses und
nicht schon – wie in der jüdischen Tradition häufig angenommen – bereits mit
Abraham.
7 Gin´wskete ‘ara Wisset nämlich,
“oti oÓ hek pístewß, dass die »Glaubensmenschen«
oˆutoi uÓoí e˙sin h Abraám. diese Kinder Abrahams sind.
Die Entscheidung, ob gin´wskete indikativisch oder imperativisch zu lesen
ist, bleibt nicht ohne Folgen für das Verstehen des Argumentationsverlaufs
des Textes. Denn daran entscheidet sich, ob Paulus etwas Bekanntes in
Erinnerung ruft oder auf etwas Neues schließt220. Obwohl Longenecker für
die indikative Deutung geltend macht, dass es sich um eine typische »disclo-
sure formula« des hellenistischen Briefes handelt221, fügt sich die imperative
Deutung organischer in die Argumentation222. Die Partikel ‘ara legt ein
Verständnis von V. 7 als Schlussfolgerung aus V. 6 nahe (vgl. jedoch zur
logischen Analyse u. S. 153f)223.

217 Die semantischen Schwierigkeiten können hier nicht ausgiebig diskutiert werden. Auf
der synchronen Ebene ist jedoch deutlich, dass die LXX-Wendung logízomaí tini e˙ß
dikaiosúnjn im paulinischen Sprachgebrauch semantisch austauschbar ist mit Ho qeòß
dikaioï tiná. Vgl. dazu K. K ERTELGE, »Rechtfertigung« bei Paulus (NTA N.F. 3; Münster,
2
1971) 185–195; M.A. SEIFRID, Justification by Faith: The Origin and Development of a
Central Pauline Theme (NT.S 68; Leiden, 1992); H.W. W EIDLAND, Art. logízomai ktl.,
ThWNT 4 (1942) 287–295, bes. 292–295.
218 Über die Erfolgsaussichten solchen Argumentierens urteilt BETZ, 141: »Therefore his
contention that Gen 15:6 proves his understanding of ›justification by faith‹ as opposed to ›by
works of the Torah‹ can convince only those who share his theological and methodological
presuppositions.«
219 So auch REINBOLD, Erfüllbarkeit, 94f u.a.
220 Die beiden anderen Belege für gin´wskete in den Paulusbriefen (2Kor 8,9; Phil 2,22)
sind leider wenig aussagekräftig.
221 LONGENECKER, 114 ohne Angabe von Quellen (ebenso MARTYN , 299; PELSER,
Opposition, 396). Indikativisch deuten v.a. die älteren Kommentatoren (z.B. LIGHTFOOT, 136;
weitere Belege in SIEFFERT, 173); neuerdings auch ECKSTEIN, Verheißung, 103 und
STANLEY, Curse, 494, Anm. 44.
222 Dies ist die häufigste Deutung. Eine ähnliche Abfolge von kaq´wß, Schrifthinweis und
schlussfolgerndem ‘ara findet sich in Röm 9,13–16 und 10,15–17. Für Parallelen aus der
didaktischen Literatur vgl. BETZ, 141.
223 LONGENECKER, 114: »The particle ‘ara (›then‹) marks this statement of v 7 as the
logical consequence of the quotation of v 6.« Unklar erscheint mir die Bestimmung von
BETZ, 141: »What the Galatians are asked to recognize is not obvious, but is the result of the
following argument here anticipated.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 137

Das exemplum Abrahams bezeugt für Paulus einen paradigmatischen


Sachbezug zwischen Glaube und Heil. Daher kann all jenen, deren Existenz
vom Glauben geprägt ist (oÓ hek pístewß)224, die Eigenschaft, Kinder
Abrahams zu sein (uÓoí h Abraám), zuerkannt werden. Der Abrahamskind-
schaft wird dadurch jede genealogische Implikation genommen, so dass der
Begriff »Sohn« metaphorisch im Sinne der »Zugehörigkeit, die das Wesen
des Menschen bestimmt«225, zu verstehen ist. Die entscheidende Kategorie für
Paulus ist der Glaube – und es ist anzunehmen, dass Paulus bereits hier an den
Glauben an Jesus Christus denkt226. Mit dem Stichwort »Abraham« berührt
Paulus den Streitpunkt zwischen ihm und seinen judaistischen Gegnern.
Verhandelt wird das legitime Erbe des Heilsbundes und die Frage nach der
Stellung der Nichtjuden zu diesem Bund. Auch wenn man nicht ohne weitere
Qualifizierung hier von einer intendierten antijüdischen Spitze reden kann227,
impliziert diese Redeweise eine religionssoziologische Abgrenzung. Paulus
deutet identitätsstiftende Bezeichnungen neu und reklamiert sie für die
»Heiden«christen228. Als »Kinder Abrahams« sind die Christen und Christin-
nen auch »Kinder Gottes« (3,26; 4,6f)229.

224 MARTYN , 299: »[T]hose who derive their identity from observance of the Law.« Der
substantivierte Ausdruck begegnet nur in Gal 3,7.9 und Röm 3,26b (vgl. aber Röm 4,16: t^¨w
hek pístewß h Abraám) und geht wohl auf Paulus zurück. In Gal 3,10 steht es antithetisch zu
“osoi hex ‘ergwn nómou e˙sín. Ähnliche Substantivierungen mit hek/hex sind für Paulus nicht
selten: Röm 2,8 (oÓ hex heriqeíaß); 4,14 (oÓ hek nómou); 9,6 (oÓ hex h Isra´jl); 16,10 (toùß hek
t¨wn h Aristoboúlou); 16,11 (toùß hek t¨wn Narkíssou); 1Kor 13,10 (tò hek mérouß); Gal
2,12 (toùß hek peritom¨jß [vgl. Apg 10,45; 11,2; Tit 1,10]); 4,23 (Ho hek t¨jß paidískj); Phil
1,16f (oÓ hex hagápjß ... oÓ hex heriqeíaß); 4,22 (oÓ hek t¨jß Kaísaroß o˙kíaß); Kol 4,12 (Ho hex
Hum¨wn). ECKSTEIN, Verheißung, 104: »Bei den abstrakten Begriffen wird somit im Genitiv die
Sache angegeben, die für die betreffenden Menschen charakteristisch und normativ ist.«
(Hervorhebungen vom Autor)
225 Vgl. zum Ausdruck »Sohn« für Zugehörigkeit G. FOHRER / E. LOHSE / E. SCHWEIZER,
Art. Hu ióß ktl., ThWNT 8 (1969) 346f (AT), 359f (Judentum), 366f (NT). Zitat oben von
LOHSE, 359/11f.
226 Sachlich wird der Gedanke in Gal 4,22–31 entfaltet. Vgl. weiterhin Gal 3,16.19.29
(Samen Abrahams); Röm 4,13.16.18; 9,7f.29; 11,1; 2Kor 11,22 usw. Der Ausdruck
»Abraham unser Vater« erscheint in Röm 4,1.12. Der ungewöhnliche Vorschlag von HAYS,
Faith, 170–173, pístiß hier auf den »Glauben Jesu« zu beziehen, gründet auf einer sehr
weitreichenden exegetischen Gesamtentscheidung, die hier nicht gebührend bewertet werden
kann.
227 Vgl. etwa BETZ, 142: »To be sure, this identification is intentionally anti-Jewish.«
228 Die Bedeutung der Nachkommenschaft Abrahams für jüdisches Selbstverständnis
spiegelt sich wider in einem Text wie 4Makk 9,21: »Selbst als sein Knochenskelett sich
schon im Zustand des Zerfallens befand, seufzte er nicht, der hochgemute Jüngling, ein
wahrer Nachkomme Abrahams (Ho megalófrwn kaì Abramiaïoß neaníaß ohuk hesténa-
xen).« (Klauck, JSHRZ)
229 BRUCE, 155 verweist darauf, dass der Gebrauch der maskulinen Form uÓoí (statt
tékna wie in 4,28 und Röm 9,7) nicht im Zusammenhang mit der Beschneidungsthematik
138 III. Analyse paulinischer Texte

8 providoüsa dè Hj graf´j Weil ja die Schrift vorausgesehen hat,


“oti hek pístewß dikaioï dass Gott aufgrund von Glauben die Nichtjuden
tà ‘eqnj Ho qeòß gerecht spricht,
proeujggelísato t¨^w h Abraàm verkündete sie Abraham im Voraus die gute
“oti h Eneulogjq´jsontai hen soì Botschaft: In dir werden alle Völker/Heiden
pánta tà ‘eqnj. gesegnet werden. [Gen 12,3; 18,18]
9 “wste oÓ hek pístewß ehulogoün- So dass die »Glaubensmenschen« gesegnet
tai sùn t¨^w pist¨^w h Abraám. werden mit dem glaubenden Abraham.
Es ist anzunehmen, dass die Beschneidung für die judaistischen Gegner des
Paulus einen entscheidenden Stellenwert in der Frage nach der legitimen
»Abrahamskindschaft« einnahm. Es sind daher zwei argumentative Operatio-
nen nötig: Zum einen muss über das exemplum Abrahams der Sachbezug
zwischen Glaube und Heil hergestellt werden. Zum anderen muss der
Einschluss der Nichtjuden in diesen abrahamitischen Glaubensbund gesichert
werden. V. 8 (locker angeschlossen mit dé) lokalisiert nun als weitere Folge
von V. 6 mit einem Schriftzitat die Erlösung aus Glauben für die Nichtjuden
in der Abrahams-Segensverheißung.
Das Schriftzitat als solches hat einige Eigenheiten aufzuweisen: Der Singular Hj graf´j
scheint auf eine konkrete Stelle zu referieren230. Jedoch kommen aus der LXX unterschiedli-
che Stellen in Betracht231. Die Schrift bekommt weiterhin einen beinahe »theomorphen«
Charakter 232: Sie hat die Rechtfertigung der Nichtjuden aus Glauben vorausgesehen
(providoüsa) und entsprechend hat es Gott Abraham vorhergesagt. Interessant ist ferner der
Gebrauch der »Präsens«-Form (dikaioï): Von der zeitlichen Bedeutung her wäre eher ein
Futur zu erwarten. Aber die Betonung liegt auf dem durativen Aspekt233: Die Schrift sah
voraus, »dass Gott dauerhaft Nichtjuden aufgrund des Glaubens rechtfertigt …« Schließlich
fällt das wenig belegte Verb proeuaggelízomai auf 234, das hier aber auf die jetzige

gedeutet werden soll. Vielmehr ist aus 3,26 zu schließen, dass mit der maskulinen Form auch
die »Töchter« gemeint sind.
230 Vgl. Röm 9,17; 10,11; 11,2; Lk 4,21; Joh 19,36f; Apg 8,35.
231 Gen 12,3 (kaì heneulogjq´jsontai hen soì päsai aÓ fulaì t¨jß g¨j ß); 18,18 (kaì
heneulogjq´jsontai hen ahut¨^w pánta tà ‘eqnj t¨jß g¨j ß); 22,18 (kaì heneulogjq´jsontai
hen t¨^w spérmatí sou pánta tà ‘eqnj t¨jß g¨jß); 26,4 (kaì heneulogjq´j sontai hen t¨^w
spérmatí sou pánta tà ‘eqnj t¨j ß g¨jß); 28,14 (kaì heneulogjq´jsontai hen soì päsai aÓ
fulaì t¨jß g¨jß kaì hen t¨^w spérmatí sou). Direkte Echos finden sich in Y 71,17 (kaì
ehulogjq´jsontai hen ahut¨^w päsai aÓ fulaì t¨j ß g¨jß); Sir 44,21 (dià toüto hen “ork^w
‘estjsen ahut¨^w heneulogjq¨jnai ‘eqnj hen spérmati ahu toü).
232 Bill. III, 538 verweist auf die rabbinische Wendung: »Was hat die Torah gesehen?«
Ähnliche »Hypostasierungen« der Schrift finden sich in Gal 3,22 (»die Schrift hat alles unter
[die] Sünde eingeschlossen«) und in der Wendung »die Schrift sagt« (Gal 4,30; Röm 4,3;
9,17; 10,11; 11,2). Etwas zu weit geht wohl BRUCE, 155: »Hj graf´j is here practically
equivalent to Ho qeóß, as in Rom 9:17.«
233 Ähnlich BRUCE, 156: »present tense, because it is God’s abiding policy«.
234 Philo, Op 34; Mut 158; G. F RIEDRICH, Art. proeuaggelízomai, ThWNT 2 (1935) 735
und ECKSTEIN, Verheißung, 112; zum Zeitverständnis vgl. P. STUHLMACHER, Erwägungen
zum Problem von Gegenwart und Zukunft in der paulinischen Eschatologie, ZThK 64 (1967)
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 139

Evangeliumsverkündigung zu beziehen ist. Die Verheißung an Abraham »war ein Evangeli-


um vor dem Evangelium« 235. Die Abrahamsverheißung wird damit zu einer prototypischen
Evangeliumsverkündigung.

Das Interesse des Paulus an der zitierten Stelle gilt der Wendung pánta tà
‘eqnj, die sich in seinem Sprachgebrauch eindeutig auf Nichtjuden bezieht
(Gal 1,6; 2,2.8f.12.14f; 3,14). Für ihn wird diese Verheißung durch seine
gesetzesfreie Evangeliumsverkündigung Wirklichkeit236. Die Rechtfertigung
der Nichtjuden (Gal 2,15–21) ist identisch mit dem abrahamitischen Segen für
die Nichtjuden (3,14)237.
Wichtig an der Abrahamfigur ist, dass der Glaube Abrahams in keiner
Weise dem Glauben der christlichen Gemeinde qualitativ unterlegen ist238. Er
steht vielmehr als Prototyp allen Glaubens239. Betz kommt zu Recht zu
folgendem Urteil:
»Did Abraham, to whom this promise was given, understand it also in this sense? Paul
concludes he did. The Apostle thereby attributes to Abraham a unique role: he was the only
person before Christ who actually knew the gospel and believed it. How can this be? Paul
explains this by the reference to his concept of Scripture: ›Scripture foresaw [it]‹ […] and
›proclaimed [it] before to Abraham‹«.240
Dass Paulus bei seiner Bibeldeutung zutiefst von seiner Erfahrung als
»Heiden«missionar geprägt ist, wird daraus ersichtlich, dass er diese Thema-
tik immer wieder theologisch für sich nutzt241. In V. 9 zieht Paulus ein Fazit
aus seiner bisherigen Argumentation (“wste)242: Gesegnet mit dem glauben-
den Abraham werden nur die »aus Glauben«. Abraham wird damit ganz in
den Bereich des christlichen Glaubens geholt243. »In Abraham« (V. 8) wird

423–450; LUZ, Geschichtsverständnis, 111f. MARTYN, 300 führt den Wortgebrauch auf die
paulinischen Konkurrenten zurück.
235 SIEFFERT, 175.
236 Das wird v.a. die christologische Deutung des Begriffs »Samen Abrahams« später
deutlich machen.
237 BETZ, 142; LAMBRECHT, Curse, 278f.
238 Wie SCHLIER, 141 anzudeuten scheint. Vgl. dagegen BETZ, 153, Anm. 141; FUNG ,
136; KERTELGE, Rechtfertigung, 193. Treffend EBELING, 232: »[D]er Glaube an Jesus
Christus ist wesenhaft kein anderer Glaube als der Glaube Abrahams.«
239 ROHDE, 137f.; ECKSTEIN, Verheißung, 101f.: Abraham ist »für den Apostel exemplum
im Sinne von Urbild und Typos.« LONGENECKER, 113: »Abraham’s faith […] stands as the
prototype of human response to God.«
240 BETZ, 142f.
241 LONGENECKER, 115 mit Hinweis auf Röm 15,9–12, wo Paulus Ps 18,49; 2Sam/2Bas
22,50; Dtn 32,43; Ps 117,1; Jes 11,10 zitiert.
242 Vgl. den Gebrauch der Partikel nach Schriftzitaten in Gal 3,24 (“wste Ho nómoß...); 4,7
(“wste ohukéti...).
243 BETZ, 143: »Abraham who in Judaism is the prototype of ›righteousness through
obedience to the Torah‹ now has become the prototype of the ›men of faith‹.« Das Adjektiv
pistóß bedeutet hier »glaubend« (im Sinne des paulinischen Sprachgebrauchs) und nicht
140 III. Analyse paulinischer Texte

hier im Sinne von »mit ihm« gedeutet. Abraham und die jetzt an Christus
Glaubenden (Nichtjuden?) bilden eine »Glaubensgemeinschaft«244. Die
Beziehung zu Abraham wird terminologisch (mit hen und sún) im Übrigen
sehr ähnlich wie die Beziehung zu Jesus (dem »Samen« Abrahams!) in Worte
gefasst. Paulus benutzt die Segensterminologie als sprachliche Überleitung
zur Antithese »Fluch und Segen« in 10ff.

b) Negative Argumentation: Fluch des Gesetzes (3,10–12)


10 “osoi gàr hex ‘ergwn nómou e˙sìn Diese nämlich, die Menschen der Gesetzeswerke
Hupò katáran e˙sín≥ gégraptai sind, sind unter einem Fluch,
gàr “oti h Epikatáratoß päß “oß denn es steht geschrieben: Verflucht jeder, der
ohuk hemménei päsin toïß nicht verharrt (in) allen Dingen, die im Buch des
gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü Gesetzes zu tun (vor)geschrieben sind.
nómou toü poi¨jsai ahu tá. [Dtn 27,26]

Das anfängliche gár legt nahe, dass hier noch ein argumentativer Grundstein
für das zuvor Gesagte gelegt werden soll. Die Verbindung ist aber locker
fortführend245. 10a ist eher als conclusio des folgenden Schriftzitats zu lesen.
Mit einer Gegenüberstellung von Dtn 27,26 und Lev 18,5 (in 3,12) einerseits
und Hab 2,4 (in 3,11) andererseits stellt Paulus einen kontradiktorischen
Gegensatz zwischen Fluch beim Gesetz und Leben beim Glauben fest246. Der
Gebrauch von Dtn 21,23 (»Verflucht jeder, der am Holze hängt«) in 3,13 ist
im Hinblick auf die Opposition besonders interessant.
Mit “osoi hex ‘ergwn nómou hebt Paulus eine Gruppe Menschen heraus, die
kategorisch zu unterscheiden ist von den hek pístewß247. Ob es sich dabei
sachlich um einen kontradiktorischen Gegensatz handelt, könnte sachkritisch
diskutiert werden. Im vorliegenden Kontext ist aber deutlich, dass der Kreis

»treu und bewährt«. Die paulinische Semantik verdrängt deutlich den jüdischen Gebrauch.
Vgl. in Bezug auf Abrahams »Treue« z.B. Sir 44,20 (»und in der Versuchung wurde er als
treu erfunden« [kaì hen peirasm¨^w eHuréqj pistóß]); 1Makk 2,52; Philo, Post 173.
244 Wie Israel in diese »Gemeinschaft« passt, thematisiert Paulus hier nicht.
245 BETZ, 144: »gár should best be taken as inferential (›certainly, so, then‹) or as mar-
king another step in the argument.« BONNEAU, Logic, 71 schlägt sogar eine adversative
Deutung vor.
246 BARRETT, Allegory, 6f sieht in Dtn 27,26 einen Schriftbeweis, den die Gegner des
Paulus gegen ihn verwendeten (ähnlich MARTYN, 309). Wird dadurch der paulinische
Schriftgebrauch nicht zu sehr auf die Apologetik seiner Person reduziert? Es ist m.E.
wahrscheinlicher, dass die Abfolge von Schriftstellen sorgfältig gewählt wurde, um ein
konkretes argumentatives Ziel zu erreichen. Ich finde es daher schwer anzunehmen, dass
Paulus, nur mit den Vorgaben seiner Gegner ausgestattet, ein Spiel exegetischer Kombinato-
rik betrieben haben sollte.
247 SIEFFERT, 178 bemerkt richtig, dass “osoi »auch diejenigen, welche sich zu J[esus]
Chr[istus] bekennen«, umfasst; also auch die judenchristlichen Konkurrenten (s.a. BONNARD,
67; SCHLIER, 132). Daher deckt Paulus in 1,8f »nur den Zustand der Judaisten auf, in dem sie
längst stehen« (BECKER, 50).
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 141

der »Gesetzesmenschen« und der der »Glaubensmenschen« keine »Schnitt-


menge« besitzt. Eine Überschneidung zwischen beiden kann es so wenig
geben, wie zwischen den binären Antithesen »Fluch« und »Segen«.
Um den Begriff der ‘erga nómou ist eine Debatte entbrannt, die in ihrem literarischen
Umfang forschungsgeschichtliche Dimensionen anzunehmen droht. Der gewichtigste Beitrag
stammt von Dunn248: Im Gegensatz zur klassischen Sicht, die den Begriff allgemein mit
jüdischer Werkfrömmigkeit in Verbindung bringt, denkt Dunn an eine Form von Torahfröm-
migkeit, die auf die physisch-nationale Einhaltung der jüdischen »boundary marker«
reduziert bleibt. Dieses in sich defizitäre Verständnis von Bundeszugehörigkeit findet seine
Konkretisierung insbesondere in der Beschneidung und in der Einhaltung der Speisevor-
schriften 249. Paulus wendet sich also nicht gegen das jüdische Bestreben, dem Gesetz des
Mose gerecht zu werden, sondern gegen »the assumption that ethnic origin and identity is a
factor in determining the grace of God and its expression«250. Diese Position hat viel
Anerkennung aber auch viel Kritik erfahren251. Eine philologische Lösung kann anhand des
vorhandenen Quellenmaterials kaum definitiv gefällt werden. Griechisch ist die syntaktische
Einheit vor Paulus nicht belegt252. Die Belege in 4QMMT können das Problem nicht
lösen 253. Es ist für die Exegese daher ratsam, beide Optionen offen zu lassen.

248 DUNN, Works. Im Wesentlichen ist DUNN bei seiner Darstellung geblieben. Vgl. Yet
Once More – ›The Works of the Law‹: A Response, JSNT 46 (1992) 99–117; Whatever
happened to ›Works of the Law‹?, in: EPITOAUTO (FS P. Pokorny; Praha, 1998) 107–120;
Noch einmal ›Works of the Law‹: The dialogue continues, in: I. Dunderberg et al. (eds.), Fair
Play: Diversity and Conflicts in Early Christianity (FS H. Räisänen; NT.S 103; Leiden, 2001)
273–290.
249 Der wenig beachtete Beitrag von R. H EILIGENTHAL hat in wichtigen Punkten die
Position DUNNS vorweggenommen: Soziologische Implikationen der paulinischen Rechtfer-
tigungslehre im Galaterbrief am Beispiel der ›Werke des Gesetzes‹: Beobachtungen zur
Identitätsfindung einer frühchristlichen Gemeinde, Kairos 26 (1984) 38–53.
250 J.D.G. DUNN , The Theology of Paul’s Letters to the Galatians (New Testament
Theology; Cambridge, 1993) 143.
251 Positiv u.a. CRANFORD , Perfect Obedience, 249; BONNEAU, Curse, 66f. Ablehnend
C.E.B. CRANFIELD, ›The Works of the Law‹ in the Epistle to the Romans, in: Ders., On
Romans and other New Testament Essays (Edinburgh, 1998) 1–14; T.R. SCHREINER, ›Works
of Law‹ in Paul, NT 33 (1991) 217–244.
252 In die Nähe des paulinischen Begriffs kommt aus der LXX nur Ex 18,20: Das Volk
soll unterwiesen werden in den Ordnungen (prostágmata), im Gesetz (nómon), in den
Wegen, die sie gehen sollen, und in »die Werke, die sie tun sollen« (tà ‘erga ”a
poi´jsousin).
253 4Q398, 14 II,2f: »Und auch wir haben an dich geschrieben etliches von den Torah-
Praktiken (hrwth yç[m), die wir als gut für dich und dein Volk befunden haben […].« (übers.
Maier, 2:375) Vgl. dazu M. BACHMANN, 4QMMT und Galaterbrief, hrwth yç[m und ERGA
NOMOU, in: Ders., Antijudaismus im Galaterbrief? (NTOA 40; Freiburg, CH / Göttingen,
1999) 33–56; J.D.G. DUNN, 4QMMT and Galatians, NTS 43 (1997) 147–153; J. KAMPEN,
4QMMT and New Testament Studies, in: J. Kampen / M.J. Bernstein (eds.), Reading
4QMMT (SBL Symposium Series 2; Atlanta, 1996) 129–144. Gegen die Sicht von DUNN,
dass es im Qumrantext nur um »defining a boundary which marks out those of
faith/faithfulness from others« (4QMMT, 151) gehe, muss geltend gemacht werden, dass am
142 III. Analyse paulinischer Texte

Die Präpositionalwendung Hupò katáran wirft die semantische Frage auf, ob


Hupò katáran e˙sín und hepikatáratoß synonym verstanden werden sollen.
Für die Implikationen dieses Begründungsganges ist diese Frage wichtig.
Die Argumente für eine Unterscheidung beider Begriffe sind im Wesentlichen zwei254: ein
philologisches – die Wendung Hupò tina e~inai bedeutet »unter jemandes Gewalt stehen« –
und ein argumentum e silentio – wenn Paulus von einer tatsächlichen Verfluchung hätte
reden wollen, hätte er bereits in 10a hepikatáratoß gebraucht255. Leider erlaubt die Sprach-
geschichte keine klare Entscheidung, da die Wendung Hupò katáran in der griechischen
Literatur hier zum ersten Mal erscheint256. Einige Beobachtungen sprechen jedoch für ein
synonymes Verständnis: a) In Justins »Dialog mit Tryphon« wird in deutlicher Anlehnung an
Gal 3 vorausgesetzt, dass der Gesetzesmensch faktisch verflucht ist, weil er das Gesetz nicht
ganz halten kann, wie ja auch die jüdischen Gesprächspartner ihm bereitwillig zugestehen
müssen (94,5–95,1). b) Gal 3,12 (Cristòß Hjmäß hexjgórasen hek t¨j ß katáraß toü
nómou) macht zudem deutlich, dass der »Fluch des Gesetzes« in seiner ganzen Dramatik zu
fassen ist, ansonsten wäre das stellvertretende »Fluchwerden« Jesu wohl kaum notwendig.
c) Auch der »vorweggenommene« Fluch in 1,8f sieht die Verfluchung nicht als reine
Möglichkeit an. d) Letztendlich ist vom Gesamtduktus her deutlich, dass diejenigen, die unter
dem Fluch stehen, nicht am Segen Abrahams teilnehmen. Sie sind faktisch »verflucht«. 257
Ohne ein solches synonymes Verständnis könnte das Zitat in 10b kaum 10a begründen.

Die Begründung in 10b (gár) liefert Paulus mit einem Text aus Dtn 27,26258.
Die paulinische Strategie, mit einem Torahwort die Torahobservanz selbst in

Ende der betreffenden Stelle steht: »[…] damit es dir zur Gerechtigkeit angerechnet wird, da
du das Rechte vor Ihm tust und das Gute zu deinem Beste und für Israel.« (4Q398, 14 II,7f)
254 Vgl. bes. S TANLEY, Curse, 499; REINBOLD, Erfüllbarkeit, 98f; WILLIAMS, 89f.
255 Ein solches Argument ist gerade angesichts der Vagheit und Vielschichtigkeit der
paulinischen Sprache nicht besonders schlagkräftig. Paulus überführt immer wieder die
Sprache seiner Schriftbeweise in seine eigenen Sprachschemata (vgl. nur 3,6–9). Warum
sollte er hier nicht ähnlich verfahren?
256 Dies gilt zumindest für die literarischen Zeugnisse, die im TLG erfasst sind. Vgl. aber
ähnliche Wendungen in 3,22 (unter Sünde); 3,23; 4,4f.21; 5,18 (unter Gesetz); 3,25 (unter
dem Zuchtmeister); 4,2 (unter Vormündern und Verwaltern); 4,3 (versklavt unter die
Elemente der Welt). Vgl. weiterhin MORLAND, Curse, 201f. Für positiven Gebrauch vgl.
Josephus, Ap 2,210: »To all who desire to come and live under the same laws with us [Hupò
toùß ahutoùß Hjmïn nómouß], he [= Moses] gives a gracious welcome, holding that it is not
family ties alone that constitute relationship, but agreement in the principles of conduct.«
(LCL)
257 MORLAND , Curse, 201–203.
258 Es handelt sich um die letzte der zwölf levitischen Verfluchungen. Vgl. zur atl.-jüd.
Wirkungsgeschichte MORLAND, Curse, 52–58; SCOTT, Many, 194–213; WISDOM, Blessing,
43–62.87–128. Das Zitat stimmt nicht wörtlich mit den heute bekannten LXX-Fassungen
überein. Die Änderungen sind allerdings kaum sinnverändernd, zumal alle LXX-Fassungen
gegenüber MT päsin haben! Vgl. auch Dtn 28,58 (pánta tà Hr´jmata); 30,10 (pásaß tàß
hentoláß). LONGENECKER, 117 bringt den Fluch in Zusammenhang mit der mehrmaligen
Auspeitschung des Paulus (2Kor 11,24), weil nach mMak 3,10–14 bei solchen Synagogen-
strafen auch Dtn 27,26 verlesen wurde. Diese biographische Verknüpfung ist im Gal-Kontext
etwas weit hergeholt. Sie ist aber auch ungenau, weil die in mMak 3,14 nicht Dtn 27,26 direkt
zitiert wird, sondern Dtn 28,58f; 29,9 und Ps 78,38.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 143

eine »Fluchzone« zu verwandeln, wirkt aus heutiger Sicht wie ein De-
konstruktionsversuch jüdischer Identität. Diese »paradoxe Intervention« hat
unter Exegeten zu unterschiedlichen Nuancierungen geführt in Bezug auf die
Frage, worin der »Fluch der Torah« (3,13) denn konkret besteht259:
1. Die faktische Nichterfüllung »aller« Gebote als Fluch: Diese Sicht, die als die
»traditionelle« angesehen werden darf, geht davon aus, dass der Zusammenhang nur durch
Hinzunahme einer Zusatzprämisse hergestellt werden kann260: Niemand kann alle (päsin)
Gebote halten 261. Paulus hat entweder den Wortlaut der 613 Vorschriften und Verbote der
Torah vor Augen oder aber er geht von der menschlichen Sünde als Hinderungsgrund aus262.
Wenn es aber in 3,10 um die Nichterfüllbarkeit des Gesetzes geht, verwundert es, dass dieser
Gedanke in 3,11f keine Rolle mehr spielt263.
2. Der Bundesbruch als faktischer Fluchzustand Israels: Paulus deutet Dtn 27,26 im
Sinne des Deuteronomisten 264: Die Torah wurde als Bundessatzung mit der Absicht gegeben,
dass sich Israel gewissenhaft daran hält. Bereits eine Gesetzesübertretung würde den Bund zu
Fall bringen und die Flüche in Kraft setzen. Für den Deuteronomisten hat sich dieser Fall in
der Geschichte Israels erfüllt: Israel lebt unter dem Fluch, weil es unter Fremdherrschaft lebt.
Das gleiche Deutungsmuster wurde jetzt auch während der römischen Fremdherrschaft
verwendet265. M.E. ist die Kompetenzerwartung, die eine Kenntnis der »deuteronomisti-
schen« Bundestheologie voraussetzt, unrealistisch hoch 266.

259 Vgl. die Diskussion unterschiedlicher Positionen in BETZ, 145f und STANLEY, Curse,
482–486 (gefolgt von BONNEAU, Logic, 61f).
260 BECKER, 50; BRUCE, 159; BURTON , 164 (»unexpressed premise of the argument«); B.
BYRNE, »Sons of God« – »Seed of Abraham« (AnBib 83; Rom, 1979) 151f; ECKSTEIN,
Verheißung, 131f; FUNG, 142; HANSEN, Abraham, 117–120; H. HÜBNER, Gal 3,10 und die
Herkunft des Paulus, KuD 19 (1973) 215–231; LAMBRECHT, Curse, 282; LIETZMANN, 19
(»dieser notwendige Gedanke ist hier als selbstverständlich nicht ausgesprochen«);
LONGENECKER, 118; LUZ / (SMEND), Gesetz (Stuttgart, 1981) 94f; LUZ, Geschichtsverständ-
nis, 149f; MUSSNER, 224–226; OEPKE, 105; H. RÄISÄNEN, Paul and the Law (WUNT 29;
Tübingen, 21987) 94f; ROHDE, 141; SCHOEPS, Paulus, 183–185; SIEFFERT, 179.
261 Gegen die Betonung auf päsin hat SANDERS, Paul, the Law, 22f eine ausführliche
Argumentation aufgebaut, die trotz der hohen Auszeichnung durch das Urteil BOYARINS,
»impeccable« zu sein (Radical Jew, 138f), nicht wirklich überzeugend ist (vgl. CRANFORD,
Perfect Obedience, 246f).
262 In diesem Sinne teilt STANLEY , Curse, 482 diese Position auf in »jüdisch-rigoristisch«
und »christlich motiviert«. Die »rigoristische« Sicht hat HÜBNER, Gal 3,10, zum Anlass
genommen, Paulus der Schule Shammais zuzuweisen. Zur Kritik dazu s. E.P. SANDERS, Paul
and Palestinian Judaism (Philadelphia, 1977) 138, Anm. 61.
263 G. STANTON, The Law of Moses and the Law of Christ. Galatians 3:1–6:2, in: J.D.G.
Dunn (ed.), Paul and the Mosaic Law (WUNT 89; Tübingen, 1996) 110f bemerkt, dass diese
Deutung impliziere, dass in V. 11f ein neues Argument beginnt. Das scheint ihm eher un-
wahrscheinlich.
264 Vgl. M. NOTH, ›Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch‹, in:
Ders., Gesammelte Studien zum Alten Testament (TB 6; München, 1957) 155–171.
265 In diese Richtung deuten ECKSTEIN , Verheißung, 125–128; HONG, Misrepresent;
SCOTT, Many (v.a. von Dan 9 her) und WRIGHT, Climax, 137–156.
266 Vgl. zur weiteren Kritik RÄISÄNEN , Paul and the Law, 125–127.
144 III. Analyse paulinischer Texte

3. Das »Halten« der Gebote als Fluch: Paulus möchte betonen, dass diejenigen, die die
Torahanweisungen halten, unter dem Fluch stehen 267. Leitend ist der Gegensatz zwischen
»Tun« und »Glauben«268. Das Schwergewicht der Aussage liegt also auf poi¨jsai und zwar
unter der Voraussetzung, dass das Gesetz gehalten werden kann. Allerdings scheint Paulus
nicht das Halten des Gesetzes unter den Fluch stellen zu wollen, sondern das Nicht-Halten 269.
4. Der Anschluss ist nur terminologisch, nicht theologisch: Sanders hat sich dafür stark
gemacht, diesem umstrittenen Text in gewisser Weise die theologische Brisanz durch die
These zu nehmen, dass Paulus auf Dtn 27,26 nur deswegen zurückgreife, weil das der einzige
Text ist, in dem von »Gesetz« und »Fluch« die Rede ist270. Diese Begriffe braucht er, um
einen Gegensatz zur Segenssprache in 3,6–9 aufzubauen. Die je nach Deutung betonten
Begriffe päsin (Position 1) und poi¨jsai (Position 3) sind für Paulus unbedeutend. Diese
These halte ich für die schwächste, weil sie kaum zu erklären vermag, warum der »Fluch« in
3,13 als so bedeutend angesehen wird, dass er den Tod Jesu nötig macht271.

Im Hinblick auf die logische Analyse müssen drei Fragekomplexe sorgfältig


auseinander gehalten werden:
1. Gab es innerhalb der vielfältigen jüdischen Torahvorstellungen auch solche, die
angesichts der Verpflichtung, alle Gebote zu halten, von der faktischen Unerfüllbarkeit des
Gesetzes ausgegangen sind?272 Mit dieser Frage ist zugleich das Problem gestreift, wie

267 BONNARD, 67.149; LUZ, Geschichtsverständnis, 150 (unklar); PELSER, Opposition,


398f; SCHLIER, 132f.134f; ähnlich BRUCE, 160. Einen »Neuanstrich« hat diese Deutung durch
BOYARIN, Radical Jew, 139f erfahren: Er versteht toü poi¨jsai ahutá instrumental. Paulus
habe nach bewährten Midrash-Methoden (vgl. S. 301, Anm. 7) die Wendung so gedeutet,
dass sie den ganzen Satz modifiziere: »Everyone, who [precisely] by doing it does not uphold
to all that is written in the book of the Law, is under a curse.« (Hervorhebungen original) Der
Sinn wäre: Die Torah beinhaltet sehr viel mehr als nur »Tun«. Wer sie also darauf reduziert,
ist verflucht. In dieser interessanten Deutung werden die Meinungen von SCHLIER und DUNN
kreativ gekreuzt. Sie scheitert jedoch an der vorausgesetzten instrumentalen Deutung von toü
poi¨jsai ahutá, das in Wirklichkeit von gegramménoiß abhängig und final zu verstehen ist.
268 SCHLIER, 134: Die Menschen unter dem Gesetz sind verflucht, »[d]enn das Gesetz hat
es nicht mit dem Glauben, sondern mit der Tat zu tun.« Die Begründung dafür sieht SCHLIER,
135 in Röm 7,7–23.
269 So zu Recht MUSSNER, 224–26; STANLEY , Curse, 483; BONNEAU, Logic, 61.
270 SANDERS, Paul, the Law, 21–27.
271 STANLEY, Curse, 485f; zur weiteren Kritik vgl. I.–G. HONG, The Law in Galatians
(JSNT.S 81; Sheffield, 1993) 135–138.
272 Die Frage ist umstritten: Relativ positiv äußert sich M. LÖWY, Die paulinische Lehre
vom Gesetz, MGWJ 47 (1903) 417–422; LAMPE, Reticentia, 29 mit Anm. 5; dagegen BETZ,
145f; BOYARIN, Radical Jew, 138.299f, Anm. 1; CRANFORD, Perfect Obedience; DUNN, 171;
MOORE, Judaism, 3:150f; REINBOLD, Erfüllbarkeit«; SANDERS, Paul, the Law, 21–24. LUZ,
Gesetz, 99.153, Anm. 168 führt rabbinische Belege für maximalistische und minimalistische
Positionen auf, die es wohl erlauben immerhin von einer jüdischen »Randthese« zu sprechen.
Rigoristische Tendenzen sind auch in Qumran belegt: 1QS 5,8: Der Neueintretende »soll sich
durch einen bindenden Eid verpflichten, umzukehren zum Gesetz Moses gemäß allem, was er
befohlen hat.« (s.a. 1QS 8,22f) Als Eleazar den König Izates von Adiabene zur Beschneidung
bewegen will, fragt er: »Es ist nämlich nicht genug, das Gesetz zu lesen, du mußt vielmehr
auch alle seine Gebote befolgen. Wie lange willst du also noch ohne Beschneidung bleiben?«
(Josephus, Ant 20,45)
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 145

»erfolgreich« Paulus innerhalb einer jüdisch geprägten »Enzyklopädie« argumentieren


konnte273.
2. Ist Paulus an anderen Stellen nachzuweisen, dass er eine solche Sicht teilt oder setzt er
sogar deren Gegenteil an anderen Stellen voraus?274 Hier ist nicht mehr die Frage der
Übereinstimmung des Paulus mit anderen jüdischen Gesetzesvorstellungen berührt, sondern
die nach der Kohärenz seiner leitenden Überzeugungen.
3. Ist eine logische Stringenz von 3,10 herstellbar, ohne von der Prämisse der Unerfüll-
barkeit des Gesetzes auszugehen? Die logische Analyse hat sich vornehmlich um diese Frage
zu kümmern (s.u.).
11 “oti dè hen nóm^w ohudeìß Dass also durch (das) Gesetz niemand bei Gott
dikaioütai parà t¨^w qe¨^w d¨jlon, gerecht(gesprochen) wird, ist offensichtlich,
“oti H O díkaioß hek pístewß denn: Der Gerechte aus Glauben wird leben.
z´jsetai≥ [Hab 2,4].

Eine weitere Begründung folgt275, die den Gedankengang deutlich (d¨jlon)


machen soll276, indem sie positiv sagt, was V. 10 negativ formuliert. Damit
soll die Dichotomie zwischen Gesetz und Glaube weiterhin untermauert
werden. Dabei entspricht hen nóm^w deutlich hex ‘ergwn nómou (in 2,16;
3,2.5.10)277. Das Zitat aus Hab 2,4 (hier ohne formelle Einführungsformel, da
überflüssig) soll nun den »Beweis« bringen, obgleich diese Aussage bereits in
der propositio in 2,16 aufgestellt worden ist278.

273 Die Aussicht auf argumentativen Misserfolg innerhalb eines jüdischen Kontextes
sollte kein Argument dagegen sein, dass Paulus eine solche Vorstellung habe voraussetzen
können. Entweder war für ihn diese Einsicht ganz selbstverständlich oder er wollte sie wegen
ihres Störpotentials verschleiern. Anders DUNN, Works, 234; CRANFORD, Perfect Obedience,
243, die beide gegen diese Meinung mit dem Argument zu Felde ziehen, dass Paulus dadurch
riskiere, nicht besonders überzeugend zu sein.
274 Auch diese Frage ist nicht einheitlich zu beantworten: Gal 3,10 und 5,3 (»Ich bezeuge
aber noch einmal jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu
tun schuldig ist« [“oti ho feilétjß hestìn “olon tòn nómon poi¨jsai]) scheinen dies
nahezulegen. Auf der anderen Seite steht Röm 2,13f und v.a. die Selbstaussage des Paulus in
Phil 3,6: »der Gerechtigkeit nach, die im Gesetz ist, untadelig geworden« (katà dikai-
osúnjn t`jn hen nóm^w genómenoß ‘amemptoß). Seit dem Aufsatz von K. STENDAHL, The
Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West, in: Ders., Paul among Jews and
Gentiles (Philadelphia, 1976) 78–96 ist von dem »robusten Gewissen« des Paulus die Rede.
Vgl. aber zur Kritik dazu J.M. ESPY, Paul’s ›Robust Conscience‹ Re-examined, NTS 31
(1985) 161–188.
275 BETZ, 146: »The dé introduces a matter in addition to a previous one (›furthermore‹),
so that v 11 is more than simply a ›parallel‹ to v 10.«
276 Die Wendung d¨jlon “oti erscheint im Zusammenhang der Schriftargumentation auch
in 1Kor 15,27; 1Tim 6,7 (v.l.); Ign., Eph. 6,1. Das erste “o ti ist deklarativ und von d¨jlon
abhängig, das zweite ist kausal (H. HANSE, DJLON [zu Gal 3,11], ZNW 34 [1935] 299–303).
277 Es gibt daher (gegen MUSSNER, 228) hier keinen Wechsel vom mosaischen Gesetz zu
einem universalen abstrakten Gesetz. BETZ, 146, Anm. 77: »For the Jew, this distinction is of
course artificial; for Paul the ›universal‹ would be the ›will of God‹ itself which is identical
with salvation as a whole (cf. 1:4; 5:14) and different from the Jewish Torah.«
278 Der Text erscheint in Röm 1,17 an zentraler Stelle und auch in Hebr 10,38.
146 III. Analyse paulinischer Texte

Zur jüdischen Auslegungsgeschichte279: a) Die Tradition der LXX schwankt in der Position
des Possessivpronomens mou. Die Bedeutung wäre entweder »Mein Gerechter aber wird
aufgrund von Vertrauen/Treue leben« (in MT klarer: »aufgrund seiner Treue«) oder »Der
Gerechte aber wird aufgrund meiner [= Gottes] Treue leben.« b) 1QpHab 8,1–3: »Seine
Deutung (geht) auf alle die Täter der Torah (hrwth yçw[ lwk) im Haus Judah, welche Gott
erretten wird aus dem Haus des Gerichts wegen ihres Bemühens und (wegen) ihrer Treue
zum Anweiser der Gerechtigkeit.« (übers. Maier, I, 161)

Paulus nimmt in diesem Text den Zusammenhang zwischen »gerecht« und


»Glaube« als Begründung seiner Position wahr, wobei er »Glaube« als
»Glaube an Jesus« deutet und das Leben als eschatologisches Heil auffasst280.
Er führt zugleich den Argumentationsgang von V. 10 fort: »if the ›men of the
Law‹ are under the curse, it is obvious that by that Law no one can be
justified before God.«281
12 Ho dè nómoß ohuk ‘estin hek Das Gesetz (aber) ist nicht aus Glauben, sondern
pístewß, hallh H O poi´jsaß ahutà Wer diese [Gebote] tut, wird durch sie (in ihnen)
z´jsetai hen ahu toïß. leben [Lev 18,5].

Wieder wird der Kontrast zwischen beiden Aussagen deutlich282. Der


Gegensatz zwischen Gesetz und Glaube ist für Paulus absolut283. Genau
diesen Gegensatz will er aus Lev 18,5 herauslesen284. Mit diesem Schriftwort
versucht er eine erste Begründung zu liefern285. Die Opposition Gesetz-
Glaube gründet auf dem Unterschied zwischen »glauben« und »diese tun«286.
Das Gesetz ist geprägt vom Handeln nicht vom Glauben287. Der Wechsel vom
Singular nómoß zum Plural ahutá macht deutlich, dass Paulus beim Gesetz an
die vielen Gebote denkt (päsin toïß gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü
nómou toü poi¨jsai).

279 Vgl.LAMPE, Reticentia, 31, Anm. 10; KERTELGE, Rechtfertigung, 89–95.


280 HAYS, Faith, 132–141 schlägt eine alternative Lektüre vor: Jesus sei der díkaioß von
Hab 2,4, der durch sein Vertrauen lebt.
281 BETZ, 146.
282 V. 11 steht antithetisch zu V. 10 und V. 12 steht antithetisch zu V. 11. BETZ, 147,
Anm. 147 sieht allerdings nicht die Kontraste: »dé stands juxtaposed to “oti dé v 11a and can
therefore be translated as ›also‹.«
283 Gegen gängige jüdische Sichtweisen, die Gesetz und Treue/Vertrauen keineswegs
trennen.
284 Er zitiert wörtlich, lässt lediglich ‘a nqrwpoß aus; ebenso zitiert er in Röm 10,5.
285 Eine ausführlichere Begründung folgt in 3,19–25.
286 Ich denke, dass von der Kontextsynonymität her poiéw ah utá als verbale Umschrei-
bung der ‘erga nómou angesehen werden muss.
287 Röm 2,13: »Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz hören, sondern die das
Gesetz tun, werden gerecht sein.« Röm 10,5f: »Mose nämlich schreibt von der Gerechtigkeit,
die aus dem Gesetz kommt: ›Der Mensch, der das tut, wird dadurch leben.‹ [Lev 18,5] Aber
die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht so: ›Sprich nicht in deinem Herzen: Wer will
hinauf gen Himmel fahren?‹ [Dtn 30,12] nämlich um Christus herabzuholen.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 147

c) Die »Lösung« des Kerygmas (3,13f)288


13 Cristòß Hjmäß hexjgórasen hek Christus hat uns freigekauft aus
t¨jß katáraß toü nómou dem Fluch des Gesetzes,
genómenoß Hupèr Hjm¨wn katára, indem er für uns Fluch geworden ist,
“oti gégraptai, denn es steht geschrieben:
h Epikatáratoß päß Verflucht jeder, der am Holze hängt
Ho kremámenoß hepì xúlou [Dtn 21,23].
Durch asyndetischen Anschluss hervorgehoben, bezieht sich V, 13 auf die
Heilstat Jesu in Bildern der damaligen Handelssprache (hexagorázw = los-,
freikaufen)289. Der Ausdruck »Fluch des Gesetzes« erscheint nur hier bei
Paulus und weist zurück auf das Dtn-Zitat in 3,10. Die knappe und symbol-
hafte Sprache mutet traditionell an290. Der Gebrauch der ersten Person Plural
ist durchaus bedeutsam, da Paulus damit im Gal oftmals, sich selbst ein-
schließend, die Judenchristen meint (2,15; 3,23–26; 4,5). Davon ist auch hier
auszugehen291.
In Dtn 21,22f geht es rechtlich um die öffentliche Pfählung eines Übeltä-
ters nach seiner legalen Hinrichtung292. Jüdische Auslegungen wenden diesen
Text aber durchaus auch auf die Praxis der Kreuzigung an293.
11QTemp (11Q19) 64,6–13: »Wenn (7) ein Mann Nachrichten über sein Volk weitergibt
[vgl. Lev 19,16] und er verrät sein Volk an ein fremdes Volk und fügt seinem Volk Böses zu,
(8) dann sollt ihr ihn ans Holz hängen, so daß er stirbt. Auf Grund von zwei Zeugen und auf
Grund von drei Zeugen (9) soll er getötet werden, und (zwar) hängt man ihn ans Holz. [vac]
Wenn ein Mann ein Kapitalverbrechen begangen hat [vgl. Dtn 21,22] und er flieht zu (10)
den Völkern und verflucht sein Volk, die Israeliten, dann sollt ihr ihn ebenfalls an das Holz
hängen, (11) so daß er stirbt. Aber es bleibe ihr Leichnam nicht am Holz über Nacht hängen,
begrabe sie vielmehr bestimmt noch am selben Tag, denn (12) <von Verfluchenden>

288 Vgl. zur Auslegungs- und Forschungsgeschichte D. BRONDOS, The Cross and the
Curse: Galatians 3.13 and Paul’s Doctrine of Redemption, JSNT 81 (2001) 3–32.
289 Vgl. K. BERGER, Abraham in den paulinischen Hauptbriefen, MThZ 17 (1966) 52.
290 Viele (u.a. LONGENECKER, 121f; BETZ, 149–51) sehen hier eine vorpaulinische jü-
disch-christliche Bekenntnisformel. N.A. DAHL, The Atonement – An Adequate Reward for
the Akedah?, in: Ders., The Crucified Messiah (Minneapolis, 1974) 153–155 vermutet, dass
es sich in Gal 3,13f sogar um einen judenchristlichen Midrasch zur Aqeda Isaaks handelt
(vgl. seine Studies in Paul [Minneapolis, 1977] 34; M. WILCOX, Upon the Tree: Deuterono-
my 21:22–23 in the New Testament (Gal 3:13; Acts 5:30, 10:39, 13:28–30), JBL 96 [1977]
99). Der ungewöhnliche Ausdruck »Fluch des Gesetzes« ist jedoch hier unpassend. Er ist zu
sehr vernetzt mit der gegenwärtigen Diskussion und dem Schriftzitat.
291 Ausführliche Begründung in DONALDSON, Curse, 95–99, gefolgt von HONG, Mis-
represent, 178.
292 Vgl. zur Praxis Num 25,4; Jos 10,26f; 2Sam 21,6–9.
293 J.A. FITZMYER, Crucifixion in Ancient Palestine, Qumran Literature, and the New
Testament, CBQ 40 (1978) 498–507.510–512; D. SÄNGER, ›Verflucht ist jeder, der am Holze
hängt‹ (Gal. 3,13b): Zur Rezeption einer frühen antichristlichen Polemik, ZNW 85 (1994)
279–285.
148 III. Analyse paulinischer Texte

(/Verfluchten) Gottes und der Menschen ist ein ans Holz gehängter, und du sollst das Land
nicht verunreinigen, das ich (13) dir zum Erbbesitz gebe [Dtn 21,23].« (Maier, I, 425) 294

Die Kreuzesbotschaft war für jüdische Hörer ein Skandal (1Kor 1,23; Gal
5,11) und stellte damit die frühen judenchristlichen Missionare vor die
besondere Herausforderung, den Messiasanspruch Jesu mit der Tatsache
seiner Kreuzigung in Übereinstimmung zu bringen. Eine Form diese Heraus-
forderung zu »lösen« stellt der Rückgriff auf die Vorstellung des »Austau-
sches« dar: Jesus wurde »für uns« zum Fluch295.
14 “ina e˙ß tà ‘eqnj Hj ehulogía toü damit zu den Nichtjuden der Segen
h Abraàm génjtai hen Crist¨^w Abrahams hingelange in/durch Christus Jesus,
h Ijsoü, “ina t´j n hepaggelían toü damit wir durch den Glauben die Verheißung des
pneúmatoß lábwmen dià t¨jß Geistes (= den verheißenen Geist) empfangen
pístewß. mögen.

Die beiden koordinierten finalen “ina-Sätze bringen diesen Argumentations-


gang zu Ende. Dabei knüpft die Abrahamsthematik an 6–13 und der Hinweis
auf das Pneuma an 1–5 an296. Der Einschluss der Nichtjuden in den
Abrahamssegen wird erst in Christus vollendet. Das ist eines der wichtigsten
Argumentationsanliegen dieses Abschnittes. Mit anderen Worten: Erst in
Christus sind die Nichtjuden »in Abraham«. Die Verheißungsthematik leitet
bereits zum nächsten Gedankenabschnitt in 3,15ff über und verbindet die
Abrahamsverheißung (»das Land erben«) mit dem Geistempfang.

3. Logische Analyse
Dass der anfängliche Abschnitt 3,1–5 aufgrund der Häufung rhetorischer
Fragen einer logischen Analyse praktisch unzugänglich ist, liegt auf der Hand.
Der gewählte Abschnitt 3,6–14 ist hingegen von seiner Aussagestruktur her
logisch befragbar. Ob sich der Abschnitt besser für eine aussagen- oder für
eine termlogische Analyse eignet, lässt sich dem Text selbst nicht entnehmen.
Die Argumentation arbeitet jedoch mit vielen ungenannten Prämissen, die mit
den Mitteln des Aristoteles explizit gemacht werden können. Im Folgenden
soll daher einer term- oder prädikatenlogischen Formalisierung der Vorzug
gegeben werden.

a) Formalisierung
3,6–7: Der Bezug der Terme »Abraham«, »glauben«, »Gott« und »Gerecht-
sprechen« zueinander ist auf den ersten Blick ebenso wenig klar wie die
logische Bedeutung der Konjunktion kaí im Schriftzitat. Aus dem Wortlaut

294 Vgl.
weiterhin 4QpNah 3–4 I 6–8.
295 2Kor
5,21: »Den, der Sünde nicht kannte, hat er für uns zur Sünde gemacht, damit wir
Gottes Gerechtigkeit würden in ihm.«
296 LONGENECKER, 124.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 149

von Gen 15,6 (hepísteusen t¨^w qe¨^w kaì helogísqj ahut¨^w e˙ß dikaiosúnjn)
lassen sich grundsätzlich unterschiedliche formale Verknüpfungen bilden:
1. Zwei Sätze mit kausaler Verknüpfung: Die Sätze »Abraham vertraute
Gott«, und »es wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet«, wären kausal im
Sinne einer Prämisse und einer Konklusion in Beziehung zueinander zu
setzen. Der Sinn wäre: »Weil Abraham Gott vertraute, wurde es ihm (von
Gott) als Gerechtigkeit angerechnet.« Die implizite obere Prämisse müsste für
einen vollständigen Syllogismus der Form Barbara lauten:
PaD Alle Glaubenden sind von Gott Gerechtgesprochene. (impliz.)
AaP Abraham war ein Glaubender. (3,6a)
AaD Abraham war ein von Gott Gerechtgesprochener. (3,6b)
Diese große Prämisse könnte zwar vorausgesetzt werden, da sie in 2,16
kategorisch affirmiert und als bekannt vorausgesetzt worden ist297, aber einige
Gründe sprechen gegen diese Formalisierung:
a) Schriftzitate sind in der Regel Argumentationsbasis und nicht -ziel. Als unumstrittene,
autoritative Aussagen müssen Schriftworte nicht eigens begründet werden, sie können
vielmehr logisch als Endoxa (s.o. S. 48) oder als Axiome fungieren. In Schriftzitaten ist daher
nach Prämissen und nicht nach Konklusionen zu suchen.
b) Überhaupt wäre angesichts der »Stasis« des Briefes (Welches ist die Rolle der
Nichtjuden im Evangelium?) zu fragen, welche Bedeutung die unumstrittene Konklusion,
dass Abrahams pístiß von Gott als Gerechtigkeit angerechnet wurde, im Rahmen der
gegenwärtigen Argumentation haben könnte. In 2,16 gibt Paulus zwar den Kernsatz als etwas
Bekanntes aus, aber er formuliert aus der Perspektive des Judenchristentums298. Gerade für
diesen Satz muss er in der probatio den Nachweis erbringen! Wenn aber das Ziel dieses
Abschnittes darin besteht, zu zeigen, dass die Gerechtsprechung aufgrund des Glaubens
kommt, dann wäre hier der Argumentationsfehler der petitio principii begangen, d.h. die zu
beweisende Aussage würde stillschweigend als Prämisse vorausgesetzt.
2. Zwei Prämissen eines Schlusses: Die beiden Sätze »Abraham ist ein
Glaubender«, (AaP) und »Abraham ist ein von Gott Gerechtgesprochener«,
(AaD) haben den gemeinsamen Mittelterm (»Abraham«) je in Subjektstellung
(also dritte Figur) und werden im rhetorischen Syllogismus wie affirmativ-
allgemeine Sätze (a-Sätze) eingestuft. Als gültiger Schluss ließe sich daraus
nur ein i-Satz (affirmativ-partikulär) bilden (der sog. »Darapti«-Schluss):
AaP Abraham ist ein Glaubender. (3,6a.)
AaD Abraham ist ein von Gott Gerechtgesprochener. (3,6b)
DiP Einige von Gott Gerechtgesprochene sind Glaubende.

