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2.

Studie

Deutschland in den
Augen der Welt
Zentrale Ergebnisse der zweiten GIZ-Erhebung 2015
»Wenn Deutschland ein Tier wäre,
wäre es ein Elefant oder ein Nashorn.
Es ist deutlich wahrnehmbar, groß,
kann Jahrhunderte überleben, und
man muss vorsichtig mit ihm umgehen,
aber es ist nicht schnell genug.«
Niederlande
Deutschland in den
Augen der Welt
Zentrale Ergebnisse der zweiten GIZ-Erhebung 2015
Zusammenfassung

D as deutsche Kommunikationsverhalten
trifft im Ausland auf Verwunderung: Aus
der Perspektive der 179 Gesprächspartner, die
che an Deutschland ab, werden akzentuierter
sowie kritischer in ihrer Bewertung. Aufgrund
seiner vielfach konstatierten ökonomischen
für die zweite Auflage der Studie Deutschland in Potenz fordert man stärkere politische Präsenz
den Augen der Welt befragt wurden, ist es viel- und Visionen – dies vor allem in und für Europa,
fach zu leise, zu traditionsverhaftet und wenig aber auch über europäische Grenzen hinaus.
variantenreich, wenn es um Aspekte der Ver- Dabei wird auch immer wieder die Erweiterung
marktung von Produkten und Dienstleistungen einer bekannten Stärke Deutschlands, seiner
geht. Und zu wenig erläuternd, zuhörend und ›Soft Power‹-Eigenschaften, um mehr Beteiligung
visionär, wenn es um die Vermittlung politi- an militärischer Konfliktlösung angesprochen.
scher Positionen geht. Agieren mit Augenmaß,
aber auch mit mehr Mut und Präsenz, scheint Sehr geläufig und präsent ist im Ausland zudem
das Maß der Dinge zu sein. das Bild eines leistungsstarken, dynamischen
Deutschlands, das über einen exzellenten Inno-
Dies wünschen sich Befragte im Ausland auch vationsgeist und die dazugehörige Innovations-
für Deutschlands Rolle in den globalen wirt- landschaft verfügt. Allein deren Potenzial wird
schaftlichen und politischen Beziehungen. Ein jedoch nach Ansicht der Befragten nur in Teilen
Trend der ersten Studie wird hier bestätigt – und ausgeschöpft. Die Ursachen werden in der cha-
ausgebaut: Man wünscht sich Deutschland als rakteristischen Zurückhaltung und Risikoscheu
starken Player im globalen Machtgefüge, sieht der Deutschen vermutet, die wiederum partiell
Fortschritte beim Ausfüllen dieser Rolle, glaubt mit der historischen Prägung Deutschlands
jedoch weiter an ein nicht ausgeschöpftes Poten- begründet werden. Deutsche Impulse werden
zial. Das Neue aus der aktuellen Befragung: etwa im Bereich des digitalen Wandels vermisst.
Eine Dominanz Deutschlands ist für viele Beob- Fortschritte attestiert man Deutschland – mit
achter, zumindest auf Europa bezogen, heute Abstrichen – hingegen im Bereich Migration
bereits eine Realität. Diese erfüllt aber mehr- und Integration, sieht und fordert das Land
heitlich nicht mit Sorge oder Angst, sondern die hier als zentralen Akteur bei der Lösung der
Gesprächspartner leiten daraus vermehrt An­sprü- europäischen Flüchtlingsfrage. Die Lebensqua-
lität in Deutschland, festgemacht etwa an der Diese vier Erkenntnislinien bilden den Inhalt
inneren Sicherheit, an einer fortschrittlichen der zweiten weltweiten qualitativen Befragung,
Gesundheitsversorgung sowie an einer funk- die die Deutsche Gesellschaft für Internatio-
tionierenden Rechtsstaatlichkeit und einer nale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH 2014/15
demokratischen Streitkultur, wird im Ausland durchführte. Interviewt wurden erneut Men-
als vorbildlich angesehen. Sie steht ganz oben schen aus diversen Branchen und auf verschie-
bei Fragen der internationalen Kooperation, des denen Hierarchieebenen aus fünf Kontinenten.
Wissens- und Erfahrungsaustausches. Ausländi- In persönlichen Gesprächen gaben sie ihre Mei-
sche Beobachter machen vor allem eine Kern- nungen und Haltungen zu Deutschland kund.
kompetenz für das Herstellen stabiler Lösungen Ihre Antworten machen 4560 Kernaussagen
aus – das Denken und Agieren in Systemen, aus. Erstmals 2012 im Kontext des Zukunfts-
eine typisch deutsche Eigenschaft. dialogs von Bundeskanzlerin Angela Merkel
erschienen, soll die Studie in regelmäßigen
Überhaupt leiten die Gesprächspartner rund Abständen als Zeitreihenerhebung fortgeführt
um den Globus viele Beobachtungen aus werden. Die GIZ will damit im Rahmen ihrer
deutschen Charaktermerkmalen ab, die in ihren Arbeit in der internationalen Zusammenarbeit
Augen prägend für deutsches Handeln in unter- für nachhaltige Entwicklung ein zusätzliches
schiedlichsten Themenfeldern sind. Deutsche Angebot schaffen. Die Erkenntnisse geben
Sekundärtugenden wie Ordnungsliebe, Pünkt- wertvolle Hinweise für Akteure im politischen
lichkeit und Disziplin bilden in der Fremd- Raum Deutschlands und darüber hinaus. Sie
wahrnehmung ein beständiges Fundament für sind als Gedankenanregungen zu lesen, die über
Berechenbarkeit und Sicherheit und werden ihre individuelle Färbung Wirkung erzeugen.
hoch geschätzt, wenn auch nicht ausnahmslos Sie sind zugleich Momentaufnahmen, die ganz
gemocht. Neuerdings, so die Sicht von außen, wesentlich vom zeitlichen Kontext der Befra-
kommen weitere, zum Teil als widersprüchlich gung abhängen.
erscheinende Konturen hinzu, die das Zusam-
menspiel mit Deutschland zukünftig facetten-
reicher werden lassen.
Seite 6
Vorwort

Seite 10
Einleitung

Seite 16
Zur Methodik der Studie

Seite 24
Charaktereigenschaften
Wie das Ausland die Deutschen sieht

Seite 40
Power to Perform
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

Seite 64
Von Anspruch und Verantwortung
Die internationale Rolle Deutschlands

Seite 82
»Famous without Being Known«
Zur Außendarstellung Deutschlands

Seite 94
Erwartungen an Deutschland

Seite 98
Anhang
Zur Methodik der Studie
Liste der Gesprächspartner

Seite 112
Impressum
Vorwort
W er wesentliche Fragen zur Zukunftsgestaltung Deutschlands stellt, tut gut
daran, den Blick nach außen zu richten. Denn Deutschland ist – ökono-
misch, politisch, gesellschaftlich und kulturell – mit der Welt derart verwoben,
dass internationale Beziehungen nicht nur die logische Konsequenz aus den
­wechselseitigen Abhängigkeiten sind, sondern aus einem vitalen Eigeninteresse
heraus gestaltet werden. Deutschland braucht, sucht und pflegt vielfältige Bezie-
hungen zu den Staaten dieser Erde. Lernen geschieht im Verbund, Zukunft
entsteht gemeinsam.

Mit dieser Überzeugung führte die GIZ im Jahre 2011/12 erstmals eine quali-
tative Umfrage weltweit durch und veröffentlichte die zentralen Erkenntnisse in
der Studie Deutschland in den Augen der Welt. Die Studie entstand im Kontext des 7
sogenannten Zukunftsdialogs, einer Initiative von Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Mit ihm wollte die Kanzlerin Antworten auf drei Fragestellungen erhalten: »Wie
wollen wir gemeinsam leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir gemein-
sam lernen?« An der Initiative, die 18 Expertengruppen umfasste, wirkten wir
durch die Studie substanziell mit.

Nun liegt drei Jahre später die zweite Erhebung der GIZ vor, deren Ergebnisse
wir Ihnen mit der vorliegenden Publikation näher bringen möchten. Warum diese
Studie? Was kann sie neben der Vielzahl deutscher und auswärtiger Analysen,
Bücher und journalistischer Beiträge zu den jeweiligen Bildern von Deutschland
leisten?

Die GIZ möchte mit dieser Studie ein zusätzliches qualitatives Angebot schaffen.
Als Bundesunternehmen der internationalen Zusammenarbeit für nachhaltige
Entwicklung agieren wir in mehr als 130 Ländern dieser Erde. Als Instrument
der Bundesregierung fördern wir Entwicklung und Transformation weltweit und
engagieren uns für langfristige politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität. In
Programmen und Projekten begegnen wir tagtäglich einer Vielzahl von auslän­
dischen Expertinnen und Experten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Partnern
anderer Organisationen, Menschen in Städten und auf dem Land. Aus diesen
Arbeitsbeziehungen entsteht ein riesiger Erfahrungsschatz, den die Bundesregie-
rung für die Gestaltung ihrer bilateralen und internationalen Beziehungen nutzen
kann. Mit dieser Studie fragen wir darüber hinaus dezidiert nach, wie das Ausland
uns Deutsche und unser Land sieht. Wir wollen wissen welche Ansprüche, Erwar-
tungen und Wünsche uns gegenüber vorhanden sind. Worüber man in der Welt
mit Blick auf Deutschland nachdenkt, woran man sich reibt, was positiv wie nega-
tiv hervorsticht. Wie wir uns auf staatlicher Ebene, aber auch zwischenmenschlich
Vorwort

begegnen, welche Gewohnheiten und Stereotype uns dabei leiten und wie wir uns
von längst überkommenen Bildern nach und nach lösen können.

All diese Aspekte haben große Bedeutung für die Zukunft internationaler Bezie-
hungen. In Entwicklungs- und Schwellenländern, doch zunehmend auch in
Industrieländern, bestehen Interesse und Bedarf an Austausch und systemischer
Beratung mit dem Ziel, gesellschaftliche Entwicklungsprozesse zu verbessern.
Unser Einsatz bei der weltweiten Umsetzung von Programmen der internationalen
Zusammenarbeit lehrt uns, dass Länder zusammenwirken müssen, um ­tragfähige
Lösungen für globale Herausforderungen zu erarbeiten. Zunehmend gilt es,
eigene Standpunkte in der Begegnung mit anderen zu überprüfen, sie potenziell
8 zu schärfen, anzupassen oder aber zu verwerfen. Der Vergleich der Eigen- mit der
Fremdwahrnehmung gibt uns Hinweise auf unsere ›blinden Flecken‹. Aus diesen
Spiegelungen nähern wir uns den Handlungsspielräumen, die uns von anderen
im internationalen Bereich potentiell zugestanden werden und können uns mit
möglichem Reformbedarf auseinandersetzen.

Für diese zweite Studie haben wir persönliche Gespräche in 26 Ländern Euro-
pas und der Welt geführt. Die 179 Gesprächsteilnehmer sind unsere wertvollste
­Ressource beim Blick auf Deutschland. Ihnen möchten wir an dieser Stelle von
Herzen danken – für ihre Bereitschaft, uns Einblicke in ihr jeweiliges Deutsch-
landbild zu gewähren, für ihre Offenheit, mit der sie über ihr Verhältnis zu
Deutschland gesprochen haben, sowie für die vielen Erlebnisse und teils kuriosen
Anekdoten, die sie uns anvertraut haben. Und nicht zuletzt für ihre Zeit und
Geduld. Dank ihnen ist es gelungen, aus einem Kaleidoskop von Eindrücken
eine nuancenreiche Außenperspektive auf unser Land zu gewinnen. Sie finden
alle Gesprächsteilnehmer im Anhang zu dieser Studie aufgeführt. In dem Bericht
selbst werden sie den Aussagen nicht direkt zugeordnet; wir lösen damit unser
Versprechen ein, ein Höchstmaß an Anonymität walten zu lassen.

Unsere Erkenntnisse aus den Interviews schildern wir auf den nächsten Seiten –
zu lesen als Spurensuche nach dem aktuellen Deutschlandbild in der Welt. Mit
diesem Bericht wollen wir die laufende Diskussion über die Rolle Deutschlands
um ein weiteres Element bereichern. Wir legen dar, was uns in den zahlreichen
Gesprächen aufgefallen ist, was uns nachdenklich gestimmt hat und wie wir uns
im doppelten Sinne gewundert haben: So wundern wir uns bisweilen über das,
womit man sich im Ausland beim Blick auf Deutschland beschäftigt. Und wir
wundern uns über die eigenen Erwartungen: Was glaubten wir gesagt zu bekom-
men, und was macht das Gehörte mit uns? Unsere Absicht ist wiederzugeben,
was Menschen im Ausland beim Thema Deutschland bewegt. Es geht dabei nicht
um wahr oder falsch, sondern wir versuchen, in dem uns Zugetragenen Muster
zu erkennen und daraus Hypothesen sowie Interpretationen abzuleiten. Worin
zukünftige Erwartungen an Deutschland begründet sind, halten wir in einem
abschließenden Kapitel fest.

Die Ergebnisse der Studie erscheinen uns gleichermaßen bedeutsam für die
deutsche Politik wie für wirtschaftliche und gesellschaftliche Akteure. Auch in
den kommenden Jahren wollen wir diese Art der Befragung fortführen und damit
den globalen Blick auf Deutschland weiter begleiten. Sie als Leserinnen und Leser
wollen wir dazu einladen, Ihre eigenen Ideen zu entwickeln und Schlussfolgerun-
gen zu ziehen. Wir wollen die Diskussion über das Bild Deutschlands in der Welt 9
folglich weiter öffnen, nicht schließen. Aus regem Austausch gehen neue Einsich-
ten hervor.

Ich wünsche Ihnen viele erkenntnisreiche Einblicke und freue mich auf den
Austausch.

Ihr

Dr. Christoph Beier


Stellvertretender Sprecher des Vorstands
Einleitung
I m April dieses Jahres erschien eine kleine
Meldung in der Süddeutschen Zeitung.
Der weltbekannte italienische Modedesigner
wuchs und politisch in Europa an Sichtbarkeit
gewann. Die Anzahl der Wahrnehmungsstu-
dien – Erhebungen, mit denen verschiedene
11

­Giorgio Armani, so zitiert die Zeitung aus Institutionen den Außenblick auf Länder,
einem Illustrierteninterview, lobt das neue Regionen oder Bündnisse einfangen – nahm in
Modebewusstsein der Deutschen: Sie hätten den letzten Jahren erkennbar zu. Dabei gehen
einen sehr pragmatischen Stil, kleideten sich die meisten Befragungen von Industrieländern
mehr intuitiv, weniger rigide, aber stets präzise. aus und fokussieren mit ihrem Erkenntnisin-
Pragmatisch, präzise, intuitiv – Begriffe und teresse vor allem binationale oder biregionale
Assoziationen, denen auch die GIZ immer Wahrnehmungen – wie etwa das Deutschland-
wieder bei der zweiten Erhebung für ihre Studie bild in Israel und d­ en Palästinensischen Gebieten
Deutschland in den Augen der Welt begegnete. oder asiatische Eindrücke von Europa, vice
Das Ausland scheint Deutschland vermehrt versa. Solche Studien werden häufig von
und genauer zu beäugen – nunmehr auch in Stiftungen oder M ­ einungsforschungsinstituten
der Modeszene, in der normalerweise andere veranlasst, mehr und mehr beschäftigen sich
Nationen von sich reden machen. auch Universitäten mit dieser Thematik. In
Einzelfällen werden ferner Studien zu einem
spezifischen Thema in Auftrag gegeben, bei-
Zweite Auflage nach drei Jahren
spielsweise zur Wahrnehmung der deutschen
In der zweiten, sogenannten Wahrnehmungs- Energiewende in Schwellenländern oder zur
studie der GIZ, geht es wiederum um den Selbstsicht und Fremdwahrnehmung im Berufs-
Blick von außen auf Deutschland. Drei Jahre leben. Die überwiegende Zahl solcher Studien
sind seit der ersten Erhebung von 2011/12 ist quantitativ angelegt, die Erhebungen erfol-
vergangen. Drei Jahre, in denen sich die gen mittels Online- oder Telefonbefragungen.
weltpolitische Lage rasant verändert hat. Zumeist zielen sie auf Indizes und Rang­folgen
Und drei Jahre, in denen die Debatte um die ab. Ein Klassiker etwa ist die vom britischen
globale Rolle Deutschlands offenbar in dem Sender BBC regelmäßig durchgeführte Umfrage
Maße zunahm, in dem es wirtschaftlich weiter zur weltweiten Beliebtheit von Ländern; rund
Einleitung

»Deutschland geht immer sehr grundsätzlich


und strategisch an die Dinge heran. Allein
schon, dass es eine qualitative Befragung macht,
zeigt den Weitblick.«
Rumänien

12 25.000 Menschen wurden zuletzt 2013/14 zu Dem Blick auf Deutschland sind aktuell auch
ihrer Meinung über 16 Länder befragt.1 Nur einige Bücher gewidmet. So hat der ebenso
vereinzelt finden sich Studien, die auf face- bekannte wie einflussreiche Politikwissenschaft-
to-face Befragungen basieren und über das ler Herfried Münkler, zu dessen Lieblingsthe-
Länderimage hinausgehen. men ›Deutsche Mythen‹ gehören, mit seinem
rund 190-seitigen Essay »Macht in der Mitte.
Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa«2
Das Medieninteresse nimmt zu
ein starkes Echo gefunden. In vielen Publika-
Auch das Interesse der Medien scheint, was tionen geht es um die historische Herleitung
die Wahrnehmung Deutschlands in der Welt nationaler Stereotype, die auch für Feindbilder
betrifft, deutlich anzusteigen. Jüngster Beleg geeignet waren und sind.
ist ein im Mai dieses Jahres erschienenes
Dossier der französischen Monatszeitschrift
Globaler Blick ist einzigartig
Le Monde diplomatique, das Artikel diverser
Autoren zu einem Deutschlandbild vereint. Ergänzend zu solchen Betrachtungen und als
Sein Titel: »­L’­Allemagne, puissance sans désir« Alternative zu quantitativen Erhebungen hat
(Deutschland, Macht wider Willen). Wie die GIZ nun zum zweiten Mal weltweit ergeb-
hier bei Le Monde diplomatique, zuvor auch nisoffene Gespräche mit Menschen geführt,
schon in Dossiers bei SPIEGEL, Handelsblatt, die einen Bezug zu Deutschland haben. Ihr
The Guardian und anderen, konzentriert sich Mehrwert liegt in dem globalen, qualitativen
die Mehrzahl der journalistischen Veröffent­ Blick auf Deutschland, der in dieser Breite und
lichungen auf außenpolitische Fragestellungen, Art von keiner der zuvor genannten Erhebun-
wie die Rolle Deutschlands in Europa und im gen geleistet wird. Besonders im Fokus stand
internationalen Gefüge. diesmal das Thema Europa, da Deutschlands

1 BBC World Service: Poll. Negative views of Russia on the Rise: Global Poll. June 2014.
2 Herfried Münkler: Macht in der Mitte: Die neuen Aufgaben Deutschlands in Europa. Kindle Edition. März 2015.
Rolle in der europäischen Politik in den ver-
gangenen Jahren große Aufmerksamkeit zuteil
geworden war.

Die Gespräche gaben Antworten auf wichtige


Fragen: Worin sehen Menschen im Ausland
deutsche Stärken und Chancen oder aber
Schwächen und Risiken? Welche Aufgaben
sollte Deutschland aus der Sicht anderer Natio-
nen übernehmen? Und welche ganz allgemeine
Rolle sollte Deutschland in einer sich wandeln-
den Welt künftig spielen?

Momentaufnahme zu Deutschland
13
Stichwort Welt im Wandel: Die Gespräche im
Rahmen der Studie fanden vor dem Hinter-
grund zahlreicher Geschehnisse in den Jahren
2012 bis 2014/15 statt, die vielfach eine, wenn
auch indirekte, Verbindung zu Deutschland
hatten. Folglich stellen die Beobachtungen
der Gesprächspartner eine Momentaufnahme
dar, die nicht von der weltpolitischen Lage zu
trennen ist. Im Gegenteil: Die Finanz- und
Wirtschaftskrise im Euroraum, das ­europäische
Flüchtlingsproblem, der Ukrainekonflikt,
der Vormarsch des ›Islamischen Staates‹, die
Nahost-Krise, der Bürgerkrieg in Syrien und
die Ebola-Epidemie in Westafrika wurden von
vielen Interviewpartnern explizit herangezogen,
um ihr Bild von Deutschland zu untermalen.
Sie sind aktuell sogar prägend. Gerade für
die europäischen Partner haben Ereignisse
wie die erstmalige Ausrufung des sogenann-
ten Euro-Rettungsschirms im Oktober 2012
markanten Einfluss auf die Inhalte der Antwor-
ten. Ebenfalls schaffen sowohl der Regierungs­
»Deutschland muss die große Politik machen. wechsel in Frankreich, die neuerliche Präsident­
Wenn man die große Politik betreibt, schaft Putins und die Wahl Obamas in diesem
dann bewegt sich die Welt – Zeitfenster als auch die Wahlen des Europäi-
auch, wenn man kleine Schritte tut.« schen Parlaments im Sommer 2014, die rechts-
DR Kongo populistische Parteien stärkten, eine Art von
Einleitung

Hintergrundfolie für die Interviews. Selbstver- Im ersten Hauptkapitel dreht sich alles um
ständlich beeinflusste auch die Bundestagswahl die Wahrnehmung der als typisch deutsch
2013, die eine Große Koalition aus CDU/CSU empfundenen Charaktereigenschaften. Es
und SPD zur Folge hatte und Kanzlerin Angela werden Muster deutlich, wie diese Attribute
Merkel erneut im Amt bestätigte, die externe für externe Betrachter zusammenhängen. Im
Sicht auf Deutschland. Nicht zuletzt prägten zweiten Hauptkapitel stehen deutsche Kom-
kulturelle Ereignisse den Blick: Deutschland petenzen und die Attraktivität des ›Leistungs-
wurde 2014 in Brasilien Fußballweltmeister standortes‹ Deutschland im Mittelpunkt. Das
und gewann damit weltweit zahllose Sym- dritte Hauptkapitel beleuchtet die Rolle, die
pathien. In ähnlicher Art wirkten bisweilen Deutschland in den Augen der ausländischen
die Feierlichkeiten in Berlin zum 25-jährigen Beobachter derzeit und in Zukunft auf der
Jubiläum des Mauerfalls. Einen wichtigen internationalen Bühne spielt und spielen sollte.
Seiten­effekt zumindest bei US-Amerikanern Schließlich nimmt das vierte Hauptkapitel
dürften die 2013 erfolgten Veröffent­lichungen Aspekte der globalen Vermarktung Deutsch-
14 von Edward Snowden zu breiten amerikani- lands in den Blick, vor allem die ihm zuerkann-
schen Abhörprogrammen ausgemacht haben. ten Kompetenzen als politischer Vermittler. Auf
Mehrere Gesprächspartner betonten, dass die die generellen Linien geht der abschließende
sogenannte NSA-Affäre die transatlantischen Ausblick ein. Er bündelt die Zukunftserwartun-
Beziehungen spürbar beeinträchtige. gen der Befragten an Deutschland und zeigt,
wohin dessen Weg aus ihrer Sicht führen sollte.
So regt der Ausblick zu weiterer Reflexion und
Erkenntnisse in vier Hauptkapiteln
Diskussion an.
Diese hier nur grob skizzierten weltpolitischen,
europäischen und deutschen Ereignisse bilden
den Kontext für die zweite GIZ-Studie zur
Wahrnehmung Deutschlands in der Welt. Sie
wirken auf den Inhalt, die Modalität und den
Tenor der Antworten der Interviewpartner ein.
In den folgenden Kapiteln werden die Ergeb-
nisse der Erhebung dargelegt. Aufgrund des
qualitativen Anspruchs der Studie sind Häu-
figkeiten zunächst ohne Belang. Vielmehr geht
es um das Nachvollziehen persönlicher Per­
spektiven durch Verstehen, gerade auch um das
Auffällige, Überraschende, um das, was zum
Nachdenken anregt und um eine verständliche
Darstellung, die zu weiteren Einsichten verhilft.
Diese Erkenntnisse sind in sechs Kapiteln grup-
piert: Nach einem Überblick über die für die
Studie gewählte Methodik schließen sich vier
inhaltliche Hauptkapitel sowie ein Ausblick mit
Zukunftserwartungen an Deutschland an.
15

»Der deutsche Fußball hat sich stark verändert


und verkörpert heute für mich die zwei positiven
Seiten Deutschlands: die gut strukturierte und
disziplinierte Ordnung, aber auch die kreative,
innovative Pragmatik.«
Südafrika
Zur Methodik
der Studie
Z um zweiten Mal in Folge hat die GIZ
eine Befragung rund um den Globus
durchgeführt. Die vorliegende Studie knüpft
179 qualitative Interviews

Insgesamt fanden qualitative Gespräche mit


17

unmittelbar an die 2011/12 realisierte Erhe- 179 Personen aus 26 Ländern statt. Jedes Inter-
bung3 an. In Zukunft sollen weitere Studien als view wurde dabei von zwei Personen geführt
Zeitreihenerhebung folgen. Der Befragungs- und dokumentiert. Im Durchschnitt ergeben
zeitraum erstreckte sich von August 2014 bis sich – wie bei der ersten Studie – knapp sieben
Januar 2015. Interviews pro Land. Die Gespräche hatten
eine durchschnittliche Dauer von eineinhalb
Das methodische Design der Studie blieb fast ­Stunden. Im Anschluss wurden aus den Inter-
unverändert4: Es handelt sich um eine nicht views die erkannten thematischen Stränge extra-
theoriegeleitete, aber empirisch fundierte hiert und in einem Auswertungstool in Form
Untersuchung mit qualitativen Methoden. von verdichteten Kernaussagen festgehalten.
Wesentlich waren dabei vier Faktoren und Pro Interview ergab sich eine durchschnittliche
deren schlüssige Kombination: eine Auswahl Anzahl von etwa 25 dokumentierten Kern-
von Ländern mit vielfältigen Perspektiven; aussagen. Im Zentrum standen das Erfassen
ausgesuchte, urteilsfähige Gesprächspartner und Verdichten der im Gespräch enthaltenen
in jedem dieser Länder; eine klare Methodik relevanten Aspekte pro Teilnehmer. Insgesamt
von Gesprächsführung, systematischer Doku- sind damit 4560 Kernaussagen entstanden;
mentation und mehrstufiger Auswertung; ein sie bilden das ›Rohmaterial‹, auf dessen Basis
festgelegter thematischer Gesprächsrahmen. die Auswertung durchgeführt worden ist. Sie
Die verschiedenen Elemente und Sequenzen sind sowohl nach verschiedenen Themenfel-
der Studie gibt Abbildung 1 wieder. dern erfasst, die bei der Befragung eine Rolle

3 Deutschland in den Augen der Welt. Zentrale Ergebnisse der GIZ-Erhebung »Außensicht Deutschland –
Rückschlüsse für die Internationale Zusammenarbeit«; Bonn/Eschborn, Mai 2012.
4 Im Anhang findet sich eine vertiefte Darstellung des methodischen Vorgehens.
Zur Methodik der Studie

Abb. 1

Sequenzen der Studie

1
Studiendesign
(u.a. Katalog mit Leitfragen, Auswahl der Gesprächspartner)

2
Interviews
18
Freie Assoziationen • 11 Themenfelder • zukünftige Erwartungen

3
Auswertung
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3
Sichtung, Rückkopplung, Quervergleich,
Analyse, Diskurs, Diskurs,
Vorstrukturierung erste Auswertung Aufbereitung
der Erkenntnisse

4
Studienbericht
 Kernaussagen (Phänomene) • Muster (Generalisierungen)
Schlussfolgerungen (offene Hypothesen)

Diskurs
spielten (s. u.), als auch nach Aussagearten würden Sie der Bundeskanzlerin mit auf den
(Beschreibung, Erwartung, Stärke, Risiko etc.) Weg geben wollen?‹ sollten die Gesprächspart-
und wurden dementsprechend doppelt codiert ner ermuntern, einen Blick in die Zukunft
(Themenfeld/Aussageart). bis ins Jahr 2020 zu werfen sowie individuelle
Erwartungen oder Empfehlungen zu äußern.
Bis auf wenige Ausnahmen wurden die
Interviews persönlich geführt. Alle Gespräche
26 Länder, Fokus Europa
basieren auf einer halbstrukturierten Frage-
technik. Sie ermöglicht Nachfragen, die Die Auswahl der 26 Länder erfolgte im
weitere Auskünfte und narrative Sequenzen Wesentlichen nach den gleichen Kriterien wie
ergeben. Die Gespräche verliefen jeweils in bei der ersten Erhebung: historische Beziehun-
drei Phasen: Ein erster, inhaltlich offen gestal- gen zu Deutschland, wirtschaftliche Verflech-
teter Teil diente dazu herauszufinden, wie und tungen sowie die Bedeutung der Länder für
in welchen Kategorien Deutschland gesehen bi- und multilaterale Politikprozesse. Neben
und beurteilt wird. Leitfragen wie ›Woran Staaten aus der Gruppe der G20 wurden soge- 19
denken Sie mit Blick auf Deutschland?‹ boten nannte ›pivotal powers‹ ausgewählt, Länder,
Raum für spontane, intuitive und persönliche die aufgrund ihrer geostrategischen Lage,
Eindrücke, Erlebnisse und allgemeine Wahr- also ihrer Population, ihres ökonomischen
nehmungen. Die zweite Phase des Interviews Potenzials und ihres politischen Gewichts eine
zielte auf die Betrachtung verschiedener regionale Schlüsselrolle spielen. Sie fungieren
Themen- und Beobachtungsfelder ab. Abbil- als wirtschaftliche Knotenpunkte und prägen
dung 2 listet die insgesamt elf Felder auf. die Konturen zukünftiger Weltpolitik mit.
Jedem Gesprächspartner wurde ein Set von Außerdem sollten möglichst viele Kultur-
elf Karten angeboten, aus dem er die für sich räume, Ethnien und Religionen vertreten sein.
persönlich relevantesten Themen auswählen Vereinzelt konnten Länder, die die Kriterien
und mit freien Assoziationen versehen durfte. erfüllt hatten, nicht in die Auswahl aufgenom-
Über diese elf Felder werden wesentliche men werden, da die Sicherheitslage vor Ort
gesellschaftliche Bereiche abgebildet; sie orien- eine Interviewreise verhinderte.
tieren sich zudem an Erfahrungswerten aus
der ­ersten Studie5. Mit dem expliziten Verweis Anders als in der ersten Studie steht diesmal
auf zusätzliche, frei wählbare Beobachtungs­ Europa stärker im Fokus. Der Grund: In den
felder (›Wildcard‹) wurde deutlich gemacht, seit der ersten Erhebung vergangenen drei
dass die Gesprächspartner auch weitere The- Jahren haben europäische Themen – wie etwa
men ansprechen konnten. Die dritte und letzte infolge der anhaltenden europäischen Wirt-
Phase des Interviews wurde für einen offenen schafts- und Finanzkrise – erheblich zugenom-
und reflektierenden Ausklang genutzt. Fragen men und die Rolle Deutschlands maßgeblich
wie ›Worin sehen Sie abschließend die größten beeinflusst. Von den 26 ausgewählten Ländern
Chancen/Risiken für Deutschland?‹ oder ›Was sind zehn europäische Staaten, drei mehr als

5 Im Anhang findet sich des Weiteren eine detaillierte Gegenüberstellung der Themenfelder von Studie 1 und 2.
Zur Methodik der Studie

Abb. 2

Themengebiete

> Infrastruktur, Technologie > Politische Ordnung und


und digitaler Wandel Verwaltung

> Bildung und Beruf > Familie und Werte


> Wissenschaft und Innovation > Innere und äußere Sicherheit
> Migration und Integration > Energie und Umwelt
20
> Kultur und Lebensstil > Wirtschaft und Finanzen
> Gesundheit und Lebensqualität

in der ersten Erhebung. Genau die Hälfte (13) Interviewpartner zeichnen ein Bild
der Staaten, in denen aktuell Befragungen von Deutschland
stattfanden, waren schon in der ersten Studie
vertreten. Die Anzahl und Verteilung der Län- Aufgrund des Anspruchs der Studie, ein auf
der, auch im Vergleich mit der ersten Studie, Erfahrungen beruhendes Bild von Deutschland
verdeutlicht Abbildung 3. zu zeichnen, waren gewisse Kenntnisse von
Deutschland wichtig. Der Großteil der Befrag-
Dabei sind zwei Hinweise bedeutsam für ten hatte entweder einige Zeit in Deutsch-
die Lesart der Untersuchung: die qualitative land gelebt oder gearbeitet, hatte intensive
Anlage der Befragung einerseits und die Geschäftsbeziehungen mit deutschen Firmen
nicht-repräsentative Auswahl einer Handvoll oder familiäre Verbindungen. Eine geringe
Gesprächsteilnehmer pro Land andererseits. Anzahl von Interviewpartnern hatte ihre
Weder Einzelaussagen noch deren Aggrega- Kenntnisse vor allem oder ausschließlich über
tion oder Interpretationen in dieser Studie öffentliche Medien oder andere Informations-
lassen eine wissenschaftlich gültige Übertra- kanäle erworben. Unter den Gesprächspartnern
gung auf ganze Länder oder Regionen zu. befinden sich zahlreiche Entscheidungsträger,
Vielmehr entstehen aus den vielfältigen Kern­ die sich durch eine besondere Kompetenz und
aussagen in einem mehrstufigen Verfahren Erfahrung auszeichnen, fundiert über Deutsch-
der Analyse und Interpretation ›Bilder‹ über land sprechen zu können. Gleichwohl hat die
Deutschland. Gesamtheit der Interviewpartner eine große,
beabsichtigte Bandbreite. Hier einige Bei- und schließlich daraus abstrahierend Annah- 21
spiele: ein ehemaliger britischer Botschafter in men zu formulieren. Die Schrittfolge bei der
Deutschland, eine Studentin aus Brasilien mit Aus­wertung umfasste, vereinfacht dargestellt,
mehrmonatiger Arbeitserfahrung in Deutsch- drei Stufen:
land, ein deutschsprachiger türkischer Anwalt
und ehemaliger Parlamentarier, ein Künstler 1. Sichtung, Analyse, Vorstrukturierung:
aus China mit Zweitwohnung in Berlin, eine individuelle Sichtung aller ­Kernaussagen,
kongolesische Bankerin sowie ein indischer Detailanalyse nach Themenfeldern
Umweltaktivist mit langjährigen Arbeitskontak- und Beschreibung erster Beobachtungen
ten in Deutschland. Indem ›Deutschlandken- 2. Rückkopplung, Diskurs, erste
ner‹ befragt wurden, mag sich der Anteil derer Auswertung:
erhöhen, die tendenziell positiver zu Deutsch- Überprüfung der ersten Annahmen
land eingestellt sind, als dies bei einer zufälligen im Interviewerkreis und offene Hypo-
Stichprobe der Fall sein kann. Diese Entschei- thesenbildung in übergeordneten
dung fiel bewusst, um das angesprochene Interpretationsfeldern
erfahrungsgesättigte Bild zu erhalten und damit 3. Quervergleich, Diskurs, Aufbereitung:
auch einen Unterschied zu anderen existieren- Überprüfung der Ergebnisse im Interviewer-
den Wahrnehmungsstudien zu erzielen. kreis, Vertiefung anhand des Rohmaterials,
Strukturierung der Studie.

