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Arnim Powietzka (Hrsg.

)
Praxishandbuch Arbeitsverträge für Unternehmer
De Gruyter Praxishandbuch



Arnim Powietzka (Hrsg.)

Praxishandbuch
Arbeitsverträge für
Unternehmer
Mit Geschäftsführer- und Vorstandsverträgen


ISBN 978-3-11-036400-2
e-ISBN (PDF) 978-3-11-036405-7
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-039158-9

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Datenkonvertierung/Satz: fidus Publikations-Service GmbH, Nördlingen
Druck: CPI books GmbH, Leck
♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort
Der Abschluss von Arbeitsverträgen ist für Arbeitgeber alltägliche Routine. Jedes
größere Unternehmen hat Muster und Vorlagen, die standardmäßig verwendet
werden. Um einheitliche Arbeitsverhältnisse zu erreichen, werden die Personalver-
antwortlichen häufig sogar verpflichtet, bestimmte Vorlagen zu verwenden. Das ist
sinnvoll und richtig. Wie jeder erfahrene Rechtsanwalt weiß, besteht das Problem mit
Mustern lediglich darin, dass sie in der Praxis nie passen. Jeder Fall ist anders und
weist Besonderheiten auf. Es gibt nicht „den richtigen Arbeitsvertrag“, der die pas-
senden und sinnvollen Regelungen sowohl für den tarifgebundenen Schichtarbeiter
am Fließband als auch für den AT-Angestellten der oberen Führungsebene oder den
Vertriebsmitarbeiter im Außendienst enthält.
Außerdem entwickelt sich die Rechtsprechung zu den einzelnen Vertragsklau-
seln mit immer rasanterer Geschwindigkeit weiter. Den mit der Vertragsgestaltung
befassten Mitarbeitern bleibt daher nichts anderes übrig, als mehrere Vertragsmuster
vorzuhalten und diese in immer kürzeren Abständen auf ihre Vereinbarkeit mit der
neueren Rechtsprechung zu überprüfen und ggf. anzupassen. Die Zeiten, in denen
man einen Muster-Arbeitsvertrag über Jahre hinweg nahezu unverändert verwenden
konnte, sind längst vorbei.
Fehler bei der Vertragsgestaltung können im Streitfall teuer werden. So mancher
Arbeitgeber hat vor den Arbeitsgerichten schon böse Überraschungen erlebt, wenn
er etwa im Rahmen der Überstundenklage des ausgeschiedenen Mitarbeiters erfah-
ren musste, dass die vereinbarte pauschale Abgeltung jeglicher Überstunden ebenso
unwirksam ist wie die Ausschlussfrist am Ende des Vertrags mit der Folge, dass Über-
stunden im Rahmen der dreijährigen Verjährungsfrist rückwirkend geltend gemacht
werden können.
Das vorliegende Handbuch führt den Praktiker der Vertragsgestaltung durch den
Dschungel der Rechtsprechung. Zu allen in der Praxis üblichen Klauseln – von der
Arbeitsleistung des Arbeitnehmers über die Vergütung, vertragliche Nebenpflich-
ten, Regelungen zur Vertragsbeendigung, zur Aus- und Weiterbildung, nachvertrag-
lichen Pflichten bis hin zu den sog. „Schlussbestimmungen“ des Arbeitsvertrags –
wird erläutert, welche Anforderungen die Rechtsprechung stellt, welche Klippen es
zu umschiffen und welche „Fettnäpfe“ es zu vermeiden gilt und wie eine Klausel im
Arbeitsvertrag letztlich formuliert werden kann. Ausführlich werden Bezugnahme-
klauseln im Arbeitsvertrag – sei es auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder
einseitig vom Arbeitgeber gesetzte Regelungswerke (z. B. die klassische „Arbeitsord-
nung“) – dargestellt und die rechtlichen Anforderungen aufgezeigt. Darüber hinaus
werden Besonderheiten der Anstellungsverträge von Geschäftsführern und Vorstän-
den behandelt und mit zahlreichen Praxisbeispielen erläutert.
Das Handbuch ist von Praktikern – Rechtsanwälten und Unternehmensjuris-
ten – für Unternehmer und Personaler geschrieben, die sich mit der Arbeitsvertrags-
gestaltung zu befassen haben. Die Darstellung orientiert sich dabei an den Vorgaben


VI Vorwort

der Rechtsprechung. Wissenschaftliche Diskussionen, die sich nicht auf die Formu-
lierung der Arbeitsvertragsklauseln auswirken, werden nicht vertieft dargestellt. Die
Rechtslage ist mit dem Stand 29.02.2016 berücksichtigt.
Danken möchte ich an dieser Stelle vor allem allen Autoren, die mit ihrem beson-
deren Einsatz das Erscheinen dieses Handbuchs ermöglicht haben. Ein besonde-
rer Dank gilt dem de Gruyter Verlag für die stets tatkräftige Unterstützung und die
sorgfältige Arbeit des Lektorats. Besonders hervorzuheben ist neben der Arbeit der
Autoren vor allem die Mitarbeit von Frau Christina Krämer, Herrn Manuel Graulich
und Frau Rechtsreferendarin Katharina Joeres, die bei der Vorbereitung des Werkes,
der Erstellung der Gliederung und bei der Arbeit an dem Manuskript wertvolle Unter-
stützung geleistet haben. Ein besonderer Dank gilt Frau Martina Klemm, Frau Sabrina
Dendic, Frau Christiane Fichtner, Frau Katharina Jakob, Frau Maria Romanski und
Frau Helga Düttmann, die unermüdlich die Manuskripte der Autoren betreut haben.
Die Autorinnen und Autoren, der Herausgeber und der Verlag sind jederzeit offen
für Anregungen, Kritik und Verbesserungsvorschläge.

Heidelberg, im März 2016


Arnim Powietzka

RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


Dr. Arnim Powietzka
Sofienstraße 21
69115 Heidelberg
Tel: 06221/43416-49
E-Mail: a.powietzka@rb-heidelberg.com


Inhaltsübersicht
Abkürzungsverzeichnis XXXI
Literaturverzeichnis XXXV
Bearbeiterverzeichnis XLI

Kapitel 1
Bedeutung für die unternehmerische Praxis 1

Kapitel 2
Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag 3

A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“ 3


B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 11
C. Überraschende Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB 18
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 23
E. Besondere Klauselverbote, §§ 308, 309 BGB 38
F. Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln, § 306 BGB 40

Kapitel 3
Arbeitsleistung 45

A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung 45


B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 53
C. Überstunden 61
D. Kurzarbeit 68
E. Zurückbehaltungsrecht 73
F. Arbeit auf Abruf 75
G. Arbeitszeitkonten 84

Kapitel 4
Vergütung 93

A. Allgemeines 93
B. Einzelne Vergütungsarten 104
C. Regulierte Vergütung 123

Kapitel 5
Nebenpflichten 141

A. Nebentätigkeiten 141
B. Wettbewerbsverbot 147


VIII Inhaltsübersicht

C. Arbeitsverhinderung 150
D. Urlaub 154
E. Annahme von Geschenken und Begünstigungen 166
F. Antidiskriminierung 169
G. Verpflichtung auf das Datengeheimnis 170
H. Datenschutzerklärung 172
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen,
Verschwiegenheitsklausel 173
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und
Telefon) 181

Kapitel 6
Beendigung des Arbeitsverhältnisses 193

A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 193


B. Altersgrenze 225
C. Erwerbsminderung 231
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
(insb. Kündigungsvereinbarungen) 233
E. Probezeit 249
F. Kündigung vor Dienstantritt 250
G. Freistellungsvorbehalt 252

Kapitel 7
Regelungen zur Aus- und Weiterbildung 257

A. Fortbildungsklauseln 257
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 263

Kapitel 8
Nachvertragliche Pflichten 277

A. Herausgabe von Firmeneigentum und Unterlagen 277


B. Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht 280
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 286

Kapitel 9
Schlussbestimmungen 315

A. Zugangsfiktion 315
B. Schriftformklausel 320
C. Salvatorische Klausel 324


Inhaltsübersicht IX

D. Rechtswahlklausel 329
E. Gerichtsstandsvereinbarung 341

Kapitel 10
Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht 347

A. Einführung 347
B. Gegenstand der Bezugnahme 348
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 351
D. Formen der Inbezugnahme 358
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 361
F. Betriebsvereinbarung 395
G. Bezugnahme auf Arbeitsordnungen 400
H. Jeweiligkeitsklausel 401
I. Bezugnahme auf Beamtenrecht 405
J. Kirchenrecht 406

Kapitel 11
Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG 419

A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 419


B. Der AG-Vorstands-Vertrag 502

Stichwortverzeichnis 541


Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis XXXI
Literaturverzeichnis XXXV
Bearbeiterverzeichnis XLI

Kapitel 1
Bedeutung für die unternehmerische Praxis 1

Kapitel 2
Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag 3

A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“ 3


I. Vorliegen eines Formulararbeitsvertrags mit AGB 4
1. Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB 4
a) Vorformulierte Vertragsbedingungen 4
b) Vielzahl von Verträgen 4
c) Stellen der Vertragsbedingungen 5
d) Individuelle Betrachtung der Klausel 6
e) Vermutung bei Verbraucherverträgen 6
2. Darlegungs- und Beweislast 7
3. Keine AGB-Kontrolle von individuellen Vertragsabreden 7
II. Die Auslegung von AGB in Formulararbeitsverträgen 8
1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze 8
2. Die Unklarheitenregelung, § 305c Abs. 2 BGB 9
3. Ergänzende Vertragsauslegung 10
III. Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB 10
B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 11
I. AGB im arbeitsgerichtlichen Verfahren 11
1. Verbandsklageverfahren nach § 1 UKlaG 11
2. Regelfall: Individualverfahren 12
II. Modifikationen der AGB-Kontrolle durch § 310 Abs. 3 BGB 13
1. Der Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag 13
2. Modifikationen nach § 310 Abs. 3 Nr. 1–3 BGB 14
a) § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB 14
b) § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB 14
c) § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB 15
III. Besonderheiten im Arbeitsrecht, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB 16
C. Überraschende Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB 18
I. Schutzzweck 18
II. Tatbestand und Systematik 19
1. Überraschende Abweichung von Vertragserwartungen 19


XII Inhaltsverzeichnis

2. Berechtigung der Vertragserwartungen des Arbeitnehmers 20


a) Generelle Umstände 21
b) Individuelle Umstände 22
III. Darlegungs- und Beweislast 22
IV. Rechtsfolgen 23
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 23
I. Vorrang der Spezialregelung des § 307 Abs. 2 BGB 24
1. Der Sondertatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB 24
2. Der Sondertatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB 26
3. Verhältnis der beiden Sondertatbestände zueinander 27
II. Unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB 27
III. Transparenzkontrolle, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB 29
1. Beurteilungsmaßstab 30
2. Einzelausprägungen 31
a) Verständlichkeitsgebot 31
b) Bestimmtheitsgebot 32
c) Täuschungsverbot 34
3. Besonderheiten im Arbeitsrecht 34
4. Umstandskontrolle 35
IV. Schranken der Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB 35
E. Besondere Klauselverbote, §§ 308, 309 BGB 38
I. Die §§ 308, 309 BGB als Spezialregelungen zu § 307 BGB 38
II. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB 38
III. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB 39
F. Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln, § 306 BGB 40
I. Unwirksamkeit (nur) der Klausel 40
II. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 41
III. Besonderheit bei „Altverträgen“ 41
IV. Teilunwirksamkeit (blue-pencil-test) 42

Kapitel 3
Arbeitsleistung 45

A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung 45


I. Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Tätigkeit und Arbeitsort 45
II. Versetzungsklauseln 46
1. Allgemeine Erwägungen 46
2. Wirksamkeitsanforderungen an Versetzungsklauseln 46
a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Versetzungsklauseln in Formular­
arbeitsverträgen 46
b) AGB-rechtlicher Prüfungsumfang von Versetzungsklauseln 47
c) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB 47


Inhaltsverzeichnis XIII

d) Unangemessene Benachteiligung 48
3. Konzernversetzungsklausel 50
4. Ausübungskontrolle 51
5. Mitbestimmung des Betriebsrats 52
B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 53
I. Allgemeine Erwägungen 53
II. Wirksamkeitsanforderungen 54
1. Gesetzliche Verbote 54
2. Form 55
3. Formulararbeitsverträge 55
a) Grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln in
Formulararbeitsverträgen 55
b) Überraschende Klausel, § 305c Abs. 1 BGB 56
c) Unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 BGB 57
d) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB 59
e) Verbot geltungserhaltender Reduktion 60
C. Überstunden 61
I. Allgemeine Erwägungen 61
II. Anordnung von Überstunden 62
1. Überstundenanordnung und Direktionsrecht 62
2. Überstundenanordnung und Gleichbehandlungsgrundsatz 62
3. Wirksamkeitsanforderungen an vertragliche
Überstundenanordnung 63
III. Ausgleich von Überstunden 64
1. Vorliegen einer objektiven Vergütungserwartung 65
2. Wirksamkeitsanforderungen an vertragliche Regelungen zum Ausgleich
von Überstunden 66
3. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs 67
D. Kurzarbeit 68
I. Allgemeine Erwägungen 68
II. Wirksamkeitsanforderungen an Kurzarbeitsklauseln 70
III. Rechtsfolgen der Einführung von Kurzarbeit 72
E. Zurückbehaltungsrecht 73
I. Allgemeines 73
II. Hinweise zur Vertragsgestaltung 74
F. Arbeit auf Abruf 75
I. Allgemeine Erwägungen 75
II. Anwendungsbereich des § 12 TzBfG 76
1. Anforderungen bei Vollzeitkräften 76
2. Zulässigkeit bei Zeitarbeitnehmern? 76
III. Wirksamkeitsanforderungen an Arbeit-auf-Abruf-Klausel 77
1. Transparenzgebot 77


XIV Inhaltsverzeichnis

2. Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit 77


3. Besondere Gestaltungsgrenzen bei der Vereinbarung einer flexiblen
Arbeitszeitdauer 78
4. Kombination mit Ausgleichzeitraum 79
5. Kombination mit Überstunden 81
IV. Grenzen der Festlegung der Arbeitszeit 81
1. Ankündigungsfrist 81
2. Mindestdauer der täglichen Arbeitszeit 82
V. Weitergehende Möglichkeiten durch tarifvertragliche Regelung 83
VI. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats 83
G. Arbeitszeitkonten 84
I. Allgemeine Erwägungen 84
II. Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten 85
1. Zeitarbeitnehmer 86
2. Regelungsvorgaben durch das Mindestlohngesetz 87
III. Wirksamkeitsanforderungen 88
1. Arbeitszeit 88
2. Führen von Arbeitszeitkonten 89
3. Festlegung der Arbeitszeit 90
4. Abbau von Arbeitszeitkonten 90
5. Vergütung 91
IV. Mitbestimmung 92

Kapitel 4
Vergütung 93

A. Allgemeines 93
I. Der Begriff Vergütung 93
II. Die Vergütung als Arbeitsvertragsbestandteil 93
1. Arbeitgeber als Schuldner des Vergütungsanspruchs und Leistungen
Dritter 93
2. Ausnahmen: Vergütung ohne Arbeitsleistung 94
3. Verhältnis zu kollektivrechtlichen Regelungen 95
a) Mitbestimmung des Betriebsrats 95
b) Kollision von Regelungen 95
4. Nettolohnabrede 96
5. Steuern und Sozialabgaben 96
a) Lohnsteuer 97
b) Sozialversicherungsabgaben 97
c) Ausnahmen 97
6. Pfändung und Aufrechnung 98
a) Pfändung 98


Inhaltsverzeichnis XV

b) Aufrechnung 99
7. Ausschlussklauseln und Verjährung 100
a) Einseitige Ausschlussfristen 101
b) Zweiseitige Ausschlussfristen 101
aa) Einstufige Ausschlussfristen 101
bb) Zweistufige Ausschlussfristen 102
c) Weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen 102
d) Umfang des Ausschlusses 103
e) Verjährung 103
8. Gerichtliche Durchsetzung 103
B. Einzelne Vergütungsarten 104
I. Dienstwagen 104
1. Allgemein 104
2. Haftung für Beschädigung 105
3. Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkung 106
4. Car Allowance 106
II. Provision 107
III. Aus- und Fortbildungskosten (Rückzahlung) 108
IV. Variable Vergütung und Flexibilitätsinstrumente 108
1. Grundsatz: Was ist flexibel gestaltbar? 108
a) Transparenzgebot 108
b) Keine Entziehung erdienten Lohns 110
2. Feste Bonusklauseln 112
3. Zielvereinbarungen 114
4. Freiwilligkeitsvorbehalt 116
5. Widerrufs- und Änderungsvorbehalte 117
6. Bindungsklausel 118
7. Stichtagsregelung 119
8. Ermessensregelungen (§ 315 BGB) 121
9. Kürzung von Sonderzahlungen 122
a) Ruhendes Arbeitsverhältnis 122
b) Sonderfall: Kürzung bei Krankheit § 4a EFZG 123
C. Regulierte Vergütung 123
I. Mindestlöhne und § 138 BGB 124
1. Allgemeines 124
2. Anwendungsbereich 124
3. Arbeitszeit 125
4. Zulagen und Zuschläge 125
5. Sachleistungen 127
6. Anderslautende Vereinbarungen 128
7. Sittenwidrigkeit des Lohns 128
8. Mindestlohn außerhalb des Mindestlohngesetzes 129


XVI Inhaltsverzeichnis

II. Aktiengesellschaften und Finanzindustrie 129


1. Allgemein 129
2. Vorstände von Aktiengesellschaften 130
a) VorstAG 130
b) Deutscher Corporate Governance Kodex 131
3. Finanz- und Versicherungsbranche 132
a) Anwendungsbereich 133
b) Grundlagen – Anforderungen an die Vergütungsparameter 133
c) Festlegung eines Bonuspools 134
d) Vergütung 135
e) Weitere Anforderungen für besondere Institute 138

