meine Queerness gestellt. Gemeint war, dass mein Äußeres, mein Auftreten „zu viel“ sein könnte, dass es Menschen innerhalb wie außerhalb der Redaktion überfordern könnte. Warum die Frage aufkam? Ich bin trans, nicht-binär und inzwischen sieht man das. Man sieht, dass sich mein Äußeres nicht in binäre Rollenbilder einfügt. Das gilt auch für meine Kleidung, die feminine wie maskuline Elemente vereint. Die entstehende Irritation, so die Vermutung hinter der Frage, könnte zu groß sein. Doch auch bei trans Personen habe ich schon verwunderte Reaktionen geerntet, als ich erzählte, dass ich im Journalismus, und dazu auch noch im Regionaljournalismus, tätig bin. Und das als offen lebende trans Person. Woher kommt diese Verwunderung – also, dass das geht, so in echt? Der Journalismus als Berufsfeld muss auf einige Menschen abschreckend wirken, wenn Sichtbarkeit für solches Erstaunen sorgt. Es hat wohl den Anschein, dass trans Personen nicht willkommen sind, dass die Einstiegshürden für sie einfach zu hoch sind. Ein Umfeld, in dem Menschen, die wie man selbst sind, nicht vorkommen, wirkt nicht wie eine sichere Umgebung. Natürlich denken dann womöglich trans Menschen, die an einer Tätigkeit im Journalismus interessiert wären: „Das ist bestimmt nichts für mich.“ Ein Blick in deutsche Redaktionen mag den Eindruck bestätigen: Offen queere Personen trifft man selten, offen lebende trans Journalist*innen gar sind meiner Erfahrung nach kaum zu finden – ich schätze, ich hatte mit 99 Prozent davon schon mal Kontakt und wir folgen uns auf Twitter. Ich sage an dieser Stelle bewusst „offen“, da es natürlich eine unbekannte Zahl von trans Personen in Redaktionen gibt, die bisher kein Coming-Out hatten. Dass Journalist*innen nicht nur in der Redaktion sitzen, sondern auch nach außen sichtbar auftreten, hat absoluten Seltenheitswert. Nach verschiedenen Umfragen und Schätzungen liegt der Anteil von trans Personen an der Gesamtbevölkerung etwa zwischen 0,3 und 1 Prozent. Auf so viele sichtbare trans Journalist*innen komme ich bei weitem nicht, wenn ich mich so in der Branche umsehe. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass sich das ändert. Klar – wenn queere Journalist*innen sichtbar auftreten, richten sich Hass und Hetze gegen sie wie mit einem Brennglas. Das ist nicht eben Werbung für Sichtbarkeit. Ich habe das schon mehrfach erlebt: Da werden Äußerlichkeiten gerne als Vehikel genommen, wenn der Inhalt nicht gefällt. Offensichtliche Gender-Nonkonformität bietet Angriffsfläche. Was bei vielen Menschen zu einer reflexhaften Abwehrreaktion beiträgt, ist die erwähnte Seltenheit des Auftretens. Erscheint eine „seltsame“ Person auf dem Bildschirm, atmet man da schon mal scharf ein, ist aus dem Konzept gebracht. Dagegen kann unter anderem Gewöhnung helfen. Mehr Sichtbarkeit bringt diesen Gewöhnungseffekt. Sichtbarkeit bringt nach einer Weile Normalität mit sich. Normalität bringt Sicherheit. Deshalb will ich sichtbar sein. Ich kann sichtbar sein und ich bin mir des Privilegs bewusst. Das habe ich mir erarbeitet, sicher, aber es hat auch viel mit einem beruflichen Umfeld zu tun, das es mir ermöglicht hat, den Schritt eines Coming-Outs zu wagen. Als ich 2012 bei der Mediengruppe Oberfranken anfing, für das Portal inFranken.de zu arbeiten, lernten mich noch alle unter meinem inzwischen abgelegten Namen kennen und alle – inklusive mir – hielten mich für einen Mann. Die Erkenntnis, dass dem nicht so ist, reifte erst langsam in mir und wie es so ist mit „dem Coming-Out“: In Wirklichkeit ist es eine Reihe von einzelnen Coming-Outs, beginnend bei einem selbst. Nach dem Sich-selbst-finden, nach dem Ausprobieren und Kommunizieren im persönlichen Umfeld wagte ich schließlich den Schritt, auch darüber