297 e˙dóteß “oti ohu dikaioütai ‘anqrwpoß hex ‘ergwn nómou heàn m`j dià pístewß
h Ijsoü Cristoü.
298 Im Vorfeld ist von den Hjmeïß fúsei h Ioudaïoi kaì ohuk h ex h eqn¨ wn Hamartwloí die
Rede (2,15). Das kaì Hjmeïß in 2,16b ist in diesem Zusammenhang zu verstehen.
150 III. Analyse paulinischer Texte

Mit einem solchen Partikulärsatz kann die probatio kaum von der Stelle
kommen!299 Der generelle Schluss, auf den Paulus hinaus will (»Alle
Glaubenden sind von Gott Gerechtgesprochene«), wäre in diesem Fall nicht
nur Folgerung aus einem exemplum, sondern aus zwei. Es ist daher ratsamer,
das exemplum als eine Prämisse zu fassen.
3. Eine Prämisse: Die beiden Teilsätze machen in Wirklichkeit eine
Aussage: »Der (glaubende) Abraham ist ein Von-Gott-Gerechtfertigter.« (=
AaD) Das exemplum Abrahams macht in der Argumentation auf einen Aspekt
aufmerksam. Von daher können Glaube und Anrechnung zur Gerechtigkeit
nicht auseinandergerissen werden. Die Aussage, dass Abraham glaubte, ist
ehedem redundant, weil er geradezu als Typus des Glaubenden galt. Paulus
benutzt das exemplum nicht im historischen Sinne, sondern als theologische
Kategorie. Die Wendung Ho pistòß h Abraám in 9b zeigt, dass das Vertrauen
zu Abraham gehört wie Weisheit zu Salomo oder Gewaltlosigkeit zu Gandhi.
Aus dem Schriftzitat in 3,6 ist also nur eine Prämisse zu gewinnen.
Die Formalisierung von V. 7 ist mit weniger Schwierigkeiten behaftet, da
es sich um einen einfachen Aussagesatz handelt: »Die ›Glaubensmenschen‹
sind Kinder Abrahams«. Um aber die Verknüpfung zwischen den Sätzen zu
ermöglichen, ist zu fragen, wie »Abraham« und »Kinder Abrahams« zueinan-
der in Beziehung stehen. Mit der Aussage in V. 7 wird nämlich die logische
Funktion »Abrahams« deutlich: Es handelt sich nicht einfach um ein Indivi-
dualsubjekt, gleichsam um eine Untermenge aller »Glaubenden«300, sondern
umgekehrt: Abraham ist die personifizierte Kategorie des Glaubens, das
»Genus« aller Glaubenden. Die Glaubenden sind »Kinder«, weil sie Abraham
zugehörig sind (wie etwa die »Landeskinder«) und an seiner Geschichte
teilnehmen. Der Satz »Abraham ist ein Glaubender« ließe sich demnach (in
unelegantem deutsch) umkehren in: »Alle Glaubenden sind Abraham« oder
»Alle Glaubenden sind in Abraham enthalten«. Wenn »Abraham« als eine Art
»corporate personality« für alle Glaubenden gelesen werden kann301, dann
umschreibt der Begriff »Abraham« die Menge aller glaubenden Individuen.
Daher sind die Begriffe »Abraham« und »Kinder Abrahams« für die logische
Analyse als identische Terme aufzufassen:
(1) Der glaubende Abraham ist ein von Gott Gerechtfertigter. (3,6) AaD
(2) Die Glaubensmenschen sind (Kinder) Abraham(s). (3,7) PaA
3,8–9: Zwei Schwierigkeiten stellen sich der Formalisierung: Zunächst,
Paulus formuliert nicht passiv, sondern aktiv. Für die Wahl der Aussagekon-
stanten und ihrer Stellung im Satz ist dies jedoch folgenreich. Die Sätze »Gott

299 Überhaupt ist es auffällig, wie stark Partikulärsätze in der Rede des Paulus in den
Hintergrund treten.
300 Daher schließt der Text auch nicht induktiv von Abraham auf alle Menschen; gegen
MORLAND, Curse, 197 (»inductive proof« in 3,7).
301 Ähnlich MUSSNER, 222.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 151

rechtfertigt Abraham«, und »Abraham ist ein Gerechtfertigter«, sind zwar


inhaltlich identisch (im Sinne eines identischen Referenzbereiches), aber sie
wären unterschiedlich zu formalisieren, da sie andere Terme enthalten
und/oder die Terme unterschiedlich angeordnet sind. Um die Struktur der
vorherigen Sätze beizubehalten, ziehe ich es hier vor (vgl. jedoch o. S. 92),
weiterhin die passive Formulierung zu formalisieren. Das zweite Problem
stellt sich in V. 8b auf der Ebene der semantischen Verschiebung. Die
bisherige Terminologie, die mit den Begriffen »Glaube/Vertrauen«, »Recht-
fertigen« und »Abraham« operierte, wird nun in das semantische Feld des
»Segens« überführt. Um die Argumentation so führen zu können, sind die
Verben »rechtfertigen« und »segnen« als kontextsynonym zu behandeln302.
(3) Die (glaubenden) Nichtjuden sind von Gott Gerechtfertigte. (3,8a) HaD
(4) Die Nichtjuden (in Abraham) sind von Gott Gesegnete. (3,8b)303 HaS

In V. 9 stellt sich im Hinblick auf das Auffinden eines logisch verwertbaren


Prädikatsterms die Frage nach der verantwortbaren Reduktion. Da der Text
sprachlich zur Segensterminologie wechselt und zudem aus dem Kontext
deutlich wird, dass es sich beim Segen immer um den Segen Abrahams
handelt und dass Abraham immer als glaubend zu gelten hat, werden die
Terme Glauben und Segen ins Zentrum gerückt.
Besonders schwer für die Formalisierung des klassischen Syllogismus sind Relationsbegriffe
wie uÓoì h Abraám (7), hen soi (8), sùn h Abraám (9). Im gegenwärtigen Zusammenhang
werden die drei Wendungen wohl im identischen Sinne gebraucht. V. 8f knüpft demnach an
die Aussage von V. 7 an und zieht daraus als Schluss:

(5) Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit Abraham. (3,9) PaS

3,10: Aus diesem Vers lassen sich einfach zwei formalisierbare Aussagesätze
gewinnen304:
(6) Die Nomosmenschen sind unter einem Fluch. (3,10a) NaK
(7) Jeder, der nicht alle Gebote erfüllt, ist ein Verfluchter. (3,10b) OaK

302 Wahrscheinlich ist »segnen« als der umfassendere Begriff aufzufassen; d.h. es gäbe
Formen göttlichen Segens, die nicht als Akt göttlicher Rechtfertigung zu deuten sind. Im
vorliegenden Kontext ist aber der Segen Abrahams identisch mit der Rechtfertigung der
»Heiden«christen. Diese Entscheidung ist für die logische Analyse völlig unproblematisch,
auch wenn sie theologisch nicht ohne weiteres evident erscheint.
303 BETZ, 143 beobachtet richtig, dass pánta tà ‘eqnj aus V. 8 hier offenbar die Nicht-
juden meint, die wie Abraham geglaubt haben. Es sind also nicht »alle« Nichtjuden im Blick.
Paulus argumentiert aber ohne weitere Differenzierungen bezüglich der Nichtjuden, die nicht
Christen sind. Geht Paulus noch von der optimistischen Vorstellung, alle Nichtjuden zu
erreichen, aus (Röm 11,25)? Oder argumentiert er ohne weiteres Überlegen kategorisch und
allgemein?
304 Unrichtig ist die Behauptung, V. 10 sei »a sentence that is, by the simple canons of
logic, incoherent« (MARTYN, 309).
152 III. Analyse paulinischer Texte

3,11–12: Wieder ist das erste Schriftzitat als Prämisse zu lesen. Dabei muss
die unterschiedliche Sprache zwischen Zitat und paulinischer Konklusion
vereinheitlicht werden. Der Gerechte ist identisch mit dem von Gott Gerecht-
gesprochenen und die Wendung, dass er aus Glauben leben wird, bedeutet,
dass er ein »Glaubensmensch« (einer der oÓ hek pístewß) ist.
Die Formalisierung der beiden Sätze in V. 12 ist deswegen schwer, weil
ein Mittelterm kaum auffindbar ist. Auch der Wechsel von eher personalen
Begriffen wie »die aus Glauben« (9) und »die aus Gesetzeswerken« (10) zu
den Abstrakta »Gesetz« und »Glauben« bereitet Mühe. Die logische Untersu-
chung erfordert an dieser Stelle eine relativ großzügige Handhabe ähnlicher
semantischer Felder. Die Aussage, »das Gesetz ist nicht aus Glauben«, kann
auf einer Ebene gelesen werden wie »Kein Nomosmensch ist ein Glaubens-
mensch« (NeP). Schließlich ist das Zitat aus Lev 18,5 aristotelisch kaum
formalisierbar. Je nachdem, ob poi´jsaß oder z´jsetai ins Zentrum gerückt
wird, ergeben sich zwei unterschiedliche Sätze.
(8) Kein Gesetzesmensch ist ein von Gott Gerechtfertigter. (3,11a) NeD
(9) Der Gerecht(fertigt)e ist ein aus Glauben Lebender. (3,11b) DaP
(10) Kein Nomos(mensch) ist ein Glaubens(mensch). (3,12a) NeP
(11a) Der Nomosmensch ist ein Tatmensch. (3,12b) NaT
(11b) Der Tatmensch ist ein Lebender. (3,12b) TaZ

3,13–14: Die folgenden Sätze lassen sich formalisieren:


(12) Christus ist Befreier (aus Nomos-Fluch). (3,13a) CaE
(13) Christus ist (stellvertretender) Fluch. (3,13b) CaK
(14) Gekreuzigter ist Verfluchter. (3,13c) XaK
(15) Die Nichtjuden sind Gesegnete. (3,14a) HaS
(16) Die Glaubenden sind Empfänger des verheißenen Geistes. (3,14b) PaG

Zusammenfassend:
1. Aussagekonstanten:
A h Abraám (6), uÓoí h Abraám (7)
C Cristóß (13)
D logízomai ahut¨^w e˙ß dikaiosúnjn (6), dikaiów (8.11a), Ho díkaioß (11b)
E hexagorázw (13a)
G t´jn hepaggelían toü pneúmatoß (14b)
H tà ‘eqnj (8.14)
K Hupò katáran (10a), hepikatáratoß (10b.13), katára toü nómou (13)
N (oÓ) hex ‘ergwn nómou (10), hen nóm^w (11), Ho nómoß (12)
O “oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü nómou toü
poi¨jsai ahutá (10b)
P pisteúw (6), oÓ hek pístewß (7.9), hek pístewß (11.12), dià t¨jß pístewß (14b)
S (hen)eulogéw (8.9), Hj ehulogía toü h Abraám (14)
T Ho poi´jsaß (12)
X Ho kremámenoß hepì xúlou (13)
Z z´jsetai (12)
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 153

2. Aussagen:
Nr. Vers Form Satz
(1) 3,6 AaD Der glaubende Abraham ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(2) 3,7 PaA Die Glaubensmenschen sind (Kinder) Abraham(s).
(3) 3,8a HaD Die (glaubenden) Nichtjuden sind von Gott Gerechtfertigte.
(4) 3,8b HaS Die Nichtjuden (in Abraham) sind von Gott Gesegnete.
(5) 3,9 PaS Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit Abraham.
(6) 3,10a NaK Die Nomosmenschen sind unter einem Fluch.
(7) 3,10b OaK Jeder, der nicht alle Gebote erfüllt, ist ein Verfluchter.
(8) 3,11a NeD Kein Gesetzesmensch ist ein von Gott Gerechtfertigter.
(9) 3,11b DaP Der Gerecht(fertigt)e ist ein aus Glauben Lebender.
(10) 3,12a NeP Kein Nomos(mensch) ist ein Glaubensmensch.
(11a) 3,12b NaT Der Nomosmensch ist ein Tatmensch.
(11b) 3,12b TaZ Der Tatmensch ist ein Lebender. (3,12b)
(12) 3,13a CaE Christus ist Befreier aus Nomos-Fluch.
(13) 3,13b CaK Christus ist (stellvertretender) Fluch.
(14) 3,13c XaK Ein Gekreuzigter ist Verfluchter.
(15) 3,14a HaS Die Nichtjuden nehmen in Christus Jesus am Abrahamssegen teil.
(16) 3,14b PaG Die Glaubenden sind Empfänger des verheißenen Geistes.

b) Analyse logischer Gültigkeit


3,6–7: Aus der einen Prämisse in V. 6 kann nichts geschlossen werden. Dies
wird erst durch die Zusatzinformation (gin´wskete ‘ara) in V. 7 möglich. Aus
diesen beiden Sätzen (AaD, PaA) lässt sich folgern: »Alle Glaubensmenschen
sind von Gott Gerechtfertigte.« (PaD) Doch kann die hier vertretene Hypothe-
se rasch durch den Hinweis falsifiziert werden, dass die Partikel ‘ara in V. 7
im gewöhnlichen Sinne eine Folgerung einleitet305. Dann wäre das logische
Verhältnis der beiden Verse zueinander kaum als das zweier Prämissen
aufzufassen. In diesem Fall aber müsste es möglich sein, aus den Propositio-
nen in V. 6 Prämissen zu bilden, die auf V. 7 schließen lassen. Etwa:
Abraham glaubte an Gott. (3,6a)
Gott rechnete es ihm als Gerechtigkeit an. (3,6b)
Alle Glaubenden sind Kinder Abrahams. (3,7)

Ein Syllogismus, der diesen Schluss in der ersten Figur hervorbringt, müsste
jedoch auf Prämissen rekurrieren, die nicht explizit vorkommen:
Alle Gerechtfertigten sind Kinder Abrahams.
Alle Glaubenden sind Gerechtfertigte.
Alle Glaubenden sind Kinder Abrahams. (3,7)

305 Die
Folgerungspartikel ‘ara ist der Häufigkeit nach im NT am stärksten als »marker
of result« (Louw / Nida 89.46) belegt (Röm 8,1; Mt 12,28; 18,1 [hier vielleicht auch der
lebhaften Rede wegen]). Vgl. zu ‘ara in syllogistischer Verwendung KÜHNER / G ERTH,
Grammatik, II/2, 322. Die Partikel kann aber auch rhetorisch zur Hervorhebung benutzt
werden (vgl. Bauer / Aland, 208f; DENNISTON, Greek Particles, 44–46).
154 III. Analyse paulinischer Texte

Hansen versteht die Beziehung zwischen V. 6 und V. 7 im Sinne eines


rhetorisch verkürzten Enthymems306:
Der glaubende Abraham wurde von Gott gerechtfertigt. (3,6)
So wie Gott mit Abraham umging, geht er mit allen Menschen um. (impliz.)
Alle Glaubenden sind Kinder Abrahams. (3,7)
Auch wenn die implizite Prämisse theologisch sinnvoll erscheint, handelt es
sich jedoch im streng logischen Sinne keineswegs um eine Brücke, die von
3,6 zu 3,7 zu führen vermag, weil der Mittelterm fehlt. Es ist daher logisch
unmöglich, V. 7 als Konklusion von V. 6 zu verstehen307. Entscheidet man
sich also für die häufigere Verwendung von ‘ara, dann bricht die argumenta-
tive Logik dieses Abschnitts bereits nach zwei Sätzen zusammen. Wenn aber
die seltenere, aber durchaus mögliche Verwendung von ‘ara als Mittel der
rhetorischen Hervorhebung (»wisset nämlich…«) ins Auge gefasst wird308,
dann lässt sich syllogistisch ein logischer Argumentationsgang nachzeich-
nen309:
AaD (1) Der glaubende Abraham war Gerechtgeprochener von Gott. (3,6)
PaA (2) Alle Glaubenden sind (Kinder) Abraham(s). (3,7)
PaD (1&2) Abraham war ein von Gott Gerechtgesprochener. (3,6b)
Mengentheoretisch lässt sich der Schluss wie folgt darstellen:

P A D

Graphik 1

306 HANSEN, Abraham, 112; ebenso PELSER, Opposition, 397.


307 J.B. CHANCE, The Seed of Abraham and the People of God: A Study of Two Pauls,
SBL.SP 32 (1993) 385f wendet sich zu Recht gegen diesen Syllogismus, jedoch ohne
genauere logische Analyse. Für ihn ist V. 7 nur »seemingly logical« (385). Demgegenüber
gebraucht LONGENECKER, 114 das Attribut »logisch« etwas vorschnell: »The particle ‘ara
(›then‹) marks this statement of v 7 as the logical consequence of the quotation of v 6.«
308 Auch in 1Kor 15,15 führt ‘ ara eine Prämisse ein: »Wir werden aber auch als falsche
Zeugen Gottes erfunden, weil wir gegen Gott bezeugt haben, daß er Christus auferweckt
habe, den er nicht auferweckt hat, wenn wirklich (‘ara) Tote nicht auferweckt werden.«
309 Hinter der Beziehung von V. 6 und 7 verbirgt sich eine sachliche Analogie. Die
Glaubenden sind Kinder Abrahams, »weil sie ihm ähnlich sind« (REINBOLD, Erfüllbarkeit,
95). BAUER, Logica, 293 verwickelt sich auf der Suche nach geeigneten »Tropen« in recht
umständliche Erklärungen: Das Verhältnis sei über die imitatio (filii enim imitantur patres)
und über die Antecedens-Consequens-Regel (ut simile antecedens, fidei, habeat etiam simili
consequens beneficii obtinendi) zu bestimmen. Es handele sich demnach um ein duplex
argumentum e similitudine. Wenn die Funktion des »Beispiels« im Enthymem ernst
genommen wird, dann ist jedoch die komplizierte Bestimmung von BAUER nicht notwendig.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 155

Dieses Schaubild macht zugleich auf einige offene Fragen aufmerksam: Mit dem »Barbara-
Schluss« ist zwar gezeigt, dass alle Glaubenden, da sie ja »in« Abraham sind, wie dieser von
Gott gerechtfertigt werden. Es ist aber (noch) nicht gezeigt, dass es nicht auch andere
Möglichkeiten der Rechtfertigung geben könnte. Graphisch gefragt: Wie umfassend sind die
Ober- und Untermengen? Gibt es neben den Glaubenden noch andere, die Kinder Abrahams
sind (z.B. die Juden, die Beschnittenen)? Gibt es neben den »Abrahamskindern« noch andere,
die von Gott gerecht gesprochen werden? In der Auseinandersetzung, die Paulus im
Galaterbrief mit missionierenden Judaisten führt, ist v.a. die Frage wichtig, ob diejenigen, die
sich an die »Werke des Gesetzes« halten, in irgendeinem »Kreis« noch eine Rolle spielen
oder ob sie abseits der Gerechtigkeit stehen.

Fazit: Gal 3,6–7 ist nicht als rhetorisch verkürztes Enthymem zu lesen.
Vielmehr nennt das Schriftzitat in 3,6 die große Prämisse und die nachge-
schobene Erklärung in 3,7 die kleine Prämisse. Der logische Schluss wird
nicht explizit gezogen.
3,8–9: V. 8 formuliert einen Satz, der sich aus der unausgesprochenen
Konklusion von V. 6f als Folgerung ableiten lässt:
PaD (1&2) Glaubensmenschen sind von Gott Gerechtfertigte. (Konkl. aus V. 6f)
HaP »Heiden«christen sind Glaubensmenschen. (Implikat aus 3,2310)
HaD (3) »Heiden«christen sind von Gott Gerechtfertigte. (3,8a)

Diesen Gedankenschritt braucht der Text nicht explizit zu machen, weil sich
aus V. 6f mit Sicherheit die große Prämisse ergibt, und mit ebensolcher
Sicherheit trifft aufgrund der Situation des Lesenden die kleine Prämisse zu.
Der Übergang zur Aussage in Satz 3 ist also zulässig und ist im weiteren
Sinne als Konklusion von 6f aufzufassen311.

H P A D

Graphik 2
V. 8f sucht aber eine weitere Stütze für die Aussage HaD zu bieten312.
Inhaltlich möchte Paulus mit der Schrift den Erweis bringen, dass die

310 Paulus fragt rhetorisch: »Habt ihr aus Werken des Gesetzes den Heiligen Geist emp-
fangen oder aus dem Glaubensgehorsam (hex hako¨jß pístewß)?«
311 Um von dem Gen-Zitat in 3,6 auf die Aussage in 3,8 zu kommen, müssen die folgen-
den semantischen Entsprechungen angenommen werden: pisteúw (AT) = oÓ pístewß (7) /
hek pístewß (8) und logízomaí tini e˙ß dikaiosúnjn (AT) = dikaiów (8).
312 Einen besonders unachtsamen Umgang mit logischen Begriffen legt MARTYN , 301 an
den Tag. Er sieht im Hintergrund von 3,8 »a simple syllogism«, den er wie folgt zum
Ausdruck bringt: »The major premise is provided by an event witnessed by Paul almost every
day: God is now making things right in the Gentile world by the rectifying faith of Jesus
156 III. Analyse paulinischer Texte

Konklusion aus V. 6f bereits Abraham in Form eines »vorweggenommenen


Evangeliums« bekannt war. Die semantische Gleichschaltung von »Segen«
und »Rechtfertigen«, die notwendig ist, um das Zitat aus Gen 12,3 (und
18,18) als Grundlage für die Konklusion in 8a einsetzen zu können, lässt sich
als große Prämisse in etwa so fassen:
SaD Alle Gesegneten (in Abraham) sind von Gott Gerechtfertigte.
HaS Alle Nichtjuden sind von Gott Gesegnete (in Abraham). (3,8b)
HaD Die (glaubenden) Nichtjuden sind von Gott Gerechtfertigte. (3,8a)
Anders ausgedrückt:
SaD Der Abrahamssegen ist die Rechtfertigung aus Glauben.
HaS Alle Nichtjuden nehmen teil am Abrahamssegen.
HaD Alle Nichtjuden nehmen teil an der Rechtfertigung aus Glauben.

H S D

Graphik 3
V. 9 bringt diesen Argumentationsgang nochmals vom Segen der Nichtjuden
auf die allgemeinere Stufe: Ganz allgemein sind die Glaubenden mit Abraham
gesegnet.
In der Partikel “wste vermischen sich Aspekte der Folgerung (»deshalb, daher, also« als
Einführung zu selbstständigen Sätzen313), der Finalität (»so dass« als Einführung zu
abhängigen Sätzen314) und der Intentionalität (»damit«, »in der Absicht« ähnlich wie “ina).

V. 9 sollte am ehesten als Folgerung gelesen werden315. Wie aber ist logisch
auf den Satz zu schließen »Die Glaubensmenschen sind Gesegnete mit dem

Christ (2:16). The minor premise is Paul’s certainty that the God who is doing this new deed
is the same God who dealt with Abraham. Conclusion: Read in light of this new deed, the
promise spoken to Abraham by scripture (in God’s behalf) was the word of this same God,
indeed the gospel of Christ.« Wenn »Prämissen« aus einem »event witnessed« und aus
»Paul’s certainty« hergeleitet werden, bewegt sich die Analyse trotz der gewählten Fachter-
mini so weit außerhalb der Logik, dass es nicht mehr verwundern darf, wenn weder die
Prämissen formalisierbar sind noch die von MARTYN formulierte conclusio sich daraus
notwendig ableiten lässt.
313 Vgl. im unmittelbaren Umfeld 3,24: »Also (“wste) ist das Gesetz unser Zuchtmeister
auf Christus hin geworden, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden.« 4,7: »Also (“wste)
bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott.« 4,16:
»Bin ich also (“wste) euer Feind geworden, weil ich euch die Wahrheit sage?«
314 Z.B. Gal 2,13: »Und mit ihm heuchelten auch die übrigen Juden, so dass (“wste) selbst
Barnabas durch ihre Heuchelei mit fortgerissen wurde.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 157

glaubenden Abraham« (oÓ hek pístewß ehulogoüntai sùn t¨^w pist¨^w


h Abraám = PaS)? Aus dem Schriftzitat alleine lässt sich das nicht schließen,
denn die Verheißung, dass die Nichtjuden am Abrahamssegen teilnehmen
(HaS), wäre nur mit dem folgenden inhaltlich absurden Syllogismus wirklich
als Prämisse zum Schluss PaS verwertbar:
HaS Alle Nichtjuden sind Empfänger des Abrahamssegens. (3,8b)
PaH Alle Glaubenden sind Nichtjuden.
PaS Alle Glaubenden sind Empfänger des Abrahamssegens. (3,9)
Die implizite kleine Prämisse, dass alle Glaubenden Nichtjuden sind, ist
Paulus natürlich nicht zu unterstellen. Auf den ersten Blick reizvoll erscheint
der Vorschlag von Morland für einen Syllogismus in V. 8f316:
»General premise: In thee (= Abraham) shall all the nations be blessed (3:8b).
Specific premise: Those who are men of faith are in Abraham. (= 3:7)
Conclusion: Those who are men of faith are blessed. (3:9a; cf. 3:8a)«

Dieser Syllogismus scheint einen Barbara-Schluss in der ersten Figur


darzustellen. Problematisch ist jedoch die Stellung der Terme in der Ober-
prämisse. Subjekt des Satzes sind eigentlich die Nichtjuden, so dass der Satz
eigentlich lauten müsste: »All nations shall be blessed in thee.« Dadurch aber
ändert sich die Position des Mittelterms »in thee« und der Schluss ist nicht
mehr gültig. Sucht man jedoch im vorherigen Kontext nach »verwertbaren«
Prämissen, dann gelangt man leicht zu folgendem Schema:
DaS Alle Gerechtfertigten sind Empfänger des Abrahamssegens.
PaD Alle Glaubensmenschen sind Gerechtfertigte. (Konklusion aus 6f)
PaS Alle Glaubensmenschen sind Empfänger des Abrahamssegens.

P D S

Graphik 4

Wenn man abschließend die beiden impliziten Prämissen in V. 8 und 9


vergleicht, dann wird deutlich, dass Paulus nicht davon ausgeht, dass der
Abrahamssegen die Rechtfertigung aus Glauben umfasst, sondern mit dieser
identisch ist317, denn es gilt:
SaD Der Abrahamssegen ist die Rechtfertigung aus Glauben. (3,8)
DaS Die Gerechtfertigten aus Glauben sind Empfänger des Abrahamssegens. (3,8)

315 Vgl. den Gebrauch der Partikel nach Schriftzitaten in Gal 3,24 und 4,7.
316 MORLAND , Curse, 199.
317 Das stellt – ohne logische Analyse – auch BETZ fest (142).
158 III. Analyse paulinischer Texte

Die beiden sind also deckungsgleich. Damit hat Paulus unausgesprochen eine
Reduktion vorgenommen: Es gibt keinen Abrahamssegen außerhalb der
Rechtfertigung und umgekehrt318.

P D=S

Graphik 5
Wenn der Satz HaD (»Nichtjuden werden von Gott aus Glauben gerechtfer-
tigt«) bereits aus 6f folgt, wäre zu fragen, warum sich Paulus die Mühe macht,
nochmals von einer anderen Seite her darauf zu schließen. Darüber kann nur
vorsichtig spekuliert werden:
Graphik 1 (zur Argumentation in 6f) macht deutlich, dass noch nicht gezeigt werden konnte,
welche Bedeutung dem Halten des Gesetzes in der Frage der Abrahamskindschaft, bzw. für
die »Gerechten« zukommt. Paulus hat deutlich einen Ausschluss vor Augen und möchte die
einzelnen »Kreise« exklusiv deuten. In V. 8 nimmt er daher einen semantischen Wechsel vor,
der es ihm erlaubt, mit Schriftworten die beiden sich ausschließenden Gegensätze »Segen«
und »Fluch« einander gegenüberzustellen. Mit der Sprache der »Rechtfertigung« wäre dies
gleichwohl schwerer, weil ein klares Antonym dazu fehlt. Mit der Sprache von »Segen« und
»Fluch« ist dies jedoch möglich. Jetzt kann er nach dem positiven Beweis (confirmatio) auch
die negative Seite (refutatio) beleuchten. Ziel ist es zu zeigen, dass die Torahmenschen nicht
in den Kreis des Segens gehören 319.

3,10: Vieles hängt aber von der Frage ab, ob Paulus Segen und Fluch als
konträre oder als kontradiktorische Gegensätze versteht320. Der Anspruch der
Argumentation ist, dass das Schriftzitat aus Dtn 27,26 die Aussage in 10a
begründet (gár). Dass es dafür einer Zusatzprämisse bedarf, ist eine Tatsache,

318 Ob er damit rechnen konnte, dass diese implizite Prämisse erkannt und v.a. geteilt
werden konnte? REINBOLD, Erfüllbarkeit, 95 stellt zwar zuerst zu V. 9 fest: »Die Logik dieses
Schlußes ist nach dem Vorhergesagten evident.« Fügt aber die entscheidende Frage hinzu:
»Wer den Text genau liest, kann sich mit diesem Schluß indes noch nicht zufrieden geben.
Denn bislang hängt der Nachweis im entscheidenden Punkt in der Luft. Wie kommt Paulus
dazu, den Segen aus dem zweiten Schriftzitat so ohne weiteres mit der Glaubensgerechtigkeit
in Verbindung zu bringen?«
319 Richtig beobachtet BETZ, 143: »The conclusion in v 9, however, shows already that
the thesis of v 7 is exegetically correct. What is still to be done is the elimination of those
who base their salvation upon the ›works of the Torah‹.«
320 Konträr würde heißen, dass zwar niemand gleichzeitig gesegnet und verflucht sein
kann, aber dass jemand, der nicht gesegnet ist, nicht zwangsläufig verflucht ist (also die
Negation von beiden kann wahr sein, wie z.B. bei »schwarz« und »weiß«). Kontradiktorisch
bedeutet, dass wenn eines zutrifft, zwangsläufig das Gegenteil davon falsch sein muss und
umgekehrt; d.h. wer nicht am Segen teilnimmt, steht unter einem Fluch; und wer nicht unter
einem Fluch steht, nimmt am Segen teil.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 159

die viel Diskussion ausgelöst hat (s.o. S. 143ff)321. Es ist äußerst wichtig,
Inhaltliches und Formelles zu trennen. Wenn sich die Aussage in 3,10a aus
der Aussage 3,10b logisch herleiten soll, dann muss eine Zusatzprämisse
hinzugedacht werden.
3,10b Jeder O [“oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß] ist K [hepikatáratoß].
[Implizite Prämisse]
3,10a Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind K [Hupò katáran].

Das Auffinden einer impliziten Prämisse ist bei der Konstellation von zwei
Sätzen mit drei verschiedenen Termen (O, K, N), von denen einer wiederholt
wird (K), sehr einfach. Die kleine Prämisse muss für einen Barbara-Schluss
der ersten Figur die Struktur NaO aufweisen322. Also:
3,10b Jeder O [“oß ohuk hemménei päsin toïß gegramménoiß] ist K [hepikatáratoß].
Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind O [“oß ohuk hemménei päsin toïß...].
3,10a Alle N [“osoi hex ‘ergwn nómou] sind K [Hupò katáran].

Formal323:
OaK (7) Jeder Gesetzesübertreter ist ein Verfluchter. (3,10b)
NaO Jeder Nomosmensch ist einer, der nicht alle Gebote erfüllt.
NaK (6) Jeder Nomosmensch ist verflucht. (3,10a)

321 LAMPE, Reticentia, 33 macht im Übrigen eine komplizierte und logisch schwer nach-
vollziehbare Rekonstruktion, um zu zeigen, dass auch dieser Satz von Paulus »bewiesen«
wird.
322 Logisch irreführend ist die Auseinandersetzung, die CRANFORD, Perfect Obedience,
248 mit T.R. SCHREINER, Is Perfect Obedience to the Law Possible: A Re-examination of
Galatians 3:10, JETS 27 (1984) 151–160 führt. SCHREINER illustriert die Notwendigkeit der
impliziten Prämisse anhand des folgenden Satzes: »Maior: Alle Märchengestalten sind fiktiv.
Conclusio: Aschenputtel ist fiktiv. Also muss minor lauten: Aschenputtel ist eine Märchenge-
stalt.« CRANFORD versucht die Logik dieses Barbara-Schlusses durch folgenden analogen
Satz ad absurdum zu führen: »Maior: Alle Junggesellen sind Männer. Conclusio: Tom ist ein
Mann.« Die implizite zweite Prämisse müsste nun lauten: »Tom ist ein Junggeselle.«
Dagegen wendet CRANFORD ein: »What should be obvious is that it is not [Hervorhebung
vom Autor] logical to accept the implied proposition ›Tom is a bachelor‹« Die Begründung
für diese Behauptung ist nicht logischer, sondern inhaltlicher Art: »While it might be true that
Tom is a bachelor, it might just as well be totally false.« CRANFORD verwechselt in seiner
Auseinandersetzung mit SCHREINER Inhalt und Form. Wenn aus dem Satz »Alle Junggesellen
sind Männer«, logisch auf den Satz geschlossen werden soll »Tom ist ein Mann«, dann muss
in der Tat die implizite Prämisse lauten: »Tom ist ein Junggeselle.« Die Frage, ob das wahr
ist oder nicht, hat mit der logischen Frage nach der impliziten Prämisse nichts zu tun.
323 Vgl. auch MORLAND, Curse, 204. LAMPE, Reticentia, 29 weitet die Terme zu stark
aus: Maior: Jeder, der das Gesetz übertritt, ist verflucht. Minor: Niemand [also kein Mensch]
erfüllt alle Gebote. Conclusio: Jeder steht unter dem Fluch. Paulus will ja nicht zu dem
Schluss gelangen, dass alle Menschen verflucht sind, er will vielmehr zeigen, dass all jene
unter einem Fluch stehen, die sich auf die Gesetzeswerke verlassen.
160 III. Analyse paulinischer Texte

Wenn zwischen »Verfluchung« und »unter einem Fluch stehen« unterschie-


den wird (s.o. S. 142), wird man einen »weicheren« Modus wählen müssen:
Gesetzesübertreter sind verflucht.
Gesetzesmenschen können das Gesetz übertreten. (Sie tun es nicht notwendigerweise.)
Gesetzesmenschen können verflucht werden. (Sie stehen unter einem Fluch.)
Die Frage, was diese implizite Prämisse aussagt, ist keine Frage der Logik,
sondern der Exegese. Der Satz behauptet den Tatbestand der Gesetzesübertre-
tung prima facie nicht von allen Menschen oder von allen Juden, sondern von
allen, auf die es zutrifft, dass sie hex ‘ergwn nómou leben. Deswegen »funkti-
oniert« diese Logik auch dann, wenn man sich Dunn’s Verständnis der
Wendung ‘erga nómou anschließt (s.o. S. 141f)324.
Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Frage, wie das erste gár zu
verstehen ist. Wenn es in seiner vollen begründenden Funktion ernst genom-
men werden soll, dann würde das heißen, dass in 3,10 eine Prämisse gefunden
werden muss, die einen Schluss auf 3,9 erlaubt; d.h.: »Weil alle Gesetzesmen-
schen unter einem Fluch stehen, sind die Glaubensmenschen gesegnet.«325
Ein solcher Schluss ist nur sehr schwer zu rekonstruieren326. Man müsste, um
mit ähnlichen Termen operieren zu können, die Aussage in V. 9 umwandeln
von »Alle Glaubensmenschen sind mit Abraham gesegnet« (PaS) in »Kein
Glaubensmensch ist von Gott verflucht« (PeK). Wie lässt sich aber von V. 10
(NaK) auf diese Aussage schließen?
Der folgende Schluss ist formal ungültig 327:
NaK Alle Nomosmenschen sind verflucht (3,10).
PeN Kein Glaubensmensch ist ein Nomosmensch. (vgl. 3,12a)
PeK Kein Glaubensmensch ist verflucht. (3,9 umgewandelt)
Es gäbe einen gültigen Schluss in der zweiten Figur:
KaN Alle Verfluchten sind Nomosmenschen. (Das sagt 3,10 nicht aus!).
PeN Kein Glaubensmensch ist ein Nomosmensch. (vgl. 3,12a)
PeK Kein Glaubensmensch ist verflucht. (3,9 umgewandelt)

324 Die “osoi hex ‘ergwn nómou wären in diesem Fall nicht alle Menschen, die sich nach
der Torah richten, sondern jene, die die Torahfrömmigkeit auf die äußeren physischen
Merkmale reduzieren. Ähnlich CRANFORD, Perfect Obedience, 249; R.G. HAMERTON-KELLY,
Sacred violence and the curse of the Law (Galatians 3,13), NTS 36 (1990) 116.
325 Lockerer versteht BETZ, 144 den Anschluss: »gár should best be taken as inferential
(›certainly, so, then‹) or as marking another step in the argument.« LAMPE, Reticentia, 29,
Anm. 7: »Das erste gár in Gal 3,10a markiert diesen Übergang zur Negativargumentation, ist
also fortführend im Sinne von ›aber‹ wie in 1,11; 5,13.« Zu ähnlichen Meinungen vgl. REIN-
BOLD, Erfüllbarkeit, 96, Anm. 14, der selbst meint, dass V. 10 e contrario eine Begründung
für das zuvor Gesagte bringe; s.a. ECKSTEIN, Verheißung, 121; SIEFFERT, 177.
326 WILLIAMS, 88 bemerkt, zwischen V. 9 und 10 »some thought seems to be missing«.
327 Ein Beispiel für die logische Ungültigkeit der Form a-e-e in der ersten Figur: »Alle
Autos haben Räder. Kein Fahrrad ist ein Auto. Also: Kein Fahrrad hat Räder.«
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 161

Der Übergang von 6–9 zu 10–12 weist logische Brüche auf. Die Argumenta-
tion wird dabei von der Annahme geleitet, dass es zwischen »Glaubensmen-
schen« und »Nomosmenschen« keine Schnittmenge gibt328. Dies wird bereits
in der propositio in Gal 2,15–21 vorausgesetzt.
3,11–12: Ein gültiger Schluss aus den Sätzen dieser beiden Verse lässt sich in
der zweiten Figur (Camestres) mit einer Implikation herstellen, die in 12a
explizit genannt wird329:
DaP (9) Der Gerechtfertigte ist ein Glaubensmensch. (11b)
NeP 330 (10) Kein Nomosmensch ist ein Glaubensmensch. (vgl. 12a)
NeD (8) Kein Nomosmensch ist ein Gerechtfertigter. (11a)

Sachlich entspricht dieses Ergebnis dem von V. 10331.


Die Funktion von 12b ist nicht ganz deutlich. Gerne wird das Zitat als
direkte Begründung von 12a gelesen. Dagegen dürfte aber der Anschluss mit
hallá (statt gár oder “oti) sprechen. Das Schriftzitat aus Lev 18,5 kann
vielmehr als »Definition« dessen verstanden werden, was einen »Nomosmen-
schen« ausmacht. Die Betonung liegt auf poi´jsaß ahutá (vgl. bereits 10c:
toü poi¨jsai ahutá)332. Offenbar möchte die Argumentation darauf hinaus,
Tun (12b) und Glauben (11b) streng als zwei »Lebenswege« voneinander zu
trennen. Logisch lässt sich jedoch daraus nichts ableiten333. Der folgende
Versuch zeigt, dass hier die logische Analyse an ihre Grenzen gelant:
TeP Kein Tatmensch ist ein Glaubensmensch. (unde?)
NaT Jeder Nomosmensch ist ein Tatmensch. (3,12b)
NeP Kein Nomosmensch ist ein Glaubensmensch. (12a)

328 Paulus fasst beide Begriffe ebenso wie das Begriffspaar »Fluch« und »Segen« im
Sinne eines kontradiktorischen Gegensatzes auf. Richtig daher BETZ, 144: »Not being blessed
is the same as being cursed«.
329 Dieser Schluss ist bereits klar von BAUER, Logicae, 343 erkannt worden. Er wird auch
heute noch relativ häufig so herausgearbeitet: LAMBRECHT, Curse, 283; MORLAND, Curse,
212; STANLEY, Curse, 503, Anm. 58; VOUGA, 75: »Der Obersatz (V. 11b) hat den Schluss V.
11a zur notwendigen Folge.« VOUGA, 74 betont die logische Funktion von d¨jlon in 3,11a.
330 Das entspricht definitiv nicht jüdischem Selbstverständnis. LAMPE, 31: »Ob die
Folgerung dieses dritten Verfahrens jüdisch beeinflusste Leser inhaltlich überhaupt überzeugt
haben wird, wäre auf einem anderen Blatt (wohl negativ) zu beantworten.«
331 LAMPE, Reticentia, 30.
332 Der Wechsel vom Sg. nómoß (12a) zum Pl. ahutá macht deutlich, dass die Gebote im
Blick sind, die päsin toïß gegramménoiß hen t¨^w biblí^w toü nómou toü poi¨jsai.
333 LAMPE, Reticentia, 31f möchte aus 12b und 11b den Schluss herleiten, dass Glaube
und Nomos zwei verschiedene Wege darstellen. Abgesehen von der Frage, wie dies sachlich
zu 3,21 passt, ist ein solcher Schluss m.E. logisch schwer nachvollziehbar. Lampe stellt zwar
fest, dass sich beide Begriffsfelder nicht widersprechen, begründet aber seine Trennung
damit, dass sonst beide Sätze nur »Halbwahrheiten« wären und Paulus nur »Vollwahrheiten«
akzeptieren könne. Solche Formulierungen sind für die Ansprüche formaler Logik eher
verwirrend.
162 III. Analyse paulinischer Texte

3,13–14: Der asyndetische Anschluss in V. 13, der Wechsel zur ersten Plural-
Form und der deutlich kerygmatische Sprachcharakter sind untrügliche
Zeichen dafür, dass hier die Redeform von der argumentierenden in eine
stärker bekennende Redeweise wechselt. Dementsprechend fehlen auch
logisch relevante Verbindungspartikeln – mit Ausnahme des sehr einfach
aufgebauten Schriftbeweises aus Dtn 27,26334:
XeK Jeder Gekreuzigte ist verflucht. (3,13c)
CaX Jesus ist ein Gekreuzigter.
CaK Jesus ist verflucht.

Abgesehen davon, weist nichts im Text darauf hin, dass die kerygmatische
Aussage »Christus hat uns freigekauft vom Fluch des Gesetzes« in irgendei-
ner Weise logisch aus dem Satz »Jesus ist ein Verfluchter« abgeleitet werden
kann335. Auch die beiden “ina-Sätze sind als Finalsätze nicht in Form eines
Schlusses zu fassen336. 14b knüpft zudem an 3,1–5 an und führt den verheiße-
nen Geist in die Argumentation ein. 14a sieht in der Heilstat Jesu die Vermitt-
lung des Abrahamssegens an die Nichtjuden. Was also in 6–8 erschlossen
wurde, wird hier nochmals kategorisch affirmiert.

c) Gesamtgedankengang
Trotz der Schwierigkeiten im Einzelnen wird ein doppelter Argumentations-
gang deutlich: 6–9 (positiv) und 10–12 (negativ). Die rhetorische Bewegung
des Textes ist die eines »progressiven Ausschlusses«:
Legende:
(n): Satznummer
(n*): Geschlossener Satz
(I-n): Implizierter Satz
kursiv: Schriftzitat

334 Ebenso LAMPE, Reticentia, 34 und MORLAND, Curse, 215, der aufgrund der antichrist-
lichen Polemik, zu der sich eine Aussage wie »Jesus ist verflucht«, so treffend eignet,
schreibt: »The logic is clear, but very risky.«
335 LAMPE, Reticentia, 34 formuliert die folgenden drei Sätze: »[J] Jesus war (unverdien-
termaßen) verflucht. [A] Wir stehen (verdientermaßen) unter dem Fluch des Gesetzes. [K]
Christus konnte stellvertretend den uns geltenden Fluch auf sich nehmen.« (Alle Klammern
vom Autor) Aus [J] und [A] lässt sich jedoch Satz [K] unmöglich folgern. Die »Logik« des
Austausches (»unschuldiges Leben sühnt schuldiges Leben«) ist nicht formalisierbar.
336 MORLAND , Curse, 219 versucht es mit dem folgenden Syllogismus: »General premise:
Those that are redeemed from the curse will be blessed. Special premise: We were redeemed
by Christ from the curse of the law (3.13). Conclusion: Therefore we will be blessed (3.14).«
Das Problem ist wieder eines der Formalisierung: In V. 13 steht Hjmäß höchstwahrscheinlich
für die Judenchristen, wohingegen V. 14 ausdrücklich von den Christen nichtjüdischer
Provinienz (tà ‘eqnj) spricht.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 163

6–7 (nach Barbara I)


(1) AaD (3,6)
(2) PaA (3,7)
(1*) PaD P A D

Alle Glaubenden sind von Gott Gerechtfertigte.


Zwischenschritt: Übergang von 6f auf 8 (nach Barbara I)
(1*) PaD
(I-1) HaP
(3) HaD (3,8a) H P A D

»Heiden«christen sind von Gott Gerechtfertigte.


8 (nach Barbara I)
(I-2) SaD
(4) HaS (3,8b)
(3) HaD (3,8a) H S D

»Heiden«christen sind von Gott Gerechtfertigte.


9 (nach Barbara I)
(I-3) DaS
(1*) PaD
(5) PaS (3,9) P D S

Glaubende sind von Gott Gesegnete.


Aus I-2 und I-3 kann abgeleitet werden:
D=S

P D=S

Ergebnis: Die Nichtjuden sind als Glaubende an Christus Empfänger des


Abrahamssegens, der identisch mit der Rechtfertigung aus Glauben ist.
V. 10 schafft mit dem Antonym »Fluch« einen »Gegenbereich«:

H P S =D N O K

Während die Nichtjuden als Glaubende am Segen teilnehmen, sind die


Nomosmenschen als Übertreter verflucht.
164 III. Analyse paulinischer Texte

V. 10 (nach Barbara I) [begründet aber kaum das zuvor Gesagte]


(7) OaK (3,10b)
(I-4) NaO
(6) NaK (3,10a)

V. 11f macht nochmals deutlich, dass der Bereich »unter dem Fluch« nichts
mit dem Bereich des Abrahamssegens zu tun haben kann337:
Die Konklusionen sind
beide Male negativ:
H S=P=D NeD
NeP

11–12a (nach Camestres II)


(9) DaP (3,11b)
(10) NeP (3,12a)
(8) NeD (3,11a)

Die Funktion von 12b ist unklar (Anschluss mit hallá). Wird so geschlossen
(nach Celarent I [auch gültig nach Camestres II])?
TeP (I-5) Kein Mensch des Tuns (des Gesetzes) ist ein Mensch des Glaubens.
NaT (11) Jeder Nomosmensch ist ein Mensch des Tuns. (3,12b)
NeP (8) Kein Nomosmensch ist ein Mensch des Glaubens. (3,12a)

V. 13f: Der »axiomatische« Rückgriff auf das Kerygma zeigt (ohne es logisch
zu begründen), wie der Übergang vom Fluch zum Segen durch den Tod Jesu
vermittelt wird. Dass dieser »Austausch« sprachlich an die Fluch-
Terminologie anknüpfen kann, ist ein »eleganter« Abschluss. Logisch
formalisierbar ist nur 13b.c:
(14) XaK (3,13c)
(I-6) CaX
(13) CaK (3,13b)

d) Fazit
Wenn Becker generell für den Stil des Paulus im Gal behauptet, »streng
logisch aufgebaute Gedankenketten treten zurück«338, dann ist das bei
Betonung der logischen »Strenge« durchaus richtig. Im konkreten Fall von
Gal 3,6–12 lässt sich eine logische Argumentation nur mit unausgesprochenen

337 Wobei durch die Prämisse DaP in V. 11b stillschweigend noch eine wichtige Gleich-
setzung vorgenommen wird: D = P.
338 BECKER, 9.
C. Unvereinbarkeit von Abrahamssegen und Gesetzesfluch (Gal 3,6–14) 165

Hilfsprämissen rekonstruieren339. Besonders verwirrend sind die stillschwei-


genden Gleichsetzungen, die hinter der Argumentation immer wieder
vorgenommen werden. Die Vertauschung von Subjekt und Objekt wäre zwar
ein logischer Fehler, aber es ist ebenso möglich, ein wirkliches Überzeu-
gungssystem (wenn auch ein recht eigensinniges) dahinter zu vermuten.
Die logische Analyse muss durch die ihr gestellte Aufgabe der Prüfung
von Schlüssen auf manche sprachliche Eigentümlichkeiten sehr präzise ihr
Augenmerk richten. Dabei versucht sie, »implizite« Schritte zu rekonstruie-
ren340. Dabei geht es nicht darum, dem Apostel auf alle Fälle »Logik«
nachzuweisen, sondern sich um die inneren Prozesse der sprachlichen
Argumentation zu bemühen. Gal 3,6–14 zeigt jedoch deutliche Grenzen
solcher Konstruktionen. Zuweilen sind Prämissen anzunehmen, die sich nicht
unbedingt allgemeiner Anerkennung erfreut haben dürften341:
1. Der Übergang von V. 6 zu V. 7 ist logisch dann äußerst brüchig, wenn
‘ara als Folgerungspartikel und V. 7 entsprechend als logische Konklusion
aufgefasst werden. In diesem Fall wäre es um die Logik des Textes bereits
recht früh sehr schlecht bestellt. Im Sinne des hier durchgeführten logischen
»Experiments« ist die seltenere Bedeutung von ‘ara im Sinne einer rhetori-
schen Hervorhebung (ähnlich in 1Kor 15,15) als Grundlage der Analyse
gewählt worden. Damit jedoch soll eine Entscheidung darüber, ob Paulus
logisch argumentiere, nicht präjudiziert, sondern nur die Möglichkeit einer
logisch kohärenteren Lektüre erwiesen werden.
2. V. 8f implizieren eine völlige Identität von Abrahamssegen und
Rechtfertigung aus Glauben. Das entspricht sicherlich nicht den gängigen
Deutungen der Genesis-Stelle.
3. Der Übergang von V. 9 zu V. 10 (mit dem irreführenden einleitenden
gár in V. 10) ist nicht klar. Paulus will ganz klar die Nomosmenschen aus
dem Kreis der Gesegneten = Gerechtfertigten herausdrängen.

339 Aussagen zur »Logik« von Gal 3,6–14 bewegen sich meistens auf der Ebene eines
eher mataphorischen Wortgebrauchs: LÜHRMANN, 59 etwa: »Die Logik der paulinischen
Argumentation beruht also auf der christologischen Interpretation eines Kernstücks des Alten
Testaments selber.« Oder BRUCE, 160: »Paul’s thinking is dominated by the logic of his
conversion experience.« HAYS, Faith, 184ff spricht von »narrative logic«. Die Frage nach der
Logik im eigentlichen Sinne wird durch solche Aussagen nicht berührt.
340 LAMPE, 27 passim spricht von »Brachylogia« und fragt zu Recht, ob »die aus reticen-
tia und detractio resultierende Brachyologie … [nicht] den Lesern zuviel zumutet« (34). E.
HAGENBICHLER, Art. Brachylogie, HWRh 2 (1994) 50–53 definiert Brachylogie als
»knappen, gedrängten Stil, bei dem trotz aller Kürze des Ausdrucks Unklarheiten vermieden
werden.« (50) Rhetorisch gehört sie zur detractio, also zu den Gedankenfiguren der
Weglassung (51).
341 REINBOLD , Erfüllbarkeit, 95 meint, dass Paulus in V. 7 »kühn« folgert (ähnlich spricht
bereits LIETZMANN, 19 von V. 7 als »verblüffend kühne Folgerung«). Eine logische
Folgerung kann nie »kühn« sein, sie kann nur gültig oder ungültig sein. Als »kühn« würde
ich jedoch die vorausgesetzten Prämissen bezeichnen!
166 III. Analyse paulinischer Texte

4. Die Prämisse in V. 10, dass kein Gesetzesmensch alle Gebote erfüllt, ist
gerade im Rahmen allgemeiner jüdischer Vorstellungen über den Bund und
den Segen der Vergebung kaum einsichtig.
5. Die strikte Trennung in V. 12 von Tun und Glauben wird nirgends
begründet342.
Nach meiner Wahrnehmung »rettet« das Kerygma die Argumentation dort,
wo sie am schwächsten wird, bzw. wo sie nicht weiter begründet werden
kann: Handeln und Glauben sind zwei unterschiedliche Prinzipien. Dass aber
Prämissen rekonstruiert werden, die u.U. nicht auf allgemeine Akzeptanz
hoffen durften, macht die Argumentation nicht unlogisch, sondern schwächt
höchstens im konkreten Kommunikationskontext ihre persuasive Kraft. Ein
kategorisches Urteil, das geradezu axiomatisch auf die gesamte Argumentati-
on wirkt, findet sich in Gal 2,21343: »Denn wenn durch das Gesetz Gerechtig-
keit (kommt), dann ist folglich Christus umsonst gestorben.« (e˙ gàr dià
nómou dikaiosúnj, ‘ara Cristòß dwreàn hapéqanen.) Gal 3,6–14 wäre
somit eine Art a-posteriori-Argumentation für die völlige Trennung von
Gesetz und Gerechtigkeit344.

D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20)

1. Exegetische Vorfragen
Der Abschnitt 1,18–3,20 lässt eine hohe argumentative Dichte erkennen.
Neben einer Häufung von begründenden Partikeln345 weisen die verwendeten
Stilelemente deutlich auf eine persuasive Sprechintention hin346. Eine
eingehende Diskussion zur Gesamtgliederung und zur Frage nach dem Genus
des Röm kann (und braucht) hier nicht geführt zu werden347. Es lässt sich

342 Sie kann vielleicht als »Erfahrungsaxiom« des Paulus (1,11f) und der Galater (3,5)
verstanden werden. (Hinweis von U. Luz)
343 Die ungewöhnliche Interpretation von Schriftzitaten führt RÄISÄNEN zu dem Urteil:
»Paul is pushed to develop his argument into a preordained direction … He simply had to
come to the conclusion that the law cannot be fulfilled.« (Paul and the Law, 108)
344 LUZ, 93: Paulus »denkt hier apriorisch in Alternativen« (vgl. Gal 2,21; 3,2).
345 U.a. gár (1,16a.b.17b.19a.b.26a), dióti (1,18.20b), dió (1,23), dià toüto (1,25),
kausales kaq´wß (1,28) usw. Ob die Partikeln im Einzelnen wirklich begründenden Sinn
haben, wird zu prüfen sein.
346 Vgl. die ausführliche Stilanalyse in SCHMELLER, Diatribe, 254–265. Nach SIEGERT,
Argumentation sind in diesem Abschnitt folgende Stilelemente zu finden: Antithesen
(durchwegs in 1,18ff; S. 182–185), Argumente ad personam (2,1.17; S. 229) und ad hominem
(3,5; S. 228), Anapher und Epipher (2,21f; S. 234 [vgl. dazu LAUSBERG , Handbuch, §§629–
634), Topos von Gott als »Vorbild« (1,20; 2,4; 3,4.19; S. 212f).
347 Vgl. neben den Kommentaren die Diskussion in SIEGERT, Argumentation, 112–119
und U. LUZ, Zum Aufbau von Röm 1–8, ThZ 25 (1969) 161–181. Die vorsichtige Skepsis,
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 167

zwar von 1,18ff als probatio reden348, aber eine weitere Segmentierung mit
den Mitteln antiker Rhetorik scheint mir wenig aussichtsreich.

a) Argumentationsziel von 1,18–3,20


Dass sich ein Bogen von 1,18 bis 3,20 spannt, lässt sich anhand von zwei
rückblickenden Meta-Aussagen ablesen: In 3,9b blickt Paulus auf den
bisherigen Argumentationsgang zurück und gibt zugleich eine Zusammenfas-
sung dessen, was (zumindest dem Anspruch nach) darin gezeigt worden ist.
Nach einer langen Kette von Schriftzitaten fügt 3,19 einen weiteren Hinweis
auf die Textpragmatik an. In 3,20 wird schließlich der negative Schluss aus
dem gesamten Abschnitt gezogen, der als These das Fundament für die
Entfaltung des Gedankengangs in 3,21ff bildet. Die rezeptionsleitende
Funktion von 3,9 und 3,19 soll hier näher betrachtet werden:
3,9: »Denn wir haben sowohl Juden als auch Nichtjuden vorher angeklagt
(pro∆tiasámeqa), dass alle unter der (Macht der) Sünde (pántaß
Hufh Hamartían e~inai) stehen.« Das Verb a˙tiáomai, das mit rückverweisen-
dem pro- nur hier im Neuen Testament belegt ist, bedeutet im negativen
Gebrauch »jemanden beschuldigen, anklagen, gegen jemanden Anklage
erheben«349. Dass das Genus der Anklage dominierend ist, hat sich im
Argumentationsverlauf deutlich zu Erkennen gegeben:
1,20: »… damit sie ohne Entschuldigung (hanapolog´jtouß) sind«.
1,24.26.28b: Gott »überließ sie« (parédwken) ihren »Begierden«, ihrer »Leiden-
schaft«, ihrem »verwerflichen Verstand«.
1,27: Sie »empfangen den Lohn« (hantimisqían ... hapolambánonteß) für ihre Taten.

die ich bereits im Falle von 1Kor (s.o. S. 96ff) und Gal (s.o. S. 129ff) zum Ausdruck gebracht
habe, brauche ich hier nicht zu wiederholen. Einen optimistischeren Gebrauch antiker
rhetorischer Kategorien belegen u.a. W. WUELLNER, Paul’s Rhetoric of Argumentation in
Romans, in: K.P. Donfried (ed.), The Romans Debate (Peabody / Edinburgh, 21991) 128–146;
R. JEWETT, Following the Argument of Romans, in: Donfried, Romans Debate, 265–277 und
D. HELLHOLM, Amplificatio in the Macro-Structure of Romans, in: Porter / Olbricht, Rhetoric
and the New Testament, 123–151. Für eine manchmal allzu negativ wertende Kritik dieser
rhetorischen Versuche vgl. ANDERSON, Rhetorical Theory, 169–183.
348 Darin stimmen WUELLNER, Argumentation, 142 (er benutzt allerdings den Begriff
confirmatio); JEWETT, Argument, 272f und HELLHOLM, Amplificatio, 138 überein. Gegen-
über der »klassischen« Gliederung – die in 1,16f die These oder Überschrift des Ganzen sieht,
die anschließend thematisch entfaltet wird – ist das nichts Neues.
349 Vgl. Bauer / Aland, 50. In der LXX finden sich nur drei Belege: 4Makk 4,19 (Jakob
beschuldigt seine Söhne und verflucht sie für ihre Gewalttat an den Sichemitern); Prov 19,3
(der unvernünftige Sinn des Menschen stellt Gott unter Anklage); Sir 29,5 (der zahlungsunfä-
hige Schuldner gibt dem Zeitpunkt die Schuld). Das Verb kann auch positiv oder neutral
benutzt werden im Sinne von »von jemandem sagen, dass er sei« oder »jemanden oder etwas
als Grund für etwas angeben« (vgl. LSJ 44; F.R. ADRADOS [ed.], Diccionario Griego-
Español [Madrid, 1989] I, 101).
168 III. Analyse paulinischer Texte

1,32: Diejenigen, die »die Rechtssatzung Gottes« (tò dikaíwma toü qeoü) kennen,
wissen, dass die Übeltäter »des Todes schuldig sind« (‘axioi qanátou e˙sín).
2,1a: »Du bist ohne Entschuldigung (hanapológjtoß) …«.
2,1b: »Der du andere richtest, verurteilst dich selbst (seautòn katakríneiß)«.
2,2f: Das »Urteil Gottes« (tò kríma toü qeoü) ist wahr und unausweichlich.
2,5f: Das »gerechte Gottesgericht« (dikaiokrisía toü qeoü) bedeutet, dass er »je-
dem gemäß seiner Taten vergilt« (hapod´wsei Hekást^w katà tà ‘erga ahutoü).
2,25: Auch der Jude ist ein »Gesetzesübertreter« (parabátjß nómou).