Kapitel 5
Nebenpflichten 141

A. Nebentätigkeiten 141
I. Rechtliche Erläuterungen 141
1. Begriff der Nebentätigkeit 141
2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 142
3. Nebentätigkeit und Konkurrenz 143
4. Überwachungspflichten des Arbeitgebers 144
5. Hinweise für die Vertragsgestaltung 144
6. Rechtsfolgen eines Verstoßes 145
II. Klauselvorschlag 145
1. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 145
2. Widerrufsvorbehalt 146
B. Wettbewerbsverbot 147
I. Rechtliche Erläuterungen 147
1. Gesetzliche Grundlagen 147
2. Arbeitsrechtliche Konkretisierung 148
3. Gestaltungshinweise 149
4. Rechtsfolgen eines Verstoßes 149
II. Klauselvorschlag 150
C. Arbeitsverhinderung 150
I. Rechtliche Erläuterungen 150
1. Verhinderungsfälle und gesetzliche Vorgaben 150
a) Arbeitsverhinderung aus sonstigen, persönlichen Gründen 151
b) Arbeitsverhinderung wegen Krankheit 151
aa) Grundsätzliches zur Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall 151
bb) Dauer der Entgeltfortzahlung 152
2. Mitteilungspflichten 153


Inhaltsverzeichnis XVII

3. Nachweispflichten, Vorlage ärztliche AU-Bescheinigung (§ 5


EfzG) 153
II. Muster einer Regelung zur Arbeitsverhinderung 153
1. Arbeitsverhinderung allgemein 153
2. Arbeitsverhinderung bei Arbeitsunfähigkeit 154
D. Urlaub 154
I. Gesetzliche Regelungen und Mehrurlaub 154
II. Staffelung der Urlaubsansprüche 155
III. Übertragung des Urlaubs 156
1. Gesetzliche Vorgaben 156
2. Klarstellung im Arbeitsvertrag 156
3. Abweichende Regelungen zum Mehrurlaub 156
IV. Quotelung des Urlaubsanspruchs bei Ein- oder Austritt im laufenden
Kalenderjahr 158
V. Kürzungsvereinbarung für Fehlzeiten und ruhende
Arbeitsverhältnisse 159
VI. Einschränkung anderweitiger Erwerbstätigkeit 160
VII. Abweichende Berechnung des Urlaubsentgelts 160
VIII. Verfallklauseln 160
IX. Ausschluss der Abgeltung für Mehrurlaub 162
X. Ausschlussfristen 162
XI. Freistellung unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche 163
XII. Rückforderung überzahlten Urlaubsentgelts 163
XIII. Urlaubsgeldabreden 164
1. Differenzierung Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld 164
2. Stichtagsregelungen 165
3. Widerrufsvorbehalt 165
4. Verfallsklausel 165
5. Rückzahlungsklausel 166
E. Annahme von Geschenken und Begünstigungen 166
I. Rechtliche Erläuterungen 166
1. Nebenpflichtverletzung 167
2. Strafrechtliche Konsequenzen 167
3. Arbeitsvertragliche Regelungen 168
II. Muster einer Regelung zur Annahme von Geschenken und sonstigen
Vorteilen 168
F. Antidiskriminierung 169
I. Rechtliche Erläuterungen 169
II. Klausel zur Antidiskriminierung 169
G. Verpflichtung auf das Datengeheimnis 170
I. Rechtliche A­usführungen 170
1. Gesetzliche Vorgaben 170


XVIII Inhaltsverzeichnis

2. Hinweise zur Vertragsgestaltung 171


II. Klauselvorschlag 171
H. Datenschutzerklärung 172
I. Rechtliche Erläuterungen 172
1. Zustimmung zur Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe
personenbezogener Daten 172
2. § 32 BDSG 172
II. Klauselvorschlag 173
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen,
Verschwiegenheitsklausel 173
I. Rechtliche Ausführungen 173
1. Gesetzliche Regelungen 174
2. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse 175
3. Arbeitsvertragliche Regelungen 176
a) Geheimhaltungswille 176
b) Berechtigtes wirtschaftliches Interesse zur Geheimhaltung 176
c) Whistleblowing 177
4. Vertrauliche Angaben 178
5. Rechtsfolgen eines Verstoßes 178
6. Hinweise zur Vertragsgestaltung 179
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und
Telefon) 181
I. Rechtliche Ausführungen 181
1. Umfang einer privaten Nutzung durch den Arbeitnehmer 181
a) Ausschluss der privaten Nutzung 182
b) (Teilweise) Erlaubnis der privaten Nutzung der
Telekommunikationsmittel 183
2. Kontrolle und Überwachung der Telekommunikation 185
a) Kontrolle und Überwachung bei Verbot der privaten
Nutzung 185
b) Kontrolle und Überwachung der Telekommunikation bei
zugelassener privater Nutzung 187
3. Rechtsfolgen bei rechtswidriger Überwachung durch den
Arbeitgeber 189
4. Rechtsfolgen bei unzulässiger Privatnutzung des Arbeitnehmers 189
5. EDV-Nutzung und Weiterleitung von E-Mails bei betrieblicher
Abwesenheit 190
6. Speicherung betriebsfremder Dateın 191
II. Klauselvorschlag für eine arbeitsvertragliche Regelung zum Umgang mit
Telekommunikationsanlagen des Arbeitgebers 191


Inhaltsverzeichnis XIX

Kapitel 6
Beendigung des Arbeitsverhältnisses 193

A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 193


I. Rechtliche Systematik der Wirksamkeit von Befristungen 194
II. Befristung mit sachlichem Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) 195
1. Vorübergehender Bedarf (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG) 196
2. Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium (§ 14
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG) 197
3. Befristung zur Vertretung anderer Arbeitnehmer (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
TzBfG) 199
4. Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2
Nr. 4 TzBfG) 201
5. Befristung zur Erprobung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG) 203
6. Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen
(§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG) 205
7. Befristung aufgrund vorgegebener Haushaltsmittel (§ 14 Abs. 1 Satz 2
Nr. 7 TzBfG) 207
8. Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs (§ 14 Abs. 1 Satz 2
Nr. 8 TzBfG) 207
III. Befristung ohne sachlichen Grund 208
1. Allgemeine sachgrundlose Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG) 209
a) Das Vorbeschäftigungsverbot 209
b) Die Verlängerung des sachgrundlos befristeten
Arbeitsverhältnisses 210
c) Die Abdingbarkeit des sachgrundlos befristeten
Arbeitsverhältnisses 211
d) Darlegungs- und Beweislast, Fragerecht des Arbeitgebers 214
2. Sachgrundlose Befristung bei neu gegründeten Unternehmen (§ 14
Abs. 2a TzBfG) 214
3. Altersbefristung (§ 14 Abs. 3 TzBfG) 216
IV. Schriftformerfordernis 217
V. Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses 218
1. Die Beendigung bei einer Zweckbefristung 219
a) Der Zweck 219
b) Die schriftliche Erklärung des Arbeitgebers 220
2. Kündbarkeit 221
3. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Befristung
hinaus 222
VI. Die Entfristungsklage 224
VII. Klauselmuster 225
B. Altersgrenze 225


XX Inhaltsverzeichnis

I. Einführung 225
II. Wirksamkeit der Regelung 227
1. AGB-Kontrolle 227
2. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht und AGG 228
III. Klauseltypen 229
1. Altersgrenze 65 229
2. Regelaltersgrenze 230
3. Selbständige Altersgrenze 230
IV. Hinweis zur Vertragsgestaltung/Klauselmuster 231
C. Erwerbsminderung 231
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
(insb. Kündigungsvereinbarungen) 233
I. Einführung 233
II. Vertragliche Umdeutungsklauseln 233
1. Umdeutung einer unwirksamen (fristlosen) außerordentlichen
Kündigung in eine ordentliche Kündigung 233
2. Umdeutung einer verspätet zugegangenen Kündigung in eine
Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt 235
III. Schriftformerfordernis 235
IV. Pflicht zur Angabe von Kündigungsgründen 237
V. Die außerordentliche Kündigung 238
1. Vertraglicher Ausschluss der außerordentlichen Kündigung 238
2. Vertragliche Einschränkung der außerordentlichen
Kündigungsgründe 239
3. Vertragliche Erweiterung der außerordentlichen
Kündigungsgründe 240
VI. Die ordentliche Kündigung 241
1. Vertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung 242
a) Beidseitiger Ausschluss 242
b) Einseitiger Ausschluss 243
2. Vereinbarung eines besonderen Kündigungsschutzes 243
VII. Vertragliche Regelung der Kündigungsfristen 244
1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen 244
2. Kündigungsfristen bei Aushilfen 245
3. Kündigungsfristen in Kleinbetrieben 246
4. Einzelvertragliche Verlängerung der gesetzlichen
Kündigungsfristen 246
a) Grundlagen 246
b) Berechnung der Beschäftigungszeiten 247
5. Gleichbehandlungsklauseln 248
E. Probezeit 249
I. Grundlagen 249


Inhaltsverzeichnis XXI

II. Kündigungsfristen in der Probezeit 249


F. Kündigung vor Dienstantritt 250
I. Vertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung 250
II. Regelungen zur Kündigungsfrist 251
G. Freistellungsvorbehalt 252
I. Freistellungsklauseln bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis 253
II. Freistellungsklauseln bei einem gekündigten Arbeitsverhältnis 254

Kapitel 7
Regelungen zur Aus- und Weiterbildung 257

A. Fortbildungsklauseln 257
I. Allgemeines 257
II. Inhalt einer Fortbildungsklausel 259
III. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats 260
IV. Sozial- und steuerrechtliche Aspekte 261
V. Klauselmuster 262
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 263
I. Grundlagen 263
1. Möglichkeiten der Klauselgestaltung 264
2. Gesetzliche Verbote 265
II. Gestaltung der Klausel 265
1. Zeitpunkt und Form des Abschlusses 265
2. Geldwerter Vorteil 266
3. Inhaltliche Ausgestaltung 267
a) Bindungsdauer 267
b) Auslöser der Rückzahlungspflicht 270
c) Bezifferung des Rückzahlungsbetrages 272
d) Zeitabhängige Reduzierung des Rückzahlungsbetrages 273
III. Darlegungs- und Beweislast 274
IV. Checkliste und Klauselmuster 274

Kapitel 8
Nachvertragliche Pflichten 277

A. Herausgabe von Firmeneigentum und Unterlagen 277


I. Herausgabe von Firmeneigentum 277
II. Herausgabe von Geschäftsunterlagen und Arbeitsergebnissen 278
III. Zurückbehaltungsrechte 279
IV. Klauselmuster 280
B. Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht 280
I. Rechtliche Ausgangslage 281


XXII Inhaltsverzeichnis

II. Rechtsprechung des BAG 282


III. Folgerungen 284
IV. Klauselmuster 285
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 286
I. Gesetzliche Grundlagen 286
II. Formelle Wirksamkeitsvoraussetzungen 288
1. Regelung im Arbeitsvertrag 288
2. Schriftform 289
3. Aushändigung 289
III. Nichtigkeit und Unverbindlichkeit von Wettbewerbsverboten 290
IV. Arten von Wettbewerbsverboten 292
V. Berechtigtes geschäftliches Interesse 293
VI. Konzernbezogene Wettbewerbsverbote 294
VII. Bedingte Wettbewerbsverbote 295
VIII. Zusage der Karenzentschädigung 297
1. Gesetzliche Regelung 297
2. Vereinbarung einer Entschädigung 298
3. Ausgestaltung der Entschädigung 298
4. Abstrakte Betrachtung 299
5. Unklarheitenregel 300
6. Entschädigung nach Ermessen des Arbeitgebers 300
7. Anrechnung anderweitigen Verdienstes 301
8. Muster einer Entschädigungszusage 302
IX. Verzicht des Arbeitgebers 302
1. Gesetzliche Ausgangslage 302
2. Vertragliche Regelungen 303
X. Kunden-/Mandantenschutzklauseln 304
1. Berufsrechtliche Beschränkungen 304
2. Beschränkte Mandantenschutzklausel 305
3. Allgemeine Mandantenschutzklauseln 306
4. Mandantenübernahmeklauseln 306
XI. Vertragsstrafe 308
1. Regelungsbedarf 308
2. Anforderungen an Vertragsstrafeklauseln 309
a) Zulässigkeit von Vertragsstrafen 309
b) Höhe der Vertragsstrafe 310
c) Mehrfach- und Dauerverstöße 311
XII. Vollständiges Klauselmuster 313


Inhaltsverzeichnis XXIII

Kapitel 9
Schlussbestimmungen 315

A. Zugangsfiktion 315
I. Klauselzweck 315
II. Wirksamkeit einer Zugangsfiktionsklausel 316
1. Konstitutive Zugangsfiktion 317
2. Deklaratorische Zugangsfiktion 318
3. Tatsachenfiktion 318
4. Zugangsvermutung 319
III. Fazit 319
B. Schriftformklausel 320
I. Arten von Schriftformklauseln 320
II. Aufhebung des Schriftformerfordernisses 321
1. Individuell vereinbarte Arbeitsverträge 321
2. Formulararbeitsverträge 321
3. Vollständigkeitsklauseln 323
4. Tarifverträge 323
5. Musterklauseln 324
C. Salvatorische Klausel 324
I. Klauselzweck 324
II. Klauselarten 325
III. Wirksamkeit der einzelnen Klauselarten 326
1. Formulararbeitsverträge 326
2. Individuell vereinbarte Arbeitsverträge 327
IV. Fazit 328
D. Rechtswahlklausel 329
I. Bedeutung der Rechtswahl im Arbeitsrecht 329
II. Kollisionsrecht 330
III. Klauselgestaltung 331
1. Grundsätzliche Tragweite des Arbeitsvertragsstatuts 331
2. Teilrechtswahlklausel 334
3. AGB-Kontrolle 336
4. Grenzen 336
a) Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO 336
b) Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO 339
c) Art. 9 Rom I-VO 339
d) Art. 21 Rom I-VO (“ordre public”) 340
5. Konsequenzen für die Praxis 340
IV. Klauselmuster 341
E. Gerichtsstandsvereinbarung 341
I. Klauselzweck 341


XXIV Inhaltsverzeichnis

II. Zulässigkeit 342


1. Gerichtsstandsklauseln in Inlandsfällen 342
a) Örtliche Zuständigkeit 342
b) Rechtswegzuständigkeit 344
2. Gerichtsstandsklauseln mit Auslandsbezug 344
III. Klauselmuster 345

Kapitel 10
Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht 347

A. Einführung 347
B. Gegenstand der Bezugnahme 348
I. Tarifverträge 348
II. Betriebsvereinbarungen 349
III. Dienstvereinbarungen 350
IV. Arbeitsordnungen 350
V. Kirchenrecht 351
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 351
I. Auslegung von Willenserklärungen 352
II. Auslegung kollektivrechtlicher Vereinbarungen 352
III. AGB-Kontrolle eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer
Dienstvereinbarung? 354
1. Anwendbarkeit des § 305c BGB auf Bezugnahmeklauseln 355
2. Anwendbarkeit der Unklarheitenregelung nach § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB 357
D. Formen der Inbezugnahme 358
I. Vertragliche Einbeziehung 358
II. Einbeziehung durch betriebliche Übung 358
III. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 360
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 361
I. Deklaratorische oder konstitutive Wirkung? 361
1. Einleitung 361
2. Konstitutive Wirkung 362
3. Deklaratorische Wirkung 363
4. Zulässigkeitsfragen 366
a) Globalverweisung 366
b) Teilverweisung 366
c) Bezugnahme auf einen branchenfremden Tarifvertrag 367
d) Bezugnahme auf einen nachwirkenden Tarifvertrag 369
e) Bezugnahme auf unwirksame Tarifverträge 369
f) Fragen der ergänzenden Vertragsauslegung 370
II. Arten der Bezugnahmeklauseln 371


Inhaltsverzeichnis XXV

1. Statische Bezugnahme 371


2. Kleine dynamische Bezugnahmeklausel 372
3. Gleichstellungsabrede 373
a) Änderung der Rechtsprechung 373
b) Vertrauensschutz für Verträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen
wurden 374
4. Große dynamische Tarifwechselklausel 375
a) Zulässigkeitsfragen 376
b) Erläuterung 378
5. Tarifsukzession 378
6. Nachfolge auf einen beendeten Tarifvertrag 379
7. Nachfolge nach Unternehmensrestrukturierung 380
8. Fälle der Tarifpluralität 381
9. Differenzierungsklauseln 384
10. Fälle des Betriebsübergangs 385
a) Rahmenbedingungen eines Betriebsübergangs 385
b) Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang 386
c) Günstigkeitsprinzip bei einzelvertraglicher Bezugnahme und
anderweitiger normativer Tarifbindung 388
11. Aufhebung oder Abänderung einer Bezugnahmeklausel 391
12. Tarifeinheitsgesetz 392
F. Betriebsvereinbarung 395
G. Bezugnahme auf Arbeitsordnungen 400
H. Jeweiligkeitsklausel 401
I. Einleitung 401
II. Allgemeine Jeweiligkeitsklauseln 402
III. Betriebsrentenrecht 402
I. Bezugnahme auf Beamtenrecht 405
J. Kirchenrecht 406
I. Einleitung 406
II. Dritter Weg 407
III. Geltungsbereich 408
IV. Einbeziehungskontrolle der Bezugnahme nach §§ 305 ff. BGB 409
1. AGB-Kontrolle der Inbezugnahme kirchlicher
Arbeitsvertragsrichtlinien 410
2. AGB-Kontrolle der Arbeitsvertragsrichtlinien 410
3. Betriebsübergang und Ausgliederung 417

Kapitel 11
Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG 419

A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 419


XXVI Inhaltsverzeichnis

I. Die Stellung des GmbH-Geschäftsführers in der Gesellschaft 419


1. Doppelstellung des Geschäftsführers 419
a) Geschäftsführer als Handlungsorgan 419
b) Geschäftsführer als Angestellter der GmbH 420
2. Der GmbH-Geschäftsführer – ein Arbeitnehmer? 420
3. Der GmbH-Geschäftsführer im Sozialversicherungssystem 422
4. Der GmbH-Geschäftsführer – ein Verbraucher? 423
II. Der Anstellungsvertrag 424
1. Rechtsnatur des Anstellungsvertrages 424
2. Zustandekommen des Anstellungsvertrages 424
a) Abschluss durch die Gesellschafter 424
b) Vertragsänderung und Vertragsaufhebung 425
c) Die mitbestimmte GmbH 425
d) Steuerliche Hinweise 426
3. Form des Anstellungsvertrages 426
4. Fehlerhafter Anstellungsvertrag 426
5. Schadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers wegen
Abberufung und/oder Nichtbestellung 427
6. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten 429
III. Einzelne Anstellungsvertragsklauseln 432
1. Dienstleistung 432
a) Aufgaben und Pflichten des Geschäftsführers 432
aa) § 43 GmbHG als zentrale Vorschrift 433
bb) Legalitätspflichten/Sorgfaltspflichten 434
cc) Leitungs- und Organisationspflichten 439
dd) Loyalitätspflichten 442
ee) Befreiungsmöglichkeiten 444
ff) Klauselmuster: Aufgaben und Pflichten des
Geschäftsführers 446
b) Geschäftsführung und Vertretung 447
aa) Allgemeine Ausführungen 447
bb) Klauselmuster: Geschäftsführung und Vertretung 448
cc) Genehmigungsbedürftige Geschäfte 450
dd) Klauselmuster: Genehmigungsbedürftige Geschäfte 451
2. Befristung 452
3. Vergütung 452
a) Vergütungsformen 453
aa) Feste und variable Vergütung 453
bb) Zielvereinbarung 454
cc) Bonus 456
dd) Prämie, Provision und Gratifikation 456
ee) Tantieme 457