Auswertung in mehreren Schritten


An der Auswertung war in unterschiedlicher
Die Hauptaufgabe bei der dritten und vierten Intensität die Gesamtheit der rund ein Dutzend
Sequenz der Untersuchung – Auswertung und Interviewer beteiligt. Damit war beabsichtigt,
Verfertigen des Studienberichts – lag darin, die Hypothesenbildung immer wieder an den
durch Erfassen und Strukturieren des ›Rohma- einerseits persönlich erlebten Befragungskontext
terials‹ erste Zuschreibungen zu erkennen, auf rückzubinden, andererseits aber auch durch
der Grundlage dieser Beobachtungen verall­ die Rückkopplung an die Gruppe der Inter-
gemeinernd auf bestimmte Muster zu schließen viewer individuelle Verzerrungen weitgehend
Zur Methodik der Studie

Abb. 3

Länderauswahl

Land wurde bereits in Studie 1 erfasst


Land wurde nur in Studie 2 ausgewählt

22

Amerika Europa Naher Osten/ Asien


MENA
Brasilien Frankreich Afghanistan
Kolumbien Griechenland Ägypten China
Mexiko Großbritannien Marokko Indien
USA Italien Iran Indonesien
Niederlande Mongolei
Afrika
Norwegen Vietnam
Polen DR Kongo
Rumänien Südafrika
Russland Tansania
Türkei
auszuschließen. Das dreistufige Verfahren der rungen einzelne Aussagen gestellt, die sich als
Auswertung führte demnach vom Konkre- besonders sinnfällig oder markant erwiesen; dies
ten zum Allgemeinen und wieder zurück zur wird im Text entsprechend kenntlich gemacht.
Einzelerfahrung. Zuletzt werden drittens Zusammenhänge höhe-
rer Ordnung in Form von Annahmen oder
Der Studienbericht besteht aus vier Haupt­ Hypothesen abgebildet. Immer dort, wo sich
kapiteln, die übergeordnete thematische Vergleiche zu den Erkenntnissen der ersten
Zusammenhänge aus den mehr als 4500 Befragung ziehen ließen, wird im Text darauf
Kern­aussagen beschreiben: Wie das Ausland verwiesen.
die Deutschen sieht; Fähigkeit und Attrak-
tivität Deutschlands; Die internationale Die folgenden vier Hauptkapitel sind als
Rolle Deutschlands; Zur Außendarstellung Momentaufnahme und zugleich als Kaleidos-
Deutschlands. kop weltweiter Betrachtungen und Reflexio-
nen zu Deutschland zu lesen. Sie werden den
Erkenntnisse zu den elf in der Befragung Leserinnen und Lesern als Raum für eigene 23
integrierten, oben genannten Themenfeldern Ableitungen und Interpretationen angeboten
werden – abweichend von der ersten Deutsch- und laden zur kritischen Betrachtung und
landstudie – nicht separat dargestellt. Sie fließen Hinterfragung ein.
stattdessen in die vier Hauptkapitel ein, weil
die inhaltliche Auswertung ergeben hat, dass
die Verdichtung in übergreifende thematische
Linien aussagekräftiger ist. Erwartet werden
darf in diesen folgenden Kapiteln dreierlei:
Erstens werden Kernaussagen oder Teile davon
verwendet, welche jeweils in doppelte Anfüh-
rungszeichen gesetzt sind6; sie bleiben nah an
der Quelle und beschreiben erste Beobachtun-
gen der Gesprächspartner. Zu berücksichtigen
ist dabei, dass es sich nicht um transkribierte
Originalaussagen der Befragten handelt,
sondern um verdichtete Kernaussagen aus den
Interviews. Dass diese nicht einem bestimmten
Gesprächspartner zugewiesen werden, folgt
dem Anspruch auf Anonymität, wie sie allen
Befragten zugesichert wurde. Aus derartigen
Kernaussagen lassen sich zweitens Verallgemei-
nerungen im Sinne von Mustern entwickeln.
Bisweilen werden neben diese Generalisie-

6 In einfache Anführungszeichen hingegen sind jene Begriffe und Sätze gesetzt, die vom Autor
und nicht von den Befragten stammen.
Charaktereigenschaften:
Wie das Ausland
die Deutschen sieht
B ei den Eigenschaften, die den Deutschen
gemeinhin zugeschrieben werden, ist man
sich in aller Welt in einem Punkt sehr einig:
Art den Fortschritt einer Gesellschaft begünsti-
gen können.
25

Die sogenannten ›Sekundärtugenden‹ Ord-


Präzise wie Maschinen
nungsliebe, Diszipliniertheit und Pünktlichkeit
scheinen für Deutsche typisch zu sein. Dane- Anhand der in den Interviews gesammelten
ben verbindet die Mehrheit der Befragten die Aussagen dürfte es darüber hinaus gerechtfer-
Deutschen mit Rationalität, Gründlichkeit, tigt sein, deutsche Eigenschaften nicht nur als
Perfektion und Effizienz. Diese Merkmale wur- Aneinanderreihung herkömmlicher Stereo­
den bereits in den Interviews der ersten Studie type zu betrachten. Die gleichen Attribute, die
genannt. Zunächst erscheint der Charakter der angeblich für die Deutschen individuell gelten,
Deutschen demnach als ziemlich beständig. werden von den Befragten häufig auch für
deutsche Produkte, für Institutionen und sogar
In zahlreichen Aussagen spiegelt sich dabei für gesellschaftliche Teilsysteme wie das Rechts-,
zudem eine Form von Respekt und Bewun- Wirtschafts-, Bildungs- und Wissenschaftssys-
derung, wenn es etwa heißt, in vielen Län- tem geltend gemacht. Diese genießen den Ruf,
dern seien die Werte in der Gesellschaft geregelt, effizient, erfolgreich und modellhaft zu
verloren gegangen, hingegen »existieren sie in sein. Oft wird im Ausland eine Wechselwirkung
Deutschland noch, ganz abgesehen von den zwischen deutschen Tugenden und deutschen
deutschen Tugenden«. Andere fassen es so Produkten und Systemen angenommen –
zusammen: »Pünktlichkeit, Ordnung, Strenge, als würden sie sich gegenseitig positiv verstär-
Leistung, Disziplin – das ist die Basis dessen, ken. So hört man etwa aus Afghanistan, in
wie Deutschland heute dasteht.« Oder: »Die ihrem Verhalten seien die Deutschen »so präzise
Deutschen respektieren stets die Zeit und sie wie ihre Maschinen. Alle anderen Nationen
planen alles. Wenn wir davon lernen würden, sind darin schwächer.« Ein häufiger genanntes
würden wir sehr weit vorankommen.« Aus Beispiel dafür ist das öffentliche Nahverkehrs-
diesen und ähnlichen Aussagen spricht zunächst system, das Ausländer gerne als vorbildlich
die Vorstellung, dass Charaktermerkmale dieser beschreiben: »Der öffentliche Nahverkehr ist
Wie das Ausland die Deutschen sieht

wunderbar organisiert. Alles geht sehr schnell


und ist einfach gelöst. Jeder scheint immer das
Richtige im richtigen Moment zu tun, das gilt
aber nicht nur für das Personal im Zug, auch
Kellner und andere Arbeiter tun ihren Job sehr
effizient.« Was in dieser Aussage exemplarisch
zusammengefügt wird: Eine exzellente deut-
sche Hardware – wie etwa der ICE – werde in
Deutschland mit ausgeklügelten Strecken- und
Zeitplänen kombiniert, zudem werde alles
inklusive der Arbeitskräfte optimal aufeinander
abgestimmt. In der Fortsetzung dieses Gedan-
kens könnte man also meinen, die Pünktlich-
keit der Verkehrsmittel leiste der Effizienz der
26 Arbeitswelt Vorschub – und fördere damit
sowohl die Arbeitsmoral als auch die Qualität
der Arbeitsprodukte. Eine Wechselwirkung, die
einige im Ausland sehr positiv bewerten.

Es entsteht Vertrauen
Durch seine geschilderten Charaktermerkmale
erscheint der Deutsche vielen im Ausland
vor allem als verlässlich und berechenbar.
Das schafft zuallererst zwischenmenschliches
Vertrauen, wie es in zahlreichen Gesprächen
zum Ausdruck kommt: »Auch wenn Ihr Euch
manchmal in Regeln verfahrt, habe ich nie
Schwierigkeiten, Euch zu vertrauen.« Andere
wollen gar einen gesellschaftlichen Effekt aus-
machen, wie man dem nachfolgenden Beispiel
entnehmen kann: »In den kleineren Städten
haben wir die erstaunliche Erfahrung gemacht,
dass man in Hotels nicht nach dem Pass oder
nach der Kreditkarte gefragt hat. Es herrschte
ein unglaubliches Vertrauen. Für mich ist das
ein kultureller Faktor: In Deutschland wird
man dazu erzogen zu vertrauen.«
»Es gibt nichts Negatives zum Thema
Allerdings hat das positive Bild auch seine Vertrauen zu sagen: Der Deutsche meint,
Grenzen. Denn beim Faktor Vertrauen scheint was er sagt, und sagt, was er denkt.«
bei einigen ein gewisses Ungleichgewicht zu Indien
»Deutsche sind etwas engstirnig. Ihr könnt Euch
nicht vorstellen, dass der Bootsmann auf dem
Río Caguán Guerrillero ist – und der stellt
bestimmt keine ordnungsgemäße Quittung aus,
die man zur Reisekostenabrechnung benötigt!«
Kolumbien

herrschen, je nachdem, ob es nach innen oder nen nie das schon Erreichte, sondern nur die 27
außen gerichtet ist: »Werte wie Seriosität, Ver- noch bestehenden Schwierigkeiten.« Weil Deut-
trauen und Zuverlässigkeit sind den Deutschen sche in ihren Charaktereigenschaften zu eben-
im eigenen Land sehr wichtig, nicht immer im dieser Perfektion neigten, bestünde nicht selten
Verhältnis gegenüber anderen Ländern in der die Gefahr, dass sich die positiven Attribute –
EU.« Auch provozieren die genannten Merk- wie etwa Effizienz – ins Negative verkehrten.
male von Präzision und Effizienz bisweilen ein Dadurch bleibe anderen gelegentlich der
Gefühl von gewissen Grenzen beim Gegenüber, Zugang verwehrt. So heißt es etwa exemplarisch
wenn es etwa heißt: »Die Deutschen kommen aus Brasilien: »Ein Deutscher pflegt als Wert
immer direkt zum Punkt. Das macht uns deut- zuallererst seine Arbeit, die ist immer in seinem
lich: Wir haben die Planung vergessen.« Und Kopf. Er fragt sich ständig: Wie kann ich noch
aus anderer Richtung verlautet: »Deutschland effizienter werden? Manchmal sind Deutsche so
fühlen wir uns immer unterlegen, wir fühlen effizient, dass sie für andere zu schnell sind.«
uns seinen Ansprüchen nicht gewachsen. Wir
sind nicht pünktlich, wir können uns nicht Insgesamt lassen die Aussagen den Rück-
benehmen, wir wahren nicht die Distanz, schluss zu: Solange die besagten Merkmale
unsere Straßen haben Schlaglöcher …« Ein zu die Deutschen berechenbar und verlässlich
starkes Beharren auf Effizienz von deutscher machen, legt man dies als Stärke aus. Negativ
Seite, so könnte man schlussfolgern, birgt das bewertet werden die gleichen Eigenschaften
Risiko von Distanzen und verhindert einen jedoch, sobald sie als unabdingbar gelebt und
Austausch auf Augenhöhe. vom Gegenüber ebenso eingefordert wer-
den – und dann übertrieben und unflexibel
erscheinen. So etwa, wenn ein Deutscher von
Vom eckigen Deutschen
einem einmal gefassten Standpunkt partout
Daran schließt sich eine häufig benannte Wahr- nicht abweichen will. Ferner machten Deut-
nehmung an: die zur Perfektion der Deutschen. sche es nicht nur ihrem Gegenüber mit ihrem
Diese sei »Teil ihrer Mentalität. Jeder Bürger Hang zur Perfektion schwerer; auch sich selbst
steht unter Erfolgszwang. Die Deutschen beto- könne man möglicherweise schaden, wenn
Wie das Ausland die Deutschen sieht

»Deutsche können auch spontan sein –


aber es fällt ihnen schwer.«
Mexiko

28 man allzu bestrebt und rigide sei – denn das Rigidität macht unflexibel
schränke ein. Genannt wird in diesem Kontext
im Ausland häufiger das Bild vom ›deutschen Im persönlichen Umgang werden die deutschen
Quadratschädel‹: »Wir Chinesen sagen, die Sekundärtugenden im Ausland mitunter als zu
Deutschen haben einen viereckigen Kopf, sie streng und eher hart aufgefasst. Bevor ein engerer
sind zu ordentlich. Ich glaube, wenn alles in und intensiverer Kontakt entstehe, erlebe
Ordnung ist, gibt es keine Lücken, aber man man eine gewisse Distanziertheit, Sachlichkeit
muss diese Lücke haben, um neu zu den- und Nüchternheit schnell als zu reserviert,
ken.« Auch andere Interviewpartner werfen verbissen oder gar als unfreundlich. »Für uns
die vorsichtige Frage auf, ob Deutschland ist das manchmal zu konfrontativ«, spricht
damit in einer immer facettenreicheren Welt ein Gesprächspartner aus Ägypten offen aus.
adäquat zurechtkommen werde. Denn vielfach Außerdem wird den Deutschen unterstellt,
empfinden Ausländer die bisweilen als über- häufiger ›in Schubladen‹ oder aber in ›Schwarz-
trieben rigide wahrgenommenen deutschen Weiß-­Bildern‹ zu denken und damit viele
Verhaltensweisen nicht bloß als starr oder auch Nuancen gar nicht erst wahrnehmen zu können.
stur, sondern betrachten sie überdies als wenig Das sei nicht boshaft gemeint, sondern Deut-
zielführend für Deutschland selbst – und als sche bräuchten das, »um mit dem Gegenüber
symptomatisch für seine möglicherweise einge- umgehen, es einschätzen zu können«. Fühlt sich
schränkte Wandlungs- und Zukunftsfähigkeit. der Deutsche nur in einem Korsett von strengen
Aus Indien verlautet: »Man agiert vorsichtig. Regeln wohl, an das er sich individuell und
Aber in den Zeiten rapiden Wandels ist das gesellschaftlich gewöhnt hat? Gibt ihm das jenes
nicht mehr hinreichend.« Mitunter wird die Maß an Sicherheit, das er braucht, um gut mit
Vorstellung vom ›eckigen‹ Deutschen allerdings anderen zu funktionieren? Bewirkt das deutsche
einfach nur wohlwollend schmunzelnd gezeich- Regelsystem eine gewisse Rigidität, mangelnde
net: Eine im Ausland beliebte Frage beschäftigt Flexi­bilität und damit auch Grenzen? Ist
sich damit, warum deutsche Fußgänger auch Deutsch­land allein für das Maß an Fortschritt
des Nachts an roten Ampeln verweilen, selbst offen, das zu seinen prägenden Charakter­
wenn die Straßen frei sind. eigenschaften passt? Eine restriktive Haltung
verleite die Deutschen zumindest manchmal zu aus Indonesien, entschiedener: Deutsche 29
einem ›Tunnelblick‹, der auf der Einhaltung hätten einen extrem starken Willen ausgebildet,
von Wegen und Regeln beharre, statt alternative denn »wie sonst kannst du dich nach einem
Lösungspfade in Betracht zu ziehen oder Dinge so schrecklichen Krieg so gut entwickeln und
intensiver zu hinterfragen. Aus den Gesprächen einer der besten Player der Welt werden«?
geht hervor, ein stets an Perfektion orientierter Überwiegend bleibt der im Ausland sehr positiv
Deutsche laufe Gefahr, kreative Spielräume bewertete Eindruck, Deutschland habe sich
›weg­zuregeln‹, ein durchgängig pragmatisch han-­­­ seiner historischen Schuld gestellt und die
delnder Deutscher sei nicht wirklich fähig zu NS-Verbrechen vorbildlich aufgearbeitet. Aus
Visionen. So heißt es aus der Türkei: »Die Deut- der Mongolei ist zu hören, die Überwindung
schen könnten so viel mehr erreichen, wenn des Totalitarismus in Deutschland sei eine
sie mehr von der Hoffnung getragen wären.« wichtige Erfahrung und »vorbildlich für die
Demokratie«; Deutschland habe es geschafft,
»ein demokratisches ­System zu entwickeln, wel-
Schweres Gewicht Vergangenheit
ches immun ist gegen Faschismus«. Dennoch
Die zunächst als berechenbar und damit positiv, meinen viele zu erkennen, dass die Deutschen
in mancher Hinsicht bisweilen aber als einen- ihre Vergangenheit und die Schuld des Geno-
gend und einschränkend wahrgenommenen zids auch heute noch nicht ›abschütteln‹ könn-
Ausprägungen der deutschen Charaktereigen- ten: »Die Deutschen tragen ihre Vergangenheit
schaften erklären zahlreiche Gesprächspartner als schweres Gewicht mit sich herum. Sie
nach wie vor mit der deutschen Vergangenheit. verstehen es regelrecht als persönlichen Angriff,
Dieses Erklärungsmuster wurde bereits in der wenn man Witze über Hitler macht.« Vielleicht
ersten Studie vielfach verwendet. »Womög- orientiere man sich gerade deshalb an eher
lich agiert Deutschland häufig zurückhaltend, starren charak­terlichen Tugenden und Werten –
weil es von kollektiver Schuld angesichts der Disziplin, Regeltreue –, um das Überschreiten
deutschen Geschichte gezeichnet ist.« Während bestimmter Grenzen künftig zu verhindern,
sich diese Stimme aus Indien noch fragend legen manche Aussagen implizit nahe. Etwas
heran­tastet, klingen andere, wie eine Aussage mehr Balance, Reife und Verantwortungsbe-
Wie das Ausland die Deutschen sieht

wusstsein nimmt hingegen ein italienischer ließe sich in den Augen der ausländischen
Gesprächspartner wahr: »Der Deutsche scheint Betrachter die Geschichte sinnvoll nutzen.
sehr ausbalanciert zu sein: Er ist in der Lage,
zurück auf seine Geschichte zu schauen, zieht
Persönliche Freiheit – geheimnisvoll
daraus ein gutes Selbstvertrauen und schaut
oder zweckdienlich?
dennoch ausreichend in die Zukunft.« Damit
vertritt er jedoch eine Minderheitenmeinung. Im Fremdbild vom Deutschen zeigt sich ein
weiterer interessanter Zug, der nicht selbstver-
Insgesamt schwingt ein Rat mit, den man den ständlich aus dem Stereotyp des Regelliebenden
Deutschen verschiedentlich mit auf den Weg hervorgeht, ihm sogar partiell zu widersprechen
geben möchte: ›Schließt das Kapitel der Kriegs- scheint: Außenstehende sagen den Deutschen
vergangenheit allmählich ab!‹ Denn die Welt hohe Ansprüche auf individuelle Freiheit
vertraue mittlerweile den Deutschen – und und ein Streben nach eigenverantwortlichem
traue ihnen eine global gestaltende Rolle zu, die Handeln nach. Das fängt bei alltäglichen
30 über ein planvoll geregeltes Funktionieren hin- Dingen an, wie sich die Freiheit zu nehmen,
ausgehe. Schließlich prägten auch die jüngeren auf deutschen Autobahnen so schnell zu fahren,
Entwicklungen deutscher Geschichte, spezi- wie man möchte. Jemand macht darin einen
ell die Wiedervereinigung. Den aus externer »tieferen Sinn« aus: »die Freiheit, sich verant-
Perspektive vielfach als gelungen wahrgenom- wortlich verhalten zu können«. Andere werfen
menen Prozess der Wiedervereinigung gestalte Fragen auf: »Was ich nicht ganz verstehe: Wie
Deutschland mit der gleichen charakterlichen geht es, dass in Deutschland so viele Regeln,
Stärke, die es bereits beim Wiederaufbau nach Ernsthaftig­keit und Gründlichkeit dennoch zu
dem Zweiten Weltkrieg demonstriert habe. So einem subjektiven Gefühl gesteigerter Freiheit
hört man aus Italien, Deutschland habe »mit führen?« Aus Frankreich ist zu vernehmen:
der Wiedervereinigung gezeigt, wozu es in »Es gibt eine interessante Kluft zwischen der
der Lage ist. Das könnte auch als Modell für Erziehung der Kinder, die sehr locker und frei-
Integrationsbemühungen in der EU stehen. heitsbetont ist, und dem beruflichen Korsett,
Deutschland hat heute eine substanzielle Sta- in das sich die Deutschen sehr gut einpassen.
bilität.« Aus Mexiko verlautet: »Die Deutschen Das ist für mich ein großes Mysterium.«
sind sehr diszipliniert. Das fängt in der Schule Im Iran gibt man sich gewisser: »Deutschland
an und zeigt sich auch darin, wie sie die Wie- wird ­identifiziert mit Sicherheit, Ordnung
dervereinigung gemeistert haben – jetzt ernten und Selbstdisziplin. In Deutschland kann man
sie die Früchte dieser jahrelangen Disziplin!« lernen, dass eine freie Seele und ­Selbstdiszi­plin
Und aus Kolumbien heißt es: »Deutschland kein Widerspruch sind.« Ist der Deutsche
ist für uns eine starke Referenz, nicht nur im womöglich dialektisch und facettenreicher, als
Sport, auch im Umgang mit der Geschichte, es auf den ersten Blick erscheint?
mit der Wiedervereinigung. Die Erfahrungen,
die ihr mit der Wiedervereinigung und der Eines ist für viele jedenfalls ersichtlich: Weil dem
Aussöhnung gemacht habt, würden wir gerne Deutschen seine individuelle Freiheit ein hohes
für uns nutzen.« Die Aufarbeitung deutscher Gut ist, ist er auch bereit, sie anderen maximal
Geschichte als Lernerfolg und Modell für die zu gewähren. Das führe zu gegenseitiger Rück-
Gestaltung internationaler Beziehungen – so sichtnahme, die wiederum bei ganz alltäglichen
31

»Es gibt eine interessante Kluft zwischen der


Erziehung der Kinder, die sehr locker und
freiheitsbetont ist, und dem beruflichen Korsett,
in das sich die Deutschen sehr gut einpassen.
Das ist für mich ein großes Mysterium.«
Frankreich
Wie das Ausland die Deutschen sieht

32 Aktivitäten ihren Anfang nehme: »Jeder trägt in


Deutschland sein Tablett selbst weg, und keiner
erwartet, dass ein anderer die Sachen für einen
wegräumt. Es ist in Deutschland ein großer
Wert, für sich selbst verantwortlich zu sein. Das
finde ich gut.« Eine mögliche Deutung solcher
Aussagen: Es geht den Deutschen um Respekt.
Sie streben nach individueller Freiheit, die sie
respektiert wissen wollen – für sich und auch für
den anderen. Oder, wie es jemand aus Mexiko
formuliert: »Die Deutschen lieben ihre Freiheit
und ihre Rechte. Dabei haben sie verstanden,
dass Rechte auch Pflichten implizieren.«

Nein zum deutschen Zeigefinger


Aber auch dabei gilt, was bereits an anderer
Stelle gesagt wurde: Die Regeltreue bleibt in
der externen Wahrnehmung sogar in puncto
Freiheit oft das bestimmende Moment. Sobald
die Freiheit einseitig eingeschränkt werde,
komme nicht selten der ›deutsche Zeigefinger‹
ins Spiel: Häufig wird der Deutsche dann als »Die Deutschen denken, sie hätten
belehrend – wenn nicht gar als bevormundend viel gesehen. Sie sind aber eigentlich
– wahrgenommen, als Besserwisser, der immer nicht sehr international, vor allem
zu ahnen glaubt, was für andere das Beste sei. außerhalb Europas. Doch sie agieren
Viele weisen diese Form der Belehrung als trotzdem immer mit dem Zeigefinger.«
unpassend zurück: »Die typische Schwäche China
»Die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich
kann man am besten beschreiben mit dem Zitat
und Filmtitel ›Je t’aime – moi non plus‹. Will sagen,
die Franzosen denken: ›Deine Leistungen heben meine
Unzulänglichkeiten hervor.‹«
Frankreich

von Deutschen ist mangelnde Flexibilität und den Raum: »Ob Deutschland in 50 Jahren 33
die Neigung dazu, andere zu belehren.« Nur noch als Deutschland erkennbar ist, weiß
wenige wollen darin auch ein positives Merkmal ich nicht, vielleicht entscheidet man sich ja
erkennen, dann nämlich, wenn das Belehren bewusst für Überfremdung.« Zu traditionellen
dem Gemeinwohl zu Gute kommt. So berich- Eigenschaften träten jedenfalls neue Merk-
tet ein britischer Gesprächspartner von seiner male hinzu, deren Interpretation gelegentlich
Erfahrung: »Als ich nach Deutschland kam, nicht leicht fällt und eine gewisse Ratlosigkeit
war ich sehr überrascht, dass fremde Leute auf oder zumindest Staunen hinterlässt. So wird
der Straße darauf achten, dass sich alle korrekt Deutschland hie und da eine neue Lockerheit
verhalten – z. B. dass Hunde angeleint sind oder beschieden, die sich – anders als noch bei der
Müll nicht auf die Straße geschmissen wird. ersten Erhebung – nicht beinahe ausschließ-
Anfangs nahm ich das persönlich, doch dann lich auf das als besonders ›cool‹ erlebte Berlin
lernte ich, dass es nur dem Gemeinwohl dient beschränkt. Dem oft gehörten Stereotyp des
und daher sehr positiv ist!« humorlosen Deutschen wird das Bild eines
»subtilen deutschen Humors« entgegengesetzt.
Viele Beobachter betonen, seit der Wieder-
Etwas scheint in Bewegung zu sein
vereinigung sei eine neue Entspanntheit im
Für viele unübersehbar ist ein gewisser deutschen Charakter offensichtlich: »Der
Wandel, den der deutsche Charakter trotz Krampf ist vorbei, das Land ist zufrieden
seiner anfangs beschriebenen Beständig- mit sich selbst. Damit ist es eine Ausnahme
keit derzeit erfährt. Ausländische Befragte in Europa.« Als Beweis für den Wandel wird
nehmen diesen Charakter nicht mehr ganz häufig der deutsche Fußball herangezogen:
so eindeutig und geradlinig wahr wie frü- Beim ›Sommermärchen‹, der 2006 im eigenen
her. Könnte hierbei eine Rolle spielen, dass Land ausgetragenen Fußball-WM, standen die
sich Deutschland als Land mit einer hohen Deutschen in den Augen des Auslands für Spaß,
Einwanderungsquote nach und nach über die Lebensfreude, Humor, Toleranz, Gastfreund-
Berührung mit anderen Kulturen verändert? schaft sowie eine fröhliche Verbundenheit mit
Ein Südafrikaner stellt jedenfalls die Frage in der eigenen Nation. Bereits in der ersten Studie
Wie das Ausland die Deutschen sieht