Auf der »Anklagebank« sitzen gemäß 3,9 »Juden« und »Griechen«. Liest man
1,19–32 von 3,9 her, dann dürfte wohl kein Zweifel daran bestehen, dass
Paulus seine Anklage gegen die »Heiden« nicht nur im Sinne rhetorischer
»Taktik« benutzt, sondern diese (trotz Übertreibungen) von der Sache her für
berechtigt hält350. Das Gegensatzpaar »Jude-Grieche«351 ist von 1,16 als die
Argumentation strukturierende Opposition vorgegeben und wird in 2,9f und
3,9 in Erinnerung gerufen (inhaltlich auch in 2,12)352. Damit erweist sich die
»traditionelle« Sicht, dass in 1,18–3,8 zwei voneinander unterscheidbare
Gruppen angeklagt werden, vom Text her als gut begründet.
Problematisch ist jedoch die Tatsache, dass die Argumentation in 1,18ff (strategisch
beabsichtigt?) äußerst sparsam in der expliziten Nennung der jeweils unter Anklage stehenden
Menschengruppe ist. Zwischen 1,18 und 2,8 finden sich keine eindeutigen Identifizierungen.
Erst in 2,9f ist generell von »Juden« und »Griechen« die Rede. Die ‘eqnj, die am Anfang des
Briefes Erwähnung finden (1,5.13), werden in 2,14 (und dann in 2,24) genannt. Eine klare
Anrede des fiktiven Gesprächspartners als Jude erfolgt schließlich in 2,17 und wird ab dann
regelmäßig wiederholt (2,28f; 3,1.9; ansonsten im Röm nur noch in 3,29; 9,24; 10,12).

Über die Identifizierung der »Beschuldigten« entscheiden zumindest bis 2,17


in erster Linie die verwendeten Topoi, die bei entsprechender intertextueller
Kompetenz eine relativ klare Richtung aufzeigen. So lässt die Verwendung
antipaganer Allgemeinplätze in 1,19–32 an die nichtjüdische Gesellschaft

350 Dies scheint mir die These auszuschließen, Paulus baue in 1,19–32 nur eine rhetori-
sche Figur auf, um sogleich in 2,1ff das bisher Gesagte in Frage zu stellen (so der Vorschlag
von C.L. PORTER, Romans 1.18–32: Its Role in the Developing Argument, NTS 40 [1994]
210–228, bes. 221–228; ähnlich auch D.A. CAMPBELL, Natural Theology in Paul? Reading
Romans 1.19–20, International Journal of Systematic Theology 1 [1999] 231–252). Ebenso
unwahrscheinlich erscheint mir die interesante aber übermäßig subtile Lektüre von W.
BINDEMANN, Theologie im Dialog: Ein traditionsgeschichtlicher Kommentar zu Römer 1–11
(Leipzig, 1992) 47–97, der in 1,18–3,20 ein ironisches Spiel mit vorgegebenen Topoi, die von
Paulus schließlich aufgelöst werden, vermutet.
351 Der Begriff “ Elljn wird zwar umfassend im Sinne von »Nichtjude« benutzt, setzt
aber einen stärkeren Akzent auf den kulturellen Unterschied. Deshalb kann Paulus in 1,13f
die ‘eqnj in »(gebildete) Griechen« und »(ungebildete) Barbaren« aufteilen. Der Referenzbe-
reich der Begriffspaare h Ioudaïoi - ‘eqnj und h Ioudaïoi - “ Elljneß kann demnach nicht
unterschieden werden. Anders BINDEMANN, Theologie, 73, der aus den unterschiedlichen
Formulierungen schließt: »Es geht also um Verhältnisse innerhalb der römischen Christenheit
und nicht zwischen Juden und Heiden!«
352 Als Oppositionspaar auch Röm 10,12; 1Kor 1,22.24; 10,32; 12,13; Gal 3,28; Kol 3,11.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 169

denken353. Ähnliches lässt sich ab 2,1ff für jüdische Vorstellungen zeigen


(s.u.). In seiner Generalanklage übernimmt Paulus zwar den (nicht unproble-
matischen) jüdischen Alteritätsdiskurs, der die Menschheit in Juden und
»Heiden« einteilt354, er problematisiert aber die Grenzen, indem er in 2,12–29
die Bedeutung der »identity marker« (Gesetz, Beschneidung) »dekonstruiert«.
3,19: »Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz vorschreibt, denen gilt,
die dem Gesetz (Ho nómoß) verpflichtet sind, damit (“ina) jeder Mund ver-
schlossen werde (pän stóma frag¨∆) und die ganze Welt Gott gegenüber
schuldig werde (Hupódikoß génjtai).« Insofern es nahe liegt, Ho nómoß auf die
Schriftzitate in 3,10–18 zu beziehen, finden wir hier eine »hermeneutische«
Anweisung, das zuvor Gesagte (auch) auf die Juden zu beziehen, und einen
pragmatischen Hinweis: Aus der Zitatensammlung ergibt sich als Resultat355
eine argumentative Sackgasse: Alle Einwände, die gegen die These von 3,9
erhoben werden könnten, sind hinfällig und die ganze Welt soll sich Gott
gegenüber als schuldig erweisen.

b) Literarischer Kontext (Röm 1,1–17)


Die Verse 1–15 enthalten nach dem ungewöhnlich stilisierten Briefeingang
(1,1–8) die Danksagung (1,9–12) und die apostolische Selbstempfehlung
(1,13–15), die v.a. dem persönlichen Wunsch des Paulus, die Gemeinde(n) in
Rom zu besuchen, Ausdruck verleiht. Formal schließt V. 16 mit gár als
Begründung an diesen Besuchswunsch an356; ein Wunsch, der in V. 15
ausdrücklich als ehuaggelísasqai bezeichnet wird. Dieser Wortgebrauch
entspricht dem Verständnis seines gesamten apostolischen Dienstes als eine
Ausdrucksform des »Evangelisierens« im Sinne einer Verpflichtung gegen-
über dem Evangelium357.

353 So die meisten modernen Kommentare.


354 Die Anführungsstriche deuten eine gewisse Distanz gegenüber der Objektsprache des
auszulegenden Textes an. Der pejorative Beigeschmack von »Differenz zum Volk Gottes«
und »Gottlosigkeit« ist sowohl dem deutschen Begriff »Heide« als auch dem griech. ‘eqnj
eigen. Desweiteren soll auch von Nichtjuden (ohne Anführungsstriche!) die Rede sein. Zur
Begrifflichkeit allgemein vgl. N. WALTER, Art. ‘eqnoß, EWNT 1,924–929; U. HECKEL, Das
Bild der Heiden und die Identität der Christen bei Paulus, in: R. Feldmeier / U. Heckel
(Hrsg.), Die Heiden (WUNT 70; Tübingen, 1994) 269–296.
355 Zu “ina in diesem Sinne vgl. BDR §391.5. Die beiden davon abhängigen Sätze sind
chiastisch strukturiert.
356 V. 16 knüpft mit gár an V. 15 an (WILCKENS I, 82, Anm. 95) und nicht an V. 14
(KÄSEMANN, 19).
357 DUNN, I, 34; gegen die sprachlich durchaus mögliche These von G. KLEIN, Der
Abfassungszweck des Römerbriefes, in: Ders., Rekonstruktion und Interpretation (BEvTh 50;
München, 1969) 129–144, Paulus plane eine »Re-Evangelisierung« der Christen und
Christinnen in Rom (vgl. dazu auch DUNN, I, lv–lvi). Im Übrigen anerkennt Paulus
170 III. Analyse paulinischer Texte

Das Proömium des Röm ist besonders aussagekräftig, weil Paulus als berufener Apostel seine
zwei »axiomatischen« Quellen, aus denen sein theologisches Denken seine Prämissen
bezieht, ins Spiel bringt: das christliche Kerygma (vgl. das »Credo« in 1,3f) und die
»Heiligen Schriften« Israels (1,2). Dass die Propheten Israels auf das Kernstück der
Verkündigung, das Evangelium, vorverweisen (1,2), zeigt, wie wenig beide Autoritäten für
Paulus in Spannung zueinander stehen. Besonders wichtig im Hinblick auf die Argumentati-
on, die in 1,16 einsetzt, sind die Aussagen über das Evangelium in 1,1–15. Interessant ist zum
einen die enge Verquickung der Person des Paulus mit dem Evangelium (nomen actionis für
dieselbige Verkündigung), die durch die Beauftragung Gottes zustande gekommen ist (1,1.9),
und zum anderen der zeitliche Vorbezug der Propheten Israels auf dieses Evangelium, das
vom davidischen Messias zeugt, wie dieser durch die Kraft der Auferstehung sein designier-
tes Ziel als Sohn Gottes erreicht (1,2–4). Die paulinische Evangeliumsverkündigung hat das
Ziel, unter den Nichtjuden den Glaubensgehorsam (1,5: e˙ß Hupako`jn pístewß) zu wecken.

Mit 1,16f stellt Paulus jene Hauptthese vor, die die Diskussion mindestens bis
Kap. 11 wenn nicht sogar für den gesamten Brief dominiert. Paulus setzt in
1,16 mit dem persönlichen Bekenntnis358 zur Evangeliumsverkündigung359
ein. Dabei legt die negative Formulierung nahe, dass die Verkündigung des
Evangeliums je nach Beurteilungsblickpunkt etwas ist, dessen man sich
schämen könnte360. Die Kategorie der Schande ist deswegen (gár) nicht auf
das Evangelium übertragbar, weil im Evangelium »göttliche Kraft« (dúnamiß
qeoü) und damit Gott selbst zur Wirkung gelangt361. Ziel dieser Dynamik
(e˙ß) ist die swtjría, also die Errettung im Gericht362. Die Verkündigung ist
als heilsame Kraft Gottes nur für jene wirksam, die glauben (dat. commodi),
Juden zuerst und auch Griechen.
Für Paulus setzt die Verkündigung des Evangeliums Gottes Kraft zum Heil
in Gang, weil (17: gár) sich darin etwas bisher Verhülltes zu erkennen gibt

ausdrücklich ihren Status als von Gott »gerufene« Heilsgemeinde (1,6f) und ihren öffentlich
wirksamen Glauben (1,8).
358 Die Aussage, dass er sich »nicht schämt« (ohu hepaiscúnomai), ist nicht psycholo-
gisch zu deuten. Vielmehr zeigt der Vergleich mit anderen NT-Texten (Mk 8,38; Lk 12,8; Joh
1,20; 2Tim 1,8.12.16; Heb 2,11; 11,16), dass Paulus hier vorgeprägte Bekenntnissprache
aufnimmt (vgl. WILCKENS I, 82; FITZMYER, 255).
359 Die Ambivalenz des ehuaggélion-Begriffs zwischen Vollzug der Verkündigung und
Inhalt derselben (WILCKENS I, 74f) sollte nicht je nach Kontext auf die eine oder die andere
Seite hin aufgelöst werden. Beide Aspekte sind bei Paulus untrennbar miteinander verbunden.
360 WILCKENS I, 82 führt dies plastisch aus. Die Anwendung der kulturanthropologischen
Binär-Kategorie Ehre/Schande auf die Evangeliumsverkündigung zeigt, dass diese unter dem
Vorzeichen der Ambivalenz steht (ähnlich das »Wort vom Kreuz« in 1Kor 1,18).
361 Ausdrücke aus dem semantischen Feld von »Kraft/Macht« sind so eng mit Gott
verbunden, dass Hj dúnamiß schlicht zur Umschreibung für Gott werden kann (vgl. etwa Mk
14,62: hek dexi¨wn kaq´jmenon t¨j ß dunámewß). Diese Nähe dokumentiert auch Paulus in
1,20: Ewige Kraft und Göttlichkeit gehören aufs Engste zusammen. Das Motiv von göttlicher
Kraft in einer von Menschen ausgehenden Verkündigung erinnert an das Verständnis des
prophetischen Wortes im Alten Israel.
362 Der Zusammenhang von Macht und Rettung gehört besonders zum Ausdruck des
Vertrauens in Not in den Psalmen (vgl. Y 20,2; 32,17; 53,3; 117,15; 139,8).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 171

(hen ahut¨^w hapokalúptetai)363, nämlich die dikaiosúnj qeoü364. Die


»Bedingung« des Glaubens, die in V. 16 bereits zur Sprache gekommen ist,
findet in der Begründung erneut Erwähnung: nur »aus Glauben« (hek
pístewß) gibt sich die im Evangelium wirksame Gerechtigkeit Gottes zu
erkennen365. Die Verknüpfung zwischen »Evangelium«, »Glaube« und
»Heil«, die Paulus über die Begriffe der Macht und der Gerechtigkeit Gottes
herstellt, sieht er bereits in ähnlicher Weise in der Schrift (kaq`wß gégrap-
tai), konkret in Hab 2,4, vorgebildet366.

2. Exegetische Anmerkungen
a) Röm 1,18–32367
Obwohl der Gedankengang dieses Abschnitts nicht schwer nachzuvollziehen
ist, drängt sich eine klare Strukturierung nicht von selbst auf368. Wenn man

363 Zum Begriff T. HOLTZ, Art. hapokalúptw, ktl., EWNT 1,312–317: Pagan im Sinne
von »etwas Verborgenes aufdecken« (etwa Lk 2,35: »damit die Überlegungen aus vielen
Herzen offenbar werden«); Paulus gebraucht Verb und Nomen in Bezug auf sein Damaskus-
erlebnis (Gal 1,12.16; 1Kor 9,1; 15,8). Der Zusammenhang zwischen Röm 1,17 und 1,18
zeigt, dass das Evangelium von der Gottessohnschaft Jesu (1,1–4) die Gottesgerechtigkeit aus
Glauben zu Glauben als eschatologisches Geschehen enthüllt. Vgl. zum Themenkomplex
M.N.A. BOCKMUEHL, Revelation and Mystery in Ancient Judaism and Pauline Christianity
(WUNT 2:36; Tübingen, 1990).
364 Der genaue Referenzbereich der syntaktischen Einheit ist bekanntermaßen nicht nur
schwer determinierbar, sondern im paulinischen Sprachgebrauch auf eine Art und Weise
erweitert worden, die nicht ohne weiteres an alttestamentlich-jüdische Sprachverwendungen
anknüpft (s.u. S. 172f).
365 Die Bedeutungserweiterung von e˙ß pístin gegenüber hek pístewß ist nicht evident.
Vielleicht will Paulus auf die Spannung aufmerksam machen, dass das Evangelium nicht nur
aus Glauben in seiner dynamischen Dimension erkannt wird, sondern auch auf diesen
Glauben (e˙ß) hinzielt.
366 Ho díkaioß // dikaiosúnj qeoü (17a); h ek pístewß // h ek pístewß e˙ß pístin (17a),
pantì t¨^w pisteúonti (16b); z´jsetai // dúnamiß ... e˙ß swtjrían (16b). Dabei leitet
kaq´wß im strengen Sinne keine Begründung ein, sondern eine Analogie, die sprachlich in
einer erkennbaren, wenn auch lockeren Beziehung zu 1,16–17a steht.
367 Literatur: C. BASEVI , El hombre y la sociedad según Rom 1,18–32, in: V. Collado
Bertomeu / V. Vilar Hueso (ed.), II Simposio Bíblico Español (Valencia, 1987) 305–319;
R.H. BELL, No One Seeks for God: An Exegetical and Theological Study of Romans 1.18–
3.20 (WUNT 106; Tübingen, 1998) 21–131; G. BORNKAMM, Die Offenbarung des Zornes
Gottes (Röm 1–3) (1935), in: Ders., Das Ende des Gesetzes: Paulusstudien (Ges. Aufs., 1;
BEvTh 6; München, 31966) 9–33; CAMPBELL, Natural Theology; H.-J. ECKSTEIN, ›Denn
Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbar werden‹: Exegetische Erwägungen zu Röm 1,18,
ZNW 78 (1987) 74–89; E. K LOSTERMANN, Die adäquate Vergeltung in Röm 1,22–31, ZNW
32 (1933) 1–6; W. POPKES, Zum Aufbau und Charakter von Römer 1.18–32, NTS 28 (1982)
490–501; PORTER, Romans 1.18–32; SCHMELLER, Diatribe, 225–286 (zu Röm 1,18–2,11); S.
SCHULZ, Die Anklage in Röm. 1,18–32, ThZ 14 (1958) 161–173.
368 Vgl. die Diskussion in POPKES, Aufbau.
172 III. Analyse paulinischer Texte

sich an Wortwiederholungen orientiert, so ist sicherlich die dreifache Abfolge


von (met)´jllaxan (23.25.26) und parédwken (24.26.28) das auffälligste
Merkmal369. Allerdings reicht dies für eine durchgehende Strukturierung
ebenso wenig aus wie andere Textmerkmale370. Inhaltlich lassen sich folgende
Zäsuren erkennen: Themaangabe (1,18), Vergehen (1,19–23), Negative
»Folgen« (1,24–32).
18 h Apokalúptetai gàr horg`j Denn der Zorn Gottes offenbart sich
qeoü 371 haph ohuranoü hepì vom Himmel (her) gegen
päsan hasébeian kaì hadikían jegliche Form von Gottlosigkeit und
hanqr´wpwn t¨wn t`j n hal´j qeian Ungerechtigkeit von Menschen,
hen hadikíâ katecóntwn, die die Wahrheit durch Unrecht aufhalten.

Der Anschluss von 1,18 an 1,16f wird in der exegetischen Literatur kontro-
vers diskutiert372. Dabei handelt es sich vornehmlich um eine Frage der
Gewichtung von Form gegenüber Inhalt: Der Form nach schließt 1,18 nicht
nur mit gár an 1,16f an, sondern bildet eine parallele Struktur zu 1,17373.
Rein formal würde es also nahe liegen, V. 18 neben V. 17 als zweite Begrün-
dung von V. 16 zu deuten: Paulus schämt sich nicht der Evangeliumsverkün-
digung, weil sich darin Gottes Gerechtigkeit und sein Zorn offenbaren374. Der
Inhalt jedoch widerstrebt dieser Lektüre aus zwei Gründen: Zum einen sind
dikaiosúnj und horg´j von ihren theologischen Verwendungszusammenhän-
gen her als Kontrastbegriffe aufzuffassen.
Die semantischen Konnotationen von dikaiosúnj qeoü sind meist im Sinne von Gottes
»bundesgemäßem Verhalten« positiv zu fassen 375. Daraus ergibt sich sachlich die Nähe von

369 Vgl.KLOSTERMANN, Vergeltung.


370 Dieeingehende Analyse von SCHMELLER, Diatribe, 266–273 kommt zu dem ernüch-
ternden Ergebnis, »daß sich 1,18–32 tatsächlich nicht befriedigend gliedern läßt« (272).
Anders SCHULZ, Anklage, 161: »Der Aufbau […] ist durchaus übersichtlich.«
371 Die syntaktische Einheit horg`j qeoü erscheint in den echten Paulinen nur hier (vgl.
aber Eph 5,6; Kol 3,6). Die Streichung des Genitivs in den Minuskeln 47, 1908 und
wahrscheinlich auch in der markionitischen Edition ist als lectio facilior kaum ursprünglich.
372 Vgl. die ausführliche Diskussion in BELL, No One Seeks, 12–17.
373 Dikaiosúnj gàr qeoü h en ahut¨^ w hapokalúptetai (1,17) steht parallel zu hapo-
kalúptetai gàr horg`j qeoü haph ohuranoü (1,18).
374 Von den neueren exegetischen Kommentaren hat diese Sicht am konsequentesten
CRANFIELD, I,106–110 zu begründen versucht (vgl. auch WILCKENS I,101f). CRANFIELD
beruft sich dabei v.a. auf die formale Struktur und meint, dass es »apart from a theological
presupposition that it is appropriate to contrast dikaiosúnj qeoü and horg´j qeoü« (106)
keinen Grund gäbe, von einer bewussten Kontrastierung zu sprechen. Es geht aber nicht um
die »presuppositions« heutiger Ausleger und Auslegernnen (die an sich auch immer zu
bedenken sind!), sondern darum, ob die Kontrastierung von »Gerechtigkeit« und »Zorn« zum
semantischen Vorwissen damaliger Rezipienten gehörte.
375 K. KERTELGE, Art. dikaiosúnj, EWNT 1,790. STUHLMACHER, 32: »die Heilswirk-
samkeit Gottes des Schöpfers und Richters, der für die Betroffenen Gerechtigkeit und
Wohlordnung schafft«. Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. P. STUHLMACHER,
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 173

Gottes dikaiosúnj zu seiner swtjría (wie in 1,16) 376, was jedoch nach atl.-jüd. Verständ-
nis keineswegs göttliches Richten ausschließt377. Wenn sich aber »Gerechtigkeit« und
»Zorn« nur äußerst schwer auf einen gemeinsamen Fluchtpunkt göttlichen Handelns beziehen
lassen 378, dann kann mit entsprechender Vorsicht geschlossen werden, dass die Kontrastie-
rung von dikaiosúnj und horg´j379 zu den rezeptionshistorischen Prämissen gehört, die die
Strategie des Textes voraussetzen kann. Das wird m.E. auch durch das innere Gefälle von
1,18ff gegenüber 1,16f deutlich, denn das Ziel der dikaiosúnj qeoü ist die swtjría (1,16),
am Ende der Offenbarung von Gottes horg´j steht jedoch der Tod (1,32)380.

Zum anderen scheint die Wendung haph ohuranoü in 1,18 einen Kontrast zu
hen ahut¨^w in 1,17 zu markieren381.

Gerechtigkeit Gottes bei Paulus (FRLANT 87; Göttingen, 21966) 102–184; J. SCHRÖTER,
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit: Das Gottesbild der Psalmen Salomos in seinem Verhältnis
zu Qumran und Paulus, NTS 44 (1998) 557–577.
376 In der LXX z.B. Y 39,11; 50,16; 70,15; 97,2; 118,123; OdPs 11,19; Jes 45,21; 46,13;
51,5–8; 56,1; 59,17; 62,1; 63,1.
377 Vgl. LXX Y 9,9; 34,24; 35,7; Jes 5,16; 63,1; Tob 3,2 usw.
378 Die Begriffe dikaiosúnj und horg´j besetzen im Griechischen der LXX (und in der
davon geprägten Literatur) bei theologischer Verwendung kein gemeinsames semantisches
Feld. Das ergibt sich aus dem mageren Ergebnis (19 Treffer) eines TLG-Suchlaufs nach
dikaio* in der Nähe von horg´j (im Abstand von 100 Zeichen) in LXX, Josephus, Philo,
JosAs, ApkAd, grApkBar, ApkEl, ApkEsr, ApkSedr, ApkZeph, ApokrEz, EpArist, AssMos,
TestXII, TestAbr, TestHiob, TestSal und dem NT. Dabei sind zunächst jene Texte auszu-
scheiden, die nicht von Gott reden (Y 57,11f; Prov 16,31f; 17,25f; Hiob 9,22f; SapSal 10,10;
Josephus, Ant 6,212; 16,264; 17,191; 18,254f; Bell 2,135; Jak 1,20). Aus dem NT erscheint
nur unsere Stelle, Röm 1,17f, und 3,5 (hier deutlich antithetisch). In Y 7,12 ist von Gott als
krit`jß díkaioß die Rede, dessen Langmut im Gericht darin sichtbar wird, dass er Zorn nicht
(anders MT) täglich über die Menschen bringt (m`j horg`j n hepágwn kaqh Hekástjn Hjméran).
Bezeichnend ist das Gebet Daniels in Dan 9,16: »Herr gemäß deiner Gerechtigkeit (katà
t`jn dikaiosúnjn) wende ab deinen Grimm und deinen Zorn (hapostraf´j tw Ho qumóß sou
kaì Hj horg´j sou) von deiner Stadt Jerusalem...« Einige Texte bezeugen, dass der Gerechte
vom göttlichen Zorn gerettet wird (Zeph 2,2f; Sir 44,17 von Noah). Am nächsten kommen
sich die beiden Begriffsfelder wahrscheinlich in Josephus, Ant 7,328: David betet zu Gott,
dass er sein Strafgericht gegen das Volk beende, weil es gerecht (díkaioß) sei, den Hirten zu
strafen aber nicht die Herde. Deswegen soll Gottes Zorn auf ihn (t`jn horg`jn e˙ß ahu tón) und
seine Nachkommen und nicht auf das Volk kommen. Die dikaiosúnj qeoü steht in einem
positiven Verhältnis zu seinem qumóß in LXX Jes 63,1–3 (Strafgericht gegen das »heidni-
sche« Edom zur Erlösung Israels). Jes 59,16–21 (LXX) umreißt ein ähnliches semantisches
Feld wie das für Röm 1,16ff charakteristische: dikaiosúnj, swtjría, hekdíkjsiß,
hantapodídwmi, horg´j, qumóß.
379 Vgl. (für viele andere) S TUHLMACHER, Gerechtigkeit Gottes, 98: »Gottes horg´j [ist]
ein hinter seiner dikaiosúnj zurücktretender Modus des Gotteshandelns.«
380 M. KONRADT, Gericht und Gemeinde (BZNW 117; Berlin, 2003) 498 macht auf zwei
weitere Kontraste aufmerksam: ‘axioi qanátou (1,32) und z´jsetai (1,17) stehen sich
gegenüber. Zudem markiert der Neueinsatz mit nunì dé in 3,21 einen Kontrast zur Gedan-
kenentwicklung in 1,18ff.
381 Mit FITZMYER, 277 u.a. Jedenfalls ist kaum davon auszugehen, dass in 1,18 »im
Evangelium« hinzugedacht und haph ohuranoü zu horg´j gezogen werden muss (so H.-M.
SCHENKE, Aporien im Römerbrief, ThLZ 92 [1967] 887f; CRANFIELD, I,111; WILCKENS
174 III. Analyse paulinischer Texte

Es sind demnach inhaltliche (und nicht formale Gründe382), die für eine
kontrastive Lektüre von 1,18ff gegenüber 1,16f sprechen383. Theologisch ist
daraus zu schließen, dass die Offenbarung des göttlichen Zorns nicht zur
Heilsoffenbarung des Evangeliums gehört384, sondern quasi als eigene
»Unheilsgeschichte« deren Negativfolie bildet385.
Ist die Wendung hapokalúptetai horg`j qeoü haph ohuranoü im engen
Sinne auf das eschatologische Verurteilungsgericht zu beziehen oder hat die
Offenbarung des göttlichen Zorns auch eine historisch immanente Dimensi-
on?386 Ob die Präsensform futurisch gebraucht wird387, hängt mit der Frage

I,102; W. PESCH, Art. horg´j, EWNT 2,1296). Dagegen ist einzuwenden, dass horg´j durch den
Genitiv qeoü bereits als einer anderen Sphäre zugehörig qualifiziert ist. Eine weitere
Bestimmung durch haph ohuranoü erscheint unnötig redundant. Dem Urteil KÄSEMANNS, dass
beide Verse »bewußt antithetisch parallelisiert« sind (31), kann ich daher nur zustimmen.
382 Der Anschluss mit gár hat mehr exegetische Aufmerksamkeit auf sich gelenkt als
nötig. Die Frage nach dem Verhältnis von »Gerechtigkeit Gottes« (1,17) zu »Zorn Gottes«
(1,18) ist ein zu schweres Gewicht für eine so vieldeutige Konjunktion. Der Fächer der
Möglichkeiten reicht von begründend bis locker anknüpfend (vgl. z.B. Bauer / Aland, 304f
und BDR §452). S. ZEDDA, L’uso di gár in alcuni testi di San Paolo, Studiorum Paulinorum
Congressus (AnBib 17–18; Rom, 1963) II, 445–451 unterscheidet zwischen beteuernder,
erklärender, kausaler, entgegengesetzter und folgernder Bedeutung. Entsprechend werden
gár in 1,18 die unterschiedlichsten Bedeutungen beigelegt, etwa als schlichte Übergangspar-
tikel (LIETZMANN, 31; KUSS, 35; Bauer / Aland, 305), im umfassenden Sinne begründend
(MICHEL, 111; KÄSEMANN, 31; CRANFIELD, I,110) oder als Ausdruck eines Gegensatzes
(ZEDDA, Gár, 449; WILCKENS I,101; FITZMYER, 277). Begründend und zugleich antithetisch
deutet DUNN I,54. M. ZERWICK / M. GROSVENOR, A Grammatical Analysis of the Greek New
Testament (Rom, 31988) 459 (zu V. 18): »gár normally explanatory, here merely continues
what goes before«.
383 Das ist zu Recht auch die heute mehrheitlich vertretene Meinung (vgl. u.a.
STUHLMACHER, Gerechtigkeit, 80; K ERTELGE, Rechtfertigung, 88; BASEVI, Rom 1,18–32,
307f). Das Urteil, das SCHENKE, Aporien, 888 bereits 1967 aussprach (»Das klingt zwar
schön – und man ist daran gewöhnt…«) sagt dennoch über den Wahrheitswert der hier
vertretenen These nichts aus.
384 KÄSEMANN , 32: »Der Zorn ist nicht Inhalt des Evangeliums.« Ähnlich H.
CONZELMANN, Art. Zorn Gottes, RGG3 6 (1962) 1931f: »[V]erkündet wird nicht Z[orn] und
Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit als Rettung angesichts des Z[orn]es, der bereits
waltet.« (kursiv original) KONRADT, Gericht, 498: »Das Evangelium gilt dem Menschen, der
unter dem Zorngericht steht. Der Aufweis dieser Unheilssituation ist aber nicht selbst Teil des
Evangeliums.«
385 DUNN, I,54: »The clear implication is that the two heavenly revelations are happening
concurrently, as well as divine righteousness, so also divine wrath.« K. KERTELGE, Gottes
Gerechtigkeit – das Evangelium des Paulus, in: Th. Söding (Hrsg.), Der lebendige Gott (FS
W. Thüsing; NTA 31; Münster, 1996) 186 mahnt jedoch trotz aller Gegensätzlichkeit von
Gerechtigkeit und Zorn, »keinen innergöttlichen Widerspruch« darin zu sehen, »sondern zwei
Weisen des Handelns Gottes am Menschen, die einander bedingen und so dessen tiefere
Einheit erweisen.«
386 Vgl. zur Auslegungsgeschichte ECKSTEIN , Gottes Zorn, 74–82.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 175

zusammen, ob die syntaktische Einheit horg`j qeoü so eindeutig und konse-


quent futurisch-eschatologischen Sinn hat, dass dieser semantische Eintrag
quasi »automatisch« auch auf das Verb übertragen werden kann. Vieles
spricht dafür, dass ein futurisches Verständnis von »Zorn« bei Paulus häufig
aber nicht ausschließlich belegt ist388.
Traditionsgeschichtlich gibt es im Hinblick auf den Topos vom »Zorn Gottes« keine
einheitliche Verwendungsweise389. Es wäre demnach für Paulus durchaus denkbar, dass er
neben dem eschatologisch-futurischen Gebrauch auch die Vorstellung vom gegenwärtig
wirksamen Zorn Gottes zur Sprache bringt. Bes. zwei Stellen stehen – neben Röm 1,18 – zur
Diskussion: In 1Thess 2,16 kann der Aorist ‘efqasen so verstanden werden, als ob Paulus
von einem Strafgericht Gottes gegen »die Juden« als ein Ereignis in der Vergangenheit reden
wollte390. Der Hinweis in Röm 13,4f auf die nicht näher qualifizierte horg´j, die im Strafhan-
deln der staatlichen Instanzen zum Ausdruck kommt, steht in einem zumindest indirekten
Bezug zum göttlichen Zorn. Gemäß 12,19 soll der Wunsch nach privater Rache dadurch
überwunden werden, dass er an die »höhere Instanz« von Gottes Zorn und Rache (unter
Hinweis auf Dtn 32,35) delegiert wird. Es ist also durchaus möglich den Stichwortanschluss
in 13,4f so zu verstehen, dass zumindest auf politischer Ebene der Staat, der immerhin von
Paulus in seiner strafenden Funktion als diákonoß qeoü bezeichnet wird, diesen »Zorn« auf
Erden durchsetzt. Ein völlig eindeutiger futurischer Gebrauch ist für Paulus nicht problemlos
feststellbar 391.

Auch die Wendung haph ohuranoü lenkt den Sinn nicht ohne weiteres in das
Vorstellungsfeld zukünftiger Eschatologie392:
Die Wendung bezeichnet ganz allgemein einen göttlichen Eingriff in menschliches
Geschehen 393, sowohl in heilvollem Zusammenhang 394 als auch im Zusammenhang des

387 So dezidiert ECKSTEIN, Gottes Zorn, dem sich BELL, No One Seeks, 14–16; HAACKER,
48 und KONRADT, Gericht, 498 anschließen.
388 Von Gottes Zornhandeln (interessanterweise nie verbal mit horgízw ausgedrückt) ist
im futurischen Sinn die Rede in Röm 2,5 (hen Hjmér^a horg¨jß); 2,8 (Konkretisierung von 2,5);
3,5 (Bezug zum Weltgericht in 3,6); 5,9 (Errettung vor dem Zorngericht); 9,22 (Zorn parallel
mit der vorbestimmten hap´wleia); 1Thess 1,10 (Errettung vor dem »kommenden Zorn« [hek
t¨jß horg¨jß t¨jß hercoménjß]); 5,9 (Christen sind nicht bestimmt zum Zorn). Relativ offen ist
der Gebrauch in Röm 4,15 (»das Gesetz bewirkt Zorn«); 12,19; 13,4f (dazu s.u.); 1Thess 2,16
(dazu s.u.) und auch in den Deuteropaulinen: Eph 2,3 (vorchristliches Leben = »von Natur
aus Kinder des Zorns«); 5,6 (der Zorn Gottes kommt [Präsens ‘ercetai] über die »Kinder des
Ungehorsams« = Kol 3,8).
389 Vgl. den materialreichen Exkurs in KONRADT, Gericht, 57–65. Eschatologisch-
futurisch sind z.B. Jes 13,9.13; Zeph 1,15.18; 2,2f; 3,8; Dan 8,19; Jub 24,30.
390 Vgl. aber die Kritik an dieser Deutung in K ONRADT, Gericht, 84–87.
391 Nur ein solcher, völlig klarer semantischer Bezug für horg`j qeoü könnte erklären,
warum Paulus es wohl aus stilistischen Gründen vorgezogen haben sollte, die Präsensform
von V. 17 zu wiederholen (wo sie eindeutig auch präsentischen Sinn hat und mit nuní in 3,21
zusammenhängt), statt schlicht im Futur zu formulieren.
392 Anders ECKSTEIN, Gottes Zorn, 84–85, der m.E. den Befund etwas zu einseitig aus-
wertet.
176 III. Analyse paulinischer Texte

Gerichts gegen Nichtjuden und Ungerechte395. Der enge Nexus zwischen Unrecht und
Strafgericht vom Himmel kommt in äthHen 91,7–9 eindeutig im Sinne eines endzeitlichen
Strafgerichts zur Sprache.

Die exegetische Frage nach der zeitlichen Dimension eschatologischer


Aussagen lässt sich angesichts der Vagheit von hapokalúptetai in 1,18
kaum beantworten396. Weder horg`j qeoü noch haph ohuranoü zwingen dem
Präsens eine futurische Bedeutung auf397. Es ist also exegetisch mit der
Möglichkeit zu rechnen, dass für Paulus der Zorn Gottes sich bereits jetzt als
offenbar erweist398. Ob es sinnvoll ist, die Hinweise auf Gottes Ȇbergeben
der Nichtjuden an ihre Leidenschaften« (parédwken: 24.26.28) und auf den
bereits erfolgten »Empfang des Lohnes für ihre Verirrung« (27) mit der
Offenbarung des göttlichen Zorns in Verbindung zu bringen, kann also von
1,18 aus nicht bereits negativ beantwortet werden399.
Objekt des Zorns ist »jegliche Form von Gottlosigkeit und Ungerechtig-
keit« (päsan hasébeian kaì hadikían). Das Wortpaar ist möglichst vage und
entsprechend umfassend zu verstehen400. Eine weitere semantische Ausdiffe-

393 In diesem Sinne stellen die Pharisäer in Mk 8,11 Jesus auf die Probe und suchen von
ihm »ein Zeichen vom Himmel«. Besonders in der Endzeit werden »vom Himmel« gewaltige
Zeichen geschehen (Lk 21,11).
394 Das Manna als »Brot vom Himmel« (SapSal 16,20; vgl. Josephus, Ant 4,45) oder
göttlicher Beistand »vom Himmel« bei einer Schlacht gegen eine feindliche Überzahl
(2Makk 8,20; 11,10; 15,8).
395 Auf die Erzählung von der Vernichtung Sodoms (Gen 19; vgl. LXX 19,24: pür parà
kuríou hek toü ohuranoü) geht das Bild vom »Feuer vom Himmel« zurück (Lk 9,54; 17,29;
TestAbr (Rec A) 10; ganz anders konnotiert ist hingegen Philos »ätherisches Feuer«, das vom
Himmel auf dem Altar liegt [VitMos II,158]). Vgl. auch Sir 46,17f (Gottes Stimme erbebt
»vom Himmel« gegen die Philister).
396 Erwägenswert ist der Vorschlag von SCHMELLER, Diatribe, 236, die Spannung der
Präsensform »aus einer Verbindung apokalyptischer und weisheitlicher Traditionen« zu
erklären.
397 Der Hinweis, dass hapokalúptesqai zur typischen Begrifflichkeit eschatologischer
Vorstellungen gehört (ECKSTEIN, Gottes Zorn, 83), wäre nur unter der Annahme, dass das
»Futurische« zum Wesen des »Eschatologischen« gehörte, ein überzeugendes Argument
gegen eine präsentische Dimension von 1,18. Dass hapokalúptesqai eschatologische und
präsentische Bedeutung haben kann, lässt sich angesichts von 1,17 jedoch kaum in Zweifel
ziehen.
398 So auch (mit unterschiedlichen Akzentsetzungen) DUNN, I,54; FITZMYER, 278; LOHSE,
86; PESCH, horg´j, 1295f u.a.
399 BORNKAMM, Offenbarung, 12; ECKSTEIN, Gottes Zorn, 78f u.a. weisen jedoch darauf
hin, dass die Vorstellung vom jetzt wirksamen Zorn Gottes nicht zur Bestimmung der
jetzigen Zeit als einer durch die Nachsicht Gottes (hanoc`j qeoü) geprägten (3,25f) passe.
Aber im Zusammenhang von 1,18–32 versucht Paulus, in polemischer Überspitzung und
unter Rückgriff auf bekannte antipagane Topoi, das Schicksal der Nichtjuden ohne Evangeli-
um möglichst schwarz zu malen.
400 h Asébeia (bei Paulus sonst nur noch in 11,26; h aseb´jß in 4,5 und 5,6) gehört zum
Wortfeld der Hamartía (1Tim 1,9; 1Petr 4,18; Jud 15). Im hellenistischen Kontext geht es bei
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 177

renzierung scheint angesichts der anklagenden Steigerung bis zum Lasterkata-


log in 1,29–31 kaum ratsam401. Vom Zorn betroffen sind jene Menschen, die
»die Wahrheit durch Unrecht aufhalten« (t¨wn t`jn hal´jqeian hen hadikíâ
katecóntwn). Der Begriff der Wahrheit kann an dieser Stelle kaum seman-
tisch eingegrenzt werden. Der mehrmalige Gebrauch im Makrokontext von
Röm 1–3 vermag jedoch ein klareres Verständnis zu fördern:
In 1,25 steht die »Lüge« (yeüdoß), die sich in der Praxis der Götzenverehrung ausdrückt, der
»Wahrheit Gottes« (Hj hal´j qeia toü qeoü) kontradiktorisch gegenüber. Es liegt nahe, den zu
bestimmenden Ausdruck auf die Erkenntnis Gottes in den Werken der Schöpfung (19–21a)
zu beziehen und dies, einer Spur in 2,20 folgend, auch auf die Offenbarung in der Torah
auszuweiten (das Gesetz ist »Verkörperung der Erkenntnis und Wahrheit« [Hj mórfwsiß t¨j ß
gn´wsewß kaì t¨jß haljqeíaß]). »Wahrheit« umschreibt, wie 2,8 deutlich macht, nicht
einfach einen rein intellektuellen Erkenntnisakt, sondern einen solchen, der ethische
Konsequenzen impliziert. Daher stehen »Wahrheit« und »Ungerechtigkeit« (hadikía) in
Antithese zueinander (s.a. Tob 4,5f; Y 118,29f).

Die Formulierung greift der Darstellung der verhängnisvollen Schuldspirale


von Erkenntnis und Verkehrung in 1,19ff und 2,1ff voraus. V. 18 kann daher
als These für den gesamten Abschnitt 1,18–3,20 gelesen werden402. Die
Bedeutung der göttlichen Wahrheit erschöpft sich nicht in der rein rationalen
Erkenntnis seines Wesens, sondern kommt erst in einem gerechten Leben zur
vollen Geltung. Daher halten die Menschen durch (hen instrument.) ihr
Unrecht diese praktische Dynamik der Wahrheit zurück (katécw).
19 dióti tò gnwstòn toü qeoü Deshalb ist das, was von Gott erkennbar ist,
fanerón hestin hen ahutoïß≥ unter ihnen offenkundig,
Ho qeòß gàr ahutoïß hefanérwsen. weil Gott es ihnen offenbar gemacht hat.
Der Anschluss mit dióti ist am ehesten begründend (»deshalb«) zu verstehen,
wobei das folgende gár zur Verstärkung dient403. Sachlich begründen jedoch
VV. 19f nicht die Offenbarung des göttlichen Zorns (18a), sondern das
schuldhafte »Zurückhalten« der Wahrheit (18b)404. Das Verbaladjektiv tò

hasébeia um das fehlende Verhältnis zu den Göttern. Aufgrund des engen Bezugs von
Theologie und Ethik wird der Begriff jedoch im hellenistischen bereits in einem weiteren
ethischen Sinn benutzt (vgl. P. FIEDLER, Art. haseb´jß, ktl., EWNT 1,405f). An der Seite von
hadikía begegnet das Wort auch in Y 72,6; Prov 11,5; Hiob 36,18; Hos 10,13; Mi 7,18; Philo
Imm 112; SpecLeg I,214; Praem 105; Conf 152; grHen 13,2.
401 Die beiden Begriffe sind am ehesten als Hendiadyoin zu fassen, woran das beiden
vorangestellte päsan denken lässt (DUNN, I,55f; FITZMYER, 278). Die Wiederholung von
hadikía in 1,29; 2,8 und 3,5 macht zudem deutlich, dass es sich um einen vagen Sammelbeg-
riff handelt. Einen Unterschied zwischen hasébeia und hadikía sehen MICHEL, 98f;
SCHLATTER, 49 (dagegen FIEDLER, haseb´jß, 406); KONRADT, Gericht, 499 mit Anm. 110.
402 WILCKENS, I, 95; DUNN, I,56; KONRADT, Gericht, 497 u.a. Im Hinblick auf 1,18 kann
jedoch von einer »Überschrift« im technischen Sinne (vgl. allgemein MAYORDOMO, Anfang,
206–208) nicht gesprochen werden.
403 Dióti gefolgt von gár begegnet bei Paulus noch in Röm 3,20 und 8,7.
404 BELL, No One Seeks, 35.
178 III. Analyse paulinischer Texte

gnwstón bezeichnet entweder das »Bekannte« (das, was man weiß)405 oder
das »Erkennbare« (das, was man wissen kann)406. Letzteres ist wohl vorzu-
ziehen, da sich dadurch die Redundanz der Aussage (im Sinne von »Das
Bekannte ist ihnen bekannt«) vermeiden lässt407. Wichtig ist die Wiederho-
lung der Wurzel faner-408, wodurch unterstrichen werden soll, dass das von
Gott Erkennbare nicht unabhängig von Gottes eigenem Offenbarungshandeln
den Menschen bekannt ist. Auch die »natürliche« Gotteserkenntnis gründet
auf Offenbarung.
Theologisch ist anhand dieses Textes (und 2,14f) immer wieder die Frage nach der Möglich-
keit »natürlicher« Gotteserkenntnis gestellt worden 409. Oft werden dabei gewichtige
systematische Fragen an den Text herangetragen, die ihn als Entscheidungsinstanz in einer
zum Teil konfessionell gefärbten Diskussion schlicht überfordern. Es ist aber kaum zu
leugnen, dass Paulus hier ganz im Sinne der hellenistisch-jüdischen Weisheitstheologie
formuliert, bei der der Bezug zwischen göttlicher Verborgenheit und »natürlicher« Einsicht in
der Schwebe zu bleiben scheint410. Eine Antithese zwischen göttlichem Offenbarungshandeln
in 1,19 und menschlicher Vernunfterkenntnis in 1,20 scheint nicht zu bestehen 411.
20 tà gàr haórata ahutoü Denn sein unsichtbares (Wesen) lässt sich seit
hapò ktísewß kósmou der Schöpfung der Welt
toïß poi´jmasin nooúmena durch die vernünftige Wahrnehmung der
kaqorätai, “j te haVidioß ahutoü Schöpfungswerke deutlich erkennen, nämlich
dúnamiß kaì qeiótjß, e˙ß tò seine ewige Kraft und Gottheit,
e~inai ahu toùß hanapolog´jtouß≥ so dass (damit) sie ohne Entschuldigung sind.

405 LXX Jes 19,21; Hes 36,32; Apg 1,19; 2,14; 15,18; 28,22; Joh 18,15. So versteht
offenbar Vulgata quod notum est Dei. Vgl. R. BULTMANN, Art. gin´wskw ktl., ThWNT 1
(1933) 719: »Gott in seiner Erkennbarkeit« (analog tà haórata ahutoü in V. 20); BELL, No
One Seeks, 36–38; DUNN, I,56: »[W]hat is common knowledge about God.«
406 LXX Gen 2,9; Sir 21,7; Philo, All I,60f.
407 CRANFIELD, I,113.
408 Das Verb fanerów bedeutet »bekannt, offenbar, sichtbar machen« (P.-G. MÜLLER ,
fanerów ktl., EWNT 3,988–991). Das Wort wird bei Paulus fast synonym zu hapokalúptw
gebraucht (vgl. 1,17 mit 3,21). Einen anderen Akzent setzt jedoch M.N.A. BOCKMUEHL, Das
Verb fanerów im NT, BZ 32 (1988) 87–99.
409 Vgl. K. KERTELGE, ›Natürliche Theologie‹ und Rechtfertigung aus dem Glauben bei
Paulus, in: Ders., Grundthemen paulinischer Theologie (Freiburg i.Br., 1991) 148–160.
410 Die relevanten Quellen bezeugen ebenso die Verborgenheit Gottes (Ex 33,20; Dtn
4,12; Sir 43,31; Philo, Som I,65f.68f; Josephus, Bell 7,346; Ap 2,167) wie die Möglichkeit
einer reduzierten Erkenntnismöglichkeit anhand der Schöpfung (SapSal 12–15; SibOr 3,8–
35). Letztere Vorstellung verdankt sich sicherlich dem Einfluss allgemein philosophischer
Überzeugungen (vgl. Plato, Tim. 28a–30c; 32a–35a; Ps.-Aristoteles, De Mundo VI 397b–
398b; Cicero, Tusc. Disp. I 29,70).
411 Anders M.D. HOOKER, Adam in Romans I, NTS 6 (1959/60) 299, die den Begriff der
»natürlichen Theologie« für diese Stelle mit der Begründung ablehnt, dass Paulus hier »of a
definite divine revelation« rede und nicht »of a knowledge of God to which men have by their
reasoning attained«. M.E. sagt Paulus beides!
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 179

Mit gár wird ausgeführt, wie sich das »Offenbarmachen« vollzieht. Seit der
Schöpfung (hapò ktísewß kósmou)412 lassen sich einige unsichtbare We-
senszüge Gottes deutlich und dauerhaft (duratives Präsens) erkennen (kaqo-
ráw)413. Diese Aussage wird vierfach qualifiziert: Die Wesenszüge des
unsichtbaren Gottes werden epexegetisch erläutert als seine ewige Kraft
(dúnamiß) und Gottheit (qeiótjß)414. Die Erkenntnis des unsichtbaren Gottes
geschieht durch die geschaffenen Dinge (toïß poi´jmasin instrumentaler
Dativ). Das Partizip nooúmena modifiziert die Hauptaussage und verweist
auf die Bedeutung der vernünftigen Wahrnehmung. Schließlich mündet die
Aussage darin, dass die Menschen »ohne Entschuldigung« sind (hanapoló-
gjtoß)415. In welchem Verhältnis aber stehen Erkenntnis und Schuld zueinan-
der? Die Wendung e˙ß tò e~inai wird zwar nach grammatikalischer Regel am
häufigsten final (»damit«) gebraucht, die meisten Ausleger deuten hier jedoch
im konsekutiven Sinn (»so dass«)416.
Obwohl V. 20 aufgrund der allgemeinen Abstraktheit und Vagheit der
verwendeten Begriffe zu sehr unterschiedlichen Deutungen Anlass geben
könnte, erlaubt die ideengeschichtliche Nähe zu verwandten Vorstellungsfel-
dern eine gewisse Einschränkung: Der unsichtbare Gott gewährt durch seine
Schöpfungswerke der vernünftigen Wahrnehmung einen Einblick in seine
Macht und Gottheit417. Daraus folgt als Konsequenz, dass die Nichtjuden,
deren Ungerechtigkeit hier zunächst einfach vorausgesetzt wird, für schuldig
erklärt werden können418.

412 Die hapó-Wendung ist am ehesten zeitlich zu verstehen. Vgl. FITZMYER, 280 und
PsSal 8,7: »Ich bedachte die Gerichte Gottes seit der Schöpfung von Himmel und Erde (hapò
ktísewß ohuranoü kaì g¨jß), ich hielt Gott für gerecht in seinen Gerichten von Ewigkeit
(haph a˙¨wnoß) her.« (Holm-Nielsen, JSHRZ)
413 Das Wortspiel mit zwei entgegengesetzten Begriffen aus der Wortfamilie Horáw
(haórata und kaqorätai) ist kaum zufällig zustandegekommen und verdient die Bezeich-
nung »Oxymoron«.
414 Die Begrifflichkeit begegnet in SapSal 2,23 (haV idioß); 13,4 (dúnamiß) und 18,19
(qeiótjß).
415 Das seltene Adjektiv kann auch »ohne Verteidigung« bedeuten (vgl. LSJ 177). Der
anklagende Charakter des Abschnitts legt (ebenso wie in 2,1) den Sinn auf »ohne Entschuldi-
gung« fest. In diesem Sinne auch in Polybius XII 12,10: »So schwerwiegende Fehler lassen
keine Entschuldigung zu.« (übers. Hans Drexler, BAW, 1963, II, 806)
416 CRANFIELD, I,116; FITZMYER, 281; KÄSEMANN, 38; LOHSE, 89 u.a. Die finale Deu-
tung ist theologisch schwerer: Gott würde sich durch seine Schöpfung mit dem Ziel zu
erkennen geben, dass die Menschen schuldig werden.
417 Paulus knüpft hier deutlich an philosophische Traditionen (besonders stoischer Natur)
an: Ps.-Aristoteles, De Mundo VI 339b,14ff; Plutarch, Mor. 398A; 665A; weitere Texte in
NW II/1, 17–22. Jüdisch rezipiert in SapSal 2,23; 7,26; 13,5; Philo, VitMos II,65; SpecLeg
I,20; All III,97–99; Praem 41–46; Op 69–71 (Auszüge der letzten drei Texte in NW II/1, 14–
17); Josephus, Bell 7,346.
418 Eine in Motivik wie in Gedankenanordnung besonders nahe Parallele findet sich in der
Synagogenpredigt Ps.-Philo, Jon 4–5 §10–19 (übers. Siegert, 10f; auszugsweise auch in NW
180 III. Analyse paulinischer Texte

21 dióti gnónteß tòn qeòn Denn obwohl sie Gott erkannt haben,
ohuc Hwß qeòn hedóxasan ’j verherrlichen sie ihn nicht und
jhucarístjsan, hallh hematai´w- danken ihm nicht als Gott;
qjsan hen toïß dialogismoïß sie verfallen vielmehr dem Nichtigen
ahut¨wn kaì heskotísqj Hj in ihren Gedanken und ihr unverständiger
hasúnetoß ahu t¨wn kardía. Sinn verfinstert sich.
Der Wechsel vom Präsens in VV. 18–20 zum Aorist in 21–23 ist vom Verbalaspekt419 und
nicht von der Vorstellung eines bestimmten zeitlichen Abfolgeverhältnisses abhängig 420.
Porter sieht in Röm 1,18ff ein besonders anschauliches Beispiel für den »zeitlosen« Gebrauch
der Aorist-Form421. Fanning, der sich ausführlich mit dem Aorist Indikativ beschäftigt422,
sieht als wichtigste Aspektart die einfache »konstatierende« Funktion423. Eine sachgerechte
Übertragung ins Deutsche ist schwer, v.a. wenn der Eindruck eines konkreten Zeitbezuges
vermieden werden soll424. Die folgende Arbeitsübersetzung schwankt daher zwischen Perfekt
und Präsens.

Der Begründungssatz (dióti) erklärt, warum die Nichtjuden keine Entschul-


digungen vorbringen können. Denn obwohl (konzessives Partizip) sie bis zu

II/1, 12f): Die Niniviten haben in der Natur alle Wohltaten Gottes erfahren (10f), aber – wie
sich Gott durch den Mund des Propheten wundern muss – sie verweigern ihm den Dank, den
sie ihm schuldig waren (12a; vgl. auch 32 §124). Ihre Undankbarkeit hat sie blind gemacht,
so dass sie nicht einmal mehr wissen, »wer ihr Wohltäter ist« (12b). Zur Strafe wird Gott
ihnen seine Wohltaten entziehen (13), denn mit »Augen, die zur Erkenntnis des Baumeisters
der Welt (gegeben sind), sehen sie nicht« (14; theologisch ausgeführt in 32–35 §125–135).
Ihre Abkehr von Gott äußert sich in Bosheit gegeneinander (15–17). Deswegen soll der
Prophet der Stadt »Untergang« und »qualvollen Tod« verkündigen (18f). Im Vergleich zu
Röm 1,19ff fehlt lediglich der Topos vom Götzendienst. Viele Berührungspunkte verbinden
Röm 1,18–32 auch mit SapSal 13,1–9. Vgl. weiterhin AssMos 1,12f.
419 Vgl. generell S.E. PORTER, Verbal Aspect in the Greek of the New Testament (Studies
in Biblical Greek 1; New York, 1989); B.M. FANNING, Verbal Aspect in New Testament
Greek (Oxford Theological Monographs; Oxford, 1990). Mit »Verbalaspekt« wird der
besondere Blickpunkt (»point of view«) bezeichnet, unter dem ein Sprachbenutzer oder eine
Sprachbenutzerin die Verbalhandlung betrachtet.
420 Die These, dass 21–23 gegenüber 18–20 als vorzeitig zu denken sei, ist im gegenwär-
tigen Kontext widersinnig. Kaum auszudenken, welche weitreichenden geschichtstheologi-
schen Konzeptionen Paulus dadurch zugemutet werden könnten!
421 PORTER, Verbal Aspect, 236. Ähnlich spricht LOHSE, 88 von einem »gnomisch ver-
standenem Aorist«.
422 FANNING, Verbal Aspect, 86–98.255–282. Zusammenfassend zum Aorist: »According
to this approach, the aorist is a viewpoint aspect […] in that it reflects the speaker’s or
writer’s focus or perspective on the occurrence itself.« (97)
423 FANNING, Verbal Aspect, 255–261 (S. 259 zu Röm 1,21). Der Aorist bezieht sich nicht
auf einmalige, sondern häufig auf mehrmalige Handlungen (»multiple occurrences«), worauf
v.a. adverbiale Erweiterungen und andere kontextuelle Elemente hinweisen (S. 258).
424 Die Schwierigkeit, im Rahmen einer rein zeitlichen Auffassung der Aoristformen dem
Text gerecht zu werden, spiegelt eine Aussage in A.J.M. WEDDERBURN, Adam in Paul’s
Letter to the Romans, in: E.A. Livingstone (ed.), Studia Biblica 1978 (JSNT.S 3; Sheffield,
1980) III, 419 wider: »This story is not timeless – compare the aorists of vv. 21ff –, but it is
not to be pinned down to any particular point in the OT story.«
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 181

einem gewissen Grad zur Erkenntnis Gottes vordringen (anders 1Kor 1,21)425,
haben sie daraus nicht die korrekten »Konsequenzen« Gott gegenüber
gezogen. Der für Paulus einzig angemessene Zusammenhang wäre einer, der
von der Erkenntnis zur Anerkennung Gottes in Verherrlichung und Dank
führt. Es ist unvorstellbar, dass man Gott erkennt, aber ihm die Dankbarkeit,
die ihm als Gott gebührt426, versagt427.
Es kommt statt dessen zu einem anderen, verhängnisvollen Verlauf der
Geschichte, der besonders im Bereich der Gedanken (hen toïß dialogismoïß)
und des Sinns (kardía) seinen Anfang nimmt428: Die Menschen »verfallen
dem Nichtigen« (Pass. von mataiów) in ihren Gedanken (21b)429 und ihr
unverständiger Sinn wird verfinstert (21c). M.E. sind die passiven Verben
nicht theologisch zu deuten, so als ob die Vernebelung der Gedanken bereits
eine Wirkung des göttlichen Zorns wäre430. Ein solcher Vorgriff auf den
Gedankengang von V. 24 würde dem dort ausgedrückten Begründungszu-
sammenhang die rhetorische Spitze nehmen431.
Logisch muss gefragt werden, ob die beiden Reaktionsmöglichkeiten, Gottesanbetung oder
Götzenverehrung, konträr zueinander stehen oder kontradiktorisch, sprich: ob nur die eine
oder die andere gewählt werden kann (kontradiktorisch) oder ob es noch andere Alternativen
zu beiden gibt (konträr). Letzteres würde die Frage implizieren, ob es möglich ist, Gotteser-
kenntnis nicht in Verherrlichung münden zu lassen und dabei aber zugleich nicht den
Eitelkeiten paganer Götzenverehrung zu verfallen432. Diese Möglichkeit scheint 2,26f
tatsächlich ins Auge zu fassen.

