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Komische Gedichte von

Adelbert von Chamisso


1781-1838

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Klapperstorch

Was klappert im Hause so laut? Horch, horch!


Ich glaub‘, ich glaube, das ist der Storch.
Das war der Storch. Seid, Kinder, nur still
und hört, was gern ich erzählen euch will.
Er hat euch gebracht ein Brüderlein
und hat gebissen die Mutter ins Bein.

Tragische Geschichte

‚s war einer, dem‘s zu Herzen ging,


dass ihm der Zopf so hinten hing,
er wollt es anders haben.

So denkt er denn: wie fang ich‘s an?


Ich dreh mich um, so ist‘s getan
der Zopf, der hängt ihm hinten.

Da hat er flink sich umgedreht,


und wie es stund, es annoch steht
der Zopf, der hängt ihm hinten.

Da dreht er schnell sich anders ‚rum,


‚s wird aber noch nicht besser drum
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich links, er dreht sich rechts,
es tut nichts Guts, es tut nichts Schlechts
der Zopf, der hängt ihm hinten.

Er dreht sich wie ein Kreisel fort,


es hilft zu nichts, in einem Wort
der Zopf, der hängt ihm hinten.

Und seht, er dreht sich immer noch,


und denkt: Es hilft am Ende doch
der Zopf, der hängt ihm hinten.

Eid der Treue


3
Misstrauest, Liebchen, du der flücht‘gen Stunde,
des Augenblickes Lust?
Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,
der Ewigkeit bewusst?

Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;


Du willst darauf ein Pfand:
Wohlan! Ich will‘s mit kräft‘gem Eid beschwören,
ich hebe meine Hand:

Ich schwör‘s, elftausend heilige Jungfrauen,


bei eurem keuschen Bart;
Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauen
in Mailand wird bewahrt;

Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte -


Ein unerhörter Schwur! -
Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,
und bei des Windes Spur;

Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallen


im letzt vergangnen Jahr;
Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,
Eid der Treue
Misstrauest, Liebchen, du der flücht‘gen Stunde,
des Augenblickes Lust?
Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,
der Ewigkeit bewusst?
Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;
Du willst darauf ein Pfand:
Wohlan! ich will‘s mit kräft‘gem Eid beschwören,
ich hebe meine Hand:
Ich schwör‘s, elftausend heilige Jungfrauen,
bei eurem keuschen Bart;
Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauen
in Mailand wird bewahrt;

Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte -


Ein unerhörter Schwur! -
Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,
und bei des Windes Spur;
Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallen
im letzt vergangnen Jahr;
4
Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,
was nie sein wird noch war.

Und falls ich dennoch jemals untreu würde,


vergäße jemals dein,
so soll mein Eid verbleiben ohne Würde,
und ganz unbündig sein.

Tragische Geschichte
’s war Einer, dem’s zu Herzen ging,
Daß ihm der Zopf so hinten hing,
Er wollt’ es anders haben.
So denkt er denn: „Wie fang’ ich’s an?
Ich dreh’ mich um, so ist’s getan –„
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da hat er flink sich umgedreht,
Und wie er(s) stund, es annoch steht –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Da dreht er schnell sich anders ’rum,
’s wird aber noch nicht besser drum –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich links, er dreht sich rechts,
Es tut nichts Gut’s, es tut nichts Schlecht’s –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Er dreht sich wie ein Kreisel fort,
Es hilft zu nichts, in einem Wort –
Der Zopf, der hängt ihm hinten.
Und seht, er dreht sich immer noch
Und denkt: „Es hilft am Ende doch – „
Der Zopf, der hängt ihm hinten.

Katzennatur

′s war mal ′ne Katzenkönigin,


Ja, ja!
Die hegte edlen Katzensinn,
Ja, ja!
Verstand gar wohl zu mausen,
Liebt′ königlich zu schmausen,
Ja, ja! - Katzennatur!

5
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Die hatt ′nen schneeweißen Leib,


Ja, ja!
So schlank, so zart, die Hände so weich.
Ja, ja!
Die Augen wie Karfunkeln,
Sie leuchteten im Dunkeln,
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Ein Edelmausjüngling lebte zur Zeit,


Ja, ja!
Der sah die Königin wohl von weit,
Ja, ja!
′ne ehrliche Haut von Mäuschen,
Der kroch aus seinem Häuschen,
Ja, ja! - Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der sprach: in meinem Leben nicht,


Ja, ja!
Hab ich gesehen so süßes Gesicht,
Ja, ja!
Die muß mich Mäuschen meinen,
Sie tut so fromm erscheinen,
Ja, ja! - Mäusenatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der Maus: willst du mein Schätzchen sein?