34 hatten einige Befragte davon gesprochen, es Ambivalentes zum Vorschein: beispielsweise,


gebe Schritte hin zu einer neuen, durchaus posi- dass Deutschland zwar ein säkularer Staat sei,
tiv rezipierten Form deutschen Nationalstolzes. gleichzeitig aber die Religion eine sehr wichtige
Auch in der zweiten Erhebung taucht dieses Rolle spiele, was man etwa an der Kirchensteuer
Phänomen wieder auf, etwa in einer Meinung ablesen könne. In der zweiten Erhebung, so hat
aus Südafrika: »Die Fußball-WM 2006 erlaubte man den Eindruck, treten diese vermeintlichen
es den Deutschen, ihren Patriotismus in einer Widersprüche noch deutlicher in Erscheinung –
neuen, positiven Form zu zeigen: Mir erschien und verstärken somit auch die Ambivalenzen
das wie eine psychologische Wiedergeburt, der Beurteilung. »Deutschland wird für seine
die WM als Coming-out-Party der deutschen Gesetzestreue und Ordnung bewundert, die
Seele.« Der gleiche Befragte betont zudem, der gleichzeitig auch als unmenschlich wahrgenom-
deutsche Fußball habe sich seither nochmals men wird. Deutschland wird für seine Stärke
verändert: »Heute verkörpert er für mich die und Unabhängigkeit bewundert, die gleichzeitig
zwei positiven Seiten Deutschlands: die gut als arrogant oder gar faschistisch wahrgenom-
strukturierte und disziplinierte Ordnung, aber men werden kann.« Wie gesagt: Schon die Prä-
auch die kreative, innovative Pragmatik.« Der ferenz des Deutschen für klare Regelwerke gilt
Wandel deutscher Charaktereigenschaften – teils als nachahmenswert, teils als wenig attrak-
festgemacht an der Sportart Fußball. tiv. So stellt ein Gesprächspartner aus Mexiko
gleichsam zusammenfassend fest: »Das Bild der
Deutschen ist für mich nicht stimmig, ich kann
Ambivalenzen nehmen zu
es mir nicht in Gänze erklären, es bleibt immer
In dieser Aussage zum deutschen Fußball spie- ein Rest übrig.« Und aus den USA hört man:
gelt sich ein weiteres Merkmal, das im Bild des »Die Ironie ist: Trotz dieser Zögerlichkeit und
Auslands von Deutschland sichtbarer wird: Das Skepsis – wie sind der Erfolg und die innovative
Eindeutige, Eindimensionale der herkömmli- Kraft von Unternehmen wie BMW, Mercedes
chen Zuschreibungen weicht dem Mehrdeuti- und Volkswagen zu erklären? Da ist etwas im
gen und dem Sowohl-als-auch. Bereits in der deutschen Wesen, was am Ende des Tages nicht
ersten Studie kam bei ausländischen Befragten zu fassen, aber sehr erfolgreich ist.«
Angela Merkel

In Führung

Wer seinen Blick auf Deutschland ­richtet, jemanden in Russland ist sie »die deutsche
kommt offensichtlich an einer Person nicht Politik in Person«.
vorbei: »Angela Merkel verkörpert die
typische Deutsche: Sie ist diszipliniert, nicht Merkel habe für den guten Ruf Deutschlands
wechselhaft, denkt nicht in die eigene Tasche. gesorgt und erreicht, dass politische Eliten,
Sie verkörpert das, was funktioniert«. Diese wie ein Engländer sagt, auf sie und ihre
Aussage aus Brasilien fasst zusammen, was Regierung schauten, »nicht auf den Deut-
in zahlreichen Gesprächen zur Deutschland- schen Bundestag«. In Sachen Europa kommt
studie zum Ausdruck kommt: Die Bundes- man scheinbar an ihr erst gar nicht vorbei,
kanzlerin steht in den Augen vieler für das, denn »wer sonst«, fragt ein Amerikaner, 35
was sie als typisch deutsch bezeichnen »ist denn noch da, mit dem man über die
und vor allem an den ›Sekundärtugenden‹ Zukunft Europas reden könnte?« Offenbar
festmachen: diszipliniert, pragmatisch, ehrlich, hält man es für möglich, dass Merkel »aus
verlässlich, authentisch, meist entschieden, der Zukunft Euro­pas ihr Vermächtnis macht«.
bisweilen jedoch etwas zögerlich zu sein. Fol- Allerdings, so mahnen manche an, müsse sie
gerichtig steht an der Spitze der Nation eine dafür eine ­Vision formulieren, einen Teil ihrer
Persönlichkeit, die manche als Spiegelbild der Zögerlichkeit aufgeben und den Weg strikt
in Deutschland lebenden Menschen sehen. bis zum Ende gehen: »Um wirklich eine große
Politikerin zu sein und in die europäische
Angela Merkel erhält große Anerkennung Geschichte einzugehen, wird sie sich vom
aus dem Ausland, etwa für ihren Politikstil, Wählervolk lösen und endlich Entscheidungen
den viele im Ausland resolut, entschlossen treffen müssen, um Europa zusammenzubrin-
und mutig nennen. Respekt wird ihr selbst gen«, heißt es etwa in Italien. In ähnliche
von jenen gewährt, die sich von ihr politisch Richtung geht eine Beobachtung aus Polen,
distanzieren: »Ich nehme Merkel als sehr die vermutlich als Aufforderung zu verstehen
kompetent wahr, sie ist eine große Politi­ ist, mit dem hohen Maß an Aufmerksamkeit,
kerin. Sie beeindruckt mich, obwohl ich ihre das Deutschland zuteil werde, stets klug und
politische Linie nicht teile«. Das Bild von verantwortungsbewusst umzugehen: »Alle
einer ›großen Politikerin‹, einem ›world europäischen Länder schauen in unsiche-
leader‹ zeichnen manche. Sie begründen ren Zeiten auf Berlin, auf das, was Merkel
es damit, dass sie »sehr entschieden und macht. Deutschland versteht das aber nicht:
kompromisslos in der Außenpolitik ist und Da haben sie alles auf dem Teller, aber
innenpolitisch alles im Gleichgewicht hält«. sie essen es nicht.« Schließlich fragt sich
Angela Merkel sei eine »Trapezkünstlerin«, ein Interview­partner aus Mexiko: »Manch-
formuliert ein anderer Gesprächspartner. Für mal könnte sie risikofreudiger sein, mehr >
Wie das Ausland die Deutschen sieht

> ­Impulse geben. Was ist ihre Vision? Ich ein ­Croissant auf den Boden fällt und sie
weiß es nicht, ich weiß nur, dass sie die es wieder aufhebt: »Dies sagt viel über
nächsten Wahlen gewinnen will, sie ist eine ihre Haltung aus. Chinesen finden dies sehr
›Wahlkampfmaschine‹«. bemerkenswert«.

Dass Merkel sich in Konflikten für friedliche Bei aller Bewunderung für Merkel bleibt das
Lösungen einsetzt, macht sie international zu Bild der Kanzlerin eher sachlich und nüch-
einer sehr glaubwürdigen Figur. Gelegentlich tern gezeichnet, ohne Emotionen, Pathos und
schwingt jedoch auch etwas Mystisches mit – Visionen. Das gilt auch für die Äußerungen zu
so, als könne man nicht in Gänze erklären, ihr als Person rund um das Thema ­weibliche
warum sie es eigentlich so weit gebracht Führungsperson: Einige unterstreichen die
hat. Ein Brite etwa zieht Parallelen zwischen starke Symbolik, die daraus resultiert. Für
36 ­Margaret Thatcher und Angela Merkel: »Beide jemanden im Kongo ist Merkel schlechthin
sind nicht angetreten, um die Welt zu führen, »der Prototyp der starken Frau«. In Mexiko
und strahlten anfangs wenig Charisma schätzt man sie als »ein großes Vorbild,
aus – und hatten dann schließlich doch eine sie fungiert als ruhender Pol in der Politik«.
Führungsrolle inne.« Andere halten es für »eine absolute Stärke
Deutschlands, dass Angela Merkel als Frau
Mitunter mischt sich das Bild von der in eine politische Top-Position kommt«. Nur
großen Politikerin mit dem Blick auf eines könnte sie nach Meinung eines brasi-
­kleine, menschliche Gesten, etwa, wenn ihr lianischen Befragten verbessern: »Vielleicht
beim Staatsbesuch am Frühstücksbuffet sollte sie noch öfter lächeln«.

Zur leichten Ratlosigkeit im Ausland: Was deutsche Entscheidung zum Atomausstieg – wie
man bisher bei den Deutschen gut vorhersagen bereits in der ersten Studie – erneut von vielen
konnte, tritt nicht mehr zwangsläufig ein. So als übereilte Antwort der Politik auf den ›Super-
wundert man sich über das Scheitern deutscher Gau‹ von Fukushima kritisiert, die keine wohl-
Großprojekte, das der gewohnten Planungs- kalkulierte Entscheidung erkennen lasse. Die viel
präzision und Umsetzungsstärke widerspricht. beschworene, propagierte und oft als globales
Woran mag das liegen? Hin und wieder vertreten Modell erachtete ›German Energiewende‹ –
wird die Annahme, verantwortlich dafür sei siehe dazu auch den weiterführenden Exkurs
die Notwendigkeit gesellschaftlicher Debatten: ab Seite 49 – zeige: Deutschland meinte es
Deutsche bevorzugten bei markanten Entschei- wieder einmal gut, nahm sich viel vor, stößt
dungen, die möglicherweise größere Zäsuren für aktuell damit verschiedentlich an Grenzen und
viele, wenn nicht alle bedeuten, einen Konsens. kommt somit in der Realität an. Oder, wie es
Dies erfordere mehr Zeit – und verlangsame ein Befragter aus Großbritannien formuliert:
die Innovationsentwicklung. Hingegen wird die »Mit der Energiewende hat Deutschland einen
gravierenden Fehler gemacht. Ich verstehe nicht, Ebensowenig scheint inhaltliche Konsistenz 37
wie Deutschland sich überhaupt in eine solche beim Handeln in einem anderen Politikfeld,
Situation gebracht hat. Aus meiner Sicht war es dem der Außen- und Sicherheitspolitik, zu
eine Panikreaktion. Man wird den Preis dafür herrschen: So passe die auf weltweiten ­Frieden
zahlen müssen.« Eine Panikreaktion? Nicht bedachte Politik Deutschlands nicht zum
wirklich das, was man gewöhnlich im Ausland beachtlichen Volumen an Waffenexporten. Und
über Deutsche befindet. Wieder einmal zeigt auch die vergleichsweise schlechte Ausstattung
sich hier exemplarisch ein ›Sowohl-als-auch‹, der Bundeswehr stehe in auffälligem Kontrast
ein Wandel im Charakterbild der Deutschen, zu den technologischen und wirtschaftlichen
den Interviewte in den Gesprächen vermehrt Potenzialen des Landes. Dazu wird gelegentlich
zum Ausdruck bringen. angemerkt, Deutschland nutze seine ›militäri-
sche Armut‹, um daheim seine Zurückhaltung
bei kriegerischem Engagement zu begrün-
Hat Deutschland eine Hidden Agenda?
den und dem gesellschaftlichen Konsens zu
Bei manchen reicht die Verunsicherung noch entsprechen.
weiter. Sie nehmen nicht nur eine bisher un­be-
kannte Ambivalenz wahr, sondern vermuten An diesen Beispielen wird deutlich: Nicht
dahinter mehr. Für einige Befragte verschleiert allen erklärt sich Deutschland heutzutage
beispielsweise das Prestige Deutschlands als von selbst. Manche unterstellen eine ›Hidden
Umweltschützer, dass das Land als eine der Agenda‹ oder eine Doppelmoral, wie diese
führenden Industrienationen auch einer der Aussage aus Polen zur Eurokrise offenbart:
größten Umweltverschmutzer sei; die deutsche »So zu tun, als gebe es keine gemeinsame Ver-
Energiepolitik komme einem scheinheilig vor, antwortung für eine Entschuldung im Euro-
wenn weiterhin in großen Mengen Braunkohle Raum, halte ich für scheinheilig. Das ist nicht
verfeuert werde. Und hinter dem weltweit typisch deutsch. Deutschland war das erste
bekannten Image der Deutschen, ­besonders Land, das die Euro-Kriterien umgangen hat.
›grün‹ zu sein, vermuten Skeptiker eine ausge- Bei den anderen schaut man genau hin.« Viele
feilte Strategie zur Wirtschaftsförderung. raten geradeheraus, die Dinge offen auf den
Wie das Ausland die Deutschen sieht

»Deutsche sind nicht so spontan. Wenn du im


Tanzkurs nur mal eine neue Drehung
machen willst, kommt von den Deutschen immer:
›Das haben wir noch nicht gelernt!‹«
38
Kolumbien
Tisch zu legen, auch die eigenen Interessen Auf der Suche nach neuer Identität
in der Politik kundzutun. Transparenz – wie
etwa der eigenen, durchaus legitimen Interes- Insgesamt überwiegt beim Blick auf den deut-
sen – schaffe Fakten, mit denen man sich im schen Charakter der Eindruck, Deutschland
Ausland sodann fair auseinandersetzen könne. befinde sich noch auf der Suche nach seiner
Kritik ernten hingegen die Fragezeichen, neuen Identität. Typisch deutsche Charakter-
die Deutschland mit seinem teilweise wider- eigenschaften in Form von Sekundärtugenden
sprüchlich scheinenden Handeln im Ausland werden weiterhin sehr geschätzt und bilden
hinterlasse. Man ist sich – teils noch immer, in der externen Wahrnehmung ein ­beständiges
teils erneut – unsicher, ob Deutschland seine Fundament für Berechen­barkeit und Sicher-
ökonomische und politische Potenz auch tat- heit. Sie sind für ausländi­sche Blicke profil-
sächlich dafür nutzt, mehr globale Verantwor- und systembildend und damit willkommen,
tung zu übernehmen. Den an Deutschland solange sie nicht einseitig überzogen und
gestellten Anspruch formuliert stellvertretend damit inflexibel werden – für Deutschland
jemand aus Frankreich: »Die hervorgeho- selbst und in der ­Gestaltung internationaler 39
bene Rolle Deutschlands in Europa wird Kooperationen. Zugleich werfen einzelne,
respektiert. Wenn man wirtschaftlich so teilweise als widersprüchlich erscheinende
stark ist, muss man auch mehr Verantwor- Verhaltensweisen der Deutschen im Ausland
tung übernehmen. Das heißt: nicht nur die vermehrt Fragen auf. Offenbar sieht man sich
eigenen Interessen durchsetzen, sondern das mit einem weniger einschätzbaren Partner
Gesamte im Blick haben.« Dass das vielfach konfrontiert. Doch weil die Deutschen seit
bereits geschehen ist – sogar in gewisser Weise der als vorbildlich geltenden Aufarbeitung
selbstlos –, offenbart die folgende Aussage aus ihrer Geschichte und der Wiedervereinigung
Afghanistan: »Im Gegensatz zu allen a­ nderen beträchtliches Vertrauen genießen, begegnet
Ländern hat Deutschland in den letzten ihnen keine begründete Skepsis, sondern allen-
zehn Jahren Afghanistan ohne eigene Agenda falls eine Portion Verwunderung.
unterstützt. Die anderen Länder folgen in
ihrer Unterstützung für A ­ fghanistan in erster
Linie ihren eigenen Interessen.« Bewunderung
und Hoffnung stehen vereinzelt Misstrauen
und Besorgnis vor zu großer deutscher Ein-
flussnahme gegenüber.

Immerhin kann Deutschland in den Augen


seiner Betrachter bei der weiterhin andauernden
europäischen Finanzkrise, in der Ukraine­krise,
beim Syrienkonflikt und bei anderen Unruhe-
herden, die zur Befragungszeit relevant waren
und benannt wurden, unter Beweis stellen,
dass es seine lange geübten Verhaltens­muster
überdacht und modifiziert hat; zu allem wird an
späterer Stelle noch zu lesen sein.
Power to Perform:
Fähigkeiten
und Attraktivität
Deutschlands
D eutschland ist ein wohlhabendes und
fortschrittliches, ein sicheres und
politisch stabiles Land mit hoher Lebensqua-
tem und der Föderalismus. Deutsche scheinen
›Weltmeister‹ im Aufbau von funktionieren-
den, leistungsstarken Systemen zu sein. Das
41

lität. So könnte eine erste allgemeine Aussage führt sogar zu so bemerkenswerten Aussagen,
zum externen Blick auf Deutschland lauten. dass sich »an dem Berufsausbildungssystem in
Durchweg herrschen sehr positive Bilder zur Deutschland die ganze Welt orientiert« oder
gesellschaftlichen Gesamtsituation in Deutsch- dass »ganz Europa auf die Lebensqualität und
land vor. Darüber hinaus finden vor allem die das Gesundheitssystem in Deutschland schaut«.
Themen Forschung und Entwicklung sowie Das Ausland attestiert den Deutschen eine sehr
Innovationsfreude Deutschlands, Migration systematische und nahezu flächendeckende
und Integration sowie die Stellung der Frau im Versorgung aller wichtigen Lebensbereiche. Bis
gesellschaftlichen Leben Interesse im Ausland; hin zu Nahverkehrs- und ­Recyclingsystemen
vielfach fühlten sich Befragte aufgerufen, zu funktioniere alles wie perfekt. Das schaffe
diesen Themen zu sprechen. nicht nur eine hohe Lebensqualität für die
einheimische Bevölkerung, sondern habe auch
einen Nutzwert nach außen: Derartige Systeme
Deutschland – Land der Systeme
versehen Ausländer mit klaren Orientierungs-
Welches sind die zentralen Fähigkeiten und hilfen und Leitplanken, die ihnen helfen, ihre
­Fertigkeiten, die man im Ausland mit Deutsch- Aufenthalte in Deutschland zu gestalten. Hohe
land assoziiert? Deutschland wird vor allem Ausstrahlungskraft nach außen haben die hier-
wegen seiner Systemleistungen geschätzt. Die zulande herrschende innere Sicherheit wie auch
positive Gesellschaftsentwicklung und den wirt- das deutsche Gesundheitssystem: »Die Qualität
schaftlichen Erfolg Deutschlands schreibt man der medizinischen Versorgung ist in Deutsch-
im Ausland sehr oft der Qualität seiner Systeme land außerordentlich gut, noch dazu gibt es ein
zu: sei es das Schul- und Bildungssystem, sei umfassendes Versicherungssystem, das ist ein
es das Gesundheitssystem und andere Systeme wesentlicher Baustein für Lebensqualität«, heißt
der sozialen Sicherung, sei es das Parteiensys- es etwa aus der Mongolei.
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

»Sexappeal? Der fehlt Deutschland! Deutschland


beeindruckt durch Industrie, Technologie,
Disziplin, Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit,
große Krisen zu überwinden.«
Mexiko

42 Die Fähigkeit, in Systemen zu denken und zu Eine Form von Heilserwartung


handeln, wird im Ausland gerne mit den besag-
ten ›Sekundärtugenden‹ begründet: Weil Deut- Worin liegt für Ausländer die Leistungsstärke
sche viel Wert auf Ordnung, Gründlichkeit und deutscher Systeme? Offenbar in der gut
Disziplin legen, sorgen sie auch für Systeme, die durchdachten Kombination verschiedener
ihnen ein gut funktionierendes und geregeltes Teilleistungen, verbunden mit einer hohen
Leben gewährleisten. Interessant ist eine Einzel- Aufmerksamkeit für Details. Als Beispiel dafür
bemerkung zum System der deutschen Sprache: wird häufig die berufliche Bildung genannt: Im
»Die deutsche Grammatik ist sehr präzise. Das dualen System schaffen die enge Verknüpfung
ist auch mentalitätsprägend.« Bedingt bereits von Theorie und Praxis, ein ausgeklügelter
die deutsche Sprache eine außergewöhnliche Lehrplan, qualifiziertes Lehrpersonal sowie gut
Systematik? Bestimmt hier das Sprachsystem ausgestattete Einrichtungen, dass nicht-aka-
die Formen des Denkens? demische Ausbildungsberufe sich neben der
universitären Ausbildung sehen lassen können
Aus der Vielzahl von Äußerungen zu deutschen und gesellschaftlich einen hohen Stellenwert
Systemen treten besonders die Sektoren Bildung genießen. Gerade Letzteres hebt eine befragte
– mit deutlichen Akzenten auf der beruflichen Inderin hervor: »Ich wünschte mir, dass diese
Ausbildung und dem dualen System –, Gesund- Art der technischen Ausbildung auch nach
heit, Soziales und die Verkehrsinfrastruktur hervor. Indien käme, denn abgesehen vom Training
Erwähnung finden jedoch auch ordnungspoliti- selbst gibt es Ausbildungsberufen eine Art von
sche Grundlagen wie die soziale Marktwirtschaft Würde.« Solche Ausbildungsgänge machen
und das Solidarsystem, das Parteien- und Verwal- Deutschland im Endergebnis nicht nur durch
tungssystem, das Zusammenspiel von Politik und qualitativ hochwertige Produkte international
Zivilgesellschaft, das föderale System Deutsch- wettbewerbsfähig, sondern auch durch den
lands und sein Rechtssystem. Vereinzelt werden Export seines dualen Ausbildungssystems selbst.
systemische Stärken auch in der Sicherheitspoli- Denn optimal qualifizierte Handwerker und
tik sowie in Bezug auf Migration und Integration Techniker sind weltweit gefragt. Die Qualität
wahrgenommen; dazu an späterer Stelle mehr. deutscher Systeme verleitet manchen Befragten
dazu, an sie eine Art Heilserwartung zu knüp-
fen. Bisweilen scheint es, als würde die Lösung
globaler Probleme davon abhängig gemacht
werden, ob sich Deutschland als Systemanbieter
weltweit durchsetzen kann. Ein Interviewpart-
ner aus Norwegen bringt dies wie folgt auf den
Punkt: »Ich sehe Deutschlands internationale
Rolle als Institutionenbauer. Gute Systeme auf-
bauen, sicherstellen, dass das Gesetz angewandt
wird, dass es Gleichbehandlung zwischen den
Ländern gibt.« Deutschland, so scheint es, ist
aufgrund seiner systematischen Herangehens-
weisen prädestiniert, modellhaft bestimmte
Entwicklungsaufgaben zu übernehmen.
43

Regeln statt Freiheit


Neben all diesen positiven Zuschreibungen
findet sich jedoch immer wieder ein ›Aber‹. Es
betrifft sowohl die Entfaltungsmöglichkeiten
des Einzelnen als auch Deutschlands Rolle bei
der Gestaltung internationaler Beziehungen.
Wenn Systeme mit allzu starren Regeln und
extern nicht nachvollziehbaren Kriterien die
Freiheit der anderen einzuschränken drohen,
mahnt das Ausland zur Vorsicht: »Es scheint, als
ob in Deutschland die Schule entscheidet, ob
jemand zur Universität gehen kann oder eine
Ausbildung zu durchlaufen hat. Das wider-
spricht dem Prinzip von Freiheit. Es hat mich
geschockt, dass der Staat darüber entscheidet,
was jemand für den Rest seines Lebens tun
wird. Die Menschen müssen selbst über sich
entscheiden.« Ist Deutschland aufgrund seiner
Systemverbundenheit etwa weniger liberal?
Obwohl die große Mehrheit der Gesprächspart-
ner die Systeme in Deutschland sehr schätzt,
»Die erste Frage der Deutschen ist oft: taucht punktuell und implizit der Hinweis auf:
›Wo steht das in der Verordnung?‹ Sie machen ›Übertreibt es nicht mit Eurer System- und
oft nur das, was im Gesetzestext steht, Regelwütigkeit! Bleibt flexibel‹. Einige Befragte
anstatt Menschenverstand anzuwenden.« wundern sich: Braucht wirklich jeder Beruf im
Frankreich dualen System eine dreijährige Ausbildung, nur
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

weil diese Dauer standardmäßig für ­sämtliche andere, welche die Vorzeigebranchen sind:
Ausbildungsberufe vorgegeben ist? »Ein Schau- »Deutschland ist führend in Innovationen
fensterdekorateur beispielsweise lernt drei Jahre im Bereich Umweltschutz, Automatisierung,
lang. Er macht gewiss einen großartigen Job, Automobilbau und Maschinenbau.« Auch
aber ist der wirklich so großartig, dass man an dieser Stelle geht es mit System zu: »Was
dafür drei Jahre an Ausbildung braucht?« Daran mir an Deutschland sehr gut gefällt, sind die
wird exemplarisch deutlich: Aus externer Sicht ­Innovations- und Technologiecluster. Dass
kann die systematische Herangehensweise der man Technologieentwicklung in starken
Deutschen zu einer starren und damit einge- Netzwerken gemeinsam mit der Region, den
schränkten Wahrnehmung der Wirklichkeit Ländern, der Wissenschaft und starken Unter-
führen. Damit riskiere Deutschland, seinem nehmenspartnern macht, ist optimal.« Oder
Drang nach Perfektionismus individuelle Poten- eine Stimme aus Norwegen: »Was die deutsche
ziale zu opfern. Die sich hinter manchen Aus- Forschung ausmacht, ist diese gründliche
sagen verbergende Ambivalenz galt bereits den Durchdringung, welche zu einer gewissen Prä-
44 deutschen Charaktereigenschaften: Präzision zision führt.« Deutschland wird als Land mit
und Streben nach Perfektem werden geschätzt, einer sicheren Zukunft und mit soliden, aber
aber nur, solange sie nicht übertrieben werden. wenig spektakulären Innovationen beschrie-
Systeme sind gut, aber nur, solange sie einen ben. Die überwiegende Meinung im Ausland
klaren Mehrwert haben und flexibel bleiben. scheint zu sein, Deutschland betreibe eben
jenes Maß an Innovation, das authentisch zu
seinen Menschen passe und für diese Nation
Deutsche Innovationen: solide, aber
im Bereich des ihr Möglichen bleibe.
unspektakulär …
Systeme gelten in den Augen ausländischer Im Ausland erkennt man in der deutschen
Betrachter offenbar als so determinierend für Forschung und Entwicklung keine großen
Deutschland, dass sie auch über seine Zukunfts- innovativen Sprünge, wohl aber eine starke
fähigkeit zu entscheiden vermögen. Werden Abdeckung in der Breite und Fähigkeiten in
aus den Systemen heraus jedoch die ›richtigen‹ der stetigen und schrittweisen Optimierung
Innovationen getätigt? Die Befragten geben von Produkten, Dienstleistungen, Verfahren
zum Thema Innovation zahlreiche und ebenso und Modellen. Inkrementelle statt radikale
interessante wie mehrschichtige Hinweise. Innovation lautet das Stichwort. Deutschland
Gerade Gesprächspartner aus den als innova- sei zum Teil in jenen Bereichen führend, in
tionsstark wahrgenommenen USA setzen sich denen es technische oder soziale Errungen-
auffallend häufig mit der Innovationsfähigkeit schaften weiter zu verbessern gilt – für sich
Deutschlands auseinander. und andere: »Der Einsatz für Umweltschutz
und Nachhaltigkeit geschieht in Deutschland
Im globalen Vergleich von Technologien, Pro- aus zwei Gründen: Die Deutschen wollen ins-
dukten und Verfahren der unterschiedlichsten gesamt mehr Umweltqualität, aber sie investie-
Wirtschaftszweige sieht man Deutschland ren auch viel in Forschung, um ihren eigenen
bezüglich seiner Innovationskraft eigent- Lebensstil zu erhalten«, heißt es in Mexiko.
lich durchweg weit vorn. Eine Stimme aus Und ebenfalls aus Lateinamerika verlautet:
­Vietnam beschreibt stellvertretend für viele »Deutschland investiert sehr stark in Bildung,
»Deutschland ist weitaus leistungsstärker in Hardware-
Angelegenheiten als in Software. Sie können Maschinen 45

herstellen und verkaufen, aber sie sind nicht die Besten


in Software-Dingen, die schnelle Innovationszyklen
erfordern – siehe Social Media. Das hat auch was mit
dem deutschen Sinn für Perfektionismus zu tun.«
USA
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

»In Deutschland werden Niederlagen als


Scheitern gesehen, in Amerika geht man damit
flexibler um. Man müsste eigentlich
jede Niederlage feiern und richtig zelebrieren!«
Vietnam

46 Umwelt und Technologie. Das rührt von der mögliche Pfade werden ausgelegt: Eine Stimme
Kultur und Geschichte her: Deutsche haben aus Norwegen führt eine mangelnde Hinwen-
immer schon viel geforscht, sie wollten Dinge dung Deutschlands in Sachen Benutzerfreund-
besser machen.« Hier wird »die deutsche Füh- lichkeit an: »Deutschland wird nicht mit den
rungsrolle in Bezug auf technologische und besten digitalen Lösungen aufwarten können,
soziale Innovationen begrüßt, und wir wün- denn digitale Innovation braucht mehr Anwen-
schen uns noch mehr davon in der Zukunft!« derfreundlichkeit, da sind die Deutschen nicht
Womöglich hänge das, so die Vermutung, gut.« Aus Amerika heißt es, womöglich sei die
auch damit zusammen, dass innerdeutsch digitale Technik den Deutschen leicht suspekt,
bereits ein großer Wohlstand und somit eine und zwar aufgrund ihrer Vergangenheitserfah-
komfortable Ausgangslage herrschen. Ob rung – Bespitzelung durch Gestapo und Stasi –,
Deutschland damit global betrachtet in puncto nicht ohne dass ein gewisses Verständnis für ›the
Innovationsfähigkeit ausreichend wettbewerbs- German Angst‹ angesprochen wird: »Deutsche
fähig bleibt, ist im Ausland allerdings weiter haben ein analoges Verständnis von Daten-
umstritten. schutz, sie denken an diese Überwachungska-
meras und Mikrofone in der Ecke. Es ist für sie
neu, es macht ihnen Angst, es bedeutet einen
… und das Digitale verschlafen
großen Bruch. Am liebsten würden sie sagen:
Denn bei einer Sache ist man sich beinahe Macht das aus, schafft es ab. Die bessere Art,
unisono sicher – Innovationspotenziale des damit umzugehen, ist aber: Nehmt das Phäno-
digitalen Wandels haben die Deutschen offen­ men in die Arme, fangt endlich an, es zu ver­
bar verschlafen: »Die digitale Revolution findet stehen, es wird nicht von alleine verschwinden.«
woanders als in Deutschland statt, etwa in Ein großes Potenzial bleibt in puncto Digitales
Amerika. Wo ist denn das deutsche Silicon in den Augen der Außenstehenden scheinbar
Valley? Wo sind die deutschen Innovationen bestehen, verbunden mit der Anregung, dass
mit Blick auf die Infrastruktur des digitalen Deutschland sich gerade aufgrund seiner syste-
Zeitalters?« Fragen, auf die viele ausländische mischen Herangehensweise auch hier sehr viel
Betrachter keine leichte Antwort finden. Zwei stärker global engagieren solle.
Von der Kunst des Scheiterns für Innovation. Und fangt an, Eure Kinder 47
frühzeitig mit Innovation zu beschäftigen. Man
Als weitere Frage beschäftigt die ausländischen kann das lernen – so wie man Klavierspielen
Gesprächspartner, wie es mit dem ›Spirit‹ lernen kann.« So kommt man im Ausland bei-
hinter der Innovationsfähigkeit und mit der spielsweise zu der Ableitung, dass man eigent-
Innovationskultur in Deutschland beschaffen lich jede Niederlage zu feiern und zu zelebrieren
sei. Die Grundlagenforschung sei gut aufge- hätte. Doch was bleibt, hat wiederum mit dem
stellt, doch zwischen Forschen, Anwenden und deutschen Charakter zu tun: »Pessimismus oder
Vermarkten bestünden Lücken. Die Meinung, Angst ist ein unter allem liegendes Gefühl bei
dass Deutschland durchaus »in neue Projekte Deutschen. Sie fragen sich eher, was falsch lau-
hineingeht und auch mal riskiert, nicht genau fen könnte, statt es richtig zu tun.« Das Ausland
zu wissen, was dabei herauskommt«, bleibt die nimmt das Tempo, das Deutschland in Sachen
Ausnahme. Gerade in diesen noch unklaren Wandel und Fortschritt an den Tag legt, als
Kontexten mangele es Deutschen an Neu- nicht wirklich zeitgemäß wahr. Aber es erkennt
gier und Mut. Ein Inder zitiert dieses für ihn zugleich an, dass das Prinzip des Rückversi-
typische Beispiel von Risikoscheu im Kleinen: cherns von ›Schnellschüssen‹ und mancherlei
»Meine Sekretärin in Deutschland agiert erst Irrwegen abhält.
dann, wenn sie 100 % sicher ist, das Richtige
zu tun. Ich sage dann zu ihr: Schau dich an, so
Bürokratie hemmt Zukunft
agieren Bürokraten.« Für die meisten scheint
diese mangelnde Risikobereitschaft bereits in Eine klare Haltung nimmt das Ausland zur
der DNA der Deutschen angelegt zu sein, die deutschen Bürokratie ein, für viele ein typisch
Erziehung lege zu wenig Wert darauf, zudem deutsches System von Regeln und Verord-
habe Scheitern einen höchst negativen Ruf. nungen. Für diese Betrachter garantiert das
Dabei, so sagen Stimmen etwa aus den USA, ausgeklügelte Regelsystem zwar zunächst
sei individuelles Scheitern keine Schande, im einmal Rechtssicherheit. Noch dazu seien
Gegenteil: »Macht Euch mit dem Konzept des die Deutschen von der Vernünftigkeit ihres
Scheiterns vertraut, denn es ist Voraussetzung Regelsystems überzeugt und hielten sich
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

