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- Bei der Erstellung der Biografie ist es nicht vordergründig von Bedeutung, Lebensdaten
in chronologischer Reihenfolge zu erfassen, sondern eine Psychobiographie zu
erstellen. Es sollte herausgefunden werden, was dem Menschen wichtig ist, was ihn in
seinem Leben bewegt hat, weshalb er bestimmte Dinge getan hat.
- Über die Biografiearbeit werden sog. „Copings“ erhoben, d.h., wie hat der Mensch
gelernt, mit Problemen umzugehen? Diese Reaktionsmuster werden von
Bezugspersonen abgeschaut. Daraus lassen sich die Bewältigungsstrategien ableiten,
die eingesetzt werden, um Pflegeziele zu erreichen.
- In Belastungssituationen, z.B. bei der Übersiedlung in ein Pflegeheim, wird bei alten
Menschen das Altgedächtnis aktiviert. Sie bauen weiter ab, weil nichts mehr da ist, was
sie von früher kennen. So kann es zum Umkehrphänomen der Entwicklung kommen.
Sie fallen in ihre Gemütspsyche zurück, es werden Verhaltensrituale oder Copings der
nächstniederen Stufe wirksam, um in dieser neuen, unbekannten Welt überleben zu
können.
- Wenn wir das Verhalten, das Handeln und die Erzählungen alter Menschen verstehen
wollen, müssen wir herausfinden, was sie geprägt hat. Auf der Grundlage einstiger
Lebensantriebe ist eine seelische „Wiederbelebung“ alter Menschen möglich.
- Die Selbstständigkeit, die soziale Kompetenz der Senioren soll so lange wie möglich
erhalten bleiben. Dabei ist nicht vorrangig körperliche Selbstständigkeit gemeint,
sondern der Geist und die Psyche, also selbstständig Denken, fühlen und entscheiden zu
dürfen.
- Mit seinem Modell wird die Zeitebene der Pflegekräfte mit der Zeitebene der zu
Pflegenden zusammengeführt. Die Sicht der Pflegeperson bestimmt die Pflege, z.B. des
Heimbewohners, sie entwickelt sozusagen ein „pflegerisches Auge“.
Quellen:
Böhm, E.: Verwirrt nicht die Verwirrten. Neue Ansätze geriatrischer Krankenpflege. 15. Aufl. Psychiatrie Verlag. 1999.
Böhm, E.: Psychobiographisches Pflegemodell nach Böhm. 4. Aufl. Maudrich. 2009.
Popp, I.: Verwirrt nicht die Verwirrten! Was bedeutet Pflege nach Böhm? In: Heilberufe. 7/2002, S.36-37.
Interaktionsstufen des psychobiographische Pflegemodells
Stufe 1: „Sozialisation“
- entspricht der Erwachsenenstufe, lebenslanges Lernen
ermöglicht, sich den Normen in der Gesellschaft anpassen
- normale Unterhaltung mit dem alten Menschen möglich
- eventuell etwas lauter oder langsamer zu sprechen
- der Mensch ist in dieser Stufe kognitiv erreichbar
- laut Böhm handelt es sich hier um einen biologischen
Abbau, also um den physiologischen Alterungsprozess
- „Die Kommunikation läuft vorwiegend auf der Inhalts-
und Beziehungsebene ab.“
Stufe 2: „Mutterwitz“
- entspricht der Entwicklungsstufe der Jugendlichen
- es wird gesprochen, „wie einem der Schnabel gewachsen
ist“
- die kognitive Leistung des alten Menschen auf dieser Stufe
hat schon etwas nachgelassen (entspricht aber noch dem
Erwachsenenalter)
- der alte Mensch ist über ein Gespräch erreichbar und
reagiert auf eine gewisse Art von Humor (z.B. ein
humorvolles Augenzwinkern oder auch eine derbe
Sprache)
- je nach Ausprägung des individuellen Humors gestaltet
sich der Zugang dementsprechend leichter oder
schwieriger
- auch hier handelt es sich laut Böhm noch um den
physiologischen Abbau
„Menschen auf Stufe 1 oder 2 verstehen Wort und Satz. Sie sind
mittels aktivierender Pflege erreichbar.
Stufe 4: „Prägungen“
- erlernte, sich wiederholende, eingespielte
Verhaltensweisen herrschen vor
- das Verhalten in dieser Stufe entspricht dem 6. bis 12.
Lebensjahr
- ist geprägt von erlernten Verhaltensnormen oder auch
Ritualen, die dem alten Menschen Sicherheit geben (z.B.