425 Es geht hierbei nicht um eine bloße Möglichkeit der Gotteserkenntnis, sondern um ein
tatsächliches Erkennen (P.J. GRÄBE, The Power of God in Paul’s Letters [WUNT 2:123;
Tübingen, 2000] 188).
426 Die Wendung Hwß qeón impliziert einen Sachzusammenhang zwischen Erkenntnis
Gottes und einen ihm gebührenden Verhalten.
427 Vgl. 4Esr 8,60 sagt von denen, die zugrunde gehen: sie »befleckten […] den Namen
dessen, der sie gemacht hat. Sie waren undankbar gegen ihn, der ihnen doch das Leben
bereitet hat.« (JSHRZ, Schreiner)
428 Eph 4,17–19 zählt die Schuld der Nichtjuden in ähnlicher Reihenfolge auf: »Nichtig-
keit des Sinns«, »verfinsterter Verstand« und »Ausschweifung«.
429 Das Verb mataiów im Passiv ist eng verbunden mit der Vorstellung des Götzendiens-
tes und verweist damit bereits auf V. 23. Vgl. zum Begriff 4Bas 17,15 (das abgefallene Volk
handelt wie die »Heiden«, indem es nichtigen Götzen folgt und Nichtiges treibt [heporeúqj-
san hopísw t¨wn mataíwn kaì hematai´wqjsan]) und Jer 2,5. Götzen, falsche Götter und
Geister werden in der LXX als mataíoi bezeichnet (Lev 17,7; 3Bas 16,2.13.26; 2Chron
11,15).
430 So deutet FITZMYER, 283: »Paul regards this futility of thinking and misguided con-
duct as manifestations of the wrath of God, not provocations of it.«
431 Ähnlich POPKES, Aufbau, 496 zu 1,24: »Wiesen vorher die Passiva auf inhärente, im
Tat-Ergehen-Zusammenhang angelegte Konsequenzen, so ist jetzt direkt von Gottes
Verhalten die Rede.«
432 Immerhin müsste ja Paulus bekannt gewesen sein, dass nicht alle Nichtjuden im
jüdischen Sinne »Götzenverehrer« waren!
182 III. Analyse paulinischer Texte

22 fáskonteß e~inai sofoì Obwohl sie behaupten, Weise zu sein,


hemwránqjsan, machen sie sich zu Narren,
23 kaì ‘jllaxan t`jn dóxan toü und sie haben die Herrlichkeit des
hafqártou qeoü unvergänglichen Gottes vertauscht mit
hen Homoi´wmati e˙kónoß fqartoü der Gestalt eines Abbildes von einem
hanqr´wpou kaì petein¨wn kaì vergänglichen Menschen, von Vögeln,
tetrapódwn kaì Herpet¨wn. Vierbeinern und Kriechtieren.
Diese »noetische« Verblendung wird in V. 22 nochmals beurteilt als ein
Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Diejenigen, die sich für
»Weise« halten, machen sich selbst zu »Narren«433. Daraus folgt in V. 23, für
jüdische Ohren kaum unerwartet, der konkrete Vorwurf des Götzendiens-
tes434. Die Zurückhaltung der Wahrheit durch Unrecht (1,18) vollzieht sich
hier praktisch in Form einer »Vertauschung«435. Die in der Schöpfung
erkannte Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes wird nun mit der Gestalt
des Abbildes von vergänglichen Menschen oder Tieren (vgl. Dtn 4,15–18)
vertauscht436. Gottes »beeindruckende Schwere«, sein »Ruhm und Glanz«
(dóxa), steht zu den Götzenbildern in einem kontradiktorischen Gegensatz
wie Unvergänglichkeit zu Vergänglichkeit. Dass Bildnisse von Tieren
angebetet werden, galt nach jüdischer Überzeugung als eine besondere
schillernde Form der Verirrung437.
24 Diò parédwken ahutoùß Ho qeòß hen Deshalb hat Gott sie den Begierden ihres
taïß hepiqumíaiß t¨wn kardi¨wn ahu t¨wn Sinns in die Unreinheit übergeben,
e˙ß hakaqarsían toü hatimázesqai so dass ihre Körper durch sie selbst
tà s´wmata ahu t¨wn hen ahu toïß, verunreinigt werden;

433 Auchdas ist ein weit verbreiteter polemischer Topos (vgl. Texte in NW II/1, 22–26).
434 DieseZuspitzung auf den Götzendienst spricht m.E. gegen die These, die atl. Adam-
Geschichte bilde die Folie für Röm 1,18–32 (so HOOKER, Adam«; WEDDERBURN, Adam,
413–419; DUNN, I, 53.60f). Vgl. auch die Kritik in FITZMYER, 274f.
435 Das Verb hallássw bedeutet »verändern, vertauschen« (Apg 6,14 von der Verände-
rung der Gebräuche; 1Kor 15,51f von der Verwandlung des Körpers in der Auferstehung; Gal
4,20 vom Wechsel der Stimme; Hebr 1,12 vom Kleiderwechsel) und wird wie ein Cantus
firmus mit metallássw in Röm 1,25 und 1,26 wieder aufgenommen.
436 Die Formulierung ist vielleicht von Ps 106,20 (Y 105,20) her inspiriert. Hier heißt es
von der Anbetung des Goldenen Kalbs: »und sie verwandelten ihre Herrlichkeit (hjlláxanto
t`jn dóxan ahut¨wn) in die Gestalt (hen Homoi´wmati) eines Gras fressenden Ochsen.« In Jer
2,11 wird dem Volk vorgeworfen, dass ihr Götzendienst gegenüber dem der »Heiden« ein
schwereres Vergehen bedeutet, weil diese »ihre Götter wechseln (halláxonati ‘eqnj qeoùß
ahut¨wn), die doch keine sind«, aber das Volk Gottes »hat seine Herrlichkeit eingetauscht
(hjlláxato t`j n dóxan ahu toü) gegen das, was nichts nützt«. N. HYLDAHL, A Reminiscence
of the Old Testament at Romans i.23, NTS 2 (1955/56) 285–288 reichert die intertextuellen
Bezüge noch durch Dtn 4,15–18 und Gen 1,26f an, so dass sich am Ende Röm 1,23 als
patchwork von vier Stellen lesen lässt. Vgl. auch 1QH 5,36.
437 SapSal 11,15f; 12,23–26; 13,10; s.a. Philo, Decal 76–79; LegGai 162f (beide in NW
II/1, 29f).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 183

25 o“itineß met´jllaxan t`j n hal´j qeian sie, die doch (insofern, weil sie) die
toü qeoü hen t¨^w yeúdei, Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen
kaì hesebásqjsan kaì helátreusan und das Geschöpf verehren und ihm dienen
t¨∆ ktísei parà tòn ktísanta, anstelle des Schöpfers,
“oß hestin ehulogjtòß e˙ß toùß der gelobt sei in Ewigkeit.
a˙¨wnaß≥ ham´jn. Amen!

Nach 19b erscheint Gott wieder als Subjekt des Geschehens. Umstritten ist, in
welchem Bezug dies zur Offenbarung seines Zorns (1,18) steht und wie seine
Rolle zu deuten ist. Sprachlich ist dió als Angabe der direkten Folge der
»Vertauschung« von Unvergänglichem mit Vergänglichem zu verstehen.
Das Verb paradídwmi bedeutet im einfachsten Sinne »jdn. oder etwas übergeben, aushändi-
gen«, wobei meist die Übergabe an eine höhere Instanz impliziert ist438. Das Verb kann auch
die Bedeutung haben von »anvertrauen« im Sinne einer göttlichen Offenbarung/Beauftragung
(vgl. Mt 11,27par; 25,14.20.22; Lk 4,6; Joh 19,11 passivum divinum) und damit auch für die
mündlichen Rechtsüberlieferungen (Mk 7,13; Apg 6,14) und die christliche Überlieferung
(Lk 1,2; Apg 16,4; 1Kor 11,23; 15,3; Jud 3) gebraucht werden. Im religiösen Sinne wird es
auch für die Hingabe an Gott (Apg 14,26; 15,26.40; 1Kor 3,3; 1Petr 2,23) benutzt439.
Theologisch für unseren Text interessant sind Aussagen, die »Gott« als Subjekt von
paradídwmi aufführen: Das AT belegt sehr häufig die Vorstellung, dass Gott entweder die
Heiden dem Volk Israel in die Hände gibt, damit diese den Sieg davontragen 440, oder
umgekehrt, dass er als Strafe Israel »hingibt« 441. An drei Stellen steht diese Gotteshingabe in
direktem Zusammenhang mit Gottes Zorn442. Diese strafende Übergabe Gottes ist häufig die
Folge vorläufiger Verfehlungen, v.a. Folge von Götzendienst443.

438 Die ausführlichste Wortuntersuchung findet sich in W. POPKES, Christus traditus


(AThANT 49; Zürich, 1967) 11–129. Häufig bezeichnet das Verb die »Übergabe« eines
Menschen an eine gerichtliche Instanz (Mt 5,25; 10,17.19par; 20,18f; 27,2.18par; Joh 18,35f;
Apg 3,13; 21,11), ins Gefängnis oder zur Bewachung (Mt 4,12par; 18,34; Apg 8,3; 12,4;
22,4; 27,1; 28,17), zum Tod durch Hinrichtung (Mt 10,21; 24,9f; 26,2.45; 27,26; Mk 9,31;
2Kor 4,11) oder (als religiöser Rechtsakt) an den Satan (1Kor 5,5; 1Tim 1,20) oder das
göttliche Gericht (2Petr 2,21). In diesem Sinne wird auch der Verrat des Judas als »Überga-
be« verstanden (Mt 10,4par; 26,15f.21.23–25.46.48par; 27,3f; Joh 6,64.71; 12,4; 13,2.11.21;
18,2.5; 19,16).
439 Zur Deutung von Jesu Tod als Selbsthingabe vgl. Gal 2,20; Eph 5,2.25.
440 Vgl. POPKES, Christus traditus, 23.
441 Vgl. POPKES, Christus traditus, 23f.
442 Jes 34,2: Gottes Grimm (qumóß) und Zorn (horg´j) ist über alle Nationen, so dass er sie
vernichtet (hapolésai) und sie der Schlachtung hingibt (paradoünai ahutoùß e˙ß sfag´j n).
Hes 21,36: Gott will das Feuer seines Zorns (hen purì horg¨jß mou) über Israel aushauchen
und sie übergeben in die Hände (kaì parad´wsw se e˙ß ceïraß) von ausländischen
Menschen, die ihr Verderben schmieden. 2Chron 28,9: Der Prophet Oded spricht zum Heer
Israels, das einen Sieg gegen Juda errungen hat: »Siehe, der Zorn des Herrn (horg`j kuríou),
des Gottes unserer Väter (ist) über Juda und (deshalb) hat er sie in eure Hände gegeben
(parédwken ahutoùß e˙ß tàß ceïraß).«
443 Vgl. z.B. 2Chron 28,1–5: Ahas war ein schlechter König, er machte Baalsbilder und
opferte sogar seine Söhne nach den Sitten der Heiden und (als Folge davon) »übergab ihn der
Herr sein Gott durch die Hand des Königs von Syrien« (5: kaì parédwken ahutòn kúrioß Ho
184 III. Analyse paulinischer Texte

Vom Begriff her und vom Zusammenhang zwischen Götzendienst und


»Hingabe« liegt hier m.E. ein deutlicher Hinweis auf Gottes Gerichtshandeln
vor, auch wenn dieses Handeln gegenüber der Extension von 1,18 als
»vorläufig« bezeichnet werden muss444. Nachdem die intellektuelle Erkennt-
nis in ihr Gegenteil verkehrt worden ist, übergibt Gott die Menschen an jene
Instanz, die immer schon als Gegenspielerin der Ratio galt, die Begierden des
Sinnes (hen taïß hepiqumíaiß t¨wn kardi¨wn ahut¨wn)445. Dieses Schema
wiederholt sich in V. 26 und 28 (parédwken). Die theologischen Schwierig-
keiten, die sich daraus ergeben, sind entweder im Rahmen dieser rhetorisch
hoch stilisierten Polemik nicht von Belang446 oder sie wurden als solches gar
nicht empfunden447. Sie sollten jedenfalls nicht ohne weiteres für die Exegese

qeòß dià ceiròß basiléwß Suríaß). Der gleiche Zusammenhang findet sich in Apg 7,40–
42: Die Anbetung des Goldenen Kalbs führt dazu, dass sich Gott von seinem Volk »abwandte
und sie dahingab, dass sie dem Heer des Himmels dienten« (‘estreyen dè Ho qeòß kaì
parédwken ahutoùß latreúein t¨∆ strati^ä toü ohuranoü).
444 Die meisten Exegeten und Exegetinnen sehen einen sachlichen Bezug zwischen
1,24.26.28 und 1,18. Das schließt jedoch keineswegs aus, dass 1,18 auch eine zukünftige
Realisierung einschließt (DUNN, I,54f). U. LUZ, Neutestamentliche Lichtblicke auf die
dunklen Seiten Gottes: Überlegungen zu den Gerichtsaussagen der Paulustradition, in: M.L.
Frettlöh / H.P. Lichtenberger (Hrsg.), Gott wahr nehmen (FS Chr. Link; Neukirchen-Vluyn,
2003) 270, Anm. 38 »Dass die künftige horg´j Gottes sich schon in der Gegenwart auswirken
kann […], zeigt nicht nur Röm 1,21–31, sondern auch Röm 7,14–23.« FITZMYER, 284:
»Although God’s wrath will manifest itself definitively at the eschatological judgment, it is
already revealing itself in human history.« Gegen eine Verbindung von paradídwmi und
1,18 sprechen sich KONRADT, Gericht, 499 und ZELLER, 58 aus (mit dem Hinweis, dass der
Aorist parédwken in die Vergangenheit weise; doch vgl. zum Verbalaspekt oben S. 180).
445 Die Wendung hepiqumía kardíaß ist selten. Vgl. Sir 5,2: »Du sollst nicht deiner Seele
und deiner Kraft folgen, um zu wandeln in den Begierden deines Sinns (hen hepiqumíaiß
kardíaß).« Sie entspricht jedoch einer allgemeinen hellenistischen Vorstellung, dass der
Verstand ihm eigene Bedürfnisse und Wünsche hat. Vgl. M. Frede, Introduction, in: M. Frede
/ G. Striker (eds.), Rationality in Greek Thought (Oxford, 1996) 5–9.
446 Eph 4,19 klingt geradezu wie eine Abwandlung der theologisch problematischen
Aussage in Röm 1,24: Nachdem die Nichtjuden in Verblendung und Götzendienst leben,
geben sie sich selbst (Heautoùß parédwkan) der Ausschweifung hin. Hier wird Gott
(bewusst?) aus dem Spiel gelassen.
447 Ein analoges Problem stellt »die« rabbinische Soteriologie in ihrer Spannung von
Erwählung und Vergeltung dar, wofür F. AVEMARIE den treffenden Begriff der »qualifizier-
ten Optionalität« benutzt (Erwählung und Vergeltung: Zur optionalen Struktur rabbinischer
Soteriologie, NTS 45 [1999] 108–126). Darunter ist zu verstehen, »daß gegenüber einem
gegebenen Sachverhalt mehrere verschiedene Positionen eingenommen werden können oder
bei einem gegebenen Problem unter mehreren verschiedenen Lösungsmöglichkeiten gewählt
werden kann, wobei die Menge der Möglichkeiten nicht unbegrenzt ist. Das ist die Denk-
struktur, die sowohl Aspektive als auch Kontroverse ermöglicht. Daß sich aus derart
organisierten Denkgebäuden kein widerspruchsfreies theologisches System erheben läßt, liegt
auf der Hand.« (114f) Die Ähnlichkeiten zu Sachproblemen paulinischer Exegese scheinen
mir evident zu sein.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 185

leitend sein448. Dass nämlich Unrecht seine eigene Strafe mit sich bringt, bzw.
dass es eine Entsprechung zwischen der Art des Unrechts und der Art der
Strafe gibt, ist in vielen jüdischen Texten bezeugt449. Ziel des Irrwegs der
Menschen ist die »Unreinheit« (hakaqarsía) mit der Konsequenz450, dass
ihre Körper durch sich selbst verunreingt werden (hatimázesqai). Der
Götzendienst wird als Quelle von allgemeiner Sittenlosigkeit angesehen.
V. 25 nimmt Bezug auf V. 18 und stellt heraus, wer aus welchen Gründen
unter Anklage steht451. Die sachliche Abfolge ist parallel: Gottes Zorn kommt
über jene Menschen, die die wahre Einsicht durch Unrecht an ihrer Wirkung
hindern (1,18). Entsprechend übergibt Gott jene Menschen in ihre Begierden,
die die »Wahrheit Gottes mit der Lüge vertauschen« (1,24f). Gemeint sind
solche Menschen452, die die Einsicht, die ihnen durch die Erkenntnis in der
Natur erschlossen worden ist, zur Lüge verkehren (metallássw; vgl. zu
1,23)453. Diese »Lüge« drückt sich in der Anbetung der Geschöpfe statt des
Schöpfers aus. Die kurze eingefügte Doxologie (»der gelobt sei in Ewigkeit.
Amen!«) inszeniert in gewisser Weise den Kontrast zwischen der nichtjüdi-
schen Verweigerung und dem Gott gebührenden Lob.

448 Aufgrund des theologischen Sachproblems einer allzu engen Kausalität zwischen Gott
und den »heidnischen« Lastern plädieren manche dafür, paradídwmi abzuschwächen;
CRANFIELD, I,121 (»God’s permitting«); KONRADT, Gericht, 499 (Gott wandte sich von
ihnen ab und überließ sie ihrem Tun). M.E. ist diese Wortbedeutung angesichts des sonstigen
Wortgebrauchs (auch und gerade in nicht-theologischen Zusammenhängen) unwahrschein-
lich. Treffender scheint mir die Formulierung von POPKES, Aufbau, 496: »Gott überstellt den
Menschen einer anderen Macht; damit ist der Mensch schutzlos-ausgeliefert – und er muß es
selber verantworten.« Dieser Aspekt passt zur Wendung Hufh Hamartían in 3,9.
449 Vgl. KLOSTERMANN, Vergeltung«; SCHMELLER, Diatribe, 240–242. Hes 23,28–30;
TestGad 5,10; Jub 4,32. Ein anschauliches Beispiel für diese »Gesetzmäßigkeit« findet sich
in SapSal 11,15–16: »Entsprechend ihren Gedanken ohne Verstand und voll Ungerechtigkeit,
die sie verwirrten und vernunftlose Schlangen und armselige Biester anbeten ließen,
schicktest du ihnen massenweise vernunftlose Tiere zur Strafe, damit sie erkennten, daß man
mit den (Mitteln) gestraft wird, mit denen man sündigt (dih ˆwn tiß Hamartánei dià toútwn
kolázetai).« (Georgi, JSHRZ)
450 Das Prädikat des AcI mit toü wird konsekutiv gebraucht (BDR §400.2).
451 Neben der wörtlichen Wiederholung von hal´jqeia in 1,18 und 1,25, nimmt
parédwken ahutoùß Ho qeóß (V. 24) horg`j qeoü (V. 18) auf.
452 Der Anschluss mit o“ itineß ist qualitativ aber auch kausal gemeint (»sie die doch;
insofern weil sie…«).
453 Götzendienst ist die »große Lüge« (vgl. Jes 44,19f). Juden charakterisieren sich im
Gegensatz dazu als solche, die sich »mit keinem anderen Volk irgendwie vermischen,
(sondern) rein an Leib und Seele bleiben und – befreit von den törichten Lehren – den
einzigen und gewaltigen Gott überall in der ganzen Schöpfung verehren.« (EpArist 139 =
Meisner, JSHRZ)
186 III. Analyse paulinischer Texte

26 dià toüto parédwken ahutoùß Ho Darum hat Gott sie unehrenhaften Leidenschaf-
qeòß e˙ß páqj hatimíaß≥ ten übergeben:
a“i te gàr q´jleiai ahu t¨wn denn ihre Frauen vertauschen den
met´jllaxan t`j n fusik`j n natürlichen Gebrauch
cr¨jsin e˙ß t`j n parà fúsin, mit dem (Gebrauch, der) gegen die Natur (ist).
27 Homoíwß te kaì oÓ ‘arseneß Ebenso auch die Männer:
hafénteß t`jn fusik`jn cr¨jsin sie geben den natürlichen Gebrauch
t¨jß qjleíaß hexekaúqjsan hen mit den Frauen auf und entbrennen
t¨∆ horéxei ahu t¨wn e˙ß hall´jlouß, in ihrem Verlangen zueinander,
‘arseneß hen ‘arsesin t`j n Männer mit Männer treiben
hascjmosúnjn katergazómenoi Schamlosigkeit und empfangen
kaì t`j n hantimisqían “jn ‘edei an sich selbst den Lohn (zurück),
t¨jß plánjß ahut¨wn hen Heautoïß den sie für ihre Verirrung
hapolambánonteß. (empfangen) mussten.
Der Abschnitt 26f knüpft begründend (dià toüto) an die Aussage in V. 24 an
und konkretisiert anhand eines schillernden Beispiels, was unter den »Begier-
den des Sinns« und der »Unreinheit ihrer Körper« zu verstehen ist454. Ziel der
strafenden »Hingabe« Gottes ist hier die »unehrenhafte Leidenschaft«455. Aus
der »Vertauschung« der schöpfungsgemässen Erkenntnis Gottes durch
Götzendienst folgt nun die »Vertauschung« des natürlichen sexuellen
»Gebrauchs«456. Die Frauen vertauschen (wieder metallássw) den natürli-
chen »Gebrauch«457 mit dem »wider die Natur« (parà fúsin)458. Dass

454 Sowohl die argumentative Funktion als auch das rhetorische Umfeld, das bewusst in
tiefen schwarzen Farben malt, sollten angesichts der Bedeutung, die diese beiden Verse im
Rahmen der aktuellen biblisch-ethischen Diskussion um »Homosexualität« erlangt haben, im
Auge behalten werden. M.E. wird durch den Gebrauch des Abstraktbegriffs »Homosexuali-
tät« (ein relativ modernes Wort, das erstmals 1869 in anonym herausgegebenen Schriften des
österreichisch-ungarischen Schriftstellers Karl Maria Kertbeny auftaucht) ein wirkliches
Erfassen antiker homo-erotischer Praktiken verbaut. Im Folgenden muss jedoch auf die Frage
nach ethischen Bezügen verzichtet werden.
455 Paulus knüpft hier an die Kategorien von Ehre und Schande an. Der Begriff páqoß
schließt an hepiqumía in 1,24 an und bildet zusammen mit hekkaíw, ‘orexiß und plánj (alle
1,27) ein Begriffsfeld, das in der Antike eng mit der Psychologie des ‘erwß verbunden war.
Vgl. dazu D.E. FREDRICKSON, Natural and Unnatural Use in Romans 1:24–27: Paul and the
Philosophic Critique of Eros, in: D.L. Balch (ed.), Homosexuality, Science and the »Plain
Sense« of Scripture (Grand Rapids, MI, 2000) 208–215.
456 Vgl. Philo, Abr 135; SpecLeg. II,50; III,37–39.42 (auszugsweise in NW II/1, 32f);
TestJos 3,8.
457 Der Begriff der cr¨jsiß hat wenig Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Dabei handelt es
sich nicht um einen simplen Euphemismus für »sexuellen Verkehr«, sondern um einen
Hinweis auf ein bestimmtes Verständnis von Sexualität als Befriedigung eines natürlichen
Bedürfnisses, das antike Sexualvorstellungen deutlich von heutigen unterscheidet. Erhellend
dazu M. FOUCAULT, Der Gebrauch der Lüste (Sexualität und Wahrheit 2; Frankfurt a.M.,
1986) 71–83 (»Chrêsis«). FREDRICKSON, Use, 199–207 knüpft daran an.
458 Dass hier pará im konträren Sinne zu verstehen ist, geht aus dem Zusammenhang
klar hervor.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 187

hierbei an gleichgeschlechtliche Sexualpraktiken zu denken ist, wird erst


durch das klarere Beispiel männlicher Homoerotik in V. 27, das mit Homoíwß
anschließt, deutlich459. Paulus darf sich im Kontext jüdischer Moralauffassun-
gen des Einverständnisses in Bezug auf die negative Bewertung solcher
Praktiken gewiss sein. Der Topos des Lebens im »Einklang mit der Natur« ist
zwar ein Grundmerkmal stoischer Ethik460, ist aber im paulinischen Argumen-
tationskontext eingefärbt durch die Vorstellung von der Natur als Schöpfung
Gottes, die etwas von Gottes unsichtbarem Wesen erschließt (1,19f).
V. 27 bezeugt ebensolches (Homoíwß) für die Männer. Sie geben den
natürlichen Gebrauch mit den Frauen auf und entbrennen in ihrem Verlangen
(‘orexiß)461 zueinander. Dieses Entbrennen wird von zwei Umständen
(parallele Partizipialkonstruktionen in 27b.c) begleitet: Männer treiben mit
Männern Schamlosigkeit462. Sie empfangen damit an sich selbst den Lohn
zurück, den sie für ihre Verirrung empfangen mussten. Hier wird wieder auf
die Entsprechung zwischen Verirrung und Strafe appelliert. Die Hingabe an
diese »irregeleiteten« Leidenschaften ist die zu erwartende Strafe für ihre
Verirrung463.
28 kaì kaq`wß ohuk hedokímasan tòn Und da sie es nicht für gut befunden haben,
qeòn ‘ecein hen hepign´wsei, Gott in der Erkenntnis festzuhalten (anzuerken-
parédwken ahutoùß Ho qeòß e˙ß nen), hat Gott sie einem unbrauchbaren Verstand
hadókimon noün, hingegeben,
poieïn tà m`j kaq´jkonta, um das Ungebührliche zu tun,

459 Das ist die Mehrheitsmeinung in der Fachexegese. Anders HAACKER, 53f (Bestialität);
und im Anschluss an Bill. 3,68f P.J. TOMSON, Paul and the Jewish Law (CRI III,1; Assen;
Minneapolis, 1990) 94, Anm. 157 (widernatürliche Sexualpraktiken zwischen Frauen und
Männern). Zur allgemeinen Beurteilung von Homoerotik in der Antike vgl. die Texte in NW
II/1, 32–50. Zur Bewertung weiblicher Homoerotik vgl. Lukian, Dialog. meret. 5,2 (= NW
II/1, 39); Amores 28; Plutarch, Lycurgus 18; PsPhok 192; ApokPet 32 (griech. Text = NTApo
II,573).
460 Vgl. M. FORSCHNER, Über das Handeln im Einklang mit der Natur (Darmstadt, 1998)
5–68.
461 Das seltene Substantiv gehört zum semantischen Feld der hepiqumía. Vgl. Sir 18,30:
»Folge deinen Leidenschaften (t¨wn hepiqumi¨wn sou) nicht und wehre dein Verlangen (t¨w n
horéxe´wn sou) ab.« SapSal 16,2 (in Bezug auf die Speise).
462 Die negative Bewertung aller Formen homoerotischer Akte dürfte sich auf jüdischem
Boden in der Antike breiter Zustimmung erfreut haben. Maßgebend sind hier entsprechende
Traditionen aus dem AT (Gen 19,1–28; Lev 18,22; 20,13; Dtn 23,17 usw.), die dann wieder
aufgenommen werden: Vgl. EpArist 152: »Denn die meisten übrigen Menschen beflecken
sich durch Geschlechtsverkehr, wobei sie großes Unrecht begehen, und ganze Länder und
Städte rühmen sich dessen (noch). Sie verkehren nämlich nicht nur mit Männern, sondern
beflecken auch Mütter und Töchter. Wir aber halten uns davon fern.« (Meisner, JSHRZ)
Weiterhin: SibOr 3,594–600.
463 Plánj ist wohl auf den »ursprünglichen« Irrtum bezogen, das die Herrlichkeit Gottes
durch Götzendienst ersetzte.
188 III. Analyse paulinischer Texte

29 pepljrwménouß pás∆ hadikíâ erfüllt von jeder Art von Unrecht:


ponjríâ pleonexíâ kakíâ, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit,
mestoùß fqónou fónou ‘eridoß voller Neid, Totschlag, Streitsucht,
dólou kakojqeíaß, yiqu- Betrug, Verschlagenheit,
ristáß, übler Nachrede,
30 katalálouß, qeostugeïß, Verleumder, Gotthasser,
Hubristáß, Huperjfánouß, Gewalttäter, Hochmütige,
halazónaß, hefeuretàß kak¨wn, Angeber, Erfinder böser Taten,
goneüsin hapeiqeïß, den Eltern gegenüber ungehorsam,
31 hasunétouß, hasunqétouß, unverständig, treulos,
hastórgouß, hanele´jmonaß≥ lieblos, unbarmherzig.

Der Anschluss mit kaq´wß ist kausal und leitet damit die dritte »Übergabe«
(parédwken; vgl. 24.26) ein. Die Anklage der vorherigen Verse wird hier
nochmals zusammengefasst: Die Menschen haben es nicht für gut befunden,
Gott anzuerkennen. Deshalb hat er sie ihrem unbrauchbaren Verstand
übergeben464. Jetzt wird deutlich, dass Götzendienst und homoerotische
Sexualakte nur zwei Beispiele waren für all das Schlechte, was aus der
verkehrten Sicht der Nichtjuden erwächst465. Vielmehr führt sie ihre Vernunft
dazu, das zu tun, was sich nicht gehört (tà m`j kaq´jkonta)466. Der lange
Lasterkatalog in VV. 29–31 soll die gesamte Schlechtigkeit der Nichtjuden
vor Augen führen und braucht im Einzelnen hier nicht erläutert zu werden467.
32 o“itineß tò dikaíwma toü qeoü (Sie sind) solche die, obwohl sie die Rechtssat-
hepignónteß, zung Gottes kennen
“oti oÓ tà toiaüta prássonteß – dass nämlich die, die derlei Dinge tun,
‘axioi qanátou e˙sín, des Todes schuldig sind –,
ohu mónon ahutà poioüsin nicht nur diese Dinge tun,
hallà kaì suneudokoüsin sondern auch noch denen Beifall spenden,
toïß prássousin. die es tun.
Die wissentliche »Vertauschung« der Gotteserkenntnis bringt es mit sich, dass
sich die Nichtjuden der ethischen Verwerflichkeit all dieser Taten bewusst
sind. Sie wissen sogar, dass sie mit solchen Taten eine Todesschuld auf sich
laden468. Die Anklage kommt noch zu einem klimaktischen Abschluss: Sie

464 Vgl.das Wortspiel mit »nicht für gut befinden« (ohuk dokimázw) und »unbrauchbar«
(hadókimoß).
465 Philo, Decal 91: »Die Quelle aller ungerechten Taten ist Gottlosigkeit.«
466 Der Ausdruck, der in der LXX nur in 2Makk 6,3f belegt ist, hat deutlich stoischen
Charakter. Vgl. zur stoischen Lehre des kaq¨jkon M. POHLENZ, Die Stoa (Göttingen, 71992)
I, 129–131 und M. FORSCHNER, Die stoische Ethik (Darmstadt, 21995) 183–196. Allgemein
zur argumentativen Funktion von abstrakten Werten SIEGERT, Argumentation, 203–206.
467 SCHMELLER, Diatribe, 245: »Die lange Reihe unverbunden nebeneinandergestellter
Laster will offenkundig nur insgesamt, nicht im Detail wirken.«
468 Mit »Tod« ist wohl kaum die säkulare Rechtspraxis gemeint, sondern der Tod als
Ausgang des göttlichen Gerichts (1,18; vgl. 6,23: »Der Tod ist der Sünde Lohn…«), das
»ewige Verderben« (KONRADT, Gericht, 500).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 189

tun nicht nur solches, sondern ermutigen alle, die solches tun. Die Nichtjuden
sind also auf allen Ebenen schuldig469: Sie haben eine theologisch-ethische
Erkenntnismöglichkeit, doch sie verkehren dies in Götzendienst und allen
möglichen bösen Handlungen und ermuntern dazu andere, so zu handeln.

b) Röm 2,1–16470
Auf der rhetorischen Klimax antipaganer Polemik nimmt die Argumentation
eine Wende. Die direkte Anrede (~w ‘anqrwpe) und der Übergang zur zweite
Singularform markieren einen erkennbaren Einschnitt471. Paulus greift hier
deutlich auf den in der Antike bekannten Diatribe-Stil zurück472. Rezeptions-
ästhetisch lässt sich 1,18–32 als »reader entrapment« bezeichnen: Der in 2,1ff
angesprochene (fiktive) Dialogpartner gerät durch sein Mitnicken mit der
überspitzten Abrechnung im vorherigen Abschnitt in die Schlinge der
Selbstanklage. Das Urteilen über andere, das in 2,1 vorausgesetzt wird, ist
rhetorisch geschickt in 1,18–32 willentlich in Gang gesetzt worden. Auch in
Kap. 2 wird die Identifizierung der angesprochenen Menschengruppe zu-
nächst in der Schwebe gehalten. Erst in 2,17 wird explizit gemacht (vorberei-
tet durch den Hinweis auf das Gesetz in 2,12), dass hier jüdisches Privilegie-
rungsbewusstsein der Kritik ausgesetzt wird473.

469 Es ist interessant, dass Paulus Anklagepunkte, die in alttestamentlichen Zusammen-


hängen gegen Israel erhoben werden, auf Nichtjuden überträgt.
470 Literatur (Kap. 2): J.-N. A LETTI, Romains 2. Sa cohérence et sa fonction, Bib 77
(1996) 153–177; G.P. CARRAS, Romans 2,1–29: A Dialogue on Jewish Ideals, Bib 73 (1992)
183–207; K.R. SNODGRASS, Justification by Grace – to the Doers: an Analysis of the Place of
Romans 2 in the Theology of Paul, NTS 32 (1986) 72–93 (dort ältere Literatur); N.T.
WRIGHT, The Law in Romans 2, in: J.D.G. Dunn (ed.), Paul and the Mosaic Law (WUNT 89;
Tübingen, 1996) 131–150. Zu 2,1–16: R.H. BELL, Extra ecclesiam nulla salus? Is there a
salvation other than through faith in Christ according to Romans 2.12–16?, in: J. Ådna / S.J.
Hafemann / O. Hofius (Hrsg.), Evangelium – Schriftauslegung – Kirche (FS P. Stuhlmacher;
Göttingen, 1997) 31–43; BELL, No One Seeks, 132–183; H.–J. ECKSTEIN, Der Begriff
Syneidesis bei Paulus (WUNT 2:10; Tübingen, 1983) 137–179 (zu 2,14–16); S.J.
GATHERCOLE, A Law unto Themselves: The Gentiles in Romans 2.14–15 revisited, JSNT 85
(2002) 27–49; P. MAERTENS, Une étude de Rm 2.12–16, NTS 46 (2000) 504–519; J.W.
MARTENS, Romans 2.14–16: A Stoic Reading, NTS 40 (1994) 55–67; C.G. WHITSETT, Son of
God, seed of David: Paul’s messianic exegesis in Romans 2:3–4, JBL 119 (2000) 661–681;
K.L. Y INGER, Paul, Judaism, and Judgment According to Deeds (MSSNTS 105; Cambridge,
1999) 143–182 (zu 2,6–11).
471 Anders J.M. BASSLER, Divine Impartiality (SBLDS 59; Chico, CA, 1982) 121–170;
BINDEMANN, Theologie, 72; SNODGRASS, Romans 2, 80, die 2,1–11 zu 1,18–32 ziehen.
472 SCHMELLER, Diatribe, 232–234 sieht diatribische Elemente ab 1,18. Vgl. auch
STOWERS, Diatribe und zu jüdischen Analogien R. U LMER, The Advancement of Arguments
in Exegetical Midrash Compared to that of the Greek DIATRIBJ, JSJ 28 (1997) 48–91.
473 Vgl. zur Begründung dieser »Mehrheitsmeinung« CARRAS, Rom 2.1–29, 191. Alterna-
tivvorschläge finden sich in BASSLER, Impartiality, 135f; BELL, No One Seeks, 137f;
HAACKER, 59; STOWERS, Diatribe, 112.
190 III. Analyse paulinischer Texte

2,1 Diò hanapológjtoß e~i, Deswegen bist du ohne Entschuldigung,


~w ‘anqrwpe päß Ho krínwn≥ oh Mensch, (und zwar) jeder, der (andere)
hen ˆ^w gàr kríneiß tòn “eteron, richtet. Denn worin du den anderen richtest,
seautòn katakríneiß, tà gàr verurteilst du dich selbst,
ahutà prásseiß Ho krínwn. denn du tust das Gleiche, was du richtest.

Wieder lässt der Anschluss (in diesem Fall mit dió) die Frage nach dem
Bezug zum Vorherigen offen. Eine wirklich schlussfolgernde Funktion
(»deshalb«) ist nicht leicht anhand des Textes einsichtig zu machen474. In
jedem Fall wird man konzedieren müssen, dass sich die Begründung sachlich
zum Teil auch aus dem anschließenden verstärkenden gár herleitet und nicht
alleine aus 1,18–32 geschlossen werden kann (dazu s.u. S. 219f).
Der anvisierte Diskussionspartner wird näher qualifiziert als Kollektiv all
jener, die andere (insbesondere Nichtjuden) verurteilen (krínw)475 und dabei
das Gleiche tun. Nachdem in 1,18–32 deutlich geworden ist, dass bestimmte
Taten Gottes Zorn provozieren, liegt die Schuld in 2,1 nicht so sehr darin,
dass ein Mensch über andere urteilt, sondern ebenso handelt. Das Adjektiv
hanapológjtoß knüpft an 1,20 an und stellt die Richtenden unter das gleiche
Verdikt. Dabei impliziert das Richten, dass für den hier Angesprochenen die
»Rechtssatzung Gottes« (1,32 tò dikaíwma toü qeoü) bekannt ist. Damit
stellen 1,32b und 2,1 zwei Meta-Aussagen über die »Laster« der Menschen
einander gegenüber476: Die einen zollen ihnen Beifall, die anderen verurteilen
ihr Tun. Aber beide stimmen in ihrem Fehlverhalten überein.
2 o‘idamen dè “oti tò kríma toü Wir wissen aber, dass das Urteil Gottes
qeoü hestin katà hal´jqeian hepì gemäß der Wahrheit ist
toùß tà toiaüta prássontaß. gegen die, die derartiges tun.

Während in V. 1 im engen Sinne nur von der Selbstverurteilung die Rede


ist477, wird hier an bereits vorhandenes Wissen appelliert478 und Gottes
Gerichtsurteil (tò kríma toü qeoü) ins Spiel gebracht479. Dieses Urteil

474 Paulus
verwendet dió in der Regel folgernd (4,22; 13,5; 15,7.22; am Anfang eines
Gedankengangs in 15,7; 2Kor 4,16; Phlm 8). Eine solche Deutung führt hier aber zu recht
komplizierten Konstruktionen (vgl. etwa WILCKENS, I,123f; FITZMYER, 298f). Keine
inferentielle Bedeutung sehen hingegen LIETZMANN, 39; LOHSE, 98; MICHEL, 73; SCHLIER,
68. R. BULTMANNS Hypothese einer Ausscheidung von 2,1 als Glosse (Glossen im Römer-
brief [1947], in: Ders., Exegetica, hrsg. E. Dinkler [Tübingen, 1967] 281) wird zwar heute
(trotz KÄSEMANN, 50) zu Recht nicht mehr vertreten (vgl. etwa WILCKENS, I,123;
SCHMELLER, Diatribe, 234), sie ist aber deswegen interessant, weil sie sich als Ausweg aus
der Verlegenheit versteht, das dió zu erklären.
475 Der Wechsel von krínw zu katakrínw macht deutlich, dass es um eine starke
Abqualifizierung geht.
476 P. BOSMAN, Conscience in Philo and Paul (WUNT 2:166; Tübingen, 2003) 242,
Anm. 206.
477 Die theologische Dimension schwingt implizit in ha napológjtoß mit.
478 Vgl. ähnliches Hinweise auf »gemeinsames« Wissen in 3,19; 7,14; 8,22.28.
479 Kríma im Sinne von »Urteil« auch in 3,8; 13,2; Gal 5,10.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 191

orientiert sich am Maßstab der von Gott geoffenbarten Wahrheit480. Gegen-


stand dieses Urteils sind (mit hepí) jene, die wie in V. 1 angeführt handeln; die
also andere verurteilen und Gleiches tun. Der Bezug zu 1,18 ist offen-
sichtlich481. Das Prinzip aus 1,18 wird hier weiter ausgefächert: Gottes Zorn
kommt über jedes Unrecht, ganz gleich, wer es begeht. Es gibt demnach für
das göttliche Urteil über bestimmte Handlungen keine gruppenspezifischen
Privilegien. Gott beurteilt alle gleich (vgl. 2,11).
3 logíz∆ dè toüto, ~w ‘anqrwpe Denkst du tatsächlich, oh Mensch,
Ho krínwn toùß tà toiaüta der du jene richtest, die derartiges tun,
prássontaß kaì poi¨wn ahutá, und es selbst tust,
“oti sù hekfeúx∆ tò kríma toü dass du dem Urteil Gottes entfliehen wirst?
qeoü;
4 ’j toü ploútou t¨jß Oder verachtest du etwa
crjstótjtoß ahutoü kaì t¨jß den Reichtum seiner Güte,
hanoc¨jß kaì t¨jß makroqumíaß Geduld und Langmut,
katafroneïß, indem du (die Tatsache) ignorierst,
hagno¨wn “oti tò crjstòn toü dass die Güte Gottes
qeoü e˙ß metánoián se ‘agei; dich zur Umkehr führen will?

Da die Aussage in V. 2 offenbar geteilt wird, ist die rhetorische Frage in V. 3


besonders eindeutig zu beantworten: Natürlich wird niemand, der andere für
etwas richtet, das er selbst tut, dem Urteil Gottes (tò kríma toü qeoü = 2,2)
entgehen können (hekfeúgw im Futur). Das Prinzip der VV. 1–2 wird durch
die rhetorische Frage nochmals untermauert. Ohne es direkt anzusprechen,
scheint Paulus hier gegen eine Position zu argumentieren, die von drei
Annahmen ausgeht482: Von Gottes Vernichtungsgericht werden vornehmlich
oder sogar ausschließlich die Ungerechten bzw. die »Heiden« getroffen483.
Juden genießen als Angehörige des Gottesvolkes gegenüber den »Sündern«
(vgl. Gal 2,15) bestimmte »Privilegien« in Bezug auf das göttliche Gericht484.
Gott züchtigt sein Volk, bringt es aber nicht ins Verderben.

480 Möglich wäre auch katà hal´j qeian adverbial (»zu Recht, wahrhaft«) zu übersetzen,
aber nachdem bereits in 1,18.25 an exponierter Stelle von der »Wahrheit« im Zusammenhang
mit der Erkenntnis Gottes die Rede war und diese als Maßstab für das Gericht gilt, empfiehlt
es sich auch hier, dem Wort sein volles Gewicht zu geben (vgl. weiterhin 2,8.20 und 3,7).
»Gericht« und »Wahrheit« stehen auch in 4Esr 7,34; syrBarApk 85,9; TestHiob 43,13; 1QS
4,20; CD 20,29f nebeneinander.
481 Wörtlich wiederholt werden hal´j qeia und h epí. Darüber hinaus entspricht tò kríma
toü qeoü in 2,2 sachlich der Wendung horg`j qeoü in 1,18.
482 Vgl. zur Rekonstruktion des Hintergrunds SCHMELLER, Diatribe, 247f.
483 Vgl. z.B. PsSal 15,8: Die Gerechten werden die »Sünder verfolgen und einholen, und
die, die Gesetzlosigkeit üben, werden nicht dem Gericht des Herrn entfliehen (ohuk
hekfeúxontai oÓ poioünteß hanomían tò kríma kuríou)« (Holm-Nielsen, JSHRZ).
484 Aufschlussreich ist SapSal 15,1–3: »Du aber, unser Gott, bist gütig und wahrhaftig,
langmütig (crjstòß kaì haljq´jß makróqumoß) und du verwaltest das Universum mit
Erbarmen (heléei); 2 denn auch wenn wir sündigen (heàn Hamártwmen), gehören wir dir, weil
192 III. Analyse paulinischer Texte

Durch den Anschluss mit »oder« (‘j) stellt sich die zweite rhetorische
Frage (V. 4) dar, als sollte hier die Aussage von V. 3 mit einer anderen
Formulierung untermauert werden. Der inhaltliche Bezug zwischen beiden
Aussagen ist aber nicht sogleich evident. Ein Nexus ist wahrscheinlich in der
Vorstellung zu suchen, dass Gottes Aufschiebung seines Gerichts (eben seine
Langmut und Güte) Raum zur Umkehr gewähren soll485, also keineswegs so
zu verstehen ist, als ob er das Unrecht seines Volkes nicht mehr strafen
würde486. Wer also durch den Rückzug auf bestimmte Privilegien meint, dem
Urteil Gottes entfliehen zu können und dabei verkennt, dass Gottes »Strafauf-
schub« der Umkehr dienen soll, verachtet de facto Gottes Güte.
5 katà dè t`j n skljrótjtá sou Nach Maßgabe deiner Sturheit
kaì hametanójton kardían und (deines) unbussfertigen Sinns
qjsaurízeiß seaut¨^w horg`jn hen häufst du gegen dich selbst Zorn auf
Hjmérâ horg¨jß kaì hapokalúyewß am Tag des Zorns und der Offenbarung des
dikaiokrisíaß toü qeoü, gerechten Gerichts Gottes.
6 “oß hapod´wsei Hekást^w katà tà der jedem entsprechend
‘erga ahutoü, seinen Taten gibt:

Ähnlich wie in 1,18–32 führt auch hier die Ätiologie menschlicher Schuldver-
strickung in den Bereich des Denkens (3: logízw; 4: hagno´ew). Diese Fehl-
einschätzung ist Produkt eines sturen und »unbussfertigen«487 Sinns (kar-
día)488. Entsprechend (katá) häuft er gegen sich (seaut¨^w dat. incommodi)

wir wissen, daß du die Macht besitzt. Wir werden aber nicht sündigen, weil wir wissen, daß
wir dir zugerechnet sind. 3 Denn dich kennen (bedeutet) vollkommene Gerechtigkeit, und um
deine Macht wissen, (bedeutet) die Wurzel der Unsterblichkeit.« (Georgi, JSHRZ) Vgl.
weiterhin PsSal 13,7; 15,4–6.13. Gegen diese Sicht scheinen auch andere NT-Texte zu
polemisieren. Vgl. Mt 3,9 (»Denkt bloß nicht, dass ihr unter euch sagen könntet: ›Als Vater
haben wir Abraham.‹«); 23,33; Lk 3,7par; Joh 8,33.
485 Paulus gebraucht metánoia sehr selten (2Kor 7,9f; als Verb in 2Kor 12,21). Vgl. zu
Gottes Langmut als Chance zur Umkehr SapSal 12,10 (s.a. 11,23; 12,2.20f); PsSal 13,8–10;
syrApkBar 21,20; 59,6. Allgemein zur jüdischen Umkehrpredigt: Dtn 9,27; syrBarApk 85,12;
4Esr 8,33; äthHen 50,4.
486 Eine ähnliche Absicht bewegt Sir 5,4–7: »Nicht sollst du sprechen: ›Ich habe gesün-
digt und was geschah mir?‹ Denn Gott ist langmütig (kurióß hestin makróqumoß). Nicht
sollst du sprechen: ›Gnädig ist der Herr und all meine Sündenschuld wird er wegwischen.‹ 5
Auf Vergebung hoffe nicht, wenn du häufst Schuld auf Schuld, 6 und indem du sprichst:
›Sein Erbarmen ist groß, entsprechend der Menge meiner Schuld wird er vergeben!‹ Denn
Erbarmen, aber auch Zorn sind bei ihm (‘eleoß gàr kaì horg`j parh ahut¨^w), und auf den
Frevlern ruht sein Grimm. 7 Nicht sollst du zögern, zu ihm umzukehren (hepistréyai), und
nicht sollst du es hinausschieben von Tag zu Tag. Denn plötzlich bricht hervor sein Grimm
(horg´j), und am Tag der Vergeltung (hen kair¨^w hekdik´jsewß) wirst du ein Ende nehmen.«
(Sauer, JSHRZ)
487 Das Adjektiv hametanójtoß knüpft an metánoia an.
488 Die Formulierung ist bewusst bibelarchaisch und ruft einen beliebten Topos der Kritik
an Israel auf: Dtn 9,27; 10,16; 29,3; 31,27; Ex 9,35; Jes 6,10; 29,10; Jer 4,4; Sir 16,10; 1QS
1,6; 5,4; CD 3,5.11; 8,8.19.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 193

Zorn an489. Diese strafende Seite Gottes wird sich erst vollends am »Tag des
Zorns«490 zeigen, wenn das »gerechte Gericht« (dikaiokrisía)491 Gottes
offenbart wird (vgl. 1,18).
Was dieses Gericht zu einem »gerechten« (und eben nicht zu einem
parteiischen) macht, ist, dass es durchaus einem bestimmten Gleichheitsprin-
zip entspricht: »Gott gibt492 jedem entsprechend seinen Taten.« (V. 6)493
Damit ruft Paulus eine im Judentum grundlegende Auffassung in Erinnerung,
die er auch angesichts seiner Rechtfertigungslehre nicht revidiert494.
7 toïß mèn kaqh Hupomon`j n ‘ergou Denen, die beharrlich im Tun des
hagaqoü dóxan kaì tim`jn kaì Guten nach Herrlichkeit, Ehre und
hafqarsían zjtoüsin, Unvergänglichkeit trachten,
zw`j n a˙´wnion≥ ewiges Leben;
8 toïß dè hex heriqeíaß denen aber, die aus Streitsucht (oder
kaì hapeiqoüsi t¨∆ haljqeíâ Eigennutz) und Ungehorsam gegenüber der
peiqoménoiß dè t¨∆ hadikíâ, Wahrheit dem Unrecht gehorchen,
horg`j kaì qumóß - Zorn und Grimm.
9 qlïyiß kaì stenocwría hepì päsan Trübsal und Not
yuc`jn hanqr´wpou toü katergazo- über jeden einzelnen Menschen,
ménou tò kakón, h Ioudaíou te der das Böse tut,
pr¨wton kaì “ Elljnoß≥ den Juden zuerst und Griechen;

489 Vgl. zur atl.-jüd. Wortgeschichte von skljrokardía und skljróß K. BERGER,
Hartherzigkeit und Gottes Gesetz: Die Vorgeschichte des antijüdischen Vorwurfs in Mc 10,5,
ZNW 61 (1970) 2–22 und zur Identifizierung von »hartherzig« und »ungerecht« ebda., 22–27.
490 Vgl. Y 109,5 (= MT 110,5); Hiob 20,28; 21,30; Zeph 1,15.18; 2,3; Jes 13,9; 37,3;
Klgl 1,12; 2,1.21f.24.
491 Vgl. WILCKENS, I,125f; KONRADT, Gericht, 502f, Anm. 127. Das Wort, das im Sinne
einer iustitia distributiva zu verstehen ist, ist selten belegt. Vgl. TestLev 3,2: »Und er hat
Feuer, Schnee und Eis, zubereitet für den Tag des Gerichts, an (dem) Gott (sein) gerechtes
Gericht (ausübt) (hen t¨∆ dikaiokrisíâ tou qeoü).« TestLev 15,1f: »Darum wird der
Tempel, den der Herr erwählen wird, durch Unreinigkeit öde werden, und ihr werdet als
Gefangene in alle Völker (zerstreut) werden. 2 Und ihr werdet unter ihnen ein Abscheu sein
und Schmähung und ewige Schande vom gerechten Gericht Gottes (parà t¨∆ß dikaiokri-
síaß toü qeoü) empfangen. Und alle, die euch hassen, werden sich über euer Verderben
freuen.« (Becker, JSHRZ) Vgl. weiterhin SibOr 3,704; sachlich nah ist auch 1QM 18,7f.
492 Das Verb hapodídwmi, das seines festen Ort in der Kauf- und Vertragssprache hat, ist
in theologischen Kontexten nicht einfach zu übersetzen, v.a. weil die geläufige Übersetzung
mit »vergelten« reichlich pejorativ klingt. Die Beispiele in VV. 7–10 zeigen, dass hapodídwmi
neutral verwendet wird. In Y 61,13 ist hapodídwmi ganz selbstverständlich eine Wirkung
göttlicher Barmherzigkeit. Vgl. zum Begriff SCHMELLER, Diatribe, 250.
493 Paulus kann hier Prov 24,12 (”oß hapodídwsin H ekást^ w katà tà ‘ erga ahutoü) oder Y
61,13 (sù hapod´wseiß Hekást^w katà tà ‘erga hautoü) im Sinn haben oder einfach eine ganz
allgemein bekannte jüdische Maxime zitieren (so R. HEILIGENTHAL, Werke als Zeichen
[WUNT 2:9; Tübingen, 1983] 174; YINGER, Judgment, 156f).
494 Vgl. dazu SNODGRASS, Romans 2, 77–79; N.M. WATSON, Justified by Faith; Judged
by Works – an Antinomy?, NTS 29 (1983) 209–221. Ausführlich zum jüdischen Hintergrund
HEILIGENTHAL, Werke als Zeichen, 143–164 und YINGER, Judgment, 19–141.
194 III. Analyse paulinischer Texte

10 dóxa dè kaì tim`j kaì e˙r´jnj Herrlichkeit, Ehre und Frieden allen,
pantì t¨^w hergazomén^w tò hagaqón, die das Gute tun,
h Ioudaí^w te pr¨wton kaì “ Elljni≥ den Juden zuerst und den Griechen.

Die Entsprechung von Gericht und Taten wird in zwei chiastisch angeordne-
ten Gängen ausgeführt495. Diese Anordnung bringt auch die Vorstellung zum
Ausdruck, dass mit diesen beiden Ausgängen alle Optionen umrissen sind. Es
gibt zwischen dem positiven und dem in Antithese dazu stehenden negativen
Urteil keine dritte Alternative496.
A) Positiv (V. 7): Belohnt werden nicht einfach einzelne gute Werke,
sondern die Haltung, die darin zum Ausdruck kommt; nämlich die Beharr-
lichkeit (Hupomon´j in diesem Sinne auch in 2Kor 1,6) und die Ausrichtung
auf »jenseitige« Werte: Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit (dóxan kaì
tim`jn kaì hafqarsían)497. Diesen Menschen »gibt« Gott das, was ihrem
Trachten entspricht (vgl. 2,10): »ewiges Leben«498.
B) Negativ (V. 8): Bestraft mit »Zorn und Grimm«499 hingegen werden
jene, die es vorziehen, dem Unrecht zu folgen statt der Wahrheit (vgl. hadikía
und haljqeía in 1,18)500.
B') Negativ (V. 9): »Trübsal und Not«501 über alle Menschen (bibelarcha-
isch »jede menschliche Seele«), die das Böse tun.
A') Positiv (V. 10): Herrlichkeit, Ehre und Frieden (dóxa dè kaì tim`j kaì
e˙r´jnj) für alle, die das Gute tun.
Die letzten beiden Gegensatzpaare weiten die ersten beiden noch durch den
ausdrücklichen Hinweis auf Juden und Griechen aus, wodurch die Vorrang-
stellung der Juden aus 1,16 wiederholt wird.
11 ohu gár hestin proswpoljmyía Denn es gibt kein Ansehen der Person
parà t¨^w qe¨^w. bei Gott.

495 FITZMYER, 302f weitet den Chiasmus auf VV. 6–11 aus (s.a. YINGER, Judgment, 153).
Die Positionen des indirekten und direkten Objekts wechseln von VV. 7f (indirektes –
direktes) zu VV. 9f (direktes – indirektes).
496 Im Sinne der Logik sind die Gegensätze kontradiktorisch und nicht konträr.
497 Das Handeln der Nichtjuden, die die göttliche Doxa mit vergänglichen Bildern ver-
tauscht haben (1,23), erscheint geradezu als Gegenbeispiel zu dem hier propagierten Ideal.
498 Die Vorstellung vom »ewigen Leben« ist traditionsgeschichtlich fest im jüdischem
Schrifttum verankert (Dan 12,2; 2Makk 7,9; 4Makk 15,3; 1QS 4,7). Damit wird nicht einfach
Quantität (unendlich lang währendes Leben), sondern vielmehr Qualität (Leben im Bereich
des ewigen Gottes) ausgedrückt.
499 h Org`j kaì qumóß bilden ein beliebtes semantisches Zweiergespann (Jes 13,9; 30,30;
Jer 7,20; 21,5; 51,6).
500 Die Motivationsangabe h ex h eriqeíaß ist nicht eindeutig bestimmbar, da das seltene
heriqeía »Eigennutz« oder »Streitsucht« bedeuten kann. Letzteres liegt vom NT her näher
(2Kor 12,20; Gal 5,20; Phil 1,17; 2,3; Jak 3,14.16).
501 In Dtn 28,53.55.57 gehören qlïyiß kaì stenocwría zum Fluch im Falle von Unge-
horsam (vgl. auch Jes 8,22; 30,6; LXX-Esth 11,8).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 195

Die Gleichbehandlung von Juden und Nichtjuden im Gericht wird begründet


(gár) mit der Unparteilichkeit Gottes502. In der alttestamentlich-jüdischen
Literatur gehört die Unparteilichkeit zu Gottes richterlichem Handeln, steht
dort aber v.a. im Zusammenhang der Arm-Reich-Thematik503. (Die zentrale
Bedeutung von V. 11 für den Argumentationsverlauf wird in der logischen
Analyse behandelt.)
12 “osoi gàr hanómwß “jmarton, Denn diejenigen, die ohne Gesetz sündigen,
hanómwß kaì hapoloüntai≥ werden auch ohne Gesetz zugrunde gehen.
kaì “osoi hen nóm^w “jmarton, Und diejenigen, die unter dem Gesetz sündigen,
dià nómou kriq´jsontai≥ werden durch das Gesetz gerichtet werden.

Die in VV. 9f propagierte Gleichbehandlung von Juden und Nichtjuden im


Gericht wird hier nochmals im Hinblick auf das mosaische Gesetz expliziert
(gár)504. Die Unparteilichkeit Gottes zieht es nach sich, dass das Gesetz im
Gericht nichts ist, worauf man sich berufen kann. Alle werden nach dem
gleichen Prinzip von Gott gerichtet505: Die Nichtjuden, die sündigen, gehen
ebenso zugrunde (hapóllumi Pass.) wie die Juden, die sündigen; die einen
ohne das Gesetz der Torah506, die anderen durch das Gesetz (vgl. 3,19). Die
Reihenfolge entspricht auch der Reihenfolge von 1,18–43 und 2,1ff und zielt
auf rhetorische Wirksamkeit, da die Sündhaftigkeit der Nichtjuden aus
jüdischer Sicht ein fester Topos ist507.
13 ohu gàr oÓ hakroataì nómou Denn nicht die Hörer des Gesetzes
díkaioi parà [t¨^w] qe¨^w, (sind) vor Gott Gerechte,
hallh oÓ poijtaì nómou sondern die Täter des Gesetzes
dikaiwq´jsontai. werden gerechtfertigt.
Die Verurteilung der Nichtjuden bedarf keiner weiteren Erklärung. Warum
aber die Juden, die doch Gottes Gesetz haben, mit gleicher Strenge beurteilt
werden, erfährt in V. 13 eine Begründung bzw. einen Begründungsversuch
(gár). Eine solche Gleichbehandlung gründet sich nämlich darin, dass das
mosaische Gesetz nur dann von Wert ist, wenn seine Anweisungen in die Tat

502 Nach J.M. BASSLER, Impartiality, passim (s.a. Divine Impartiality in Paul’s Letter to
the Romans, NT 26 [1984] 43–58) liegt hier das Gravitationszentrum der Argumentation von
Röm 1–2, aus dem sich sogar die paulinische Rechtfertigungslehre herleitet. Zur Kritik vgl.
FITZMYER, 298.
503 Vgl. Lev 19,15; Dtn 10,17; 2Chron 19,7; Mal 1,8; Hiob 34,19; 42,8; Ps 82,2; SapSal
6,7; Sir 35,12f; PsSal 2,18; Jub 5,15; Gal 2,6; Kol 3,25; Eph 6,9; vgl. weiterhin M. KONRADT,
Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief (SUNT 22; Göttingen, 1998) 135f.
504 Dass sich das Gegensatzpaar ha nómwß / h en nóm^w auf das mosaische Gesetz bezieht,
darf im Zusammenhang der Juden-Nichtjuden-Thematik als gesichert gelten.
505 Die Passivform kriq´jsontai, die h apoloüntai aufnimmt, ist theologisch zu deuten.
506 S.K. STOWERS, A rereading of Romans (New Haven, 1994) 134–138 deutet ha nómwß
im allgemeinen Sinne von »gesetzlos« = »gottlos«. Dagegen spricht aber 1Kor 9,21 ebenso
wie der nachfolgende Kontext von Röm 2,13ff.
507 Gal 2,15; Jub 23,24.
196 III. Analyse paulinischer Texte

umgesetzt werden. Der gängige Topos von der Unterscheidung zwischen


Wissen und Tun508 wird hier in den Kontext des Gerichts nach Werken
gestellt. Wenn Gott als Richter völlig unparteiisch (2,11) nach dem Prinzip
des Gerichts nach Werken verfährt (2,6), dann zählt das mosaische Gesetz
nur, insofern es in die Tat umgesetzt wird. Nur die Täter werden im Gericht
von Gott als Gerechte anerkannt werden509 (vgl. Lev 18,5 und Gal 3,12)510.
Die VV. 12f haben drei zentrale Begriffe für den weiteren Verlauf der Argumentation
erstmals eingeführt: nómoß, Hamartánw und dikaiów. Obgleich von der Sache her Vieles
davon bereits zur Sprache gekommen ist, ist Paulus hier terminologisch »gelandet« und wird
ab jetzt vorwiegend mit dieser Begrifflichkeit operieren.
14 “otan gàr ‘eqnj tà m`j nómon Denn wenn Nichtjuden, die das Gesetz nicht
‘econta fúsei tà toü nómou haben, von Natur aus (die Forderungen) des
poi¨wsin, oˆutoi nómon m`j Gesetzes tun, dann sind sich jene, die das Gesetz
‘econteß Heautoïß e˙sin nómoß≥ nicht haben, selbst ein Gesetz.