48 allein deshalb schon daran. Eine Stimme aus weiterhin große Aufmerksamkeit im Ausland
Süd­afrika sagt es knapp und bündig: »Ihr erfährt. Ein Gesprächspartner hält sie gar für
respektiert die Regeln, die Sinn machen.« Das »eine von den fünf wichtigsten Entscheidun-
sei nicht in allen Ländern üblich, meint ein gen des 21. Jahrhunderts.«
anderer, denn »auch in Russland gibt es viele
Gesetze, aber sie werden nicht immer einge-
Deutsche Forschungsinstitute –
halten.« Doch bei aller Ordnung und Sicher-
›we love it!‹
heit, die ein solches System von Regeln und
Gesetzen anerkanntermaßen garantiert, halten Große Anerkennung erhält ein weiteres
Außenstehende die daraus resultierende Büro- ­Element deutscher Innovationslandschaft.
kratie tendenziell für innovationshemmend, da Kon­sens gibt es bei der Frage, worin Deutsch-
»alles zig-mal durch die Mühlen gedreht wird; land einen Wettbewerbsvorteil in Sachen Inno-
alles ist sehr prozessual.« Als gelte die Devise: vationen besitzt: durch die deutschen Institute
›Zukunft gerne, aber bitte sicher und geplant!‹ der angewandten Forschung, die beinahe
In den Augen mancher ist diese Bürokratie ein einhellig positiv bewertet werden. Institute
Produkt von Obrigkeitsdenken und der Orien- wie die nach Helmholtz, Fraunhofer und Max
tierung an Hierarchien, die nach wie vor als Planck benannten sowie weitere Einrichtungen
sehr deutsch gelten. ähnlichen Formats sind in den Augen vieler
Befragter die Innovationstreiber Deutschlands:
Das differenzierte Bild von deutscher Innova- »In Großbritannien gibt es einen großen
tionskraft lässt keinesfalls die Vielzahl positiver Bedarf, in Innovation zu investieren, dafür
Urteile in den Hintergrund treten. Gerade wurden Zentren geschaffen, die sich eng an
in den ›grünen‹ Bereichen – Umweltschutz, den Fraunhofer-Instituten orientiert haben –
Klima, Energie – wird Deutschland eine Deutschland ist in dieser Hinsicht definitiv
international führende Rolle zugesprochen, ein Vorbild und Benchmark für uns Briten.«
wie dies bereits in der ersten Studie sichtbar ­Während die universitäre Forschung weniger
war. Interessant ist, dass die ›German Energie­ gute Noten mit Blick auf Innovationen erhält,
wende‹ auch im Befragungszeitraum 2014 gelten die genannten Institute als hervorra- >
Exkurs

Die ›German Energiewende‹


spaltet das Ausland

D ie Energiewende löst auf der einen


Seite Neugier aus, auf der anderen Seite
Skepsis.« Diese Aussage aus den USA eignet
giesysteme auf einem parteiübergreifenden
Entscheidungsprozess beruhe, dem wiede-
rum ein gesellschaftlicher Konsens zugrunde
49

sich dafür, die Bandbreite zu markieren, liege: »Die Deutschen haben es in ihren
mit der man im Ausland auf Deutschland Genen, sich über das politische Spektrum
in Fragen von Energie, Energiepolitik und hinweg auf die Energiewende zu fokussieren.
-technologien schaut, speziell auch auf Und das ist an sich schon eindrucksvoll,
den Atomausstieg. Bemerkenswert viele dass man bei einem solch bedeutsamen
Gesprächspartner wählten diese Thematik, Thema einen Konsens über die Parteigrenzen
um über ihre Beziehung und ihre Perspektive hinweg hinbekommt.« Deutschland befür-
zu Deutschland zu reden. In ihrem Urteil worte als »ganze Nation« die erneuerbaren
lässt sich ein Dreischritt erkennen: Von viel Energien, verlautet aus Indien. Das Land
Bewunderung, Lob und Respekt geht er über habe angefangen, über nachhaltige Ener-
zu einzelnen Bedenken und partieller Skep- gie zu sprechen, lange bevor die Knappheit
sis sowie hier und da bis zu Ablehnung und fossiler Energiequellen andere Staaten
Verärgerung. Dabei ist unverkennbar: Je wei- zwang, sich alternativen Lösungen zuzuwen-
ter man sich von Europa entfernt und sich den. Mehrfach offenbart sich, wie sehr man
in jene Länder begibt, die selbst viel Poten- im Ausland Deutschland einen gewissen
zial für die Nutzung erneuerbarer Energien Weitblick sowie eine systemische Heran-
besitzen und ein Interesse daran haben, ihre gehensweise auf innovativen und politisch
Energiesysteme innovativ zu gestalten, umso bedeutsamen Feldern nachsagt. Auch die
positiver fallen die Urteile aus. Deutschland Verknüpfung mit den als typisch erachteten
wird dort als Vor- und Spitzenreiter, als deutschen Charaktereigenschaften liegt im
Modellland, als Vorbild und Nummer Eins, Ausland nicht fern: »sehr willensstark«
als fortschrittlich und weltweit führend seien die Deutschen beim Thema Energie­
angesehen. Lobend hervorgehoben werden wende vorgegangen, heißt es in China,
der besondere politische Wille und der »echten Entscheidungswillen« erkennt man
Sachverhalt, dass die Umstellung der Ener- in den Niederlanden, und in Indien bewun-
Exkurs

»Bei der Energiewende wird Deutschland


bewundert, wie die Ziele gesetzt wurden.
Aber es war auch ein Alleingang.«
Niederlande

50 dert man, wie »entschieden« Deutschland die Wirtschaft begriffen wurde, seien Erfolge
hierbei gehandelt habe. Kein Wunder also, längst nicht gewiss. Andere sprechen von
dass sich bei all der positiven Bewertung einer »emotionalen Reaktion«, von etwas,
viele Länder eine enge Zusammenarbeit auf das geradezu angstvoll geschah, obwohl
diesem Feld wünschen, um vom ›energie­ »es in Deutschland doch gar keine Tsuna-
politischen Musterschüler‹ lernen und an mis gibt«. Von einer »gewagten Politik« ist
seiner unbestrittenen Kompetenz partizipie- andernorts die Rede und davon, dass »die
ren zu können – sei es in puncto Produkte Energiewende eine sehr untypische Ent-
und Technologien, sei es in Fragen der scheidung für Merkel war. Eine von Panik
­Politikberatung und systemischen Umstel- gezeichnete Entscheidung im Angesicht der
lung. Aus Tansania etwa ist zu hören: »Ich baden-württembergischen Landtagswahlen.«
würde mir wünschen, dass Deutschland Im Ausland fragt man sich also, wie eine
im Bereich Grüne Energie mehr exportiert! so unüberlegte, ja ›undeutsche‹ Reaktion
Auch wir könnten viel von Ihnen lernen, z. B. eigentlich zustande kommen konnte. Wie
wie wir die Sonne besser nutzen könnten.« wolle man in der deutschen Volkswirtschaft,
deren Rückgrat die Automobil- und die Che-
Eines allerdings verunsichert im Ausland: mieindustrie bildeten, auf lange Sicht den
die radikale Abkehr von der Atomenergie. Energiebedarf kostenneutral decken, solange
Während einige Befragte nur vorsichtig die Erneuerbaren Energien außerstande
nachfragen, ob sich Deutschland den Atom- seien, eine echte Alternative zu den fossi-
ausstieg auch wirklich gut überlegt habe len und nuklearen Energien zu bieten? Denn
oder am Ende selbst darunter wirtschaftlich Abhängigkeiten blieben, behauptet exem­
leiden könnte, werden andere deutlicher: plarisch eine Stimme aus Frankreich: »Auch
Sie halten – wie ein Gesprächspartner aus wenn Deutschland im Bereich Erneuerbare
den USA – die Energiewende »von der Idee weiter ist als andere, wird man die Lücke
her für revolutionär, in der Umsetzung aber damit niemals schließen können.« Ehrliche
nicht«. Weil sie aus »ideologischer Über- Neugier vermischt sich in einer anderen
zeugung« eingeleitet und nicht als Motor für Aussage mit leichtem Zweifel: »Ich verfolge
mit großem Interesse, wie Deutschland in allem in Europa verärgert. Deutschland habe 51
der Energiepolitik eine Vorreiterrolle spielen sich mit seinen europäischen Partnern beim
wird. Ich bin gespannt, ob es das alles auch Atomausstieg nicht abgesprochen, es seien
konsequent umsetzen wird! Man braucht keine »europäischen Bündnisse« gesucht
immerhin für die Energiewende eine klare worden, die deutsche Energiepolitik »desta-
rechtliche Grundlage, Unterstützungsregeln, bilisiere« die europäische oder »fahre diese
die sich nicht alle zwei Jahre ändern.« In an die Wand«. Das, was für das deutsche
Rumänien verhehlt man nicht eine anfäng- System vorteilhaft sei, müsse noch längst
liche Skepsis, traut den Deutschen jedoch nicht für andere gelten – und darüber müsse
am Ende zu, die Energiewende erfolgreich man verhandeln und entsprechend flexibel
zu managen, weil es Analogien zu ande- bleiben. Jemand aus England bringt es wie
ren Bereichen gebe: »Zunächst haben wir folgt auf den Punkt: »Im Grundsatz sind alle
daran gezweifelt, dass Deutschland die für die Liberalisierung der Energiemärkte;
Entscheidung, auf Kernenergie zu verzichten, aber im Detail wird’s dann immer schwierig.
langfristig durchhalten kann. Aber es hat Die Energiewende macht einen einheitlichen
die zur Erschließung alternativer Energien europäischen Energiemarkt noch schwerer;
notwendigen Techniken entwickelt und neue ohnehin haben die Deutschen ihren Energie-
Standards gesetzt. Das ist ebenso gelungen markt schon immer abgeschottet.« Und in
bei der Entwicklung schadstoffarmer Autos Polen heißt es: »Die Zukunft ist das, was
und bei der Verbesserung der Wasserquali- Deutschland vorgeschlagen hat, aber nicht
tät des Rheins.« in dieser kurzen Zeit. Deutschland muss
erkennen, dass wir uns noch entwickeln. Wir
Beim Thema Energiewende wird auch nicht erwarten ein Verständnis für die Entwicklung
mit weiterer Kritik gespart. Während man in in Polen.« Hier blitzt ein Thema auf, dem
Indonesien lediglich »etwas verwundert über sich ein anderes Kapitel intensiver widmen
die Energiewende ist, weil man in Frankreich wird: der Wunsch nach mehr Kommunikation,
bei der Atomenergie bleiben will und Indone- nach Vermittlung und Verhandlung. Denn
sien den Einstieg plant«, zeigt man sich vor selbst wenn man in den zitierten Aussagen
Exkurs

nur bilaterale Irritationen zum Ausdruck


bringen wollte, besteht noch ein weiterer
Grund, warum Deutschland in energiepoliti-
schen Fragen keinen Alleingang exekutieren
dürfe: Gerade weil Deutschland technolo-
gischer und politischer Vorreiter in Sachen
Energie sei, wünschen, ja fordern andere
Staaten, dass ein stärkerer Austausch über
die Machbarkeit einer Umstellung ganzer
Energiesysteme und über eine größere Vision
für den Rest der Welt stattfinden müsse.
Deutschland habe die Verpflichtung, hierbei
eine substanzielle Rolle zu spielen. Denn
es gäbe ein »unheimliches Potenzial, das
52 zugunsten anderer Länder gehoben werden
muss, nicht nur für den nationalen Markt
und den deutschen Wohlstand.« Die Energie­
wende nur durch die deutsche Brille zu
betrachten, greife zu kurz, verlautet aus
Italien. Keine deutschen Alleingänge also,
die auf Kosten anderer gehen oder Poten-
ziale anderer vernachlässigen, könnte man
auf der Grundlage der angeführten Zitate
zusammenfassen.

Alles in allem ist aber auch aus europäi-


schen Ländern Respekt für den deutschen
Mut – mit einer Portion Übermut – beim
Thema Energiewende zu vernehmen, wenn
etwa ein Interviewter aus der Türkei an­er-
kennend von einem »Spektakel« spricht und
damit meint: »Deutschland stellt sich hin
und sagt der Welt, wir als großes Industrie­
land bauen um. Und die ganze Welt schaut
auf Deutschland. Ihr solltet stolz auf so
ein ambitioniertes Projekt sein.« Ähnliches
ist aus Norwegen zu hören: »Die Energie- »Die Energiewende war eine emotionale
wende ist sehr ambitioniert, aber Deutsch- Reaktion auf Fukushima – allerdings
land ist auf dem richtigen Weg. Ihr führt in nicht wirklich durchdacht, und am Ende
­dieser Frage die EU an.« Ein bisschen mehr wird sie sehr teuer und auf dem Rücken
Absprache, so steht zwischen den Zeilen, der kleinen Leute ausgetragen!«
könnte allerdings nicht schaden. Großbritannien
»Während die großen Weltkonzerne oftmals
einen schlechten Ruf haben, ist es
Deutschland durch den Mittelstand gelungen,
ein positiveres Umfeld aufzubauen.«
USA

> gend bis ›Weltklasse‹: »Deutschland hat flexibel agierten: »Die Dax-Unternehmen 53
mit Forschungsinstituten wie Fraunhofer wahre machen nicht den Charakter der deutschen
Juwelen vorzuweisen. Ohne Fraunhofer stünde Wirtschaft aus. Prägend ist der Mittelstand.
die deutsche Industrie heute nicht dort, wo sie Dieser setzt auf Qualität und Verlässlichkeit.«
ist.« Etliche Befragte wünschen sich eine derar- Im Ausland fasziniert die Vielfalt der Mittel-
tig marktnahe Forschung bzw. die Verknüp- ständler – häufig ›Hidden Champions‹ – in
fung von Wissenschaft und industrieller Praxis ganz spezifischen Branchen. Wenn der große
auch in ihren Ländern. In diesem Bereich ist Erfolg des deutschen Mittelstandes im Aus-
das Potenzial für die wissenschaftliche und land die Frage aufwirft ›Wie macht ihr das?‹,
wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands sind die von außen versuchten Antworten
somit enorm groß. eher nebulös angehaucht. Insgesamt erstaunt
die eher geringe Anzahl von direkten Äuße-
Nach wie vor kommt eine ›gute alte rungen zum Mittelstand. Ist sein Stellenwert
Bekannte‹ ins Spiel, wenn es um Innovatio- für die ökonomische Stärke Deutschlands
nen und Wirtschaftskraft geht: der deutsche so selbstverständlich geworden, dass man
Mittelstand. Er wird, wie bereits in der ersten ihn nicht mehr unbedingt erwähnen muss?
Erhebung von 2011/12, erneut mit ­einiger Oder bleibt sein Nimbus für viele weiterhin
Anerkennung bedacht – quasi als Kern rätselhaft?
deutscher Leistungsstärke: »Der Motor für
Forschung und Innovation sind die mittel-
Nachhaltigkeit: zunächst einmal grün
ständischen Unternehmen aus Deutschland.
Hier werden in Rumänien die Komponenten Interessant fallen schließlich die Aussagen
entwickelt, die in der Wertschöpfungskette mit Blick auf Innovationen bei einem a­ nderen,
die entscheidenden Innovationen ermög- vermeintlich deutschen Thema aus – das
lichen.« Mittelständler, so scheint durch, der nachhaltigen Entwicklung. Schließlich
sind die eigentlichen Innovatoren und nicht wurde Deutschland in der Vergangenheit bei
etwa die großen und weitaus bekannteren der Frage ›Was steht für Made in G ­ ermany?‹
transnationalen Unternehmen, die weniger häufig auch in Verbindung mit dieser Thema­
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

54 tik gebracht – und sah sich selbst dabei diese Richtung müsste sich auch das Anreiz-
gerne als Vorreiter. Erkenntnis Nummer Eins: system entwickeln. Deutschland ist noch nicht
Es gibt im Ausland weiterhin viele positive dort angekommen.« Demgegenüber steht
Assoziationen, und diese beziehen sich häufig eine Aussage aus Kolumbien, die gerade das
auf Nachhaltigkeit bei Umweltaspekten. Systemische des deutschen Nachhaltigkeitsan-
»Deutschland ist international führend im satzes betont: »Deutschland ist ganz stark im
Umweltschutz, dazu ist alles geregelt. Es gibt Thema Nachhaltigkeit: von der Konstruktion
ein gutes ökologisches Gleichgewicht und von Gebäuden, über die Umweltausbildung an
eine Orientierung an Nachhaltigkeit«, heißt Universitäten bis hin zu vielen Innovationen
es zum Beispiel aus der Mongolei. Diese Form in Sachen Erneuerbare Energien.« Erkenntnis
von Nachhaltigkeit wird als sehr lobens- und Nummer Drei: Das Engagement für Nachhal-
nachahmenswert betrachtet, auch weil man sie tigkeit deutscher Prägung hat in den Augen
für äußerst glaubwürdig, gesellschaftlich stark der ausländischen Beobachter neben einer
verankert und damit für wirkungsvoll hält. langfristig wirkenden auch eine gesellschaftli-
Den Deutschen wird ein aufrichtiges Inter- che und soziale Komponente: »In Deutschland
esse an der Natur sowie an der Erhaltung von versteht man Nachhaltigkeit als Förderung
Ressourcen nachgesagt – was durchaus mit Erneuerbarer Energien zur Bekämpfung
eigenen Interessen einhergehen darf. Erkennt- des Klimawandels. In Polen hingegen wird
nis Nummer Zwei: Es scheint trotz allem eine Nachhaltigkeit in der Energieversorgung darin
gewisse Lücke von der Makro- zur Mikroebene gesehen, die angemessenste Technologie einzu-
zu geben oder, mit anderen Worten, vom setzen, für die vor allem Kriterien der Wirt-
ganzheitlichen Anspruch bis hin zur Opti- schaftlichkeit, die Sicherung des Wohlstandes
mierung einzelner Umsetzungsprozesse. Aus und die Energiesicherheit maßgeblich sind.«
Indien verlautet: »Anstatt eine immer weitere Nachhaltigkeit kann damit auch weit über den
Spezialisierung in einzelnen Forschungsbe- ökologischen Kontext hinausgehen. Das Prin-
reichen anzustreben, sollte sich Deutschland zip Nachhaltigkeit, so ließe sich schlussfolgern,
mehr auf Forschung für ganzheitliche, systemi- hat sich in vielen gesellschaftlichen Bereichen
sche Nachhaltigkeitslösungen fokussieren. In durchgesetzt und trägt dann auch sehr häufig
Nachhaltigkeit

Dauerhafte Lösungen aus


innerer Überzeugung

Spricht man im Ausland über das T­ hema in Deutschland, so meinen die Beobachter,
Nachhaltigkeit, schwingt eine Reihe von systemisch und konzeptionell verstanden
Assoziationen mit. Unüberhörbar sind die und praktiziert. Darin liege Deutschlands
Beiklänge des Umwelt- und Ressourcen­ Stärke. Zwar bezieht sich kein Interviewter
schutzes, auf die Nachhaltigkeit oft reduziert explizit auf die Dreigliedrigkeit von Nach-
wird. Die externen Befragten wenden den haltigkeit, in ökologischen, sozialen und
beziehungsreichen Begriff jedoch e­ xplizit auf wirtschaftlichen ­Dimensionen zu denken.
alles Mögliche an: auf die deutsche Haltung Dennoch zeugen die oben genannten The-
zu Finanzsystemen, auf Technologien und menfelder davon, dass der Nachhaltigkeit 55
Produktionsprozesse, auf Bildungs- und nicht nur eine ökologische Bedeutung beige-
Ausbildungsfragen, auf den Tourismus, auf messen wird. In ökologischen Kontexten von
den Umgang mit Minderheiten sowie auf Nachhaltigkeit gilt Deutschland bekanntlich
Politikgestaltung in Europa. »Ich hoffe, als Vorreiter. Doch weit darüber hinaus
Deutschland kann eine Führungsrolle beim bescheinigen ihm ausländische Beobachter
Aufbau eines nachhaltigeren Finanzsystems ein nachhaltiges Handeln, das künftigen
übernehmen; mit Institutionen, die den Generationen dient. Eines, das zudem den
Finanzsektor überwachen«, verlautet aus Wohlstand der Welt im Blick behält, wie
Norwegen. Eine andere Stimme meint: »Die aus Brasilien zu vernehmen ist: »Die Deut-
wirtschaftliche Entwick­lung Chinas in den schen stellen gerne ihre Errungenschaften
letzten Jahren hat viel Unterstützung aus anderen zur Verfügung – siehe das Tool
Deutschland erhalten – zum Beispiel der Ökoeffizienz in Unternehmen. Sie wollen
im Rechtssystem. teilen, damit die Menschheit in Sachen
Nachhaltigkeit insgesamt vorankommt.«
Alle diese wichtigen Konzepte und Systeme
wurden stark durch die Hilfe und Koordi- Abschließend sei die Aussage eines Inders
nierung von Deutschland geprägt.« Implizit zitiert, der betont, dass Deutschland aus
mitgedacht und gemeint sind Weitsicht und innerer Überzeugung und aus eigenem
Vorausschau, ein langfristiges Denken und Antrieb für eine nachhaltige Entwicklung
Handeln. Deutschland, so unterstreichen arbeite: »Deutschland ist von der nach­
die Gesprächspartner, ist daran interessiert, haltigen Entwicklung zutiefst überzeugt.
in seinem Tun auf einen möglichst langen Wie Nachhaltigkeit angegangen und
und stabilen Fortbestand der Dinge abzu- eingehalten wird, geschieht nicht aufgrund
zielen. Es geht also mehr um das Wie als von internationalem Druck, sondern ist
um das Was von Nachhaltigkeit. Diese wird handlungsorientiert.«
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

56 eine deutsche Note. Ein so verstandenes Nach- qualität, da sie über sichere Verhältnisse und
haltigkeitskonzept hat viel mit Steigerung von die häufig betonte Sauberkeit hinaus über ein
Lebensqualität zu tun. engmaschiges öffentliches Nahverkehrssystem,
Grünflächen und Radwege, ansprechende
Kultur- und Freizeitangebote sowie eine stets
Lebensqualität – im Kleinen wie
nahe ärztliche Versorgung verfügen. Dass Berlin
im Großen
von den Befragten besonders häufig als attraktiv
Die Bewunderung für den Standort Deutsch- eingeschätzt wird, überrascht nicht. Doch auch
land, die die Befragten immer wieder mit- kleinere deutsche Städte runden das positive
schwingen lassen, beschränkt sich nicht nur auf Bild ab. Das Ansehen Deutschlands gewinnt
die ›Hard Facts‹, also die Qualität von Technik, also beträchtlich aufgrund seiner ›Soft Facts‹.
Technologie, Forschung und Entwicklung, Und das zeigt sich für einige auch an zuneh-
Wirtschaft und Infra­struktur. Viel Attraktivität mend egalitären Strukturen sowie einem höhe-
gewinnt Deutschland auch durch ›weiche Fak- ren Maß an gesellschaftlicher Toleranz, etwa
toren‹, seine gesellschaftlich bedingte Lebens- Homosexuellen oder verschiedenen Formen
qualität. Zuvorderst schätzen Ausländer die der Lebensführung gegenüber. »Deutschland ist
umfassende innere Sicherheit. Sie reicht von der egalitär statt elitär«, heißt es aus Vietnam, »Eli-
Rechtssicher­heit über den polizei­lichen Schutz ten gibt es allenfalls noch lokal, die Eliten von
bis hin zur individuellen Hilfsbereitschaft Hamburg zählen nichts mehr in München.«
der freiheits- und ordnungsliebenden Bürger.
Kaum erstaunlich ist, dass vor allem Befragte Die Grundlagen für ein Land mit hoher
aus weniger demokratisch regierten Staaten Lebensqualität im Kleinen wie im Großen
solche sicheren Verhältnisse bewundern. Sich als schaffen nach externer Auffassung vor allem
Frau nachts alleine auf den Straßen einer Stadt Themen der Rechtsstaatlichkeit und des demo-
bewegen zu können, was in manchen Ländern kratischen Systems: »Demokratie, Transparenz,
als schier unmöglich gilt, sei in Deutschland Offenheit, das Konzept von Koalitionen und
ganz normal. Überhaupt bieten deutsche Städte der Zusammenarbeit mit der Opposition:
für ausländische Besucher eine hohe Lebens- Deutschland ist ein gutes Vorbild.« Es lebe
»Deutschland ist das einzige Land, in dem du
Leitungswasser trinken kannst, ohne darüber
nach­zudenken. Das ist sehr bemerkenswert
und zeigt, wie durchdacht und sicher Prozesse
und Produkte in Deutschland sind.«
Mongolei

einen funktionierenden Parlamentarismus, Heute sind Deutsche toleranter, und es gibt 57


gepaart mit einer starken Regierung sowie einer ein höheres Maß an Akzeptanz für Unter-
selbstbewusst agierenden Zivilgesellschaft. schiedlichkeit.« Wird das generell gegenüber
Überspitzt formuliert heißt es in der Mongolei, Fremden ­so gesehen? Viele Befragte äußern sich
Deutschland sei »eine Insel des Friedens: die zum Themenfeld Migration und Integration.
Menschenrechte werden gewahrt, es gibt Rede- Die Thematik scheint für auf Deutschland
und Glaubensfreiheit, die öffentliche Verwal- blickende Ausländer aktueller denn je zu sein.
tung funktioniert gut, es gibt keine Korruption, Dabei wird gewiss die zunehmende Spannungs-
die Bürgerbeteiligung ist sehr hoch.« Auslän- lage durch weltweite Flüchtlingsströme eine
dische Betrachter loben ein gelebtes Demokra- Rolle gespielt haben, wie sie zum Zeitpunkt der
tieverständnis, Deutschland sei »geprägt von Befragung vorherrschend war. Zu konstatieren
einem tief verankerten Bürgerbewusstsein. Es ist: Die seit Ende Oktober in Deutschland
besteht eine große Bereitschaft, seine Rechte aufkeimende PEGIDA-Bewegung (Patriotische
einzufordern.« Europäer gegen die Islamisierung des Abendlan-
des), die für viele Betrachter fremdenfeindliche
Züge aufweist, hatte auf viele Interviews, die
Integration: Besser als andere, aber
zeitlich vorgelagert waren, noch keinen Einfluss.
nicht gut genug
Wie verhält sich diese Form von verankertem Insgesamt gehen die Meinungen im Ausland
Bewusstsein für Recht und Ordnung, für zum Thema Migration und Integration weit aus-
Offenheit und Transparenz sowie für Men- einander – vom Respekt für das bereits Geleistete
schenrechte gegenüber anderen Nationen und über Kritik an Einwanderungshürden bis hin
Kulturen? In den Augen vieler genießen die zur Mahnung vor allzu toleranter ›­Multikulti-
Deutschen mittlerweile den Ruf, liberal und Laxheit‹. Fünf Beobachtungen des Auslands lesen
tolerant gegenüber ausländischen Besuchern sich besonders interessant. Erstens: Es zeigt sich
zu sein, wie etwa die Aussage aus Indien zeigt: ein Wandel zum Positiven. Zahlreiche Befragte
»Wenn ich vor 20 Jahren in Deutschland gereist bescheinigen Deutschland, seine Integrations-
bin, verspürte ich eine gewisse Unsicherheit. leistungen in letzter Zeit deutlich verbessert zu
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

58

»In Deutschland kann man eigentlich nicht wirklich von


Integration von Migranten sprechen, denn die deutsche
Version von Multikulturalismus heißt: ›Leben und leben
lassen.‹ Gleichzeitig gibt es in Deutschland Menschen,
die deutscher sind als andere, obwohl alle einen deutschen
Pass haben. Es gibt eine gläserne Decke für Menschen mit
sichtbarem Migrationshintergrund.«
Norwegen
haben. Ausländerfeindlichkeit nehme in der sprechen. Auch wenn Verbesserungen attestiert
deutschen Gesellschaft keinen allzu großen werden, bleibt die Beobachtung aus der Türkei
Raum mehr ein. Ausländer fühlen sich nicht nur stellvertretend für andere bestehen: »Die Will-
bei ihren Besuchen in Deutschland tendenziell kommenskultur ist Regierungssache, sie muss
wohler, als dies noch vor Jahren der Fall war, von oben angestoßen werden.«
als Fremdenfeindlichkeit stärker wahrgenommen
wurde. Sie glauben auch, dass es Deutschland Die dritte Beobachtung: Migranten können
grosso modo besser mache als andere Staaten zwar relativ gut in Deutschland leben, doch die
in Europa. Das sagen übrigens auch Italiener, Deutschen lassen sie eher gewähren als wirklich
Franzosen und Engländer: »Die Integration von teilhaben. Ein Befragter gebraucht dafür die
Ausländern in Deutschland ist eine große Metapher der ›gläsernen Decke‹ und vertritt die
Erfolgsgeschichte. Deutschland hat eine große Auffassung, in Deutschland könne man »eigent-
Anzahl von Ausländern aufgenommen und lich gar nicht von Integration reden, weil fast
geräuschlos integriert. Das wiegt umso mehr, da alles erlaubt ist.« Gemeint ist: Da Deutsche ein
Deutschland traditionell kein Auswanderungs- hohes Maß an Individualität und persönlicher 59
land ist und keine eigene Erfahrung mit Migra- Freiheit für sich beanspruchen, gewähren sie
tion hat«, so verlautet es aus Italien. Als Gründe diese auch anderen – nach dem Motto ›Leben
werden sowohl die positive Rolle der Politik als und leben lassen‹. Eine persönliche Begegnung
auch die der öffentlichen Diskussion angeführt. oder ein vertrautes Miteinander sähen freilich
Hierbei dürfte von Bedeutung gewesen sein, dass anders aus, wenngleich das Ausland diesen
gerade im Zuge der Europawahl 2014 rechts­ Mangel nicht explizit kritisiert. Im Gegenteil –
populistische Strömungen viel stärker in anderen impliziert die vierte Beobachtung: Deutschland
europäischen Ländern als in Deutschland Erfolge findet in der externen Wahrnehmung weit
verbuchten. Man konzediert Deutschland also mehr Verständnis für Widrigkeiten bei der
zumindest einen guten Willen beim Umgang mit Integration von Zuwanderern, als man das
Zuwanderern. noch in der ersten Erhebung festgestellt hatte.
Einige Befragte warnen sogar vor einem falsch
Die zweite Beobachtung: Für Ausländer verstandenen Multikulturalismus: Ausländer
bestehen meterhohe Einstiegshürden. Bis sie sollten den Wunsch haben, sich in Deutschland
in Deutschland Fuß fassen können, haben soziokulturell zu integrieren, und die deutsche
sie einen langen und beschwerlichen Weg vor Gesellschaft sollte ihre Kultur nicht zu stark
sich. Deutschland, so der verbreitete Eindruck aufweichen lassen. Deutschland – ein Land, das
im Ausland, mache es keinem leicht, nach sich zu liberal und tolerant in der Zuwande-
Deutschland zu migrieren. Das fängt bei der rungsfrage gibt? Diese Töne klingen vergleichs-
Beschaffung von Visa an und gipfelt in der weise neu und dürften hierzulande zumindest
Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft. eine Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbst-
Die Sprachbarriere tue ein Übriges, nicht nur wahrnehmung hervorrufen.
die Zuwanderung, sondern danach ein sozial Gleichwohl werden im Ausland auch kritische
integriertes Leben zu erschweren. All dies gibt Stimmen laut, die um die Flüchtlingsproblema-
im Ausland durchaus Anlass zur Sorge und tik kreisen und zur fünften Beobachtung führen:
schafft Irritationen. Zudem falle es schwer, Es braucht mehr deutsches Engagement in der
von einer wirklichen Willkommenskultur zu (europäischen) Flüchtlingsfrage. Innerhalb der
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

»Stellenausschreibungen, in denen steht,


dass Frauen und Behinderte bevorzugt werden,
finde ich schrecklich.«
Russland

60 EU fühlen sich südliche Länder in dieser Frage So ergibt sich in der Summe wiederum ein
vom Rest Europas und vor allem vom ›starken differenziertes Bild von dem, wie Deutschland
Deutschland‹ weitgehend allein gelassen; sie spre- sich den Herausforderungen von Migration
chen gar vom Beginn »einer Vertrauenskrise, die und Integration sowie der Flüchtlingsfrage
eine politische Krise ist.« Auch Staaten außerhalb stellt. Dennoch ist ein tendenziell positiver
Europas fordern von Deutschland, sich aufgrund und verständnisvoller Blick von außen unüber-
seiner wirtschaftlichen Potenz stärker in der sehbar. Er befördert das Ansinnen einiger, von
Flüchtlingsfrage zu engagieren. Vielfach attestiert Deutschland in puncto Integration modellhaft
das Ausland Deutschland zwar sehr wohl eine lernen zu wollen, und kulminiert in der Idee,
menschlich ausgerichtete Flüchtlingspolitik: Deutschland solle »international auch stärker
»Deutschland hat eine sehr humanitäre Migrati- bei Integrationsfragen als Moderator auftreten.
onspolitik. Die Flüchtlinge aus den Krisengebie- Integration könnte ein Exportgut von Deutsch-
ten werden problemlos aufgenommen und sehr land bzw. Europa werden.« Letzteres bleibt
unterstützt.« In den Augen anderer greift aber vorerst eine Einzelmeinung. Mehrfach aber
erneut das bekannte Argument der Systemstärke, wird empfohlen, Deutschland möge stärker
die es hier stärker einzusetzen gelte: Da Deutsch- für Zuwanderung werben. Schließlich werden
land es geschafft habe, in bestimmten Regionen, ausländische Fachkräfte – Stichwort Fachkräfte-
Städten und Gemeinden erfolgreich Flüchtlinge mangel – dringend gebraucht.
zu integrieren, böte dies nun geeignete Struktu-
ren, um auch das zukünftige Management von
Frauenpolitik: Ungenutzte Potenziale
Flüchtlingen zu erleichtern. »Syrische Flücht-
linge in Deutschland zu integrieren, ist um ein Ähnlich wie am Thema Migration und Integra-
Vielfaches einfacher und wirtschaftlicher. Sie tion war das Ausland in der jetzigen Erhebung
müssen nicht von Null anfangen, sondern finden stärker als bisher an der Stellung der Frau in
familiäre Strukturen vor. Die Verteilung der Deutschland interessiert. Eine Vielzahl von
Flüchtlinge in Europa sollte sich diesen Realitä- Aussagen befasst sich explizit mit den Themen
ten zuwenden«, heißt es aus Italien. gesellschaftliche Stellung der Frau, Gleichbe-
rechtigung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf
sowie Familienpolitik; zu etwa gleichen Anteilen
kamen diese aus Europa und der außereuro-
päischen Welt. Das Bild, das gezeichnet wird,
ist nicht eindeutig. Was sich herauslesen lässt:
Deutlich kritischere Einstellungen dazu, wie
gleichberechtigt Frauen in Deutschland sind
und welche Chancen sie im Berufsleben haben,
fanden sich in der europäischen Nachbarschaft
und im angelsächsischen Raum. Bei einigen
Nachbarn gelten die skandinavischen Länder
in der Frauenfrage als vorbildlicher. Gründe für
die deutsche Stagnation in dieser Frage werden
nicht nur in defizitären politischen Rahmen-
bedingungen vermutet, sondern auch in einer
wenig dynamisch geführten gesellschaftlichen 61
Debatte: Fehlten funktionale Betreuungsan-
gebote, weshalb Frauen neben der Versorgung
ihrer Kinder nicht oder nur eingeschränkt
beruflich arbeiten können, gehe »viel Talent
verloren« und Potenzial bleibe ungenutzt.

