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Komische Gedichte von

Gotthold Ephraim Lessing


1729-1781

1
Die eheliche Liebe

Klorinde starb; sechs Wochen drauf


gab auch ihr Mann das Leben auf,
und seine Seele nahm aus diesem Weltgetümmel
den pfeilgeraden Weg zum Himmel.
„Herr Petrus“, rief er, aufgemacht!
„Wer da? - „Ein wackrer Christ. -
„Was für ein wackrer Christ? -
„Der manche Nacht,
Seit dem die Schwindsucht ihn aufs Krankenbette brachte,
in Furcht, Gebet und Zittern wachte.
Macht bald! - - Das Tor wird aufgetan.
„Ha! ha! Klorindens Mann!
Mein Freund, spricht Petrus, nur herein;
Noch wird bei Eurer Frau ein Plätzchen ledig sein.
„Was? meine Frau im Himmel? Wie?
Klorinden habt Ihr eingenommen?
Lebt wohl! Habt Dank für Eure Müh′!
Ich will schon sonst wo unterkommen.“

Auf die Thystylis (Dorilis )

Die schiele Thystylis (schlaue Dorilis) hat Augen in dem Kopfe,


so hat ein Luchs sie nicht;
Man denkt, sie sieht uns ins Gesicht.
Und sie sieht nach dem Hosenknopfe.

Lob der Faulheit

Faulheit jetzo will (endlich muss) ich dir


auch ein kleines Loblied bringen.-
O—wie—sau—er—wird es mir, --
Dich—nach Würden—zu besingen!
Doch, ich will mein Bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.

Höchstes Gut, wer Dich nur hat,


dessen ungestörtes Leben --
Ach! -- ich—gähn—ich—werde matt --
Nun—so—magst du—mir‘s vergeben,
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dass ich Dich nicht singen kann;
Du verhinderst mich ja dran.

Auf einen gewissen Leichenredner

O Redner! Dein Gesicht zieht jämmerliche Falten,


indem dein Maul erbärmlich spricht.
Eh du mir sollst die Leichenrede halten,
wahrhaftig, lieber sterb‘ ich nicht!

Das Paradies

Sein Glück für einen Apfel geben,


O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt‘ ich sollen leben,
So wär das Paradies noch heut.-
Wie aber, wenn alsdann die Traube
die Probefrucht gewesen wär?
Wie da, mein Freund ? - Ei nun, ich glaube -
Das Paradies wär auch nicht mehr.

„Es ist doch sonderbar bestellt,“


sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,
„dass nur die Reichen in der Welt
das meiste Geld besitzen.“

Die Schöne von hinten

Sieh Freund! Sieh da! Was geht doch immer


dort für ein reizend Frauenzimmer?
Der neuen Tracht Vollkommenheit,
der engen Schritte Nettigkeit,
die bei der kleinsten Hindrung stocken,
der weiße Hals voll schwarzer Locken,
der wohlgewachsne schlanke Leib,
verrät ein junges artges Weib.
Komm Freund! Komm, laß uns schneller gehen,
damit wir sie von vorne sehen.
Es muss, triegt nicht der hintre Schein,
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die Venus oder Phyllis sein.
Komm, eile doch! — O welches Glücke!
Jetzt sieht sie ungefähr zurücke.
Was wars, das mich entzückt gemacht?
Ein altes Weib in junger Tracht.

An den Leser

Wer wird nicht einen Klopstock loben?


Doch wird ihn jeder lesen? Nein.
Wir wollen weniger erhoben
und fleißiger gelesen sein.

Grabschrift des Nitulus

Hier modert Nitulus, jungfräulichen Gesichts,


der durch den Tod gewann: Er wurde Staub aus Nichts.

Das Paradies

Sein Glück für einen Apfel geben.


O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt‘ ich sollen leben,
so wär‘ das Paradies noch heut. –

Wie aber, wenn alsdann die Traube


die Probefrucht gewesen wär‘?
Wie da, mein Freund? – Ei nun, ich glaube –
das Paradies wär‘ auch nicht mehr.

Die Haushaltung

Zankst du schon wieder? Sprach Hans Lau


zu seiner lieben Ehefrau.
„Versoffener, unverschämter Mann“ -- -- --
Geduld, mein Kind, ich zieh‘ mich an – --
„Wo nun schon wieder hin?“
Zu Weine. Zank‘ du alleine.