Um die Feststellung zu unterstreichen (gár), dass nur die Taten und nicht das
Gesetz an sich im Hinblick auf das Gericht von Belang sind, konstruiert
Paulus einen interessanten Fall (“otan), dessen faktische Realisierung in der
Schwebe gelassen wird511: Nichtjuden512, die das mosaische Gesetz nicht

508 Vgl. Jak 1,22f.25; 4,11; Mt 7,24–27; für weitere Belege vgl. KONRADT, Gericht, 504,
Anm. 140.
509 Das Verb dikaiów im Pass., das zu sehr viel theologischen Wortbestimmungen
Anlass gegeben hat, ist hier aufgrund seiner antonymen Stellung zu den Passiva in V. 12
hapóllumi (»vergehen«) und krínw (»gerichtet werden«) relativ klar semantisch als deren
Gegenteil zu bestimmen: »von Gott als gerecht anerkannt werden«, »unbeschadet aus dem
Gericht hervorgehen«.
510 Der Kontrast von 2,13 zu 3,20 wirft die Frage nach Widersprüchlichem im paulini-
schen Text auf! Das Problem wird meistens mittels rhetorischer Intention »gelöst«: »In this
verse [2,13] Paul argues dato, non concesso, for the sake of his argument.« (FITZMYER, 308)
Für RÄISÄNEN, Paul and the Law, 1–15 ist das eines der Hauptzeugen für paulinische
Inkohärenz.
511 Das Fehlen des Artikels vor ‘eqnj deutet jedenfalls darauf hin, dass der hier dargestell-
te Fall nicht als die Regel betrachtet wird. Weiterhin macht V. 15 deutlich, dass Paulus diesen
Fall als »Beweis« (hendeíknumi) für seine Position aufführt, er also zumindest mit der
Möglichkeit einer Realisierung rechnen musste. MARTENS, Stoic Reading, bemüht zur
Lösung dieses Problems stoische Vorstellungen des vollkommenen Weisen. Die antike
Rhetorik unterschied zwischen faktischen, unmöglichen und erfundenen aber möglichen
»Beweisen«. Vgl. zum Beweis a fictione oder kaqh Hupóqesin MARTIN, Antike Rhetorik, 115.
512 Die These, dass an dieser Stelle mit ‘ eqnj nicht allgemein die Nichtjuden, sondern
spezifisch »Heiden«christen (wie in 11,13; 15,9) gemeint sind, wird zwar von einigen
vertreten (CRANFIELD, I, 156f; A. ITO, Romans 2: A Deuteronomistic Reading, JSNT 59
[1995] 28–35), ist aber angesichts des Argumentationszusammenhangs sehr fragwürdig. Vgl.
BELL, Extra ecclesiam, 37f; G. BORNKAMM, Gesetz und Natur, Röm 2,14–16, in: Ders.,
Studien zu Antike und Urchristentum: Gesammelte Aufsätze II (BEvTh 28; München, 1959)
93–118; F. KUHR, Römer 2,14f und die Verheißung bei Jeremia 31,31ff, ZNW 55 (1964)
252–261; O. KUSS, Die Heiden und die Werke des Gesetzes (nach Röm 2,14–16) (1954), in:
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 197

haben, handeln dennoch gemäß dem, was dort geboten ist, und zwar »von
Natur aus« (fúsei; vgl. 1,26)513. Diese Aussage ruft nicht nur stoische
Vorstellungen von einem in der Natur gegebenen Gesetz auf514, sondern sie
knüpft auch an eine Tradition an, die besonders im hellenistischen Judentum
an Raum gewann515: Das mosaische Gesetz steht nicht im Widerspruch zum
Naturgesetz, sondern ist eben dessen älteste und vollkommenste Formulie-
rung516.
Die völlig negative Bewertung nichtjüdischer Schuldverstrickung in 1,19–
32 wird hier ausbalanciert: Die Erkenntnis Gottes aufgrund seiner Erschlie-
ßung in seinen Schöpfungswerken muss nicht in der Katastrophe der »Vertau-
schung« enden, sondern kann (zumindest als Hypothese) sich auch darin

Ders., Auslegung und Verkündigung (Regensburg, 1963) I, 213–245; LOHSE, 105. In jedem
Fall müsste das an dieser Stelle sehr viel deutlicher zum Ausdruck gebracht werden.
513 Das Umstandsattribut fúsei, das sich hier an das Folgende und nicht an das Vorherige
anschließt (vgl. FITZMYER, 310; gegen CRANFIELD, I,156f), begegnet im NT noch in Gal 2,15
(Juden von Geburt); 4,8 (Götter, die in Wahrheit keine sind); Eph 2,3 (von Natur aus Kinder
des Zorns); Jak 3,7 (die menschliche Natur); vgl. weiterhin 3Makk 3,29; SapSal 13,1. Eine
sachliche Parallele findet sich in Philo, Abr 275f (Abraham erfüllte die Forderungen Gottes
durch das in der Natur eingeschriebene Gesetz).
514 MARTENS, Stoic Reading, 56–59. Vgl. Chrysipp in Plutarch, De Stoicorum repugnan-
tiis 9,1035C (= SVF III, 323); Cicero, De legibus I,6,18; Philo, Quod omnis probus liber sit
46; Abr 276; Jos 29; äthHen 2,1–5,4; weitere Texte in NW II/1, 77–85. Die wichtige Frage,
wie bewusst Paulus hier an stoische Vorstellungen vom »Naturgesetz« anknüpft, wird nicht
einheitlich beantwortet. Positiv äußern sich E. NORDEN, Agnostos Theos (Leipzig, 1913) 11,
Anm. 2; M. POHLENZ, Paulus und die Stoa, in: Rengstorf, Paulusbild, 524–526 (allerdings sei
Paulus nicht direkt von Stoa beeinflusst, sondern von der jüdischen Tradition); G.
BORNKAMM, Gesetz und Natur; KUHR, Römer 2,14f; FORSCHNER, Handeln, 17f. Skeptisch
zeigt sich B. REICKE, Syneidesis in Röm 2,15, ThZ 12 (1956) 161.
515 Für einen Überblick über den Topos des »Naturgesetzes« vom AT bis zu den Rabbi-
nen vgl. M. BOCKMUEHL, Natural Law in Second Temple Judaism, VT 45 (1995) 17–44. Zum
stoischen Einfluss speziell in dieser Frage im Hinblick auf Philo vgl. R.A. HORSLEY, The
Law of Nature in Philo and Cicero, HThR 71 (1978) 35–59 und (mit einem weiteren
Schwerpunkt auf SapSal) J.J. COLLINS, Natural Theology and Biblical Tradition: The Case of
Hellenistic Judaism, CBQ 60 (1998) 1–15. Allgemein zum biblischen Kontext: J. BARR,
Biblical Faith and Natural Theology (Oxford, 1993).
516 So konnte der jüdisch-hellenistische Philosoph Aristobul behaupten, Plato habe sein
Wissen aus dem Gesetz des Mose (Fragment in Eusebius, Praepar. Evang. XIII,12,1
= Walter, JSHRZ). Für Philo, Op 3 herrscht zwischen Kosmos und Nomos komplette
Harmonie (= Colson / Whitaker, 1.7). Vgl. auch SapSal 13,1–9. Durch diesen Topos wollten
Apologeten die jüdische Religion an die philosophisch-ethischen Traditionen ihrer Zeit
anschlussfähig machen. Eine Ausnahme bildet hier jedoch Contra Apionem, da Josephus hier,
gegen seine sonstige Gewohnheit, das Gesetz nicht an hellenistisch-kulturelle Vorgaben
anzuknüpfen sucht (vgl. dazu G. HAALAND, Jewish Laws for a Roman Audience: Toward an
Understandig of Contra Apionem, in: J.U. Kalms / F. Siegert [Hrsg.], Internationales
Josephus-Kolloquium Brüssel 1998 [Münsteraner Judaistische Studien 4; Münster, 1999]
282–304).
198 III. Analyse paulinischer Texte

äußern, dass Nichtjuden (wenn auch nur wenige) den moralischen Ansprü-
chen des mosaischen Gesetzes in ihrer gelebten Praxis voll und ganz entspre-
chen517.
15 o“itineß hendeíknuntai Solche zeigen auf,
tò ‘ergon toü nómou graptòn dass das Werk, welches das Gesetz verlangt,
hen taïß kardíaiß ahu t¨wn, in ihren Sinn geschrieben ist,
summarturoúsjß ahut¨wn t¨jß indem ihr Gewissen mit Zeugnis
suneid´jsewß kaì metaxù ablegt und ihre Gedanken
hall´jlwn t¨wn logism¨wn sich untereinander anklagen
katjgoroúntwn ’j kaì oder auch verteidigen
hapologouménwn,
16 hen Hjmérâ “ote krínei Ho qeòß tà am Tag, an dem Gott
kruptà t¨wn hanqr´wpwn das Verborgene der Menschen richtet
katà tò ehu aggélión mou dià entsprechend meinem Evangelium durch
Cristoü h Ijsoü. Christus Jesus.
Solche Fälle – auch wenn es sich dabei für Paulus um Ausnahmen handeln
mag – zeigen deutlich auf (hendeíknumi)518, dass es die Möglichkeit gibt,
aufgrund des Gewissens das zu halten, was das Gesetz gebietet519. In Anspie-
lung an Jer 33 (LXX-Jer 31; vgl. auch Jes 51,7) wird Nichtjuden bescheinigt,
dass das göttliche Gesetz in ihren Sinn »eingeschrieben« ist520. Von diesem
»eingeschriebenen« Gesetz gibt auch das Gewissen Zeugnis521, als eben jene
Instanz, die ein moralisches Urteil erlaubt522.

517 Treffend C.H. DODD, Natural Law in the New Testament, in: Ders., New Testament
Studies (Manchester, 1953) 141: »[T]he argument does require that there is sufficient
knowledge of God available to ensure man’s responsibility, and that there is sufficient
practice of the Law of God among pagans to shame the bad Jew.« (Hervorhebung vom Autor)
518 Es ist von 2,15 her kaum anzunehmen, dass es sich für Paulus um einen komplett
undenkbaren Fall handeln sollte. ZELLER, 69 denkt an Nichtjuden vor der Zeit der Gesetzge-
bung. Auch für diese reizvolle Hypothese fehlen Hinweise im Text.
519 Die syntaktische Einheit tò ‘ ergon toü nómou wird von Paulus gewöhnlich im Plural
pejorativ benutzt (3,20.28; Gal 2,16; 3,2; 5,10). Der Singular bezieht sich auf die konkreten
Werke, die vom Gesetz verlangt werden (vgl. KÄSEMANN, 59).
520 Interessant ist die Position des Origenes in C. Cels. I 4 (griech. ed. Marcovich, 9): Auf
den Vorwurf »die christliche Sittenlehre (tòn hj qikòn tópon) sei dieselbe wie die der
anderen Philosophen (koinòn e~inai kaì pròß toùß ‘allouß filosófouß) und durchaus
keine besonders erhabene und neue Lehre (ohu semnón ti kaì kainòn máqjma)«, antwortet
er keineswegs mit einer Gegenrede. Vielmehr führt er die Gemeinsamkeiten unter Berufung
auf Röm 2,15 darauf zurück, dass diese »gemeinsamen Vorstellungen« (tàß koinàß hennoíaß
[eine sehr stoisch angehauchte Wendung]) allen Menschen vom Schöpfer eingepflanzt
worden sind, um allen im Gericht die gleiche Chance zu geben.
521 Es bleibt unklar, ob sún in summarturoúsjß impliziert, dass es noch andere Zeugen
dieses Wissens gibt, oder ob es nur der Verstärkung dient.
522 Vgl. ECKSTEIN, Syneidesis und R. SCHNACKENBURG, Die sittliche Botschaft des
Neuen Testaments (HThK.Supp 2; Freiburg i.Br., 1988) II, 48–58. Das AT kennt keinen
Gewissensbegriff (suneídjsiß begegnet spät in Koh 10,20 und SapSal 17,10). Erst in der
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 199

Einen weiteren Hinweis auf das Vorhandensein eines dem mosaischen


Gesetz entsprechenden moralischen Wissens unter Nichtjuden sieht Paulus
darin, dass sich ihre Gedanken anklagen oder verteidigen. Die Formulierung
ist recht änigmatisch und lässt offen, ob konkret an den inneren Dialog des
Gewissens523, an gegenseitige Zurechtweisungen und Äußerungen von Kritik
oder an den philosophisch-ethischen Diskurs zu denken ist.
Etwas überraschend schwenkt der Gedankengang in V. 16 wieder zurück
zum Gerichtstag524. Die Aussage lässt sich jedoch im Zusammenhang mit
V. 15 deuten: Dass das Werk des Gesetzes in die Herzen mancher Nichtjuden
eingeschrieben ist, erweisen diese am Tag des Gerichts, weil dann nämlich
Gott das Verborgene der Menschen (tà kruptà t¨wn hanqr´wpwn)525 ans
Tageslicht bringt. Paulus fügt hier aber einen neuen Gedanken ein: Das
Gericht, das unparteiisch nach dem Prinzip der Werke urteilt, hat zum
Maßstab (katá) das von Paulus verkündigte Evangelium und wird mittels
(día) Christus Jesus vollzogen526. Dass Christus an diesem Gericht mitwirkt,
ist Teil der »guten Botschaft« des Evangeliums527.

Populärphilosophie ab dem 2. Jh. v.Chr. treten die Begriffe suneídjsiß, suneidóß und lat.
conscientia in den Vordergrund, um das innere Bewusstsein von Schuld als Folge und Strafe
von schlechten Taten auszudrücken: Diodorus Siculus IV,65,7: »Wegen des Bewußtseins
(suneídjsin) seines Verbrechens geriet er [= der Muttermörder Alkmäon] in Wahnsinn.«
Bei Seneca entspricht mala conscientia dem deutschen »schlechten Gewissen« (Ep I 12,9;
V 43,4; XVII–XVIII 105,8; XIX–XX 122,14; De Ben III,1,4). Cicero, Tuscul. disput.
IV 20,45 spricht vom »Gewissensbiss«. Man wird vom Gewissen wie von Furien gejagt und
am Schlaf gehindert (Curtius Rufus, Hist VI,10,14), betroffen (Livius XXXIII,28,14),
überführt (Cicero, Catil II,6,13), aufgeschreckt (Plinius d. Jüngere, Ep I,5,8), getrieben
(Quintilian V,13,46). Für Seneca steht das schlechte Gewissen im direkten Zusammenhang
mit Ehre und Schande: »Ein gutes Gewissen ruft die Menge zu Zeugen, ein schlechtes ist
auch in der Einsamkeit angstvoll und unruhig. Wenn anständig ist, was du tust, mögen es alle
wissen, wenn schimpflich, was nützt es, dass niemand es weiß, wenn du es weißt? O du
Unglücklicher, wenn du diesen Zeugen verachtest!« (Ep V 43,5; übers. Rosenbach, 343)
Philo denkt, dass der absichtlich sündigende Mensch »durch das eigene Gewissen im Innern
überführt« wird (SpecLeg I,235). Bei ihm ist das Gewissen eine Stimme der göttlichen
Vernunft im Menschen (vgl. Fug 118; Imm 135). Josephus spricht auch vom guten Gewissen,
das »Zuversicht vor Gott und Menschen schenkt« (Ant 2,52).
523 CRANFIELD, I, 162; KÄSEMANN, 61; FITZMYER, 311.
524 Für BULTMANN, Glossen, 200f ein ausreichender Grund, diesen Vers zur Glosse zu
erklären (siehe zu 2,1). FITZMYER, 312 sieht hier »a conclusion for the whole paragraph«.
Doch leider fehlt eine Folgerungspartikel.
525 Vgl. dazu: 1Sam 16,7; 1Chron 29,9; Ps 139,1f.23; Jer 17,10; 1Kor 4,5.
526 Dass Gott sein Gericht auch an andere delegieren konnte, ist jüdisch belegt: äthHen
45,3–6; 11QMelch; TestAbr (Rec, A) 13,5.
527 Es ist nicht ganz eindeutig, ob dià Cristoü h Ijsoü meint, dass Christus Jesus Mittler
des göttlichen Gerichts ist (so FITZMYER, 312 mit Hinweis auf 2Kor 5,10; 2Thess 1,7–10;
2Tim 4,1; Joh 5,27; Apk 22,12), oder dass Christus Jesus (analog dià nómou in 2,12) die
kritischer Maßstab des göttlichen Gerichts ist. Im letzteren Falle würde jedoch katà tò
ehuaggélión mou in der Luft hängen, denn der Gerichtsmaßstab wird gewöhnlich durch
200 III. Analyse paulinischer Texte

c) Röm 2,17–29528
17 E˙ dè sù h Ioudaïoß heponomáz∆ Wenn du dich aber »Jude« nennst
kaì hepanapaú∆ nóm^w und dich auf das Gesetz verlässt
kaì kaucäsai hen qe¨^w und dich Gottes rühmst;
18 kaì gin´wskeiß tò qéljma und du kennst den Willen (Gottes)
kaì dokimázeiß tà diaféronta und stellst (kritisch) fest, worauf es ankommt,
katjcoúmenoß hek toü nómou, weil du im Gesetz unterrichtet bist,
19 pépoiqáß te seautòn Hodjgòn und dir selbst zutraust, ein Leiter der Blinden
e~inai tufl¨wn, f¨wß t¨wn hen zu sein, ein Licht denen in Dunkelheit,
skótei,
20 paideut`jn hafrónwn, didáska- ein Erzieher der Unwissenden,
lon njpíwn, ein Lehrer der Unmündigen,
‘econta t`j n mórfwsin t¨jß der die Verkörperung der Erkenntnis
gn´wsewß kaì t¨jß haljqeíaß hen und der Wahrheit im Gesetz hat:
t¨^w nóm^w -

Die Anklage nimmt nun explizit »den« Juden ins Visier, der hier weiterhin im
Diatribe-Stil direkt angesprochen wird als jemand, der sich selbst als Jude
versteht. Paulus entwirft – frei von Ironie! – das Bild eines »Musterjuden«,
dessen Selbstverständnis sich von einer privilegierten Position Gott und damit
auch den Nichtjuden gegenüber definiert529. Gravitationszentrum jüdischer
Identität ist nach diesem Verständnis das mosaische Gesetz530.
Im Einzelnen: Das Gesetz ist nicht etwas, was den Juden belastet oder in
Unruhe stürzt; vielmehr verlässt er sich darauf, ja er ruht förmlich darauf
(17b)531. Zugleich rühmt er sich nicht seiner eigenen Leistungen, sondern
Gottes (17c)532. Die systematische katechetische Unterweisung im göttlichen
Gesetz (18c) versetzt »den« Juden in die Lage, Gottes Willen zu kennen

krínw diá c. Acc. und nicht durch dià c. Gen. bezeichnet (vgl. Joh 7,24; 8,15; 18,31; Apg
23,3; 1Petr 1,17; Apk 20,12f).
528 J.M.G. BARCLAY , Paul and Philo on Circumcision: Romans 2.25–9 in Social and
Cultural Context, NTS 44 (1998) 536–556; BELL, No One Seeks, 184–200; T.W. BERKLEY,
From a Broken Covenant to Circumcision of the Heart: Pauline Intertextual Exegesis in
Romans 2:17–29 (SBLDS 175; Atlanta, GA., 2000); L. GOPPELT, Der Missionar des
Gesetzes. Zu Röm 2,21f. (1959), in: Ders., Christologie und Ethik (Göttingen, 1968) 137–
146; S. LYONNET, Le ›paien‹ au ›coeur circoncis‹ ou ›le chretien anonyme‹ selon Rom 2,29,
in: Ders., Etudes sur l’epître aux Romains (Analecta Biblica 120; Rom, 1989) 71–88.
529 Vgl. etwa 4Esr 6,55f: »Das alles aber habe ich vor dir, Herr, ausgesprochen, weil du
gesagt hast, daß du unseretwegen die erste Welt geschaffen hast. 56 Die übrigen Völker aber,
die von Adam abstammen – von ihnen hast du gesagt, daß sie nichts seien –, sind dem
Speichel gleich, du hast ihre übergroße Menge dem Träufeln vom Eimer gleichgestellt.«
(Schreiner, JSHRZ)
530 Vgl. Sir 39,8; syrBarApk 48,22–24.
531 Das seltene Verb hepanapaoúmai bedeutet ihm wörtlichen Sinne »ruhen« (Lk 10,6).
Vgl. in LXX Mi 3,11; Hes 29,7; 1Makk 8,11.
532 Paulus formuliert vielleicht in Anlehnung an Jer 9,23, das er in 1Kor 1,31 und 2Kor
10,17 zitiert (vgl. PsSal 17,1).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 201

(18a)533 und richtig einschätzen zu können, worauf es moralisch ankommt;


also: das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden zu können (18b;
vgl. Phil 1,10). Weil das Gesetz bestimmt werden kann als »die Verkörperung
von Erkenntnis und Wahrheit« (mórfwsiß t¨jß gn´wsewß kaì t¨jß
haljqeíaß)534, traut sich »der« Jude zu, seine Position den Nichtjuden gegen-
über im Gefälle von »sehend« zu »blind«, »licht« zu »dunkel«, »wissend« zu
»unwissend«, »erwachsen« zu »unmündig« beschreiben zu können (19–
20a)535. Daraus erwächst seine Funktion als Leiter (Hodjgóß), Erzieher
(paideut´jß) und Lehrer (didáskaloß).
21 Ho o~un didáskwn “eteron Der du nun einen anderen lehrst,
seautòn ohu didáskeiß; dich selbst lehrst du nicht?
Ho kjrússwn m`j kléptein Der du verkündigst, nicht zu stehlen,
klépteiß; du stiehlst?
22 Ho légwn m`j moiceúein Der du vorschreibst, nicht die Ehe zu brechen,
moiceúeiß; du brichst die Ehe?
Ho bdelussómenoß tà e’idwla Der du die Götzen verabscheust
Óerosuleïß; du begehst Tempelraub?
23 “oß hen nóm^w kaucäsai, Der du dich des Gesetzes rühmst,
dià t¨jß parabásewß toü nómou du bereitest Gott Schande durch
tòn qeòn hatimázeiß; die Übertretung des Gesetzes?
24 tò gàr ‘onoma toü qeoü dih Denn der Name Gottes wird euretwegen unter
Humäß blasfjmeïtai hen toïß den Nationen gelästert –
‘eqnesin, kaq`wß gégraptai. wie geschrieben steht.

Hier bricht die Beschreibung ab und Paulus geht unvermittelt dazu über,
»den« Idealjuden im Sinne von 2,1–16 zu überführen536: Er richtet andere und
tut das Gleiche. Die Fragen sind deutlich rhetorische Einkleidung für fünf
konkrete Anklagen, die zudem mit dem Idealbild aus 2,17–20 kontrastie-
ren537:

533 Zur Bedeutung vom Willen Gottes in jüdischer Frömmigkeit vgl. Ps 40,9; 143,10;
2Makk 1,3f; Bar 4,4; 1QS 9,23.
534 Die syntaktische Einheit ist keineswegs traditionell formuliert, deutet aber einen
deutlichen Kontrast an zu den Möglichkeiten wahrer Gotteserkenntnis außerhalb des Bundes
mit Israel. Der Sachzusammenhang zwischen gn¨wsiß (bzw. gin´wskw) und hal´j qeia
erschließt sich wohl am deutlichsten aus 1,18–32: Wahres über Gottes Wesen wird erkannt
aus der Schöpfung, insofern sich Gott darin erschließt. Die sehr seltene Wortbildung
mórfwsiß begegnet sonst nur noch in 2Tim 3,5 und bezieht sich dort auf die äußere Form der
Frömmigkeit (mórfwsiß ehusebeíaß) im Gegensatz zur darin wirkenden Kraft (dúnamiß).
Der Begriff, der im Zusammenhang von 2,20 sicherlich nicht abwertend gemeint ist, scheint
dennoch einen Unterschied zu markieren zwischen äußerer Form und innerem »Geist«. Wird
hier schon die Geist-Buchstabe-Dichotomie in 2,27–29 vorbereitet?
535 Vgl. SapSal 2,12–15; Sir 37,19; Mt 15,14; 23,16.24. Zur Lichtmetaphorik vgl. Jes
42,6f; 49,6.
536 Vgl. zur asyndetischen Satzstruktur BDR §454.3; 460.3.
537 Zur Kombination von Diebstahl, Ehebruch und Tempelraub vgl. Philo, Conf 163.
202 III. Analyse paulinischer Texte

Er (der Leiter, Erzieher und Lehrer) lehrt zwar andere, lehrt sich selbst aber nicht (2,21a). Er
(der Gottes moralischen Willen kennt) verbietet Diebstahl, stiehlt jedoch selbst (2,21b). Er
(der weiß, worauf es ankommt) verbietet Ehebruch und begeht ihn selbst (2,22a). Er (der im
Gesetz bestens unterrichtet ist) verabscheut die Götzen 538, begeht aber selbst Tempelraub
(2,22b)539. Zusammenfassend: Er (der sich Gottes rühmt [vgl. 2,17]) rühmt sich des Gesetzes
und bereitet Gott nur Schande durch dessen Übertretung (2,23)540.

Mit einem direkten Zitat aus Jes 52,5 (LXX) wird in V. 24 die letzte Aussage
untermauert541.
25 peritom`j mèn gàr hwfeleï Denn Beschneidung ist zwar von Nutzen, wenn
heàn nómon práss∆ß≥ du das Gesetz befolgst;
heàn dè parabátjß nómou ~∆ß, wenn du aber ein Gesetzesübertreter bist,
Hj peritom´j sou hakrobustía dann ist deine Beschneidung Unbeschnittenheit
gégonen. geworden.
26 heàn o~un Hj hakrobustía tà Wenn nun der Unbeschnittene
dikai´wmata toü nómou die Rechtsforderung des Gesetzes
fuláss∆, ohuc Hj hakrobustía befolgt, wird nicht sein Unbeschnittensein
ahutoü e˙ß peritom`j n lo- als Beschneidung angerechnet werden?
gisq´jsetai;

Von 2,12 bis 2,23 spannt sich ein Bogen, unter dem zentral die Frage nach der
Bedeutung des mosaischen Gesetzes im Hinblick auf das Gericht verhandelt
wird. VV. 12–16 haben v.a. betont, dass das Gesetz nur von Nutzen ist, wenn
es eingehalten wird. Demgegenüber heben VV. 17–24 darauf ab, dass in
Bezug auf die genaue Einhaltung des Gesetzes eine Lücke zwischen An-
spruch (17–20) und Wirklichkeit (21–24) klafft, so dass sich die noch recht
allgemein formulierte Anklage von 2,1–11 am Ende anhand »des« Juden
konkretisieren lässt: Sie richten andere für etwas, was sie selber tun. Nachdem
also die Argumentation dem auf das Gesetz sich stützenden jüdischen
Privilegierungsbewusstsein den Boden entzogen hat (zumindest ihrem

538 Vgl.Ex 20,4–6; Dtn 5,8–10; 7,25f; Josephus, Ant 4,207.


539 Das Verb Óerosuléw ist im Kontext schwer zu deuten: In 2Makk 4,39.42; 9,2; 13,6
und Apg 19,37 beziehen sich unterschiedliche Wortbildungen dieser Wortfamilie auf das
Sakrileg des Tempelraubs. Dass Paulus hier nur im übertragenen Sinne die Sakralisierung des
Gesetzes hinterfragen will (so D.B. GARLINGTON, H IEROSULEIN and the Idolatry of Israel
(Romans 2,22), NTS 36 [1990] 142–151; FITZMYER, 318), ist angesichts des Kontextes, in
dem es um sehr konkrete Vergehen geht, ganz und gar unwahrscheinlich. Vgl. auch TestLev
14,5. Der Vorschlag von J.D.M. DERRETT, ›You Abominate False Gods; But Do You Rob
Shrines?‹ (Rom 2.22b), in: Ders., Studies in the New Testament, Vol. 6 (Leiden, 1995) 215–
228, dass Paulus Profit mit geweihten Gütern (res sacrae) kritisieren will, ist eine Verlegen-
heitslösung.
540 Ich verstehe alle fünf Sätze als rhetorische Fragen. Bei der vorgezeichneten Antwort
macht es aber keine Unterschied, wenn V. 23 als Aussage gelesen wird (SANDAY / HEADLAM,
66; FITZMYER, 318).
541 Der LXX-Text ist im Zusammenhang eher so zu verstehen, dass die Nationen Gottes
Namen lästern, aufgrund der Tatsache, dass sie das Volk Gottes besiegt und ins Exil geführt
haben (vgl. auch Hes 36,20).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 203

Anspruch nach), steht noch ein zweiter zentraler Aspekt jüdischer Identität
zur Diskussion542: die Beschneidung als das Zeichen des Bundes zwischen
Gott und Israel543. Hier kommt Paulus zu den radikalsten Schlussfolgerungen
des gesamten Abschnitts544.
Kann die Beschneidung als Heilszeichen auch dann im Gericht von Nutzen
sein, wenn das mosaische Gesetz nicht genau eingehalten worden ist? Die
Beantwortung dieser Frage führt Paulus letztlich zu einer Neudefinition
dessen, was es bedeutet, »Jude« zu sein. Paulus wendet das Prinzip des
absoluten Vorrangs der Werke gegenüber allen Privilegien auch auf die
Beschneidung an: Beschneidung ist nur dann (im Gericht) von Nutzen, wenn
jemand das im Gesetz Gebotene hält (2,25a; vgl. auch Gal 5,3)545. Umgekehrt
gilt: Wenn jemand das Gesetz übertritt, dann wird die Beschneidung faktisch
zur Unbeschnittenheit (2,25b). Der beschnittene jüdische Gesetzesübertreter
wird damit auf die gleiche Stufe mit einem Nichtjuden gestellt546. Paulus geht
noch einen Schritt weiter: Wenn ein Unbeschnittener sich an die Rechtsforde-
rung des Gesetzes hält (eine Möglichkeit, mit der nach 2,14f gerechnet
werden kann), dann sollte ihm das als Beschneidung angerechnet werden547.
Diese letzte Schlussfolgerung zieht Paulus nur indirekt als rhetorische Frage.
27 kaì krineï Hj hek fúsewß Und der von Natur aus Unbeschnittene,
hakrobustía tòn nómon teloüsa der das Gesetz erfüllt, richtet dich,
sè tòn dià grámmatoß kaì der du mit Buchstaben und Beschneidung ein
peritom¨j ß parabátjn nómou. Übertreter des Gesetzes bist.

542 Gár am Anfang ist in diesem sehr allgemeinen Sinn anknüpfend, sicherlich nicht
begründend nach hinten verbunden.
543 Gen 17,10ff; Jub 15,25–28; 1Makk 1,48.60f; 2,46; 2Makk 6,10; Josephus, Ant 20,34–
38. Alle relevanten Texte zur Beschneidungsthematik werden in A. BLASCHKE, Beschneidung
(TANZ 28; Tübingen, 1998) analysiert (S. 108–322 zur jüdischen Umwelt und S. 323–360
zum Urteil griechischer und lateinischer Autoren). Beschneidung galt nicht immer als
Bedingung der Proselytenaufnahme. Vgl. J.J. COLLINS, A Symbol of Otherness: Circumcisi-
on and Salvation in the First Century, in: Ders., Seers, Sybils and Sages in Hellenistic-Roman
Judaism (JSJ.S 54; Leiden, 1997) 211–235; F.W. HORN, Der Verzicht auf die Beschneidung
im frühen Christentum, NTS 42 (1996) 492–494.
544 BARCLAY , Circumcision, 544. Generell M. HENGEL, Judentum und Hellenismus
(WUNT 10; Tübingen, 31988) 561: »Der Kampf des Paulus gegen die Beschneidung und das
Gesetz war nicht zuletzt auch wegen der ›ethnisch-politischen Konsequenzen‹ in den Augen
seiner judaistischen Gegner ein ›Verrat am Judentum‹.«
545 Vgl. Lev 18,5; Dtn 30,16. Bill., III,119 führt rabbinische Texte auf, die der Beschnei-
dung absolute Heilsbedeutung zuschreiben. Inwiefern diese Aussagen aber auch in die Zeit
des Paulus rückdatierbar sind, wage ich nicht zu beurteilen.
546 Vgl. Gal 5,6; 1Kor 7,19.
547 Die Begriffe »Unbeschnittenheit« und »Beschneidung« werden metonym (Abstraktes
für Konkretes; Unbeschnittenheit = Unbeschnittener) benutzt. J. MARCUS, The Circumcision
and the Uncircumcision in Rome, NTS 35 (1989) 75f hat darauf hingewiesen, dass diese
Terminologie im Judentum »highly unusual« ist.
204 III. Analyse paulinischer Texte

Die anklagende Rolle des Nichtjuden548 tritt dadurch zutage, dass er ohne
Beschneidung gesetzeskonform lebt, während der Jude, der in der günstigen
Lage ist549, den Buchstaben des Gesetzes (vgl. mórfwsiß in 2,20) und die
Beschneidung zu haben, trotzdem ein Übertreter des Gesetzes geworden ist.
28 ohu gàr Ho hen t¨^w faner¨^w Denn ein Jude ist nicht der,
h Ioudaïóß hestin, der es es nach außen hin ist,
ohudè Hj hen t¨^w faner¨^w und nicht (das) ist die (rechte) Beschneidung,
hen sarkì peritom´j ≥ die am Fleisch sichtbar (ist),
29 hallh Ho hen t¨^w krupt¨^w h Ioudaïoß, sondern der ist ein Jude, der es im Verborgenen
kaì peritom`j kardíaß (ist), und (die wahre) Beschneidung (ist die) des
hen pneúmati ohu grámmati, Herzens durch (den) Geist (wörtl. im Geist) nicht
oˆu Ho ‘epainoß ohuk hex hanqr´wpwn durch (die) Schrift, dessen Lob nicht vom
hallh hek toü qeoü. Menschen kommt, sondern von Gott.

So gelangt der Text am Ende zu einer Neubestimmung jüdischer »Identitäts-


merkmale«. Die Beschneidung als sichtbares äußeres Zeichen am Fleisch
macht nicht das Judesein aus (2,28). Da es im Gericht um die Offenlegung
des »Verborgenen der Menschen« geht (2,16: tà kruptà t¨wn hanqr´wpwn),
definiert Paulus den Juden aus dieser Perspektive. Der Argumentationszu-
sammenhang legt nahe, dass für Paulus die Taten im Wesentlichen die »wahre
Qualität« des Menschen erweisen. Wahrhaft Jude kann sich nur der nennen,
der es im Verborgenen ist. Dies wird qualifiziert durch den Hinweis auf den
Topos der »Beschneidung des Herzens«550. Paulus möchte damit seine sehr
weitreichende Neubestimmung des Judeseins mit einem biblischen Topos
unterlegen. Motiviert wird eine solche innere Haltung nicht durch die
Äußerlichkeit der Schrift (also des mosaischen Gesetzes)551, sondern durch
den Geist (vgl. Jer 31,33; Hes 36,27)552. Im Geflecht binärer Oppositionen
stehen sich auf der einen Seite »äußerlich« (hen t¨^w faner¨^w), »im Fleisch« (hen
sarkí) und »im Buchstabe« (hen grámmati) und auf der anderen »im
verborgenen« (hen t¨^w krupt¨^w), das »Herz« (kardía) und »im Geist« (hen
pneúmati) gegenüber.
Die letzte Relativbestimmung situiert das Geschehen wieder im göttlichen
Gericht: Da es dem »wahren« Juden nicht um Äußerlichkeiten geht, ist sein
Handeln nicht abhängig vom Lob der Menschen, sondern vom eschatologi-
schen Lob Gottes.

548 Auchhier ist nicht an Heidenchristen zu denken.


549 Diámit Gen. ist als Umstandsbeschreibung zu lesen.
550 Lev 26,41; Dtn 10,16; 30,6; Jer 4,4; 9,24f; Hes 44,7.9; 1QpHab 11,13; Jub 1,23; Philo,
Migr 92; SpecLeg I,305. Vgl. weiterhin zum Gebrauch in Qumran D.R. SEELY, The
›circumcised heart‹ in 4Q434 Barki Nafshi, RdQ 17 (1996) 527–535.
551 Der Singular grámma konnte als Abreviatur von tà Óerà grámmata für die Heilige
Schrift benutzt werden (vgl. Philo, Migr 85.139; Congr 58).
552 Die Antithese von »Schrift« und »Geist« ist typisch paulinisch (Röm 7,6; 2Kor 3,6f).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 205

d) Röm 3,1–20553
Die Argumentation bleibt an dieser Stelle in gewisser Weise stehen, um in
VV. 1–9 auf Einwände und Fragen einzugehen, die sich aus der Gleichset-
zung von Juden und Nichtjuden in 1,18–2,29 ergeben554. Die Generalanklage
wird in VV. 10–19 durch eine lange Reihe alttestamentlicher Texte rhetorisch
eindrucksvoll untermauert555, um in V. 20 mit jener Aussage zu schließen, die
den Gedankengang ab V. 21 dominieren soll: Kein Mensch wird aus Geset-
zeswerken vor Gott gerechtfertigt.
3,1 Tí o~un tò perissòn toü Welches (ist) denn eigentlich der Vorteil des
h Ioudaíou, ’j tíß Hj hwféleia t¨jß Juden oder der Nutzen der Beschneidung?
peritom¨j ß;
2 polù katà pánta trópon. Viel in jeder Hinsicht.
pr¨wton mèn [gàr] “oti hepis- Zuallererst nämlich, dass ihnen die
teúqjsan tà lógia toü qeoü. Worte Gottes anvertraut worden sind.
Nachdem im Hinblick auf das unparteiische Gericht Gottes nach den Werken
dem Juden gegenüber dem Nichtjuden die beiden wichtigsten »marker of
identity«, das Gesetz und die Beschneidung, als nutzlos dargestellt worden
sind, stellt sich ganz selbstverständlich als Folge davon (tí o~un) die Frage:
Welchen Vorteil hat der Jude als Jude556 und welchen Nutzen hat die Be-
schneidung als Zeichen des Heilsbundes zwischen Gott und seinem Volk? Die
unmittelbare Antwort verspricht durch den prompten Hinweis auf die
»vielen« Vorteile »in jeder Hinsicht« mehr, als sie dann einzulösen vermag,
denn nach einem »ersten« Vorteil (pr¨wton) bleibt der Apostel weitere
Hinweise schuldig, bzw. spart sie bis 9,4ff auf.

553
BELL, No One Seeks, 201–237; W.S. CAMPBELL, Romans iii as a Key to the Structure
and Thought of the Letter, in: Ders., Paul’s Gospel in an Intercultural Context (SIGC 69;
Frankfurt a.M., 1992) 25–42; C.H. COSGROVE, What if some have not believed? The Occa-
sion and Thrust of Romans 3,1–8, ZNW 78 (1987) 90–105; A. FEUILLET, La situation privi-
légiée des Juifs d’après Rm 3,9. Comparaison avec Rm 1,16 et 3,1–2, NRT 105 (1983) 33–46;
D.R. HALL, Romans 3.1–8 Reconsidered, NTS 29 (1983) 183–197; R.B. HAYS, Psalms 143
and the Logic of Romans 3, JBL 99 (1980) 107–115; O. HOFIUS, Der Psalter als Zeuge des
Evangeliums: Die Verwendung der Septuaginta-Psalmen in den ersten beiden Hauptteilen des
Römerbriefes, in: Ders., Paulusstudien II, 38–57; L.E. KECK, The Function of Romans 3:10–
18: Observations and Suggestions, in: J. Jervell / W.A. Meeks (eds.), God’s Christ and His
People (FS N.A. Dahl; Oslo, 1977) 141–157; J.F. PIPER, The Rigtheousness of God in
Romans 3,1–8, ThZ 36 (1980) 3–16; H. RÄISÄNEN, Zum Verständnis von Röm 3,1–8, in:
Ders., The Torah and Christ (SESJ 45; Helsinki, 1986) 185–205; D. SÄNGER, Die Verkündi-
gung des Gekreuzigten und Israel (WUNT 75; Tübingen, 1994) 135–155 (zu 3,1–8); S.K.
STOWERS, Paul’s Dialogue with a Fellow Jew in Romans 3:1–9, CBQ 46 (1984) 707–722.
554 KÄSEMANN , 73 spricht von einem »Atemholen vor dem Abschluß«, LUZ, Aufbau, 169
von einem »Exkurs, der das Thema von Röm 9–11 vorwegnimmt« (s.a. 175).
555 Dieser Gliederungsvorschlag ist nicht allzu schematisch zu verstehen, da V. 9 Schar-
nierfunktion hat und sowohl nach hinten als auch nach vorne anschließt.
556 Zum kollektiven Gebrauch des Singular BDR §139.
206 III. Analyse paulinischer Texte

Was ihm aber offenbar als erstes in den Sinn kommt, sind die »Worte
Gottes« (tà lógia toü qeoü), die Gott seinem Volk anvertraut hat (3,2).
Insofern hier keine weiteren Einschränkungen explizit gemacht werden, ist
dabei allgemein an die Heilige Schrift zu denken (vgl. Dtn 4,7f)557, die Israel
»anvertraut« worden ist.
3 tí gàr e˙ hjpístjsán tineß; Was ist denn, wenn einige untreu waren?
m`j Hj hapistía ahu t¨wn t`j n pístin Wird etwa ihre Untreue die Treue Gottes außer
toü qeoü katarg´jsei; Kraft setzen?
4 m`j génoito≥ ginésqw dè Ho qeòß Auf keinen Fall! Vielmehr möge sich Gott als
haljq´jß, päß dè ‘anqrwpoß wahrhaftig und jeder Mensch als Lügner
yeústjß, kaq`wß gégraptai, erweisen! Wie geschrieben steht:
“ Opwß ’an dikaiwq¨∆ß hen toïß Damit du recht behältst in deinen
lógoiß sou kaì nik´jseiß Worten und den Sieg davonträgst,
hen t¨^w krínesqaí se. wenn man mit dir rechtet.
Die Aufzählung der Vorteile wird durch einen weiteren kasuistischen
Einwand abgebrochen558. Was gilt im Hinblick auf Gottes Treue für den Fall,
dass »einige« (nicht alle!) Juden untreu waren559? Die biblische Geschichte
kennt genug Beispiele von Israels Untreue560, die in Auseinandersetzung mit
konkreten historischen Erfahrungen Anlass zur Reflexion über die Beziehung
von menschlicher Untreue zu göttlicher Treue gaben561. Aus der Gleichbe-
handlung von Juden und Nichtjuden könnte man schließen, dass Paulus die
Position einnimmt, Gott habe seinen Treuebund Israel gegenüber aufgegeben.
Durch die Untreue »einiger« wäre dann Gottes Treue aufgehoben worden.
Paulus entgegnet diesem Gedanken mit einem scharfen »Nein« (4: m`j
génoito)562 und versucht damit sich des Verdachts zu entziehen, dass er ein

557 In diesem Sinne auch Hebr 5,12; 1Petr 4,11; Philo, Praem 1; VitCont 25; Josephus,
Bell 6,311–313. Der LXX-Gebrauch ist demgegenüber etwas enger auf die Worte der
Propheten bezogen (Num 24,4.16; Y 106,11).
558 Zu tí gár vgl. BDR §299.3.
559 Das Wortspiel mit drei Begriffen aus der pist-Wortfamilie lässt sich im Deutschen
besser mit »(un)treu« als mit »(un)gläubig« wiedergeben. Ob die ursprünglichen Rezipienten
und Rezipientinnen ihrem natürlichen Sprachempfinden nach einen Unterschied zwischen
»Treue« und »Glauben« den Begriffen beigelegt haben, mag dahingestellt sein!
560 Ex 15,22–16,36; Num 14; 1Kön 18,21; Hos 4,1f. Auch Josephus verschweigt die
Gesetzesübertretungen des Volkes (trotz Ant 3,223) nicht: Ant 3,218; 5,144–147; 18,81;
20,218.
561 Dass dies eine echte Frage war, wird aus nachexilischen Zeugnissen deutlich (vgl. Jer
2,2–13). Im NT ist dies v.a. in Apg von Bedeutung. Vgl. J. JERVELL, Gottes Treue zum
untreuen Volk, in: C. Bussmann / W. Radl (Hrsg.), Der Treue Gottes trauen (FS G.
Schneider; Freiburg i.Br., 1991) 15–27.
562 Zur Wendung vgl. BDR §384. In der LXX Gen 44,7.17; Jos 22,29; 24,16; 1Makk 9,10
als Einleitung zu einer längeren Rede. Im Sinne einer dezidierten Verneinung innerhalb eines
Dialogs wird der Begriff noch bei Epiktetus benutzt und gilt daher als typisch für den
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 207

wichtiges alttestamentlich-jüdisches Theologoumenon, nämlich das der Treue


Gottes563, aufgegeben habe (vgl. 3,26)564. Im Gegenteil soll sich Gott als
»wahrhaftig« (haljq´jß)565 und jeder Mensch – in Abgrenzung gegenüber
tineß in V. 3 – als Lügner erweisen. Paulus will damit nicht von der Vorstel-
lung abrücken, dass die Juden dem göttlichen Gericht ausgesetzt werden; nur
möchte er betonen, dass Gott dabei seine Treue nicht aufgibt566.
Paulus untermauert diesen Gedankengang mit einem Schriftzitat aus
Y 50,6567. Die Passivformen von dikaiów und krínw wirken im paulinischen
Verwendungszusammenhang überraschend, weil es Gott ist, der sich im
Rechtsstreit der Menschen gegen ihn als gerecht erweist. Die faktische
Untreue von Juden kann Gottes zugesagte Treue nicht aufheben, weil er sich
sonst als unwahrhaftig und unzuverlässig in seinen Urteilen erweisen würde.
Den Rechtsstreit zwischen Gott und Mensch kann nach diesem Wort nur Gott
gewinnen, aber nicht durch Erweis seines Zorns, sondern durch seine Treue
(pístiß), die auf keinen Fall aufgehoben werden kann.
5 e˙ dè Hj hadikía Hjm¨wn Wenn aber unsere Ungerechtigkeit
qeoü dikaiosúnjn sunístjsin, Gottes Gerechtigkeit erweist,
tí heroümen; m`j ‘adikoß Ho qeòß was sollen wir sagen? Ist Gott etwa ungerecht,
Ho hepiférwn t`jn horg´j n; wenn er das Zorngericht auferlegt?
katà ‘anqrwpon légw. – Ich rede nach menschlicher Weise!
6 m`j génoito≥ hepeì p¨wß krineï Auf keinen Fall! Wie sonst könnte
Ho qeòß tòn kósmon; Gott die Welt richten?

Der fiktive Gesprächspartner formuliert den Einwand aus V. 3 in zugespitzter


Weise neu, um Paulus damit auf das Terrain des theologisch für beide
Inakzeptablen zu führen. Wenn die Untreue Israels am Ende einen Sieg für
Gottes Treue bedeutet (V. 4), dann wird dadurch Gottes heilschaffende
Gerechtigkeit erwiesen (sunístjmi). Was aber ist daraus zu folgern (tí
heroümen)? Vielleicht, dass Gott ungerecht ist, wenn er diejenigen mit seinem

Diatribe-Stil. Vgl. A.J. MALHERBE, M`j génoito in the Diatribe and Paul, in: Ders., Paul and
the Popular Philosophers (Minneapolis, 1989) 25–33.
563 Vgl. zum, Ausdruck pístiß qeoü 1Sam 21,3 (anders MT); Y 32,4; PsSal 8,28; wei-
terhin Ex 34,6f; Num 23,19; Dtn 7,9; Jes 49,7; Hos 2,19–23; 1QS 11,9–14; 2Tim 2,13.
564 Im Hinblick auf die Israel-Problematik führt Paulus diesen Gedanken in 11,25–27
weiter aus. Vgl. W. K ELLER, Gottes Treue – Israels Heil: Röm 11,25–27, die These vom
»Sonderweg« in der Diskussion (SBB 40; Stuttgart, 1998).
565 »Wahrheit« im Sinne von Bundestreue in Y 89,2.6.9.15.25.34.
566 3,3 wäre somit als Vorgriff auf Röm 9–11 formuliert.
567 Y 50,6: soì món^w “jmarton kaì tò ponjròn hen´ wpión sou hepoíjsa, o “ pwß ’an
dikaiwq¨∆ß hen toïß lógoiß sou kaì nik´js∆ß hen t¨^w krínesqaí se. (»Alleine gegen dich
habe ich gesündigt und das Böse vor dir getan, so dass du dich in deinen Reden als gerecht
erweist und den Sieg davonträgst, wenn man mit dir rechtet.«) Paulus übernimmt den
genauen Wortlaut bis auf die Änderung des Aorists nik´js∆ß in den Futur nik´jseiß (vgl.
dazu HOFIUS, Psalter, 44, Anm. 28). Die Angleichung an den LXX-Wortlaut in B, G, L, Y,
365, 1175, 1739 und 1881 ist sicherlich sekundär.
208 III. Analyse paulinischer Texte

Zorn straft, die doch seine Heilstreue ins Licht gestellt haben568. Die kon-
struierte Dialogsituation entbindet Paulus dennoch nicht, seiner Scheu darüber
Ausdruck zu geben, dass er einen solchen Gedanken überhaupt formuliert. Er
qualifiziert daher: »Ich rede nach menschlicher Weise.«569
Selbstverständlich kann Paulus einen Schluss, der in Gottes Ungerechtig-
keit mündet, nur nach Kräften bestreiten (V. 6 wieder mit m`j génoito). Er
versucht diese Aussage mit einer ähnlichen Strategie zu entkräften, nämlich
indem er zeigt, dass daraus auch nur eine falsche Schlussfolgerung gezogen
werden könnte. Wenn Gott nämlich ungerecht ist, dann könnte er sicherlich
nicht die Welt richten. Da aber an Letzterem kein Zweifel besteht570, ist es
gewiss falsch, Gott Ungerechtigkeit zu unterstellen571.
7 e˙ dè Hj hal´j qeia toü qeoü hen t¨^w Wenn aber Gottes Wahrhaftigkeit sich wegen
hem¨^w yeúsmati heperísseusen meiner Lüge als übergroß erweist
e˙ß t`j n dóxan ahutoü, zu seiner Herrlichkeit,
tí ‘eti khag`w Hwß Hamartwlòß warum werde ich dann noch als Sünder
krínomai; gerichtet?
8 kaì m`j kaq`wß blasfjmoúmeqa Und sollen wir etwa [so handeln] – wie man uns
kaì kaq´wß fasín tineß übel verleumdet und wie einige behaupten, dass
Hjmäß légein “oti Poi´jswmen tà wir sagen: Lasst uns das Schlechte tun,
kakà “ina ‘elq∆ tà hagaqá; damit das Gute komme?
ˆwn tò kríma ‘endikón hestin. Deren Verdammung ist gerecht!

V. 7 bietet eine neue Variante des gleichen Einwands wie in V. 5: Wenn


Gottes Wahrheit (im Gericht) sich durch die menschliche Lüge auszeichnet,
aus welchem Grund wird der Mensch als Sünder gerichtet? Dieser Vorwurf
scheint Paulus – wie seine Aufregung in V. 8 deutlich macht – persönlich
getroffen zu haben, denn hier wird bis in den Bereich der Ethik »gefol-
gert«572: Um das Gute zu erweisen, lasst uns Schlechtes tun! Mit einer

568 PIPER, Righteousness, 15 möchte hier dikaiosúnj als Hinweis auf Gottes »gracious
faithfulness to his promises and his punitive judgment upon sin« verstehen. Nichts deutet aber
darauf hin, den Begriff in diesem Sinne auszuweiten. Im Gegenteil: Die Aporie zwischen
dikaiosúnj und horg´j, die in dem Einwand zur Sprache kommt, zeigt, dass sich beide
Begriffe keineswegs auf einem gemeinsamen Horizont deuten lassen.
569 Diese Wendung, die sich in ähnlicher Weise auch an anderen Stellen findet (Röm
6,19; 1Kor 9,8; 15,32; Gal 3,15) – und die eine schöne Umschreibung dessen ist, was
Theologie in ihrem Kern ist –, macht auch klar, dass Paulus die Einwände selbst formuliert
und nicht etwa aus einer realen Diskussion übernimmt.
570 Dies ist ja in Röm 1,18–32 vorausgesetzt worden. Vgl. Jes 66,16; Joel 3,12; Ps 94,2;
96,13.
571 Für BULTMANN , Diatribe, 103 ist 3,6 ein anschauliches Beispiel für die Art und
Weise, wie Paulus mangels Argumenten vorgeht: »Wenn kein anderes Argument vorhanden
ist, so schlägt Paulus wie Epiktet den Gegner nieder mit dem Satze: Gott wäre nicht mehr
Gott, wenn der Gegner recht hätte (Röm 3,6).«
572 3,8 (und wahrscheinlich der ganze Abschnitt 3,1–9a) setzt voraus, dass von frühchrist-
lichen Theologen, die eine andere Position als Paulus einnahmen, nach argumentativen
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 209

Gerichtsinvektive verlässt Paulus den Bereich des Argumentativen und setzt


einen ungeduldigen Schlusspunkt: Ihre Verdammung (kríma)573 ist gerecht!
9 Tí o~un; proecómeqa; Was folgt daraus? Werden wir (von anderen)
ohu pántwß, übertroffen? Ganz und gar nicht!
pro∆tiasámeqa gàr h Ioudaíouß Denn wir haben sowohl Juden als auch
te kaì “ Elljnaß pántaß Nichtjuden vorher angeklagt, dass alle
Hufh Hamartían e~inai, unter der (Macht der) Sünde stehen,

Mit tí o~un schließt die Argumentation nicht nur formal, sondern auch
inhaltlich wieder an V. 1 an. Dabei deutet die Formel »eine Verlegenheit, ein
noch nicht ganz bewältigtes Missverständnis« an574.
Leider lässt die Mehrdeutigkeit von proecómeqa nicht mit letzter Sicherheit entscheiden, ob
die Frage aus V. 1 wiederholt oder gerade ihr Gegenteil ausgesagt wird 575. Deutet man die
Passiv-Mediumform aktivisch 576, dann würde die Frage lauten: »Sind wir (Juden anderen
gegenüber) im Vorteil?« 577 Wenn aber der Passivbedeutung Rechnung getragen wird, wäre
der Sinn: »Werden wir (Juden von anderen) übertroffen?«578 Die vehemente Verneinung der
Frage mit ohu pántwß579 würde aber gerade bei aktiver Deutung nicht so recht zur eindeuti-
gen Bejahung jüdischer Vorteile in VV. 1f passen. Ich ziehe daher die passive Deutung vor.

Im Hinblick auf das Gericht kann keine Gruppe die andere ausstechen. Als
Grund (gár) verweist Paulus auf seine bisherige Argumentation. Er gibt dabei
jedoch nicht vor, gezeigt zu haben, dass alle Menschen, Juden ebenso wie
Griechen, der Macht der Sünde ergeben sind580. Er hat lediglich alle dessen
beschuldigt. Die Anklage lautet, dass alle Sünder sind581. Wenn Paulus der
Meinung wäre, dass er diese Anklage vollumfänglich erwiesen hätte, dann
wären die folgenden Zitate für die Argumentation überflüssig. Jetzt aber führt
er zum Beweis seiner Anklage die »Worte Gottes« (3,2) an.