Zudem wird die Frage in den Raum gestellt, ob


eher konservative gesellschaftliche Rollenmuster
dafür verantwortlich seien, dass das deutsche
Berufsleben noch immer männerdominiert sei.
Dies gipfelt in der zugespitzten Einzelmeinung
aus England, dass »die Vereinbarkeit von Familie
und Beruf in Deutschland ein Desaster ist! Die
Politik versucht zwar viel, um gegenzusteuern,
aber die Gesellschaft muss umdenken! Das tra-
ditionelle Rollenverständnis ist noch immer sehr
verbreitet und verhindert wirkliche Fortschritte
in diesem Bereich.« Obwohl andere Aussagen
weniger vehement ausfallen, bleibt der Eindruck
bestehen: Man würde Deutschland durchaus
progressivere Rollen- und Handlungsmuster
»Frauen stehen noch immer nicht auf zutrauen und wundert sich stattdessen, dass die
der gleichen Stufe mit weißen, Realität anders ist, als man dies beim ›Power-
dicken alten Männern. Es ist an der Zeit, house Deutschland‹ vermuten würde. Erstaunen
dass Frauen einen gleichberechtigten ruft die Beobachtung hervor, dass in Deutsch-
Part in Wirtschaft und Politik spielen.« land zu wenige Frauen und Männer gegen dieses
USA Ungleichgewicht protestierten.
Fähigkeiten und Attraktivität Deutschlands

Insgesamt fällt auf, dass die Befragten sich die externen Beobachtungen das Bild eines
teilweise sehr differenziert über diese Themen gegenüber Migranten eher netten Nachbarn,
äußern; plakative Pauschalurteile sind in der der sich als Musterschüler korrekt verhält und
Minderheit. Die Frauen- und Familienpolitik sich um ›gute Noten‹ bemüht, bisweilen aber
scheint derzeit eine profilbildende Bedeutung auch etwas zu angestrengt ambitioniert wirkt.
für Deutschland zu haben – wenn auch nicht Dabei überwiegt jedoch die Sympathie für
in einem rein positiven Sinn. Potenziale für ihn, denn schließlich will er es ja gut machen.
mehr Fortschritt werden jedoch nicht bestrit- In den Worten eines Befragten: »Deutschland
ten. Zusätzliche Symbolkraft erhält das Thema macht zwar keine Schlagzeilen, aber das Land
für einige Ausländer durch die Tatsache, dass hat sich in den letzten 40 Jahren zu einem
mit Angela Merkel eine Frau an der Spitze guten Weltbürger entwickelt.«
der deutschen Regierung steht. Das verleitet
bisweilen zu pathetischen Aussagen wie dieser
aus Ägypten: »Ich freue mich jedes Mal, wenn
62 ich Angela Merkel sehe, sie ist ein Vorbild für
Frauen in der ganzen Welt. Sie steht für Einsatz
und Engagement für ihr Land, für Stärke.«

Deutschland – kaum Schlagzeilen,


dafür Substanz
Profil Deutschland – welcher Eindruck bleibt
haften, wenn es um deutsche Fähigkeiten
und Fertigkeiten geht? Es ist gewiss das Bild
eines starken und fortschrittlichen Deutsch-
lands, das bewundert wird für seine wirt-
schaftlichen Leistungen, seine Leadership in
›grünen Th
­ emen‹, seine Lebensqualität, seine
Rechtsstaatlichkeit und seine demokratische
Streitkultur. Deutschlands individuelle und
gesellschaftliche Werte, seine staatlich ge­re-
gelte Gesetzestreue, die bisweilen eine Spur
zu viel Obrigkeitsdenken produziert, sind
systembildend und machen das Land sehr
wettbewerbsfähig, auch wenn es im Zuge der
Globalisierung in puncto Innovationen nicht
zu den Schnellsten, dafür aber zu den Gründ-
lichen gezählt wird. Ursachen dafür werden
in einer angelernten Risikoscheu vermutet,
die größtenteils der deutschen Geschichte
und einem wenig stimulierendem Erziehungs­
system zugeordnet wird. Zugleich vermitteln
63

»Über gewisse Großprojekte – wie den Berliner


Flughafen oder die Elbphilharmonie – macht man
sich selbst im Ausland lustig. Man fragt sich:
Wie schaffen die es bloß, einen solchen Mist zu machen?«
Norwegen
Von Anspruch
und Verantwortung:
Die internationale
Rolle Deutschlands
I m Ausland macht sich ein ebenso inte­
ressierter wie differenzierter Blick auf die
Rolle Deutschlands in der Welt bemerk-
Europäischer Motor mit
Richtlinienkompetenz
65

bar. War dies bereits ein relevantes Thema Deutschland, so hört man, ist die stärkste
der ersten Erhebung, so gibt es auch in Wirtschaftskraft in Europa, wird als Power-
dieser zweiten Befragung kaum ein Inter- house, Lokomotive, Motor und Herz Europas
view, in dem sich die Gesprächspartner beschrieben, als Fels in der Brandung der per-
nicht zu Einfluss, Macht und Verantwortung manenten Herausforderungen, als Sprachrohr
­Deutschlands äußern. Das Thema scheint im und Richtliniengeber Europas, als Leuchtturm,
Ausland sehr virulent zu sein. Dabei fehlen bisweilen Retter in der europäischen Finanz-
weder kritische Töne noch solche, die klare krise oder gar als ›Portemonnaie‹, als Bulle in
Erwartungen an Deutschland zum Ausdruck der europäischen Arena, als älterer Bruder: Bei
bringen. Zunächst thematisiert eine Vielzahl den Gesprächspartnern herrscht eine große
von Befragten die wirtschaftliche Leistungs- Metaphorik vor, wenn sie über Deutschlands
kraft Deutschlands – und verbindet das Rolle in Europa reflektieren. Manch einer
direkt mit dem Status Deutschlands in der versteigt sich gar zu Aussagen wie dieser, nur
Europäischen Union (EU). Von seiner wirt- Deutschland »halte die EU zusammen«, oder
schaftlichen Stärke innerhalb Europas gehen jener, alle »großen Entwicklungen der EU
die Aussagen über zu Themen der politischen hätten ihren Ursprung in Deutschland«. Aus-
Verantwortung – für Europa, aber auch welt- gehend von der unbestrittenen ökonomischen
weit. Oft folgt der naheliegende Schritt hin Dominanz, deren Anerkennung den meisten
zur Beurteilung deutscher Einflussnahme in Aussagen inhärent ist, haben viele externe
multilateralen Bündnissen. Was in die Fragen Beobachter eine davon abgeleitete generellere
mündet: Wie gut spielt Deutschland seine Führungsposition Deutschlands vor Augen. So
Rolle in der Außen- und Sicherheitspolitik? wird konstatiert, wie »diszipliniert und gerad-
Und wodurch ist etwaige Zurückhaltung linig« Deutschland Europa aus der Finanzkrise
begründet? Dabei wird ein weiteres Mal die geführt und damit »den richtigen Weg« gewie-
deutsche Geschichte bemüht. sen habe. Nur Deutschland, so sagen einige,
Die internationale Rolle Deutschlands

66 könne Europas Krise bewältigen. Unklar bleibt, wird heutzutage partiell sogar als notwendig
ob das Urteil, letztlich sei die EU »eine große erachtet, nicht nur von Befragten außerhalb
DM-Zone«, eher wohlwollend oder kritisch Europas, sondern auch aus Nachbarländern
gemeint ist. Häufiger klingt an, den großen Deutschlands. Dort wird betont: Zwar seien
weltweiten Respekt habe sich Deutschland nicht immer alle europäischen Partner etwa
durch Leistung erarbeitet und stehe deswegen mit der deutschen Sparpolitik einverstanden,
zu Recht aktuell auf dem »Höhepunkt seines »aber wenn man etwas in Europa bewegen
Images«. Dabei wird auch vermutet, dass es will, dann braucht es Deutschland«. Insgesamt
Deutschland nicht nur um ökonomische Potenz scheint man das Land also dafür zu schätzen,
gehe, sondern darüber hinaus um Werte, um dass es erheblich zur wirtschaftlichen Stabili-
»soziale Verantwortung« und »Solidarität«. tät Europas beiträgt. Vereinzelt ist man sogar
»dankbar«, dass sich Deutschland in der euro-
päischen Finanzkrise so stark engagiert, und
Zu viel des Guten ist nicht
fragt sich, wie Deutschland die Finanzkrise
immer gut genug
als einziges Land einigermaßen unbeschadet
Rund um den Globus, so scheint es, werden überstanden habe und nun »wie ein Pfeiler in
die ökonomische Dominanz Deutschlands der Brandung stehe, ruhig und stabil – das ist
und eine daraus abgeleitete Führungsrolle schon sehr bemerkenswert«.
in Europa nüchtern festgestellt und neutral
bis anerkennend gesehen. Das kommt im Doch gerade die europäischen Staaten ­warnen
Vergleich zur ersten Studie einer Veränderung zugleich vor deutscher Übermacht, vor lehr-
gleich: Vor drei Jahren wurde noch als eine meisterlichem Auftreten Deutschlands in
zentrale Herausforderung betrachtet, Befürch- Europa und vor Sonderregelungen, die man
tungen hinsichtlich einer neuen Dominanz aufgrund der Vorrangstellung einseitig nutze.
Deutschlands zu entkräften. Diese scheint Diese Art von Belehrung oder Egoismus wird
nunmehr Realität – ohne dass sich daraus Sor- kritisiert und bisweilen harsch zurückgewie-
gen ableiten, wohl aber Erwartungen und For- sen – man wünscht sich mehr Respekt und
derungen. Eine starke Stellung Deutschlands macht davon abhängig, wie sehr man dem Kurs
»Das Bild von Europa in Griechenland
ist sehr von Deutschland geprägt.
Deutschland bestimmt, was Europa ist.«
Griechenland

Deutschlands zu folgen bereit ist. Auch solle und ein gewisses Gefühl von Ohnmacht gehen 67
Bundeskanzlerin Angela Merkel die deutsche damit einher.
Macht in Europa nicht zu demonstrativ zeigen,
sondern den Schulterschluss mit anderen euro-
Wirtschaftlicher Riese,
päischen Kernstaaten wie Frankreich, Groß-
politischer Zwerg?
britannien und Italien suchen, um gemeinsam
mehr Schlagkraft zu erlangen. Gesprächspartner Eines scheint unübersehbar: So klar man im
aus Frankreich etwa meinen: Ohne uns geht es Ausland die wirtschaftliche Stärke Deutsch-
nicht, »wir sind die zweite Wirtschaftsmacht, lands anerkennt, so sehr sieht man eine daraus
und die Beziehung muss auch politisch weiter resultierende Verpflichtung zu engagierter
gepflegt werden«. Die argumentative Mitnahme politischer Führung: »Deutschland exportiert
anderer Staaten ist ein interessanter Gesichts- am meisten und führt politisch international
punkt, dem im nächsten Kapitel gesondert am wenigsten.« Dies scheinen Einige so nicht
nachgegangen wird. tolerieren zu wollen, sie wünschen sich mehr
Balance. An der Wahrnehmung seiner politi-
Selbst Befragte aus Europa, die das Agieren schen Führungsrolle werde man Deutschland in
Deutschlands, wie etwa die Austeritätspolitik in nächster Zeit messen. Daran, dass Deutschland
der europäischen Finanzkrise, als »dominant« diese Rolle derzeit bereits ausreichend ein-
betrachten und kritisch bewerten, benen- nimmt, hegen viele Zweifel. Doch grundsätz-
nen keine echte Alternative. Sie stellen eher lich scheint man Deutschland die Fähigkeit, aus
nüchtern fest: Wer die wirtschaftliche Potenz der ersten Reihe zu führen, zuzutrauen. Einer
besitzt, der darf auch eine klare Deutungs­hoheit der Gesprächspartner spricht von einer Art von
beanspruchen. Oder, wie es aus Frankreich Automatismus: »Durch seine Wirtschaftskraft
heißt: »Man nimmt Deutschland wahr als einen verschafft sich Deutschland Legitimität in der
aufsteigenden, unaufhaltsamen, gutwilligen Politik.« Ein anderer will ein günstiges »morali-
aber etwas tauben Nachbarn. Wir wissen, egal, sches Fundament« Deutschlands erkennen, und
was Deutschland macht – wir werden damit wieder ein anderer sieht die »Verantwortungs-
zurechtkommen müssen«. Realistischer Respekt vollen Weltbürger« vor sich, die es Deutschland
Die internationale Rolle Deutschlands

»Deutschland hat in der EU die Oberhand,


es hat fast ganz Europa geschluckt.«
Iran

68 ermöglichten, eine herausgehobene politische so anspruchsvoll. Denn die Weltöffentlich-


Führungsrolle in der Welt einzunehmen. Ver- keit weiß selbstverständlich um die Vielzahl
einzelt ist auch zu hören: ja, Deutschland weiß, und Brisanz globaler Krisen (geo)politischer,
wie politische Führung geht, und spielt diese religiöser oder sozialer Natur, seien es die
Rolle – wenn es sie einnimmt – sehr ordent- ­Ukrainekrise, Konflikte in der MENA-Region,
lich. Aber offenbar muss es bisweilen noch ein der Vormarsch des so genannten ›Islamischen
wenig ›geschubst‹ werden, es drängt sich nicht Staates‹ oder der Ausbruch von Ebola. Gerade
von alleine auf, wie etwa aus Mexiko verlautet: deshalb sei politische Leadership gefordert –
»Deutschland ist eine aufstrebende Macht, die und gerade deshalb nehme man Deutschland
an diese Macht noch nicht gewöhnt ist und in die Pflicht. Die Zeiten des »zögerlichen
diese Rolle noch erlernen muss.« Gibt es noch Hegemons«, der noch in der ersten Befragung
andere Gründe als die, an diese Rolle noch auftrat, scheinen vorbei zu sein. Die Gleichung
nicht gewöhnt zu sein? Zögert Deutschland, könnte lauten: Macht ist nicht teilbar, sie
weil es negative Effekte zu vermeiden sucht? verpflichtet zu umfassender Verantwortung, sei
es in wirtschaftlicher, politischer, kultureller
oder auch militärischer Hinsicht. Man könne
Nie war Führung für Deutschland
sich nicht nur einzelne Stücke des Kuchens
so einfach wie heute
aussuchen, lautet die im­pli­zite Botschaft. Oder,
Deutschland genießt zunächst einmal großes wie ein US-Amerikaner nüchtern feststellt:
Vertrauen in der Welt. So groß, dass man »Mit zunehmender Macht, Einfluss und Rolle
ihm die »große Politik« zu gestalten zutraut, in der Welt wird auch Deutschland Unmut auf
damit sich »die Welt bewegt«. Oder, wie es sich ziehen. Es ist das Schicksal von mächtigen
ein Gesprächspartner aus Indien zuspitzt: Nationen, dass sie über kurz oder lang terroris-
»Deutschland genießt das Vertrauen auf der tischen Anschlägen ausgesetzt sind. Deutsch-
Welt, eine größere Rolle zu spielen – zum land wird hier auf lange Sicht keine Ausnahme
Nutzen aller Menschen.« Beinahe könnte man bleiben. Willkommen im Club.« Zweierlei
schlussfolgern: Nie waren die Zeiten für diese ist festzuhalten: zum einen ein seit längerem
Rolle so günstig wie heute – aber auch selten gewonnenes Vertrauen, das man inzwischen
in Deutschland setzt, wie auch die unmiss-
verständliche Forderung, seinem Status in der
Welt nunmehr gerecht zu werden und adäquat
Präsenz zu zeigen.

Leadership nur mit Europa


Deutlich erkennbar ist, dass man im Ausland
dabei auf konzertiertes europäisches Handeln
setzt. Deutsche Alleingänge werden nicht von
jedem goutiert, sondern vielmehr scheint Kon-
sens darin zu bestehen, dass deutsche Führung
nur mit und aus Europa heraus funktionieren
kann. Diese Überzeugung kleidet ein Befrag-
ter in Thomas Manns Frage: »Wollen wir ein 69
europäisches Deutschland oder ein deutsches
Europa?« Viele scheinen ein Deutschland zu
wollen, das sich an die Spitze Europas setzt –
wo es wegen seiner Wirtschaftskraft ohnehin
bereits steht –, dabei die anderen EU-Mitglie-
der und deren Interessen berücksichtigt und
globale Politik engagiert mitgestaltet. Deutsch-
land also als Teil von Europa. Warum? Positiv
bis gutwillig geben Befragte Antworten wie
diese: Weil »Deutschland ein relativ kleines
Land ist. Aber das ganze Europa ist gemeinsam
auch reich und reich an Ressourcen«. Und »weil
Deutschland nur mit Europa existieren kann.
Wenn Europa erstarkt, erhält Deutschland
auch sein Recht, etwas zu sagen«. ­Europäische
Diversität gehe vor deutschem Alleingang,
scheint die Devise zu lauten. Skeptisch bis nega-
tiv verweisen andere auf das Thema deutsche
Interessen: So sei es nicht opportun, ­deutsche
Prosperität – ausgedrückt etwa in einem
riesigen Außenhandelsüberschuss – auf Kosten
»Die Zurückhaltung Deutschlands auf der der EU zu leben. Eine Stimme aus Polen
internationalen Bühne erklärt sich durch die beschreibt es wie folgt: »Deutschland kann in
Geschichte Deutschlands. Man will neutral der EU führen, aber nur im Rahmen der EU.
bleiben. Das ist nicht einfach. Hut ab vor dem Wenn Deutschland versucht, eigene nationale
Kurs der Deutschen.« Interessen durchzusetzen, dann haben wir keine
Brasilien Kontrolle mehr. Deutschland hat in den euro-
Die internationale Rolle Deutschlands

70 päischen Strukturen eine Stellung als führender die Wirtschaftslokomotive und kann dadurch
Staat, als wirtschaftliche Potenz, aber unter der auch Dinge durchsetzen, andererseits muss man
Bedingung, dass Deutschland seine Nachbarn die EU auch zusammenhalten und geopolitisch
respektiert. Ohne diese Politik wird es keine diplomatisch sein«.
Akzeptanz geben.«

Chancen auf einen ›European Dream‹?


Allerdings hört man auch Stimmen, die sagen,
Deutschland dürfe sich nicht hinter Europa Noch einen weiteren Anspruch verbindet man
verstecken. In Anbetracht des Gehörten mit der Rolle Deutschlands in Europa: Nicht
entsteht im Kopf folgendes Bild: Als ›Klassen- nur der wirtschaftliche, sondern auch der politi-
bester‹ muss man auch alleine vor der Klasse sche wie kulturelle Zusammenhalt sind gefragt,
stehen und den Druck der anderen aushalten was auf eine Wiederbelebung der ›europäischen
können: »Deutschland kann seine Antwor- Idee‹ hinausläuft. Denn Europa als politische
ten nicht mehr allein mit Bezug auf die EU Union bedeute mehr als die bloße Addition
finden. Deutschland muss auch Deutschland seiner Mitgliedsstaaten, wie aus manchem
sein und seinen Einfluss in der Welt deutlich Interview zu hören ist. Ein Gesprächspartner
machen.« Im Ausland, so scheint es, will man aus Frankreich will dieses »europäische Projekt«
also ein emanzipiertes Deutschland, das je nach noch existent wissen und spricht Deutschland
Anlass und Anforderung die adäquate Form der daran eine hohe Mitwirkung zu. Schließlich
Verhaltensweise austariert – mal entschieden sei ein Mehr an Vision, Struktur und Zusam-
deutsch, mal bewusst europäisch. Oder, wie aus menhalt in Europa dringend notwendig, um als
den Niederlanden verlautet: »Deutschland soll europäischer Staatenverbund wieder größeren
in Europa eine Vorreiterrolle ›mit sanfter Hand‹ Einfluss in der Welt zu erlangen. Bei Deutsch-
spielen.« Dafür, dass es nicht immer einfach land werden jene Kompetenzen vermutet, diese
sein mag, die richtige Form zu finden, zeigen ›europäische Idee‹ voranzutreiben. Schließlich
einzelne Gesprächspartner Verständnis, wenn stehe Deutschland für Werte, die auch funda-
sie sagen, Deutschland habe in Europa »eine mental für Europa stehen könnten, und habe
sehr schwierige Position inne: einerseits ist man darüber hinaus einen »sehr vielschichtigen, >
Exkurs

Zusammenarbeit
mit Deutschland
Aus Beteiligten
werden Partner
V iele Länder haben bereits gute Erfah-
rungen mit Deutschland gemacht und
schätzen die Art des Miteinanders. Was
Lösungen wünschen, suchen Industrie­län­der
den vermehrten Austausch bei Zukunfts-
themen wie Energie, Digitalisierung und
71

man von Deutschland bekommen kann, weiß Resilienz. Das ist nicht überraschend, da
man ziemlich genau. Man sieht aber auch solche Tendenzen vom jeweiligen Entwick-
die Haken und Ösen in der Zusammenarbeit, lungsstand der Länder abhängen.
die sich noch verbessern ließe – etwa die
Sichtbarkeit der politischen Positionen. Einig sind sich die Partner auch bei dem
›Wie‹: Die Kooperation sollte auf Augenhöhe
Schaut man genauer auf die Aussagen zur vorankommen. Man möchte nicht belehrt
deutschen Kooperation mit dem Ausland, werden, sondern vorgeschlagen bekom-
zeigt diese mehrere Facetten, je nachdem, men, wie man den Wissensvorsprung und
ob es sich um die bilaterale Zusammen­ Erfahrungsschatz Deutschlands für sich
arbeit mit einem Entwicklungs- und Schwel- nutzen könnte – durchaus im Vergleich mit
lenland oder um die mit einem Industrie­ den Angeboten anderer Länder. Deutsch-
land handelt. Dennoch fällt auf: Egal, ob land könne nur gewinnen, wenn es sich
die Aussagen aus Indonesien, Südafrika, den Gegebenheiten im Partnerland stärker
Iran, Russland oder Italien stammen – der anpasse, fragend statt antwortend vorgehe,
Wunsch nach einem lebhaften und noch nichts einseitig vorgebe und damit mehr
intensiveren Austausch auf wirtschaftlicher, Raum lasse für Neues. Prinzipiell sei man
wissenschaftlicher und politischer Ebene hier auf gutem Wege, meint ein Befragter
ist gleichermaßen vorhanden. Dabei werden aus Ägypten: »Im Gegensatz zu anderen
die geschätzten bilateralen Beziehungen mit internationalen Gebern sind die Deutschen
Deutschland oft von jenen mit der EU abge- stärker daran interessiert, die Sicht des
grenzt. Während die aufstrebenden Entwick- Partners zu verstehen. Die ­Zusammenarbeit
lungs- und Schwellenländer eine vertiefte mit Deutschen ist geprägt von einem
Zusammenarbeit bei Wissens- und Technolo- gemeinsamen Interesse und Respekt.« Und
gietransfers und eine gemeinsame Arbeit an noch ein Pluspunkt blitzt hier und da auf:
Exkurs

Deutschland knüpft seine Zusammenarbeit fixiert auf ihre Methodologie und wenig offen
offenbar weniger an Vorbedingungen als für Veränderung.« Mitunter könne die Ko­ope-
andere Länder. So verlautet aus Indonesien: ration »mit weniger moralistischen, sondern
»Es ist für uns einfacher, mit den Deut- tiefergehend verstehenden Zügen versehen
schen zu verhandeln als mit den anderen sein«, ist aus Russland zu hören. Bisweilen
europäischen Partnern. Sie scheinen immer kommt zum typisch deutschen Tugendmix
unsere Position verstehen zu wollen, es gibt noch eine Prise Emotion hinzu, wenn etwa
keine schwierigen Voraussetzungen, die erst eine andere russische Gesprächspartnerin
erfüllt werden müssen.« In Südafrika findet berichtet: »In meiner jahrelangen Zusam-
man die Kooperation mit den Deutschen im menarbeit habe ich Deutsche als Menschen
Gesundheitsbereich »erfrischender« als mit Lebensfreude, V­ erantwortungs­gefühl und
mit anderen: »Sie sind interessiert an den Wohlwollen kennengelernt.« Viele externe
lokalen Bedingungen und stellen uns viele Beobachter nehmen deutsche Akteure
wertvolle Informationen über ihr System als interessiert, seriös und ­ver­­­ant­wortungs­-
72 zur Verfügung.« Aus der Türkei kommt bewusst wahr. Sie meinen: Trotz einiger
die Aussage: »Deutschland ist der größte Unzulänglichkeiten und einer gewissen
Handelspartner. Wir arbeiten sehr gerne mit Scheu vor Verantwortung spiele Deutschland
deutschen Unternehmen, weil sie sich an seinen Part bereits recht gut.
Regeln halten, klare Standards setzen und
man ihnen vertrauen kann. Das ist die Basis Wie häufig gibt es Raum für Mehr: In Brasi-
erfolgreicher Zusammenarbeit.« Deutsche lien etwa wünscht man sich, dass Deut­-
Tugenden lassen grüßen. Ob der folgende sche öfter die Wege zeigen, wie sie ihre
Hinweis aus Marokko eher humorvoll oder Errungenschaften erzielt haben. Man
kritisch zu bewerten ist, bleibt dahinge- möchte gerne hinter die Kulissen blicken
stellt: »Deutschland wird als ernst, streng und nicht einfach das Ergebnis präsentiert
und produktiv wahrgenommen (im Gegensatz und zur Nachahmung empfohlen bekom-
zu Frankreich und Spanien). In der Zusam- men: »Das würde in der Zusammenarbeit
menarbeit mit Deutschen muss man selbst zwischen Deutschland und Brasilien viel
viel arbeiten.« helfen. Solche Hintergründe würden das
Ungleichverhältnis stark minimieren und
Der Rückschluss auf deutsche Charakter­ zu mehr Kooperation anregen.« Es geht
merkmale in der Frage nach der Zusammen­ vielen Gesprächspartnern um beiderseitige
arbeit kommt jedenfalls häufig vor: So Anforderungsprofile. Angebot und Nach-
em­pfindet ein Südafrikaner deutsche frage, Geben und Nehmen seien in eine gute
Kooperationspartner als »sehr ­systematisch Balance zu bringen. Das heißt: Die Zeiten
und sehr ordentlich« und fügt hinzu: einer paternalistisch geprägten bilateralen
­»Attri­bute, wie man sie auch von einem Zusammenarbeit sind längst vorbei. Selbst
BMW kennt …« In Kolumbien schätzt man die weniger entwickelte Länder formulieren
Zusammen­arbeit mit Deutschen aufgrund sehr selbstbewusst ihre Ansprüche. Dennoch
»ihrer methodologischen Stärke«. Was aber bleibt die Perspektive der meisten Entwick-
zugleich auch als einschränkend erlebt wird: lungsländer erstaunlich angebotsorientiert:
»Allerdings sind sie manchmal auch zu sehr Man wünscht Angebote dahingehend, worin
»Die deutsch-russische Zusammenarbeit
sollte realistisch gestaltet sein und mit
weniger moralistischen, sondern tiefergehend
verstehenden Zügen versehen sein.«
Russland