Inhaltsverzeichnis XXVII

ff) Klauselmuster: Bezüge des Geschäftsführers 459


b) Dienstwagenüberlassung (mit Klauselmuster) 460
c) Betriebliche Altersversorgung 462
d) Spesen und Aufwendungsersatz 462
e) Überstunden 463
f) Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall 464
g) Reduzierung/Erhöhung 465
h) Verjährung 466
4. Nebenpflichten 466
a) Treuepflicht 466
b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von
Betriebsgeheimnissen 467
c) Wettbewerbsverbot (während des
Anstellungsverhältnisses) 467
d) Nebentätigkeit 469
5. Kündigung des Anstellungsverhältnisses 469
a) Zuständigkeit 469
b) Kündigungsfrist 471
c) Schriftform 472
d) Freistellung 473
e) Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem
Kündigungsschutzgesetz 473
aa) Ausschluss des Kündigungsschutzgesetzes 473
bb) Arbeitsverhältnis neben Anstellungsvertrag 474
f) Besonderer Kündigungsschutz 476
aa) Mutterschutz/Elternzeit 476
bb) Schwerbehinderung 476
g) Außerordentliche Kündigung der Gesellschaft 477
aa) Wichtiger Grund 477
bb) Vertraglich vereinbarte Kündigungsgründe 482
cc) Abmahnungspflicht 482
dd) Kündigungserklärungsfrist 483
h) Außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers 485
6. Beendigung des Anstellungsvertrages 487
a) Beendigungsgründe 487
aa) Tod des Geschäftsführers 487
bb) Zeitablauf/Vertragsdauer 487
cc) Vertragsaufhebung/Abfindungsvereinbarung 489
dd) Vertragliche Altersgrenzen 490
b) Keine Beendigungsgründe 492
aa) Abberufung/Amtsniederlegung des Geschäftsführers 492
bb) Auflösung der Gesellschaft 494


XXVIII Inhaltsverzeichnis

cc) Eröffnung des Insolvenzverfahrens 494


c) Folgen eines Betriebsübergangs 495
7. Nachvertragliche Pflichten 496
a) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 496
b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von
Betriebsgeheimnissen 499
8. Rückgabe von Arbeitsmitteln 500
9. Schlussbestimmungen 501
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 502
I. Grundsatz des Gleichlaufs zum GmbH-Geschäftsführer 502
1. Doppelstellung des Vorstands 502
2. Der AG-Vorstand – ein Arbeitnehmer? 502
3. Der AG-Vorstand – ein Verbraucher? 503
4. Analogien zum Arbeitsrecht 503
II. Der Anstellungsvertrag: Besonderheiten für den AG-Vorstand 505
1. Zustandekommen des Anstellungsvertrages 505
a) Zuständigkeit des Aufsichtsrates 505
b) Vertragsänderung, Vertragsaufhebung 506
2. Form des Anstellungsvertrages 506
3. Rechtsweg 507
III. Einzelne Anstellungsvertragsklauseln 507
1. Dienstleistung 507
a) Pflicht zur Leitung der Gesellschaft 507
b) Rechtsquellen und Leitlinien der Geschäftsführung 508
c) Geschäftsführung und Vertretung 509
aa) Geschäftsführung 509
bb) Vertretungsmacht/Vertretungsbefugnis 510
d) Arbeitgeberfunktion des Vorstands 511
e) Übernahme von Mandaten und ehrenamtlichen Funktionen im
Interesse der Gesellschaft 511
f) Klauselmuster: Aufgaben und Pflichten; Vertretung 512
2. Vertragsdauer und Befristung 512
a) Befristungshöchstdauer 512
b) Mindestvertragsdauer des Anstellungsvertrages 513
c) Verlängerungsklausel 513
d) Koppelungsklauseln 514
e) Klauselmuster zur Befristung des Anstellungsvertrages 514
aa) Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung zum
Vorstandsmitglied und anschließender Abschluss des
Anstellungsvertrages 514


Inhaltsverzeichnis XXIX

bb) Unbedingter Abschluss des Anstellungsvertrages und


anschließender Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung
zum Vorstandsmitglied 514
cc) Anstellungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der
Bestellung zum Vorstandsmitglied 515
dd) Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung zum Vorstand
unter der aufschiebenden Bedingung des Abschlusses eines
Anstellungsvertrages 515
3. Vergütung 515
a) Allgemeines 515
b) Betriebliche Altersversorgung 518
aa) Geltung des Betriebsrentengesetzes 518
bb) Insolvenzschutz 518
c) Reduzierung der Vergütung 519
d) Klauselmuster: Bezüge des Vorstandmitglieds 520
4. Nebenpflichten 521
a) Pflicht zur Verschwiegenheit 521
b) Wettbewerbsverbot (während des
Anstellungsverhältnisses) 522
c) Treuepflicht 523
d) Nebentätigkeit 524
5. Kündigung des Anstellungsverhältnisses 524
a) Zuständigkeit 524
b) Ordentliche Kündigung 526
aa) Vorheriger Widerruf der Bestellung 526
bb) Kündigungsfrist 526
cc) Klauselmuster zur ordentlichen Kündigung 526
(1) Ausschluss der ordentlichen Kündigung 526
(2) Beidseitige ordentliche Kündigung 527
(3) Einseitige ordentliche Kündigung durch die
Aktiengesellschaft 527
(4) Einseitige ordentliche Kündigung durch das
Vorstandsmitglied 528
c) Außerordentliche Kündigung 528
aa) Wichtiger Grund 529
bb) Kündigungserklärungsfrist 531
d) Freistellung 532
aa) Einseitige Freistellung 532
bb) Einvernehmliche Freistellung 533
6. Beendigung des Anstellungsverhältnisses 533
a) Beendigungsgründe 533
aa) Tod des Vorstandmitglieds 533


XXX Inhaltsverzeichnis

bb) Zeitablauf/Vertragsdauer 533


cc) Vertragsaufhebung/Abfindungsvereinbarung 534
b) Keine Beendigungsgründe 534
aa) Abberufung/Amtsniederlegung des Vorstandsmitglieds 534
bb) Auflösung/Insolvenz der Aktiengesellschaft 535
cc) Eintritt eines gesetzlichen Unfähigkeitsgrundes 535
c) Gesellschaftsrechtliche Veränderungen in der Aktiengesellschaft/
Betriebsübergang 536
7. Nachvertragliche Pflichten 538
a) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot 538
b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von
Betriebsgeheimnissen 538
8. Schlussbestimmungen 538
a) Rückgabe von Arbeitsmitteln/Rückzahlung von Vorschüssen und
Darlehen 538
b) Weitere Schlussbestimmungen 539

Stichwortverzeichnis 541


Abkürzungsverzeichnis
§ Paragraph
€ Euro
% Prozent

a. A. anderer Ansicht
a. F. alte Fassung
Abl. Amtsblatt
Abs. Absatz
AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AFG Arbeitsförderungsgesetz
AG Aktiengesellschaft
AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen
AGBG Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(AGB-Gesetz)
AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
AktG Aktiengesetz
Alt. Alternative
amtl. amtlich
AO Abgabenordnung
AP Arbeitsrechtliche Praxis
ArbG Arbeitsgericht
ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz
ArbRAktuell Arbeitsrecht aktuell (Zeitschrift)
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz
ArbuR Arbeit und Recht (Zeitschrift)
ArbZG Arbeitszeitgesetz
ARGE Arbeitsgemeinschaft
Art. Artikel
AuA Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
AuR Arbeit und Recht (Zeitschrift)
Az. Aktenzeichen

BA Bundesagentur für Arbeit


BAG Bundesarbeitsgericht
BAGE Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts
BB Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BBiG Berufsbildungsgesetz
BDSG Bundesdatenschutzgesetz
BeckRS Beck’sche Rechtsprechung
BEEG Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit
BeschFG Beschäftigungsförderungsgesetz
Beschl. Beschluss
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BFH Bundesfinanzhof
BFHE Entscheidungen des Bundesfinanzhofs
BGB Bürgerliches Gesetzbuch


XXXII Abkürzungsverzeichnis

BGBl. Bundesgesetzblatt
BR-Drucks. Bundesrat-Drucksache
BSG Bundessozialgericht
BSGE Entscheidungen des Bundessozialgerichts
BStBl. Bundessteuerblatt
BT-Drucks. Bundestag-Drucksache
BUrlG Bundesurlaubsgesetz
BVerfG Bundesverfassungsgericht
bzw. beziehungsweise

CDU Christlich-Demokratische Union


CGZP Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-
Service-Agenturen
CSU Christlich-Soziale Union

DB Der Betrieb (Zeitschrift)


DEÜV Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
DRV Deutsche Rentenversicherung Bund
DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStRE Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift)

e. V. eingetragener Verein
eG eingetragene Genossenschaft
EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz
EMRK Europäische Menschenrechtskonvention
EStG Einkommenssteuergesetz
etc. et cetera
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
EuZA Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht
EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
EzA Entscheidungen zum Arbeitsrecht
EzAÜG Entscheidungssammlung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

FA Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift)


FG Finanzgericht

GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts


gem. gemäß
GewO Gewerbeordnung
GG Grundgesetz
ggf. gegebenenfalls
GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbH & Co. KG Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Compagnie Kommanditgesellschaft


Abkürzungsverzeichnis XXXIII

HGB Handelsgesetzbuch
Hs. Halbsatz

i. d. F. in der Fassung
i. S. d. im Sinne des
i. V. m. in Verbindung mit
iGZ Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen
InsO Insolvenzordnung

JR Juristische Rundschau (Zeitschrift)

Kap. Kapitel
KG Kommanditgesellschaft
krit. kritisch
KrV Die Krankenversicherung (Zeitschrift)
KSchG Kündigungsschutzgesetz

LAG Landesarbeitsgericht
LAGE Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte
LG Landgericht
Lkw Lastkraftwagen
LSG Landessozialgericht
LStDV Lohnsteuer-Durchführungsverordnung

m. Anm. mit Anmerkung


m² Quadratmeter
MDR Monatsschrift für deutsches Recht
MedR Medizinrecht (Zeitschrift)
MiLoG Mindestlohngesetz
MuSchG Mutterschutzgesetz

NachweisG Nachweisgesetz
n. v. nicht veröffentlicht
NJOZ Neue juristische Online-Zeitschrift
NJW Neue Juristische Wochenschrift
NJW-Spezial Neue juristische Wochenzeitschrift spezial
Nr. Nummer
NWB Neue Wirtschaftsbriefe
NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
NZA-RR Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht- Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht
NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht

o. ä. oder ähnlich
OHG Offene Handelsgesellschaft
OLG Oberlandesgericht
OVG Oberverwaltungsgericht

PBefG Personenbeförderungsgesetz
Pkw Personenkraftwagen


XXXIV Abkürzungsverzeichnis

RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift)


Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europ. Parlaments und des Rates vom 17. Juni
2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
RVO Reichsversicherungsordnung

S. Satz; Seite
SE Societas Europaea (Europäische Gesellschaft )
SG Sozialgericht
SGB Sozialgesetzbuch
SGB I Allgemeiner Teil
SGB II Grundsicherung für Arbeitsuchende
SGB III Arbeitsförderung
SGB IV Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung
SGB V Gesetzliche Krankenversicherung
SGB VI Gesetzliche Rentenversicherung
SGB VII Gesetzliche Unfallversicherung
SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe
SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
SGB X Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz
SGB XI Soziale Pflegeversicherung
SGG Sozialgerichtsgesetz
sog. sogenannte(r)
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
StGB Strafgesetzbuch

TVG Tarifvertragsgesetz
TzBfG Teilzeit- und Befristungsgesetz

u. a. unter anderem
u. ä. und ähnlich
UG Unternehmergesellschaft
Urt. Urteil
UStG Umsatzsteuergesetz

v.H. vom Hundert


vgl. vergleiche
VO Verordnung
VwGO Verwaltungsgerichtsordnung
VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz

WiB Wirtschaftsrechtliche Beratung

z. B. zum Beispiel
ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht
Ziff. Ziffer
ZPO Zivilprozessordnung
ZTR Zeitschrift für Tarifrecht
ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
zust. zustimmend


Literaturverzeichnis
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Bearbeiterverzeichnis
Florian Christ, Jg. 1975; Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen, Straßburg und Sydney; Wis-
senschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsrecht bei Clifford Chance LLP in Düsseldorf; Rechtsanwalt seit
2005; Fachanwalt für Arbeitsrecht; heute Partner und Geschäftsführender Gesellschafter bei der RB
Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Heidelberg im Referat Arbeitsrecht; diverse
Vorträge und Veröffentlichungen zum Arbeitsrecht; Dozent für Arbeitsrecht in der Ausbildung von
Personalfachkaufleuten; Lehrbeauftragter für Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Hochschule der
Wirtschaft für Management Mannheim.

Werner Dörring, Jg. 1955, Studium der Rechtswissenschaften in Frankfurt a. M., Syndikusanwalt bei
der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH, Rechtsberatung bei M&A Projekten kommunaler Unternehmen und
Restrukturierungen, Vortragsveranstaltungen zur arbeitsrechtlichen Gestaltung der Netzausgliede-
rung im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes , Leitung Tarifvertragsverhandlungen, Dozent an der
Universität Mannheim.

Anna Köhn, Jg. 1983; Studium in Göttingen, Referendariat in Duisburg und Düsseldorf, Zulassung als
Anwältin 2012. Seit 2012 ist Anna Köhn Rechtsanwältin in der Sozietät ALTENBURG Fachanwälte für Ar-
beitsrecht, die mit Standorten in Berlin (2011), Hamburg (2013) und München (2009) auf die Beratung
und Vertretung von Unternehmen und öffentlichen Institutionen zu allen Bereichen des Arbeitsrechts,
insbesondere Arbeitsvertragsrecht, Kündigungsrecht, Betriebsverfassungsrecht, Restrukturierung,
Tarifrecht, Betriebsrentenrecht, Datenschutz und Compliance spezialisiert ist. Anna Köhn hält regel-
mäßig Vorträge zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen. Sie ist außerdem Dozentin an der Industrie-
und Handelskammer zu Berlin.

Marta Polczynski, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Konstanz; Rechtsreferenda-


riat in Wuppertal, Düsseldorf und London u. a. mit Stationen bei Heuking Kühn Lüer Wojtek Partner-
schaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern in Düsseldorf und einer deutsch-englisch ausgerichte-
ten Kanzlei in London; seit 2014 Rechtsanwältin bei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft
mbH in Heidelberg mit Schwerpunkt Arbeitsrecht.

Arnim Powietzka, Dr. iur., Studium der Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Hei-
delberg; Rechtsanwalt seit 2000; Fachanwalt für Arbeitsrecht; 1998-2002 Wissenschaftlicher Mitar-
beiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Prof. Dr. von Hoy-
ningen-Huene, Heidelberg; 2000-2005 Gleiss Lutz Rechtsanwälte in Stuttgart; seit 2005 RB Reiserer
Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH; Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg; Veröffent-
lichungen und Vorträge zum Arbeitsrecht

Isabelle Puhl, geboren 1985, Studium an der Bucerius Law School, Hamburg und der International
University of Singapore, Singapur. Referendariat in Hamburg und Berlin. Seit 2013 als Rechtsanwältin
im Arbeitsrecht in Berlin tätig, seit 2014 bei der internationalen Sozietät Dentons Europe LLP. Promo-
tion derzeit laufend.

Kerstin Reiserer, Dr. iur.; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg und Mün-
chen; Promotion zum Dr. iur. bei Prof. Dr. Heinrich; 1990-1991 Richterin beim Landgericht Mosbach;
1991-1992 Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeits- und Sozialver-
sicherungsrecht bei Prof. Dr. Dr. von Hoyningen-Huene in Heidelberg; 1992-2005 tätig als Rechtsan-
wältin, ab 1999 auch Gesellschafterin einer überörtlichen, wirtschaftsberatenden Sozietät; seit 1996
Fachanwältin für Arbeitsrecht; 2005 Gründung der Kanzlei RB Reiserer Biesinger Rechtsanwälte in


XLII Bearbeiterverzeichnis

Heidelberg; Autorin und Referentin zahlreicher Veröffentlichungen, Vorträge, Seminare und Konferen-
zen; Lehrbeauftragte an der Universität Mannheim.

Jochen Riechwald, Jg. 1977; Rechtsanwalt und Senior Associate im Frankfurter Büro von Willkie Farr &
Gallagher LLP und auf das Arbeitsrecht spezialisiert. Er berät insbesondere bei Umstrukturierungen,
Betriebserwerben, Personalabbauprogrammen, Betriebsübergängen und sämtlichen arbeitsrechtli-
chen Aspekten von Transaktionen und Übernahmen. Außerdem führt Jochen Riechwald arbeitsrecht-
liche Prozesse im Individual- und Kollektivarbeitsrecht.

Christian Rolf, Dr., Jg. 1970; Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Willkie Farr & Gallagher
LLP und ist auf Arbeits- und Dienstvertragsrecht spezialisiert und auf Rechtsstreitigkeiten, Restruktu-
rierungen, Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, Mitbestimmung, Mitarbeiterdatenschutz, Vergütung
von Führungskräften. Er berät bei Umstrukturierungen, Betriebserwerb, Personalabbauprogrammen,
Betriebsübergängen und Übernahmen einschließlich dem Recht der betrieblichen Altersversorgung.
Dr. Rolf unterstützt bei Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften. Dr. Rolf wird von Euro-
money/Legal Media Group als führender Anwalt im Arbeitsrecht genannt und von Chambers Europe
empfohlen.

Verena Weiss-Bölz, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Mannheim; seit 2011
Rechtsanwältin in Heidelberg mit Schwerpunkt Arbeitsrecht; berufsbegleitende Promotion zum Dr.
iur. seit 2013; Veröffentlichungen und Vorträge zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, speziell
zur Scheinselbständigkeit.