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„Du gehst? -- -- Verdammtes Kaffeehaus!
Ja! Bleib‘ er nur die Nacht nicht aus.
Gott! Ich soll so verlassen sein? –
Wer pocht? -- -- Herr Nachbar? -- -- nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine.“

Die Faulheit

Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.


Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.
Ja, der Bauer selber spricht,
Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.
Faul zu sein, sei meine Pflicht;
Diese Pflicht ermüdet nicht.

Bruder, lass das Buch voll Staub.


Willst du länger mit ihm wachen?
Morgen bist du selber Staub!
Lass uns faul in allen Sachen,
nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,
nur nicht faul zur Faulheit sein.

Auf einen gewissen Leichenredner

O Redner! Dein Gesicht zieht jämmerliche Falten,


indem dein Maul erbärmlich spricht.
Eh du mir sollst die Leichenrede halten,
wahrhaftig, lieber sterb‘ ich nicht!

An eine kleine Schöne

Kleine Schöne, küsse mich.


Kleine Schöne, schämst du dich?
Küsse geben, Küsse nehmen,
darf dich jetzo nicht beschämen.
Küsse mich noch hundertmal!

Küß‘ und merk‘ der Küsse Zahl.


Ich will dir, bei meinem Leben!
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Alle zehnfach wiedergeben,
wenn der Kuß kein Scherz mehr ist,
und du zehn Jahr älter bist.

Antwort eines trunknen Dichters

Ein trunkner Dichter leerte


sein Glas auf jeden Zug;
Ihn warnte sein Gefährte:
Hör‘ auf! Du hast genug.

Bereit vom Stuhl zu sinken,


sprach der: Du bist nicht klug;
Zu viel kann man wohl trinken,
doch nie trinkt man genug.

Was für Redner sind wir nicht,


wenn der Rheinwein aus uns spricht!

Der über uns

Hans Steffen stieg bei Dämmerung (und kaum


konnt er vor Näschigkeit die Dämmerung erwarten)
in seines Edelmannes Garten
und plünderte den besten Apfelbaum.

Johann und Hanne konnten kaum


vor Liebesglut die Dämmerung erwarten
und schlichen sich in ebendiesen Garten
von ungefähr an ebendiesen Apfelbaum.

Hans Steffen, der im Winkel oben saß


und fleißig brach und aß,
ward mäuschenstill vor Wartung böser Dinge,
daß seine Näscherei ihm diesmal schlecht gelinge.
Doch bald vernahm er unten Dinge,
worüber er der Furcht vergaß
und immer sachter weiteraß.

Johann warf Hannen in das Gras.


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„O pfui!, rief Hanne, welcher Spaß!
Nicht doch, Johann! — Ei was?
O schäme dich! — Ein andermal — o laß —
O schäme dich! Hier ist es naß.”
Naß oder nicht; was schadet das?
Es ist ja reines Gras.

Wie dies Gespräche weiterlief,


das weiß ich nicht. Wer braucht’s zu wissen?
Sie stunden wieder auf, und Hanne seufzte tief:
„So, schöner Herr, heißt das bloß küssen?
Das Männerherz! Kein einzger hat Gewissen.
Sie könnten es uns so versüßen.
Wie grausam aber müssen
wir armen Mädchen öfters dafür büßen!

Wenn nun auch mir ein Unglück widerfährt! —


Ein Kind — ich zittre. — Wer ernährt
mir denn das Kind? Kannst Du es mir ernähren?”
„Ich?, sprach Johann, die Zeit mag’s lehren.
Doch wird’s auch nicht von mir ernährt:
Der über uns wird schon ernähren;
dem über uns vertrau.”

’Dem über uns.’ Dies hörte Steffen.


’Was’, dachte er, ’will das Pack mich äffen?
Der über Ihnen? Ei, wie schlau!’
„Nein, schrie er, laßt euch andere Hoffnung laben!
Der über euch ist nicht so toll.
Wenn ich ein Bankbein nähren soll,
so will ich es auch selbst gedrechselt haben.”

Wer hier erschrak und aus dem Garten rann,


das waren Hanne und Johann.
Doch gaben bei dem Edelmann
sie auch den Apfeldieb wohl an?
Ich glaube nicht, daß sie’s getan.

Auf die Phasis

Von weitem schon gefiel mir Phasis sehr:


Nun ich sie in der Nähe
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Von Zeit zu Zeiten sehe,
Gefällt sie mir – auch nicht von weitem mehr.