Deutschland gut ist, um davon selbst pro- Das Stichwort ›aufdrängen‹ passt auch 73
fitieren zu können. Dominante Felder sind zu einem viel größeren Bereich: In einigen
folglich die Berufliche wie die Hochschulbil- Kommentaren aus dem Ausland wird sehr
dung und alle Themen rund um Umwelt und deutlich, dass man sich Deutschland aktiver
Energie. Die eigene Selbständigkeit scheint und offensiver wünscht bei seiner Positi-
gewahrt zu bleiben, wenn die Zusammen- onierung auf politischem Terrain. Warum,
arbeit der Forderung gehorcht: »Predigt so fragt sich ein US-Amerikaner, war
nicht, wir wollen von Euch lernen!«, wie es Deutschland beim Ausbruch der Ebolakrise
aus Indien heißt. Der anerkennende Zusatz: in Westafrika so wenig sichtbar, obgleich
»Deutschland ist in dieser Hinsicht fort- man in Deutschland eine hohe Kompetenz
schrittlicher als andere, weil es sich nicht für die Bekämpfung von Epidemien ver-
unbedingt aufdrängt«, will bekräftigen, dass mutet? Warum nimmt Deutschland, das
Deutschland dieser Forderung nachkommt. bekanntlich auf zivile statt auf militärische
Krisenbewältigung setzt, solche Chancen
Sich aufzudrängen scheint ohnehin nicht nicht wahr, sein Können einzusetzen und
das Problem der Deutschen zu sein. Im vorzuzeigen? In der Ebolakrise sei es nun zu
Gegenteil: Es gibt eine Vielzahl von Stim- spät, fährt derselbe Interviewpartner fort:
men, die sich wundern, warum Deutsch­- »Aber ihr könnt es als Lernbeispiel nutzen:
land so wenig entschieden mit dem wirbt, Wacht auf und nutzt Eure Gelegenheiten!
was es vorzuweisen hat. Einigen geht es Wägt nicht so lange alle Vor- und Nachteile
dabei zunächst um eine größere Öffnung, einer Beteiligung ab. Macht das, was ihr in
um mehr Zugang. So mahnt ein Befragter der internationalen Zusammenarbeit macht,
aus dem Iran an, Deutschland sollte »noch groß, macht es öffentlich, fahrt die Meriten
weltoffener werden. Dazu gehören auch dafür ein. Schaut Euch Amerika an: Wir tun
ein stärkerer wissenschaftlicher ­Austausch Gutes - und sprechen darüber. Von einer
und die Einrichtung von Büros für Studien­ solchen Umgangsform könnte Deutschland
willige, die einem den bürokratischen Auf- lernen.« Was an diesem Beispiel klar wird:
wand für Studien in Deutschland abnehmen.« Eine gewichtigere Rolle Deutschlands in den
Exkurs

internationalen Beziehungen sollte in den che entsprechen. Will sagen, bei allen Pro-
Augen vieler einhergehen mit einem offen- zessen, bei denen es um Regeln und N ­ ormen
siveren Auftreten. Wer stark ist, muss auch geht, da sind die Deutschen stark und
anbieten – könnte die lakonische Botschaft können ihre Reputation und Glaubwürdig­keit
lauten, die das Ausland an Deutschland einbringen.«
heranträgt. Das gelte nicht erst, wenn man
sich als wirklich führend in einem Sektor
erachte. Denn: »Zusammenarbeit fängt schon
da an, gemeinsam Dinge zu entwickeln und
voranzutreiben.« Nicht warten also, bis
andere anfragen, sondern aktiv Angebote
machen und sich dem Wettbewerb stellen.
So sieht das auch ein Gesprächspartner aus
Russland: »Ich erwarte, dass Deutschland
74 stärker eigene Themen und Positionen in die
Gestaltung der Zusammenarbeit mit Russ-
land einbringt.« Dabei komme es darauf an,
Beteiligte zu wirklichen Partnern werden zu
lassen: »Deutschland kann in der bilatera-
len Zusammenarbeit mit Indien immer dann
punkten, wenn es Indien nicht mit ideologi-
schen Ansprüchen kommt. Erst einmal geht
es für Indien darum, zu begreifen. Dann geht
es darum, Inder zu tatsächlichen Stake­
holdern zu machen.«

Insgesamt scheint die Tendenz dahin zu


gehen, dass man sich im Ausland eine
Zusammenarbeit mit Deutschland nicht mehr
nur in einzelnen Sektoren – wie Umwelt,
Gesundheit, Sicherheit – wünscht, sondern
vielmehr einen umfassenden partnerschaft­
lichen Dialog, ein Aushandeln von Interessen
und die Entwicklung ganz neuer Betäti-
gungsfelder. Deutschland, so raten einige
Gesprächspartner, könne immer ­erfolgreich
sein, wenn es auf Feldern agiere, die
authentisch seinem Charakter und seinen
Stärken entsprechen. Oder, wie aus der
Türkei gesagt wird: »Deutschland sollte sich
in der internationalen Zusammenarbeit auf
Felder konzentrieren, die seiner Körperspra-
»Deutschland fehlt für Europa eine Vision
und eine langfristige Agenda. Was ist
Europa in ein paar Jahren? Das tägliche Getue
lenkt zu häufig von dieser Frage ab.«
Niederlande

> nuancierten Ansatz in seiner Politik«, etwa Europa. Benennen kann ich sie aber nicht.« 75
bezogen auf den Mittleren Osten eine »sehr Mancher wähnte sich sicherer, wenn der ›euro-
geschätzte, moderate Position«. Man könnte päische Riese‹ ein fertiges Konzept zur Hand
geneigt sein, anhand der Kommentare zu glau- hätte: »Deutschland sollte die Vision, wo wir
ben: Der ›European Dream‹, auf den einzelne hingehen, deutlicher artikulieren und ein posi-
hoffen, funktioniert nur mit Deutschland – tives Zukunftsbild zeichnen.« Doch die Frage
oder eben gar nicht. nach der Strategiefähigkeit Deutschlands bleibt
zumindest für Europas Belange weiter offen.
Verbreiteter ist die Meinung, dass es Europa Ein französischer Gesprächspartner misstraut
heutzutage an einer gemeinsamen Vision oder den allzu vagen Hoffnungen: »Deutschland
Strategie fehle. Und weiß Deutschland eigent- hat praktisch die Hegemonie über Europa,
lich immer, wohin es will und wozu? Verdeckt aber weiß nicht, was es damit anstellen soll.
man mit seiner Zurückhaltung nicht vielmehr Oder es weiß es, aber sagt es nicht. Aber meine
den eigenen Mangel an Ideen oder Visionen? Erfahrung ist: Wenn Leute nicht sagen, was
Gesprächspartner, die diese Fragen aufwerfen, sie tun werden, wissen sie es eigentlich selbst
vermuten, Deutschland habe eine Strategie nicht.« Immerhin: Das Verhalten und Vermit-
und wisse, nach welchem Ziel es strebe. Allein teln Deutschlands im Ukrainekonflikt erhält
die Tatsache, dass sich Deutschland einer manch anerkennende Worte, weiß man doch
qualitativen Befragung stelle, deren Ergeb- um die damit verbundenen Herausforderun-
nisse hier zusammengetragen werden, zeige, gen. Man respektiert gemeinhin das Auftre-
wie grundsätzlich strategisch und weitsichtig ten von Kanzlerin Merkel, will darin eine
Deutschland vorangehe: »Andere Länder »Marke Deutschland aus Härte und Dialog«
begnügen sich damit, ob sie gut oder schlecht erkennen, die man auch weiterhin in der
wahrgenommen werden«. Oft werden jedoch europäischen Außenpolitik von Deutschland
Mutmaßungen vorgebracht, die lediglich erwarte. Andere aus der EU betrachten dies
unscharfe Konturen zeichnen und ein wenig nüchterner und kritischer. Exemplarisch dafür
das ›Prinzip Hoffnung‹ beschwören: »Deutsch- steht folgende Wahrnehmung: »Es gibt keine
land hat vermutlich eine klare Vision bezüglich gemeinsame europäische Außenpolitik. In der
Die internationale Rolle Deutschlands

76 Ukrainekrise spricht Deutschland für die EU, auch andere Möglichkeiten gibt.« In diesen
ohne sich mit seinen europäischen Partnern und anderen Bemerkungen schwingt mit: Man
abgesprochen zu haben.« wünscht sich Deutschland als Gegengewicht
zum Hegemon USA. Man traut Deutschland
dabei offenbar zu, ein »eher neutral« agierender,
Gegengewicht zum Hegemon USA
»ausgleichender Pol« in den internationalen
Interessant ist das Auseinanderdriften der aus- Beziehungen zu sein. Damit verbindet sich
ländischen Meinungen in dem Punkt, ob und häufig der Hinweis auf die deutsche ›Soft
wie sich Deutschland schon heute Gehör bei Power‹, auf ein Handeln kraft Dialog statt
der Gestaltung internationaler Beziehungen ver- mittels Waffen. Hinzu kommt: Deutschland
schafft. Die einen sagen, wie hier aus Marokko, wird für sein andersartiges soziales System und
international sähe man »wenig von Deutsch- für eine andere Kultur wertgeschätzt, ebenso
land, das Land ist nicht sehr entscheidungs- wie für andere Formen der Zusammenarbeit.
freudig. Deutschland agiert regional, nicht aber Das mündet in die Formulierung: »Durch seine
global«. Andere, beispielsweise Italien, wollen ›Soft Power‹ hat sich Deutschland in einer sehr
in den vergangenen Jahren einen Wandel »von intelligenten Weise neu positioniert als eine
einer sehr zurückhaltenden, introvertierten Macht, die für das Gute in der Welt steht.«
und scheuen Nation hin zu einer Gesellschaft Eines scheint dabei manchem wichtig zu blei-
beobachtet haben, die Position bezieht, auch ben: Neutral bedeutet nicht interessenlos oder
wenn sie damit gegen den Strom schwimmt«. gleichgültig. Daher warnt man aus Polen: »Die
Auf den Punkt gebracht heißt es im Iran: größte Herausforderung Deutschlands ist der
»Deutschland hat eine Führungsrolle in der Wandel der Gesellschaft. Man hat Angst davor,
Welt, wenn auch nicht wie die großen Mächte. dass sich Deutschland in eine gleichgültige
Deutschland hat aber immer Einfluss.« Und in Gesellschaft wandelt. Die Polen wünschen sich,
Tansania: »Deutschland hat der Welt gezeigt, dass sich die positive Einstellung zu Demo-
das es auf internationalem Parkett eine Alterna- kratie, der Respekt für andere und Wohlstand
tive zu den USA gibt. Es ist das einzige Land, in der deutschen Gesellschaft wieder konso-
dass den USA zeigen kann, dass es statt Gewalt lidieren. Von den USA hat man sich in Polen
Ukraine

Prüfstein für eine neue


deutsche Rolle?

Die politische Krise zwischen der Ukraine ren: »In der Eurokrise und der Ukrainekrise
und Russland war zur Befragungszeit hoch sind wir uns einig. Das ist gut.« In den USA
aktuell; viele Interviewte gehen auf sie konstatiert man, »ohne Deutschland hätte
ein und machen daran eine neue, gestärk- Europa niemals mit einer Stimme gesprochen
te Rolle Deutschlands fest. Die meisten und hätte auch nicht die Embargo-Politik
erleben Deutschland hier als sehr präsenten glaubhaft gemacht und durchgehalten«, und
Protagonisten, wundern sich jedoch zugleich stellt im Anschluss die Frage: »Wer sonst
über sein allzu zauderndes Verhalten, wie kann Europa organisieren? Das liegt allein
etwa eine Aussage aus Indonesien zeigt: in deutschen Händen.« Es sei gut, dass 77
»In ­Europa muss Deutschland nun seine der deutsche Ton hier die Musik mache, ist
neue Rolle spielen: Primus inter pares. Der man in der Türkei überzeugt. Klar scheint zu
Ukrainekonflikt ist ein Lackmustest. Aber sein, dass Deutschland als »europäischem
Deutschland ist sehr nach innen gekehrt. Schlüsselakteur« fast reflexhaft die primäre
Eigentlich will es diese Rolle nicht spielen.« Rolle in der Ukrainekrise zugeschrieben wird.
Neue Rolle – das bedeutet im Falle des Erneut wird unterstrichen: Eine führende
­Ukrainekonflikts zum einen, dass ein von ökonomische Rolle in Europa verpflichte zu
den USA unabhängiges Auftreten wahrge- außen- und europapolitischem Engagement.
nommen und geschätzt wird. Damit rückt Die deutschen Tugenden – nüchtern und
Deutschland in den Augen der Beobachter in rational vorzugehen, einen kühlen Kopf zu
eben jene Position, die man von dem Land bewahren – machen Deutschland aus exter-
tendenziell erwartet: die einer Führungs- ner Sicht zum geeigneten Player, um einen
macht, die eigene Haltungen entwickelt und kriegerischen Konflikt vermeiden zu helfen.
auf den ­Hegemon USA nicht bloß reagiert. Übt Deutschland dabei gelegentlich zu viel
Zum anderen wird auch in diesem Kontext Rücksichtnahme? Ein Partner aus Groß­
deutlich: Europäische Nachbarn erwarten von britannien bejaht diese Frage: »Deutschland
Deutschland, bei a­ ußenpolitischen Fragen übernimmt bereits die Führungsrolle inner-
einbezogen zu werden, die Europa allgemein halb der europäischen Gemeinschaft, aber ihr
betreffen. Sie wollen informiert und gehört tut dies aufgrund Eurer Demut und Beschei-
werden. Einige Gesprächspartner erachten denheit schon fast auf eine instabile Weise,
dies beim Management der Ukrainekrise denn ihr sagt vor lauter Zurückhaltung nichts
bereits als realisiert. So äußert eine Stimme zum Thema Ukraine, dabei würde Putin Euch
aus Polen: »Zum ersten Mal hat man die- zuhören!« Generell jedoch sehen ausländische
selben Ziele, für die man gemeinsam gerade Beobachter Deutschland bereits heute als
steht.« Und aus den Niederlanden ist zu hö- wichtigen Fazilitator, der eine Koordina­ >
Die internationale Rolle Deutschlands

> tionsfunktion übernehme und als »Anwalt und die Türen für die Ukraine weit a­ ufstoßen,
hinter den Kulissen« klug verhandle. Andere zugleich gute Beziehungen zu Russland
bezeichnen Deutschland als »moderierende unterhalten und sich dann wundern, dass
Macht«. Im Ausland traut man Deutschland Russland entsprechend reagiert«, verlautet
also einiges zu, setzt auf seine Stärke, mit aus Italien. Ein eindeutigeres Profil wäre wohl
diplomatischen Instrumenten Waffeneinsätze hilfreicher. Ein russischer Beobachter lässt
verhindern zu können. Ein Kommentar aus an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und
Mexiko legt die Latte sogar noch höher: nimmt »eine klare Schrittfolge von Fehlern
»In der Ukrainekrise sollte Deutschland zum wahr, zu denen auch Deutschland in seiner
Beispiel der russischen Geopolitik Einhalt Position beigetragen hat, die zu nahe bei
gebieten, auch militärischen Druck aufbauen.« jener der USA liegt. Man hat auch im Westen
Die gleiche Stimme räumt aber ein: »Die Hal- zum Teil völkerrechtlich fragwürdig entschie-
78 tung Deutschlands ist jedoch verständlich, es den. Das bestärkt Putin in seinem Kurs.« Was
ist nicht einfach, den Polizisten zu spielen.« bleibt, ist der Eindruck: Führen in außenpo-
litischen Fragen ist heute anspruchsvoller
Nur wenige Befragte sprechen kritisch von denn je. Wenn man Deutschland heißt, sind
»widersprüchlichen Signalen«, die Deutsch- die externen Ansprüche besonders hoch – der
land gesendet habe. »Man kann nicht die Respekt vor den bislang eingesetzten Mitteln
EU-Erweiterung nachdrücklich unterstützen allerdings auch.

abgewendet und sich den Deutschen positiv Deutschland möge sein damit einhergehendes
angenähert.« Vetorecht »weise gebrauchen«. Schwingt hierbei
noch ein wenig Skepsis mit, Deutschland
könne eine zu große Macht missbrauchen?
Mehr multilateralen Einfluss
Die Frage ist nicht eindeutig zu beantworten,
Etliche Befragte sprechen sich zudem dafür doch jene Blicke auf Deutschland, die es auf
aus, Deutschland anlässlich seiner gestiegenen dem Weg zur »aufgeklärten Weltmacht« sehen,
Bedeutung auch eine stärkere Präsenz in multi­ sind vorherrschend. Für sie dient die Mitglied-
lateralen Organisationen zu gewähren. Eine schaft Deutschlands in multilateralen Bünd-
Reihe von Gesprächspartnern plädiert für einen nissen einerseits dazu, das Land gemäß seiner
ständigen Sitz Deutschlands im UN-Sicher- gestiegenen politischen Relevanz auch stärker
heitsrat: »Es ist an der Zeit, dass sich Deutsch- Verantwortung übernehmen zu lassen. Ande-
land aufrafft und eine aktive Rolle in der Welt rerseits knüpfen sie daran die Hoffnung, über
spielt. Die Welt ist längst bereit dafür. Selbst ein Deutschland ihre eigenen Interessen einbringen
Sitz im UN-Sicherheitsrat ist etwas, was erneut zu können und so der Dysfunktionalität des
angestrebt werden sollte.« Man hofft zugleich, UN-Systems entgegen zu wirken.
Heikles Thema Militär tionen werden, glaubt man den ausländischen 79
Gesprächspartnern, in Zukunft eine Selten-
In den Köpfen der ausländischen Befragten heit bleiben – zu mangelhaft, ja »blamabel«
nicht vereinbar scheinen der vermeintliche oder »absurd« sei die technische Ausstattung
deutsche Pazifismus und zeitgleich Deutsch- des deutschen Militärs, und das in einem so
lands weltweite Waffenlieferungen zu sein. In leistungs­fähigen Land. Andere hingegen hegen
diesem Bereich erwarten die Interviewten mehr ein gewisses Verständnis dafür und erkennen
Vorsicht und ein Zurückstellen deutscher Wirt- an, dass Deutschland in der Hauptsache auf
schaftsinteressen. Sonst mache sich Deutsch- Dialog statt auf Waffen setze, sodass seine mili-
land unglaubwürdig und schaffe sicherheitspoli- tärische Ausrüstung hinten anstehen müsse.
tische Risiken, die anderswo ausgebadet werden
müssten: »Deutschland verkauft Waffen und Bemerkenswert sind die Aussagen, die eine
baut sich auf diesen Steuereinnahmen seinen ›militärische Armut‹ Deutschlands ins Positive
Wohlstand auf, sie verkaufen an unsichere wenden und damit der deutschen Haltung eher
Regierungen, das ist doch eine Doppelmoral!« entgegenkommen. So dürfe man sich in sicher-
Allerdings wurden die Waffenlieferungen an die heitspolitischen Fragen nicht einseitig auf das
Kurden, die die Verteidigungslinie gegen den Thema Waffeneinsatz versteifen, wie aus den
IS stärkten – ein zur Befragungszeit brisantes, Niederlanden verlautet: »Die Machtfaktoren
hochaktuelles Thema – von einigen Befragten der Zukunft sind nicht mehr Militär, Wirt-
thematisiert und fast einhellig positiv bewertet. schaftsmacht oder Währungspolitik. Es gibt
Deutschland habe damit beispielhaft gezeigt, andere Fragen der Sicherheit.« Womit Sicher-
wie es einerseits seinem pazifistischen Anspruch heitsrisiken gemeint sind, die beispielsweise
zuhause und andererseits seiner internationalen durch Klimawandel oder Ressourcenknappheit
Verantwortung in einer zunehmend konfliktge- ausgelöst werden. In der Vermeidung derartiger
ladenen Welt gerecht werden könne. Einer Konflikte, in der vorausschauenden Behandlung
der Interviewten wollte in dieser politischen derartiger globaler Herausforderungen, so die
Entscheidung Deutschlands gar einen »Befrei- vereinzelten Meinungen, könne Deutschland
ungsschlag« sehen. Doch derartige Interven­ sehr authentisch seinen Anspruch auf nach-
Die internationale Rolle Deutschlands

»Deutschland ist wegen seiner Vergangenheit zu


befangen, um sich für friedliche Lösungen
auch militärisch in Konflikten zu engagieren.«
Iran

80 haltige Entwicklung in der Politikgestaltung Wunschbild entspricht, das eher in ferner


geltend machen und »Dialogplattformen« Zukunft angesiedelt ist, versteht sich dabei glei-
anbieten, auf denen man miteinander um chermaßen. Zugleich stellt man sich angesichts
zukunftweisende Formen der Sicherheitspolitik einiger militärischer Misserfolge in jüngsten
ringen könne. »Deutschland sollte unbedingt oder noch immer nicht beendeten kriegeri-
seine ›Soft Power‹ ausspielen, es hat keine schen Konflikten hier und da die Frage, ob
Aussicht auf Erfolg beim Einsatz von ›Hard militärische Zurückhaltung, wie die Deutschen
Power‹.« In derartigen Aussagen spiegeln sich sie üben, in Zukunft nicht sehr viel sinnvoller
anderweitige Modelle der außen- und sicher- sein könnte. »Während andere Länder immer
heitspolitischen Beteiligung Deutschlands noch darüber stritten, wessen Kampfjets am
jenseits militärischer Interventionen. Allerdings schnellsten fliegen, hat Deutschland Qualität
werden die generelle Beteiligung Deutschlands produziert.«
an der Lösung internationaler Konflikte und
seine Teilnahme an internationalen Friedens-
Zeit für Taten – trotz der Vergangenheit
einsätzen stärker gefordert. Hierin sieht das
Ausland eine Verpflichtung Deutschlands, Stellt man sich im Ausland die Frage, warum
seiner globalen Rolle gerecht zu werden. Kriege sich Deutschland noch im Prozess einer außen-
durch Diplomatie verhindern zu wollen und und sicherheitspolitischen Selbstfindung
manchmal auch zu können, seien eine Kern- aufhält, kommen sehr ähnliche, aber durchaus
kompetenz und ein Vorteil deutscher Außen­ facettenreiche Antworten zu Tage: Wieder
politik. Ein Befragter aus Indien zeichnet ein einmal wird die deutsche Kriegs- und NS-Ver-
recht klares Bild von dem Deutschland, das gangenheit als Erklärungsmuster für die aktuelle
der Welt in Sicherheitsfragen den größten Zurückhaltung der Deutschen herangezogen.
Dienst erweisen könnte: stark in seiner Politik Für Befragte aus allen Kontinenten ist sehr klar:
und seinem Mitgefühl für andere Nationen, Noch immer sind Deutsche geprägt von ihrer
seinem Innovations- und Forschungsgeist und Geschichte, sie fühlen die Kriegs- und Ver-
seiner Kultur: »Das ist die Rolle, die ich mir brechensschuld weiterhin auf ihren Schultern,
von Deutschland wünsche.« Dass dies einem gehen demzufolge äußerst vorsichtig und reser-
viert vor, um keinen Zweifel daran aufkommen derart zu, dass man auf deutsche Potenz und 81
zu lassen, dass sich ihre besondere Geschichte außenpolitische Gestaltungskraft nicht ver-
nicht wiederholen darf. »Deutschland hat eine zichten will. Zu einflussreich sei Deutschland
komplizierte Geschichte. Ich habe daher großes inzwischen, vor allem als Akteur an der Spitze
Verständnis für die deutsche Zurückhaltung Europas, als dass es sich (weiter) verstecken
in militärischen Angelegenheiten.« Bei allem könne. Größe verpflichtet: Als Teil Europas
Verständnis für diese Haltung, das zahlreich eine gesunde Alternative zum Hegemon USA
geäußert wird, überwiegt jedoch tendenziell die aufzubauen, sehen viele nicht nur als Mög-
Ungeduld. Wie alle anderen ›Großmächte‹ auch lichkeit, sondern als Aufgabe. Aufgrund seiner
müsse Deutschland lernen, trotz und in voller Geschichte hegt man zwar einerseits Verständnis
Kenntnis seiner Geschichte mutig Position zu für – insbesondere militärische – Zurückhal-
beziehen und sich in das internationale Sicher- tung, ist zugleich aber auch der Ansicht, dass
heitsgefüge dezidierter einzubringen: »Die die Zeit und Deutschland nun reif seien für
Geschichte wiederholt sich nicht. Die Zeiten Taten. Dass damit auch ein Handeln mittels
für Entschuldigungen sind vorbei. Es ist an der ›Soft‹ statt ›Hard Power‹ gemeint sein kann, ist
Zeit, dass Deutschland handelt.« Dies sei nicht unbestritten – allein die defizitäre Ausstattung
zuletzt auch eine Sache des ›Burden Sharing‹ – der deutschen Streitkräfte ermögliche kaum eine
auf gut deutsch: Verantwortung, Pflichten und andere Vorgehensweise. Dafür müsse Deutsch-
Lasten mit anderen teilen, statt abseits zu stehen land aber anderweitig stärker Profil zeigen –
und zuzuschauen. Denn Letzteres könnte als etwa in multilateralen Bündnissen oder aber in
purer Egoismus diagnostiziert werden. Form von dialogischen Angeboten. Schließlich
genießt Deutschland offenbar wie zu keiner
anderen Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ein so
Größe verpflichtet
robustes Vertrauen, dass es beruhigt auf diesem
Mehrere Faktoren kommen bei einer zusam- Fundament aufbauen und handeln könne, wie
menfassenden Einschätzung der internationalen es etwa in Polen heißt: »Was gibt es Besseres?
Rolle Deutschlands zur Geltung: Zum einen Diese unglaubliche Akzeptanz ist der Beweis,
nehmen internationale Krisen und Konflikte dass in Deutschland alles gut gelaufen ist.«
»Famous without
Being Known«:
Zur Außendarstellung
Deutschlands
W ie präsentiert sich Deutschland mit
seinen Fähigkeiten und Leistungen im Aus-
land? Was wird dort als ›Marke Deutschland‹
symbolisieren, reicht von Bosch über Fissler
bis hin zu Mercedes und BMW. Deutsche
Exportschlager gelten als Premiumprodukte,
83

wahrgenommen? Wie vermittelt Deutschland die halten, was sie versprechen. Deswegen ist
seine Außenpolitik den Partnern in Europa der Kunde im Ausland offenbar gewillt, einen
und der Welt? Verschafft es anderen Zugang vergleichsweise höheren Preis zu bezahlen,
zu seiner Mentalität, seinen Denkweisen und denn »am Ende kann es günstiger sein, ein
strategischen Ansätzen? Wie offensiv oder teures deutsches Material zu kaufen und die
defensiv geht man dabei vor? Die Gespräche Arbeit nur einmal machen zu müssen, als billi-
gaben zahlreiche Hinweise zur deutschen Ver- ges Material zu kaufen, das schon während der
marktung im Ausland und zu Fragen deutscher Verarbeitung kaputt geht.« Die gute Qualität
Public Diplomacy. gestatte auch eine recht einfache Preispolitik:
»Der Deutsche verkauft immer genau zu dem
Preis, den er haben will, denn er kann es sich
›Made in Germany‹ wirkt noch immer
erlauben: Deutschland steht für Qualität.« Ein
Die deutsche Industrie könnte zunächst ein- Gesprächspartner aus Frankreich gibt sogar
mal aufatmen: Nach wie vor scheint das Label zu: »Ich würde eher deutsche Geräte kaufen
›Made in Germany‹ bekannt und beliebt zu als andere.« Solche Aussagen bezeugen große
sein – und zwar verbunden mit dem Merkmal Anerkennung und Respekt.
Exzellenz. Assoziiert wird damit vor allem
deutsche Produktqualität, vornehmlich aus
Starke Marken wollen gepflegt sein
den Technik- und Ingenieursdisziplinen wie
etwa Maschinenbau, Automobilindustrie Mit der Produktqualität geht der Markenwert
oder Infrastruktur. Deutsche Produkte, so einher: Etlichen deutschen Firmen scheint
die Ansicht einer Vielzahl Befragter rund um es gelungen zu sein, eine Marke etabliert zu
den Globus, überzeugen durch ihre »Bestän- haben, deren Image im Ausland sehr geschätzt
digkeit, Funktionalität und Qualität«. Die wird. Dies wird vor allem an der deutschen
lange Liste deutscher Marken, die Qualität Automobilindustrie deutlich, die »echte
Zur Außendarstellung Deutschlands

84 Markenwerte« aufgebaut habe. Dabei spielen gende Empfehlung hervor, sich auch zukünftig
nicht nur qualitativ hochwertige Produktion aktiv dem Wettbewerb zu stellen und weiter
und Vermarktung eine Rolle, sondern auch ins Marketing zu investieren. Durch nachlas-
die dahinter stehenden Leitideen deutscher sende Anstrengungen würden starke Marken
Ingenieurskunst und Forschung werden extern leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Ein Befragter
als richtungweisend erachtet und fließen in aus den USA meint ein wesentliches Defizit
die sehr positive Bewertung mit ein. Deutsche in der mangelnden Vermarktung erkannt zu
Ingenieure, Facharbeiter und Handwerker – haben: »In Deutschland gibt es all diese schö-
so sehen es viele ausländische Befragte – ver- nen Stätten – Fraunhofer, Max Planck. Die
stehen etwas von ihrem Geschäft. Sie werden Menschen, die aus diesen Labs kommen, sind
für ihre technischen Fähigkeiten und Fertig- junge Genies. Aber wo bleibt ihre Fähigkeit
keiten bewundert: »Wenn du ein technisches zur Vermarktung?«
Problem hast, das du nicht lösen kannst, dann
gib es einem deutschen Fachmann.« Daraus
Mehr die softe Seite zeigen
spricht die Überzeugung: Er wird es schon
richten können. Dass Deutschland in Sachen aktiver Vermark-
tung eine gewisse Zurückhaltung bis hin zur
Offensichtlich besitzen deutsche Firmen Behäbigkeit attestiert wird, ist auch an anderer
sowohl mit ihren Produkten als auch mit den Stelle erkennbar. Damit wiederholt sich eine
Fachkräften, die diese Produkte herstellen, zentrale Aussage aus der ersten Studie: Bereits
eine sehr gute Ausgangsposition im ­globalen vor drei Jahren schaute man ungläubig auf
Wettbewerb. Doch Vorsicht: Allzu lange fehlende deutsche Vermarktungsaktivitäten
ausruhen dürfe man sich auf einem solchen und riet zu mehr ›Soft Skills‹. Warum setzt
Vorsprung nicht, denn »die Konkurrenz Deutschland bei seiner Vermarktung im
schläft nicht, und die Leute machen mitt- Ausland – neben Qualität und Image seiner
lerweile auch gute Erfahrungen mit anderen Produkte – nicht viel selbstbewusster auf
Herstellern«, geben etwa erste Stimmen aus kulturelle Aspekte? »Die Deutschen reden in
Afrika zu bedenken. Daraus geht die drin- Indonesien nur über den Export von Rüstung
»Ich würde gerne mehr von der deutschen
Kultur sehen. Künstler, Dichter, Schriftsteller
aus Deutschland treten hier wenig auf.«
Ägypten

und über Häfen. Die Deutschen zeigen nicht lands sei gemessen an seiner internationalen 85
ihre softe Seite. Immer nur Wirtschaft …«, Rolle eher wenig publik, vor allem aber wenig
wird nicht nur in Indonesien bemängelt. differenziert. Selbst im benachbarten Frank-
Aus externer Sicht sollte Deutschland seine reich ist man der Auffassung, »dass viele Fran-
kulturellen Werte stärker betonen. So erin- zosen gar nicht wissen, wie der Nachbar lebt«,
nert man sich an das ›Land der Dichter und und es auch schwierig sei, Schüler zu finden,
Denker‹ und daran, dass früher mehr Nobel- die Deutsch lernen wollen, »denn man weiß
preisträger aus Deutschland kamen als heute. gar nicht, wer denn der Deutsche ist.«
Auch verweist man darauf, dass Deutschland
über ein »breiteres Repertoire« in der aus- Egal, ob es um Kultur oder um Bildung geht:
wärtigen Kulturpolitik verfüge als etwa die Im Ausland scheint man mehr Neugier für
USA, das es – zumindest in der Gestaltung Deutschland aufzubringen, als sie derzeit
europäischer Beziehungen – zu nutzen gelte. durch aktives Marketing befriedigt wird.
Schließlich ist vereinzelt über den guten Ruf Warum ist Deutschland auf diesem Feld nicht
deutscher Bildungsnachweise zu hören: Es mutiger und fügt dem Image des exzellenten
könne vorteilhaft sein, bei Bewerbungen und Produzenten das Prestige des kulturell versier-
Vorstellungsgesprächen hervorzuheben, dass ten Intellektuellen hinzu? – eine von Aus-
man in Deutschland gelebt und einen Teil ländern bisweilen aufgeworfene Frage. Zwar
seiner Ausbildung absolviert hat, »denn ›Made hört man aus Polen, dass die Nachbarschaft
in Germany‹ hilft immer und öffnet Türen«, mittlerweile schon so normal im positiven
so eine Erfahrung aus Marokko. Doch eine Sinne gelebt werde, dass es keiner weiteren
konsequente Werbung mit den Möglichkeiten Aufwendungen bedürfe, für mehr kulturelles
der Ausbildung, die Deutschland zu bieten Verständnis zu werben. Sprachkurse, Schüler-
hat, findet nach Ansicht vieler zu wenig statt. austauschprogramme und Städtepartnerschaf-
ten seien in ausreichendem Maße vorhanden.
Das schlägt sich auch in einer mäßigen Präsenz Weitaus öfter aber wünscht man sich – gerade
Deutschlands in den ausländischen Medien in der Ferne – mehr darüber zu erfahren,
nieder. Manche stellen fest, das Bild Deutsch- was Deutschland neben seinen ›Hard Facts‹
Zur Außendarstellung Deutschlands