»Lücken« im paulinischen »System« gesucht wurde. Die Tatsache einer antipaulinischen


Apologetik, die auf theologischer Ebene argumentiert, ist ein Indiz dafür, dass es theologi-
sche »Kernaussagen« des Paulus gab, die bekannt waren! Paradoxerweise setzen Einwände
ein gewisses Maß an systematischer Qualität voraus. Haben am Ende vielleicht seine Gegner
Paulus zum »Theologen« gemacht?
573 Wie in 2,2f wird hier kríma im Sinne von katákrima benutzt.
574 SIEGERT, Argumentation, 165 (ähnlich auch Röm 6,15; 11,7).
575 Die Überstezung »Ausflüchte machen« wird von J. JEREMIAS, Zur Gedankenführung
in den paulinischen Briefen, in: Ders., Abba, 269 vorgeschlagen. Sie macht im gegenwärtigen
Kontext aber wenig Sinn.
576 Was grundsätzlich möglich ist (vgl. BDR §316.1).
577 So die Mehrheit der Ausleger.
578 Vgl. FITZMYER, 331.
579 Vgl. dazu LUZ, Aufbau, 168, Anm. 26.
580 Vgl. LOHSE, 121f zu Hamartía im Röm.
581 Der Ausdruck Hufh Hamartían impliziert ein Verständnis von Sünde als einer schick-
salshaften Macht. Erst in 7,14 wird diese Aussage mit dem anthropologischen Hinweis auf
die »sarkische« Existenz des Menschen in Verbindung gebracht. Vgl. auch Gal 3,22.
210 III. Analyse paulinischer Texte

10a kaq`wß gégraptai “o ti wie geschrieben steht:

10b Ohuk ‘estin díkaioß ohu dè eˆiß,582 Es gibt keinen Gerechten, nicht einmal einen.
11 ohuk ‘estin Ho suníwn, ohuk ‘estin Es gibt keinen Verständigen, es gibt keinen,
Ho hekzjt¨wn tòn qeón.583 der Gott sucht.
12 pánteß hexéklinan, “ama Alle haben sich abgewendet, sie sind gemeinsam
hjcre´wqjsan≥ ohuk ‘estin Ho unbrauchbar geworden. Es gibt niemanden, der
poi¨wn crjstótjta, [ohuk ‘estin] rechtschaffen handelt, [es gibt] nicht einmal
“ewß Henóß.584 einen.
13 táfoß hane^wgménoß Ho lárugx Ihre Kehle (ist) ein offenes Grab,
ahut¨wn, taïß gl´wssaiß ahut¨wn mit ihren Zungen
hedolioüsan, ˙òß haspídwn Hupò betrügen sie, Otterngift (verbirgt sich)
tà ceílj ahut¨wn,585 unter ihren Lippen.
14 ˆwn tò stóma haräß kaì pikríaß Ihr Mund ist voll von Fluch
gémei≥586 und Bitterkeit.
15 hoxeïß oÓ pódeß ahut¨wn hekcéai Ihre Füße sind schnell, Blut
aˆima,587 zu vergiessen.
16 súntrimma kaì talaipwría hen Vernichtung und Not (ist)
taïß Hodoïß ahut¨wn,588 auf ihren Wegen
17 kaì Hodòn e˙r´j njß ohuk und den Weg des Friedens haben sie nicht
‘egnwsan.589 erkannt.
18 ohuk ‘estin fóboß qeoü hapénanti Gottesfurcht ist nicht vor ihren Augen.
t¨wn hofqalm¨wn ahu t¨wn.590

Mit dieser Zusammenstellung von Zitaten rundet Paulus die Argumentation


rhetorisch wirkungsvoll ab591. Ohne eine genaue Kenntnis der unterschiedli-
chen Intertexte wirkt dieses Zeugnis in sich geschlossen und keineswegs

582 Qoh 7,20a: “oti ‘anqrwpoß ohuk ‘estin díkaioß hen t¨∆ g¨∆; Y 13,1d: ohuk ‘estin poi¨wn
crjstótjta, ohuk ‘estin “ewß Henóß.
583 Y 13,2: ku/rioß e˙ k touv ouj ranouv die÷ kuyen e˙pi» tou\ß ui˚ou\ß tw◊n aÓnqrw¿p wn
touv i˙dei√n ei˙ e¶s tin suni÷wn h· e˙kzhtw◊n to\n qeo/n.
584 Y 13,3a: pa¿ nteß e˙ xe÷ klinan a‚m a hjc rew¿qhsan ouj k e¶ stin poiw◊ n crhsto/thta
oujk e¶s tin eºwß e˚no/ß.
585 Y 5,10b: táfoß ha ne^ wgménoß Ho lárugx ahut¨ wn, taïß gl´ wssaiß ahu t¨wn h edolioü-
san. Y 139,4b: ˙òß haspídwn Hupò tà ceílj ahut¨wn.
586 Y 9,28a: oˆu haräß tò stóma ahutoü gémei kaì pikríaß kaì dólou.
587 Jes 59,7a: oÓ dè pódeß ahut¨ wn h epì ponjrían trécousin tacinoì h ekcéai aˆima.
588 Jes 59,7c: súntrimma kaì talaipwría h en taïß Hodoïß ahu t¨wn. (vgl. auch Prov 1,16)
589 Jes 59,8a: kaì Hodòn e˙r´j njß ohuk o‘idasin.
590 Y 35,2b: ohuk ‘estin fóboß qeoü hapénanti t¨wn ho fqalm¨ wn ahutoü.
591 Kompositionsgeschichtliche und quellenkritische Fragen sollen hier nicht weiter
interessieren. Vgl. dazu HOFIUS, Psalter, 47–50; KOCH, Schrift als Zeuge, 179–184;
FITZMYER, 334–336. Eine hilfreiche Gegenüberstellung der in Frage kommenden Texte
findet sich in H. HÜBNER, Vetus Testamentum in Novo (Göttingen, 1997) II, 52–55.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 211

zufällig zusammengefügt592. Im Zusammenhang der bisherigen Argumentati-


on scheint diese kategorische Gesamtanklage, das Fenster einer Möglichkeit
der Rechtfertigung durch Werke a posteriori zu schließen, denn es gibt keinen
Gerechten, keinen Verständigen, keinen der Gott sucht (3,11; vgl. 2,7),
rechtschaffen lebt (3,12c; vgl. 2,10) und den Weg des Friedens erkannt hat
(3,17; vgl. 2,10).
19 O‘idamen dè “oti “osa Ho nómoß légei Wir wissen aber, dass alles, was das Gesetz
toïß hen t¨^w nóm^w laleï, vorschreibt, denen gilt, die dem Gesetz
verpflichtet sind
(wörtlich: dass alles, was das Gesetz sagt, es
zu denen im Gesetz sagt),
“ina pän stóma frag¨∆ damit jeder Mund verschlossen werde
kaì Hupódikoß génjtai und die ganze Welt Gott
päß Ho kósmoß t¨^w qe¨^w≥ gegenüber schuldig werde.

Dem Einwand, dass die Schrift in all diesen Fällen von Nichtjuden rede, wird
in V. 19 mit einem Hinweis auf gemeinsam geteiltes Wissen der Boden
entzogen: Das Gesetz, das soeben zitiert worden ist593, spricht nämlich zu den
Juden594. Aus der Zitatensammlung ergibt sich nun ein zweifaches Resultat
(s.o. S. 169): Zum einen möchte Paulus denen »den Mund stopfen«, die noch
nach Ausflüchten suchen595. Er möchte eine wirkliche Argumentationskrise
herbeiführen, allen möglichen Einwänden im Vorfeld jegliche Grundlage
entziehen. Zum anderen soll sich die ganze Welt Gott gegenüber als schuldig
(Hupódikoß) erweisen.
20 dióti hex ‘ergwn nómou ohu di- Deswegen wird aus Gesetzeswerken
kaiwq´jsetai päsa sàrx hen´wpion kein Mensch (wörtl. alles Fleisch) vor ihm
ahutoü, dià gàr nómou hepígnwsiß gerechtfertigt, denn durch das Gesetz
Hamartíaß. (kommt nur) Erkenntnis der Sünde.

Aus der kategorischen und umfassenden Schuldzuweisung, die in den AT-


Texten zum Ausdruck kommt, geht eines hervor (dióti): Kein Mensch
(bibelarchaisch formuliert als päsa sárx) kann vor Gott als Gerechter

592 Dass dies früh so empfunden wurde, lässt sich an der interessanten rezeptionsge-
schichtlichen Tatsache ablesen, dass viele Handschriften der LXX im Anschluss an Ps 13,3
den gesamten Zitatenblock aus Röm 3 übernommen haben. Über Origenes gelangte diese
christliche Ausweitung des AT-Textes auch in die Vulgata. Vgl. dazu A. RAHLFS, Psalmi
cum Odis (Göttinger Septuaginta 10; Göttingen, 1931) 30f.
593 Auch wenn kein Zitat aus der Torah in 3,10–18 zu finden ist, wird nómoß (wie in 1Kor
14,21) als Pars pro toto für die gesamten Heiligen Schriften verwendet.
594 Diese hermeneutisch nicht über jeden Zweifel erhabene »Maxime« stimmt allerdings
auch sachlich mit der Strategie von 1,18–32 gegenüber 2,1ff überein, denn dort hat Paulus die
Anklage gegen die Nichtjuden auch auf die Juden übertragen.
595 Vgl. Ps 63,12; 107,42; Hiob 5,16; 1Makk 9,55.
212 III. Analyse paulinischer Texte

bestehen (vgl. Gal 2,16)596. Neu an dieser Schlussfolgerung ist der Begriff der
‘erga nómou597. Diese Erweiterung ist allerdings für den weiteren Verlauf der
Argumentation unerlässlich, weil damit angedeutet ist, dass es neben dem
bisherigen Weg der »Rechtfertigung durch Taten« einen anderen, gleich
darzulegenden Weg gibt. Die Begründung in 20b ist durch die bisherige
Argumentation nur ungenügend vorbereitet: »durch Gesetz Erkenntnis der
Sünde«.

3. Logische Analyse
Die logische Analyse eines relativ langen Argumentationsganges steht
zunächst vor der Aufgabe, den semantischen Reichtum des Textes auf jenes
verantwortbare Maß zu reduzieren, welches eine Verknüpfung der tragenden
Aussagen in logischer Hinsicht erlaubt. Ob sich im Falle von Röm 1,18–3,20
ein logisches architektonisches Gerüst freilegen lässt, das zum Verstehen des
Textes als Ganzes hilft, ist hier zu prüfen. Dabei darf die Rolle von 1,18–32
für die Frage nach der argumentativen Geschlossenheit des gesamten Röm
nicht unterschätzt werden598.

a) Basale semantische Felder in Röm 1,18–3,20


Eine erste Schwierigkeit begegnet auf der Ebene der Semantik. Der Reichtum
an Begriffen, die zum Teil ganz unterschiedliche Enzyklopädien aufrufen
(von den Heiligen Schriften bis zu stoischer Ethik)599, erschwert eine
angemessene Formalisierung. Ohne eine relativ generöse Vereinheitlichung in
basale semantische Aussagefelder ist eine Formalisierung unmöglich. Unter
Absehung der semantischen Nuancen, die einem Text auf der Ebene der
konkreten Rezeption seinen besonderen Reichtum verleihen, geht es hier
darum, jene Wörter aus dem Text zusammenzuziehen, die immer wieder in
ähnlichen Konstellationen auftauchen600. Daraus ergeben sich die folgenden
»Felder«:

596 Der Wortlaut erinnert deutlich an Y 142,2: kaì m`j e˙sélq∆ß e˙ß krísin metà toü
doúlou sou “oti ohu dikaiwq´jsetai hen´wpión sou päß z¨wn (»und geh nicht ins Gericht
mit deinem Knecht; denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht«). Um ein Zitat handelt es sich
dennoch nicht (anders WILCKENS, I, 173).
597 Vgl. zum Begriff o. S. 141f.
598 POPKES, Aufbau, 490: »Die logische Struktur von 1,18–32 ist von größter Wichtigkeit
für das Gelingen des ganzen Diskurses.«
599 SCHULZ, Anklage hat anhand unterschiedlicher religionsgeschichtlicher Bezugspunkte
gezeigt, dass »von einer religionsgeschichtlichen Einheit der in Röm. 1,18ff vorliegenden
›Anklage‹ keine Rede sein kann.«
600 Auch dieser Schritt kann nicht rein formal durchgeführt werden, sondern muss auf die
Gewichtungen, die sich in der Exegese ergeben, achten.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 213

1. Fehlverhalten. Basissatz: Menschen sündigen / Menschen handeln unrecht.


Diese Aussage ist am häufigsten belegt601:
hasébeian (1,18), hadikía (1,18 [2x]; 1,29; 3,5), katécw hal´jqeian (1,18), ohuk hedóxasan
(1,21), ohuk jhucaristjsan (1,21), ‘jllaxan t`jn dóxan hafqártou qeoü hen ... fqartoü
hanqr´wpou... (1,23), met´jllaxan t`j n hal´j qeian toü qeoü hen t^w yeúdei (1,25),
hakaqarsía (1,24), hesebásqjsan kaì helátreusan t¨∆ ktísei parà tòn ktísanta
(1,25), met´jllaxan t`jn fusik`jn cr¨jsin e˙ß t`jn parà fúsin (1,26), hafénteß t`j n
fusik`jn cr¨jsin (1,27), hascjmosúnjn katergazómenoi (1,27), ohuk hedokímasan tòn
qeòn ‘ecein hen hepign´wsei (1,28), poeïn tà m`j kaq´jkonta (1,28), ponjríâ pleonexíâ
kakíâ, mestoùß fqónou fónou ‘eridoß dólou kakojqeíaß, yiquristáß, katalálouß,
qeostugeïß, Hubristáß, Huperjfánouß, halazónaß, hefeuretàß kak¨wn, goneüsin hapei-
qeïß, hasunétouß, hasunqétouß, hastórgouß, hanele´jmonaß (1,29–31), ahutà poioüsin ...
kaì suneudokoüsin toïß prássousin (1,32), ahutà prasseiß (2,1), poi¨wn ahutá (2,3),
toùß tà toiaüta prássontaß (2,2f), toïß dè hex heriqeíaß kaì hapeiqoüsi t¨∆ haljqeíâ
peiqoménoiß dè t¨∆ hadikíâ (2,8), katergazoménou tò kakón (2,9), hanómwß / hen nóm^w
“jmarton (2,12), Ho kjrússwn m`j kléptein klépteiß; Ho légwn m`j moiceúein moiceúeiß;
Ho bdelussómenoß tà e‘idwla Óerosuleïß (2,21f), dià t¨j ß parabásewß toü nómou tòn
qeòn hatimázeiß (2,23), parabátjß nómou (2,25.27), hjpístjsán tineß / hapistía (3,3).

2. Zornesstrafe. Basissatz: Gottes Zorn kommt als Strafe über Menschen602.


horg´j (1,18; 3,5), horg`j n hen Hjmérâ horg¨jß kaì hapokalúyewß dikaiokrisíaß toü qeoü
(2,5), horg`j kaì qumóß (2,8), parédwken ... hen taïß hepiqumíaiß (1,24), parédwken ... e˙ß
páqj hatimíaß (1,26), hantimisqía (1,27), parédwken ... e˙ß hadókimon noün (1,28), tò
dikaíwma toü qeoü ... “oti oÓ tà toiaüta prássonteß ‘axioi qanátou e˙sín (1,32), tò
kríma toü qeoü (2,2f), qlïyiß kaì stenocwría (2,9), hapoloüntai (2,12) – kriq´jsontai
(2,12), Hwß Hamartwlòß krínomai (3,7), tò kríma ‘endikón hestin (3,8).

3. Erkenntnis. Basissatz: Menschen erkennen die Wahrheit.


hal´jqeia (1,18; 2,2), tò gnwstòn toü qeoü (1,19), nooúmena kaqorätai (1,20), gnónteß
tòn qeón (1,21), tò dikaíwma toü qeoü hepignónteß (1,32), o‘idamen (2,2; 3,19), fúsei
(2,14), tò ‘ergon toü nómou graptòn hen taïß kardíaiß ahut¨wn (2,15), t¨j ß suneid´j sewß
(2,15), gin´wskeiß tò qéljma kaì dokimázeiß tà diaféronta katjcoúmenoß hek toü
nómou (2,18), ‘econta t`j n mórfwsin t¨j ß gn´wsewß kaì t¨jß haljqeíaß hen t¨^w nóm^w
(2,20), Hj hal´jqeia toü qeoü (3,7), dià gàr nómou hepígnwsiß Hamartíaß (3,20).
4. Irrtum. Basissatz: Menschen belügen sich selbst / sind verblendet.
hematai´wqjsan hen toïß dialogismoïß (1,21), heskotísqj Hj hasúnetoß ahu t¨wn kardía
(1,21), fáskonteß e~inai sofoì hemwránqjsan (1,22), plánj (1,27), logíz∆ ... hagno¨wn
(2,3f), skljrótjtá kaì hametanójton kardían (2,5), tufl¨wn, t¨wn hen skótei,
hafrónwn, njpíwn (2,19f), yeúsmati (3,7).

601 Auffällig für dieses Aussagefeld ist die Häufung von Begriffen mit a-privativum und
Negationen. Dies ist für die antithetische Struktur der gesamten Argumentation von
Bedeutung.
602 »Jenseitige« und »diesseitige« Aspekte der Zornesstrafe werden hier nicht voneinan-
der abgehoben. Für die Logik des Textes ist eine Differenzierung der Zeitebenen nicht weiter
relevant.
214 III. Analyse paulinischer Texte

5. Schuldanklage. Basissatz: Menschen sind als Angeklagte vor Gott schuldig.


hanapológjtoß (1,20; 2,1), seautòn katakríneiß (2,1), e˙ß metánoían se ‘agei (2,4),
qjsaurízeiß seaut¨w horg´jn (2,5), pro∆tiasámeqa (3,9), Hufh Hamartían (3,9), Ohuk
‘estin díkaioß ohudè eˆiß, ohuk ‘estin Ho suníwn, ohuk ‘estin Ho hekzjt¨wn tòn qeón. pánteß
hexéklinan, “ama hjcre´wqjsan≥ ohuk ‘estin Ho poi¨wn crjstótjta, [ohuk ‘estin] “ewß Henóß.
táfoß hane^wgménoß Ho lárugx ahut¨wn, taïß gl´wssaiß ahu t¨wn hedolioüsan, ˙òß haspídwn
Hupò tà ceílj ahu t¨wn, ˆwn tò stóma haräß kaì pikríaß gémei≥ hoxeïß oÓ pódeß ahut¨wn
hekcéai aˆima, súntrimma kaì talaipwría hen taïß Ho doïß ahut¨wn, kaì Ho dòn e˙r´j njß ohuk
‘egnwsan. ohuk ‘estin fóboß qeoü hapénanti t¨wn hofqalm¨wn ahut¨wn (3,10–18), Ho nómoß
légei toïß hen t¨^w nóm^w laleï, “ina pän stóma frag¨∆ kaì Hupódikoß génjtai päß Ho
kósmoß t¨^w qe¨^w (3,19); dióti hex ‘ergwn nómou ohu dikaiwq´j setai päsa sàrx hen´wpion
ahutoü (3,20).
6. Gleichheitsprinzip. Basissatz: Gott richtet alle Menschen nach dem
gleichen Prinzip.
(qeòß) hapod´wsei Hekást^w katá tà ‘erga ahutoü (2,6), h Ioudaíou te pr¨wton kaì
“ Elljnoß (2,9f; 3,9), ohu gár hestin proswpoljmyía parà t¨^w qe¨^w (2,11), krineï Ho qeòß
tòn kósmon (3,6).

7. Gerechtes Verhalten. Basissatz: Menschen verhalten sich gut nach dem


Gesetz.
kaqh Hupomon`j n ‘ergoü hagaqoü dóxan kaì tim`j n kaì hafqarsían zjtoüsin (2,7), t¨^w
hergazomén^w tò hagaqón (2,10), oÓ poijtaì nómou (2,13), tà toü nómou poi¨wsin (2,14),
tò ‘ergon toü nómou (2,15), heàn nómon práss∆ß (2,25), tà dikai´wmata toü nómou
fuláss∆ (2,26), tòn nómon teloüsa (2,27), Ho hen t^w krupt¨w h Ioudaïoß (2,29),
peritom`j kardíaß hen pneúmati ohu grámmati (2,29).

8. Heil. Basissatz: Gott anerkennt Menschen im Gericht als gerecht.


zw`j n a˙´wnion (2,7), dóxa dè kaì tim`j kaì e˙r´j nj (2,10), díkaioi parà [t¨^w] qe¨^w -
dikaiwq´jsontai (2,13), e˙ß peritom`jn logisq´j setai (2,26), Ho ‘epainoß ohuk hex
hanqr´wpwn hallh hek toü qeoü (2,29).

Diese acht Felder betreffen die Hauptaussagen des Textes. Daneben spielen
noch zwei Antithesen eine Rolle, die sich nicht als Aussagen deuten lassen:
der Gegensatz »Juden/Nichtjuden« und der Gegensatz »innen/außen«.
Die fehlende Verbindung der einzelnen Sätze zueinander durch »Mittel-
terme« zeigt, dass eine Formalisierung mit den Mitteln aristotelischer
Termlogik wenig Aussicht auf Erfolg hat603.

603 MOORES, Rationality, 46–60 versucht, einzelne Verse zu enthymematischen Schlüssen


zu vervollständigen. Leider bietet er für seine Syllogismen keine Formalisierungen an.
Wahrscheinlich wäre durch eine formallogische Darstellung deutlich geworden, dass viele
der Satzbildungen, mit denen MOORES operiert (vgl. z.B. S. 46: »Once God is recognised he
requires worship and gratitude«), zu komplex für einen aristotelischen Schluss sind und
zudem satzlogisch wesentlich besser erfasst werden könnten. Die Sätze in Röm 1–3 sind
kaum in die Form »A ist B« zu bringen. Sicherlich würden sich Sätze der Form »Alle
Menschen sind X« finden. Aber wenn sich der Mittelterm »Menschen« in der Subjektstellung
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 215

b) Formalisierung und Analyse


Die folgende Form der Basissätze wird im Folgenden der Analyse zugrunde
gelegt:
A Menschen sündigen / Menschen handeln unrecht. (A von Hamartía / hadikía)
D Gott anerkennt Menschen im Gericht als gerecht. (D von dikaiów)
E Menschen verhalten sich gut nach dem Gesetz. (E von hergazómai)
G Menschen erkennen die Wahrheit. (G von gin´wskw)
O Gottes Zorn kommt als Strafe über Menschen. (O von horg´j)
P Gott richtet alle Menschen nach dem gleichen Prinzip. (P von proswpoljmyía)
S Menschen belügen sich selbst / sind verblendet. (S von skotízw)
U Menschen sind als Angeklagte vor Gott schuldig. (U von Hupódikoß)
Wie die Exegese gezeigt hat, lassen die Verbindungspartikeln, die einen
Hinweis auf die logischen Beziehungen innerhalb des Textes geben könnten,
oft sehr unterschiedliche Deutungen zu. Die Formalisierung muss diese
Deutungsvielfalt im Auge behalten. Die Hauptaussage des Textes erscheint
gleich in 1,18. Sie stellt die beiden prominentesten Aussagefelder, »Zorn« (O)
und »Fehlverhalten« (A), in einen Zusammenhang der sich gut als einfache
Implikation darstellen lässt:
[1] A→O Wenn Menschen unrecht handeln, kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.

Damit ist aber der Inhalt von 1,18 nicht ganz erfasst. Der Hinweis auf die
hal´jqeia, die nach den oben getroffenenen exegetischen Entscheidungen zum
Feld der »Erkenntnis« gehört, sollte in der Implikation eine Rolle spielen. Nur
dadurch wird die Bedeutung von 1,19–21 für die Argumentation gebührend
berücksichtigt.
Die Formalisierung verlangt aber eine weitere Entscheidung: Offenbart
sich Gottes Zorn, wenn Menschen die Wahrheit erkennen und Unrecht
handeln, oder wenn es der Fall ist, dass wenn Menschen die Wahrheit
erkennen, sie dann Unrecht handeln? Also: (G∧A)→O oder (G→A)→O. Eine
Entscheidung ist weder nach logischen noch nach exegetischen Gesichtspunk-
ten einfach zu fällen604. Es gilt zu prüfen, in welchen Fällen beide logische
Aussagen wahr sind. Zur besseren Darstellung möchte ich hier auf aussagen-
logische Wahrheitstafeln zurückgreifen (s.o. S. 83):

befindet (Figur III) lassen sich bei allgemein-affirmativen Sätzen nur partikuläre Schlüsse
ziehen. Z.B. aus den Sätzen »Alle Menschen sind Gott-Erkennende«, und »Alle Menschen
sind Sünder«, lässt sich (nach Darapti) nur die »schwache« Aussage schlussfolgern: »Einige
Sünder sind Gott-Erkennende.« Partikuläre Aussagen sind jedoch gewiss nicht das Argumen-
tationsziel dieses Abschnitts.
604 An dieser Stelle möchte ich meinen logischen Gesprächspartnern, Michael Groneberg
und Theodor G. Bucher danken, dass sie mich vor einer logisch falschen Formalisierung
bewahrt haben. Damit sei auch eine Änderung gegenüber der eingereichten Habilitations-
schrift angezeigt.
216 III. Analyse paulinischer Texte

G A O (G → A) → O (G ∧ A) → O
w w w (w) w (w) (w) w (w)
w w f (w) f (f) (f) f (f)
w f w (f) w (w) (f) w (w)
w f f (f) w (f) (f) w (f)
f w w (w) w (w) (f) w (w)
f w f (w) f (f) (f) w (f)
f f w (w) w (w) (f) w (w)
f f f (w) f (f) (f) f (f)
Die Tabelle gibt Auskunft darüber, wie sich der Wahrheitswert der Gesamt-
aussage verändert je nach dem Wahrheitswert der einzelnen Aussagen. Sie ist
so zu lesen, dass in den drei linken Spalten alle acht möglichen Kombinatio-
nen aufgezählt werden. Die beiden rechten Spalten notieren jeweils außen in
Klammern die daraus resultierenden Wahrheitswerte für die darüber liegen-
den Aussagen und in Fettdruck in der Mitte den Wahrheitswert der Gesamt-
aussage. Was im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung interessiert, sind
jene Fälle, bei denen die Aussagen (G→A) und O, bzw. (G∧A) und O wahr
sind und die Gesamtaussage wahr ist605. Hier zeigt sich der Unterschied
zwischen beiden Formalisierungsvorschlägen:
G A O (G → A) → O (G ∧ A) → O
w w w (w) w (w) (w) w (w)
f w w (w) w (w)
(G→A)→O kennt zwei und (G∧A)→O nur einen Fall, auf den die gestellte
Bedingung zutrifft. Die Unterschiede sind exegetisch nicht ohne Belang: Die
Formalisierung (G→A)→O wäre auch dann wahr, wenn die Menschen Gott
nicht erkennen (Wahrheitswert f für G), sie sündigen und Gottes Zorn sie
trifft. Die Erkenntnis Gottes durch die Torah oder durch die Natur jedoch
bildet in Röm 1f (und nur um diesen Text geht es hier) einen so grundlegen-
den Ausgangspunkt der paulinischen Befindlichkeitsanalyse (1,19f), dass der
Argumentation schwerlich entnommen werden kann, die Gottesstrafe träffe
sündige Menschen auch dann, wenn sie Gott nicht erkannt hätten. Der Text
lässt dem Menschen keine Möglichkeit, der Erkenntnis Gottes zu »entgehen«.
Daher ist eine Formalisierung vorzuziehen, die ausschließlich den Wahr-
heitswert »wahr« für G kennt, also: (G∧A)→O606.
[2] (G ∧ A) → O Wenn Menschen die Wahrheit erkennen und sie unrecht handeln,
dann kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.

605 Diese
Einschränkung »unterstellt«, dass Paulus von der Wahrheit seiner Aussagen
ausgeht. Daher interessieren jene Fälle nicht, die das Falschsein einzelner oder zusammenge-
setzter Aussagen postulieren.
606 Mit der Exportationsregel, eine logische Äquivalenzregel der modernen Aussagenlo-
gik (vgl. BUCHER, Angewandte Logik, 118), ließe sich (G∧A)→O umwandeln in G→(A→O).
Für weitergehende Analyse könnte das von Interesse sein.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 217

Dass die Struktur dieses Satzes die logische Hauptader des Textes darstellt,
wird dadurch sehr wahrscheinlich, dass sich eine ähnliche Struktur auch
anderen Stellen zugrunde legen lässt:
G (Wahrheitserkenntnis) A (Sünde) O (Strafe)
1,32 Menschen erkennen (etwas Menschen handeln un- Die Rechtssatzung Gottes
von) Gottes Wahrheit im recht (oÓ tà toiaüta fordert den Tod (tò di-
Sinne eines moralischen prássonteß) und er- kaíwma toü qeoü “oti ...
Urteils (o“itineß he- freuen sich am Unrecht ‘axioi qanátou e˙sín).
pignónteß). anderer .
2,2 Dass der Maßstab im Ge- Menschen handeln da- Das Gerichtsurteil Gottes
richt die »erkannte Wahr- durch unrecht, dass sie (tò kríma toü qeoü)
heit« (katà hal´jqeian) das von ihnen inkrimi- kommt über (hepí wie in
ist, setzt eine solche Er- nierte Fehlverhalten an- 1,18) diese Menschen.
kenntnis voraus. derer selbst praktizieren
(toùß tà toiaüta
prássontaß).
2,8 Es gibt eine »Wahrheit« Menschen handeln un- Nach dem Prinzip der Ver-
(hal´jqeia), die soweit er- recht, indem sie lieber geltung erhalten diese Men-
kannt worden ist, dass man der Ungerechtigkeit (ha- schen von Gott horg`j kaì
sich ihr gegenüber als un- dikía; wie in 1,18) ge- qumóß.
gehorsam erweisen kann. horchen (peíqw) als der
Wahrheit.
2,12b Versteht man von 2,20 her Menschen sündigen Menschen werden von Gott
die Torah als »Verkörpe- (“jmarton). gerichtet (kriq´jsontai pa-
rung von Erkenntnis und rallel zu hapoloüntai in
Wahrheit«, dann haben die 12a).
Menschen, die der Torah
gegenüber verpflichtet sind
(“osoi hen nóm^w), eine kla-
re Erkenntnis.
Es geht hier nicht um einfache Wortwiederholungen oder um eine Wiederauf-
nahme bestimmter Motive, sondern um eine für die logische Argumentations-
struktur des Textes grundlegende Form der Korrelation von Aussagen. Die
gewählte Formalisierung [2] stellt damit im Rahmen der Beschränkungen, die
komplexe Aussagen durch solche Formalisierungen erfahren, m.E. eine
angemessene Form dar.
Betrachtet man nun die gesamte Argumentation von ihrem (vermeintli-
chen) Ziel in 3,9 her, dann wäre das einfachste logische Gerüst für den ganzen
Text eines, das als zweite Prämisse die Aussage der Protasis von Satz [2]
postuliert. Für alle Menschengruppen, für die gezeigt werden kann, dass G∧A
zutrifft, kann auf Satz O geschlossen werden. Leider ist der Argumentations-
verlauf etwas verwirrender.
Die VV. 19–23 lassen sich zunächst als modus ponens zum Basissatz [2]
lesen: Die Menschen haben Gott durch seinen in der Natur wahrnehmbaren
218 III. Analyse paulinischer Texte

Offenbarungswillen erkannt (19f) und gesündigt (21–23). Das entspricht der


Form G∧A.
In den VV. 21f spielt aber eine etwas anders gelagerte Aussage eine Rolle: der Verstand der
Menschen vernebelt sich. Sie verfallen der Vorstellung, weise zu sein, und machen sich
dadurch zu Narren. Damit wird das Begriffsfeld des menschlichen Irrens berührt (Aussage S).
Hier lässt der Text in der Tat eine Form von Theo-logik erkennen. Die Konjunktion G∧A
kann nicht wahr sein, wenn G oder A falsch ist. Das bedeutet: Sie ist falsch, wenn Menschen
Gott erkennen und nicht sündigen – und umgekehrt. Damit ist ein schwerwiegendes
theologisches Problem berührt und es wäre reizvoll anzunehmen, dass die Einschaltung der
Aussage S in gewisser Weise der logischen Problematik einer impliziten Theodizee-Frage
(Wie kann die Offenbarung Gottes derart »versagen«?) vorbeugen wollte. Wenn diese Option
durchgespielt wird, ergibt sich eine Neuqualifizierung des Basissatzes [2]: Statt (G∧A)→O
(G∧S∧A)→O. Also: »Wenn es der Fall ist, dass Menschen Gott erkennen, der Verblendung
anheimfallen und sündigen, dann trifft sie Gottes Zorn.« Zwei Aspekte sprechen dagegen, die
Aussage S in dieser Art in den Basissatz [2] zu integrieren:
1. Das Aussagefeld »Irrtum« spielt keine besonders große Rolle. In den beiden Wieder-
aufnahmen der Grundstruktur von 1,18 (in 1,32 und 2,8) ist es nicht zu finden. Auch wenn die
obige Auflistung von Aussagefeldern ein anderes Verständnis nahe legen könnte, stellt sich
die Frage, ob es sich dabei um eine eigenständige Aussage handelt.
2. Auf sachlicher Ebene wäre zu fragen: Ist der Irrtum etwas, das akzidentiell zur
Erkenntnis hinzukommt und diese in Sünde verkehrt oder liegt der Irrtum in der Natur der
Menschen, so dass es sich nicht vermeiden lässt, trotz besserer Einsicht sich ungerecht zu
verhalten. Nimmt man die finale Bestimmung in 1,20 ernst (e˙ß tò e~inai ahutoùß hanapo-
log´jtouß), dann zielt die Gotteserkenntnis darauf, dass die Menschen keine Entschuldigung
vorbringen können. Die überraschende Schlussfolgerung in 3,20, dass durch das Gesetz nur
Erkenntnis der Sünde (dià nómou hepígnwsiß Hamartíaß) kommt, würde selbst für die Torah
als »Offenbarungsträger« nur den Nexus von Erkenntnis und Sünde zulassen. Dass Paulus
tatsächlich von einer solchen Annahme ausgeht, zeigen m.E. die Ausführungen in Röm 7,7–
23 und 8,3f: Die Neigung zu Unrecht ist eine anthropologische Grundkonstante, die für
Paulus derart stark ist, dass sich die Offenbarung in der Natur oder im Gesetz nicht dagegen
durchzusetzen vermag. Die Verblendung, die in VV. 21f zum Ausdruck kommt, ist also keine
bloße Potentialität, kein menschliches Akzidenz, sondern – paulinisch verstanden –
unumgänglich607.

Wenn die VV. 19–23 als Einsetzung der Protasis von Satz [2] gelesen werden
können, dann darf die erste par´edwken-Aussage in V. 24 als conclusio
aufgefasst werden:

607 Vielleicht – um die Logik weiter in das Gebiet der Theologie eindringen zu lassen – ist
die Aussage S aus einem anderen Grund nötig: 1,21a scheint vorauszusetzen, dass »wenn
Erkenntnis Gottes, dann Anbetung Gottes«. Das hieße aber nach modus tollens, dass wenn
Menschen Gott nicht anbeten (was nachweislich für viele Nichtjuden aus jüdischer Sicht der
Fall ist), das zur Folge hat, dass sie ihn nicht erkannt haben (was Paulus aber nach 1,19f als
eine falsche Aussage ansehen musste).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 219

VV. 18 (G∧A)→O Prämisse 1


VV. 19–23 G∧A Prämisse 2 (nach modus ponens)
V. 24 (G∧A)→O
Ist erstmal diese Grundstruktur erkannt, lässt sich der weitere Verlauf leicht
diesem Argumentationsschema zuordnen: V. 25 lässt sich auf die Form G∧A
zurückführen (met´jllaxan t`jn hal´jqeian toü qeoü hen t¨^w yeúdei, kaì
hesebásqjsan kaì helátreusan t¨∆ ktísei parà tòn ktísanta). V. 26f
zieht mit der zweiten par´edwken-Aussage den aus 1,18 zulässigen
Schluss608. V. 28 bringt nochmals beide Aussagen, die Erkenntnis und die
Sünde (ohuk hedokímasan tòn qeòn ‘ecein hen hepign´wsei), in kurzen Worten
zum Ausdruck. Durch kaq´wß wird dies als hinreichende Begründung für die
dritte par´edwken-Aussage eingeführt (28b). Auf der Grundlage von 1,18 ist
dieser Schluss logisch gültig. Die VV. 29–31 bieten eine lange Reihe von
Beispielen für die Aussage A (»Menschen sündigen«). V. 32 lässt sich, wie
oben vorgeschlagen, als Neuformulierung des Basissatzes von 1,18 verstehen.
Die Analyse von Kap. 2 sieht sich gleich in 2,1 vor ein Dilemma logischer
Natur gestellt, denn mit diò hanapológjtoß schließt die Aussage als
Schlussfolgerung an 1,18–32 an. Mit dem Instrumentarium aristotelischer
Termlogik ist ein solcher Zusammenhang kaum erkennbar. Stoische Aussa-
genlogik kann den Sachbezug deutlicher herausstellen. Die Aussage von 2,1
hat folgende logische Grundstruktur:
(p∧q)→r Wenn es der Fall ist, dass (wenn jemand andere für etwas verurteilt
und er/sie es dann selbst tut), dann verurteilt er/sie sich selbst.

Die Kleinbuchstaben lassen offen, welche der Basissätze hier zum Ausdruck
gebracht werden. Die Ähnlichkeit zum Basissatz [2] ist so offensichtlich609,
gefragt werden muss, ob sich 2,1 den Aussagefeldern (G, A, O), die in 1,18
vorkommen, zuordnen lässt.
Am deutlichsten ist das Aussagefeld A (»Menschen sündigen«) zu erkennen: Die Richtenden
handeln verkehrt nach ihren eigenen Maßstäben und – wie 2,2 hervorhebt – auch nach
göttlichen Kriterien. Der Aspekt der Erkenntnis (Satz G) ist im Akt des Richtens (krínw)
impliziert. Auf die gemeinsame Erkenntnis wird in 2,2 mit o‘idamen explizit Bezug
genommen. Im Verlauf der Argumentation wird zudem der Erkenntnisvorsprung, den die
Torah als Offenbarungmittel den Juden verschafft, ausdrücklich erwähnt (2,17–20; 3,1) 610.

608 Ich rechne beide Verse zur Aussage der »Zornesstrafe«, weil sich zum anfänglichen
parédwken ahu toùß Ho qeóß eine sachliche Entsprechung am Ende von V. 27 in dem
Hinweis auf den »Lohnempfang für ihre Verirrung« (t`jn hantimisqían ”jn ‘edei t¨j ß plánjß
ahut¨wn hen Heautoïß hapolambánonteß) findet.
609 Auch in diesem Fall habe ich für die Protasis eine Implikation und keine einfache
Konjunktion gewählt, weil es m.E. sachlich begründet erscheint, dass die Reihenfolge eine
Rolle spielt. Es könnte schließlich jemand etwas tun und andere dafür verurteilen, nachdem er
oder sie zur Einsicht gelangt ist, dass es falsch ist.
610 Das krínei tòn “eteron in 2,1 hat eine sachliche Entsprechung in Ho didáskwn
“eteron in 2,21 und wird in 2,27 auf den Kopf gestellt.
220 III. Analyse paulinischer Texte

Von Gottes strafendem Zorn (Satz O) ist in 2,1 nicht die Rede, jedoch von der Schuld (Satz
U: hanapológjtoß).

Die Aussage lässt sich also in diesem Sinne formalisieren:


[3] (G∧A)→U Wenn jemand die Wahrheit erkennt und Unrecht tut (indem er/sie
Menschen verurteilt für das, was er/sie selbst tut), ist er/sie schuldig.
Interessant ist, dass die Aussage in 2,1 durch die Wiederaufnahme des
Basissatzes von 1,18 in 2,2 (s.o. S. 217) eine Begründung erfährt. Das
Zorngericht Gottes (Satz O) und die Schuld der Menschen (Satz U) sind für
Paulus auf der Sachebene so eng miteinander verwoben, dass er ohne weiteres
von Satz [2] auf Satz [3] »schließen« kann.
Die Aussage, die hier als implizite Prämisse vermutet werden kann, lautet »Wenn Gottes
Verurteilungsgericht Menschen trifft, dann weil sie schuldig sind.« Vielleicht ist es sogar
präziser, die Aussagen im Sinne eines Bikonditional aufeinander zu beziehen: »Dann und nur
dann, wenn Gottes Verurteilungsgericht Menschen trifft, sind sie schuldig.« Dieser besondere
Konditionalsatz ist der einzige, der eine Umkehrung erlaubt: »Dann und nur dann, wenn
Menschen schuldig sind, trifft sie Gottes Verurteilungsgericht.« Dass dies ganz selbstver-
ständlich zum paulinischen Gottes- und Menschenbild gehört, zeigt seine aufgeregte Diatribe
in 3,1–8. Es gehört nicht nur zum paulinischen, sondern zum allgemein jüdischen Überzeu-
gungssystem, dass Gott auf gar keinen Fall ungerecht sein kann, wenn er richtet.

Wie ist nun das logische Verhältnis von 2,1ff zu 1,18–32 zu verstehen? Nach
der hier vorgeschlagenen Formalisierung stellt 2,1a die conclusio (U:
Menschen sind schuldig) voran und begründet (gár) die Aussage über die
zweite Prämisse (1b) des Basissatzes [2]. Die für den Schluss notwendige
erste Prämisse ist in 1,18 formuliert worden (daher der Anschluss mit dió)
und wird zudem in 2,2 mit sehr ökonomischen sprachlichen Mitteln wieder-
holt611. Aufgrund einer theologischen Prämisse, die nicht explizit erwähnt
wird, sind die Sätze U und O für Paulus austauschbar.
Der Abschnit 2,3–5 ist aufgrund der rhetorischen Frageform logisch nicht
formalisierbar und auch für den Argumentationsverlauf aus logischer
Perspektive vernachlässigbar. Inhaltlich wird hier v.a. deutlich gemacht, dass
es aus dem Wahrheitszusammenhang der Sätze [2] und [3] keine argumenta-
tive Fluchtmöglichkeit gibt (2,3). Auch die Güte Gottes (2,4) ist keine
»Hintertür«, denn sie führt nicht am Gericht vorbei, sondern zur Buße! So
bleibt in 2,5 nur die prophetische Ankündigung des göttlichen Zorns (mit

611 Abaelard,
der mittelalterliche Logikmeister, versteht 2,1 als afortiori-Schluss aus
1,18–32: »Da diese, denen das geschriebene Gesetz nicht gegeben worden ist, sich ja nicht
mit ihrer Unkenntnis Gottes für die Sünde entschuldigen können, das heißt für die Mißach-
tung des Schöpfers, kann es folglich überhaupt keiner. Und dies bedeutet: ›Darum bist du
unentschuldbar, oh Mensch, ein jeder, der du richtest‹.« (Exp. in Epist. ad Rom., übers. R.
Peppermüller, FC I/26:1, 170f) Leider ist dieses Argumentationsmuster logisch nicht
formalisierbar.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 221

einem deutlichen Rückbezug auf 1,18), die sicherlich eher pathetischen als
logischen Zielen dient612.
2,6–11 bringt eine neue Aussage in den Gedankengang ein: Gott ist
unparteiisch (11) und richtet daher alle Menschen nach dem gleichen Prinzip
(6). Die Begründungspartikel gár in 2,11 macht deutlich, dass sich aus
diesem Axiom über Gott das Prinzip der Gleichbehandlung im Gericht (V. 6)
folgern lässt, welches wiederum zwei Aussagekonstellationen zur Folge hat:
Wenn Menschen Gott erkennen und sündigen, erwartet sie das Vernichtungs-
urteil (VV. 8f). Wenn Menschen Gutes tun, erwartet sie das ewige Leben
(VV. 7.10). Damit greifen die Aussagen in VV. 6 und 11 hinter die Argumen-
tationskette von 1,18 zurück613. Nur dadurch kann in die Argumentation eine
Aussage eingebracht werden, die im inhaltlicher Spannung zum Basissatz in
1,18 steht: E→D (»Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im
Gericht als gerecht an«). Die logische »Architektur« geht von 2,11 aus:
Gott ist unparteiisch (2,11).

Gott richtet alle Menschen


nach dem gleichen Prinzip
der Werke (2,6)

(G∧A)→U E→D

Der Schluss von 2,11 zu 2,6 bedarf kaum einer logischen Formalisierung, um
plausibel zu erscheinen, weil Unparteilichkeit definiert werden kann als das
Prinzip, dass alle Menschen gleich behandelt werden. V. 6 ist daher weniger
ein Schluss als vielmehr die Wesensbeschreibung von V. 11. Dennoch bedarf
es einer unausgesprochenen Prämisse, um von 2,11 auf 2,6 zu gelangen: das
Prinzip der Gleichbehandelung richtet sich nach dem Kriterium der »Werke«.
Generell wären auch andere Kriterien denkbar, aber auf dem theologischen

612 Wenn das Motiv der »Sturheit« in 2,5 als Verkürzung für das Aussageverhältnis G∧A
(Wenn Erkenntnis dann Sünde) verstanden werden kann, dann hätten wir in 2,5 eine
Wiederaufnahme der logischen Grundstruktur von 1,18.
613 Dass sich aus dem »Axiom« der Unparteilichkeit Gottes die Rechtfertigungslehre
folgern ließe, ist eine etwas überzogene Einseitigkeit in den Publikationen von BASSLER
(»Divine Impartiality« und Divine Impartiality), für die sie zu Recht kritisiert worden ist. Die
hier vorgelegte logische Analyse kann jedoch bestätigen, dass zumindest für 1,18–3,20 die
Aussagen in 2,6.11 das argumentative Epizentrum bilden und dass 2,11 zu Recht ein
»Axiom« genannt werden muss.
222 III. Analyse paulinischer Texte

Boden, auf dem Paulus argumentiert, denkt und lebt, ist diese Annahme im
aristotelischen Sinne zu den Endoxa (»allgemein geteilten Meinungen«) zu
zählen614.
Auch der »Schluss« von 2,6 auf 2,7–10 bedarf der Zusatzprämisse, dass es
nur zwei Arten von Werken gibt (gute oder schlechte) und entsprechend nur
zwei Gerichtsausgänge (Heil oder Vernichtung). Diese Antithesen, die im
Hintergrund leitend auf die Argumentation wirken615, sind als kontradiktori-
sche Gegensätze aufzufassen: Die Negation von beiden kann nicht wahr sein.
Dadurch werden aber einige Elemente der Aussagefelder als gegenseitige
Negationen aufeinander bezogen:
A ›–‹ E Entweder Menschen handeln unrecht oder Menschen verhalten sich gut.
O ›–‹ D Entweder Gottes Zorn kommt als Strafe über die Menschen oder Gott
anerkennt Menschen im Gericht als gerecht.
Nach dem vierten und fünften Axiom der stoischen Logik lässt sich aus der
Negation eines Gliedsatzes der andere schließen: Aus ¬A folgt E und aus ¬E
folgt A; entsprechend folgt aus ¬O D und aus ¬D folgt O. Der wichtigste
Beitrag der VV. 6–11 für den weiteren Argumentationsverlauf ist jedoch der
neue Basissatz aus VV. 8.10:
[4] E→D Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im Gericht als gerecht
an.616

2,12 kann logisch nicht als Begründung (gár) von V. 11 aufgefasst werden.
Vielmehr stellt V. 12 eine erläuternde Konsequenz von 11 dar: Weil Gott alle
gleich beurteilt, hebt der Besitz der Torah die Unumgänglichkeit von Satz [4]
nicht auf. V. 12 kann wie folgt formalisiert werden:
12a (¬T∧A)→O Wenn Menschen die Torah nicht haben und sie Unrecht tun, dann
kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.
12b (T∧A)→O Wenn Menschen die Torah haben und sie Unrecht tun, dann
kommt Gottes Zorn als Strafe über sie.«
Wenn also Gott Juden wie Nicht-Juden nach dem gleichen Prinzip richtet und
wenn der Zusammenhang von 1,18 nicht aufgelöst werden kann, dann spielt

614 Alsaristotelischer Barbara-Schluss: 1. Ein unparteiischer Richter ist ein Nach-


Werken-Richtender. (RaW) 2. Gott ist ein unparteiischer Richter. (GaR) Concl. Gott ist ein
Nach-Werken-Richtender. (GaW)
615 SCHMELLER, Diatribe, 262: »Antithetische Ausdrucksweise ist offenbar ein Konstitu-
tivum unseres Textes.« Ganz allgemein urteilt SIEGERT, Argumentation, 183: »Nahezu alle
bei Paulus wichtigen Begriffe sind in Antithesen definiert.«
616 Satz G (»Menschen erkennen die Wahrheit«) wird im Argumentationsverlauf selten
ausdrücklich in Bezug auf Satz E gebracht, weswegen ich hier von einer zu Satz [2] analogen
Formalisierung (A∧E) → D absehe. Natürlich setzt sachlich Paulus voraus, dass das gute
Handeln nicht ohne Einsicht in ethische Zusammenhänge geschieht, aber es liegt wohl an der
anklagenden Intention dieses Abschnitts, dass »Erkenntnis« und »Wahrheit« meist im
Zusammenhang mit einem negativen Gerichtsurteil stehen.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 223

es keine Rolle, ob sich die Erkenntnis der Wahrheit aus der Torah herleitet
oder nicht617. Deswegen ist die Aussage in 12b nur eine Variante des Leitsat-
zes in 1,18 (s.o. S. 217) und braucht nicht als eine eigene Basisaussage der
Argumentation betrachtet zu werden.
2,13–16 ist nicht nur inhaltlich, sondern auch argumentativ-logisch schwer
zu verstehen. V. 13 kann aufgrund des Umkehrungsverhältnisses, in dem die
Aussagen A/E und O/D zueinander stehen, als logische Begründung (gár)
von V. 12 aufgefasst werden. Die Aussage, dass »die Täter des Gesetzes von
Gott im Gericht als gerecht anerkannt werden«, lässt sich auf den Basissatz
[4] zurückführen.
V. 14 scheint ein Beispiel für E→D zu sein. Für eine Formalisierung in
diesem Sinne wäre jedoch der folgende Wortlaut zu erwarten: »Wenn
Nichtjuden von Natur aus die Forderungen des Gesetzes in die Tat umsetzen,
dann werden sie von Gott als gerecht anerkannt.« Statt dessen formuliert die
Apodosis: »… jene, die das Gesetz nicht haben, sind sich selbst ein Gesetz
(oˆutoi nómon m`j ‘econteß Heautoïß e˙sin nómoß).« V. 15 macht inhaltlich
deutlich, dass die Nichtjuden ein inneres moralisches Kriterium haben, das
dem der Torah analog ist618. Das wäre eine Aussage, die zum Feld »Erkennt-
nis der Wahrheit« (G) gehört. Jedoch ist das Verhältnis zwischen den
Aussagen E (»Menschen, in diesem Fall Nichtjuden, handeln im Sinne der
Torah gerecht«) und G nicht deutlich619. V. 16 fällt sprachlich aus dem
Rahmen und setzt inhaltlich neue Akzente: Das Gericht des Verborgenen (tà
kruptá) findet nach dem Evangelium statt (katà tò ehuaggélion)620. Der
prophetisch-proklamatorische Stil und die zukünftige Zeitebene machen eine
logische Analyse unmöglich.
Auf rhetorischer Ebene betreibt 2,14–16 ganz ähnlich wie 2,25–29 eine »Dekonstruktion« der
zwei zentralen »identity marker« jüdischen Selbstverständnisses: Diejenigen, die kein Gesetz
(im Sinne von Torah) haben, sind sich selbst Gesetz; ebenso wird den »Unbeschnittenen« ihr

617 Das Adjektiv hanómwß bedeutet zwar in diesem Kontext »ohne Torah«, impliziert aber
nicht »ohne Erkenntnis«. Eine Erkenntnis aus der Schöpfung ist ja in 1,19–21 von Paulus für
Nichtjuden postuliert worden.
618 MELANCHTHON deutet 2,14f als einen »außerordentlich geschickten und scharfsinni-
gen [enthymematischen] Beweisschluß (eleganti et arguto enthymemate)«: »Die Heiden
haben ein Gewissen […]; daher gibt es (in ihnen) ein Gesetz. Denn was ist das Gewissen
anderes als ein Urteil über unsere Tat, das von einem Gesetz oder einer für alle gültigen
Regel gefordert wird?« (Loci communes 3,7f, hrsg. Pöhlmann, 100f). Aristotelisch: Wenn das
Gewissen ein Gesetz ist und wenn die »Heiden« ein Gewissen haben, dann haben die
»Heiden« ein Gesetz.
619 Die Formalisierung E→D wäre näher an der Formulierung des Textes, scheint aber
kaum sinnvoll. Die Formalisierung D→E passt eher in den Zusammenhang, verlangt aber ein
unnatürliches Verständnis des Satzes im Sinne von: »Wenn Nichtjuden das Gesetz halten,
dann zeigt sich darin, dass sie sich selbst Gesetz sind.«
620 Richtet Gott die Menschen »nach den Werken« (2,6: katà tà ‘erga) oder »nach dem
Evangelium« (2,16)? Oder besteht darin kein Widerspruch?
224 III. Analyse paulinischer Texte

Handeln als »Beschneidung« von Gott angerechnet. M.E. ist das ein rhetorisch effektvoller
Angriff gegen eine Haltung, die Paulus als falsche religiöse kaúcjsiß (2,17.23) auffasst. Für
den logischen Verlauf des Textes sind diese beiden Abschnitte dadurch wichtig, dass sie die
Bedeutung der Werke im Hinblick auf das göttliche Gericht durch das Beispiel »torah-
konformer« Nichtjuden untermauern. Auf eine logische Formalisierung in allen Einzelheiten
kann demnach verzichtet werden.

In den VV. 17–20 findet sich die lange Protasis eines abgebrochenen Konditi-
onalsatzes. Rhetorisch effektvoll soll dadurch der Widerspruch zwischen
Anspruch und Tat, der bereits in 2,1–3 affirmiert wurde, zur Sprache gebracht
werden. Für die logische Funktion des schweren nómoß-Begriffs ist die
Aussage in 1,20 von größter Wichtigkeit: Die »Torah« ist Verkörperung von
Erkenntnis und Wahrheit.
2,21–24 greift deutlich 2,1–3 wieder auf und bietet ein Beispiel für die dort
geäußerte Protasis: »Jemand erkennt die Wahrheit (in diesem Fall eindeutig
durch die Torah) und übertritt die Torah« (G∧A). Der Schluss, dass sie
schuldig sind, braucht nicht mehr explizit gezogen werden. In gewisser Weise
bilden die VV. 17–24 ein argumentatives Pendant zu 1,19–32. Hier wie dort
wird für den Basissatz anhand einer Anklage der in der Protasis genannte Fall
als zweite Prämisse gesetzt. Der Schluss ist in beiden Fällen evident: Sie sind
schuldig, bzw. Gottes Zornesstrafe kommt über sie.
Die Argumentation wechselt in 2,25–29 vom Topos des Gesetzes zum
Topos der Beschneidung. Die Funktion ist der von 2,14–16 analog (s.o.). Der
geringe logische Wert für den gesamten Gedankengang kann anhand eines
Formalisierungsversuchs für die VV. 25–27 deutlich gemacht werden:
Der Text operiert mit den Sätzen »Menschen sind beschnitten« (B), »Menschen sind
unbeschnitten« (¬B), »Menschen verhalten sich gut nach dem Gesetz« (E) und »Menschen
übertreten das Gesetz« (¬E; sachlich identisch mit A). Der Text spielt jedoch mit einer
metonymischen Bedeutung von »Beschnittenheit, bzw. Unbeschnittenheit« im Sinne von
»Zugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit zum Heilsbund«. Im Sinne einer Begrenzung auf
eine möglichst reduzierte Anzahl von Basissätzen soll im Folgenden mit D (»Beschnitten-
heit« im Sinne von Zugehörigkeit zum eschatologischen Heil) und ¬D (»Unbeschnittenheit«
im Sinne von Nichtzugehörigkeit zum Heilsbund; sachlich identisch mit Satz O) operiert
werden 621. Das führt zu folgender Formalisierung:
2,25a (B∧E)→D Wenn »Beschneidung« und »Gesetzesgehorsam« dann »Heil«.
2,25b (B∧¬E)→¬D Wenn »Beschneidung« und »kein Gesetzesgehorsam« dann
»kein Heil« (also: »Zornesstrafe«; ähnlich in 2,27).
2,26 (¬B∧E)→D Wenn »keine Beschneidung« und »Gesetzesgehorsam« dann
»Heil«.
Da sich der Wert von D immer nach dem Wert von E richtet, zeigt die Formalisierung sehr
schön, dass der Wert von B für die Implikation keine Rolle spielt. Die einzelnen Sätze sind

621 Die Nähe zur Rechtfertigungssprache ist in 2,26 (Hj hakrobustía ahu toü e˙ß peri-
tom`jn logisq´j setai) auffällig (vgl. Röm 4,3.9).
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 225

logisch nicht voneinander ableitbar, stehen aber auch in keinem logischen Widerspruch
zueinander 622.

Rückblickend sind für den Verlauf der Argumentation beide »Dekonstruktio-


nen«, 2,14–16 und 2,25–29, deswegen wichtig, weil sie belegen, dass der
Basissatz [4] die grundlegende Beziehung E → D in keinem Fall ändert, auch
wenn das Gesetz oder die Beschneidung in der Protasis in Erscheinung treten.
Ähnlich wie schon V. 16 sind die VV. 28–29 sprachlich neu und kaum aus
den Basissätzen herzuleiten – logisch formal nicht zu erfassen.
Das exegetisch nicht leicht zu durchschauende »Gespräch« in 3,1–9 ist mit
seinen rhetorischen Fragen wohl stärker auf der Ebene des Pathos und des
Ethos (V. 8) wirksam. Eine genaue Rekonstruktion eines logischen Verlaufs
von Rede und Gegenrede in 3,1–9 scheint kaum möglich623. Es muss bei
einem etwas spekulativen Versuch bleiben:
3,1f: Die Frage nach dem »Nutzen« (3,1 hwféleia knüpft an 2,25 an) ergibt sich sachlich aus
2,14–16 und 2,25–29: Wenn die Basisimplikation E→D durch keines der jüdischen
Privilegien relativiert oder erweitert werden kann, was nützt es, Jude zu sein. Die »Antwort«
in 3,2 lenkt die Aufmerksamkeit von der Ebene des göttlichen Gerichts weg und berührt
dadurch die Implikation nicht.
3,3f: Der folgende Einwand auf (G∧A)→O wäre denkbar: »Zornesstrafe Gottes« (O) ist im
Kontext des Heilsbundes mit Israel nicht vereinbar mit seiner »Treueverpflichtung«. Die
conclusio wäre daher für Israel falsch, denn sie würde die Treue Gottes außer Kraft setzen.
Paulus reagiert also auf eine mögliche reductio ad impossibile des tragenden Pfeilers seiner
gesamten Argumentation. Die Antwort ist jedoch wieder weniger argumentativ als vielmehr
»proklamierend«: »Gott wird recht behalten!«624
3,5–8 sind als logische Einwände aus dem bisherigen Text kaum herzuleiten 625. Der
»Sprung« von der menschlichen Ungerechtigkeit als Begründung für die »Gerechtigkeit
Gottes« (im paulinischen Sinne) scheint den Inhalt von 3,21ff bereits vorauszusetzen. Beugt
Paulus hier schon möglichen Einwänden, die der Übergang von 3,20 zu 3,21ff hervorrufen

622 Ein Beispiel aus der Alltagssprache kann das vielleicht verdeutlichen: (1) »Wenn es
hell ist und regnet, dann kommen die Schnecken hervor.« (2) »Wenn es hell ist und es nicht
regnet, dann kommen die Schnecken nicht hervor.« (3) »Wenn es nicht hell ist und es regnet,
dann kommen die Schnecken hervor.« Es bedarf keiner großen Überlegung, um festzustellen,
dass die einzige wesentliche Beziehung in diesen Konditionalsätzen die zwischen »Regen«
und »Schnecken« ist.
623 Möglicherweise wäre hier die antike Topik-Lehre nützlicher. Interessanterweise
spiegelt Röm 3,1ff eine Situation wider, bei der jemand mit zentralen Inhalten paulinischer
Theologie das Gleiche unternimmt wie Paulus mit der korinthischen These in 1Kor 15,12–19:
eine reductio ad impossibile.
624 Rhetorisch kann eine solche abschließende Allgemeinaussage als argumentum ad
lapidem bezeichnet werden.
625 Der von Paulus formulierte Einwand setzt ein recht pragmatisches Sündenverständnis
voraus: Wenn eine Tat etwas Gutes hervorbringt, ist es keine Sünde. Wenn also die Folgen
sog. »sündiger« Taten am Ende das Wirken von Gottes Wahrheit und Recht hervorbringen,
können es keine »sündigen« Taten sein. Die ganze paulinische Konstruktion wäre ad
absurdum geführt: »Sünde« wäre keine »Sünde«!
226 III. Analyse paulinischer Texte

könnte, vor? Dass er auch hier weniger sachlich begründend auf die Einwände reagiert, zeigt
das Verdammungsurteil am Ende von V. 8.