Kapitel 1
Bedeutung für die unternehmerische Praxis
Seit der Einführung der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht im Jahr 2002 sind die Anforde- 1
rungen an die Gestaltung von Arbeitsverträgen drastisch gestiegen. Für praktisch jede
arbeitsvertragliche Regelung – von der Versetzungsklausel über den Freiwilligkeits-
vorbehalt bis hin zur Schriftformklausel – gibt es in der arbeitsgerichtlichen Recht-
sprechung inzwischen mehr oder weniger detaillierte Vorgaben, die es zu beachten
gilt. Die Zeiten, in denen man einigermaßen taugliche Muster-Arbeitsverträge im
Schreibwarenhandel erwerben konnte, sind längst vorbei. Ohne vertiefte Kenntnisse
der höchst- und instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist keine Arbeitsvertragsklau-
sel mehr wirksam zu formulieren. Die Gestaltung von Arbeitsverträgen wird nicht
zuletzt dadurch erschwert, dass sich die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
zur Kontrolle arbeitsvertraglicher Klauseln als uneinheitlich und durchaus wechsel-
haft erwiesen hat. In vielen Bereichen ist die arbeitsgerichtliche Praxis der AGB-Kon-
trolle – auch 14 Jahre nach der Erstreckung des AGB-Rechts auf das Arbeitsrecht –
noch immer von erheblicher Rechtsunsicherheit geprägt. Nur beispielhaft sei auf die
Schlangenlinien in der BAG-Rechtsprechung zum Freiwilligkeitsvorbehalt verwie-
sen.1
Das vorliegende Werk zeigt auf Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung, 2
welche rechtlichen Rahmenbedingungen für einzelne Vertragsklauseln gelten,
wie rechtssichere Regelungen formuliert werden können und welche Spielräume
bestehen, die für eine flexible Gestaltung genutzt werden können. Dazu werden im
Anschluss an einen allgemeinen Teil, der in komprimierter Form die Grundlagen der
AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht erläutert, die für die Praxis wichtigen Vertragsklauseln
besprochen. Dabei sind die einzelnen Klauseltypen nach Themenfeldern geordnet.
So werden Regelungen zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, zur Vergütung, zu
vertraglichen Nebenpflichten, zur Vertragsbeendigung, zur Aus- und Weiterbildung,
zu nachvertraglichen Pflichten sowie die Schlussbestimmungen des Arbeitsvertrags
jeweils im Zusammenhang dargestellt.
Der Gestaltung von Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag wird ein eigenes 3
Kapitel gewidmet. Der Bezugnahme auf einseitig vom Arbeitgeber änderbare Rege-
lungswerke „in ihrer jeweils geltenden Fassung“ hat das BAG enge Grenzen gesetzt2
und damit etwa dem in der Vergangenheit für nicht tarifgebundene Arbeitgeber wich-
tigen Instrument der Arbeitsordnung weitgehend den rechtlichen Boden entzogen.
Vor allem aber im Bereich tariflicher Arbeitsverhältnisse stellen sich insoweit kom-

1 S. dazu etwa Preis, NZA 2009, 281; Preis/Sagan, NZA 2012, 697; dies.; NZA 2012, 1077; Bauer/v.
Medem, NZA 2012, 894.
2 BAG, Urt. v. 11.02. 2009 – 10 AZR 222/08.

Powietzka
2 Kapitel 1 Bedeutung für die unternehmerische Praxis

plexe Fragen. Die Formulierung der Bezugnahme auf die Tarifbestimmungen (stati-
sche, kleine dynamische, große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel)
hat nicht nur bei Umstrukturierungen und beim Betriebsübergang weitreichende
Bedeutung. Außerdem wollen im tariflichen Bereich auch arbeitsvertragliche Rege-
lungen etwa zur Vergütung oder zur Arbeitszeit gut durchdacht sein, damit tarifge-
bundene Arbeitgeber nicht durch konstitutive Vereinbarungen unbeabsichtigt über
die tariflichen Vorgaben hinaus weitergehende arbeitsvertragliche Ansprüche und
individuelle Abweichungen vom Tarifvertrag im Falle künftiger Tarifänderungen
begründen.
4 Schließlich werden auch die Verträge von Geschäftsführern und Vorstandsmit-
gliedern und die dafür geltenden rechtlichen Anforderungen ausführlich behandelt.
Auch hier gelten in der Regel die Vorgaben des AGB-Rechts, wobei sich jedoch im
Vergleich zu Arbeitsverhältnissen ein durchaus unterschiedlicher Regelungsbedarf
und zuweilen auch eine deutlich andere Akzentuierung der AGB-rechtlichen Judika-
tur zeigt.
5 Das Handbuch ist von erfahrenen Praktikern der arbeitsrechtlichen Vertragsge-
staltung für den Praktiker geschrieben. Daher werden wissenschaftliche Diskussio-
nen und Streitstände nicht vertieft, sondern es werden die rechtlichen Vorgaben für
die Klauselgestaltung auf Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung erläutert. Für
die jeweiligen Vertragsklauseln werden konkrete Formulierungsvorschläge gegeben,
die nach Einschätzung der Verfasser einer gerichtlichen Überprüfung – trotz aller
Unwägbarkeiten – standhalten sollten. Eine Garantie kann dafür aber selbstver-
ständlich nicht gegeben werden. Das Handbuch soll im Übrigen kein Sammelsurium
möglicher Formulierungen bieten – erst recht nicht von Formulierungen, die einer
AGB-Kontrolle letztlich nicht standhalten können. Daher haben die Autoren bewusst
davon abgesehen, für jede Klauselart eine Vielzahl an zulässigen oder unzulässigen
Beispielen und Mustern zu liefern, sondern konzentrieren die Darstellung auf wenige
Formulierungsvorschläge, die wirksam sind oder – ggf. unter bewusster Inkaufnahme
bestimmter rechtlicher Risiken – zumindest begründete Aussichten darauf bieten,
eine gerichtliche Überprüfung zu überstehen.

Powietzka
Kapitel 2
Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“

Die Gestaltung rechtgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäfts- 1


bedingungen (AGB) und die Kontrolle solcher AGB sind in den §§ 305 bis 310 BGB
geregelt. Diese Normen wurden durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
zum 01.01.2002 in das BGB aufgenommen. Für Dauerschuldverhältnisse – wie auch
das Arbeitsverhältnis eines ist –, die vor dem 01.01.2002 zustande gekommen sind,
gelten nach Art. 229 § 5 EGBGB seit 01.01.2003 ebenfalls die §§ 305 ff. BGB.
Auch schon vor der Schuldrechtsreform führten die Arbeitsgerichte eine 2
Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen durch. Das damals geltende AGB-Gesetz
(AGBG) fand zwar nach § 23 Abs. 1 AGBG keine Anwendung auf Arbeitsverträge.
Jedoch fand eine Inhaltskontrolle ihre Rechtsgrundlage in § 242 BGB und in diesem
Zusammenhang wurden die Grundgedanken des AGBG von den Gerichten – wenn
auch nicht einheitlich – herangezogen.1 Durch die Einbeziehung der Arbeitsverträge
in den Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB im Jahre 2002 (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1
BGB) sollte das Schutzniveau der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter
demjenigen des allgemeinen Zivilrechts zurückbleiben und eine durch die uneinheit-
liche Rechtsprechung entstandene Rechtsunsicherheit beseitigt werden.2
Formularverträge, die in der Regel vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen 3
gestellt werden, dominieren ganz deutlich die arbeitsvertragliche Praxis, wogegen
individuell zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ausgehandelte Verträge nur
eine untergeordnete Rolle spielen.3 Durch die (Inhalts-)Kontrolle solcher Formular-
arbeitsverträge gemäß den §§ 305 ff. BGB soll ein ausreichender Schutz der Arbeit-
nehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen gewährleistet werden, was
insbesondere aufgrund der schwächeren Position der Arbeitnehmer und des exis-
tentiellen Angewiesenseins auf einen Arbeitsplatz geboten ist.4

1 ErfK/Preis, §§ 305–310 Rn. 1; BAG, Urt. v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, Rn. 48; BT-Drucks. 14/6857, S. 54;
ausführlich auch Lakies, Kap. 1 Rn. 31 ff. mwN zur Rspr.
2 BT-Drucks. 14/6857, S. 54; Lakies, Kap. 1 Rn. 35; kritisch Liebers/Reiserer, Kap. B Rn. 3, mit dem Hin-
weis, dass gerade die Einführung der AGB-Kontrolle zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit geführt
habe, da in vielen Bereichen immer noch nicht geklärt sei, ob früher übliche Klauseln noch zulässig
sind.
3 Lakies, Kap. 1 Rn. 30; Preis/Preis, Kap. I B Rn. 3.
4 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.

Powietzka
4 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

I. Vorliegen eines Formulararbeitsvertrags mit AGB

1. Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB


4 Nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind AGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte
Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (sog. Verwender) der anderen Vertrags-
partei bei Abschluss eines Vertrags stellt.5

a) Vorformulierte Vertragsbedingungen
5 Vertragsbedingungen sind dann „vorformuliert“, wenn sie bereits vor Vertrags-
schluss vorgelegen haben.6 Eine schriftliche Fixierung ist dafür nicht notwendig
(vgl. auch § 305 Abs. 1 S. 2 BGB), vielmehr genügt es, wenn die Vertragsbedingungen
im Kopf des Verwenders oder seines Abschlussgehilfen gespeichert sind.7 Mangels
Schriftformerfordernisses kann daher auch eine betriebliche Übung Gegenstand
einer AGB-Kontrolle sein.8

b) Vielzahl von Verträgen


6 Damit es sich um AGB handelt, müssen die Vertragsbedingungen weiterhin für eine
„Vielzahl von Verträgen“ vorformuliert sein. Dabei reicht die Absicht des Verwenders
aus, das vorformulierte Vertragswerk für eine Vielzahl von Verträgen zu verwenden.9
Eine beabsichtigte dreimalige Verwendung – auch mit dem gleichen Vertragspart-
ner10 – genügt als hinreichendes Indiz.11 Liegt eine solche Absicht vor, gelten die
§§ 305 ff. BGB schon im ersten Verwendungsfall.12 Hinsichtlich der Verwendungsab-
sicht ist auf denjenigen abzustellen, der den Vertragstext ursprünglich entworfen hat,
d. h. es kann sich auch dann um eine AGB i. S. v. § 305 BGB handeln, wenn der Arbeit-
geber einmalig einen von einem Dritten13 stammenden Formulararbeitsvertrag ver-
wendet.14 Inhalt und äußere Gestaltung, wie z. B. zahlreiche formelhafte Klauseln,

5 Zu den Besonderheiten bei Verbraucherverträgen i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB siehe Rn. 26 ff.
6 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 6; Lakies, Kap. 1 Rn. 51.
7 BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, Rn. 12; BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, Rn. 17; BGH, Urt.
v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 8.
8 MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 Rn. 54; BAG, Urt. v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, Rn. 20; vgl. auch BAG,
Urt. v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/08.
9 Lakies, Kap. 1 Rn. 61.
10 BAG, Urt. v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05; Rn. 20; BGH, Urt. v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, Rn. 18.
11 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 56; BGH, Urt. v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, Rn. 17; BGH,
Urt. v. 28.9.2001 – VII ZR 388/00, Rn. 22.
12 Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 9; Hromadka, NJW 2002, 2523, 2524.
13 Z. B. Vertragsmuster eines Arbeitgeberverbands oder der IHK, vgl. auch Lakies, Kap. 1 Rn. 63.
14 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 9; BAG, Urt. v. 15.9.2009 –
3 AZR 173/08, Rn. 30.

Powietzka
A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“ 5

fehlende Abstimmung auf die konkrete Vertragssituation, Vorlage eines vervielfältig-


ten Klauselwerks, sind ebenfalls Indizien für eine mehrfache Verwendungsabsicht.15

c) Stellen der Vertragsbedingungen


Das Merkmal des „Stellens“ der Vertragsbedingungen ist dann erfüllt, wenn eine Partei 7
die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlung einbringt und deren Einbezie-
hung in den Vertrag verlangt, sie also einseitig auferlegt.16 Das Pendant hierzu liegt
vor, wenn die Bedingungen des Vertrags zwischen den Vertragsparteien im Einzel-
nen ausgehandelt werden, § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. In diesem Fall handelt es sich dann
um eine Individualabrede.17 Ein „Stellen“ ist zu verneinen, wenn die Einbeziehung
der vorformulierten Vertragsklauseln sich als das Ergebnis einer freien Entscheidung
desjenigen darstellt, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag
konfrontiert wird. Dazu ist erforderlich, dass der Vertragspartner – wenn er schon
auf die inhaltliche Gestaltung des vorgeschlagenen Formulartextes keinen Einfluss
nehmen konnte – in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist
und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effek-
tiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.18 Dagegen
ist es grundsätzlich nicht ausreichend, wenn der Arbeitnehmer lediglich zwischen
mehreren vom Arbeitgeber bestimmten Regelungsalternativen wählen darf.19
Ein wirkliches Aushandeln – was mehr bedeutet als bloßes „Verhandeln“ – liegt 8
dann vor, wenn der Arbeitgeber den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel ernst-
haft zur Disposition des Arbeitnehmers stellt und diesem die Möglichkeit einräumt,
den Inhalt der fraglichen Klausel beeinflussen zu können.20 Der Verwender muss sich
demnach deutlich und ernsthaft zur Änderung der Vertragsklauseln bereit erklären,
was regelmäßig durch erkennbare Änderungen im Vertragstext zum Ausdruck
kommt.21 Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als
Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es nach gründlicher Erörte-
rung bei dem gestellten Entwurf verbleibt und es dem Vertragspartner bewusst war,

15 BAG, Urt. v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, Rn. 14; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 106.
16 Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 10; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 8; zu den Besonderhei-
ten des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB im Rahmen von Verbraucherverträgen siehe Rn. 26 ff.
17 Vgl. Rn. 12 f.
18 BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, Rn. 18.
19 Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 11; BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, Rn. 17; vgl. aber Rn. 9 a. E.
20 BGH, Urt. v. 16.7.1998 – VII ZR 9/97, Rn. 8; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 611 Rn. 59; Lakies, Kap. 1
Rn. 77.
21 BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, Rn. 47; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 109 f.; Lakies, Kap. 1
Rn. 77.

Powietzka
6 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu Abänderungen bereit erklärt hat.22
Bei einem Lückentext darf die Lücke nicht nur der Konkretisierung der Vertragsklau-
sel dienen (z. B. persönliche Daten des Arbeitnehmers), sondern muss den inhaltli-
chen Kern notwendig ergänzen, um eine Individualabrede darzustellen.23 Daneben
kann auch dann ein Aushandeln vorliegen, wenn durch den Arbeitgeber unter-
schiedliche Angebotsalternativen mit verschiedenen Konditionen zur Auswahl
gestellt werden, wobei die zur Wahl stehenden Inhalte auch hier nicht unselbststän-
diger Art sein dürfen, damit wie bei den Lückentexten ein wirkliches Aushandeln vor-
liegt.24

d) Individuelle Betrachtung der Klausel


9 In (umfangreichen) Vertragstexten können auch nur einzelne Klauseln individuelle
Vertragsabreden darstellen, während die übrigen Vertragsbestandteile einer AGB-
Kontrolle unterzogen werden (siehe Wortlaut des § 305 Abs. 1 S. 3 BGB: „soweit“).25
Auch innerhalb einer Vertragsklausel kann nur ein Teil ausgehandelt sein, so dass es
sich nur bei dem anderen Teil um AGB handelt.26 Daher ist für jede Klausel gesondert
zu klären, ob es sich um AGB handelt oder nicht.27

e) Vermutung bei Verbraucherverträgen


10 Zu beachten ist, dass gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB bei Verbraucherverträgen gesetz-
lich vermutet wird, dass die Vertragsbedingungen vom Unternehmer gestellt sind.28
Da Arbeitsverträge in aller Regel Verbraucherverträge sein werden29, bedarf es in der
Praxis in den meisten Fällen keiner Feststellung, dass der Arbeitgeber die Vertrags-
bedingung einseitig gestellt hat; vielmehr ist davon gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB aus-
zugehen, es sei denn, die jeweilige Klausel wurde durch den Arbeitnehmer in den
Vertrag eingeführt. Darüber hinaus findet die AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2
BGB bei Verbraucherverträgen schon dann Anwendung, wenn die Vertragsbedingung
nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind.30

22 BGH, Urt. v. 9.10.1986 – VII ZR 245/85, Rn. 11; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, Rn. 27; so auch
Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 8.
23 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 110; BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, Rn. 31.
24 BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, Rn. 6; Preis/Preis, Kap. I C Rn. 55.
25 BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, Rn. 31.
26 Lakies, Kap. 1 Rn. 79; Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 18.
27 Lakies, Kap. 1 Rn. 88.
28 Siehe Rn. 26 f.
29 Siehe Rn. 27 f.
30 Näher dazu Rn. 32 f.

Powietzka
A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“ 7

2. Darlegungs- und Beweislast


Demjenigen, der sich auf den Schutz der AGB-rechtlichen Vorschriften beruft – in 11
der Regel der Arbeitnehmer –, obliegt die Darlegungs- und Beweislast, dass es sich
bei den betreffenden Vertragsklauseln um AGB i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB handelt.31
Mit den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (prima facie) ist das Vorliegen von
AGB anzunehmen, wenn ein gedruckter bzw. vervielfältigter Text des Arbeitgebers
verwendet wurde oder der Vertragstext zahlreiche formularmäßige Klauseln enthält
und nicht auf die individuelle Situation abgestimmt ist.32 In diesem Zusammenhang
ist auch die herrschende Vertragspraxis bei Arbeitsverträgen zu beachten, nach
der der vom Arbeitgeber vorformulierte Vertrag die Regel ist und so einen aus der
Lebenserfahrung typischen Geschehensablauf darstellt.33 Dagegen hat der Arbeit-
geber als regelmäßiger Verwender die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des
Vorliegens einer individuellen Vertragsabrede.34 Es gelten die Grundsätze der abge-
stuften Darlegungs- und Beweislast.35 Behauptet der Arbeitnehmer, dass ein Aus-
handeln des Vertrags oder einzelner Vertragsklauseln nicht stattgefunden habe, muss
der Arbeitgeber qualifiziert bestreiten und darlegen, wie er die konkreten Klauseln zur
Disposition gestellt hat, und die Umstände benennen, aus denen darauf geschlossen
werden kann, dass der Arbeitnehmer die Klausel freiwillig akzeptiert habe.36 Lässt es
sich nicht aufklären, ob die im Streit stehenden Vertragsklauseln AGB sind, geht dies
grundsätzlich zu Lasten des Arbeitnehmers.37

3. Keine AGB-Kontrolle von individuellen Vertragsabreden


Individuelle Vertragsabreden unterliegen nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB nicht der in den 12
§§ 305 ff. BGB vorgesehenen AGB-Kontrolle. In diesen Fällen hatte der Arbeitnehmer
nämlich selbst die Möglichkeit, seine Interessen hinreichend zu wahren.38
Individualabreden unterliegen zwar keiner AGB-Kontrolle, jedoch findet eine 13
Kontrolle nach den allgemeinen Vorschriften (z. B. §§ 138, 242, 315 BGB) statt.39

31 BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, Rn. 29; Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 23; Lakies, Kap. 1
Rn. 84.
32 Palandt/Grüneberg, § 305 Rn. 23; vgl. auch BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, Rn. 30.
33 Lakies, Kap. 1 Rn. 87; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 305 BGB Rn. 36.
34 ErfK/Preis, §§ 305–310 Rn. 24; zu den individuellen Vertragsabreden vgl. Rn. 7 f.
35 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 9.
36 Vgl. BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, Rn. 27; BAG, Urt. v. 25.5.2005 –5 AZR 572/04, Rn. 57;
Lakies, Kap. 1 Rn. 85.
37 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 57; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 9.
38 Preis/Preis, Kap. I C Rn. 56.
39 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 111; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 24; Preis/Preis, Kap. I C Rn. 84;
zum Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB siehe Rn. 20 ff.