hinaus reinen Tisch zu machen. Konkret hieß das: Ich informierte meinen Vorgesetzten über mein Vorhaben, unter anderem Namen und mit angepasster Stellenbezeichnung aufzutreten. Meinen Wunsch besprach ich dann mit der Personalabteilung, um E-Mail-Signatur und alle möglichen anderen Formalitäten zu klären. Es ging auch darum, die Grenzen auszuloten, die dadurch existieren, dass ich meinen Namen bisher nicht diskriminierungsfrei und ohne enorme zeitliche wie finanzielle Hürden in allen amtlichen Urkunden ändern kann. Es war auch dank der Tatsache, dass ich über einen Ergänzungsausweis verfüge, möglich, vieles intern zu ändern, wo es keinen Konflikt mit Daten gab, die etwa dem Finanzamt unter meinem noch eingetragenen Namen vorliegen. Der Ergänzungsausweis ist ein Dokument, das die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (dgti) ausstellt und das trans Personen die Möglichkeit bietet, sich mit Bezugnahme auf den Personalausweis mit dem richtigen Namen auszuweisen. Er wird von Behörden, Banken, der Polizei, Versicherungen und vielen anderen Stellen akzeptiert und soll nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts den Anspruch auf Anrede mit den korrekten Vornamen unterstützen und Diskriminierung verhindern. Auch wenn ich wohl die erste trans Person im Unternehmen war, die offen aufgetreten ist, war der Umgang alles andere als holprig oder unangenehm. Hier zeigte sich ein Vorteil einer Unternehmenskultur, die auf Offenheit und Transparenz baut. Das klingt nach Plattitüden aus dem x- ten Ted-Talk zu Kulturwandel in Firmen, ist aber deswegen nicht weniger wahr. Die für mich zuständige Personalreferentin stellte mir offen Fragen zu Dingen, die ihr nicht bekannt waren und wir redeten über alle Implikationen und Grenzen der anstehenden Änderungen. Die grundlegende Frage jedoch, die mir gestellt wurde, war: „Wie können wir dich dabei unterstützen?“. Dabei war es nicht wichtig, dass das Unternehmen das perfekte Playbook für den Fall hatte – die Bereitschaft zu lernen und sich flexibel anzupassen war da. Dass dies keine Überraschung für mich war, sondern die angenehme Bestätigung einer Annahme, liegt auch daran, dass sich die Mediengruppe Oberfranken in den vergangenen Jahren in der internen wie externen Kommunikation stark verändert hatte und das immer noch tut. Intern hatte etwa die Unternehmenskommunikation einen Leitfaden für geschlechtergerechte Sprache erstellt. Die Erläuterungen zeigten mir, dass man hier die vielfältige Realität von geschlechtlichen Identitäten und der Notwendigkeit von Sichtbarkeit in Sprache und Ausdruck erkannt, analysiert und umgesetzt hatte. Das gab mir die Sicherheit, dass ich nicht auf taube Ohren stoßen würde, sondern Verständnis und Unterstützung erwarten konnte. Dabei ging es nicht um die Sprachregelung an sich, sondern um die Gedanken dahinter, die daran zu erkennen waren und hier offen verhandelt wurden. Das waren für mich Voraussetzungen, die mich ermutigten, offener aufzutreten und auch den formalen Schritt zu gehen, bis hin zu meiner Stellenbeschreibung, die entsprechend meiner nicht-binären Identität nicht eindeutig männlich oder weiblich ist. Ich erkannte, dass ich mit meinen Wünschen keine Zumutung und Belastung war. Ich bin willkommener Bestandteil einer Vielfalt, die als Stärke verstanden und genutzt wird. Medienhäuser können an vielen Stellen etwas tun, um queeren Mitarbeitenden ein Gefühl von Sicherheit und Willkommen-Sein zu geben. Das Schöne ist: Präzendenzfälle hinterlassen Spuren und haben nachhaltige Wirkung: So bin ich mir sicher, Teil einer positiven Veränderung gewesen zu sein, auch wenn ich in einigen Monaten Oberfranken in Richtung Berlin verlasse und der Personalbericht – vorerst – wieder um eine diverse Person