3,9b begründet die negative Antwort auf die Frage, ob es am Ende nicht sogar
nachteilig sein könnte Jude zu sein. Dies ist nicht der Fall, weil der Text
insgesamt alle unter Anklage gestellt hat: Juden und Nichtjuden. Damit wird
aber ein Fazit gezogen, dass sich logisch nicht aus dem bisherigen Verlauf
folgern lässt. Der Text ist bisher im Wesentlichen von zwei Basisimplikatio-
nen ausgegangen:
[2] (G∧A)→O »Wenn es der Fall ist, dass (wenn Menschen die Wahrheit erkennen
und sie dann unrecht handeln), dann kommt Gottes Zorn als Strafe
über sie.«
[4] E→D »Wenn Menschen Gutes tun, dann erkennt Gott sie im Gericht als
gerecht an.«
Für alle diese Implikationen hat die Argumentation im Sinne eines einfachen
modus ponens eine zweite Prämisse formuliert, die dem Satz der Protasis
entspricht. Dabei wird die Protasis von Satz [2] sowohl für Nichtjuden (1,19–
32) wie für Juden (2,1ff) belegt. Die Protasis für Satz [4] wird zwar an zwei
Stellen für Nichtjuden belegt (2,14–16.26–29), aber 2,10 formuliert diesen
Grundsatz ganz allgemein für Nichtjuden und Juden. Es ist gezeigt worden,
dass Juden und Nichtjuden unter der Macht der Sünde stehen. Es ist aber nicht
gezeigt worden, dass alle unter der Macht der Sünde stehen626.
Dass dieses pántaß logisch nicht deduzierbar ist, macht ein Detail im Einwand in 3,3
deutlich: Dort ist – durchaus im Sinne der bisherigen Argumentation – nur von der Untreue
der tineß die Rede. Hat Paulus eine Partikuläraussage stillschweigend in eine Allgemeinaus-
sage verwandelt?

Als ob Paulus gemerkt hätte, dass eine solche Allgemeinaussage als Fazit von
1,19–3,8 nicht gezogen werden kann, schickt er eine Reihe von Schriftworten
nach, die voller Allgemeinaussagen sind627. Damit wird zwar die Allaussage
in 3,9b durch Schriftzitate a posteriori begründet628, aber es entsteht zugleich
eine deutliche Spannung zur Einsetzung der Protasis des Basissatzes [4]. Es
gibt eine Menge derer, die durch Werke gerecht werden, nur scheint diese
Menge leer zu sein. Die diskursive »Leerung« vollzieht sich in 3,9b–18.
Dieses Problem wird durch die letzte Aussage in 3,20 nicht aufgehoben,
sondern verschärft. Hier wird der Schluss gezogen (dióti), dass durch das

626 In
Fragen der empirischen Induktion ist Paulus vielen modernen Theologen darin ein
»Vorläufer«, dass er sich um die konkrete Empirie wenig kümmert.
627 Ohuk ‘estin (10b.11a.b.12b), pánteß (12a), ohudè eˆ iß (10b) und [ohuk ‘estin] “ ewß Henóß
(12c). Ein eigenständiger argumentativer Wert ist für 3,13–18 zumindest aus logischer Sicht
nicht erkennbar.
628 Im Sinne einer gewissen argumentativen Ökonomie stellt sich die Frage, warum die
Argumentation nicht sogleich ihren Gang von diesen Schriftzitaten genommen hat.
D. Die Folgen der Schuld (Röm 1,18–3,20) 227

torah-gemäße Handeln kein Mensch von Gott als gerecht anerkannt wird. Der
Widerspruch zwischen 3,20 und 2,13b ist unübersehbar:
2,13b: oÓ poijtaì nómou 3,20: hex ‘ergwn nómou ohu dikaiwq´jsetai päsa
dikaiwq´jsontai sàrx hen´wpion ahutoü

Eine rein rhetorische Betrachtung könnte 2,13 als strategischen »Zwischen-


stopp« betrachten, dessen Wahrheitswert in 3,20 relativiert wird. Auf
theologischer Ebene könnte man von einem Paradoxon sprechen, das einer
logischen Befragung gegenüber immun ist629. Bevor aber das Scheitern der
Logik an dieser Stelle konstatiert wird, sollten ihre begrenzten Möglichkeiten
zur Anwendung gelangen. Ich sehe hier im Wesentlichen zwei Möglichkeiten:
1. Die beiden Aussagen sind als aristotelische Allaussagen folgendermaßen
zu formalisieren630:
(1) NaD Alle Nomostäter sind Gerechtgesprochene.
(2) NeD Kein Nomostäter ist Gerechtgesprochener.
In diesem Fall stehen beide Sätze in einem konträren Gegensatz zueinander
und können nicht gleichzeitig wahr sein. Zur Aufhebung dieses Gegensatzes
könnte sich die Logik noch mit einem Rückgriff auf die aristotelische
Moduslehre behelfen (s.o. S. 40f). Versteht man 3,20 als apodiktische Aussa-
ge und 2,13b als problematische, ergäbe das die folgende kohärente Aussage:
Es ist zwar möglich, dass ein Täter des Gesetzes von Gott als gerecht
anerkannt wird, faktisch kommt dies aber nicht vor.
2. Die beiden Sätze haben kein gemeinsames Subjekt (D), das von der
einen Aussage bejaht und von der anderen negiert wird. Dies wäre vor allem
dann denkbar, wenn Dunn mit seiner Bestimmung des Begriffs ‘erga nómou
recht hätte (s.o. S. 141f)631. 2,13b spricht von denen, die die Torah angemes-
sen in die Tat umsetzen, während 3,20 von jenen spricht, die das Halten der
Torah nur auf die äußeren »identity marker« reduziert haben.
Bevor ein Fazit gezogen werden kann, soll noch die letzte Begründung in
20b logisch analysiert werden: Die Unmöglichkeit der Rechtfertigung durch
die ‘erga nómou wird damit begründet, dass es durch die Torah nur zur
Erkenntnis der Sünde kommt (dià gàr nómou hepígnwsiß Hamartíaß). Dieser
letzte Satz entspricht der Protasis des Basissatzes [2]: G∧A632. Daraus kann

629 In diesem Falle würde das Prinzip des »ausgeschlossenen Dritten« für eine zentrale
theologische Aussage nicht gelten.
630 Ich verwende hier die termlogischen Konstanten aus der Analyse von Gal 3,6–14.
631 Der vorliegende Gedankengang ist dem des Origenes in Philoc 9,3 (ed. M. Harl, 358f)
ähnlich: Origenes stellt fest, dass sich die Aussagen zu nómoß in einer Art und Weise logisch
widersprechen, die nur dadurch aufgelöst werden kann, dass Paulus den Begriff mit
unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht.
632 Die Implikation G→E (»Wenn Menschen im Gesetz Gottes Wahrheit erkennen, dann
handeln sie gerecht«) kommt in 1,18–32 nicht vor. Ihre Unmöglichkeit gehört wohl zum
Überzeugungssystem des Paulus.
228 III. Analyse paulinischer Texte

mit 1,18 geschlossen werden, dass alle unter dem Verdammungsurteil Gottes
stehen (Satz O), was mit der Negation von Satz E (»Gott anerkennt Menschen
im Gericht als gerecht«) identisch ist. Wenn man mit 3,9b–18 nun im modus
ponens die Protasis von 1,18 auf die gesamte Menschheit anwendet, dann
ergibt sich daraus, dass niemand von Gott als gerecht anerkannt werden kann.

c) Fazit
Unter dem Vorbehalt, dass die Reduzierung auf bestimmte semantische
Felder und dass die hier vorgeschlagene Formalisierung den Aussagen des
Textes entsprechen, kann die Argumentation von Röm 1,18–3,20 über weite
Strecken als logisch stringent erwiesen werden. Von 1,18 ausgehend lassen
sich viele Abschnitte als ein modus ponens verstehen:
1,18 (G∧A)→O Prämisse 1
1,19–23 G∧A Prämisse 2
1,24 (G∧A)→O Konklusion (nach modus ponens)
1,25 G∧A
1,26f (G∧A)→O
1,28a G∧A
1,28b (G∧A)→O
1,29–31 A
1,32 (G∧A)→O
2,1f (G∧A)→U (wobei U und O für Paulus austauschbar sind)
2,3–5 nicht formalisierbar
2,6–11 Axiomatik in 2,6.11, aus der sich sowohl (G∧A)→U als auch E→D herleiten.
2,12 Logische Irrelevanz der Torah für A→U
2,13–3,9 nicht formalisierbar
3,10–18 A
3,19 logisch nicht relevant
3,20 (G∧A)→O
Die schwerste Frage, der sich die logische Analyse zu stellen hat, ist die nach
dem Verhältnis von 2,13b und 3,20. Sie muss m.E. offen bleiben: Die
Bestimmung Dunns zum Begriff ‘erga nómou ist nicht über jeden Zweifel
erhaben. Sich an dieser Stelle eindeutig für diese These zu entscheiden, wäre
zwar die eleganteste, aber auch die bequemste Lösung. Rein methodisch sollte
die Frage nach paulinischer Logik nicht von vornherein jene Auslegungsopti-
onen favorisieren, die zu einer positiven Antwort führen. Die modale Lösung
ist möglich, aber anhand des Textes nicht verifizierbar. Es kann also auch
nicht ausgeschlossen werden, dass hier ein konträrer Widerspruch vorliegt633.

633 Eine theologischen Folgen dieses Problems werden u. S. 240 bedacht.


IV. Schlussbetrachtung

A. Argumentiert Paulus logisch?

Hinter dieser scheinbar harmlosen Frage verbergen sich sowohl Probleme in


der Methodik als auch Aporien in der praktischen Durchführung. Die
paulinische Sprache erweist sich zuweilen als erstaunlich resistent gegenüber
der Abstraktionsintention formaler Logik. Andererseits – und das ist ein
Grunddilemma der logischen Analyse – ist die Gültigkeit eines sprachlichen
Schlusses anders als mit formalen Mitteln nicht zu beurteilen. Die hier
vorgelegten Analysen decken zwar keine sehr umfangreiche Textbasis ab,
doch gewähren sie einen Einblick in die logische Folgerichtigkeit wichtiger
paulinischer Argumentationsgänge. Die Schwierigkeiten, denen sich jeder
Antwortversuch gegenübergestellt sieht, sollten in ihren Konturen hinreichend
erkennbar geworden sein.
1. Argumentiert Paulus logisch? Präzisierung der Frage:
a) Für paulinische Argumentation gilt, was aus logischer Perspektive ganz
allgemein für alltagssprachliche Äußerungen gilt: Sie ist vage und unpräzise.
Die Überführung in eine logische Form bringt eine Reihe von Entscheidungen
mit sich, die nicht aus dem Rahmen des exegetisch Verantwortbaren fallen
sollten. Der hermeneutische Spielraum wird durch die logische Analyse
keineswegs verengt, sondern viel eher in Richtungen erweitert, die selten in
der Exegese bedacht werden1. Die Frage, ob Paulus logisch argumentiert, ist
als eine Abkürzung zu betrachten für die komplexere Frage: Lassen sich
paulinische Argumentationen zu logisch überprüfbaren Schlüssen formalisie-
ren?
b) Es gehört zu den Vorzügen der natürlichen Sprache, notwendige
Prämissen ungenannt lassen zu können. Dadurch wird die tätige Mitarbeit der
Rezipienten aktiviert2. Die Traditions- und Motivgeschichte hat zu prüfen,
aufgrund welcher Plausibilitätsstrukturen die Argumentation Prämissen
voraussetzen kann. Manchmal zeigt sich, dass die fehlenden Prämissen klar in
den Bereich der gemeinsamen »Enzyklopädie« gehören (wie im Falle der
antipaganen Topoi in Röm 1,19–32), manchmal aber werden auch Brüche

1 Die Vortäuschung falscher interpretatorischer Sicherheiten wäre in diesem Falle unver-


antwortbar. Daher ist auch die Befürchtung, logische Analysen könnten einem wie auch
immer gearteten »Positivismus« das Wort reden, unbegründet.
2 Das hebt LAMPE hervor und spricht in Bezug auf Gal 3,10–12 von einem »Enthymemen-
›Knäuel‹« (Reticentia, 37).
230 IV. Schlussbetrachtung

hinsichtlich der Motivgeschichte deutlich (wie im Falle der Abrahamstraditi-


onen in Gal 3,6–14). Die Auslassung von Prämissen erfolgt nicht nur im
Sinne der rhetorischen brevitas, sondern kann auch der taktischen Verschleie-
rung dienen. Die logische Analyse kann aber in keinem Fall auf die Rekon-
struktion fehlender Prämissen verzichten. Dadurch erhöht sich der exegetisch-
hermeneutische Beitrag an der logischen Analyse beträchtlich. Die Ausgangs-
frage ist demnach weiter zu modifizieren: Lassen sich paulinische Argumen-
tationen in ihren Grundstrukturen so rekonstruieren, dass sie zu logisch
überprüfbaren Schlüssen formalisiert werden können? Erst in dieser präzise-
ren Fassung ist die Leitfrage sinnvoll beantwortbar.
2. Argumentiert Paulus logisch? Die Evidenz: Die Antwort kann kaum
eindeutig positiv oder negativ ausfallen, denn die drei gewählten Beispiele
haben ein recht uneinheitliches Bild ergeben. Es ist außerdem zu vermuten,
dass eine Erweiterung der Textbasis dieses Ergebnis noch komplexer machen
würde. Auf der Grundlage der vorgelegten Analysen und unter Berücksichti-
gung der exegetischen wie formalen Entscheidungen stellt sich die Evidenz so
dar: Während sich 1Kor 15,12–19(20) mit den Mitteln stoischer Logik elegant
und ohne größere Probleme formal als schlüssig erweisen lässt, gerät die
logische Analyse im Falle von Gal 3,6–14 mit den Mitteln aristotelischer
Syllogistik ins Stocken. Das Problem liegt nicht so sehr darin, dass Prämissen
als Zusatzannahmen rekonstruiert werden müssen, sondern darin, dass
Annahmen nötig sind, die sich nicht ohne weiteres als enzyklopädische
Basiseinträge verstehen lassen, die ein Autor mit seinen realen Rezipienten
und Rezipientinnen ganz natürlich teilt3. In Röm 1,18–3,20 »funktioniert« die
logische Analyse nur streckenweise und auf der Grundlage einer generösen
semantischen Vereinheitlichung. Der Widerspruch zwischen 2,13b und 3,20
ist je nach Auslegung nicht aufzulösen. Andererseits setzt die Diskussion um
die Auferstehung Jesu in 1Kor 15 voraus, dass für Paulus die Sätze »Es gibt
eine Auferstehung von Toten«, und »Es gibt keine Auferstehung von Toten«,
nicht gleichzeitig wahr sein können. Die Argumentation setzt also das Prinzip
vom ausgeschlossenen Dritten voraus.
3. Argumentiert Paulus logisch? Antwortversuch: Die Evidenz deutet in
zwei Richtungen:
a) Manche Argumentationen (1Kor 15,12–19 und Teile der behandelten
Abschnitte in Röm 1–3 und Gal 3) formulieren ihre Schlussfolgerungen
derart, dass sie den Ansprüchen formaler Logik genügen. Auf autorialer
Ebene ist es daher nicht unvorstellbar, dass Paulus mit einigen logischen
Verfahrensweisen vertraut war. Die Tatsache, dass die logische Analyse im
Falle von 1Kor 15 den sichersten Fuß auf den Boden stoischer Aussagenlogik

3Ich würde mich aber von ECKSTEIN, Verheißung, 131 abgrenzen: Paulus gehe es nicht
um den »logisch-argumentativen Nachweis«, sondern »lediglich um den Schriftbeweis«. Für
LAMPE, Reticentia, 28 zu Recht eine »traurige Alternative«.
A. Argumentiert Paulus logisch? 231

setzt, deckt sich mit der historischen Evidenz hinsichtlich der Popularität
stoischer Logik zur Zeit des Paulus.
b) Die Schlüssigkeit mancher Argumentationen (v.a. der Übergang von
Gal 3,6–9 zu 10–12; 3,13f und Teile von Röm 1–3) ist selbst bei genauer
Rekonstruktion impliziter Prämissen logisch nicht evident. Das könnte
bedeuten, dass für Paulus die anderen rhetorischen Überzeugungsmittel,
»Ethos« und »Pathos«, wichtiger waren. Nicht-syllogistische Argumentati-
onsformen wie Analogien oder Beispiele, die von der formalen Logik nicht
erfasst werden, bewegen sich aber keineswegs außerhalb dessen, was für
Aristoteles und die antike Rhetorik den Logos einer Argumentation ausmacht.
Eine genaue Bestimmung des Verhältnisses affektiver, charakterlicher und
logisch-argumentativer Überzeugungsmittel zueinander ist hier also nicht
möglich. Ein niedriger »Anteil« an strikt logisch formalisierbaren Schluss-
formen würde aber weder implizieren, dass Paulus rhetorisch unsachgemäß
vorgeht, noch dass seine Schlussfolgerungen – auch wenn es ihnen zuweilen
an logischer Stringenz mangelt – als sachlich falsch anzusehen sind.
Zwei Probleme können hier nur ganz am Rande gestreift werden: 1. Zeitebenen: Logische
Analysen beziehen sich in aller Regel auf Sätze im Präsens4. Es scheint mir aber, dass sich
bei Paulus die Zeitebenen von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft im christologischen
Heilsgeschehen auf eine so merkwürdige Art und Weise verschränken, dass dies von der
Logik kaum gebührend registriert werden kann5. 2. Modus: Es ist auffällig, wie wenig Fragen
der Modalität von Aussagen (s.o. S. 40) sich als bedeutsam erweisen. Schon Nock bemerkte,
dass Paulus »nie ›wahrscheinlich‹ oder ›möglicherweise‹« sagt6. Die Sprache des Paulus
bewegt sich zumeist auf einer schwer abgrenzbaren Linie zwischen assertorisch und
apodiktisch, also zwischen der Feststellung, dass etwas ist, und der Behauptung, dass etwas
notwendigerweise so sein muss. Sicherlich würde er für die Wahrheit seiner »Axiome« die
gleiche Gewissheit beanspruchen wie Aristoteles für die ersten, selbstevidenten Sätze in der
wissenschaftlichen Argumentation7.
Summa summarum kann die Frage generell weder eindeutig positiv noch
eindeutig negativ beantwortet werden. Die Analysen zeigen auf der Textebe-
ne, dass sich manche paulinische Argumentationen auf logisch gültige
Schemata zurückführen lassen. Auf der autorbezogenen Ebene lässt sich m.E.

4 Der Wahrheitswert von Aussagen zu zukünftigen Ereignissen gehört seit der Antike zu
einem der meist diskutierten logischen Grundlagenproblemen (die sog. »contingentia futuri«).
Aussagen über die Vergangenheit sind nicht in der Vergangenheit wahr, sondern – so bereits
die stoische Sprachphilosophie – in der Gegenwart.
5 Die seltsame Verschränkung der Ebenen kommt z.B. in Gal 3,8a schön zum Ausdruck.
Treffend LUZ, Geschichtsverständnis, 41ff unter dem Titel: »Die gegenwärtige Vergangen-
heit: Das Gotteswort des Alten Testaments.«
6 NOCK, Paulus, 191.
7 Obwohl aus der Sicht des aristotelischen Wissenschaftsbegriffs die paulinischen Prämis-
sen wohl eher als »Endoxa« (vgl. dazu S. 48) zu werten wären.
232 IV. Schlussbetrachtung

sagen, dass Paulus in der Lage war, logisch zu argumentieren8. Warum diese
Dimension in seinen Argumentationen nicht häufiger zu erkennen ist, bzw.
warum sein Sprachstil die logischen Strukturen z.T. äußerst schwer durch-
schaubar macht, ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dass aber
Paulus logisch argumentiert, ist eine Tatsache, die innerhalb einer Gesamt-
würdigung seiner Argumentation angemessen berücksichtigt werden sollte9.

B. Exegetisch-methodischer Ertrag

In seinem Beitrag zur Sprache und Logik der Theologie äußert J. Macquarrie
vorsichtig die Hoffnung, die logische Analyse könne auf dem Gebiet der
Bibelwissenschaft »einen nützlichen Beitrag leisten«10:
»Eine ausgewogene Erklärung hätte auf die Logik der Bibelsprache zu achten und immer
daran zu denken, daß die Grammatik der Logik oft nur ausgesprochen irreführende
Anhaltspunkte liefert. […] Dadurch würde auch die Bibeltheologie noch mehr in die
systematische Theologie integriert, was für beide ein Gewinn wäre.« 11

Auch D. Ritschl fragt danach, wie aus »komplexen Aussagesystemen, z.B.


den paulinischen Briefen, die dort wirksamen impliziten Axiome gewonnen
werden« können12. Anders A. Nygren, der sich gegenüber der analytischen
Philosophie wesentlich reservierter zeigt und warnt:
»Die symbolische Sprache des Logizismus ist, richtig auf ein passendes Material angewendet,
ein ausgezeichnetes Instrument zur Erlangung größtmöglicher Genauigkeit und Präzision. Die
scheinbare Klärung kann sich aber leicht in ihr diametrales Gegenteil verwandeln. Allzu oft

8 Dem Apostel kann man m.E. weder aus moderner noch aus antiker Sicht ein gewisses
Maß an »theologischer Rationalität« absprechen. Theologisch gesehen, besteht bei Paulus
durchaus ein Nexus zwischen Glauben und Verstehen, Pneuma und Logos (vgl. die
Schlussüberlegungen in SIEGERT, Argumentation, 252–254). Wenn der dünne Faden
zwischen Pneuma und Logos zerreißt, löst sich Theologie als Glaubensreflexion entweder auf
oder sie wird zur Theorie ihrer eigenen Unmöglichkeit.
9 In seiner knappen zusammenfassenden Betrachtung der »Argumentationsweise des
Paulus« übergeht BULTMANN, Diatribe, 102 die »Abschnitte rabbinischer Beweisführung wie
Röm 4; Gal 3,6ff; 4,21ff«, und kommt zum Ergebnis: Paulus »ist nicht wählerisch mit seinen
Gründen und nicht vorsichtig in seiner Beweisführung. Er rückt dem Gegner mit Fragen und
Ausrufungen zu Leibe und schlägt ihn nötigenfalls einfach nieder.« Als eine differenzierte
Gesamtaussage zur paulinischen Argumentation kann ein solches Urteil nicht gelten.
10 MACQUARRIE, Gott-Rede, 109.
11 MACQUARRIE, Gott-Rede, 109f. Ähnlich SCHRÖER, Denkform, 19: »Eine theologische
Logik hat als konkrete Aufgaben, die theologische Begriffs- und Urteilsbildung sowie die
theologische Beweisführung auf ihre logische Struktur zu untersuchen. In ihren Bereich
gehört weiter eine theologische Axiomatik und eine theologische Kategorienlehre. Grundbeg-
riffe wie Relation, Modalität, Möglichkeit und Wirklichkeit sowie Einheit und Notwendigkeit
wären von ihr zu interpretieren.«
12 RITSCHL, Logik der Theologie, 117.
B. Exegetisch-methodischer Ertrag 233

muß man […] miterleben, wie der Versuch, logisch die Bedeutung eines Satzes zu präzisie-
ren, stattdessen dazu beiträgt, seinen eigentlichen Sinn total zu verdecken.« 13

Ich möchte an diesen letzten Einwand anknüpfen, weil hier Richtiges und
Falsches nebeneinander stehen. Es ist zutreffend, dass die Formalisierung von
Aussagen nur einen reduzierten Ausschnitt ihrer Sinnmöglichkeiten beleuch-
tet. Als dramatisch wäre eine solche Reduktion jedoch nur dann zu bezeich-
nen, wenn es das Ziel logischer Formalisierung wäre, den Sinn eines Textes
erschöpfend zur Geltung zu bringen. Dass dies nicht der Fall ist, sollte an
dieser Stelle kaum einer Begründung bedürfen. Für die Exegese ist Logik vor
allem angewandte Logik, die im Sinne einer ars iudicandi die Gültigkeit einer
sprachlichen Schlussfolgerung überprüft. Jede sprachliche Äußerung, die den
Anspruch erhebt zu argumentieren, kann einer solchen Überprüfung unterzo-
gen werden. Der paulinischen Sprache eine solche Überprüfung zu verwei-
gern, wäre m.E. kein Akt des Respekts, sondern ein subtile Art, Paulus in der
Sache nicht ernst genug zu nehmen.
Die Frage ist daher nicht, ob es der Sache nach angemessen ist, paulinische
Argumentation logisch zu analysieren (ganz gleich ob mit antiker oder mit
moderner Logik), sondern ob ein Erkenntniswert sichtbar ist, der den
Aufwand der Analyse rechtfertigt14. Es besteht m.E. kein Grund, die Logik in
marktschreierischem Ton als Heilmittel gegen paulinische obscuritas
anzupreisen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Beschäftigung mit
Logik das Maß an obscuritas in der exegetischen Sprache reduzieren könnte –
die ironischerweise die Begriffe »Logik« und »logisch« häufig semantisch
höchst unscharf verwendet.
In der Praxis zwingt die logische Analyse zu einer sehr präzisen Wahr-
nehmung und Beschreibung der schlussfolgernden Operationen eines Textes.
Indem die grammatikalische, rhetorische und semantische Betrachtung ihr
Augenmerk auf Begründungen und Folgerungen richtet, vermag sie die
Vagheit zentraler Begriffe und die Reichweite möglicher Äquivokationen
genauer einzuschätzen15. Logische Analyse kann jedoch die Vielfalt exegeti-
scher Optionen nur sehr bedingt einschränken. Denn: die »mit einer Formali-
sierung verbundene Präzisierung zwingt dazu, sich auf eine bestimmte

13 A. NYGREN, Sinn und Methode (Göttingen, 1979) 178; vgl. S. 168–183 zu seiner
Auseinandersetzung mit dem logischen Positivismus.
14 Ähnlich fragen F. NEUHAUS / U. SCHEFFLER / Y. SHRAMKO, Tautologien und Triviali-
täten? Logische Methoden in der Philosophie, ZPhF 57 (2003) 413, »ob der zum Teil
erhebliche Aufwand, der für die logische Bearbeitung eines Themas getrieben werden muß,
in einem vernünftigen Verhältnis zu den erzielten philosophischen Ergebnissen steht«.
15 NEUHAUS / SCHEFFLER / S HRAMKO, Tautologien, 421: »Aufgrund ihrer Präzision sind
formale Sprachen besonders dazu geeignet, um verdeckte Mehrdeutigkeiten von Argumenten
aufzudecken und die verschiedenen möglichen Auslegungen zu diskutieren. Solche
Diskussionen tragen zu einem vertieften Verständnis der untersuchten Fragen bei.«
234 IV. Schlussbetrachtung

Auslegung der verwendeten Termini festzulegen.«16 Die Auslegung der


Termini selbst kann nur exegetisch und nicht »logisch« begründet werden und
unterliegt damit der Ungewissheit allen exegetischen Forschens.
Durch die ebenso einseitige wie notwendige Konzentration auf die
rationalen Faktoren der persuasiven Rede des Apostels erfüllt die logische
Analyse indirekt auch eine hermeneutische Funktion: Gelingt die Rückfüh-
rung auf logisch gültige Schlussformen, kann ein rationales Verstehen des
Textes beträchtlich erleichtert werden. Umgekehrt macht das »Scheitern« der
logischen Analyse Probleme in der hermeneutischen Interaktion zwischen
Text und auslegendem Subjekt in besonderer Weise deutlich und ruft dadurch
andere Verstehensstrategien auf den Plan17. Wenn jedoch der Anspruch auf
rationale Begründung in einem Text vermutet werden kann, dann hat die
logische Überprüfung der argumentativen Stringenz insofern eine sach-,
autoritäts- und ideologiekritische Spitze, dass sie danach fragt, ob die im Text
vorgebrachten Argumente die darin aufgestellte These auf vernünftig
nachvollziehbare Weise stützen oder nicht.
Interessant ist die logische Analyse auch dort, wo sie nicht durchführbar
ist. Es muss dabei unterschieden werden zwischen dem »Scheitern« der Logik
angesichts von Texten, die so strukturiert sind (z.B. als eine Kette von
schlussfolgernden wahrheitsdefiniten Aussagesätzen), dass sie einer logischen
Analyse unterzogen werden können, ihr de facto aber nicht standhalten, und
dem grundsätzlichen Rückzug der Logik angesichts argumentativer Texte, die
nicht formalisiert werden können. Hier vermag die logische Analyse einen
Unterschied zu markieren zwischen axiomatischen und gefolgerten Sätzen.
Das textuelle Umfeld aller drei hier untersuchten Textabschnitte zeigt, dass
die Worte aus der Schrift, die Inhalte des christlichen Glaubensbekenntnisses
und unterschiedliche Traditionen weisheitlicher und apokalyptischer Natur
nicht begründet zu werden brauchen18. Sie dienen vielmehr als Ausgangs-
punkt für die Argumentation. Dazu zählen auch die »impliziten Prämissen«,
die einen Einblick in das Überzeugungssystem des Paulus (nicht zwangsläufig
in das seiner Leser und Leserinnen!) gewähren. In der Idealwelt der Logik
würde eine komplette logisch-formale Analyse der paulinischen Briefliteratur

16 NEUHAUS / SCHEFFLER / SHRAMKO, Tautologien, 419. (Hervorhebungen von mir)


17 Es wäre z.B. möglich, auf kompliziertere, moderne Analyseverfahren auszuweichen,
oder aber die Bedeutung von »Pathos« und »Ethos« in den betreffenden Texten zu untersu-
chen.
18 Das literarische Umfeld von 1Kor 15,12–19 ist diesbezüglich ein instruktives Beispiel
für das Nebeneinander von axiomatischer, logischer, analoger und prophetischer Argumenta-
tion: Mit dem Glaubensbekenntnis in 15,1–11 wird die Grundlage (vgl. 15,1f) gelegt. Nach
der logischen Argumentation folgt in 15,20ff ein Analogie-Argument, das von der apokalyp-
tischen Vorstellung der Auferstehung Jesu als eschatologischem »Eröffnungsakt« auf die
Auferstehung von Christen und Christinnen schließt. Ab 15,35 redet der Apostel prophetisch,
ohne argumentative Begründung, apodiktisch.
C. Weiterführender Ausblick 235

ein System erkennbar machen, bei dem sich zwei Mengen von Sätzen derart
gegenüberstehen, dass alle Sätze der einen Menge aus denen der anderen
Menge deduziert werden können19.
Ob solche Fragestellungen die Exegese auch für die Systematische
Theologie interessanter machen (wie Macquarrie sich erhofft), müssen andere
beurteilen. Die Interessen der Exegese und der Systematischen Theologie sind
jedoch unterschiedlich: Für die Exegese kann Logik im besten Falle als
Analyseinstrument nützlich sein, die Systematische Theologie hat v.a. die
»Rede von Gott« angesichts der Grundlagenkritik durch den logischen
Empirismus und den Herausforderungen der Analytischen Philosophie zu
bedenken20.

C. Weiterführender Ausblick

1. Paulus und rabbinische Logik


Der hier dargestellte Befund könnte die Frage aufkommen lassen, ob paulini-
sche Argumentationen nicht sehr viel präziser auf dem Hintergrund »rabbini-
scher Logik« erklärt werden können. Je nachdem, wie dieser Begriff verstan-
den wird, möchte ich diesen Einwurf in aller Vorläufigkeit negativ und positiv
beantworten.
1. Zunächst zur negativen Antwort: Was wäre unter einer spezifisch
rabbinischen Logik zu verstehen, wenn das Wort »Logik« dabei nicht seine
technische Bedeutung im Sinne einer formalen Schlusslehre einbüßen soll?
Sofern das Interesse der logischen Struktur gelten soll, kann an die typisch
rabbinischen Formen des Folgerns und Begründens kein anderer Maßstab
angelegt werden als der der formalen Logik. Eine solche philosophisch-
historische Untersuchung, die sich mit »logischen« Aspekten früher rabbini-
scher Argumentationen auseinandersetzt, liegt m.W. nicht vor21. Eine

19 Dies ist, nebenbei bemerkt, die »Höchstforderung«, die H. SCHOLZ an eine evangeli-
sche Theologie als Wissenschaft stellt (Evangelische Theologie, 236.239–242).
20 NEUHAUS / SCHEFFLER / S HRAMKO, Tautologien, 420–425 diskutieren ähnlich zwei für
die Philosophie nützliche Verwendungsweisen der Logik: bei der Analyse von Argumenten
und als formale Beschreibungssprache. M.E. ist für die Exegese Logik eher ein »Mittel zur
Evaluierung von Argumenten« und für die Systematik eher ein »Medium zum Philosophie-
ren« (beide Wendungen ebd., 429).
21 Der interessanten Arbeit von A. SION, Judaic Logic: A Formal Analysis of Biblical,
Talmudic and Rabbinic Logic (Geneva, 1997) fehlt leider eine historische Differenzierung der
untersuchten Quellen. Zudem schlägt er Formalisierungen vor, die mir in der Literatur zur
modernen Logik nicht begegnet sind, weshalb ich mich eines sachlichen Urteils enthalten
muss. Die frühe Arbeit von A. SCHWARZ, Der hermeneutische Syllogismus in der talmudi-
schen Litteratur (Wien, 1901) ist leider hinsichtlich logischer Fragestellungen hoffnungslos
veraltet. Zur logischen Analyse eines rabbinischen Textes vgl. R.E. COHEN, The Relationship
236 IV. Schlussbetrachtung

»rabbinische Logik« kann den aristotelischen und stoischen Modellen schon


alleine aus dem Grund nicht gegenübergestellt werden, weil es dazu aus dem
uns interessierenden Zeitraum keine explizite »Theorie« gibt.
Die erste logische Abhandlung, die uns von jüdischer Hand erhalten geblieben ist, verdanken
wir dem herausragenden Philosophen, Arzt und Torahgelehrten Moses Maimonides (1135–
1204)22. Der in hebräischen Buchstaben verfasste arabische Text führt in die wichtigsten
Begriffe der Logik ein und steht ganz im Banne der Entdeckung des Aristoteles durch
arabische Gelehrte (bes. durch al-Farabi). Die Übersetzungen und Kommentierungen dieses
Einleitungswerkes sind ein deutliches Zeichen für seinen großen wirkungsgeschichtlichen
Einfluss. Das Fehlen von mittelalterlichen Übersetzungen des Organons ins Hebräische bei
gleichzeitiger Übersetzung und Kommentierung der Aristoteles-Kommentare von al-Farabi
und Averroes könnte darauf hinweisen, dass den jüdischen Gelehrten dieser Zeit die
aristotelische Logik vornehmlich durch arabische Philosophen vermittelt wurde.

Es stellt sich die Frage, inwieweit diese ersten Leistungen auf dem Gebiet
logischer Theorie von jüdischer Seite an Entwicklungen des rabbinischen
Judentums früherer Jahrhunderte anknüpfen bzw. inwiefern darin eine
besondere Affinität zwischen rabbinischen Argumentationsweisen und
aristotelischen Konzeptualisierungen zum Ausdruck kommt23. Der knappe
Logik-Artikel in der Encyclopaedia Judaica stellt dazu fest:

Between Topic, Rhetoric, Logic: Analysis of a Syllogistic Passage in the Yerushalmi, in: J.
Neusner / E.S. Frerich (eds.), Judaic and Christian Interpretation of Texts (New Perspectives
on Ancient Judaism 3; Lanham, 1987) 87–125. Analog zur »juristischen Logik« (vgl. E.
SCHNEIDER, Logik für Juristen [München, 41995]) beschäftigen sich Arbeiten zu »jüdischer
Logik« vornehmlich mit Fragen talmudischer Rechtsanwendung: vgl. z.B. M. ABITBOL,
Logique du droit talmudique (Paris, 1993) und das einflussreiche Werk von L. JACOBS,
Studies in Talmudic Logic and Methodology (London, 1961). Leider lässt sich daraus für den
Zeitraum des Paulus kaum etwas entnehmen.
22 Traité de logique, ed. R. Brague (Paris, 1996); vgl. weiterhin: J.L. KRAEMER, Maimo-
nides on the Philosophic Sciences in his Treatise on the Art of Logic, in: J.L. Kraemer (ed.),
Perspectives on Maimonides (The Littman Library of Jewish Civilization; Oxford, 1991) 77–
104. Vor Maimonides scheinen Isaac Israeli und Joseph ibn Zaddik logische Abhandlungen
abgefasst zu haben. Vgl. J. HABERMANN, Art. Logic, EJ 11 (1972) 459.
23 Vgl. J. NEUSNER, Jerusalem and Athens: The Congruity of Talmudic and Classical
Philosophy (JSJ.S 52; Leiden, 1997), der nicht nur im Bereich der Logik und Dialektik,
sondern auch in dem der Naturphilosophie und Ethik eine Übereinstimmung zwischen den
rabbinischen Lehrern, die die Gemara hervorgebracht haben, und den Lehrern des abendlän-
dischen Denkens, Sokrates, Platon und Aristoteles, konstatiert. Da diese Übereinstimmung
nicht auf Kenntnisse griechischer Philosophie seitens der Rabbinen zurückgeführt werden
kann, erweist sich darin für NEUSNER die weltgeschichtliche Bedeutung und Eigenständigkeit
des Talmuds als »Klassiker« des abendländischen Denkens. Im Bereich der griechischen
Philosophie malt N EUSNER jedoch mit allzu grobem Pinsel, indem er z.B. Platon und
Aristoteles philosophisch nicht voneinander unterscheidet und die Stoa völlig außer Acht
lässt.
C. Weiterführender Ausblick 237

»Although some of the methods of biblical exegesis and legal interpretation (middot)
employed by the rabbis of the talmudic period rest upon the rules of logic […], it is doubtful
that the rabbis had a formal knowledge of the subject.« 24

2. Mit dem Hinweis auf die rabbinischen Interpretationsregeln eröffnet


sich ein positiver Zugang zum Problemkreis »Paulus und rabbinische Logik«.
Wenn nämlich darunter die besondere Struktur rabbinischer Schlussfolgerun-
gen verstanden wird, ergibt sich eine Perspektive, die für manche paulini-
schen Argumentationen erhellend ist. Von besonderem Interesse dürfte
hierbei die erste hermeneutische Regel Hillels und Jischmaels sein, der
Schluss vom »Leichteren auf das Schwerere« (kal wahomer), der innerhalb
antik-rhetorischer Argumentationstopoi zu den afortiori-Schlüssen25 zu
zählen ist (vgl. z.B. Röm 5,10.17; 11,15.24)26. In der tannaitischen Tradition
finden wir außerdem die ältesten Belege für Erklärungsmodelle, die enthy-
mematisch vorgehen27. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass diese
rabbinischen Schlussformen aus der Warte antiker Logik im Wesentlichen zu
den »nicht-syllogistischen« Argumenten zu rechnen sind. Solche Formen
galten nicht als falsch oder unzulässig, sondern schlicht als logisch nicht
formalisierbar und daher als unbrauchbar für den streng wissenschaftlichen
Beweis. Es wäre Gegenstand einer weiterführenden Untersuchung, die Rolle
von Analogien und nicht-syllogistischen Schlüssen in der hellenistischen
Logik und Rhetorik in der rabbinischen Argumentation und in den Paulusbrie-
fen miteinander zu vergleichen.

24 HABERMANN , Logic, 459.


25 Vgl. die wichtige theoretische Erörterung zu dieser Schlussform in Quintilian V,10 (=
Rahn 87ff).
26 Vgl. SCHWARZ, Hermeneutische Syllogismus, 14–38 (mit zum Teil verwirrenden
syllogismus-ähnlichen Formalisierungen); L. JACOBS, The Aristotelean Syllogism and the
Qal wa-homer, JJS 4 (1953) 154–157 (der v.a. gegenüber SCHWARZ zeigt, dass ein kal
wahomer-Schluss nicht auf einen aristotelischen Syllogismus zurückgeführt werden kann; s.a.
Studies in Talmudic Logic, 3–8); D. INSTONE BREWER, Techniques and Assumptions in
Jewish Exegesis before 70 CE (TSAJ 30; Tübingen, 1992); A. SION, Judaic Logic, 30–85; D.
BÖRNER-KLEIN, Der Midrasch Sifre zu Numeri (RT II/3; Stuttgart, 1997) 438–471; A.
SAMELY, Rabbinic Interpretation of Scripture in the Mishnah (Oxford, 2002) 174–193. Zum
Gebrauch bei Paulus vgl. H. MÜLLER, Der rabbinische Qal-Wachomer-Schluß in paulinischer
Typologie: Zur Adam-Christus-Typologie in Röm 5, ZNW 58 (1967) 73–92. H. MACCOBY,
The Mythmaker: Paul and the Invention of Christianity (San Francisco, 1986) 64–67 möchte
hingegen die paulinischen afortiori-Schlüsse streng vom rabbinischen kal wahomer Schluss
trennen (ähnlich SIEGERT, Argumentation, 190f).
27 Vgl. L. MOSCOVITZ, Talmudic Reasoning (TSAJ 89; Tübingen, 2002) 218–223
(»Enthymematic Explanation«).
238 IV. Schlussbetrachtung

2. Logik und paulinische Rhetorik


Als 1897 Johannes Weiß in einer forschungsgeschichtlich wichtigen Studie
die Bitte »an die theologischen Genossen« richtete, »ein wenig mehr als
bisher geschehen, die Form der Paulinischen Briefe zu beachten«, und »die
weitere Erörterung dieser Frage […] solchen Kennern des Paulus, die auch
die zeitgenössische Rhetorik beherrschen«, ans Herz legte28, hätte er sich
wohl kaum vorzustellen gewagt, in welchen Ausmaßen die aktuelle Paulus-
Exegese dieser Bitte zwar mit Verspätung aber dafür mit einer umso größeren
literarischen Produktion nachkommen sollte29. Nach meiner Wahrnehmung
gibt sich aber die aktuelle Praxis der rhetorischen Paulus-Analyse allzu
schnell damit zufrieden, durch die Klassifizierung sprachlicher Formen der
persuasiven intentio auctoris nahe zu kommen30. Auf diesem Gebiet sind
zweifelsohne Fortschritte erzielt worden, aber auf Dauer wird eine solche
tropologische Verengung das Interesse an rhetorischen Analyseverfahren
verebben lassen. Ricœurs Diagnose zum Niedergang der Rhetorik im 19. Jh
sollte Exegeten und Exegetinnen als Warnung dienen:
»Die Geschichte der Rhetorik ist die eines schrumpfenden Chagrinleders. Hier liegt einer der
Gründe für den Tod der Rhetorik: indem sie sich auf einen ihrer Teile reduzierte, verlor sie
zugleich den Nexus, der sie über die Dialektik mit der Philosophie verband. Infolge dieses
Verlustes wurde die Rhetorik zu einer abgesprengten, gehaltlosen Disziplin. Sie starb, als die
Manie der Figurenklassifizierung ganz und gar an die Stelle des philosophischen Sinnes
getreten war, der dem weitläufigen rhetorischen Reich Leben verlieh, die Teile zusammen-
hielt und das Ganze mit dem Organon und der prima philosophia zusammenhielt.« 31

Die Beleuchtung paulinischer Argumentationen auf dem Hintergrund antiker


Logik ist somit nicht nur eine Übung in formaler Schlüssigkeit, sondern
zugleich auch ein Beitrag zur rhetorischen inventio des Paulus. Der in der
Antike wichtige Bezug der Rhetorik zu ihrer »nächsten Verwandten«, der
Dialektik, wird dadurch gewahrt (s.o. S. 63ff). Ebenso wird damit der

28 Beiträge zur paulinischen Rhetorik, in: Theologische Studien (FS B. Weiss; Göttingen,
1897) 166.247.
29 Der neutestamentliche Teil der Bibliographie von D.F. WATSON, A.J. HAUSER, Rheto-
rical Criticism of the Bible: A Comprehensive Bibliography with Notes on History and
Method (Biblical Interpretation Series 4; Leiden, 1994) 126–206 ist veraltet und leider nicht
fortgesetzt worden. Das Internet erweist sich als aktuelleres Medium. Vgl. die Online-
Bibliographien unter http://rhetjournal.net/Bibliographies.html (15.08.2005 aufgerufen), die
Teil der von James D. H ESTER herausgegebenen Internet-Zeitschrift »The Journal for the
Study of Rhetorical Criticism of the New Testament« (http://rhetjournal.net/) sind.
30 So definiert das bereits zum Klassiker avancierte Werk von G.A. KENNEDY, New
Testament Interpretation through Rhetorical Criticism (Studies in religion; Chapel Hill, NC,
1984) 12: »The ultimate goal of rhetorical analysis, briefly put, is the discovery of the
author’s intent and of how that is transmitted through a text to an audience.«
31 RICŒUR, Lebendige Metapher, 13f. Die Begriffe »Dialektik«, »Organon« und »prima
philosophia« weisen alle auf das Gebiet der Logik hin.
C. Weiterführender Ausblick 239

Tatsache Rechnung getragen, dass in der aristotelischen rhetorischen Traditi-


on die drei sprachlichen »Überzeugungsmittel« (~jqoß, páqoß und lógoß)
nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern im Idealfall ein organisches
Ganzes bilden. Natürlich soll hier keinem »Panlogismus« das Wort geredet
werden. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die rhetorische Persuasion mit
unterschiedlichen sprachlichen Mitteln operiert und daher immer umfangrei-
cher ist als die rein logische Formulierung gültiger Schlüsse32. Doch Logik
und rhetorische Argumentation können aus antiker Sicht nicht sprachlich
voneinander abgelöst werden. Die gegenwärtig so reich florierende »rhetori-
sche Textanalyse« kann daher ihre Arbeit nicht mit der Klassifizierung
rhetorischer Tropen für beendet erklären (was sie leider häufig tut!), sondern
muss u.a. auch nach der Logik fragen, die bestimmten Schlussfolgerungen
zugrunde liegt.
Der exegetische Seitenblick auf die rhetorischen Fragestellungen heutiger Paulusauslegung
hat für die konkrete logische Analyse recht magere Ergebnisse erbracht. Positiv kann
vermerkt werden, dass die Textabschnitte, bei denen die logische Frage überhaupt lohnens-
wert erscheint, in jenen Zusammenhängen zu finden sind, die von der Rhetorik als probatio,
argumentatio oder refutatio bestimmt werden. Die Frage nach übergreifenden Genusbestim-
mungen hat sich für die Logik als irrelevant erwiesen. Weiterhin hat das Beispiel von 1Kor
15,12–19 gezeigt, dass die rhetorische Bestimmung der Argumentationsform als reductio ad
impossibile eine logische Analyse keineswegs obsolet macht. In der gegenwärtigen
Forschungslage fragt Rhetorik vorwiegend nach dem Wie eines Arguments und weniger nach
seiner logischen Gültigkeit. Die Logik hat aber ihren genuinen Platz innerhalb der Rhetorik
dort, wo es um das Finden von Argumenten geht (inventio), und nicht dort, wo es um die
konkrete Formulierung (elocutio) geht. Der Logik geht es letztlich um res, bzw. um die
dahinter operierenden Gesetzmäßigkeiten, und weniger um verba33.
Der weitere Bereich der Logik wäre idealiter ein Drittel dessen, was eine
Argumentation ausmacht34. Wie es im Falle des Paulus tatsächlich um das
»Mischungsverhältnis« dieser drei Überzeugungsmittel steht, müsste durch
weitere Untersuchungen geklärt werden35.

3. Logik und paulinische Theologie


Die in der aktuellen Paulusforschung kontrovers diskutierte Frage nach der
Kohärenz, Stringenz oder Mitte paulinischer Theologie wird von der logi-

32 Darin ist dem Urteil von D.L. STAMPS, Rhetorical Criticism of the New Testament:
Ancient and Modern Evaluations of Argumentation, in: S.E. Porter / D. Tombs (eds.),
Approaches to New Testament Study (JSNT.S 120; Sheffield, 1995) 168 beizupflichten: »The
persuasive nature of the New Testament is not limited to its logic or reason or the convincing
nature of its theological propositions.«
33 Vgl. zur Unterscheidung LAUSBERG, Handbuch, §454.
34 Eine Rhetorik ohne Logik ist entweder lächerlich oder geradewegs gefährlich.
35 Vgl. zu »Pathos« OLBRICHT / SUMNEY , Paul and »Pathos«; allzu knapp zu »Ethos«
und »Pathos« ist SIEGERT, Argumentation, 230f.
240 IV. Schlussbetrachtung

schen Frage indirekt berührt, denn logische Folgerichtigkeit darf als notwen-
dige Bedingung für Kohärenz betrachtet werden. Logische Analysen von
einzelnen zentralen Argumenten können wichtige Bausteine für den Entwurf
einer paulinischen Theologie liefern. So ist die logische Beziehung zwischen
Röm 2,13b und 3,20 zweifelsohne auch theologisch von Gewicht. Wenn die
Möglichkeit eines logischen Widerspruchs ins Auge gefasst wird36, dann ist
immer noch nicht deutlich, welche Folgen dies für die Bewertung der
paulinischen »Theologie« haben könnte. Die Folgerung, dass Paulus zu einer
widerspruchsfreien Argumentation selbst innerhalb eines geschlossenen
Gedankengangs nicht in der Lage sei, wäre aber m.E. verfrüht. Es ist ebenso
gut möglich, dass wir bei der Gesetzesthematik auf eine genuine Aporie
innerhalb der paulinischen Theologie stoßen37. Hier erweist sich die logische
Analyse als eine Art »Feuermelder« für die theologische Kohärenzbildung38.
Eine gewisse Konstanz ist in der Wahl der »axiomatischen« Sätze zu
beobachten39: Paulus argumentiert von den Schriften Israels her aus der
Perspektive des frühchristlichen Bekenntnisses zu Jesus als Messias. Auch
wenn es kein sachlich-theologisches Zentrum gäbe, auf das hin sich alle
theologischen Einsichten des Paulus systematisch anordnen ließen, gibt es
einen axiomatischen Fluchtpunkt, von dem aus Paulus immer wieder argu-
mentiert40.
Die Frage, ob es bei manchen paulinischen Themen nicht in der »Natur der
Sache« selbst liegen könnte, dass die logische Analyse versagt, vermag ich
deswegen nicht zu beantworten, weil ich mir nicht vorstellen kann, welche
Bedingungen erfüllt sein müssten, damit von einer Sache notwendigerweise
nicht stringent gesprochen werden könnte. Natürlich sind paulinische
Kreuzestheologie, die Vorstellung von einem »sühnenden« Austausch im Tod
Jesu oder auch Aussagen über Gott nicht logisch »deduzierbar«, aber sie

36 Der Begriff des »Widerspruchs«, der in der Exegese ebenso häufig wie unbedacht
gebraucht wird, bräuchte gerade angesichts der antiken Diskussion (s.o. S. 42ff) eine
terminologische Präzisierung.
37 Jedes »System« hat solche Reibungspunkte, nur gelingt es manchen besser als anderen,
diese zu verheimlichen.
38 Es wäre reizvoll, die Tatsache, dass sich gerade beim Thema nach der Funktion des
Gesetzes das größte logische »schwarze Loch« auftut, mit der Biographie des Paulus in
Verbindung zu bringen. Damit aber hätten wir das Gebiet der Logik weit hinter uns gelassen.
39 RITSCHL, Logik, 21 definiert »regulative Sätze« als: »die impliziten Axiome, mit denen
ein Mensch oder eine Gruppe (mit gemeinsamer Story) ausgestattet ist. Sie sorgen für
überprüfbares Denken und Sprechen und für geordnetes Handeln. Sie sind nicht unbedingt
und immer sprachlich ausformuliert.« Bereits LOHMEYER, Grundlagen, 7 weist dem Satz
»Niemand wird aus Gesetzeswerken gerecht« (Röm 3,20; Gal 2,16; vgl. Röm 3,28; Gal 3,11)
den »logischen Charakter eines Fundamentalsatzes« zu.
40 Ich spreche bewusst von »einem«, weil für Paulus die Schriften und das Bekenntnis
nicht zwei unterschiedliche Linien sind, sondern einen gemeinsamen Horizont abstecken (vgl.
den Bezug auf die Schrift im Bekenntnis von 1Kor 15,3–5).
C. Weiterführender Ausblick 241

stehen als Ausgangspunkt für Schlussfolgerungen nicht nur theologischer,


sondern auch ethischer Natur in logisch analysierbaren Zusammenhängen.
Die axiomatische Stellung von Röm 2,11 zeigt zudem paradigmatisch, dass
Paulus nicht auf Gott schließt, sondern von Gott her argumentiert.
Aus der Sicht der aristotelischen Logik gilt es zu bedenken, dass im kategorischen Syllogis-
mus nur Begriffe »mittlerer Allgemeinheit« Verwendung finden (s.o. S. 51). Der rhetorische
Syllogismus kann zudem noch mit Individualtermen operieren, aber Syllogismen mit
Kategorien oder allumfassenden Termen sind im aristotelischen System nicht vorgesehen.
Ein Beispiel mag die Gründe verdeutlichen: Wie könnte man auf einen Satz schließen der Art
»Der Gott Israels ist gnädig«? Ein aristotelischer Syllogismus müsste in etwa so aussehen:
»Götter sind gnädig. Der Gott Israels ist ein Gott. Also: Der Gott Israels ist gnädig.« Um auf
einen solchen Satz schließen zu können, müsste es eine Kategorie geben, zu der »Gott«
gehört. Nur von etwas Umfassenderem als »Gott« könnte auf »Gott« geschlossen werden.
Dies ist im Rahmen eines monotheistischen Denksystems unmöglich. Daraus wird deutlich,
dass Axiome über Gott nur induktiv aufgrund von Erfahrung gewonnen oder als autoritative
Überlieferungsstücke innerhalb einer religiösen Gemeinschaft übernommen werden können.
Die theologischen Aussagen der paulinischen Briefliteratur stellen m.E. eine fruchtbare
Grundlage für solche Überlegungen dar.
Man kann hier von einer theologischen Axiomatik reden41. Die Gotteslehre
wäre demnach nicht das Ergebnis logisch analysierbarer Schlussformen,
sondern deren Ausgangspunkt42.