Powietzka
8 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

II. Die Auslegung von AGB in Formulararbeitsverträgen

1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze
14 Durch eine Auslegung von AGB soll der Inhalt der in Streit stehenden Vertragsklau-
sel ermittelt werden, so dass dieser Inhalt im Anschluss daran einer AGB-Kontrolle
unterzogen werden kann. Die Auslegung richtet sich bei Formularverträgen nicht
nach den für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen §§ 133, 157 BGB,
sondern nach den Grundsätzen der objektiven Auslegung von Rechtssätzen.40
Eine AGB ist daher so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen
Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Ver-
kehrskreise verstanden wird.41 Es kommt dabei nicht auf die Verständnismöglich-
keiten des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners an, was
bei Arbeitsverträgen der nicht rechtskundige Arbeitnehmer ist.42
15 Ansatzpunkt für die nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientie-
rende Auslegung von Klauseln in Formulararbeitsverträgen ist in erster Linie der Ver-
tragswortlaut.43 Ist der Wortlaut nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an,
wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten
Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redli-
cher Vertragspartner beachtet werden muss.44 Von Bedeutung für das Auslegungs-
ergebnis sind dabei der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie
die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten.45 Sofern
der Regelungszweck einzubeziehen ist, kann das aber nur für typische und von redli-
chen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten.46 Verständnismöglichkeiten, die theo-
retisch denkbar, aber fernliegend sind und nicht ernsthaft in Betracht kommen, sind
bei der Auslegung außer Betracht zu lassen.47 Verwendete Rechtsbegriffe sind in ihrer
juristischen Fachbedeutung zu verstehen, im Übrigen gilt der allgemeine Sprachge-
brauch.48

40 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 118; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 12; ständige Rspr. des
BGH, vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, Rn. 23; a. A. Lakies, Kap. 1 Rn. 261, 268, der die Ausle-
gung nach §§ 133, 157 BGB vornimmt, aber ebenfalls einen objektiven Maßstab ansetzt.
41 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 12; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 31.
42 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 31; BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 13; BGH, Urt. v.
14.7.2004 – VIII ZR 339/03, Rn. 14.
43 BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 13; BAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 19.
44 BAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 19; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 31.
45 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 332/09, Rn. 36.
46 Lakies, Kap. 1 Rn. 263.
47 Palandt/Grüneberg, § 305 c Rn. 16.
48 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 118.

Powietzka
A. Die Verwendung von AGB durch sog. „Formularverträge“ 9

2. Die Unklarheitenregelung, § 305c Abs. 2 BGB


Die in § 305c Abs. 2 BGB kodifizierte Unklarheitenregelung besagt, dass Zweifel bei 16
der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders gehen, da dieser sich grundsätz-
lich klar und unmissverständlich auszudrücken hat. Es handelt sich um eine ergän-
zende Auslegungsregel, deren Voraussetzung es ist, dass nach Ausschöpfung aller
in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt
und mindestens zwei Auslegungsvarianten rechtlich vertretbar sind.49 Keine der
möglichen Varianten darf dabei einen klaren Vorzug verdienen, so dass „erhebliche
Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen müssen. Da die entfernte Möglichkeit,
zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung des § 305c Abs. 2
BGB nicht.50
Bestehen mehrere Auslegungsvarianten, ist zunächst die arbeitnehmerfeind- 17
lichste Auslegung einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, da die betreffende Klausel
dann in diesem Fall bereits unwirksam sein könnte (sog. gespaltene Lösung).51
Erweist sich die Klausel jedoch als wirksam, so muss der Arbeitgeber, der die AGB
verwendet, die ihm am wenigsten günstigste Auslegungsmöglichkeit (arbeitneh-
merfreundlichste Auslegung) gegen sich gelten lassen.52
Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich der Abgrenzung zu dem in § 307 Abs. 1 18
S. 2 BGB kodifizierten Transparenzgebot53. Danach kann sich die Unwirksamkeit
einer Vertragsklausel auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich
ist. Da § 305c Abs. 2 BGB nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die Auslegung und
damit ihre Bedeutung unklar ist, könnte geschlussfolgert werden, dass eine solche
Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt und daher unwirksam ist, diese Unwirk-
samkeit auch nicht durch die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB beseitigt
werden kann und diese folglich bedeutungslos wäre. Die Rechtsprechung grenzt die
Anwendungsbereiche der Unklarheitenregelung und des Transparenzgebots jedoch
durch eine restriktive Auslegung des letzteren voneinander ab.54 Nimmt der Arbeit-
nehmer seine Rechte wegen unklaren Klauseln nicht wahr, liegt ein Verstoß gegen
§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor; dagegen findet die Unklarheitenregelung als ergänzende
Auslegungsregel dann Anwendung, wenn die sprachliche Fassung dem Arbeitneh-
mer das Erschließen des Sinngehalts einer Klausel lediglich erschwert, so dass nicht
jede auslegungsbedürftige Klausel auch intransparent ist.55

49 Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 15.


50 BAG, Urt. v. 24.1.2013 – 8 AZR 965/11, Rn. 29; BAG, Urt. v. 9.2.2011 –7 AZR 91/10, Rn. 42.
51 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 118; Lakies, Kap. 1 Rn. 272; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 31a.
52 BAG, Urt. v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, Rn. 42; BAG, Urt. v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, Rn. 14; ebenso
ständige Rspr. des BGH, vgl. BGH, Urt. v. 9.6.2010 – VIII ZR 294/09, Rn. 16.
53 Siehe Rn. 78 ff.
54 Vgl. Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 18 mwN zur Rspr.
55 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 27; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 18; Lakies,
Kap. 1 Rn. 361.

Powietzka
10 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

3. E
 rgänzende Vertragsauslegung
19 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt immer dann in Betracht, wenn ein Vertrag
eine Lücke enthält. Grundsätzlich sind auch AGB in Fällen, in denen eine Lücke in
vorformulierten Verträgen nicht auf AGB-rechtlichen Einbeziehungs- oder Inhalts-
kontrollschranken beruht, einer ergänzenden Auslegung zugänglich.56 Besteht in
einem solchen Fall eine Lücke, die geschlossen werden muss, um den Regelungsplan
der Parteien zu verwirklichen, ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ein
objektiv-generalisierender Maßstab zugrunde zu legen, der sich am Willen und Inte-
resse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise auszu-
richten hat.57 Ist die Lücke im Vertragswerk dagegen durch Nichteinbeziehung oder
Unwirksamkeit von AGB entstanden, lässt die Rechtsprechung – wegen des Verbots
der geltungserhaltenden Reduktion58 (§ 306 Abs. 2 BGB) – nur in engen Grenzen
eine ergänzende Vertragsauslegung zu, und zwar dann, wenn das Festhalten am
Vertrag eine unzumutbare Härte nach § 306 Abs. 3 BGB59 darstellen würde.60 Dies
verlangt zumindest, dass die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel in AGB
keine angemessene, den typischen und schutzwürdigen Interessen des Klauselver-
wenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet.61 Es kommt
daher auf einen beiden Vertragsparteien möglichst gerecht werdenden Ausgleich
an.62

III. Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB

20 Nach § 305b BGB haben Individualabreden stets Vorrang vor AGB, sofern zwischen
ihnen ein Regelungswiderspruch besteht und die Individualabrede wirksam ver-
einbart wurde.63 Individualabreden i. S. v. § 305b BGB sind alle Vertragsbedingun-
gen, die nicht selbst AGB gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB sind, also gerade auch im Einzel-
nen ausgehandelte Vertragsbestimmungen nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB.64 Dabei fällt
die betriebliche Übung jedoch nicht unter den Begriff der Individualabrede i. S. d.

56 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, Rn. 34.


57 BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, Rn. 34 f; BGH, Urt. v. 1.6.2005 – VIII ZR 234/04, Rn. 23.
58 Rn. 109.
59 Rn. 108.
60 BAG, Urt. v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, Rn. 27; BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, Rn. 36;
siehe auch Moll/Bengelsdorf, § 49 Rn. 260; BAG, Urt. v. 13.11.2011 – 3 AZR 791/09, Rn. 36; BAG, Urt. v.
6.8.2013 – 9 AZR 442/12, Rn. 21.
61 BAG, Urt. v. 13.11.2011 – 3 AZR 791/09, Rn. 36; BAG, Urt. v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, Rn. 21.
62 Vgl. auch Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 21.
63 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 7; MüKo-BGB/Basedow, § 305b
Rn. 5.
64 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 4; Palandt/Grüneberg, § 305b
Rn. 2; zu § 305 Abs. 1 S. 3 BGB siehe Rn. 7 f.

Powietzka
B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 11

§ 305b BGB.65 Die Vorschrift hat hauptsächlich Bedeutung für nach Vertragsschluss
zwischen den Parteien getroffene (mündliche oder konkludente) Vereinbarungen,
wobei die zeitliche Reihenfolge keinen Einfluss auf die Geltung des § 305b BGB hat.66
Grundsätzlich unerheblich ist auch, ob die Vertragsparteien eine Änderung der AGB
beabsichtigt hatten oder sich der Kollision mit den AGB überhaupt bewusst waren.67
Der erforderliche Regelungswiderspruch liegt dann vor, wenn die Individualverein-
barung durch die betreffende AGB-Klausel in ihrem Sinn und Zweck beeinträchtigt
oder ausgehöhlt wird.68 Bei § 305b BGB handelt es sich um keine Auslegungsregel,
denn vielmehr findet die Norm erst dann Anwendung, wenn eine Auslegung69 von
Individualabrede und AGB bereits stattgefunden hat und zu dem Ergebnis gelangt ist,
dass ein Regelungswiderspruch besteht.70
Der Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede gilt auch zugunsten des Ver- 21
wenders.71 Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei derjenigen Partei, die sich auf
eine vorrangige Individualabrede beruft.72
Für Einmalbedingungen73 verweist § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht auf § 305b BGB. 22
Nichtsdestotrotz haben Individualvereinbarungen auch vor Einmalbedingungen
Vorrang. Dies ergibt sich bereits aus einer Auslegungsregel, wonach eine konkrete
Einigung grundsätzlich vorgeht, sofern diese zu Widersprüchen führt, so dass die
fehlende Verweisung auf § 305b BGB unschädlich ist.74

B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht

I. AGB im arbeitsgerichtlichen Verfahren

1. Verbandsklageverfahren nach § 1 UKlaG


Das Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstö- 23
ßen (UKlaG) sieht in § 1 vor, dass derjenige, der in AGB Bestimmungen, die nach den
§§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen

65 Palandt/Grüneberg, § 305b Rn. 2; BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn. 41 f.; vgl. Kap. 9 Rn. 24
zum Verhältnis der betrieblichen Übung und der Individualabrede im Rahmen der Schriftformklau-
sel.
66 Lakies; Kap. 1 Rn. 99; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 5.
67 BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, Rn. 15; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 113.
68 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 7.
69 Vgl. zur Auslegung von AGB Rn. 14 ff.
70 MüKo-BGB/Basedow, § 305b Rn. 2.
71 Palandt/Grüneberg, § 305b Rn. 1; MüKo-BGB/Basedow, § 305b Rn. 6.
72 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 10.
73 Siehe Rn. 6 und 10.
74 Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 18; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 2;
für die Anwendbarkeit des § 305b BGB Hümmerich/Boecken/Hümmerich/Ebeling, § 305b Rn. 3.

Powietzka
12 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

Verkehr empfiehlt, auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf
in Anspruch genommen werden kann. Dieser Anspruch kann von in § 3 UKlaG näher
bezeichneten Einrichtungen und Verbänden – insbesondere Verbraucherverbän-
den – geltend gemacht werden. Für Klagen nach dem UKlaG sind die Landgerichte
ausschließlich zuständig (§ 6 Abs. 1 UKlaG). Durch das Verbandsklageverfahren soll
verhindert werden, dass sich Rechtsunkundige von der Geltendmachung ihrer Rechte
abhalten lassen.75
24 Nach § 15 UKlaG findet das UKlaG jedoch keine Anwendung auf das Arbeits-
recht. Ohne diese Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des UKlaG hätten
sich die zuständigen Landgerichte mit arbeitsrechtlichen Fragestellungen befassen
müssen, was jedoch der Arbeitsgerichtsbarkeit vorbehalten ist.76 Zudem zweifelte der
Gesetzgeber an, ob es zweckmäßig sei, auf Arbeitnehmerseite andere Verbände als
Gewerkschaften für klagebefugt zu erklären.77

2. Regelfall: Individualverfahren
25 Da das Verbandsklageverfahren nach § 15 UKlaG auf das Arbeitsrecht keine Anwen-
dung findet, muss sich jeder Vertragspartner individuell gegen den Verwender (etwa-
iger) unwirksamer AGB wenden. Dabei wird bei dahingehenden Streitigkeiten zwi-
schen Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG eröffnet sein, da es sich regelmäßig um eine bürgerliche
Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber handeln
wird. Diese Regelung des ArbGG begründet eine umfassende Zuständigkeit des
Arbeitsgerichts für alle individualrechtlichen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.78
Die Unwirksamkeit einer in seinem Formulararbeitsvertrag enthaltenen Klausel kann
der Arbeitnehmer aber auch als Einwand gegen vom Arbeitgeber klageweise verfolgte
Ansprüche geltend machen.79

75 Palandt/Bassenge, § 1 UKlaG Rn. 1.


76 BT-Drucks. 14/7052, S. 189; kritisch dazu MüKo-ZPO/Micklitz, § 15 UKlaG Rn. 1; ebenso Lakies,
Kap. 1 Rn. 414, der vorschlägt, dass man für die Kontrolle von Arbeitsverträgen den Gewerkschaften
speziell den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten hätte eröffnen können, damit so auch im Arbeitsrecht
durch ein Verbandsklageverfahren die Effektivität und Breitenwirkung der Inhaltskontrolle hätte ver-
stärkt werden können.
77 BT-Drucks. 14/7052, S. 189 f.
78 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Schmitt, § 2 ArbGG Rn. 23.
79 Vgl. Lakies, Kap. 1 Rn. 415.

Powietzka
B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 13

II. Modifikationen der AGB-Kontrolle durch § 310 Abs. 3 BGB

§ 310 Abs. 3 BGB sieht in verschiedener Hinsicht Modifikationen des AGB-Rechts für 26
sog. Verbraucherverträge vor.

1. Der Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag


Ein Verbrauchervertrag ist nach der Legaldefinition des § 310 Abs. 3 BGB ein Vertrag, 27
der zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB)
geschlossen wurde. Als ein sog. B2C-Vertrag80 ist nach der höchstrichterlichen Recht-
sprechung auch ein Arbeitsvertrag zu qualifizieren.81 Dies war im Vorfeld der gericht-
lichen Entscheidungen lange Zeit umstritten, da in der Literatur teilweise vertreten
wurde, dass ein Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses kein Verbrau-
cher i. S. d. § 13 BGB sei.82 Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person,
die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerb-
lichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
Zuweilen wurde zwischen dem relativen und dem absoluten Verbraucherbegriff
unterschieden. Die Vertreter des relativen Verbraucherbegriffs wollten den Arbeit-
nehmer nur bei einzelnen Rechtsgeschäften wie beim Kauf von Dienstkleidung oder
Abschluss von Versicherungsverträgen am Arbeitsplatz als Verbraucher ansehen,
wogegen der absolute Verbraucherbegriff den Arbeitnehmer auch bei Abschluss des
Arbeitsvertrags als Verbraucher definierte.83 Der Arbeitnehmer ist jedoch der Proto-
typ eines „Unselbstständigen“.84 Der Wortlaut des § 13 BGB, seine systematische
Stellung im Allgemeinen Teil des BGB sowie seine Entstehungsgeschichte sprechen
nach der Rechtsprechung dafür, den Arbeitnehmer (auch bei Abschluss seines
Arbeitsvertrags) unter den Verbraucherbegriff zu fassen.85 § 310 Abs. 3 BGB enthält
keine einschränkenden Tatbestandsmerkmale und wird in § 310 Abs. 4 BGB auch
nicht vom Anwendungsbereich im Arbeitsrecht ausgenommen, so dass der Arbeit-
nehmer als (absoluter) Verbraucher qualifiziert werden kann.86
Ein Arbeitgeber wird in der Regel unproblematisch als Unternehmer i. S. v. § 14 28
Abs. 1 BGB auftreten, indem er in Ausübung seiner gewerblichen oder selbststän-

80 Siehe Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 10.


81 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 39 ff.; BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 48;
BVerfG, Beschl. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, Rn. 44; BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11, Rn. 14.
82 So z. B. Hromadka, NJW 2002, 2523, 2524 mwN zu den ebenfalls ablehnenden Literaturstimmen;
Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn 24 mwN zum damaligen Meinungsstand.
83 Vgl. hierzu Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1 Rn. 138, 141.
84 ErfK/Preis, § 611 Rn. 181.
85 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 41 ff.; vgl. auch Preis/Preis, Kap. I C Rn. 70 ff.
86 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 46; so auch Lakies, Kap. 1 Rn. 92; zu § 310 Abs. 4 BGB
siehe Rn. 35 ff.