ärmer wird. Einmal angestoßen ist Wandel nicht mehr aufzuhalten und das ist gut so. Warum ich das alles überhaupt schreibe? Ich denke, dass es eben nicht nur nett gegenüber Mitarbeitenden ist, wenn Unternehmen sichere Orte sind, wenn queere Menschen dort mit Spaß und Erfolg tätig sein können. Nein, auch für Unternehmen, gerade in der Medienbranche und besonders im Journalismus ist gelebte Diversität schlicht überlebensnotwendig, um zukunftsfähig zu sein und um den zentralen Aufgaben des Journalismus nachkommen zu können. Die Aufgabe des Journalismus besteht nämlich darin, Meinungsvielfalt zu bieten und zur Meinungsbildung beizutragen. Wie aber sollen wir dieser Aufgabe nachkommen, wenn wir die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt nicht mehr abbilden? Es besteht sonst die Gefahr, dass die Medien zu einem sich selbst reproduzierenden Elfenbeinturm werden, der den Anforderungen, den Fragen der Zeit schlicht nicht mehr gewachsen ist. Mangelnde innere Diversität bedingt, dass die Sicht auf Themen einer diverseren Gesellschaft, auf die Themen marginalisierter Menschen, immer eine von außen bleibt. Das ist weder realistisch noch förderlich. Es ist so, dass die kommende Generation junger Journalist*innen eine andere, eine offenere Sicht auf die Welt mitbringt und das auch durchaus so formuliert. So war ich selbst etwas perplex, als ein junger Werkstudent mich für einen LinkedIn-Beitrag ganz selbstverständlich nach meinen Pronomen fragte. Das war für ihn schlicht normal und Grundlage eines höflichen Umgangs. Junge Kolleg*innen geben in der Mehrheit positives Feedback zu redaktionellen Richtlinien, die geschlechtergerechte Formulierungen betreffen, anstatt sich in den immer gleichen Fragen, Befürchtungen und Tiraden zu ergehen, mit denen uns gerad ältere Prominente der Medienlandschaft so gerne quälen. Das bedeutet auch, dass ein Medium, das die Vielfalt der Gesellschaft nicht beschreiben kann, weil es sie nicht begreift, sowohl als potenzielles Arbeitsumfeld als auch als Informationsquelle für eine wachsende Zahl junger Menschen irrelevant wird – oder realistischer formuliert – irrelevant bleibt. Ein aktuelles Beispiel außerhalb der Medienbranche illustriert ganz gut, wie sich Maßnahmen, die Diversität mitdenken, auswirken können. Die Fluglinie „Virgin Atlantic Airways“ lockerte im September 2022 ihre Bestimmungen, was die Kleiderordnung für Kabinen- und Bodenpersonal sowie Pilot*innen angeht. Alle dürfen nun aus den bestehenden Uniformen auswählen, unabhängig von Identität oder Geschlechtsausdruck. Dies war Teil einer Kampagne für mehr Individualität und Diversität am Arbeitsplatz – daneben wurden auch Pronomen-Abzeichen für die Mitarbeitenden eingeführt, damit diese für alle sichtbar sein können. Seitdem, so berichtet die britische Zeitung „The Telegraph“, ist die Zahl der Bewerber*innen sprunghaft um 100 Prozent angestiegen. Wenn ich mir für die kommenden Jahre für den Journalismus etwas wünschen darf, dann mehr gelebte Diversität, nach innen wie nach außen. Es ist wichtig, dass queere Menschen keine freundlich geduldeten Paradiesvögel sind, sondern sich als Teil einer breit aufgestellten Normalität fühlen können. Dann werden sie auch häufiger anklopfen und ihre Perspektiven, ihre Kreativität einbringen. Dann wird sicher nicht alles gut, aber vieles besser. Seriösität
Räume, in denen ich mich oute, Pronomen nenne etc
Weniger outen/“rechtfertigen“, mehr informieren Schlüsselmomente in meiner Karriere in Bezug auf meine Identität? Live-Videos? Warum wurde ich sichtbar/“aktivistisch“? An welchen Punkten? Uns quälen Personalmangel Ich habe meinen Weg in den Journalismus auch nicht als offen queere Person gestartet.
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