»Griechenland hat ein sehr positives Bild von der


deutschen Kultur. Aber die Errungenschaften
der deutschen Kultur entsprechen häufig nicht den
Prioritäten der deutschen Politik.«
Griechenland

86 ausmacht. Seine kulturelle Entwicklung der tur sowie Tanz seien die »besten deutschen
letzten Jahrzehnte sei kaum oder gar nicht Botschafter, um die deutsche Lebensart zu
bekannt. In Indien etwa blicke man weit exportieren«. Selbst Kochsendungen bewirk-
zurück auf eine längst vergessene Pioniertat ten Sympathie für das Land, aus dem sie
deutschen Geistes: »Deutschland hat in Indien stammten. Leider liege Deutschland mit seiner
einen riesigen kulturhistorischen Beitrag kulturellen Selbstvermarktung auf all diesen
geleistet – mit der Latinisierung von Sanskrit Gebieten weit hinter anderen Staaten zurück.
hat Max Müller wesentlich zur Identitätsfin- Zum Tragen kämen nur altbekannte Größen
dung und Unabhängigkeit vom britischen wie Beethoven und Goethe, während Moder-
Empire beigetragen. Doch nach der Unabhän- nes Mangelware bleibe. Aus diesen und ähn-
gigkeit ist die Wahrnehmung Deutschlands in lichen Aussagen ergibt sich folgende Bilanz:
Indien tendenziell stark zurückgegangen.« Den Deutschland ist vielen Ausländern noch nicht
Mangel und seine Ursache bringt eine andere wirklich nah und vertraut; es fühlt sich nicht
Gesprächspartnerin wie folgt auf den Punkt: angenehm warm an, sondern oft kalt und
»Deutschland verfolgt keine aktive Marke- technisch. Dabei könnte sich Deutschland
tingstrategie in Indien; auch nicht im Bereich »viel effektiver als ein Land der Erfinder, der
Tourismus. Daher weiß der durchschnittliche Philosophen, des ›Sozialismus‹ vermarkten
Inder nichts über Deutschland. Andere Länder und darüber eine viel ›menschlichere‹ und
gehen hier viel besser vor.« anfassbarere Reputation erlangen«, heißt es
wiederum aus Indien. Anfassbar, warm und
menschlich – gelungen ist dies Deutschland
Vermarktung jenseits von
einmal mehr in Sachen Fußball: »Nach der
Goethe & Co.
Fußball-WM 2014 hat man die Deutschen
Viele Gesprächspartner äußern konkrete besser beurteilen können. In der Stadt, wo
Vorschläge, wie und womit sich Deutschland die Deutschen ihr Vorbereitungscamp hatten,
im Ausland kulturell vermarkten könne: haben die Menschen sie geliebt. Vielleicht war
Filme transportierten viel von der jeweiligen es ein Marketingding. Aber was zählt, ist die
Men­talität eines Landes, und Musik, Litera- gute Erinnerung.«
Die Meinungen über jene Institutionen, die
für die Vermittlung deutscher Sprache und
Kultur im Ausland verantwortlich zeichnen,
gehen zum Teil weit auseinander. Zunächst
einmal ist festzuhalten, dass vielen Befragten
das Goethe-Institut und die Deutsche Welle
bekannt sind, also zwei der tragenden Säulen
staatlicher Kultur- und Bildungspolitik. Und
eine Vielzahl lobt sie für ihre gute Vermitt-
lungsarbeit sowie ihre ansprechenden Inhalte.
Dennoch aber bleibt die deutsche Sprache
für viele eine nicht einfach zu überwindende
­Barriere für den Zugang zu deutscher Kultur.
An den »Schlangen vor den Konsulaten und
den Goethe-Instituten« macht ein Einzelner 87
fest, wie groß das Interesse, aber auch die
Erwartungen an Deutschland seien, ein Anderer
moniert, der deutsche Kulturbetrieb sei »sehr
aufs Inland bezogen«, und ein Dritter urteilt,
die »intellektuelle Präsenz« Deutschlands sei in
seinem Heimatland nicht ­ausreichend: »Was
Botschaften und Goethe-Institute anbieten, ist
nicht annähernd genug.« Doch was ist dafür die
Bezugsgröße?

In den Aussagen der Gesprächspartner kristal-


lisiert sich der Ratschlag heraus, Deutschland
möge seine kulturelle Attraktivität nicht, wie
bisher, in den Schatten seiner ökonomischen
Potenz stellen, sondern damit gleichziehen.
Ebenso verwundert wie bedauernd ist implizit
die Frage aufgeworfen, warum Deutschland
seine kulturellen Ressourcen so wenig nutze. So
habe Italien zwar »die Opern und die Lieder,
aber Deutschland hat die Symphonien« und
stünde nach Meinung eines Befragten aus
»Die deutsche Sprache hat eine Besonderheit: China damit für »den großen Weg«, der bei
Man muss zumeist bis zum Ende des Satzes der heutigen politischen Gesamtgemengelage
abwarten, bis man den Sinn versteht. gefragter denn je sei. Schließlich müsse man
Das bringt einen dazu, einander zuzuhören »nach einer Lösung für die Gesamtheit suchen
und sich ausreden zu lassen.« und nicht mit kleinen Einzellösungen anfan-
Brasilien gen.« Aus Rumänien stammt die Aussage, dass
Zur Außendarstellung Deutschlands

Deutsch

Unterschätzter Faktor der


Zusammenarbeit

Für Ausländer ist und bleibt die deutsche Bedingungen. Lebhaft geschildert werden
Sprache ein konträr behandeltes und sehr Probleme mit der deutschen Amtssprache;
umstrittenes Thema: Die einen charakteri- auf Ämtern könne es nie schaden, immer
sieren sie als schlechterdings »unmöglich« einen deutschen Bekannten an der Seite
und meinen damit ihre Komplexität, die zu haben, um auch wirklich die Feinheiten
anderen loben ihre Ausdrucksvielfalt. In einer verstehen zu können. Nur wenige Aussagen
Hinsicht aber besteht ein breiter Konsens: deuten darauf hin, dass Besserung in Sicht
Wer die deutsche Sprache beherrscht, hat ist, wie dieses Statement aus Ägypten: »Eine
88 den Schlüssel und den Zugang zu ­deutscher der negativen Sachen, die mir einfallen, ist,
Kultur, Geschichte und Gesellschaft. »In dass es durch die deutsche Sprache immer
Deutschland ist das Beherrschen der deut- eine Barriere zwischen mir und Deutschen
schen Sprache zwingende Voraussetzung für gegeben hat. Aber das hat sich in den letzten
die Teilnahme im sozialen Kontext und bei 20 Jahren stark verändert. Ich spüre hier nun
der Arbeit«, heißt es in den ­Niederlanden. eine größere Offenheit.«
Und ein Brasilianer meint, Zugang zu so
bedeutenden Kulturepochen wie der deut- Was bleibt, ist die Wahrnehmung einer
schen Romantik bekäme man nur dann, wenn Diskrepanz: Der wachsenden Bedeutung
man auch der deutschen Sprache mächtig Deutschlands und dem großen Interesse
sei. Versehen ist dieser Aspekt bei vielen an einer intensiven Zusammenarbeit wird
mit einer Kritik: Viel zu wenige deutsche nicht in gleichem Maße mit einer besseren
Werke – literarische wie ­wissenschaftliche – Vermarktung der deutschen Sprache oder
lägen übersetzt in anderen Sprachen vor. aber mit internationalen, englischsprachigen
Und warum gebe es noch immer viel zu Angeboten begegnet. Die Interviewpartner
wenige englischsprachige Kurse an deutschen scheinen Deutschland zurufen zu wollen:
Hochschulen, obwohl das Interesse groß »Verpasst nicht den Moment, ausreichend
sei? In puncto Sprache wirkt Deutschland für das Erlernen der deutsche Sprache
fast anachronistisch. Nimmt man hierzulande im Ausland zu werben! Denn dann rücken
Zugangsbarrieren billigend in Kauf? Viele ­andere Staaten in die Gunst derjenigen, die
Stimmen sprechen vom Hindernis deutscher Euch mögen – und die ihr auch dringend
Sprache, von Barrieren, von erschwerten gebrauchen könnt!«
Deutschland bei der vordringlichen Diskus- ische Länder an, fühlen sich aber nur unzurei- 89
sion und Verteidigung europäischer Werte die chend mitgenommen auf diesem Weg. Hier sei
Fähigkeit habe, »für die fundamentalen euro- deutlich mehr Vermittlungsarbeit erforderlich:
päischen Werte« zu sprechen. Daraus könne »Es wäre die Aufgabe Deutschlands, in der
das Land im Zentrum Europas durchaus Eurokrise viel mehr zu vermitteln und offener
mehr machen. Wer groß ist, so könnte man zu kommunizieren. Die europäische Krise ist
schlussfolgern, darf sich an anderer Stelle nicht auch eine Kommunikationskrise«, lautet ein
zu klein machen. Er muss im Austausch und Urteil aus Italien. Adäquates Kommunizieren
Dialog sein ganzes Potenzial einbringen. bedeute einerseits zuhören und verstehen, was
andere denken, und andererseits erklären und
davon überzeugen, was man selbst denkt – und
Transparent vermitteln
beides möglichst in guter Balance. Mit dieser
Was für die Vermarktung deutscher Produkte, Strategie der Kommunikation käme Deutsch-
Bildung und Kultur gilt, lässt sich teilweise land dem Anspruch an eine »aufgeklärte Welt-
auf das diplomatische Auftreten Deutschlands macht« nahe. So sähe fortschrittliche Public
übertragen. Auch auf diesem Feld reicht vielen Diplomacy aus.
Deutschlands Engagement nicht aus: »Es gibt
drei zentrale Themen, bei denen Deutschland Interessanterweise wird von den ausländi-
international als Vermittler auftreten kann: schen Befragten häufig die fehlende öffentli-
nicht nur wirtschaftlich, sondern auch poli- che Vermittlungsarbeit von Bundeskanzlerin
tisch und sozial.« Dabei wird nicht etwa nur Angela Merkel kritisiert; zu oft agiere sie hinter
größere Präsenz und Sichtbarkeit angemahnt, verschlossenen Türen und erkläre ihre Entschei-
sondern vielmehr die Forderung erhoben, für dungen nur unzureichend. Häufig erfahre man
eine größere Nachvollziehbarkeit politischer eher aus den Medien, welche Schritte Deutsch-
Entscheidungen zu sorgen. Transparenz soll also land auf der politischen Bühne zu unternehmen
Akzeptanz erleichtern, wenn nicht ermöglichen. beabsichtige. Stattdessen, so eine Forderung
Dass Deutschland etwa in der Eurokrise einen aus Norwegen, solle »die deutsche Regierung
richtigen Kurs verfolgt, erkennen einige europä- mit offenen Karten spielen und klar sagen, was
Zur Außendarstellung Deutschlands

90 sie tut und warum. Wenn Leute heutzutage


Angst vor Deutschland als neuem Anführer
Europas haben, kommt das, weil sie das Gefühl
haben, Politik wird hinter verschlossenen Türen
gemacht.« Eine Stimme aus England zweifelt an
Deutschlands Kompetenz, auf und nicht hinter
der Bühne Präsenz zu zeigen: »Deutschland
bringt seine Interessen und Ideen gerne durch
Agieren und Überzeugen im Hintergrund
voran, aber ist noch nicht bereit genug, seine
Meinung auch auf offener Bühne zu verteidi-
gen.« Hat Deutschland Angst vor der eigenen
Courage? Fühlt es sich im Hintergrund weniger
angreifbar und daher stärker? Oder mimt es
nach außen hin die vertraute Bescheidenheit?
Gleichwohl attestiert ein Gesprächspartner aus
Indien: Wenn es Deutschlands eigene und vitale
Interessen betreffe, sei es sehr wohl sichtbar
präsent.

Doch das Bild deutschen Handelns auf öffentli-


cher Bühne ist insgesamt vielschichtiger. Etwas »Im Gegensatz zu allen anderen Ländern
ist offenbar im Fluss und vielleicht deshalb hat Deutschland in den letzten zehn
nicht einfach zu fassen. So meinen einige, in Jahren Afghanistan ohne eigene Agenda
letzter Zeit durchaus einen Wandel erkennen unterstützt. Die anderen Länder folgen in
zu können – von einem eher zaghaft und ihrer Unterstützung für ­Afghanistan
scheu agierenden hin zu einem entschiedener in erster Linie ihren eigenen Interessen.«
auftretenden Deutschland. War in der ersten Afghanistan
»Deutschland muss durch Argumente
zwischen den extremen Positionen innerhalb
der EU vermitteln. Nur so kann die EU
auf Augenhöhe mit anderen Machtzentren der Welt
(China, USA, Russland) agieren.«
Griechenland

Erhebung noch die klare Aufforderung an lehrmeisterlich auftretendes Land an. Es geht, 91
Deutschland verbreitet, gemäß seiner Stellung wie Steinmeier sagt, um eine neue Kultur der
im Weltgefüge offensiver aufzutreten, so scheint Verantwortlichkeit. Es imponiert, dass Deutsch-
dies heute schon mehr Realität zu sein. Mit land auch Verantwortung dafür übernimmt,
den Worten eines indischen Gesprächspartners: was außerhalb Deutschlands passiert.«
»Deutschland stellt ein Gegengewicht dar, das
die Welt nicht ignorieren kann. Das ist sehr, In Entwicklungs- und Schwellenländern impli-
sehr positiv.« ziert der Rat an Deutschland, Maß zu halten,
vor allem den Wunsch nach einem Austausch
auf Augenhöhe und nach einem entsprechen-
Balance beim politischen Auftritt
den Kooperationsverständnis: Nicht belehrend
Geteilt bleibt die Meinung, ob das zunehmend solle der Deutsche in der Vermittlung seines
aktivere Auftreten Deutschlands nun positiv Know-hows sein und keine fertigen Modelle
oder negativ zu bewerten sei. Grundsätzlich gilt, anbieten, sondern von Anfang an gemeinsam
was bereits bei der Beschreibung des deutschen etwas aufbauen, so die Idealvorstellung. Gerade
Charakters hervorgehoben wurde: Deutsche weil Deutschland im Vergleich zu anderen
neigen dazu, das vermeintlich Optimale und Nationen »tiefer tauchen« und mehr lokales
Alternativlose zu übertreiben. Was manchem Engagement mobilisieren wolle, ermögliche es
an politischer Entschiedenheit und kommu- gute Voraussetzungen für eine erfolgverspre-
nikativer Präsenz angemessen vorkommt, chende Zusammenarbeit. Trotzdem bestehen
empfinden andere bereits heute als zu ›klotzig‹ Zweifel: »Auch die Deutschen haben nicht
und fühlen sich unpassend belehrt. In Europa wirklich das diplomatische Geschick, nicht
befürchtet der eine oder andere, wenn sich belehrend zu wirken, wenn es um die Vermitt-
alles nur noch um den wirtschaftlich stärksten lung und den Austausch von Wissen im Bereich
Akteur Deutschland drehe, drohe die kulturelle Good Governance und Demokratisierung geht.
Vielfalt Europas verloren zu gehen. Es finden Darin unterscheiden sie sich allerdings nicht
sich aber auch Stimmen, etwa aus Russland, die von anderen.« Was bleibt: Balance finden und
beruhigen: »Ich sehe Deutschland nicht als ein Maß halten scheint in beiden Fällen die Devise
Zur Außendarstellung Deutschlands

zu sein. Der Wunsch nach mehr Transparenz, Dialoge ›Made in Germany‹?


Einbeziehung und Mitnahme wird hier wie
dort deutlich. Deutschland, so könnte man schlussfolgern,
sollte in Sachen kultureller und politischer
Vermittlung von den Erfahrungen seiner
Kommunikation mit langem Atem
Produktvermarktung durchaus lernen. Seine
Worüber würde man Deutschland im poli- Fortschrittlichkeit in Produkten und Dienst-
tischen Diskurs gerne öfter reden hören? Es leistungen gilt nicht annähernd für seine
sind jene Themen, die auch als seine Stärken kulturellen Inhalte, mit denen es im Ausland
identifiziert werden: vor allem europäische wirbt. Für seine außenpolitische Darstellung
Werte, Menschenrechte, soziale Marktwirt- bekommt es sehr anspruchsvolle Aufgaben
schaft, Klimawandel und erneuerbare Energien. auferlegt: bei wichtigen politischen Themen
Diese Themen sollte Deutschland internatio- und Positionen so präsent zu sein wie mit
nal vermittelnd kommunizieren, denn aner- seinen Produkt­marken, dabei konsequent,
92 kennend heißt es etwa aus Großbritannien: langandauernd und mit Augenmaß zu agieren,
»Ich bewundere die soziale Marktwirtschaft. was aufmerksames Zuhören ebenso einschließt
Sie war nicht einfach da, sondern wurde von wie verständnisbereites Vermitteln. Dann
klugen Menschen erdacht und erschaffen. Es könnte die Marke ›Made in Germany‹ in
ging darum, zu verhindern, dass eine Klasse zu Zukunft nicht nur für deutsche Markenartikel
dominant wird, und dieses System findet man stehen, sondern womöglich auch für einen
nirgendwo sonst.« Nicht allen sind die besagten typisch deutschen Verhandlungsstil: engagiert
Themen jedoch gleichermaßen willkommen. und beharrlich, zugleich verbindend und
Aber selbst wenn aus China etwa verlautet, verbindlich.
man habe immer ein wenig Sorge, dass das
Thema Menschenrechte adressiert würde, so
moniert man vor allem mangelnde Vermittlung
und Vorausschau: »Es ist zum Teil Unsicher-
heit, aber auch trotziger Stolz. Da braucht es
mehr Vermittlung.« Dabei wünscht man sich
im Ausland nicht nur entscheidende erste
Impulse, sondern ein konsequentes Dranblei-
ben. Obwohl Deutschland viele Gespräche auf
internationaler Ebene angestoßen und eine
Mittlerrolle übernommen habe, »kommuniziert
es die Ergebnisse dieser Prozesse später nicht
ausreichend in der Weltöffentlichkeit«, bedauert
ein Partner aus Mexiko. Das mag erstaunen,
wenn Deutschland doch in Sachen nachhaltiger
Entwicklungskonzepte allseits ein langer Atem
zugesprochen wird.
93

»Deutsche Führung und eine aktivere Rolle würden


einen bedeutenden Unterschied in der Weltpolitik
machen. Selbst ein Sitz im UN-Sicherheitsrat ist etwas,
was erneut angestrebt werden sollte.«
USA
Erwartungen an
Deutschland
W elche Zukunftsvorstellungen haben aus-
ländische Beobachter bei ihrem Blick
auf Deutschland? Worin sehen sie dessen
Damit verbunden ist ein zweites Anliegen:
Im Ausland will man von Deutschland lernen,
von seiner Leistungsfähigkeit profitieren.
95

Potenziale heute wie morgen? Woran sollte Gefordert wird ein weit breiterer Austausch
Deutschland aus ihrer Sicht in Zukunft als bisher, und zwar auf allen Ebenen – wirt-
stärker arbeiten? Fünf Botschaften lassen sich schaftlich, politisch und kulturell. Dass
aus dem Gehörten herauskristallisieren und Deutschland dabei aktiver werden muss, ist
laden zur weiteren Diskussion ein. Sie zeigen, dieser Forderung inhärent. Unbedingte Vor-
dass ein im Vergleich zur ersten Erhebung aussetzung für den gewünschten Austausch ist
2011/12 unvermindertes, wenn nicht gar eine Begegnung auf Augenhöhe, denn aus dem
gesteigertes Interesse an Deutschland und Ausland hört man auch: Es gibt Alternativen,
seiner Rolle in den internationalen Beziehun- stets mehrere Antworten auf globale Heraus-
gen vorhanden ist. forderungen wie Klimawandel, Bevölkerungs-
wachstum, Verstädterung oder Gesundheits-
Erstens ist Deutschland offenbar weiterhin risiken. Dass nicht immer allein der deutsche
ein Land, das weltweit sehr geschätzt wird. Weg zählt und goutiert wird, wird etwa an
Aufgrund seiner Fähigkeiten, durch einen den auseinanderdriftenden Urteilen über das
breiten gesellschaftlichen Diskurs demokra- Management der europäischen Finanzkrise
tische Prinzipien, Rechtsstaatlichkeit und deutlich. Aufgrund seines hohen Entwick-
Sicherheit für seine Bürgerinnen und Bürger lungsniveaus legt Deutschland aus externer
zu gewährleisten und darüber ein hohes Maß Sicht oft ein hohes, wenn nicht zu hohes
an Lebensqualität zu ermöglichen, dient es als Tempo vor. Im Ausland ist man durchaus
Vorbild für viele Gesellschaften im Ausland. bereit, von deutschen Stärken zu lernen, aber
Die implizite Botschaft an Deutschland lautet, nicht unter vorgeschriebenen Bedingungen.
diese Fähigkeiten zu erhalten und das darin Daher lautet die zweite Botschaft: Deutsch-
liegende Potenzial weiter auszubauen, um auch land möge seine Lösungsoptionen in aller
zukünftig als Orientierungspunkt und Anker Breite anbieten, es sollte aber zugleich andere
für andere Nationen zu fungieren. Länder ernst nehmen, genau zuhören, für
Erwartungen an Deutschland

einen gleichberechtigten Austausch sorgen und ›Euer Engagement, Eure Stärke und Leis-
mit Bedacht agieren. tungsfähigkeit müssen anderen nützen!‹ Wann
immer sich Deutschland global engagiert – ob
Die dritte Botschaft dreht sich um den Rat­­ in humanitären Krisen oder wirtschaftlichen
schlag, mutiger Neuland zu betreten. Die Konfliktlagen, ob bei übergreifenden Innova-
Orientierung Deutschlands an seinen tradi- tionsthemen oder zu Fragen der nachhaltigen
tionellen Stärken sowie seine Tendenz, auf Entwicklung – will man im Ausland, dass
bisherigen Erfolgen aufzubauen, werden dies nicht nur der Befriedigung deutscher
zwar oft geschätzt und weiterhin gefragt sein. Eigeninteressen dient. Zwar hält man solche
Gleichwohl scheint man im Ausland den Eigeninteressen für berechtigt, solange sie
Deutschen zurufen zu wollen, mehr Risiko zu keine doppelten Standards anwenden. Doch
wagen und Innovationen – beispielsweise im sollten von ihnen auch andere Länder profi-
digitalen Bereich, aber auch bei gesellschaftli- tieren, etwa in konfliktreichen Verhandlungs­
chen Themen wie Frauenförderung – beherzter situationen, in denen Deutschland oftmals mit
96 voranzutreiben und in sie zu investieren, statt ›Soft Power‹ überzeugt. Was dieser Botschaft
nur das Bewährte weiter zu verbessern. Denn nach mehr globalem Engagement zugrunde
die auf dem Weg ins Unvertraute gewonnenen liegt, ist ein großes Vertrauen in die Zuver-
Erfahrungen seien immens wertvoll, selbst lässigkeit und Berechenbarkeit Deutschlands.
wenn das Risiko bestehe, auf halbem Weg oder Gerade die im Ausland als vorbildlich beur-
am Ende zu scheitern. Eine so leistungsfähige teilte Aufarbeitung deutscher Geschichte legt
und stabile Nation wie Deutschland kann den den Grundstein dafür, dass man Deutschland
Mut dazu in den Augen ausländischer Betrach- eine herausragende Position in der Weltpo-
ter durchaus aufbringen. litik einräumt und zutraut – aber eben auch
einfordert. Eine gewisse Diskrepanz zwischen
Die vierte Botschaft betrifft Deutschlands dem, was Deutschland bereit ist zu geben, und
globales Engagement. Dazu lautet die sehr dem, was im Ausland als notwendig erachtet
explizite Forderung aus dem Ausland: ›Enga- wird, schwingt dabei weiterhin mit. Allerdings
giert Euch stärker und übernehmt jenes Maß hat sich diese Differenz seit der letzten Befra-
an weltweiter Verantwortung, das Eurer gestie- gung bereits reduziert. Eine noch intensivere
genen Bedeutung entspricht.‹ Wurde der Ruf Einbindung Deutschlands in multi­laterale
nach mehr Engagement bereits in der ersten Systeme, wie vielerorts gewünscht, würde es
Erhebung laut, so stand doch vor allem die Deutschland erlauben, entschiedener aufzu-
Skepsis gegenüber einer größeren Dominanz treten. Es wäre dadurch zugleich sichtbarer,
Deutschlands im Raum. Dies scheint mittler- streit- und angreifbarer. Aspekte, denen sich
weile nicht mehr zur Debatte zu stehen. Statt- eine Nation stellen muss, die Weltpolitik aus
dessen ist sie – gerade für viele europäische der vordersten Reihe mitgestalten will.
Beobachter – real geworden, ruft dabei aber
eher selbstbewusste Reaktionen als Ängste her- Mit der vierten Botschaft eng verknüpft ist
vor. Man befasst sich damit, wie diese Realität eine fünfte und letzte Empfehlung: Deutsch-
auszugestalten sei. Ein starkes Deutschland land möge aktiver und offensiver nach außen
wird nun stärker in die Pflicht genommen. kommunizieren. Damit verbindet sich zum
Teil der vierten Botschaft ist deshalb auch: einen der Wunsch nach mehr Informationen
über deutsches Können und Wollen und zum das Ausland einen ›langen kommunikativen
anderen die Erwartung, durch die Vermitt- Atem‹: Von Deutschland angestoßene Pro-
lung deutscher Interessen und Positionen zesse benötigen eine noch konsequentere
die Chance zu bekommen, daran teilhaben Verfolgung, ein längeres Dranbleiben. Zum
zu können. Im Ausland wird wiederholt Ausdruck kommt dabei auch der Wunsch, dass
moniert, dass Deutschland eine deutlich Deutschland sich in der politischen Zusam-
sichtbare Selbstdarstellung und den öffentli- menarbeit visionärer zeigen sollte. Gerade für
chen Auftritt scheue. Stattdessen sollte es seine die Zukunft Europas, das in einen umfassen-
Vorzüge und Erfolge stärker präsentieren und den Kontext gemeinsamer Werte eingebettet
publik machen. Einige Stimmen nähren den bleiben müsse, gelte es, ambitionierte Strate-
Verdacht, Deutschland halte sich manchmal gien zu entwickeln und damit das ›europäische
bewusst zurück, um im Hintergrund unbe- Projekt‹ wiederzubeleben.
merkt taktieren und Wettbewerbsvorteile
erringen zu können oder aber, um innenpoli- Insgesamt bestätigt die aktuelle Erhebung
tischen Debatten und heimischen Konflikten viele der vor drei Jahren festgestellten Trends. 97
möglichst aus dem Weg zu gehen. Die Auf- Sie gibt ihnen zugleich klarere Konturen:
forderung zu deutlicher Sichtbarkeit betrifft Man nimmt im Ausland nun Vorsprünge und
nicht nur eine bessere Vermarktung, sondern Hemmnisse, Fortschritte und Zögerlichkei-
auch eine offenere Vermittlung und größere ten genauer wahr, kommentiert sie selbstbe-
Transparenz deutscher Interessen. Dazu gehört wusster, gibt sich fordernder. Mit den hohen
aus externer Sicht, dass Deutschland einerseits Erwartungen Schritt zu halten, erscheint
mehr an seiner Agenda und seinen Zielvor- anspruchsvoller denn je. Entsprechend span-
stellungen partizipieren lässt und andererseits nend und facettenreich bleibt auch in Zukunft
die Interessen anderer Länder aufmerksamer Deutschlands Rolle in der internationalen
aufnimmt. Neben dieser Balance erwartet Zusammenarbeit.
Anhang 1:
Zur Methodik
der Studie
D ie Studie ›Deutschland in den Augen
der Welt, Teil 2‹ möchte Hinweise dazu
liefern, wie Deutschland im Ausland wahrge-
kann man von einer guten Fallkontrastierung
sprechen. Grundlage für die Auswahl der
Gesprächspartner war das breite Netzwerk
nommen wird, wo seine spezifischen Stärken der GIZ in den entsprechenden Ländern: Vor
und Schwächen gesehen werden und welche Ort nutzten insbesondere die GIZ-Landes­
Erwartungen sich vor diesem Hintergrund an direktoren ihre jeweiligen Zugänge und
die Rolle Deutschlands im Kontext internatio- vielfältige Kontakte, um nach dem ›Schnee-
naler Beziehungen knüpfen. ballsystem‹ eine breite Vorschlagsliste von
Personen zusammenzustellen. In Ländern
ohne GIZ-Präsenz wurden Netzwerke der
Methodischer Hintergrund
Interviewer genutzt. Darauf, dass kein direktes
Für dieses explorative Studienprojekt wurde ein Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmen
qualitatives Forschungsdesign gewählt. Anders GIZ bestand, wurde besonders geachtet.
als in der quantitativ ausgerichteten Meinungs­
forschung steht dabei nicht die Absicht im Die Auswahl der Länder erfolgte nach dem Kri- 99
Vordergrund, von einer Gruppe Befragter terium der Relevanz der Länder für Deutsch-
(randomisierte, statistisch repräsentative Stich- land: historische Beziehungen und wirtschaft­
probe) auf die Gruppe aller relevanten Personen liche Verflechtungen mit Deutschland sowie die
(Grundgesamtheit, Population) zu schließen. Bedeutsamkeit der Länder für bi- und multi­
Stattdessen wird eine kleinere Zahl ausgesuch- laterale Politikprozesse. Abbildung 5 vergleicht
ter ›Fälle‹ eingehender betrachtet (selektierte die einbezogenen Länder aus Studie 1 und 2.
Interviewpartner).