Powietzka
14 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

digen beruflichen Tätigkeit handelt.87 Allerdings ist nicht zwingend jeder Arbeitge-
ber auch ein Unternehmer, und zwar dann nicht, wenn ein Arbeitgeber für private
Zwecke einen Arbeitnehmer (z. B. Gärtner; Zugehfrau) einstellt – dann ist er zwar
Arbeitgeber, aber nicht Unternehmer.88

2. Modifikationen nach § 310 Abs. 3 Nr. 1–3 BGB


29 Für Verbraucherverträge – und somit in aller Regel auch für Arbeitsverträge – gelten
nach § 310 Abs. 3 BGB folgende besondere Bestimmungen:

a) § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB


30 Die erste Modifikation bei Vorliegen eines Verbrauchervertrags besteht darin, dass
nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbe-
dingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den
Verbraucher in den Vertrag eingeführt worden sind. Das „Stellen“ der Vertragsbe-
dingungen wird generell und abstrakt durch § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB fingiert.89 Dies
gilt auch für sog. Drittbedingungen, wenn also Vertragsklauseln auf Vorschlag eines
Dritten in den Vertrag aufgenommen werden, es sei denn der Dritte handelte im
Auftrag des Verbrauchers.90
31 Hinsichtlich der Tatsache, dass der Arbeitnehmer als Verbraucher Vertragsbedin-
gungen in den Vertrag eingeführt hat, liegt die Darlegungs- und Beweislast beim
Arbeitgeber.91 Die Vorformulierung für eine Vielzahl von Fällen hat weiterhin der
Arbeitnehmer darzulegen und zu beweisen.92 Nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB bleibt es dem
Arbeitgeber aber auch unbenommen, das Bestehen einer Individualvereinbarung
nachzuweisen.93

b) § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB


32 Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind der § 305c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel94) und die
§§ 306, 307–309 BGB bereits bei vorformulierten Vertragsbedingungen, die nur zur
einmaligen Verwendung bestimmt sind, anwendbar, soweit der Verbraucher auf-

87 Vgl. auch Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 23.


88 Thüsing, BB 2002, 2666, 2668; Hromadka, NJW 2002, 2523, 2524; ErfK/Preis, § 611 Rn. 182.
89 BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, Rn. 14; BeckOK BGB/Becker, § 310 Rn. 15.
90 Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 12 f.
91 Lakies, Kap. 1 Rn. 96; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 23.
92 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 31; vgl. zur Vorformulierung für eine Vielzahl von Fällen
Rn. 6.
93 Vgl. Rn. 7 f., 11.
94 Rn. 16 ff.

Powietzka
B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 15

grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Dies hat
zur Folge, dass in der Regel jeder von einem Arbeitgeber vorformulierte Vertrag der
Inhaltskontrolle unterliegt und nicht nur dann, wenn die Absicht einer mindestens
dreimaligen Verwendung vorliegt.95 Dagegen besteht – wie im Rahmen von § 310
Abs. 3 Nr. 1 BGB – kein Schutz des Arbeitnehmers, wenn eine für den Einzelfall vorfor-
mulierte Klausel auf Vorschlag des Arbeitnehmers in den Vertrag einbezogen wurde.96
Das Merkmal des „Einflussnehmens“ entspricht dem „Aushandeln“ in § 305 33
Abs. 1 S. 3 BGB.97 Dabei muss der Verbraucher – also der Arbeitnehmer – bewei-
sen, dass er nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme hatte.98 Auch hier gelten
die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast.99 Der Arbeitgeber
muss den Vortrag des Arbeitnehmers, er habe keine Einflussmöglichkeiten gehabt,
qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er die Klauseln zur Disposition
gestellt hat und aus welchen Umständen daraus geschlossen werden kann, dass der
Arbeitnehmer die Vertragsklauseln freiwillig akzeptiert habe.100 Wie auch im Rahmen
von § 305 Abs. 1 S. 3 BGB muss sich die Einflussnahmemöglichkeit auf eine konkrete
Klausel beziehen, so dass es bei deren Fehlen im Übrigen bei einer AGB-Kontrolle
verbleibt (vgl. auch hier den Wortlaut „soweit“).101

c) § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB


Als dritte Modifikation finden nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der 34
unangemessenen Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Ver-
tragsschluss begleitenden Umstände Berücksichtigung (sog. Umstandskont-
rolle102). Zu diesen Umständen gehören in Anlehnung an den 16. Erwägungsgrund
der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen,
deren Art. 4 Abs. 1 durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB umgesetzt wurde:
– persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die
Verhandlungsstärke auswirken,
– Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation (z. B. Überrumpelung,
Verschleierung, Bagatellisierung),
– untypische Sonderinteressen des Vertragspartners.103

95 Vgl. dazu auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 23.


96 Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 16; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 39.
97 BAG, Urt. v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, Rn. 31; zum Merkmal des „Aushandelns“ siehe Rn. 7 f.
98 BGH, Urt. v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, Rn. 15 ff.; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 17.
99 Vgl. Rn. 11; BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, Rn. 27.
100 BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, Rn. 27; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 57.
101 Siehe Rn. 9; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 36.
102 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 42 f.
103 BAG, Urt. v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, Rn. 60; BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 46; Lakies,
Kap. 1 Rn. 98; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 47.

Powietzka
16 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

Die Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände, welche


jedoch nicht Ereignisse nach Vertragsabschluss umfasst,104 kann sowohl zur Unwirk-
samkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur
Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen.105
Die Umstandskontrolle ergänzt die Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 2 und 3 BGB, die
grundsätzlich einen generellen überindividuellen Maßstab zugrunde legt, macht sie
aber in keinem Fall überflüssig.106 Gerade im Bereich der Transparenzkontrolle107
nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wird eine Umstandskontrolle relevant und kann eine eigent-
lich intransparente Klausel ausreichend transparent erscheinen lassen.108

III. Besonderheiten im Arbeitsrecht, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB

35 Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsver-
träge einige Besonderheiten zu beachten. Zum einen ist § 305 Abs. 2 und 3 BGB nicht
anzuwenden. Damit findet bei Arbeitsverträgen keine Einbeziehungskontrolle
statt, so dass insbesondere kein ausdrücklicher Hinweis des Arbeitgebers auf die AGB
erfolgen und für den Arbeitnehmer nicht die zumutbare Möglichkeit der Kenntnis-
nahme bestehen muss. Der Schutz des Arbeitnehmers wird durch den Wegfall der
Einbeziehungskontrolle aber keineswegs geschmälert, denn an deren Stelle treten als
arbeitsrechtliche Besonderheit die Vorschriften des Nachweisgesetzes (NachwG).109
Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach dem
vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedin-
gungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem
Arbeitnehmer auszuhändigen. Allerdings ist dieser Nachweis der wesentlichen
Vertragsbedingungen keine Wirksamkeitsvoraussetzung hinsichtlich der Verein-
barung der verschiedenen Vertragsklauseln.110 Ob die Vertragsklauseln wirksam in
den Vertrag aufgenommen bzw. vereinbart wurden, richtet sich nach den allgemei-
nen Vorschriften der §§ 145 ff BGB.111 Danach ist eine Willensübereinstimmung der

104 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 49.


105 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 46.
106 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 44; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 19; vgl. zum Maßstab
der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB Rn. 59 ff.
107 Vgl. dazu Rn. 78 ff.
108 Vgl. BAG, Urt. v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06, Rn. 30; BAG, Urt. v. 30.4.2008 – 5 AZR 502/07, Rn. 30.
109 BT-Drucks. 14/6857, S. 54; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 114; kritisch zu der Entscheidung des
Gesetzgebers Thüsing, BB 2002, 2666, 2670.
110 Lakies, Kap. 1 Rn. 226; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 28; vgl. auch EuGH, Urt. v. 8.2.2001 –
C-350/99, Rn. 26 ff.
111 BAG, Urt. v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, Rn. 24; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/­
Ulrici, § 310 Rn. 38.

Powietzka
B. Umfang der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 17

Parteien notwendig, die auch stillschweigend erfolgen kann.112 Dies entspricht der
Rechtsprechung des BGH zur Einbeziehung von AGB in zwischen zwei Unternehmern
geschlossene Verträge, auf die § 305 Abs. 2 und 3 BGB ebenfalls keine Anwendung
findet (§ 310 Abs. 1 S. 1 BGB).113
Des Weiteren wird durch § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB bestimmt, dass bei der Anwen- 36
dung der §§ 305 ff BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Beson-
derheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift wurde im Zuge
der Schuldrechtsmodernisierung deshalb eingefügt, da der Gesetzgeber das Schutz-
niveau im Arbeitsrecht dem des allgemeinen Zivilrechts anpassen wollte, sich jedoch
außerstande sah, für alle Einzelfälle der §§ 305 ff. BGB zu prüfen, ob sie tatsächlich
im Arbeitsrecht passend sind, und diese Prüfung der Rechtsprechung überlassen
wollte.114
Der Begriff „Besonderheiten des Arbeitsrechts“ stellt einen unbestimmten 37
Rechtsbegriff dar, der auslegungsbedürftig ist.115 Die Rechtsprechung legt diesem
Begriff grundsätzlich ein weites Verständnis zugrunde.116 Es sind nicht nur Beson-
derheiten innerhalb des Arbeitsrechts (z. B. Arbeitsverträge im kirchlichen Bereich,
befristete Verträge, Tendenzunternehmen etc.) gemeint, sondern auch Besonderhei-
ten gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht.117 Des Weiteren werden von diesen Beson-
derheiten sowohl solche rechtlicher als auch tatsächlicher Art erfasst.118
Rechtliche Besonderheiten können sich aus Gesetz, Richterrecht, Gewohn- 38
heitsrecht und aus Rechtsgrundsätzen oder -prinzipien ergeben.119 Bei Gesetzen
werden sowohl rein arbeitsrechtliche Sondernormen als auch solche Vorschriften
berücksichtigt, die sich in ihrer Anwendung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts beson-
ders auswirken.120

Beispiel
Der Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung nach § 888 Abs. 3 ZPO ist eine im Arbeits-
recht geltende Besonderheit i. S. d. § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB. Bei der Erbringung der Arbeitsleistung
handelt es sich grundsätzlich um eine nicht vertretbare Handlung, da der Arbeitnehmer verpflichtet

112 Palandt/Weidenkaff, Einf. v. § 611 Rn. 75b; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 114.
113 Lakies, Kap. 1 Rn. 228 mwN zur Rspr. des BGH.
114 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 310 Rn. 31; vgl. auch Rn. 2.
115 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1 Rn. 155.
116 Vgl. Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn 54; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1 Rn. 156, 159.
117 BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 328/03, Rn. 43 ff.; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/
Ulrici, § 310 Rn. 33.
118 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn. 21; BAG, Urt. v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, Rn. 41; Suck-
ow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 54; Palandt/Grüneberg, § 310 Rn. 51; ablehnend hinsichtlich der
tatsächlichen Besonderheiten ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 11, der eine Berücksichtigung von tat-
sächlichen Besonderheiten nur dann anerkennt, wenn sie sich normativ widerspiegeln.
119 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 310 Rn. 31.
120 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 54.

Powietzka
18 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

ist, die Arbeitsleistung höchstpersönlich zu erbringen, wenn die Parteien nicht etwas anderes verein-
bart haben (§ 613 BGB). Daher sind Vertragsstrafenvereinbarungen in Formulararbeitsverträgen nicht
nach § 309 Nr. 6 BGB generell unzulässig.121

39 Tatsächliche Besonderheiten sind gegeben, wenn bestimmte Tatsachen gerade im


Arbeitsverhältnis vermehrten Regelungsbedarf auslösen, wozu auch der Umstand
gehört, dass bestimmte Vertragsbedingungen in Arbeitsverträgen „gang und gäbe“
sind.122
40 Die arbeitsrechtlichen Besonderheiten sind bei jeder Inhaltskontrolle zu berück-
sichtigen – sogar bei den Klauselverboten ohne Wertungsmöglichkeit i. S. d. § 309
BGB, die im Arbeitsrecht schon nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht zwin-
gend uneingeschränkt zur Anwendung kommen sollen.123 Vielmehr nimmt das BAG
dann in solchen Fällen eine Prüfung der Klausel nach § 307 BGB (mit Wertungsmög-
lichkeit) vor.124 Bei den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB)125
müssen dagegen die Besonderheiten des Arbeitsrechts bereits über die in § 308 BGB
selbst vorgesehene Wertungsmöglichkeit einfließen.126
41 Als Rechtsfolge erlaubt § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 BGB sowohl eine Nichtanwendung
als auch eine vom allgemeinen Zivilrecht abweichende Anwendung der §§ 305 ff.
BGB, wobei im Grundsatz jedoch von der Anwendung im Einklang mit dem allgemei-
nen Zivilrecht auszugehen ist.127 Die im Einzelnen bestehenden arbeitsrechtlichen
Besonderheiten werden im Folgenden im Rahmen der diversen Vertragsklauseln auf-
gezeigt und ausführlich behandelt.

C. Überraschende Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB

I. S
 chutzzweck

42 Bestimmungen in Formulararbeitsverträgen, die nach den Umständen, insbesondere


nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der

121 BAG, Urt. v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, Rn. 35; vgl. dazu Kap. 3 Rn. 33.
122 BAG, Urt. v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, Rn. 33; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulri-
ci, § 310 Rn. 33; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 54 mit dem Beispiel der zweistufigen Aus-
schlussfristen.
123 BT-Drucks. 14/6857, S. 54; BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03; MaSiG/Maschmann, Kap. B
Rn. 138.
124 Vgl. BAG, Urt. v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, Rn. 35 für eine Vertragsstrafenklausel; BAG, Urt. v.
25.5.2005 – 5 AZR 572/04 für eine zweistufige Ausschlussfrist.
125 Zu § 308 BGB siehe Rn. 99 ff.
126 MüKo-BGB/Basedow, § 310 Rn. 101.
127 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 310 Rn. 34.

Powietzka
C. Überraschende Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB 19

Vertragspartner (Arbeitnehmer) des Verwenders (Arbeitgeber) mit ihnen nicht zu


rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. Bei § 305c Abs. 1 BGB handelt
es sich um eine negative Einbeziehungsvoraussetzung, denn ein Verstoß gegen
die Vorschrift hat zur Folge, dass die überraschende Klausel nicht Bestandteil des
Arbeitsvertrages wird. Einer Inhaltskontrolle bedarf es hier nicht. Die Norm enthält
die ehemaligen § 3 AGBG (§ 305c Abs. 1) und § 5 AGBG (§ 305c Abs. 2), die jeweils ohne
Änderungen wörtlich übernommen wurden.
Der Sinn und Zweck des § 305c Abs. 1 BGB besteht darin, den Arbeitnehmer vor 43
objektiv ungewöhnlichen Klauseln zu schützen, die seinen berechtigten Vertragser-
wartungen zuwider laufen. Die Norm basiert auf dem allgemeinen Grundsatz, dass
man sich nicht auf eine Klausel berufen kann, mit der die andere Seite nicht rechnen
konnte. Dieser Grundsatz dient dem Vertrauensschutz des Arbeitnehmers. Klauseln
in Formulararbeitsverträgen müssen sich im Rahmen dessen halten, was der Arbeit-
nehmer nach Würdigung aller Umstände berechtigterweise erwarten darf.128
Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, die gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB 44
bei der Anwendung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge angemessen zu berücksich-
tigen sind, stehen der Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB auf vorformulierte Arbeits-
verträge und allgemeine Arbeitsbedingungen nicht entgegen.129 Der Grundsatz, dass
überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil werden, gilt uneingeschränkt auch
für Arbeitsverträge, zumal der durch diese Norm umgesetzte Rechtsgrundsatz vom
BAG auch früher schon unter der Geltung des AGBG im Arbeitsrecht richterrechtlich
anerkannt war, obwohl § 23 Abs. 1 AGBG eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht
enthielt.130

II. Tatbestand und Systematik

1. Überraschende Abweichung von Vertragserwartungen


Eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB liegt vor, wenn die Ver- 45
tragsbestimmung aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes objektiv ungewöhn-
lich ist und der Arbeitnehmer mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Damit enthält
§ 305c Abs. 1 BGB eine objektive und subjektive Komponente.
Überraschend ist die Klausel jedoch nur dann, wenn zwischen dem Inhalt der 46
Regelung und den Erwartungen des Arbeitnehmers eine deutliche Diskrepanz
besteht und der Arbeitnehmer mit einer solchen Abweichung vernünftigerweise nicht

128 BGH Urt. v. 8.10.1975 – VIII ZR 81/74, Rn. 19; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 305c BGB Rn. 4.
129 Zu § 310 Abs. 4 S. 2 BGB siehe Rn. 35 ff.
130 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, Rn. 20 f.; MüKo-BGB/Basedow, § 305c Rn. 1, 17; ErfK/Preis,
§§ 305–310 BGB Rn. 29; Lingemann, NZA 2002, 181, 186.

Powietzka
20 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

zu rechnen braucht.131 Die Prüfung einer Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB erfolgt somit
in drei Schritten. Zunächst ist festzustellen, welche berechtigten Vertragserwar-
tungen der Arbeitnehmer haben durfte. Im zweiten Schritt ist der Inhalt der streiti-
gen AGB-Klausel zu ermitteln. Schließlich ist festzustellen, ob zwischen den Vorstel-
lungen des Arbeitnehmers und dem Inhalt der Vereinbarung die Diskrepanz so groß
ist, dass eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB angenommen
werden kann.
47 Eine nur unübliche und unerwartete Klausel reicht dafür nicht aus, vielmehr
muss der Vereinbarung ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“132
innewohnen. Das Überraschungsmoment ist dabei umso eher zu bejahen, je belas-
tender die Bestimmung ist,133 kann aber im Einzelfall zu verneinen sein, wenn auf
die Klausel besonders hingewiesen oder sie drucktechnisch (z. B. durch Fettdruck)
hervorgehoben wurde.134 Die Anforderungen an die Hinweisobliegenheit bestimmen
sich proportional zum Grad der Belastung der Klausel für den Arbeitgeber und der
Abweichung von den gewöhnlichen Vertragsbestimmungen. Der Überraschungsef-
fekt kann sich bereits aus der Stellung der Klausel im Vertrag ergeben, z. B. dann,
wenn die Klausel an ungewöhnlicher Stelle steht, an der sie der Vertragspartner nicht
zu erwarten braucht.135
48 Bei der Überprüfung ist ein objektiv-genereller Prüfungsmaßstab anzulegen,
bei dem alle Umstände, insbesondere das äußere Erscheinungsbild des Vertrages, zu
berücksichtigen sind. Besteht zwischen den Erwartungen des Vertragspartners und
dem tatsächlichen Vertragsinhalt ein deutlicher Widerspruch, so liegt eine über-
raschende Klausel laut BAG dann vor, wenn der Arbeitnehmer mit diesem Inhalt
unter den konkreten Umständen des Vertragsschlusses und nach der Gestaltung des
Arbeitsvertrages, insbesondere dessen äußerem Erscheinungsbild, berechtigter-
weise nicht zu rechnen brauchte.136

2. Berechtigung der Vertragserwartungen des Arbeitnehmers


49 Der Schutz des § 305c Abs. 1 BGB steht dem Arbeitnehmer nur bei berechtigten Ver-
tragserwartungen zu und nicht bei vom Arbeitgeber in den Arbeitsvertrag üblicher-

131 BAG Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16; BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, Rn. 59.
132 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, Rn. 22; BAG Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16; ErfK/
Preis, §§ 305–310 BGB, Rn. 29; MüKo-BGB/Basedow, § 305c Rn. 10.
133 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, Rn. 23; BAG, Urt. v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 21; Suck-
ow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 65; Lakies, Kap. 1 Rn. 243.
134 BAG Urt. v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 21; BAG Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16; MüKo-
BGB/Basedow, § 305c Rn. 8.
135 BGH Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, Rn. 27; BAG Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16.
136 BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, Rn. 59; BAG Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16; BAG
Urt. v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, Rn. 24.