41 Der Axiom-Begriff wird hier in jenem allgemeinen Sinne verwendet, wie er etwa auch
von Aristoteles (An. post. I 2,71b20ff) verwendet wird, als Bezeichnung für jene notwendig
wahren Sätze, die als »erste Sätze« unvermittelt einsichtig sind und als Grundlage für
Beweise dienen, ohne selbst bewiesen werden zu können (vgl. L. OEING-HANHOFF, Art.
Axiom, HWP 1 (1971) 737–748. In der modernen Wissenschaftstheorie sind Axiome
Konstituentene eines geschlossenen Systems, das vollständig und widerspruchsfrei ist (vgl. B.
BULDT, Art. System, axiomatisches, EPhW 4 (1996) 185–188).
42 J.D.G. DUNN , The Theology of Paul the Apostle (Edinburgh, 1998) 27–50 hat die
Axiomatik der paulinischen Gottesrede auf breiterer Basis, als dies hier möglich ist,
dargestellt. »God is the fundamental presupposition of Paul’s theology, the starting point of
his theologizing, the primary subtext of all his writing. […] The problem for us, however, is
that Paul’s convictions about God are all too axiomatic. Because they were axioms, Paul
never made much effort to expound them. They belong to the foundations of his theology and
so are largely hidden from view.« (28) Vgl. auch SCHNELLE, Paulus, 441: »Gott ist das
unhinterfragbare und zugleich alles bestimmende Axiom paulinischer Theologie, ihr
weltanschaulicher Ausgangspunkt.« (Hervorhebungen vom Autor) Logisch betrachtet müssen
diese Aussagen jedoch dahingehend präzisiert werden, dass Gott kein Axiom sein kann,
sondern nur wahrheitsdefinite Aussagen über Gott.
Literaturverzeichnis

A. Quellen

1. Antike und mittelalterliche Autoren


Abaelardus, Petrus (1079–1142):
− Exp. in Epist. ad Rom.: Expositio in Epistolam ad Romanos / Römerbriefkommentar.
Übers. u. eingeleitet von Rolf Peppermüller. 3 Bde. FC I 26/1–3; Freiburg u.a.: Herder,
2000.
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Transl. by Jonathan Barnes et al. London: Duckworth, 1991; On Aristotle Prior Analytics
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Aristeas-»Brief« (ca. 130–100):
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Register

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Genesis 17,7 181
18,5 140, 146, 152, 161,
1,9 100
196, 203
1,26f 182
18,22 187
2,9 178
19,15 195
12,3 138, 156
20,13 187
12,7 100
26,41 204
15,6 135f
17,1 100
Numeri
17,10ff 203
18,1 100 14 206
18,18 138, 156 14,10 100
19,1–28 176, 187 16,19 100
19,24 176 17,7 100
22,14 100 20,6 100
22,18 138 23,19 207
26,2 100 24,4.16 206
26,4 138 25,4 147
26,24 100
28,14 138 Deuteronomium
35,9 100
4,7f 206
44,7.17 206
4,12 178
48,3 100
4,15–18 182
5,8–10 202
Exodus
5,20 107
3,2 100 7,9 207
9,35 192 7,25f 202
15,22–16,36 206 9,27 192, 192
16,10 100 10,16 192, 204
18,20 141 10,17 195
20,4–6 202 21,22f 147f
20,16 107 21,23 140
33,20 178 23,17 187
34,6f 207 27,26 140, 142–144
28,53.55.57 194
Leviticus 28,58f 142
28,58 142
9,23 100
276 Register

29,3 192 Esther


29,9 142
11,8 (LXX) 194
30,6 204
30,10 142
Hiob
30,12 146
30,16 203 5,16 211
31,27 192 9,22f 173
32,35 175 20,18 107
32,43 139 20,28 193
21,30 193
Josua 34,19 195
36,18 177
10,26f 147
42,8 195
22,29 206
24,16 206
Psalmen
(zitiert nach LXX: Y 10–146 = MT 11–147)
Richter
5,10 210
6,12 100
7,12 173
13,3 100
9,9 173
9,28 210
1. Samuel (= LXX 1Bas)
13,1–3 210
16,7 199 13,3 211
18,49 139
2. Samuel (= LXX 2Bas) 20,2 170
30,7 107
21,6–9 147
32,4 207
22,50 139
32,17 170
34,24 173
1. Könige (= LXX 3 Bas)
35,2 210
3,5 100 35,7 173
9,2 100 39,11 173
16,2.13.26 181 40,9 201
18,21 206 50,6 207
50,16 173
2. Könige (= LXX 4 Bas) 53,3 170
57,11f 173
17,15 181
61,13 193, 193
63,12 211
1. Chronika
70,15 173
29,9 199 71,17 138
72,6 177
2. Chronika 78,38 142
82,2 195
1,7 100
89,2.6.9.15.25.34 207
3,1 100
94,2 208
7,12 100
96,13 208
11,15 181
97,2 173
19,7 195
105,20 182
28,1–5 183f
106,11 206
28,9 183
A. Quellen 277

107,42 211 42,6f 201


109,5 193 44,19f 185
117,1 139 45,21 173
117,15 170 46,13 173
118,29f 177 49,6 201
118,123 173 49,7 207
139,1f 199 51,5–8 173
139,4 210 51,7 198
139,8 170 52,5 202
139,23 199 56,1 173
142,2 212 59,4 107
143,10 201 59,7f 210
59,16–21 173
Proverbia (Sprüche) 59,17 173
62,1 173
1,16 210
63,1–3 173
6,19 107
63,1 173, 173
11,5 177
66,16 208
14,5.25 107
16,31f 173
Jeremia
17,25f 173
19,3 167 2,2–13 206
19,5.9 107 2,5 181
21,28 107 2,11 182
24,12 193 4,4 192, 204
24,28 107 7,20 194
25,18 107 9,23 200
9,24f 204
Canticum (Hoheslied) 17,10 199
21,5 194
2,12 100
31 (MT: 33) 198
31,33 (MT: 33,33) 204
Kohelet (Prediger)
38,3 (MT: 31,3) 100
7,20 210 51,6 194
10,20 198
Threni (Klagelieder)
Jesaja
1,12 193
5,16 173 2,1 193
6,10 192 2,21f.24 193
11,10 139
13,9 175, 193, 194 Hesekiel
13,13 175
21,36 183
19,21 178
23,28–30 185
26,14 105
29,7 200
26,19 104, 105
36,20 202
29,10 192
36,27 204
30,7 107
36,32 178
30,30 194
44,7.9 204
34,2 183
37,3 193
278 Register

Daniel Micha
8,19 175 1,14 107
9 143 3,11 200
9,16 173 7,18 177
12,2 194
Habakuk
Hosea
2,4 140, 145f, 171
2,19–23 207
4,1f 206 Zephanja
10,13 177
1,15.18 175, 193
12,1f 119
2,2f 173, 175
12,2 107
2,3 193
3,8 175
Joel
3,12 208 Maleachi
1,8 195

2. Zusätzliche Schriften der Septuaginta


Baruch 12,43 105
12,44 105
3,22.38 100
13,6 202
4,4 201
15,8 176
1. Makkabäer
3. Makkabäer
1,48.60f 203
3,29 197
2,46 203
2,52 140
4. Makkabäer
4,6 100
4,19 100 4,19 167
8,11 200 9,21 137
9,10 206 15,3 194
9,27 100
9,55 211 Sapientia Salomonis
2,12–15 201
2. Makkabäer
2,23 179, 179
1,3f 201 6,7 195
3,25 100 7,26 179
4,39.42 202 10,10 173
6,3 188 11,15f 182, 185
6,10 203 11,23 192
7,9 194 12–15 178
7,14b 105 12,2 192
8,20 176 12,10 192
9,2 202 12,20f 192
11,10 176 12,23–26 182
A. Quellen 279

13,1–9 180, 197 29,5 167


13,1 197 34,1 119
13,4 179 35,12f 195
13,5 179 37,19 201
13,10 182 39,8 200
15,1–3 191f 43,31 178
16,2 187 44,17 173
16,20 176 44,19–21 133
17,10 198 44,20 140
18,19 179 44,21 138
46,17f 176
Sirach
Tobit
5,2 184
5,4–7 192 3,2 173
16,10 192 4,5f 177
18,30 187 12,22 100
21,7 178

3. Neues Testament
Matthäusevangelium 27,18 (par) 183
27,26 183
3,9 133, 192
4,12 (par) 183
Markusevangelium
5,25 183
7,24–27 196 1,2 135
10,4 (par) 183 7,13 183
10,17.19 (par) 183 8,11 176
10,21 183 8,38 170
11,27 (par) 183 9,4 (par) 100
12,28 153 9,13 135
15,14 201 9,31 183
18,1 153 14,21 135
18,34 183 14,62 170
20,18f 183
22,32 (par) 102 Lukasevangelium
23,16.24 201
1,2 183
23,33 192
1,11 100
24,9f 183
2,23 135
25,14.20.22 183
2,35 171
26,2 183
3,7 (par) 192
26,15f 183
3,8 133
26,21 183
4,6 183
26,23–25 183
4,21 138
26,24 135
9,54 176
26,45 183
10,6 199
26,46.48 183
11,30 135
27,2 (par) 183
12,8 170
27,3f 183
280 Register

16,24 133 15,15 135


17,26.28 135 15,18 178
17,29 176 15,26.40 183
21,11 176 16,4 183
22,43 100 16,9 100
24,34 100 19,37 202
24,45–47 99 21,11 183
22,4 183
Johannesevangelium 23,3 200
27,1 183
1,20 170
28,17 183
1,23 135
28,22 178
3,14 135
5,27 199
Römerbrief
6,31 135
6,64.71 183 1,1–15 169f
7,24 200 1,1–4 171
8,15 200 1,3f 95
8,33f 133 1,4 104
8,33 192 1,5 168
12,4 183 1,6f 169
12,14 135 1,8 169
13,2.11.21 183 1,13f 168
18,2.5 183 1,13 168
18,15 178 1,16f 167, 170f, 172, 173
18,31 200 1,16 166, 168, 169, 194
18,35f 183 1,17f 173
19,11 183 1,17 135, 145, 166, 173,
19,16 183 175, 176, 178
19,36f 138 1,18–3,20 91, 166–228, 212–
214, 230f
Apostelgeschichte 1,18–32 166, 168, 171–189,
176, 182, 189f, 192,
1,19 178
195, 201, 208, 211,
2,14 178
212, 219, 220, 227
3,13 183
1,18–20 180
6,14 182, 183
1,18 166, 168, 172–177,
7,2 100
182, 183, 184, 185,
7,26 100
188, 189, 191, 193,
7,30 100
215f, 219, 220, 221,
7,40–42 184
222f, 228
7,42 135
1,19–32 168f, 172, 177, 180,
7,48 135
197, 224, 226, 229
8,3 183
1,19–23 218
8,35 138
1,19–21 177, 215, 223
10,45 137
1,19f 187, 216, 218
11,2 137
1,19 166, 177f, 183
12,4 183
1,20 166, 166, 167, 170,
13,28–31 99
178f, 190, 218, 224
13,31 100
1,21–23 180
14,26 183
A. Quellen 281

1,21f 218 2,13 146, 195f, 227f, 230,


1,21 180, 218 240
1,22f 182 2,14–16 224, 225, 226
1,23 166, 172, 181, 194 2,14f 168, 178, 203, 223
1,24f 182–185 2,14 196–198
1,24 167, 172, 176, 181, 2,15f 198f
184, 186, 188, 218f 2,15 196
1,25 166, 172, 177, 182, 2,16 204, 223, 225
191, 219 2,17–24 224
1,26f 186, 219 2,17–20 200f, 219, 224
1,26 166, 167, 172, 176, 2,17 166, 168, 189, 224
182, 184, 188, 197 2,20 177, 191, 201, 204
1,27 167, 176 2,21 219
1,28–31 187f 2,21–24 201f
1,28 166, 167, 172, 176, 2,21f 166
184 2,23 224
1,29–31 177, 188, 219 2,24 135, 168
1,29 177 2,25–29 223f, 225
1,32 168, 173, 188f, 190, 2,25–27 224
217, 218, 219 2,25f 202f
2,1ff 168, 169, 177, 189, 2,25 168, 225
195, 211, 220, 226 2,26–29 226
2,1–16 189–199, 201 2,26 135, 181, 224
2,1–11 189, 202 2,27 203f, 219, 224
2,1–3 224 2,27–29 201
2,1 166, 168, 179, 189, 2,28f 133, 168, 204, 225
190, 219, 220 3,1–20 205–212
2,2 190f, 217, 219, 220 3,1–9 208, 225f
2,2f 168, 209 3,1–8 220
2,3–5 220 3,1f 205f, 209
2,3f 191, 192 3,1 168, 209, 219
2,3 135 3,3f 206f
2,4 166 3,3 226
2,5f 168, 192f 3,4 135, 166
2,5 175, 221 3,5f 207f
2,6–11 194, 221f 3,5 166, 173, 175, 177,
2,6 196, 223 208
2,7–10 193f 3,6 208
2,7 211 3,7f 208f
2,8 137, 168, 175, 177, 3,7 191
191, 217, 218 3,8 190
2,9f 168, 195 3,9–18 226, 228
2,10 211, 226 3,9 167f, 169, 209, 217,
2,11 191, 196, 241 226
2,12–29 169 3,10–18 169, 210f, 226
2,12–24 202 3,10 135
2,12 168, 189, 195, 199, 3,13 147
217, 222f 3,19 166, 167, 169, 190,
2,13–16 223f 195, 211
2,13f 145
282 Register

3,20 167, 177, 196, 198, 9,7f 137


211f, 218, 225, 226– 9,7 137
228, 230, 240 9,13–16 136
3,21ff 167, 225f 9,13 135
3,21 173, 175, 178, 205 9,17 138
3,25 176 9,22 175
3,26 137 9,24 168
3,28 135, 198, 240 9,29 135, 137
3,29 168 9,33 135
4,1 137 10,5f 146
4,2 126 10,5 146
4,3f 135 10,11 138
4,3 138, 224 10,12 168, 168
4,4–6 135 10,15–17 136
4,5 176 10,15 135
4,8 135 11,1 137
4,9 135, 224 11,2 138
4,10f 135 11,7 209
4,12 137 11,8 135
4,13–25 135 11,13 196
4,13 137 11,15 237
4,14 137 11,24 237
4,15 175 11,25–27 207
4,16 137 11,25 151
4,17 135 11,26 135, 176
4,18 137 11,33 6
4,22f 135 12,19 175
4,22 190 13,2 190
4,24 135 13,4f 175
5,6 176 13,5 190
5,9 175 15,3 135
5,10 237 15,7 190
5,17 237 15,9–12 139
6,11 135 15,9 135, 196
6,15 209 15,21 135
6,19 208 15,22 190
6,23 188 16,10 137
7,6 204 16,11 137
7,7–23 144, 218
7,12 2 1. Korintherbrief
7,14 2, 190, 209
1,18 170
8,1 153
1,21 181
8,3f 218
1,22 168
8,7 177
1,23 148
8,11 114
1,24 168
8,22.28 190
1,31 135, 200
8,36 135
2,9 135
9–11 207
2,8 126
9,4ff 205
3,3 183
9,6 133, 137
A. Quellen 283

4,5 199 15,20 12, 99, 105, 114f


4,8 103 15,27 145
5,5 183 15,29 102
6,14 114 15,30–34 102
7,1 100 15,32 114, 208
7,19 203 15,35–58 102f, 104
7,25 100 15,51f 182
8–10 2 16,1.12 100
8,1 100 16,22 100
8,6.11b 100
9,1 171 2. Korintherbrief
9,8 208
1,6 194
9,21 195
3,6f 204
10,16 100
4,11 183
10,32 168
4,14 114
11,23–25 100
4,16 190
11,23 183
5,1ff 103
12–14 103
5,10 199
12,1 100
5,21 148
12,3 100
6,11 131
12,13 100, 168
6,16 135
13,1 103
7,9f 192
13,10 137
8,9 136
14,13–19 6
8,15 135
14,21 211
9,9 135
15 12, 95, 96–99, 101,
10,17 200
103, 104
11,22 137
15,1–11 95, 99f, 101, 102,
11,24 142
114, 115, 234
12,20 194
15,2 106
12,21 192
15,3–5 100, 119, 240
15,3 107, 108, 183
Galaterbrief
15,5–8 100
15,8 171 1,1–6,18 129f
15,10 106 1,6–9 133
15,12–20 14, 108–110, 123 1,6 139
15,12–19 91, 95–127, 225, 1,8f 140, 142
230f, 234, 239 1,11 131, 166
15,12 101–105, 115f 1,12 171
15,13–15 105–107, 113 1,16 171
15,13 114, 118 2,2 139
15,14 118f 2,6 195
15,15 119f, 154, 165 2,8f 139
15,16–19 107f 2,12 137, 139
15,16 114, 118, 120 2,13 156
15,17 112, 120 2,14f 139
15,18 102, 120 2,15–21 139, 161
15,19 120 2,15 147, 149, 191, 195, 197
15,20–58 99, 122, 234 2,16 131, 145, 149, 198,
15,20–28 103 212, 240
284 Register

2,20 183 4,6f 137


2,21 126, 166 4,7 139, 156, 157
3,1–5 131–133, 148, 162 4,8 197
3,1 2, 130, 131 4,10 133
3,2 145, 166, 198 4,16 156
3,5 134, 145, 166 4,20 182
3,6–14 91, 128–166, 227, 4,21 142
230f 4,22–31 137
3,6–13 148 4,23 137
3,6–9 142, 144 4,28 137
3,6–8 162 5,3 145, 203
3,6f 148–150, 153–155, 158 5,6 203
3,6 134–136 5,10 190, 198
3,7 136f, 165 5,11 148
3,8f 138–140, 150f, 155f, 5,18 142
165 5,20 194
3,8 231 6,12f 133
3,9 137, 156–158, 160
3,10–14 129 Epheserbrief
3,10–12 129, 140, 146, 229
2,3 175, 197
3,10 2, 137, 140–145, 147,
4,17–19 181
151, 158–160, 166
4,19 184
3,11f 143, 152, 161
5,2 183
3,11 140, 145f, 240
5,6 172, 175
3,12 140, 142, 146, 166,
5,25 183
196
6,9 195
3,13f 152, 162
3,13 6, 140, 143, 144
Philipperbrief
3,14 139, 148
3,15ff 148 1,10 201
3,15 208 1,16f 137
3,16 137 1,17 194
3,18 126 2,3 194
3,19–25 146 2,22 136
3,19 137 3,6 145
3,21 161 4,15 131
3,22 138, 142, 209 4,22 137
3,23–26 147
3,23 142 Kolosserbrief
3,24 139, 156, 157
3,6 172
3,25 142
3,8 175
3,26 138
3,11 168
3,28 168
3,25 195
3,29 137
4,12 137
3,21 126
3,26 137
1. Thessalonicherbrief
4,2 142
4,3 142 1,10 175
4,4f 142 2,16 175
4,5 147 5,9 175
A. Quellen 285

2. Thessalonicherbrief Jakobusbrief
1,7–10 199 1,20 173
1,22f.25 196
1. Timotheusbrief 2,20–26 135
2,23 135
1,9 176
3,7 197
1,20 183
3,14.16 194
6,7 145
4,11 196
2. Timotheusbrief
1. Johannesbrief
1,8.12.16 170
3,12 135
2,13 207
2,17f 103
1. Petrusbrief
3,5 201
4,1 199 1,17 200
2,23 183
Titusbrief 4,11 206
4,18 176
1,10 137
2. Petrusbrief
Philemonbrief
2,21 183
8 190
3,15f 3
Hebräerbrief
Judasbrief
1,12 182
3 183
2,11 170
15 176
3,7; 4,3.7; 5,6 135
5,12 206
Johannes-Apokalypse
10,38 145
11,16 170 11,19; 12,1.3 100
20,12f 200
22,12 199

4. Jüdische Schriften
Aristeas-»Brief« (EpArist) (syrische) Baruch-Apokalypse
139 185 21,13 108
152 187 21,20 192
48,22–24 200
Aristobul (in: Eusebius, Praepar. Evang.) 59,6 192
85,9 191
XIII,12,1 197
85,12 192
Assumptio Mosis
Esra-Apokalypse (4. Esra)
1,12f 180
6,55f 200
7,34 191
8,33 192
286 Register

8,60 181 Mischna


Mak 3,10–14 142
(äthiopischer) Henoch
2,1–5,4 197 Oden Salomos
45,3–6 199
11,19 173
50,4 192
91,7–9 176
Philo von Alexandria
(griechischer) Henoch De Abrahamo (Abr)
135 186
13,2 177
275f 197
276 197
Josephus
Legum allegoriae (All)
Antiquitates
I,60f 178
2,52 199
III,97–99 179
3,223 206
3,218 206 De confusione linguarum (Conf)
4,45 176 152 177
4,207 202 163 201
5,144–147 206
De congressu eruditionis (Congr)
6,212 173
18 25
7,328 173
58 204
7,346 178
16,264 173 De decalogo (Decal)
17,191 173 76–79 182
18,81 206 91 188
18,254f 173
De fuga et inventione (Fug)
20,34–38 203
118 199
20,45 144
20,218 206 Quod Deus sit immutabilis (Imm)
112 177
Bellum Iudaicum
135 199
2,135 173
2,163 103 De Josepho (Jos)
6,311–313 206 29 197
7,346 179
Legatio ad Gaium (LegGai)
Contra Apionem 162f 182
2,167 178
De migratione Abrahami (Migr)
2,210 142
85 204
92 204
Jubiläenbuch
139 204
1,23 204
De mutatione nominum (Mut)
4,32 185
158 138
5,15 195
15,25–28 203 De opificio mundi (Op)
23,24 195 3 197
24,30 175 34 138
69–71 179
A. Quellen 287

Quod omnis probus 1QM


46 197 18,7f 193
De posteritate Caini (Post) 1QpHab
173 140 8,1–3 146
11,13 204
De praemiis et poenis (Praem)
1 206 1QS
41–46 179 1,6 192
105 177 4,7 194
4,20 191
De somniis (Som)
5,4 192
I,65f.68f 178
5,8 144
De specialibus legibus (SpecLeg) 8,22f 144
I,20 179 9,23 201
I,214 177 11,9–14 207
I,235 199
4Q398
I,305 204
14 II,2f 141
II,50 186
14 II,7f 142
III,37–39.42 186
4QpNah
De vita contemplativa (VitCont)
3–4 I 6–8 148
25 206
11Q19
De vita Mosis
64,6–13 147f
II,65 179
II,158 176 11QMelch 199
CD
Psalmen Salomos
3,5.11 192
2,18 195 8,8.19 192
8,7 179 16,4–6 133
8,28 207 20,29f 191
13,7 192
13,8–10 192 Sibyllinische Orakel
15,4–6 192
3,8–35 178
15,8 191
3,594–600 187
15,13 192
3,704 193
17,1 200
Testament Abrahams (Rec. A)
Ps.-Philo, De Jona
10 176
4–5 §10–19 179f
13,5 199
32 §124 180
32–35 §125–135 180
Testament Hiobs
Ps.-Phokylides 43,13 191
192 187
Testamente der Zwölf Patriarchen
Qumranschriften Test. Gad 5,10 185
Test, Jos 3,8 186
1QH
Test. Lev 3,2 193
5,36 182
288 Register

Test. Lev 14,5 202 Test. Lev 15,1f 193

5. Aristoteles
An. post. I 27,43a22–24 52
I 27,43a25–43 51
I 1,71a1f 47
I 27,43b4 51
I 1,71a5–11 55
I 27,43b12f 51
I 2,71b17f 47
I 30,46a9f 32
I 2,71b20ff 47, 241
I 30,46a28–30 79
I 18,81a38–81b2 55
I 33,47b15ff 51
I 22,82b35–84b2 31
I 38,49a19 52
I 22,84a7–11 33
I 44,50a39–b2 73
I 24,86a22 31
I 44,50b1–2 80
I 32,88a19–30 31f
II 1,52b38–53b3 54
II 8,93a1–10,94a19 60
II 16,64b28–65a37 46
II 8,93a15 32
II 16,65a36f 32
II 19,100b3–5 56
II 23,68b9ff 32
II 23,68b13f 55
An. pr.
II 23,68b15ff 56
I 1,24a16–17 36, 41 II 23,68b28f 56
I 1,24a17 44 II 23,68b9–13 64
I 1,24a20–22 41 II 23,68b32–37 55
I 1,24a24f 48 II 24 70
I 1,24a24 48 II 24,68b38–69a19 70
I 1,24a30f 47 II 24,69a2f 70
I 1,24b12 48 II 27,70a3–6 69
I 1,24b14 78 II 27,70a7–9 71
I 1,24b16–18 36f II 27,70a10 68, 69
I 1,24b18–20 46 II 27,70a11–38 71
I 1,24b20–22 46 II 27,70a16ff 51
I 2,24b27–30 52 II 27,70a21.26f 51
I 2,24b27 51 II 27,70b1–6 71
I 2,25a1f 40f, 51
I 2,25a6.9 51 Cael.
I 4,25b30–26a2 52f
I 7,275b12 32
I 4,25b37ff 51
I 4,26a2 51
Cat.
I 4,26a9 52
I 4,26a25.36f 51 1,1a1–6 44
I 4,26b3 51 7,6a36f 42
I 4,26b6 51 9,11b8–15 78
I 5,27a14f 111 10,11b16–11,14a23 42
I 6,28b21 111 10,11b16–22 42
I 7,29b6 111 10,11b23–30 42
I 10,30b32–40 46f 10,11b31–12a25 42
I 23,41a22–26 110f 10,12a26–b5 42
I 23,41b1–3 53 10,12b5–25 42, 45
I 25,42a3f 55 10,12b14–13a35 42
A. Quellen 289

10,13a36–b35 42, 45 III 3,1005b23f 20


10,13b10–12 43 III 6,1011b13f 20
10,13b12–35 43 IV 2,1004b26 59
IV 29,1024b17–25 36
De An. V 10,1018a20ff 42
VI 1 78
I 1,402a–403a 78
VI 12,1037b8 80
X 3,1054a23ff 42
EE
X 4,1055a38ff 42
I 6,1217a17 80 X 7,1057a33f 42
II 6,1222b38 80
II 10,1227a10 80 MM
II 6,1201b25 80
EN
I1 78 Part. an.
I2 78
I1 78
I7 78
I 7,1098b3–5 56
Phys.
II 2 78
VI 1–7 78 I1 78
VI 3,1139b26.32 80
VI 3,1139b29–32 56 Rhet.
VII 1,1145b2–7 78
I 1,1354a1–1355b25 66f
I 1,1354a1–7 20
Int.
I 1,1354a14–18 66
1,16a3–18 34–36 I 1,1354a14–16 68
2,16a19–3,b25 37 I 1,1354a14 67
3,16b20f 36 I 1,1354a15 67
4,16a27 36 I 1,1354a21–24 67
4,16b33–17a6 36 I 1,1354b16–22 68
5,17a20–22 36, 40 I 1,1354b21f 66
6,17a26–7,18a12 44 I 1,1355a3–15 66
6,17a31–35 44 I 1,1355a7f 67
6,17a35–37 44 I2 67
7,17a36 41 I 2,1355b35–39 65
7,17a38–18a12 44 I 2,1356a1–28 64f
8,18a11f 45 I 2,1356b5–7 70
9,18a27–19b4 20 I 2,1356b9 64, 80
10,19b6f 41 I 2,1356b13–17 67f, 70
10,19b31 80 I 2,1356b16f 66
11,20b26 78, 79 I 2,1357a3–4.10–11 70
12,21b4 45 I 2,1357a10–24 70
14,23a32f 36 I 2,1357a13–15.22–36 68
I 2,1357a16–21 69
Met. I 2,1357a22–27 70
I 2,1357a30–34 69
I 1–2 78
I 2,1357a30 64
II 78
I 2,1357a32f 68, 69
III 3,1005b19f 19f
I 2,1357a34–b1 69
290 Register

I 2,1357b3–10 71 10,171a1–2 39
I 2,1357b10–21 71 11,171b3–172b8 59
I 2,1357b10–13 71 12,172b5 80
I 2,1357b14–16 71 12,172b27 80
I 2,1357b15 69 34,183b17–184b8 38f
I 2,1357b24f 80
I 2,1357b25–36 70, 70 Top.
I 2,1357b25 64
I 1,100a18–21 59
I 2,1357b26–30 70
I 1,100a22 32
I 2,1358a12–14 57
I 1,100a25–b23 68
I 3,1358a35–1359a29 96
I 1,100a25–27 46, 49
I 3,1359a7–10 68
I 1,100a27–101a23 47
I 4,1359b9–11 65
I 1,100a27–29 47
I 8,1365b27 36
I 1,100a29f 32, 48
I 9,1368a29–33 70
I 1,100a30–100b21 48
II 1,1377b20ff 65
I 1,100b21–23 48
II 2–14 67
I 1,100b23–26 49, 59
II 18,1392a1–4 70
I 1,101a3f 49
II 20,1393a23f 70
I 2,101a26–28 59
II 20,1393a25ff 70
I 2,101b4 32
II 20,1393a27f 70
I 4,101b24f 60
II 20,1393a29f 70
I 4,101b26–36 58
II 20,1393b3–8 70
I 4,101b30f 60
II 20,1394a3f 70
I 4,101b32f 58
II 21,1394a26–28 70
I 5,101b38–102a17 61
II 21,1394a29–34 69
I 5,101b38 60
II 21,1394b8–16 70
I 5,102a18–30 61
II 22,1395b20–24,1402a29 64
I 5,102a18f 60
II 22,1395b25–27 69, 70
I 5,102a31–102b3 61
II 22,1396b30 57
I 5,102a31f 61
II 22,1397a7 57
I 5,102a34 61
II 24,1401b10–13.20–22 69
I 5,102b4–26 61
II 25,1402b13f 69
I 5,102b4–7 61
II 25,1402b14–16 69
I 5,102b20–26 61
II 25,1402b15f 68
I 10,104a3–11,105a9 58
II 25,1402b16–18 70, 70
I 10,104a8–11 48
II 25,1402b34f 70
I 10,104a9f 48
II 25,1403a5.12 64, 80
I 11,104b7f 58
II 26,1403a17f 57
I 12,105a13f 55
III 17,1418a1–2 70
I 12,105a14–16 55
I 12,105a16–19 56
Soph. el.
I 13–18 62f
1,164a20 80 I 13,105a20–25 62
1,165a1f 46 I 14,105a34–105b3 48
1,165a7 35 I 14,105b16 62
2,165a38–b11 47 I 14,105b20f 62, 78
2,165b9 80 I 14,105b30f 62
5,167a23–27 44 I 17,108a7–18,108b31 55
10,170b12–14 39 I 18,108a23 58, 77
A. Quellen 291

II 2,109b13–29 124 VII 5,155a36f 57


II 2,109b18f 42 VIII 58
II 3,110a23–110b7 125 VIII 1,155b5f 59
II 4,111b17–23 124f VIII 1,155b10f 59
II 5 80, 125 VIII 5,159a25–b35 47
II 8,113b15–114a25 42 VIII 11,162a11 80
II 8,113b15 42 VIII 13,162b31–163a13 46
V 1,128b34–129a5 61 VIII 13,162b32 80
VI 6,143b3–10 62 VIII 14,163b3f 59
VII 60 VIII 14,163b9 77
VII 3,153a24f 79

6. Weitere antike pagane Autoren


Alexander von Aphrodisias V,12 74
In An. Pr. Comm. Orator
1,3–6,14 31 32,113f 65
69,26–70,21 73 32,114f 87
124,8–13 73
Part. Orat.
326,22–25 73
13,46 66
389,31–390,9 73
Top.
Boethius 1,3 72
2,7 57
Cic. Top. 355–358 86
13,55 67
In Cat. Arist. IV 42, 72
12,53–14,57 86
Cicero Tuscul. disput.
I 29,70 178
Acad.
IV 14,33 31
2,119 74
IV 20,45 199
2,143 81, 83
Catil Curtius Rufus
II,6,13 199
Hist VI,10,14 199
De legibus
I,6,18 197 Dio Chrysostomus
De Orat. orat. 33–34 24
II,121 66
II,115 66 Diodorus Siculus
II,128 66
IV,65,7 199
II,152 76
II,160 76
Diogenes Laertios
II,310 66
V1 27
Fin.
V 22–27 74, 77
I,22 31
V 42–50 29
III,10 76
VI 65 82
IV,9 87
VII 29
292 Register

VII 41.43 32 217 86


VII 45 84 225 81
VII 57 38 252 87
VII 65 83 476 38
VII 71 82 696 83
VII 75 84 874 82
VII 79 85 878 38
VII 80f 85 914 81, 82
VII 180 88 915 81
VII 187 49 952 81
VII 189–202 87 1036 85
IX 13 3 1037 84
1119 86
Dionysius Halic. 1131 85
1138 86
Lys. 19,1–4 66
1140 86
1152 86
Epiktet
1153 86
Diss. 1212 82
I,4,6–9 90 1244–1246 49
I,4,11f 90
I,7 89f Fronto, De eloq.
I,7,5–12 25 (A: van den Hout; B: Haines)
I,7,32 89
2,13 (A) = 1,14 (B) 88
I,8,1–3 90
2,14f (A) = 1,15f (B) 88
I,17,22–24 90
2,17 (A) = 1,18b (B) 88
I,26,9 90
4,5 (A) = 3,4 (B) 88
II,13,21 25
5,4f (A) = 4,3f (B) 88
II,19,8–10 90
II,20,2f 90
Galen
II,23,41 90
II,25 90 Inst. Log.
III,2,1–4 90 3,3–5 73
III,2,6 90 5,3f 86
III,2,7 90 6,7 86
III,6,1-3 25 15,1–11 86
IV,1,61 90
De libri propriis
Ench 11 81
52 90
Heraklit
Fragmente zur Dialektik der Stoiker (FDS)
Ep. 1,1 3
1–26 32
15 32 Julian, C. Gal
33–43 33
100A 3
33 32
106B 3
38 65, 87
319E 2
67 37f
154 88
194 87
A. Quellen 293

Livius Ps.-Plutarch
XXXIII,28,14 199 De plac. philos.
874E (= FDS 15) 32
Lukian
Porphyrius
Amores 28 187
Dialog. meret. 5,2 187 Vit. Plot. 24 77

Marc Aurel Rhetorica ad Herennium


I,17,22 88 1,2 96
VII,67,3 88 2,1 96
VIII,1,5 88
Quintilian, Inst.
Minukianos
I,10 24
Epich. 1 66 III,4,3f 97
III,5,2 66
Platon V, pr. 1; 8,3 66
V,10 237
Apologie 27d.e 111
V,10,1 67
Soph. 253b.c 58
V,10,20 57
Tim. 28a–30c 178
V,11,6 70
Tim. 32a–35a 178
V,13,46 199
Theaithetos 164a.b 111
VIII, pr. 7 66
VIII,5,9 67
Plinius, d. Jüngere
IX,2,4; 4,4 66
Ep I,5,8 199 X,1,119; 2,27 66
XI,1,6 66
Plutarch XII,2,11; 10,43.59 66
De Stoic. repugn.
Seneca
9,1035C 197
24,1045F–1046A 86 Ep.
I 12,9 199
Lycurgus
V 43,4 199
18 187
V 43,5 199
Mor. V 45 88
398A 179 V 45,8 89
665A 179 V 45,10 89, 89
V 45,13 88
Polybius V 48,6f 89, 89, 89
V 49,5 89
XII 12,10 179
V 49,6 78
V 49,7 88
Ps.-Aristoteles, De Mundo
IX 87,11–41 89
VI 339b,14ff 179 X 82,8f.19 89
VI 397b–398b 178 XVII–XVIII 105,8 199
XIX–XX 113,25f 89
XIX–XX 122,14 199
294 Register

De Ben. Pyrrhoniae Institutiones


III,1,4 199 II 29
II,104 38
Sextus Empiricus
Strabo
Advers. Math.
VIII 29 Geogr. XIV,5,13 24
VIII,11f 37f
VIII,224–227 85

7. Antike christliche Autoren


Abaelard In Ep. Gal. Com.
3,1 130f
Exp. in Epist. ad Rom
2,1 220 Laud.
5 5
Apokalypse Petri
Justin
32 187
Dialog mit Tryphon
Augustin 80,4 102
94,5–95,1 142
Contra litteras Petiliani
III, 46(55)–47(57) 113
Makarius Magnes
De Doctrina Christiana
Apokritikos (Ps.-Porphyrius)
II 31(49),119–32(50),121 113
III, 33 2
II,31(49),119f 106
III, 35 1
II,32(50),121 8
Origenes
Epistulae Senecae ad Paulum
Comm. in Ep. ad Rom.
Ep. 9 4
I praefatio 3f
Ep. 13 4
C. Cels
Ignatius I4 198
Eph 6,1 145 Philoc.
9,3 4, 227
Johannes Chrysostomus
Photios
Hom in 2 Cor.
21,4 5 Quaestiones ad Amphiliochium
92 6

B. Autoren und Autorinnen


Abitbol, M. 236 Adrados, F.R. 167
Achtemeier, P.J. 3 Albrecht, C. 10
Ackrill, J.L. 39, 79 Aletti, J.-N. 95, 98, 189
B. Autoren und Autorinnen 295

Allo, E.-B. 108 Börner-Klein, D. 237


Anderson, R.D. 96, 97, 98, 129, 130, 167 Bornkamm, G. 171, 176, 196, 197
Arnauld, A. 16 Bosman, P. 190
Asher, J.R. 102, 122 Bouillard, H. 11
Aune, D.E. 14 Boyarin, D. 128, 129, 143, 144
Avemarie, F. 135, 184 Brandis, C.A. 78
Ax, W. 34, 36, 87 Braun, H. 107, 112, 113
Ayers, R.H. 8 Brinsmead, B.H. 130
Brondos, D. 147
Baasland, E. 6 Bruce, F.F. 134, 137, 138, 143, 144, 165
Bachmann, M. 14, 19, 95, 99, 104, 105, Brun, G. 92
108, 109, 110, 112, 113, 117, 122, Brunschwig, J. 67
123, 141 Bryant, R.A. 129
Bachmann, Ph. 107, 108 Bucher, T.G. 8, 11, 14, 15, 16, 19, 22,
Baldassarri, M. 29 40, 67, 90, 95, 108, 109, 110, 112,
Barclay, J.M.G. 133, 200, 203 113, 114, 115, 117, 121, 122, 123, 216
Barnes, J. 27, 33, 34, 38, 41, 47, 72, 73, Buddensiek, F. 28, 39
74, 80, 81, 83, 84, 85, 87, 88, 89, 90 Bühler, A. 16
Barr, J. 197 Buldt, B. 241
Barrett, C.K. 107, 108, 134, 135, 140 Bultmann, R. 6, 178, 190, 199, 208, 232
Barth, K. 10, 11, 95, 125 Bünker, M. 96, 97, 99, 112
Basevi, C. 171, 174 Burnyeat, M.F. 47, 63, 67, 68, 69
Bassler, J.M. 189, 195, 221 Burton, E.D.W. 133, 134, 143
Bauer, C.L. 12, 134, 154, 161 Byrne, B. 143
Bayer, K. 7, 16
Becker, A. 38 Campbell, D.A. 168, 171
Becker, J. 134, 140, 143, 164 Campbell, W.S. 205
Bell, R.H. 171, 172, 175, 177, 178, 189, Carras, G.P. 189
196, 200, 205 Chance, J.B. 154
Berger, K. 110, 133, 147, 193 Christes, J. 24
Berka, K. 15 Classen, C.J. 96, 130
Berkley, T.W. 200 Cohen, R.E. 235
Betz, H.D. 128, 129, 130, 131, 134, 135, Colish, M.L. 90
136, 137, 139, 140, 143, 144, 145, Collins, J.J. 197, 203
146, 147, 151, 157, 158, 160, 161 Conzelmann, H. 95, 105, 107, 108, 112,
Bindemann, W. 168, 189 114, 126, 174
Binder, H. 95 Cooper, J.M. 66, 67
Black, D.L. 28, 64 Cosgrove, C.H. 205
Blaschke, A. 203 Cranfield, C.E.B. 141, 172, 173, 174,
Blau, U. 20 178, 179, 185, 196, 197, 199
Bobzien, S. 27, 33, 34, 38, 72, 80, 81, Cranford, M. 128, 141, 143, 144, 145,
83, 84, 85 159, 160
Bochenski, J.M. 11, 27, 29, 31, 39, 42, Cribiore, R. 24
72, 73, 81, 83
Bockmuehl, M.N.A. 171, 178, 197 Dahl, N.A. 147
Boer, M.C. de 104 Dalferth, I.U. 10
Bonitz, H. 32 Dassmann, E. 3
Bonnard, P.E. 134, 140, 144 Debanné, M.J. 14
Bonneau, N. 128, 129, 130, 140, 141, Denniston, J.D. 153
143, 144 DePalma Digeser, E. 2
296 Register

Derrett, J.D.M. 202 Gabriel, G. 63


Dieter, T. 9 Gale, H.M. 6
Dodd, C.H. 198 Garlington, D.B. 128, 202
Donaldson, T.L. 128, 147 Gathercole, S.J. 189
Donelson, L.R. 14 Gerth, B. 153
Döring, K. 80, 81 Gigon, O. 72
Dörrie, H. 72 Goppelt, L. 200
du Toit, A.B. 24 Gräbe, P.J. 181
Dunn, J.D.G. 128, 134, 141, 143, 144, Graeser, A. 29, 38, 73, 81
145, 160, 169, 174, 176, 177, 178, Greive, H. 72
182, 184, 227, 228, 241 Grimaldi, W.M.A. 63, 65, 66
Düring, I. 27, 28, 34, 37, 39, 46, 55, 57, Groneberg, M. 20
58, 60, 77, 78, 79 Grosvenor, M. 174

Ebbinghaus, K. 38 Haacker, K. 23, 175, 187, 189


Ebeling, G. 131, 139 Haaland, G. 197
Ebert, Th. 29, 39, 80, 81 Habermann, J. 236, 237
Eckstein, H.-J. 128, 134, 136, 137, 138, Hagenbichler, E. 165
139, 143, 160, 171, 174, 175, 176, Hager, F.-P. 38
189, 198, 230 Hall, D.R. 205
Egli, U. 80 Hall, R.G. 130
Engberg-Pedersen, T. 26, 90 Hamerton-Kelly, R.G. 160
Englebretsen, G. 36, 41 Hanse, H. 145
Eriksson, A. 96, 98, 100, 106 Hansen, G.W. 128, 133, 134, 143, 154
Espy, J.M. 145 Harl, M. 4
Harnack, A. (von) 1, 134, 246
Fanning, B.M. 180 Hasler, V. 110
Fee, G.D. 100, 101, 107, 108, 122 Hays, R.B. 128, 134, 137, 146, 165, 205
Fenske, W. 1, 6, 12, 14, 88 Headlam, A.C. 202
Feuillet, A. 205 Heckel, U. 169
Fiedler, P. 177 Heffening, W. 72
Fisher, A. 16 Heiligenthal, R. 141, 193
Fitzmyer, J.A. 134, 147, 170, 173, 174, Heine, R.E. 8, 90
176, 177, 179, 181, 182, 184, 190, Heinrici, C.F.G. 98, 99
194, 195, 196, 197, 199, 202, 209, 210 Hellholm, D. 14, 167
Flashar, H. 27, 49, 57, 58, 59, 60, 77, 78 Hengel, M. 23, 24, 203
Fohrer, G. 137 Héring, J. 110
Føllesdal, D. 7, 66 Hester, J.D. 130, 238
Forschner, M. 187, 188, 197 Hock, R.F. 24, 25
Fortenbaugh, W.W. 29, 73 Höffe, O. 27, 40, 48, 50, 52, 57, 77, 78
Foucault, M. 186 Hoffmann, F. 9
Frank, G. 9 Hoffmann, P. 104
Frede, M. 80, 81, 82, 83, 87, 89, 184 Hofius, O. 104, 205, 207, 210
Fredrickson, D.E. 186 Holleman, J. 95, 110
Frege, G. 12, 15, 16, 51, 52, 72 Holloway, P.A. 14
Fried, J. 64 Holtz, T. 171
Friedrich, G. 138 Hong, I.-G. 128, 134, 143, 144, 147
Fritz, K.v. 55 Hooker, M.D. 178, 182
Fung, R.Y.K. 139, 143 Horn, F.W. 203
Horsley, R.A. 197
B. Autoren und Autorinnen 297

Hotze, G. 13 Kuss, O. 174, 196


Hoyningen-Huene, P. 15, 17, 19, 22
Hübner, H. 143, 210 Lambrecht, J. 128, 139, 143, 161
Huby, P.M. 78 Lampe, P. 14, 128, 129, 144, 146, 159,
Hughes, F.W. 96 160, 161, 162, 165, 229, 230
Hülser, K. 29, 80, 81 Lang, F.G 115
Hyldahl, N. 182 Lang, F.G. 103
Lausberg, H. 7, 166, 239
Ierodiakonou, K. 27, 80 Lear, J. 38, 50, 51
Instone Brewer, D. 237 Lee, T.-S. 29
Ito, A. 196 Lehmann, K. 99
Leisegang, H. 12
Jacobs, L. 236, 237 Lewandowski, Th. 118
Jaeger, W.W. 78 Lewis, S.M. 106
Jeffner, A. 11 Lichtenberg, H.-G. 16
Jegher-Bucher, V. 129 Lietzmann, H. 4, 134, 143, 165, 174, 190
Jeremias, J. 105, 209 Lightfoot, J.B. 134, 136
Jervell, J. 206 Lindemann, A. 3, 101, 102, 105, 106,
Jewett 167 107, 108, 110
Jones, H.O. 11 Lindgren, U. 24
Litfin, D. 96
Kampen, J. 141 Lohse, E. 137, 176, 179, 180, 190, 197,
Kant, I. 18, 40, 53 209
Kapp, E. 27, 32, 34, 48, 59 Longenecker, R.N. 130, 131, 133, 134,
Käsemann, E. 169, 174, 190, 198, 199, 136, 139, 142, 143, 147, 148, 154
205 Lorenz, K. 20, 27, 84
Keck, L.E. 205 Löwy, M. 144
Keller, W. 207 Lührmann, D. 165
Kennedy, G.A. 25, 238 Lukasiewicz, J. 19, 38, 40, 50, 53, 86
Kertelge, K. 136, 139, 146, 172, 174, Luz, U. 114, 131, 139, 143, 144, 166,
178 184, 205, 209, 231
Khoury, A.-T. 72 Lyonnet, S. 200
Klauck, H.-J. 96, 98, 130 Lyons, G. 103, 133
Klein, G. 169
Klein, W. 7 Maccoby, H. 237
Kloppenborg, J.S. 99 Mack, B.L. 97, 108
Klostermann, E. 171, 172, 185 Macquarrie, J. 10, 232, 235
Kluxen, W. 72 Maertens, P. 189
Kneale, W. & M. 9, 27, 39, 83, 111, 113 Maier, H. 38
Koch, D.-A. 134, 135, 210 Malherbe, A.J. 24, 206
Konradt, M. 128, 133, 134, 173, 174, Man, P. de 63
175, 177, 184, 185, 188, 193, 195, 196 Marcus, J. 203
Kraemer, J.L. 236 Martens, J.W. 189, 196, 197
Kraus, M. 63, 67, 68, 69 Martin, J. 7, 65, 66, 70, 111, 196
Kreiser, L. 15 Martyn, J.L. 134, 135, 136, 137, 139,
Kremendahl, D. 24, 96, 129, 130 140, 151, 155
Kropac, U. 10 Matuschek, S. 111
Kühner, R. 153 Mau, J. 30
Kuhr, F. 196, 197 Maurer, C. 6
Kuropka, N. 9
298 Register

Mayordomo Marín, M. 6, 22, 23, 26, 78, Pesch, W. 174, 176


177 Petrus, K. 57
Menne, A. 38, 39, 40, 41 Piper, J.F. 205, 208
Merklein, H. 6 Plummer, A. 99, 102, 105, 107, 108,
Metzger, B.M. 134 110, 115
Michel, O. 103, 174, 177, 190 Pogoloff, S.M. 96
Mignucci, M. 27, 33, 34, 38, 72, 81, 83, Pohlenz, M. 188, 197
84, 85 Popkes, W. 171, 181, 183, 185, 212
Mitchell, M.M. 5, 96, 97 Porter, C.L. 168, 171
Molendijk, A.L. 10 Porter, S.E. 96, 180
Moore, G.F. 129, 144 Prantl, C. 27, 53, 73, 86
Moores, J.D. 13, 214 Primavesi, O. 39, 46, 47, 48, 57, 58, 59,
Moraux, P. 72, 74, 75, 76, 77, 88 60
Morgan, T. 24 Probst, H. 96
Morland, K.A. 128, 129, 134, 142, 150,
157, 159, 161, 162 Radl, W. 134
Moscovitz, L. 237 Rahlfs, A. 211
Mueller, I. 87 Räisänen, H. 143, 166, 196, 205
Mühling-Schlapkohl, M. 8, 11, 14 Raymond, J.C. 70
Müller, H. 237 Read, S. 16, 19, 156
Müller, P.-G. 178 Rechenauer, G. 24
Mussner, F. 129, 131, 132, 143, 144, Reicke, B. 197
145, 150 Reinbold, W. 128, 136, 142, 144, 154,
158, 160, 165
Nagel, T. 20 Renshaw, J. 14
Neuhaus, F. 233, 234, 235 Rescher, N. 111
Neusner, J. 236 Ricœur, P. 63, 238
Neyrey, J.H. 24 Risse, W. 31, 32
Nietzsche, F. 26 Ritschl, D. 11, 232, 240
Nock, A.D. 4, 231 Robertson, A. 99, 102, 105, 107, 108,
Nolting, T. 23 110, 115
Norden, E. 1, 4, 98, 197 Rohde, J. 139, 143
Noth, M. 143 Ross, W.D. 53, 55, 56
Nutton, V. 30 Runia, D.T. 72
Nygren, A. 232, 233
Sabugal, S. 104
O’Neil, E. 25 Sainsbury, R.M. 92
Oeing-Hanhoff, L. 241 Salmon, W.C. 16, 111
Oepke, A. 107, 143 Samely, A. 237
Öffenberger, N. 39, 40 Sanday, W. 202
Olbricht, T.H. 239 Sandbach, F.H. 87
Opelt, I. 132 Sanders, E.P. 128, 129, 143, 144
Osborn, E. 8 Sänger, D. 147, 205
Saw, I. 96
Pannenberg, W. 11 Schäfer, R. 72
Patterson, R. 39 Schärtl, T. 10
Patzig, G. 16, 38, 40, 46, 50, 52, 53, 111 Scheffler, U. 233, 234, 235
Paul, G. 20 Schenke, H.-M. 173, 174
Pelser, G.M.M. 128, 134, 136, 144, 154 Scherb, J.L. 92
Perelman, C. 7 Schlatter, A. 110, 177
B. Autoren und Autorinnen 299

Schleiermacher, F.D.E. 10 Stendahl, K. 145


Schlier, H. 131, 134, 139, 140, 144, 190 Stenger, W. 110
Schmeller, T. 6, 24, 26, 166, 171, 172, Stich, S.P. 17
176, 185, 188, 189, 190, 191, 193, 222 Stock, E. 10, 14
Schmithals, W. 101 Stowers, S.K. 6, 24, 189, 195, 205
Schnackenburg, R. 198 Strecker, G. 23
Schneider, E. 236 Stuhlmacher, P. 138, 172, 173, 174
Schneider, N. 6 Sumney, J.L. 239
Schnelle, U. 24, 241
Schoeps, H.-J. 128, 129, 143 Thiel, C. 45, 111
Scholz, H. 10, 11, 235 Thiselton, A.C. 95, 98, 102, 103, 105,
Schoon-Janssen, J. 130 107, 108, 115, 123
Schrage, W. 95, 98, 99, 101, 102, 105, Thom, P. 39
106, 107, 108, 110, 112, 113, 115 Tomson, P.J. 187
Schreiner, T.R. 141, 159 Tuckett, C.M. 95, 102, 103
Schröder, B.-J. 132 Tugendhat, E. 16, 34, 45
Schroeder, P. 20
Schröer, H. 11, 232 Ulmer, R. 189
Schröter, J. 173 Ulrich, H.G. 11
Schulz, S. 171, 172, 212 Ulrichsen, J.H. 103
Schüssler Fiorenza, E. 96
Schwarz, A. 235, 237 van Unnik, W.C. 24
Schweinfurth-Walla, S. 63, 70 Vegge, T. 24, 25, 26
Schweizer, E. 137 Verburg, W. 107
Scott, J.M. 128, 142, 143 Vollenweider, S. 114
Seely, D.R. 204 Volp, U. 1, 2
Seifrid, M.A. 136 Vos, J.S. 6, 95, 102, 108, 113
Sellin, G. 95, 101, 102, 103, 104, 114 Vouga, F. 130, 133, 134, 161
Sharples, R.W. 29
Shramko, Y. 233, 234, 235 Walter, N. 169
Sieffert, F. 136, 139, 140, 143, 160 Wanamaker, C.A. 96
Siegert, F. 1, 6, 7, 21, 110, 166, 188, Waszink, J.H. 72
209, 222, 232, 237, 239 Watson, D.F. 97, 238
Sion, A. 235, 237 Watson, N.M. 193
Slomkowski, P. 58, 59 Wedderburn, A.J.M. 102, 103, 180, 182
Smit, J. 129, 130 Weidemann, H. 28
Smith, R. 38, 49, 57, 59, 60, 61 Weil, E. 79
Snodgrass, K.R. 189, 193 Weiß, J. 108, 110, 112, 238
Solmsen, F. 38, 67, 78 Whitsett, C.G. 189
Sorabji, R. 29 Widmann, P. 10
Spanje, T.E. van 14 Wieser, F.E. 133
Speca, A. 80 Wilckens, U. 169, 170, 172, 173, 174,
Spörlein, B. 95, 103, 110, 112 177, 190, 193, 212
Sprute, J. 63, 65, 67, 69, 71 Wilcox, M. 147
Stamps, D.L. 239 Williams, S.K. 134, 142, 160
Stanley, C.D. 128, 131, 136, 142, 143, Wisdom, J.R. 135, 142
144, 161 Wisse, J. 66
Stanton, G. 143 Witherington, B. 95, 98, 99, 102, 103,
Starnitzke, D. 14 125
Steinmetz, P. 25, 37, 81, 82 Wolf, U. 16, 34, 45
300 Register

Wolff, C. 101, 107, 108, 115 Zedda, S. 174


Wonneberger, R. 6 Zekl, H.G. 28, 31, 58, 61, 72, 124, 125
Wörner, M.H. 63 Zeller, D. 184, 198
Wright, N.T. 128, 143, 189 Zerwick, M. 174
Wuellner, W. 23, 167 Ziegler, K. 5
Wyss, B. 6 Zimmer, Chr. 95, 108, 109, 122
Zimmermann, M. 30
Yinger, K.L. 189, 193, 194
Young, N.H. 128

C. Griechische Begriffe
a˙tiáomai 167 logik´j, logikóß 31f
halássw 182435 lógoß 64170
analutikóß 3121, 33 méqodoß 59
haph ohuranoü 175f ‘onoma 36f
hapófasiß (hapófansiß) 3637 ‘orexiß 187
‘ara 136, 153f “oroß 3638, 4674
dialektik´j 32f páqjma 3632
dikaiosúnj qeoü 172f, 208568 paradídwmi 183f, 185448
dikaiów 196509 Hr¨jma 36f
dialektik´j 32f sullogismóß 46f
dió 190474 tíqjmi / keïmai 4673
‘eqnj 169354 tópoß 57
‘endoxa 48, 62, 69192 Hupò katáran 142f
hepagwg´j 55 cr¨jsiß 186457
‘erga nómou 141 “wste 156
Óerosuléw 202539 ‘wfqj 10039
kaq´wß 134f

D. Sachen und Namen


Abaelard 833 Auferstehung Jesu / der Toten 95ff
afortiori-Schluss 237 Augustin 8
Akzidenz 61 Aussage 17, 36–38, 82–84
Alexander von Aphrodisias 29 – disjunktive Aussage 82f
Analytik 50–56 – implikative Aussage 82f
Andronikos von Rhodos 76f – konjunktive Aussage 82f
Apuleius von Madaura 30, 45 – universale / partikuläre Aussage 41
Argumentation 7 (s.a. Logik und Axiom 241
Argumentation)
Aristoteles 15f, 27f, (s.a. Logik, Barth, K. 10
aristotelische) Bauer, C.L. 12
Aristoteles-Kommentare 2911 Bildung, antike 24–26
Aristotetelismus 72, 74–77 Bochenski, J.M. 11
D. Sachen und Namen 301

Boethius 833, 45, 72 – Autarkie der Logik 26


Bucher-Bachmann-Kontroverse 14, 108– – Bedeutung 30–33
110 – deontische Logik 1780
– Formalisierung 18f, 91–94, 233f
Clemens Alexandrinus 832 – indische Logik 272
Chrysipp 29f, 81, 86–88 – Klassische Logik 15–20
Cicero 76 – Logik und Argumentation 16, 1883, 21,
contingentia futuri 2019 49, 58, 84–86
– Logik und Paulusexegese 12–15, 1987,
Definition 60f 20–26, 123, 164–166, 228–232
Dialektik 48, 57–59 – Logik und Rhetorik 2093, 24f, 47, 63–
Duns Scotus 833 71, 238f
– Logik und Sprache 15f, 93f, 229f
Enthymem 13f, 48, 63–71, 154, 223618 – Logik und Theologie 8–15, 51100,
Enzyklopädie 619 218607, 232–235
Epiktet 89f – logische Gültigkeit 16, 22, 94, 233
Ethos 100 (s.a. Überzeugungsmittel) – mehrwertige Logik 2019
exemplum, s. Pardeigma – Modallogik 1780, 40f, 83f, 227, 231
– rabbinische Logik 235–237
Frege, G. 1255, 15f, 51101 – stoische Logik 25f, 34, 37f, 80–90
– Term- oder Prädikatenlogik 33f
Galen 30 – Universalität der Logik 2093
Gattung 61 Luther, Martin 9
Gegensatz, konträr und kontradikto-
risch 42–45, 140, 158f, 181f, 194 Macquarrie, J. 232
(s.a. Quadrat, logisches) Maimonides, M. 236
Gesetz, s. Torah Marc Aurel 88
Gott, Gotteserkenntnis 51100, 178–181, Makarius Magnes 1f
197f, 241 Mehrdeutigkeit 62 (s.a. homonym)
Melanchthon 9
Historische Fragestellung 21f modus ponens 85, 218, 226, 228
homonym 4467 modus tollens 85, 108f, 122f, 126f
Homosexualität 186454, 187 Moores, J.D. 13
Horn-Paradox 4987
Hotze, G. 13 Natur 178, 187, 196f
Negation 4363, 44
Implikation, logische 82f, 113f, 121f Nietzsche, F. 26118
Individualaussage, s. Singuläraussage Nygren, A. 232f
Indiz 71 Notwendigkeit, logische 4676
Induktion 55f
Objekt- und Metasprache 118f
kal wahomer, s. afortiori-Schluss Ockham, Wilhelm von 833, 934
Organon 28, 77–80
Leisegang, H. 12 Origenes 832
Logik
– Alltagsgebrauch 13, 17f, 113 Paradeigma 70, 135, 137
– antike Logik 22f, 24–26, 26ff Pathos, s. Überzeugungsmittel
– aristotelische Logik 25113, 33–37–80 Paulus
– Aussagen- oder Satzlogik 34 (s.a. – antipaulinische Polemik 1–3
stoische Logik) – Argumentation 6f, 208571, 222, 2329
302 Register

– biographische Frage 23–26 Sprachtheorien, antike 34–38, 81–84


– Stil 11, 166 Syllogismus 46–52, 69186
– Theologie 7, 239–241 – hypothetischer Syllogismus 73
– Wirkungsgeschichte 1–7 synkategorematisch 1677
Peripatos, s. Aristotelismus
Persuasion, s. Überzeugungsmittel Tarsus 25f
petitio principii 46, 149 Term(e) 52f
Petrus Ramus 9 Tertullian 832
Porphyrius 25, 72 Theophrast(us) 29, 72–74
Prämisse 62 Thomas von Aquin 833, 72
Proprium 60f, 124 Topik 57–63, 124–126 (s.a. Dialektik)
Torah 411, 140f, 143–145, 159f, 200–
Quadrat, logisches 45 202, 223f
Traditionen als Prämissen 100, 170
Ritschl, D. 1149, 232
reader entrapment 189 Überzeugungsmittel (Logos, Pathos,
reductio ad absurdum 54115, 110–112 Ethos) 64–67, 98f, 112, 120, 225
reductio ad impossibile 110–112 Übungsgespräche, s. Dialektik
Rhetorik, rhetorische Analyse 13f, 63159,
96–99, 129–131, 238f (s.a. Logik und Verbalaspekt 180
Rhetorik)
Wahrheit, wahrheitsdefinit 17, 19, 23,
Satz vom ausgeschlossenen Dritten 19, 51, 59, 82f, 106, 177, 216
116134, 227629 Wahrheitstafel 83, 216
Schleiermacher, F.D.E. 10 Weiß, Johannes 110
Schluss(folgerung) 16f, 46–52 Widerspruch (Satz vom W.) 19f, 56124,
Scholz, H. 10f 227f, 240f
Schriftzitate 138f, 145f, 147f, 149, 170,
207, 210f Zeitebene 231
Selbstreferentialität 302 Zorn Gottes 173–176
Seneca 88f Zweiwertigkeit 19, 2019
Singuläraussage 51, 68, 117
Wie jeder Mensch, der argumentiert
und Folgerungen zieht, wirft auch
Paulus die Frage auf, wie sich seine
Argumente zur Logik verhalten. Sind
sie schlüssig oder bewegen sie sich
außerhalb der Strukturen rationalen
Redens? Moises Mayordomo geht die-
ser Frage auf der Grundlage antiker
Logik nach. Er bietet zunächst einen
Überblick über dieses faszinierende
philosophische Gebiet und analysiert
dann drei Argumentationsgänge exe-
getisch und logisch: 1Kor 15,12-19,
Gal3,6-14 und Röm 1,18-3,20.
Dabei stellt sich heraus, dass die Rolle
logischer Stringenz bei Paulus unter-
schiedlich ausgeprägt ist. Das Buch
leistet damit einen Beitrag zum Ver-
stehen der theologischen Leistung
des Apostels und nimmt zugleich den
Dialog zwischen Theologie und Logik
erneut auf.
Moises Mayordomo untersucht mit den
Mitteln antiker aristotelischer und stoischer Logik die
logische Schlüssigkeit paulinischer Argumentationsgänge.
Dabei erweist die exegetische und formallogische Analyse
von 1Kor 15,12-19,Gal 3,6-14 und Röm 1,18-3,20
ein vielfältiges Bild im Hinblick auf das Problem
logischer Stringenz.

ISBN 3-16-148793-1

Mohr Siebeck

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