Auf einen Brand zu

Ein Hurenhaus geriet um Mitternacht in Brand.


Schnell sprang, zum Löschen oder Retten,
Ein Dutzend Mönche von den Betten.
Wo waren die? Sie waren - - bei der Hand.
Ein Hurenhaus geriet in Brand.

Auf den Tod eines Affen

Hier liegt er nun, der kleine, liebe Pavian,


Der uns so manches nachgetan!
Ich wette, was er itzt getan,
Tun wir ihm alle nach, dem lieben Pavian.

Der Tod

Gestern, Brüder, könnt ihr´s glauben?


Gestern bei dem Saft der Trauben,
bildet euch mein´ Schrecken ein,
kam der Tod zu mir herein.
Hop, hop, hop, vivallerallera,
vivallerallerallerallera.

Drohend schwang er seine Hippe,


drohend sprach das Furchtgerippe:
„Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!"
Hop usw.

„Lieber Tod," sprach ich mit Tränen,


„solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod, verschone mich!"
Hop usw.

Lächelnd greift er nach dem Glase,


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lächelnd macht er's auf der Base,
auf der Pest Gesundheit leer;
lächelnd setzt er's wieder her.
Hop usw.
Fröhlich glaub 'ich mich befreiet,
als er schnell sein Drohn erneuet:
„Narre, für dein Gläschen Wein
denkst du," spricht er, „los zu sein?"
Hop usw.

„Tod", bat ich, „ich möcht auf Erden


gern ein Mediziner werden;
laß mich! Ich verspreche dir
meine Kranken halb dafür."
Hop usw.

„Gut, wenn das ist, magst du leben,"


sprach er, „nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt
und des Trinkens müde bist."
Hop usw.

„O! wie schön klingt dies den Ohren!


Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!"
Hop usw.

Ewig muß ich also leben,


ewig denn beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb' und Wein,
ewig Wein und Lieb' erfreun!
Hop usw.

Die gute Galathee! Man sagt, sie schwärz‘ ihr Haar;


Da doch ihr Haar schon schwarz, als sie es kaufte, war.

Grabschrift des Nitulus

Hier modert Nitulus, jungfräulichen Gesichts,


der durch den Tod gewann: Er wurde Staub aus Nichts.
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Der Irrtum

Den Hund im Arm, mit bloßen Brüsten,


Sah Lotte frech herab.
Wie mancher ließ sich’s nicht gelüsten,
Daß er ihr Blicke gab!
Ich kam gedankenvoll gegangen
Und sahe steif heran.
”Ha!“ denkt sie, ”der ist auch gefangen“,
Und lacht mich schalkhaft an.
Allein, gesagt zur guten Stunde,
Die Jungfer irrt sich hier.
Ich sah nach ihrem bunten Hunde:
Es ist ein artig Tier.

Das böse Weib

Ein einzig böses Weib lebt höchstens auf der Welt —


nur schlimm, daß jeder seins für dieses einz’ge hält.

Das Muster der Ehe

Ein rares Beispiel will ich singen,


wobei die Welt erstaunen wird.
Dass alle Ehen Zwietracht bringen,
glaubt jeder, aber jeder irrt.

Ich sah das Muster aller Ehen,


still, wie die stillste Sommernacht.
Oh! dass sie keiner möge sehen,
der mich zum frechen Lügner macht!

Und gleichwohl war die Frau kein Engel,


und der Gemahl kein Heiliger;
es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.

Doch sollte mich ein Spötter fragen,


wie diese Wunder möglich sind?
Der lasse sich zur Antwort sagen:
„Der Mann war taub, die Frau war blind!“
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Die Theilung

An seiner Braut, Fräulein Christinchens, Seite


Saß Junker Bogislav Dietrich Karl Ferdinand
Von – sein Geschlecht bleibt ungenannt –
Und that, wie alle seine Landesleute,
Die Pommern, ganz abscheulich witzig und galant.

Was schwatzte nicht für zuckersüße Schmeichelein


Der Junker seinem Fräulein vor!
Was raunte nicht für kühne Schelmereien
Er ihr vertraut in's Ohr!
Mund, Aug' und Nas' und Brust und Hände,
Ein jedes Glied macht ihn entzückt.
Bis er, entzückt auch über Hüft' und Lende,
Den plumpen Arm um Hüft' und Lende drückt.
Das Fräulein war geschnürt (vielleicht zum ersten Male).
„Ha!“ schrie der Junker, „wie geschlank!
Ha, welch ein Leib! verdammt, daß ich nicht male!
Als käm' er von der Drechselbank!
So dünn! – Was braucht es viel zu sprechen?
Ich wette gleich – was wetten wir? wie viel?
Ich will ihn von einander brechen!
Mit den zwei Fingern will ich ihn zerbrechen
Wie einen Pfeilenstiel!“

„Wie?“ rief das Fräulein, „wie? zerbrechen?