Powietzka
C. Überraschende Klauseln, § 305c Abs. 1 BGB 21

weise eingeführten Klauseln, mit denen der Arbeitnehmer zu rechnen hat. Im Rahmen
der dreistufigen Prüfung des § 305c Abs. 1 BGB ist deshalb zunächst festzustellen, ob
die Klausel gegen berechtigte Erwartungen des Arbeitnehmers verstößt. Abzustellen
ist dabei auf die konkreten Vorstellungen des individuellen Vertragsschließenden,
d. h. in der Regel auf die des Arbeitnehmers selbst, im Falle einer Stellvertretung
gemäß § 166 Abs. 1 BGB auf die des Vertreters. Diese Erwartungen können sich sowohl
aus generellen als auch aus individuellen Umständen ergeben.

a) Generelle Umstände
§ 305c Abs. 1 BGB schützt die berechtigte Erwartung des Arbeitnehmers, dass die 50
Klauseln in seinem Arbeitsvertrag der vertragstypkonformen und gebräuchlichen
Rechtsgestaltung entsprechen. Entscheidend hierbei ist die Abweichung von den
üblichen Regelungen. Ob eine Regelung gebräuchlich oder unüblich ist, bestimmt
sich nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischen durchschnittlichen Arbeitneh-
mers.137 Ungewöhnlich sind sowohl inhaltlich als auch formal nicht zu erwartende
Klauseln.
Der Inhalt einer Klausel ist ungewöhnlich, wenn er deutlich von den Gepflo- 51
genheiten der Arbeitsvertragspraxis abweicht.138 Um die jeweiligen Gepflogenheiten
bestimmen zu können, sind u. a. die branchenspezifischen Besonderheiten, die Posi-
tion, die Qualifikation und die Betriebsgröße zu beachten. Aufgrund dieser Gepflo-
genheiten hat der Arbeitnehmer eine berechtigte Vorstellung, welche Klauseln zu
erwarten sind. Weichen die Vereinbarungen davon deutlich ab und sind somit als
überraschend zu qualifizieren, so werden sie nicht Bestandteil des Formulararbeits-
vertrages, es sei denn der Arbeitgeber hat ausreichend und gesondert auf sie hinge-
wiesen.
Formal kann eine Klausel aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, bspw. auf- 52
grund des äußeren Zuschnittes, der drucktechnischen Anordnung oder des Schrift-
bildes, überraschend sein.139 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Arbeitge-
ber die Vereinbarung an unerwarteter Stelle im Vertrag festhält, indem er sie bspw.
unter einer falschen oder missverständlichen Überschrift einordnet,140 unter der sie
der Arbeitnehmer nicht erwarten muss.

Beispiele
Von den Arbeitsgerichten entschiedene Anwendungsfälle für das Vorliegen überraschender Klauseln
aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes sind:

137 Däubler/Bonin/Deinert, § 305c Rn. 3.


138 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 69.
139 BAG, Urt. v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 21; BAG, Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 16; MüKo-
BGB/Basedow, § 305c Rn. 6; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 72 f.
140 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/9, Rn. 28.

Powietzka
22 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

– eine rückwirkende Vertragsänderung unter der Überschrift „Vertragsdauer und Kündigung“,141


– die Aufnahme einer Ausgleichsquittung in ein Schreiben zur „Rückgabe Ihrer Unterlagen“,142
– eine Ausschlussfrist am Ende des Vertrages unter der Überschrift „Sonstiges“ oder „Schluss­
bestimmungen“,143
– eine Beendigungsvereinbarung, die in einer „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ an ungewöhnlicher
Stelle enthalten ist, wenn dem Arbeitnehmer vor Vertragsschluss nicht bekannt war, dass ein
Aufhebungsvertrag vereinbart werden soll,144
– neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung im nachfolgenden Text eine weitere
Befristung ohne drucktechnische Hervorhebung.145

b) I ndividuelle Umstände
53 Die berechtigte Erwartung des Arbeitnehmers kann sich auch aus individuellen
Umständen ergeben. Geschützt wird hier das Vertrauen auf eine Vertragsgestaltung,
die dem Willen des Arbeitnehmers Rechnung trägt. Individuell unüblich ist eine
Regelung dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der geführten Vertragsverhandlun-
gen und im Vorfeld erfolgten Absprachen mit ihr nicht zu rechnen braucht.146 Dies
ist bspw. dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der Vertragsverhandlun-
gen bestimmte Vorstellungen zum Ausdruck bringt und der Arbeitgeber diesen nicht
widerspricht, anschließend aber im Vertrag etwas anderes regelt147 oder wenn der
Arbeitgeber zu verstehen gibt, dass er bestimmte Punkte im Vertrag als nicht rege-
lungsbedürftig ansehe und deshalb von einer Regelung Abstand nehme, im Vertrag
dann aber doch eine solche aufnimmt.148
54 In diesen Fällen wird die fragliche Klausel nur dann Bestandteil des Formularar-
beitsvertrages, wenn der Arbeitnehmer die Klausel vor Vertragsschluss zur Kenntnis
nimmt oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor Vertragsschluss einen eindeuti-
gen Hinweis gibt.149

III. Darlegungs- und Beweislast

55 Bei der Frage, ob eine Klausel Bestandteil des Formulararbeitsvertrages geworden ist,
gelten die Regeln zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast.

141 BAG, Urt. v. 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, Rn. 18.


142 BAG, Urt. v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, Rn. 60 ff.
143 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 25.
144 BAG, Urt. v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, Rn. 23 ff.
145 BAG, Urt. v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, Rn. 17.
146 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, Rn. 27; BAG, Urt. v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, Rn. 22.
147 BGH, Urt. v. 17.3.1994 – IX ZR 102/93.
148 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 76.
149 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 77.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 23

Die Einbeziehung der vom Arbeitgeber gestellten Klausel in den Formulararbeits- 56


vertrag ist für ihn von rechtlichem Vorteil, weshalb er die Beweislast hat, dass die
Regelung Bestandteil des Vertrages geworden ist. Bei einer objektiv ungewöhnlichen
Klausel ist in der Regel davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer mit einer solchen
berechtigterweise nicht rechnete. Der Arbeitnehmer muss bei Geltendmachen einer
solchen überraschenden Klausel nur schlüssig darlegen, seine berechtigten Erwar-
tungen an den Vertrag seien enttäuscht worden. Hierzu muss er sowohl zur objekti-
ven als auch zur subjektiven Seite des § 305c Abs. 1 BGB vortragen.150 Den Arbeitgeber
trifft dann die Darlegungs- und Beweislast diesbezüglich, dass die Klausel dennoch
Bestandteil des Vertrages geworden ist. Dies kann er gegebenenfalls dadurch belegen,
dass der Arbeitnehmer ausdrücklich auf die Klausel hingewiesen oder die Klausel
hinreichend im Vertrag hervorgehoben wurde oder der Arbeitnehmer von ihr Kennt-
nis hatte.151
Der Beweislast kann sich der Arbeitgeber aber nicht dadurch entziehen, dass 57
er dem Vertrag eine „Schlussklausel“ anhängt, mit der der Arbeitnehmer erklärt, er
habe die Vertragsbestimmungen gelesen und verstanden oder erklärt bekommen.152
Eine solche Klausel stellt einen Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB dar und wäre deshalb
unwirksam.

IV. Rechtsfolgen

Liegen die Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB vor und handelt es sich somit um 58
eine überraschende Klausel, so wird diese nicht Bestandteil des Formulararbeitsver-
trages.

D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB

§ 307 BGB nimmt innerhalb der Inhaltskontrolle von AGB eine herausragende Stel- 59
lung als Kernregelung ein, auch wenn die Vorschrift als Auffangtatbestand und
Generalklausel erst nach den besonderen Klauselverboten der §§ 308, 309 BGB zu
prüfen ist. Hier ist zunächst gemäß § 309 BGB daraufhin zu prüfen, ob die Klausel
gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit verstößt. Im zweiten Schritt ist
festzustellen, ob die Klausel mit den Klauselverboten mit Wertungsmöglichkeit im
Sinne des § 308 BGB in Einklang steht. Schließlich ist die Klausel am Maßstab des

150 Palandt/Grüneberg, § 305c Rn. 14; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 305c BGB Rn. 11.
151 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 305c BGB, Rn. 11.
152 Lakies, Kap. 1 Rn. 249; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn. 81.

Powietzka
24 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

§ 307 BGB und zwar zuerst anhand der Regelbeispiele des § 307 Abs. 2 BGB und dann
an § 307 Abs. 1 BGB zu überprüfen.
60 § 307 BGB enthält seit der Schuldrechtsreform in Abs. 1 S. 1 die Generalklausel
der Inhaltskontrolle und wurde ohne wesentliche Veränderungen aus § 9 AGBG über-
nommen. In § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist das ehemals in § 8 AGBG enthaltene Transpa-
renzgebot ausdrücklich normiert, das u. a. eine Entscheidung des EuGH153 umsetzt.
Regelungen zur Vermutung einer unangemessenen Benachteiligung sind in § 307
Abs. 2 BGB enthalten. Jedoch ist auch hier eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, ob
eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Die Regelbeispiele sind folglich wider-
legbar.154 § 307 Abs. 3 S. 1 enthält schließlich Einschränkungen der AGB-Kontrolle
und S. 2 normiert eine Ergänzung des Transparenzgebots.
61 Die Inhaltskontrolle gilt immer nur zugunsten des Vertragspartners des Ver-
wenders, nie zugunsten des Verwenders selbst.155 Der Schutzzweck der Inhaltskon-
trolle ist, den Verwendungsgegner vor unangemessenen Ergebnissen der einseitigen
Vertragsgestaltungsmacht des Verwenders zu schützen.156 Im Arbeitsrecht kommt als
Verwender grundsätzlich nur der Arbeitgeber in Betracht, so dass die Inhaltskont-
rolle im Arbeitsrecht dem Schutz des Arbeitnehmers dient.

I. Vorrang der Spezialregelung des § 307 Abs. 2 BGB

62 Das in der Generalklausel in § 307 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Verbot der unangemes-
senen Benachteiligung wird in § 307 Abs. 2 BGB durch Beispiele konkretisiert, indem
rechtliche Kriterien angegeben werden, bei deren Vorliegen „im Zweifel“ eine solche
Benachteiligung anzunehmen ist. Sofern Abs. 2 einschlägig ist, ist deshalb dieser
Sondertatbestand vorrangig zu prüfen. Die beiden Regelbeispiele haben ihrerseits
ebenfalls generalklauselartigen Charakter und stehen gleichrangig nebeneinander.157

1. Der Sondertatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB


63 Laut § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzu-
nehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzli-
chen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Da der Vertrags-

153 EuGH, Urt. v. 10.5.2001 – Rs. C-144/99.


154 BGH, Urt. v. 28.1.2003 – XI ZR 156/02, Rn. 31; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 44; Palandt/
Grüneberg, § 307 Rn. 28.
155 BAG Urt. v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, Rn. 16; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 5; MüKo-BGB/
Wurmnest, § 307 Rn. 21.
156 BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 1.
157 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 43.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 25

partner des Verwenders geschützt werden soll, kommen nur für ihn nachteilige
Abweichungen in Betracht.
Um feststellen zu können, ob eine Abweichung vorliegt, muss zunächst das 64
einschlägige Vergleichsrecht bestimmt werden. Eine AGB-Klausel ist nach ständi-
ger Rechtsprechung des BGH dann unwirksam, wenn durch ihren Inhalt das „Leit-
bild“ abgeändert wird, das für den gewählten Vertragstyp in dispositiven Vorschrif-
ten niedergelegt ist.158 Die inhaltliche Änderung muss zu Lasten des Arbeitnehmers
gehen.159 Vor der Inhaltskontrolle der AGB-Klauseln ist deshalb eine Vertragswahl-
kontrolle durchzuführen. Durch die Festlegung der Vertragswahl wird das gesetzliche
Leitbild bestimmt, das dann als Maßstab für die Inhaltskontrolle dient.
Zum Leitbild gehörende gesetzliche Regelungen sind zunächst alle dispositi- 65
ven Gesetzesnormen. Bei Abweichungen von zwingenden Normen ist nicht § 307
Abs. 2 Nr. 1 BGB anwendbar, sondern § 134 BGB.160

Praxistipp
Da im Arbeitsrecht weite Teile zwingendes Recht sind, bleibt der Anwendungsbereich von § 307 Abs. 2
Nr. 1 BGB eher gering.

Leitbildcharakter kann aber auch ungeschriebenes Recht haben, insbesondere 66


durch Normen verankerte allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze, die Regeln des
Richterrechts, sowie die aufgrund ergänzender Auslegung und aus der Natur des
jeweiligen Schuldverhältnisses zu entnehmenden Rechte und Pflichten.161
Das Erfordernis einer Abweichung von einer wesentlichen gesetzlichen Grund- 67
lage verdeutlicht, dass nicht jede beliebige Abweichung eine unangemessene
Benachteiligung darstellt. Nach der Rechtsprechung des BGH162 und des BAG163 ist
entscheidend, ob die dispositive Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwä-
gungen beruht, sondern Ausfluss des Gerechtigkeitsgebots ist. Regelungen, die auf
bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, seien durch formularmäßige Klauseln
frei abänderbar, Gerechtigkeitsgebote hingegen nicht. Diese Auffassung wird in der

158 BGH, Urt. v. 24.9.1980 – VIII ZR 273/79; BGH, Urt. v. 20.5.2009 – XII ZR 94/07, Rn. 24; Palandt/
Grüneberg, § 307 Rn. 28; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 65.
159 Vgl. BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 52; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 52.
160 BGH, Urt. v. 27.6.2007 – VIII ZR 149/06, Rn. 21; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 29; Suckow/Striegel/
Niemann/Niemann, Rn. 92.
161 BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 24; BAG, Urt. v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, Rn. 27;
BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 52; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 68; Lakies, Kap. 1 Rn. 343.
162 BGH, Urt. v. 25.6.1991 – XI ZR 257/90, Rn. 17; BGH, Urt. v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, Rn. 12; BGH,
Urt. v. 23.11.2006 – X ZR 16/05, Rn. 28; BGH, Urt. v. 27.6.2001 – VIII ZR 149/06, Rn. 22.
163 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, Rn. 35; BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 23; BAG,
Urt. v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, Rn. 19.

Powietzka
26 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

Literatur kontrovers diskutiert.164 Kritiker bemängeln, dass die Unterscheidung zwi-


schen Zweckmäßigkeitsregelungen und solchen, die auf einem Gerechtigkeitsgebot
beruhen, oftmals genauso schwierig und vage ist, wie die Differenzierung zwischen
einem wesentlichen und einem unwesentlichen Grundgedanken. In der Literatur
wird daher vorgeschlagen danach zu unterscheiden, ob die gesetzliche Regelung
dazu diene, Interessen des Vertragspartners zu schützen und ob diese gegenüber
den Interessen des Verwenders mit einem gewissen Gewicht überwiegen.165 In der
Praxis dürften die verschiedenen Ansatzpunkte jedoch zu identischen Ergebnissen
führen.166
68 Klassische Beispiele für wesentliche Grundgedanken ergeben sich im Arbeits-
recht aus den §§ 613, 615, 616 BGB. Zu nennen sind u. a. das besondere Verhältnis
von Leistung und Gegenleistung, die Arbeitsleistung als absolute Fixschuld und die
Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung.167

2. Der Sondertatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB


69 Eine unangemessene Benachteiligung ist laut § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Zweifel anzu-
nehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der
Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks
gefährdet ist.
70 Die Natur des Vertrages bestimmt sich durch den Zweck und Inhalt des Vertra-
ges, bei gesetzlich geregelten Verträgen, wie z. B. dem Arbeitsvertrag, zugleich aus
den wesentlichen gesetzlichen Schutznormen.168 Der Zweck des Vertrages ergibt sich
aufgrund eines generellen Prüfungsmaßstabes daraus, was die Parteien typischer-
weise von einem solchen Vertragstypus erwarten konnten. Was die konkreten Par-
teien sich im Einzelfall vorgestellt haben, ist nicht maßgeblich.169
71 Die wesentlichen Rechte und Pflichten lassen sich aus der Natur des Vertrages
ableiten. Von den wesentlichen Pflichten sind zunächst einmal die Hauptleistungs-
pflichten (Kardinalpflichten) erfasst.170 Diesen Pflichten soll sich der Arbeitgeber

164 Zust. Canaris, FS Ulmer, 2003, S. 1073, 1082; krit. zu dieser Differenzierung BeckOK-ArbR/Jacobs,
§ 307 BGB Rn. 50; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 55; Ulmer/Brandner/Hensen/Fuchs, AGB-Recht
Rn. 222 ff.
165 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 50; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 55; Wolf/Lindacher/
Pfeiffer/Pfeiffer, AGB-Recht, § 307 Rn. 115.
166 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 27; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 55; Suckow/Striegel/Niemann/
Niemann, Rn. 93.
167 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 51; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 93.
168 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 34.
169 BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 65; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 97.
170 BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 64; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 34; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307
BGB Rn. 54.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 27

nicht durch AGB entziehen können. Hinzu kommen wesentliche Nebenleistungs-


pflichten, wenn sie für den Arbeitnehmer von grundlegender Bedeutung sind.171 Bei
gegenseitigen Verträgen sind wesentliche Rechte und Pflichten vor allem solche, die
zueinander im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.172

Beispiel
Arbeitsrechtlich besonders relevant ist eine Abweichung vom richterrechtlich entwickelten Grundsatz
der Haftungsverteilung im Arbeitsrecht.173

Durch die Abweichung der Regelung von den Gesetzesbestimmungen muss die Errei- 72
chung des Vertragszwecks gefährdet sein. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichend
wahrscheinlich ist, dass durch die Klausel der Vertragszweck, der objektiv aufgrund
der Natur des Vertrages zu erwarten ist, nicht erreicht werden kann.174 Für eine
Gefährdung bedarf es mehr als nur der bloßen Möglichkeit einer Vereitelung. Eine
gänzliche Vereitelung des Vertragszweckes ist nicht erforderlich, sie wird aber von
§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ebenfalls erfasst.175

3. Verhältnis der beiden Sondertatbestände zueinander


Das Regelbeispiel des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB greift im Gegensatz zu Nr. 1 vor allem dort 73
ein, wo ein dispositives gesetzliches Leitbild fehlt und stellt dabei auf die Natur des
Vertrages ab.176 Liegen die Voraussetzungen beider Sondertatbestände vor, so kann
§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei der Abwägung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB kumulativ heran-
gezogen werden.177

II. Unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

Sind die beiden Sondertatbestände des § 307 Abs. 2 BGB nicht einschlägig, so ist auf 74
die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB zurückzugreifen. Gemäß § 307 Abs. 1 BGB
sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner

171 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 54; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 64; Palandt/Grüneberg,
§ 307 Rn. 34.
172 BGH, Urt. v. 24.10.2001 – VIII ARZ 1/01, Rn. 21.
173 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 54.
174 BGH, Urt. v. 20.6.1984 – VIII ZR 137/83, Rn. 24; BGH, Urt. v. 11.11.1992 – VIII ZR 238/91, Rn. 15;
BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 55; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 66.
175 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 55; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 66; Palandt/Grüneberg,
§ 307 Rn. 36.
176 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 33.
177 Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 102.