Ja,ja!
Die Katz: ich will dich sprechen allein.
Ja, ja!
Heut will ich bei dir schlafen -
Heut sollst du bei mir schlafen -
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Der Maus, der fehlte nicht die Stund,


Ja, ja!
Die Katz, die lachte den Bauch sich rund,
Ja, ja!
Dem Schatz, den ich erkoren,
Dem zieh ich′s Fell über die Ohren,
6
Ja, ja! - Katzennatur!
Schlafe, mein Mäuschen, schlafe du nur!

Familienfest

Der Vater ging auf die Jagd in den Wald;


Ein gutes Wild ersah er sich bald.

Er legte wohl an, er drückte los,


Der Sperling fiel auf das weiche Moos.

Die Brüder luden zu Schlitten den Fang,


Und schleiften ihn heim, und jubelten lang'.

Die Töchter schnell das Feuer geschürt,


Sie rupften und sengten ihn, wie sich's gebührt.

Die Mutter briet und schmort' ihn gleich,


Der Braten war köstlich und schmackhaft und weich.

Geschäftig trugen die Schwestern ihn auf;


Es kamen der fröhlichen Gäste zu Hauf.

Sie setzten zu Tisch sich und saßen fest,


Und thaten sich gütlich beim weidlichen Fest.

Sie schmausten den Sperling in guter Ruh'


Und tranken drei Fässer des Bieres dazu.

Es ist nur so der Lauf der Welt

Mir ward als Kind im Mutterhaus


Zu aller Zeit, Tag ein, Tag aus,
Die Rute wohl gegeben.
Und als ich an zu wachsen fing,
Und endlich in die Schule ging,
Erging es mir noch schlimmer.

Das Lesen war ein Hauptverdruß,


Ach! wer's nicht kann und dennoch muß,
Der lebt ein hartes Leben.
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So ward ich unter Schmerzen groß
Und hoffte nun ein bess'res Los,
Da ging es mir noch schlimmer.

Wie hat die Sorge mich gepackt!


Wie hab' ich mich um Geld geplackt!
Was hat's für Not gegeben!
Und als zu Geld ich kommen war,
Da führt' ein Weib mich zum Altar,
Da ging es mir noch schlimmer.

Ich hab's versucht und hab's verflucht


Pantoffeldienst und Kinderzucht
Und das Gekreisch der Holden.
O meiner Kindheit stilles Glück,
Wie wünsch' ich dich jetzt fromm zurück!
Die Rute war ja golden!

Recht empfindsam

Tochter

Meine teuren Eltern, habt Erbarmen,


laßt mein Leid erweichen euren Sinn,
Nähm ich diesen Mann, in seinen Armen
Welkt ich, zarte Blume, bald dahin!

Vater

Mutter, sieh, wie sie sich zieret


Hör, du dumme Trine, du,
Eınen Mann sollst du bekommen,
Greif mit beiden Händen zu.

Tochter

Rauher Wirklichkeit nur mag er frönen;


Ohne Zartheit, ohne Poesie,
Ungebildet, kann er nur mich höhnen,
Mich verstehen, nein, das wird er nie!

Vater

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Mutter, die verfluchten Bücher
Müssen ihr den Kopf verdrehn.
Waren wir denn je gebildet?
Konnten wir uns je verstehn?

Tochter

Wo die Herzen fremd einander blieben,


Knüpft ihr nicht ein gottgefällig Band;
Weder achten kann ich ihn, noch lieben,
Nimmermehr erhält er meine Hand!

Vater

Mutter, hör die dumme Trine,


Hör doch, was es Neues gibt!
Haben wir uns je geachtet?
Haben wir uns je geliebt?

Töchter

Lieber will ich in ein Kloster fliehen,


Gibt's kein Kloster, in mein frühes Grab;
Wohl denn! dieser Schmach mich zu entziehen,
Stürz ich in die Wellen mich hinab!

Vater

Hast du endlich ausgeredet?


Gut, du bleibst mir heut zu Haus,
Hältst dein Maul und nimmst den Bengel,
Punktum, und das Lied ist aus.

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