Datenerhebung
Die Auswahl der 179 Interviewpartner
erfolgte nach den in der qualitativen For- Diese qualitative Studie arbeitet mit einer
schung üblichen Grundsätzen zur selektiven offenen Befragungstechnik in persönlichen
Fallauswahl (theoretisches Sampling). Dabei Interviews. Damit unterscheidet sie sich
wurden die Interviewpartner durch die von quantitativ ausgerichteten, schriftlichen
Berücksichtigung geeigneter Auswahlkriterien Befragungen, bei denen vornehmlich geschlos-
(Nationalität, Funktionsbereich, Geschlecht sene Fragen mit vorgegebenen Antworten
und Alter) derart gewählt, dass eine Vielfalt zum Einsatz kommen. Vielmehr stand bei der
relevanter Perspektiven berücksichtigt und Deutschlandstudie die sogenannte Fallorien­
den Kriterien der Studie bestmöglich ent- tierung im Vordergrund, d. h. das Nachvoll­
sprochen wurde (Deutschlandbezug, Ent- ziehen und Verstehen der individuellen, per­-
scheidungsträger). Vier Charak­teristika der sönlichen Perspektiven der Befragten, nicht
Gesprächsteilnehmer fächert Abbildung 4 die standardisierte Erfassung personenbezoge-
auf. Die Interviewten kamen aus verschiede- ner Merkmale in gleichbleibender Form über
nen gesellschaftlichen Bereichen: aus Politik, viele Personen hinweg (Variablenorientierung).
Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Zivilge- Der Vorteil dieses Vorgehens liegt in der
sellschaft. 113 (63 %) Gespräche wurden mit ­größeren Offenheit für den Untersuchungs-
männlichen und 66 (37 %) mit weiblichen gegenstand der Studie – die Außenwahrneh-
Gesprächspartnern geführt. Im Ergebnis mung Deutschlands – und in der Möglichkeit,
Zur Methodik der Studie

Abb. 4

Merkmale der Interviewpartner

Geschlecht Deutschland-Erfahrung
weiblich nicht viel Erfahrung
männlich viel Erfahrung
sehr viel Erfahrung

0 50 100 150 0 50 100

Alter Bereich
30 Sonstiges
100 30–40 Wissenschaft
40–50 Wirtschaft
50–60 Politik
60+ Kultur
Gesellschaft

0 20 40 60 0 20 40 60

diesen tiefgehend ergründen zu können, z. B. Aspekte des interessierenden Phänomens, nicht


durch Fördern von Nachfragen und narrativen aber statistisch die Population. Das wiederum
Sequenzen. entspricht der Forderung nach hoher inhalt-
licher Validität: Es wurde das erhoben, was
Neben der nicht randomisierten Stichproben- erhoben werden sollte.
auswahl ist die Art der Fragestellung der zweite
Grund, warum trotz recht großer Fallzahl – Von August 2014 bis Januar 2015 fanden
179 Personen weisen grundsätzlich bereits ein insgesamt 179 Interviews in 26 Ländern statt.
gewisses statistisches Potenzial auf – nicht ein- Im Nachgang der Gespräche wurden Kernaus-
fach von der Stichprobe auf Länder, Kontinente sagen – alle relevanten inhaltlichen Aspekte
oder gar die ganze Welt geschlossen werden pro Teilnehmerin und Teilnehmer – in einem
kann. Durch die Abstimmung der Stichproben- Auswertungstool dokumentiert. Hierbei fand
auswahl auf die Ziele der Studie sowie die recht die Zuordnung zu einem der elf Themenfelder
große Fallzahl kann aber von einem sehr guten (s. Abbildung 6) ebenso statt wie die Codierung
Grad an Datensättigung gesprochen werden. Es nach acht Aussagearten (Stärke für Deutsch-
kann davon ausgegangen werden, dass ein Mehr land, Schwäche für Deutschland, Chance für
an Daten wenig neue Erkenntnisse bringen Deutschland, Risiko für Deutschland, ­positiv
würde. Daher ist es legitim, von inhaltlicher für Partnerland, negativ für Partnerland,
Repräsentativität zu sprechen, d. h. die selek- Beschreibung oder Abwägung, Empfehlung
tierten Fälle repräsentieren gut die inhaltlichen oder Anregung).
Abb. 5

Länder im Vergleich
Erste Studie Zweite Studie
(2011/2012) (2014/2015)
DR Kongo √
Kenia √
Afrika

Südafrika √ √
Tansania √
Brasilien √ √
Chile √
Amerika

Kolumbien √
Mexiko √
101
USA √ √
Afghanistan √
China √ √
Indien √ √
Indonesien √ √
Asien

Japan √
Kasachstan √
Mongolei √
Südkorea √
Vietnam √
Frankreich √ √
Griechenland √
Großbritannien √ √
Italien √
Niederlande √ √
Europa

Norwegen √
Polen √ √
Rumänien √
Russland √ √
Spanien √
Türkei √ √
Ägypten √
Naher Osten/MENA

Iran √
Israel √
Marokko √ √
Palästinensische Gebiete √
Zur Methodik der Studie

Abb. 6
Themenfelder im Vergleich

Erste Studie (2011/2012) Zweite Studie (2014/2015)


Demokratie & Bürgerbeteiligung Politische Ordnung & Verwaltung
Sicherheit & Entwicklung Innere & äußere Sicherheit
Wirtschaft & Nachhaltigkeit Wirtschaft & Finanzen
Energie & Klima Energie & Umwelt
Bildung & Beruf Bildung & Beruf
Wissenschaft & Innovation Wissenschaft & Innovation
Mobilität & Infrastruktur Infrastruktur, Technologie & digitaler Wandel
102 Migration & Integration Migration & Integration
Kultur & Familie Kultur & Lebensstil
Glaube & Ethik Familie & Werte
Gesundheit & Lebensqualität

Mit insgesamt 4560 erfassten Kernaussagen von Deutschland im Vordergrund standen,


ergibt sich eine durchschnittliche Anzahl von einer zweiten Phase, bei der es spezifischer um
etwa 25 Kernaussagen pro Interview. Da die ­Themen- oder Beobachtungsfelder ging, und
Erhebung zum zweiten Mal stattfand, wurden einer offenen Schlussphase, bei der die Befrag-
auch Gesprächspartner der ersten Studie erneut ten über Zukunftserwartungen und Empfeh-
in den Kreis der Befragten aufgenommen; von lungen sprechen konnten. Bei der zweiten
179 sind dies 20. Dadurch ergab sich keine Phase kamen elf Beobachtungsfelder zum
Schlechterstellung, sondern die Quote der Einsatz, die eine große Überschneidung mit
inhaltlich besonders aussagekräftigen Inter- denen der ersten Erhebung aufweisen und in
views konnte tendenziell erhöht werden. Dass Abbildung 6 gegenübergestellt sind.
diese Personen zumeist auch vergleichende
Aussagen im Verhältnis zur ersten Studie tätig- Einzelne inhaltliche und begriffliche Anpas-
ten, kann für eine qualitative Studie mit dem sungen für die zweite Studie erfolgten aus zwei
Ziel der Reihenbeobachtung über verschiedene Gründen: Erstens wurde bei der ersten Erhe-
Jahre hinweg genutzt werden. bung die Erfahrung gemacht, dass bestimmte
Rubriken bei einer Reihe von Befragten nur
Jedes einzelne Interview wurde – wie auch wenig bis kaum Resonanz auslösten, weil sie
bereits bei der ersten Studie – in drei Phasen vermutlich nicht trennscharf und verständlich
strukturiert: einer offenen Eingangsphase, bei genug benannt wurden oder aber in anderen
der freie Assoziationen zum jeweiligen Bild Kulturräumen nicht funktionierten, weil keine
konkreten oder abweichende Assoziationen vor- 3. Strukturieren und Generalisieren der Daten
herrschten (z. B. ›Demokratie & Bürgerbeteili- 4. Formulierung relevanter Hypothesen
gung‹, ›Sicherheit & Entwicklung‹ oder ›Wirt- 5. Interpretation und Überprüfung der
schaft & Nachhaltigkeit‹). Zweitens war es aus Ergebnisse
Sicht des Studienteams opportun, bestimmte
Themen mit hoher Aktualität dezidiert zur Das Ausgangsmaterial bestand aus 4560 Kern-
Abfrage bereitzustellen, die aufgrund der aktu- aussagen aus den Interviews, die dem Auswer-
ellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen für tungsteam – bestehend aus der Gesamtheit der
die Außenwahrnehmung Deutschlands relevant Interviewer – in Form von Kärtchen und Listen
sind, etwa die Themen ›Infrastruktur, Techno- aufbereitet vorlagen. Andere Quellen wur-
logie & digitaler Wandel‹ oder ›Gesundheit & den – mit Ausnahme der Studie aus 2011/12
Lebensqualität‹. zum Zwecke eines Ergebnisvergleichs – nicht
verwendet.
Erwartungsgemäß haben die Themenfelder
unterschiedlich viele Aussagen auf sich ver- Richtung und Ablauf der Analyse ­orientierten 103
eint. Daraus dürfen allerdings keine voreiligen sich an der qualitativen Zielsetzung der
Schlüsse gezogen werden. Es kann unterschied- ­Studie: Es ging nicht um quantitative, son-
lichste Gründe geben, wie beispielsweise ein dern um qualitative Merkmale, die sich zu
besonders hohes Interesse der Befragten an Mustern und Annahmen verdichten lassen. Der
einem Thema, eine generell hohe aktuelle Rele- zentrale Analyseschritt bestand im Struktu­rieren
vanz oder eine große bzw. größere inhaltliche und Generalisieren des Datenmaterials: Es
Breite der begrifflichen Fassung eines Beobach- wurde nicht nur ein einziges Phänomen (›das
tungsfeldes. Da nicht die Häufung, sondern Deutschlandbild‹), sondern eine Mehrzahl
die inhaltliche Qualität der Aussagen für dieses von Phänomenen betrachtet (die elf oben
Studiendesign ausschlaggebend war, ist die genannten Themenfelder). Die Strukturierung
Darstellung der Häufigkeitsverteilung der Aus- des Datenmaterials wurde dadurch erleichtert,
sagen nicht relevant. dass bereits im Zuge der Dokumentation
der Daten die o. g. zweifache Codierung
erfolgte: einerseits nach den elf inhaltlichen
Vorgehen bei der Auswertung
Kategorien und andererseits nach den acht
Bei dieser nicht-theoriegeleiteten Studie Aussagenarten. Für den ersten Schritt der
explorativen Charakters lag die Hauptaufgabe Auswertung fand zunächst ein zweitägiger vor-
bei der Datenauswertung darin, Annahmen zu bereitender Workshop mit sieben Interviewern
den in den Interviews erhobenen Sichtweisen statt, die die Sichtung und Strukturierung
und Bildern zu formulieren. Die grundsätzliche sämtlicher Kernaussagen vornahmen. Aus
Schrittfolge dabei hatte – vereinfacht darge- dem ›Rohmaterial‹ wurden erste Arbeitshypo-
stellt – folgende Struktur: thesen separat für alle elf Beobachtungsfelder
formuliert.
1. Bestimmung des Ausgangsmaterials
(Korpus) Der nächste Schritt umfasste das verallge-
2. Festlegung der Richtung und des Ablaufs meinernde Schließen auf Annahmen und das
der Analyse Formulieren von Hypothesen mithilfe der
Zur Methodik der Studie

gewonnenen Strukturen, Kategorien und Kon- Bias Enthusiasmus für vielleicht nur ­künstlich
zepte aus dem Vorbereitungsworkshop. Dazu hergestellte Zusammenhänge entwickelt.
fanden zwei weitere Auswertungsworkshops Zudem sind selbst bei qualitativen Studien oft
mit dem gesamten Team aller Interviewer von die Kontextinformationen nicht differenziert
erneut jeweils zwei Tagen Dauer statt. Drei genug verfügbar, um Fallübertragbarkeit anneh-
Arten der Generalisierung lassen sich prinzipiell men zu dürfen.
unterscheiden:
Das Formulieren von Hypothesen stellte den
1. statistische Generalisierung ergebnisorientierten Schritt der Auswertungs-
(sample-to-population), arbeit dar. Bei diesen je zweitägigen Workshops
2. analytische Generalisierung und sichtete das Studienteam die erarbeiteten Gene-
3. Fallübertragbarkeit (case-to-case ralisierungen und verfasste die Hypothesen in
transferability). Form von Kurztexten, die nach den Workshops
zur weiteren redaktionellen Ausarbeitung zur
104 Während die statistische Generalisierung auf- Verfügung standen.
grund des qualitativen Forschungsdesigns keine
Anwendung fand, wurden die Möglichkeiten Das Interpretieren und Überprüfen der Ergeb-
genutzt, analytisch und fallübertragend zu nisse geschah auf mehreren Ebenen. Zum einen
generalisieren. Bei der analytischen Generalisie- wurden bereits am Ende des Vorbereitungs- und
rung werden aus Einzelfällen sichtbar gewor- Auswertungsworkshops die erzielten Ergeb-
dene Phänomene durch induktives Schließen, nisse einer kritischen inhaltlichen Würdigung
durch Abstrahieren und durch konfirmatorische unterzogen. Zum anderen wurde bei Erstellung
Belege aus anderen Einzelfällen zu Konzepten des Studienberichts immer wieder auf das
zusammengefasst, denen man eine breitere ›Rohmaterial‹ zurückgegriffen, um gefundene
Bedeutung unterstellt. Bei der Fallübertragbar- Annahmen gegenzuprüfen und ggf. weiter zu
keit handelt es sich um eine Form der Genera- präzisieren.
lisierung, bei der durch eine Ähnlichkeit von
personenbezogenen Merkmalen oder anderer Das Ergebnis ist der hier vorliegende Studien-
Kontextfaktoren (Raum, Zeit, Milieu etc.) bericht, der zur weiteren Auseinandersetzung
­zwischen Einzelfällen Rückschlüsse von einem anregen soll.
Einzelfall für einen anderen Fall oder eine
Gruppe anderer Fälle gezogen werden können.

Folgenden Aufgaben hat sich das Studienteam


dabei bewusst gestellt: Bei der Generalisie-
rung liegt die Herausforderung vor allem im
Risiko unreifer, ungeprüfter Schlüsse (›beim
Aha-­Effekt stehenbleiben‹) sowie darin, den
Reflexions­prozess nach Bequemlichkeits­
kriterien zu beenden statt nach dem Erreichen
theoretischer Sättigung. Auch besteht das
Risiko, dass man aufgrund von subjektivem
Anhang 2:
Liste der
Gesprächspartner 1

1 Vereinzelt baten Teilnehmer darum, nur mit ihrem Namen genannt zu werden.
Zwischenzeitliche Funktionswechsel können nicht ausgeschlossen werden.
Liste der Gesprächspartner

Afghanistan Carla PEREIRA


Prof. Nasratullah AKBARZAD Expertin für Internationale Beziehungen •
Professor und unabhängiger Berater • Nationaler Industrieverband (CNI)
Landwirtschaftliche Fakultät, Universität Kabul Cristina SCHACHTITZ
Stellvertretende Vorsitzende • Edelman Significa.
S. Shafic GAWHARI
Geschäftsführer • Moby Group Marcello SERPA
Geschäftsführer, Art Director • AlmapBBDO
Yousuf KARGAR
Trainer • Afghanische Fußballnationalmannschaft Clara Cristina SOUZA RÊGO
Studentin • Universität Brasilia (UnB)
Rohullah QARIZADA
Präsident • Unabhängige afghanische
Anwaltskammer (AIBA) China
FENG Xingyuan
Baktash SIAWASH Vizedirektor und Forschungsgruppenleiter •
Abgeordneter • Wolesi Jirga Unirule Institute of Economics

HAN Wei
106 Ägypten Leiterin • Beijing Laiyinruibo International Cultural
Soraya BAGHAT Exchange Co.
Gründerin • Tahrir Bodyguards
JIANG Dayuan
Zina EL NAHEL Vizedirektor des Zentralen Instituts für Berufs- und
Senior Community Officer • Tahrir Academy Fachausbildung (CIVTE) • Bildungsministerium

Mohamed EL SAWY KANG Bingjian


Leiter • Culture Wheel Abteilungsleiter • Handelsministerium (MOFCOM)

Dr. Mohamed Salah EL SOBKI LI Lei


Leiter des Energieforschungszentrums • Volkswagen AG
Technische Fakultät, Universität Kairo
SUN Lihui
Dr. Anhar Ibrahim HEGEZI Abteilungsleiter Externe Kommunikation •
Leiterin des Energieeffizienzbüros des Kabinetts • Chinesische Handelskammer für den Im- und Export
Information and Decision Support Center (IDSC) von Metall, Mineralien und Chemikalien (CCCMC)

Ashraf SWELAM YUAN Shun


Leiter • Cairo Center for Conflict Resolution and Künstler • 798 Art District
Peacekeeping in Africa (CCCPA)
ZHU Hong
Manal TIBE Journalistin
Leiterin • Egyptian Center for Housing Rights (ECHR)
DR Kongo
Brasilien Patrick Missassi KABWITH
Generaldirektor • Akademie der Schönen Künste,
Sonia CHAPMAN
Kinshasa
Nachhaltige Entwicklung • Braskem S.A.
Jean-Claude KIBALA
Ernani KUHN
Minister • Ministerium für Öffentliche Angelegenheiten
Leiter Finanzwesen und Buchhaltung, Executive
Secretariat (SECEX) • Umweltminsterium Marie Marthe LEBUGHE
Change Manager • Zentralbank DR Kongo
Fabiana PARANHOS
Institutionelle Koordinatorin • Institut für Bioethik, Colonel Déogratias LUKWEBO MBOGO
Menschenrechte und Gender (ANiS) Berater • Verteidigungsministerium
Pamphile Mabiala MANTUBA NGOMA Vissarion THEODOROU
Professor für Geschichte • Vertriebsleiter Griechenland • Enercon
Universität Kinshasa (UNIKIN)

Luc-Roger MBALA BEMBA


Großbritannien
Journalist • Observateur Graham MEADOWS
Policyberater • Europäische Union
Alexis MUSHILA
Professor für Wirtschaft • The Congo Protestant Dr. Julie SMITH, Baroness Smith of Newnham
University of Kinshasa Leiterin des European Centre@POLIS •
Universität Cambridge, Mitglied im House of Lords

Frankreich Harriet TORRY


Claire ALEXANDRE
Sir Peter TORRY
Leiterin Commercial & Strategy, Mobile Payments •
Botschafter a.D.
The Vodafone Group Plc.
Halina WARD
Dr. Anne DURAND
Leiterin Development Futures • Bond
Dozentin für deutsche Philosophie •
Universität Sorbonne 107
Peter WATSON
Journalist, Kulturhistoriker und Autor
Prof. François GODEMENT
Leiter des Asien und China Programms •
European Council on Foreign Relations (ECFR) Indien
Subhash AGRAWAL
Raphaël GOULET Herausgeber • India Focus Strategic Analysis &
Abteilungsleiter Information und Kommunikation • Forecasts
Generaldirektion Regionalpolitik, Europäische
Kommission Rita ROY CHOUDHURY
Leiterin Umwelt, Klimawandel und Erneuerbare
Philippe GROS
Energien • Verband der Indischen Industrie-
Chefberater • Rechnungshof
und Handelskammern (FICCI)
Claudine LEPAGE
Vimlendu Kumar JHA
Senatorin • Französischer Senat
Geschäftsführer • Swechha – We for Change Foundation
Peggy ROLLAND
Dr. Surinder KAPUR
Programmkoordinatorin • Deutscher Akademischer
Vorstandsvorsitzender • The Sona Group
Austauschdienst (DAAD)
Arun BHARAT RAM
Griechenland Vorsitzender • SRF Ltd.; Co-Vorsitzender der
Stefanos ISAIAS Deutsch-Indischen Beratergruppe
CEO • Enterprise Greece Dr. Leena SRIVASTAVA
Panayiotis KAKOLYRIS Vizekanzlerin • Universität TERI
Pressesprecher • Konstantinos Karamanlis Dr. Shashi THAROOR
Institute for Democracy Abgeordneter • Indisches Parlament
Angelos KOVEOS
Journalist • To Vima Indonesien
Dr. Ilham HABIBIE
Dr. Antonis METAXAS
CEO • PT Ilthabi Rekatama
Professor für EU-Recht, Gastprofessor für Energierecht
IHU • Universität Athen, International Hellenic Noke KIROYAN
University (IHU) Chefberater • Kiroyan Partners
Liste der Gesprächspartner

Dr. Chusnul MAR’IYAH Elisabetta BELLONI


Präsidentin des Zentrums für Wahlen und Botschafterin, Generaldirektorin Resources and
politische Parteien • Fakultät für Politik- und Innovation • Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten
Sozialwissenschaften, Universität Indonesien und internationale Zusammenarbeit

Wally SALEH Massimo BUSUOLI


Kommissionsmitglied • Sugih Energy Leiter des ENEA-EU-Verbindungsbüros •
Nationale Agentur für Neue Technologien, Energie und
Dr. Natalia SOEBAGJO
Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (ENEA)
Geschäftsführer • Zentrum für Governance-Studien
(UI-CSG), Universität Indonesien Prof. Giovanna CERMELLI
Sandhy SONDORO Professorin • Fachbereich für Philologie, Literatur und
Musiker und Sänger Linguistik, Universität Pisa

Jongkie D. SUGIARTO Prof. Andrea DE GUTTRY


Vorsitzender • Association of Indonesia Automotive Leiter des Internationalen Trainingsprogramms für
Industries (GAIKINDO) Konfliktmanagement • Scuola Superiore Sant’Anna
di Studi Universitari e di Perfezionamento, Pisa
108 Ria WIDATI
Stellvertretende Direktorin, Bilateral Foreign Funding • Marco MÜLLER
Nationale Behörde für Entwicklungsplanung (BAPPENAS) Künstlerischer Leiter • Rom Film Festival

Dr. Nathalie TOCCI


Iran Stellvertretende Direktorin • Institut für Internationale
Dr. Kayhan BARZEGAR Beziehungen (IAI)
Leiter • Institute for Middle East Strategic
Studies (IMESS)
Kolumbien
Noushin FOUROUTAN Ligia Helena BORRERO RESTREPO
Künstlerin Stellvertretende Präsidentin • Rechnungshof

Seifali GHAFFARI Luis CARRASQUILLA


Geschäftsführer • Simin Barragh Co. Ltd. Student • Universidad Pontificia Bolivariana

Dr. Ebrahim HAJIZADEH César CONTRERAS


Abteilungsleiter des Zentrums für Umweltforschung • Produktionsleiter • Mediimplantes
Umweltamt
Padre Dario Antonio ECHEVERRY GONZÁLEZ
Naghmeh HOSSEINI Generalsekretär • Nationale Versöhnungskommission
Journalistin (CCN) der Katholischen Kirche
Moghtadi KERMANSHAHANI
Lina GARCÍA
Präsident • Deutsch-Iranische Industrie- und
Leiterin Arbeitsgruppe Opfer und Postkonflikt •
Handelskammer zu Teheran (AHK Iran)
Nationale Planungsbehörde (DNP)
Butagh KHANBODAGHI
Maria del Coral PÉREZ ORDÓÑEZ
Vize-Präsident • Deutsch-Iranische Industrie- und
Koordinatorin • Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen,
Handelskammer zu Teheran (AHK Iran)
Universidad Pontificia Bolivariana
Alireza RAHIMIZADEH
Patricia SIERRA
Geschäftsführer • InduSup GmbH
Geschäftsführerin • Stiftung Pies Descalzos

Italien Nelson VERGARA


Antonio ARMELLINI Dozent • Schule für Bildende Künste, Nationale
Botschafter a.D. Universität von Kolumbien
Marokko Chimed-Ochir BAZARSAD
Fouzia ASSOULI Repräsentant • WWF Mongolei
Präsidentin • Verband der Demokratischen Liga für Jargalsaikhan DAMBADARJAA
Frauenrechte (FLDDF) Journalist
Karim EL ASSEFRY Tumen-Ayush JAMIYANSUREN
Ministerium für Energie, Bergbau, Wasser und Generaldirektor • Hasu Megawatt LLC
Umwelt (AGDAL)
Ninjgarav ENEBISH
Rachid EL BOURY Dekanin der Schule für Bauingenieurwesen und
Ministerium für höhere Bildung, Forschung und Eliten Architektur • Mongolische Universität für Wissenschaft
und Technologie (MUST)
Fatema MERNISSI
Schriftstellerin Munkhtsetseg AMARJARGAL
Studentin • Deutsch-Mongolische Hochschule für
Dr. Maâti MONJIB
Rohstoffe und Technologie (DMHT)
Historiker • Institut für Afrikanische Studien, Universität
Mohammed V, Rabat
Niederlande
109
Rachaad BARRI
Mexiko
Compliance-Experte • Rabobank
Cintia GIL GUTIÉRREZ
Beraterin des Programms »Paralibros« • Prof. Dr. Paul DEKKER
Nationaler Rat für Kultur und Künste Bereichsleiter • Niederländisches Institut für
Sozialforschung (SCP)
Luis Antonio HUACUJA ACEVEDO
Leiter Studienprogramm über die Europäische Hans DE KONING
Gemeinschaft • Fakultät für Hochschulbildung Acatlán, Geschäftsführer • Max Bögl Nederland B.V.
Universidad Nacional Autónoma de México (UNAM)
Juurd EIJSVOOGEL
Pablo MONTERRUBIO Journalist • NRC Handelsblad
Koordinator • Proyecto Tierra
Marnix KROP
Lorena RUANO GÓMEZ Botschafter a.D.
Direktorin der Abteilung für Internationale Studien •
Gerbert KUNST
Centro de Investigación y Docencia Económicas (CIDE) Leiter Europäische und Internationale Angelegenheiten •
Erika RUIZ SANDÓVAL Wirtschaftsministerium
Beraterin des Untersekretariats für Auswärtige Prof. Dr. Ton NIJHUIS
Angelegenheiten • Sekretariat für Auswärtige Wissenschaftlicher Leiter • Duitsland
Angelegenheiten Institut Amsterdam
Gerhardt VEERKAMP
Geschäftsführer • Grupo Veerkamp Norwegen
Trond-Olav DAHL
Elizabeth Oswelia YÁÑEZ ROBLES Projektentwickler • Siemens plc
Vorsitzende der Mexikanisch-Deutschen
Freundschaftsgruppe • Abgeordnetenkammer Runa EGGEN
Dienstleisterin für Reise und Tourismus •
Innovation Norway
Mongolei
Temuujin KHISHIGDEMBEREL Sten Inge JØRGENSEN
Minister • Justizministerium Journalist und Autor • Morgenbladet

Zolzaya PUNTSAG Christoffer RAMBO


Vorsitzende Richterin • Zehnter Zivilsenat Handballprofi • GWD Minden
Liste der Gesprächspartner

Maria VEIE SANDVIK Prof. Dr. Dr. Adrian TANTAU


Kuratorin • Gallerie Maria Veie Dekan der Fakultät für fremdsprachige
Betriebswirtschaftslehre • Universität für
Trine Lise SUNDNES Wirtschaftsstudien Bukarest
Verbandsleiterin • Norwegischer
Gewerkschaftsbund (LO)
Russland
Dr. Asle TOJE Svetlana BASTANZHIEVA
Forschungsleiter • The Norwegian Nobel Institute Direktorin • Centre for the Development of Economics,
Politics and Law
Dr. Nils Morten UDGAARD
Journalist • Aftenposten Dr. Vladislav BELOV
Direktor des Zentrums für Deutschlandforschungen •
Petter VILSTED Europa-Institut der Russischen Akademie der
Senior Sustainability Adviser • Norfund Wissenschaften

Julia LARINA
Polen
Journalistin • Moskauer Deutsche Zeitung
Wojciech GRACZYK
110 Leiter Regulatory Management and Legal Affairs • Dr. Elena NEMIROVSKAYA
RWE Stoen Operator Sp. zo.o. Leiterin • Moscow School of Civic Education

Basil KERSKI Alexis PLATANOV


Direktor • Europäisches Solidarność-Zentrum (ECS) Leiter Strategie und Unternehmensentwicklung •
ERGO Russia
Dr. Agnieszka ŁADA
Leiterin des Europäischen Programms • Elga SYKIJAJNEN
Institute of Public Affairs (IPA) Beraterin im Bereich Recht und Good Governance

Prof. Dr. Krzysztof MISZCZAK Dr. Dmitri TRENIN


Vorstand • Stiftung für deutsch-polnische Leiter • Carnegie Moscow Center
Zusammenarbeit
Südafrika
Dr. Anna SOBECKA
Tuming LEE
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Kuratorin •
Inhaber, Herausgeber und Redakteur •
Kulturhistorisches Institut, Universität Danzig
Kickstart Magazine

Rumänien Dr. Erich LEISTNER


Alina ENE Direktor a.D. • Africa Institute of South Africa (AISA)
Beraterin des Präsidenten • National Agency for Grace MATHLAPE
the Roma (NAR) CEO • Love Life
Anca HOCIOTĂ Warren NEBE
Managerin Mitgliederservices und berufliche Bildung • Direktor Drama for Life • Universität Witwatersrand
Deutsch-Rumänische Industrie-und Handelskammer
Yacoob ABBA OMAR
Christian MATEESCU Director Operations • Mapungubwe Institute for
Abteilung für Handel und Internationale Beziehungen • Strategic Reflection (MISTRA)
Wirtschaftsministerium
Dr. Robin PETERSEN
Alexandru SAHIGHIAN CEO der SAFA Development Agency • Südafrikanischer
Übersetzer • Rumänischer Schriftstellerverband Fußballverband (SAFA)

Dan SUCIU Pieter ROTMANN


Regierungssprecher • Rumänische Regierung Berater • Ernst & Young SA
Tansania Dr. Daniel HAMILTON
Clara IBIHYA Direktor Zentrum für Transatlantische Beziehungen •
Gründerin und Geschäftsführerin • Claphijo The Paul H. Nitze School of Advanced International
Enterprise Ltd. Studies (SAIS), Johns Hopkins University

Lusungu Leonard MBILINYI Dr. Jackson JANES


Leiter des Jugendprogramms • Zanzibar Präsident • American Institute for Contemporary German
Interfaith Centre
Studies (AICGS)
Rev. Dr. Leonard MTAITA
Laura LANE
Generalsekretär • Christian Council of Tanzania
Präsidentin Global Public Affairs • United Parcel Service
Adelina NYAMIZI of America, Inc. (UPS)
Studentin am tansanisch-deutschen Fachzentrum für
Rechtswissenschaft • Juristische Fakultät, Universität Rebecca PAYNE
Daressalam Absolventin des BMW Center for German and European
Studies (CGES) • Georgetown University
Shafi Adam SHAFI
Schriftsteller Colin STACKHOUSE 111

Deepesh SHAPRIYA Stephen SZABO


Filmemacher Direktor der Transatlantic Academy • The German
Marshall Fund of the United States (GMF)
Türkei
Ciğdem AKKAYA Lynn TAYLOR
Geschäftsführerin • Linkturkey Senior Vice President, Leiterin Global Government
Affairs and Policy • Merck Serono
Hakan ALTINAY
Präsident • Global Civics Academy
Vietnam
Prof. Dr. Necdet BASA DANG Lien
Rechtsanwalt • Verband Türkischer Anwaltskammern
Generalabteilung für Berufliche Bildung (GDVT)
Ecem CAGLAYAN
DUONG Thi Viet Thang
Studentin der Archäologie • Universität Thrakien
Stellvertretende Leiterin der Deutschabteilung •
Halil ILGAZ Hanoi Universität
Gebietsvertreter • International Transporters’
Association (UND) Dr. LE Dang Doanh
Ökonom • Ministerium für Planung und Investition (MPI)
Ahmet E. MÜDERRISOGLU
Geschäftsführer • Ankon Consulting Dr. MAI Huy Tan
Vorsitzender und Leiter • ViDeBridge Co
Müberra OGUZ
Referatsleiterin • Bildungsministerium NGUYEN Dinh Chinh
Journalist • vnexpress.vn
USA
John BRANDING Dr. NGUYEN Thien Nhan
Leiter Government Affairs • BMW Präsident • Vaterland-Front Vietnam

Robert FENSTERMACHER TRI Minh


Präsident und CEO • Cultural Vistas Discjockey
Impressum

Als Bundesunternehmen unterstützt die GIZ Projektteam


die deutsche Bundesregierung bei der
Alexandra Behns, Dr. Mike ­Enskat,
Erreichung ihrer Ziele in der Inter­nationalen
­Thorsten Giehler, Dr. Oliver Gnad,
Zusammenarbeit für nach­haltige Entwicklung.
Regina Kallmayer, Stefan Opitz,
­Anne-Valerie Peters, Nina ­Sarrazin,
Herausgeber Jörg ­Schindler, Andreas von ­Schumann,
­Philipp Schwörer, Nikola ­Seiler,
Deutsche Gesellschaft für
Dr. Mischa Skribot, Katja Suhr,
Internationale Zusammenarbeit
Dr. Sabine Tonscheidt
(GIZ) GmbH
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»Jeder trägt in Deutschland sein Tablett selbst weg.
Es ist in Deutschland ein großer Wert, für sich selbst
verantwortlich zu sein.«
Südafrika
Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Sitz der Gesellschaft


Bonn und Eschborn

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