Zerbrechen“ (rief sie nochmals) „mich?
Sie könnten sich an meinem Latze stechen.
Ich bitte, Sie verschonen sich.“

„Bei'm Element! so will ich's wagen,“


Schrie Junker Bogislav: „wohlan!“
Und hatte schon die Hände kreuzweis angeschlagen
Und packte schon heroisch an;
Als schnell ein: „Bruder, Bruder halt!“
Vom Ofen her aus einem Winkel schallt.

In diesem Winkel saß, vergessen, nicht verloren,


des Bräut'gams jüngster Bruder, Fritz.
Fritz saß mit offnem Aug' und Ohren,
Ein Kind voll Mutterwitz.
„Halt!“ schrie er, „Bruder! auf ein Wort!“
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Und zog den Bruder mit sich fort:
„Zerbrichst du sie, die schöne Docke,
So nimm die Oberhälfte dir!
Die Hälfte mit dem Unterrocke,
Die, lieber Bruder, schenke mir!“

Warum der Dichter Hadrian


die Katzen so besonders leiden kann?
Das lässt sich leicht ermessen!
Dass seine Verse nicht die Mäuse fressen.

Wein ist stärker als das Wasser,


das gesteh'n auch seine Hasser.

Die lügenhafte Phyllis

Mein Dämon spricht:


Kind, lüge nicht!
Sonst werd′ ich strafen müssen,
Und dich zur Strafe küssen.
Er droht mir, sieht verdrüßlich aus,
Und strafet mich schon im voraus.

Sonst log ich nicht.


Nun seit er spricht:
Du sollst mir fein mit Küssen
Die losen Lügen büßen,
Red′ ich kein wahres Wörtchen mehr.
Nun, Schwestern, sagt, wo kömmt das her?

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Auf die Thystylis (Dorilis )

Die schiele Thystylis (schlaue Dorilis) hat Augen in dem Kopfe,


so hat ein Luchs sie nicht;
Man denkt, sie sieht uns ins Gesicht.
Und sie sieht nach dem Hosenknopfe.

Die Liebe

Ohne Liebe
Lebe, wer da kann.
Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
Bleibt er doch kein Mann.

Süße Liebe,
Mach mein Leben süß!
Stille nie die regen Triebe
Sonder Hindernis.

Schmachten lassen
Sei der Schönen Pflicht!
Nur uns ewig schmachten lassen,
Dieses sei sie nicht.

Emma

Emma, sage mir die Wahrheit:


Ward ich närrisch durch die Liebe?
Oder ist die Liebe selber
Nur die Folge meiner Narrheit?

Ach! mich quälet, teure Emma,


Außer meiner tollen Liebe,
Außer meiner Liebestollheit,
Obendrein noch dies Dilemma.

Der schwörende Liebhaber

Ich schwör es dir, o Laura, dich zu hassen;


Gerechten Haß schwör ich dir zu.
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Ich schwör es allen Schönen, sie zu hassen;
Weil alle treulos sind, wie du.
Ich schwör es dir, vor Amors Ohren,
Daß ich – – ach! daß ich falsch geschworen.

Die Beredsamkeit

Freunde, Wasser machet stumm:


Lernet dieses an den Fischen.
Doch beim Weine kehrt sichs um:
Dieses lernt an unsern Tischen.
Was für Redner sind wir nicht,
Wenn der Rheinwein aus uns spricht!
Wir ermahnen, streiten, lehren;
Keiner will den andern hören.

Die Haushaltung

Zankst du schon wieder? sprach Hans Lau


Zu seiner lieben Ehefrau.
"Versoffner, unverschämter Mann" ---
Geduld, mein Kind, ich zieh’ mich an -
"Wo nun schon wieder hin?"
Zu Weine. Zank’ du alleine.

"Du gehst? -- Verdammtes Kaffeehaus!


Ja! blieb’ er nur die Nacht nicht aus.
Gott! ich soll so verlassen sein? _
Wer pocht? —— Herr Nachhar? — nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine."

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