Tischgebet vor dem Essen oder Respekt älteren Menschen
gegenüber)
- die Prägung kann je nach Region, in der der alte Mensch
aufgewachsen ist, unterschiedlich sein (z.B. bestimmte
Sprüche)
„Verständnis aufbringen und Sicherheit geben ist die
Intention.“
Stufe 5: „Triebe“
- diese Stufe entspricht dem Lebensalter zwischen 3 und 6
Jahren
- um den alten Menschen auf dieser Stufe zu erreichen,
muss man ihm einen Lebenssinn geben
- man muss hierbei herausfinden, auf welchen Reiz der alte
Mensch reagiert (z.B. Essen oder Macht).
- nur wenn der richtige Reiz angesprochen wird, gelingt es,
den alten Menschen zu aktivieren.
„Fördern durch zumutbare Forderungen und positivem
Zuspruch.“
Stufe 6: „Intuition“
- sie entspricht dem Säuglings- und Kleinkindalter
- also dem Lebensalter zwischen 1 und 3 Jahren
- Gefühle, Märchen, Aberglaube und Bilder spielen eine
Rolle
- der alte Mensch zieht sich auch oft in die „gute, alte Zeit“
zurück und träumt von geliebten Menschen und vertrauten
Personen
- der alte Mensch reagiert intuitiv, da er die Welt kognitiv
nicht mehr verstehen kann
„Nach Böhm "endet" hier die reaktivierende Pflege und die
Validation beginnt.“
Stufe 7: „Urkommunikation“
- Säuglingsalter; die emotionale Erreichbarkeit ist gegeben
- körperliche Möglichkeiten sind beschränkt
- erst in der letzten Stufe entwickelt der alte Mensch wieder
das Verhalten eines Säuglings
- der Betroffene liegt oft in einer embryonalen Stellung im
Bett und ist teilnahmslos
- das Spüren des eigenen Körpers ist auf dieser Stufe die
einzige Möglichkeit, sich seines Selbst noch bewusst zu
werden (z.B. durch Anfassen der Genitalien oder spielen
mit dem eigenen Kot).
„Basale Kommunikations- und Stimulationsformen können
eine Erreichbarkeit fördern.“
- den Menschen als eine Einheit aus Körper, Seele und Geist sehen
- diese Einheit wird von Geburt an geprägt durch soziale, kulturelle,
traditionelle und milieuorientierte Einflüsse
- die Pflegekräfte müssen sich selbst, ihre eigene Haltung und ihr
Tun reflektieren
- die Vorgehensweise in der Pflege erfordert eine eigenständige
Denk- und Arbeitsweise des Pflegepersonals
- immer wieder überlegen, was ist jetzt in diesem Moment für
diesen Bewohner das Richtige?
- Pflegekräfte müssen jeden Tag zum Dienst kommen mit dem
Wissen, dass der heutige Tag anders verläuft als der gestrige
Praktische Umsetzung
- der zentrale Punkt ist die Biografie und beginnt ab der Aufnahme
- der Fokus liegt auf die ersten 25 bis 30 Lebensjahre
- Gespräch mit den Angehörigen, vor allem den Angehörigen
vermitteln worauf es bei dem Modell ankommt (z.B. die
ungewaschene Bettwäsche des zukünftigen Bewohners
mitbringen, damit er sich schnell zu Hause fühlt, als seinem
eigenen Gefühl des Anstands oder der Reinlichkeit nachzugeben.
- in diesem Gespräch müssen das Modell erläutert und gegenseitige
Erwartungen geklärt werden
- kleine Wohngemeinschaften mit festen Bezugspersonen
- die individuelle Gestaltung der Wohnräume nach den
Bedürfnissen der Bewohner, auch Rückzugsmöglichkeiten
- genügend Freiraum zum Ausleben des Bewegungsdranges
- gemeinsame Gestaltung des Tagesablaufs wie es dem alten
Menschen auf seiner emotionalen Erreichbarkeitsstufe möglich
ist
- Fröhlichkeit und Lebendigkeit
- das Zusammenleben mit liebgewordenen Haustieren
- der Besuch der Pflegekräfte in der häuslichen Umgebung des
Bewohners (Dinge betrachten, wie z.B. seine Alltagsnormalität,
sein Daheim-Gefühl, die Alltagsgewohnheiten,
Schlafgewohnheiten und -platz (mit welchem Fuß ist er aus dem
Bett gestiegen?), Mahlzeiten (oft allein gegessen oder in der
Großfamilie), woraus wurde die Ich-Wichtigkeit bezogen
(Dokumente, Urkunden: Vereinsvorsitzender), Kleinmöbel,
Stories, Zimmeraufteilung und wichtige Gegenstände
Gründe für „Verhaltensauffälligkeiten“
- Inkontinenz
Regression oder fehlender Impuls (heutige Toiletten sehen
anders aus als Plumpsklos oder Eimer, die früher teils benutzt
wurden)