Powietzka
28 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benach-
teiligen.
75 Ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, hängt von einer Gesamtab-
wägung aller rechtlichen und tatsächlichen Umstände ab, die von Bedeutung für
die Klausel sind. Die rechtlich anerkannten Interessen der beiden Vertragspartner
müssen wechselseitig berücksichtigt und bewertet werden.178 Festzustellen sind zum
einen die Interessen des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung der AGB-Klausel und
zum anderen die Gründe, die aus Sicht des Arbeitnehmers für den Wegfall der Klausel
sprechen. Die widerstreitenden Interessen müssen im zweiten Schritt gegeneinan-
der abgewogen werden. Dabei ist auf einen generell-typisierenden Beurteilungs-
maßstab abzustellen. Nicht die konkret-individuellen Umstände sind maßgeblich,
sondern die typischerweise anzutreffende Interessenlage.179
76 Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist nach der ständigen Rechtspre-
chung des BGH unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertrags-
gestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners
durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu
berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.180
77 Das BAG hat folgende Maßstäbe für die Prüfung des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB auf-
gestellt. Danach ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses
des Arbeitnehmers unangemessen, die nicht durch begründete und billigenswerte
Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile aus-
geglichen wird.181 Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt
eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennen-
den Interessen voraus, wobei eine umfassende Würdigung beiderseitigen Positionen
unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu erfolgen hat.182
Grundrechtlich geschützte Rechtspositionen sind zu beachten.183 Zur Beurteilung
der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster
Maßstab anzulegen.184 Zu berücksichtigen sind Art und Gegenstand, Zweck und
besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts, die Stellung der Klausel im Gesamtver-
trag, Aspekte einer gerechten Risikoverteilung, die Verkehrssitte oder die Möglichkeit
einer Versicherung des vertraglichen Risikos sowie die den Vertragsschluss beglei-

178 BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56.


179 BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, Rn. 12; BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, Rn. 50; BAG, Urt.
v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 31 f.; BeckOK-BGB/Schmidt,
§ 307 Rn. 29.
180 BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, Rn. 32; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, Rn. 31; BGH,
Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, Rn. 10; BGH, Urt. v. 1.2.2005 – X ZR 10/04, Rn. 21.
181 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, Rn. 16; BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56.
182 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, Rn. 16.
183 BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 31.
184 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, Rn. 16; BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 29

tenden Umstände.185 Zu überprüfen ist, ob die Klausel bei der in Rede stehenden Art
des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen
der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertrags-
partners ergibt.186

Beispiele
Von den Arbeitsgerichten entschiedene Fälle zu § 307 Abs. 1 S. 1 BGB:
– Arbeit auf Abruf: Bei einer Vereinbarung von Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG) darf der Anteil der ab-
rufbaren Arbeitsleistung nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit
betragen.187
– Ausschlussfristen: Einseitige Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen, die nur zum
Ausschluss der Ansprüche des Arbeitnehmers führen, verstoßen gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.188
Zweiseitige Ausschlussfristen sind hingegen nicht generell unwirksam.189
– Rückzahlungsklauseln zu Aus- und Fortbildungskosten: Eine Rückzahlungsklausel, die einen
Mitarbeiter zur Rückzahlung der als Darlehen gewährten Studiengebühren verpflichtet, „wenn
das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigt wird“ und nicht danach unterscheidet, ob der Grund der
Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers
zuzuordnen ist, ist nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, weil durch sie der Arbeitnehmer unan-
gemessen benachteiligt wird.190

III. Transparenzkontrolle, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB

Gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch 78
daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Das Transparenzgebot ist in langjähriger ständiger Rechtsprechung entwickelt 79
worden. Seit In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002
ist dieser Grundsatz im Gesetz in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ausdrücklich normiert. Damit
kam der deutsche Gesetzgeber der Forderung des EuGH, Art. 5 S. 1 der Richtlinie
93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen umzusetzen,
nach. Die Normierung sollte dabei keine inhaltliche Änderung des Grundsatzes mit
sich bringen, sondern diesen lediglich verdeutlichen und klarstellen.191

185 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, Rn. 16, 18; BAG, Urt. v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, Rn. 56;
BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 BGB Rn. 33; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 45 ff.
186 BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, Rn. 16; BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, Rn. 50; BAG,
Urt. v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05, Rn. 30; BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, Rn. 33.
187 BAG, Urt. v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, Rn. 44.
188 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 29.
189 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04.
190 BAG, Urt. v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, Rn. 21.
191 BT-Drs. 14/6040, S. 154; BT-Drs. 14/7052, S. 188.

Powietzka
30 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

80 Nach dem Transparenzgebot sind Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen


entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und
Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen, damit
der Vertragspartner des Verwenders sich bei Vertragsschluss hinreichend über die
rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden und seine bestehenden
Rechte auch durchsetzen kann.192 Die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für
den Vertragspartner des Verwenders, die sich aus der Regelung ergeben, müssen so
deutlich werden, wie es nach den konkreten Umständen gefordert werden kann und
zumutbar ist.193
81 Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertrags-
partner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abge-
halten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon
dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat,
die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner
des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen
seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. v.
§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB. 194

1. Beurteilungsmaßstab
82 Der Maßstab für die Prüfung des Transparenzgebots ist der aufmerksame und sorg-
fältige Vertragspartner und nicht der flüchtige Betrachter.195 Bei der Bewertung der
Transparenz ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durch-
schnittlichen Vertragspartners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen.196
Die Regelung muss für den durchschnittlichen Arbeitnehmer verständlich sein. Auf
das Verständnis und die Erkenntnismöglichkeit des konkret betroffenen Arbeitneh-
mers kommt es aufgrund der typisierenden und generalisierenden Betrachtungs-
weise nicht an.197

192 BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, Rn. 23; BGH, Urt. v. 09.12.2009 – XII ZR 109/08, Rn. 22;
BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, Rn. 29; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 20; BeckOK-ArbR/Jacobs,
§ 307 BGB Rn. 57.
193 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 45; BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, Rn. 29; BGH,
Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08 Rn. 22; BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, Rn. 34; BeckOK-BGB/
Schmidt, § 307 Rn. 43.
194 BAG, Urt. v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, Rn. 29; BAG, Urt. v. 20.3.2013 – 10 AZR 636/11, Rn. 25; BAG,
Urt. v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, Rn. 20.
195 BAG, Urt. v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, Rn. 48; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 23; BeckOK-ArbR/Ja-
cobs, § 307 Rn. 60.
196 BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, Rn. 24; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, Rn. 22;
BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, Rn. 29.
197 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 307 Rn. 60.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 31

2. E
 inzelausprägungen
Im Rahmen des Transparenzgebot lassen sich drei Einzelausprägungen unterschei- 83
den: das Verständlichkeitsgebot, das Bestimmtheitsgebot und das Täuschungs-
verbot. Oftmals überschneiden sich diese drei Ausprägungen in der Praxis, so dass
eine ganz präzise Abgrenzung nur schwer möglich ist.

a) Verständlichkeitsgebot
Das Verständlichkeitsgebot ergibt sich direkt aus dem Wortlaut des § 307 Abs. 1 S. 2 84
BGB, der besagt, dass die Bestimmung klar und verständlich sein muss. Dies bedeu-
tet nicht nur, dass die Regelung klar formuliert sein muss, sondern auch, dass zusam-
mengehörende Regelungen im Zusammenhang erscheinen und nicht in anderen Teil-
regelungen versteckt werden.198 Diese Verpflichtung besteht jedoch nur im Rahmen
des Möglichen und Zumutbaren und darf den AGB-Verwender nicht überfordern.199
Der Arbeitgeber darf in der Gesetzessprache übliche Begriffe übernehmen.200 Das
Verständlichkeitsgebot begründet auch keine allgemeine Rechtsbelehrungspflicht
des Verwenders.201 Zudem führt die bloße Auslegungsbedürftigkeit einer Klausel
nicht zugleich zwingend zu ihrer Intransparenz.202
Sinn und Zweck des Verständlichkeitsgebots ist es, den Vertragspartner davor 85
zu schützen, aufgrund der Intransparenz daran gehindert zu werden, Verhandlungs-
möglichkeiten oder Marktchancen wahrzunehmen.203 In der Gefahr, dass er wegen
unklar abgefasster AGB seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene
Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.204

Beispiele
– Ausschlussfristen: Um dem Transparenzgebot zu genügen, bedarf es aufgrund der weitreichen-
den Folgen von Ausschlussfristen regelmäßig eines Hinweises auf die Rechtsfolge des Verfalls
der Ansprüche bei nicht fristgerechter Geltendmachung.205

198 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 58; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 43.


199 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 45; BGH, Urt. v. 3.6.1998 – VIII ZR 317/97, Rn. 23; BGH,
Urt. v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, Rn. 18.
200 BGH, Urt. v. 2.2.1994 – VIII ZR 262/92, Rn. 14; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 22.
201 BGH, Urt. v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, Rn. 31; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 22; ErfK/Preis, §§ 305–
310 BGB Rn. 44.
202 BGH Urt. v. 5.11.1998 – III ZR 226/97; BGH, Urt. v. 17.12.1998 – VII ZR 243/97; BeckOK-ArbR/Jacobs,
§ 307 BGB Rn. 59; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 44.
203 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 24.
204 BAG, Urt. v. 15.10.2013 – 9 AZR 374/12, Rn. 15.
205 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 26.

Powietzka
32 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

– Ausgleichsquittungen: Eine Ausgleichsquittung, die die wirtschaftlichen Nachteile der An-


spruchsverzichtsformel nicht hinreichend deutlich und verständlich darstellt, verstößt gegen
das Transparenzgebot.206
– Freiwilligkeitsvorbehalt: Bringt der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag eindeutig zum Ausdruck, dass
die Leistung von Sonderzahlungen ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, genügt dies § 307
Abs. 1 S. 2 BGB mit der Folge, dass kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf künftige Leis-
tungen entsteht.207
– Unklares Wettbewerbsverbot: Eine Regelung, in der zwar keine ausdrückliche Entschädigung für
die Dauer des Wettbewerbsverbots zugesagt wird, jedoch zugleich vereinbart wird, dass im Übri-
gen die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff. HGB gelten sollen, ist verständlich genug. Die Be-
zugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften ist angesichts deren Regelungsdichte ausreichend,
um alle wesentlichen Elemente einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede abzudecken.208
– Umfang von Überstunden: Eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist
nur dann klar und verständlich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeits-
leistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss
bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung
er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.209
– Unklare Urlaubsgutschrift auf Arbeitszeitkonto: Eine arbeitsvertragliche Regelung, wonach pro
Kalendertag des Urlaubs ein Zeitäquivalent in das Zeitkonto des Mitarbeiters eingeht, das der
durchschnittlich vereinbarten Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb eines Kalenderjahres ent-
spricht, ist intransparent, zumal wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag davon abgesehen hat,
die durchschnittlich vereinbarte Arbeitszeit pro Kalendertag innerhalb eines Kalenderjahres an-
zugeben.210
– Unklare Kürzung von arbeitsvertraglichem Mehrurlaub aufgrund Erkrankung: Eine Kürzungsre-
gelung, die dem Arbeitnehmer nicht hinreichend klar aufzeigt, in welchem Umfang sein vertrag-
licher Mehrurlaubsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit gekürzt wird, ist intransparent.211

b) B
 estimmtheitsgebot
86 Das Bestimmtheitsgebot verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und
Rechtsfolgen einer Klausel so genau beschrieben und konkretisiert werden, dass für
den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen, der
Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen
kann und von deren Durchsetzung nicht abgehalten wird. Eine Klausel genügt dem
Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich
Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so
klar und präzise wie möglich umschreibt. Eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots

206 LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.4.2005 – 12 Sa 154/05, Rn. 58 f.


207 BAG, Urt. v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, Rn. 29.
208 BAG, Urt. v. 28.6. 2006 – 10 AZR 407/05.
209 BAG, Urt. v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, Rn. 14.
210 BAG, Urt. v. 19.6.2012 – 9 AZR 712/10, Rn. 15.
211 BAG, Urt. v. 15.10.2013 – 9 AZR 374/12, Rn. 16 f.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 33

liegt dagegen vor, wenn eine Klausel vermeidbare Unklarheiten und Spielräume ent-
hält.212

Beispiele
– Auflösende Bedingungen: Wird eine auflösende Bedingung im vorformulierten Arbeitsvertrag
vereinbart, so muss der Zeitpunkt der Auflösung hinreichend und eindeutig bestimmbar sein.213
– Versetzungsklauseln: Eine formularmäßige Versetzungsklausel verstößt nicht allein deshalb ge-
gen das Bestimmtheitsgebot, weil keine konkreten Versetzungsgründe genannt sind.214 Auch
müssen Versetzungsklauseln nicht zwingend Ankündigungsfristen oder den zulässigen Entfer-
nungsradius angeben.215
– Vertragsstrafen: Voraussetzung für die ausreichende Bestimmtheit einer Vertragsstrafenverein-
barung ist nicht nur, dass die sie auslösende Pflichtverletzung so klar bestimmt ist, dass sich der
Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen kann, sondern auch, dass die zu leistende
Strafe ihrer Höhe nach klar und bestimmt ist.216 Eine Vertragsstrafenklausel genügt nur dann
dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn das die Vertragsstrafe auslösende
Fehlverhalten des Arbeitnehmers präzise beschrieben ist. Dem steht eine sich vom Wortlaut lö-
sende und den Anwendungsbereich erweiternde Auslegung entgegen.217
– Erstattung von Weiterbildungskosten: Eine Rückzahlungsklausel muss nach Ansicht des BAG
zumindest Art und Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten angeben, sonst
kann der Arbeitnehmer sein Rückzahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen. Erforderlich ist
die genaue und abschließende Bezeichnung der einzelnen Positionen (z. B. Lehrgangsgebühren,
Fahrt-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten), aus denen sich die Gesamtforderung zusam-
mensetzen soll, und die Angabe, nach welchen Parametern die einzelnen Positionen berechnet
werden.218
– Leistungsboni: Für die hinreichende Bestimmtheit eines Leistungsbonus genügen die Angaben,
dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren
in seine Bemessung einfließen. Dass sich der Arbeitgeber die Bestimmung der Leistung vorbe-
hält, macht die Vereinbarung nicht unklar.219
– Gratifikationen: Eine arbeitsvertragliche Klausel, nach der der Arbeitgeber jährlich jeweils neu
über die Höhe der Weihnachtsgratifikation entscheidet, verstößt nicht gegen das Bestimmt-
heitsgebot. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit ist regelmäßig hinnehmbar, insbe-
sondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung freiwillig und nicht von der Erbringung einer
Gegenleistung abhängig ist.220

212 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04; BAG, Urt. v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06; BGH, Urt. v.
26.10.2005 – VIII ZR 48/05, Rn. 23; BGH, Urt. v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, Rn. 26.
213 BAG, Urt. v. 27.10.1988 – 2 AZR 109/88, Rn. 52.
214 BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, Rn. 39 ff.
215 BAG, Urt. v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, Rn. 32.
216 BAG, Urt. v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, Rn. 27; BAG, Urt. v. 21.4. 2005 – 8 AZR 425/04, Rn. 31.
217 BAG, Urt. v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, Rn. 25.
218 BAG, Urt. v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, Rn. 19; BAG, Urt. v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, Rn. 13.
219 BAG, Urt. v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12, Rn. 25; BAG, Urt. v. 20.3.2013 – 10 AZR 636/11, Rn. 26.
220 BAG, Urt. v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, Rn. 21 ff.

Powietzka
34 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

c) T
 äuschungsverbot
87 Durch das Täuschungsverbot sollen irreführende Klauseln ausgeschlossen werden.
Der Vertragspartner wird durch eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder
missverständlich darstellt, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemes-
sen benachteiligt.221 Durch täuschende Klauseln hat der Verwender die Möglichkeit,
berechtigte Ansprüche des Vertragspartners abzuwehren oder unberechtigte Pflich-
ten von ihm zu verlangen.222
88 Eine Täuschungsabsicht ist nicht erforderlich, es genügt eine objektive Eignung
zur Irreführung.223

Beispiele
– Doppelte Schriftformklausel: Unwirksam ist eine Schriftformklausel, wenn sie dazu dient, nach
Vertragsschluss getroffene Individualvereinbarungen zu unterlaufen, indem sie beim anderen
Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam.
Solche Klauseln sind geeignet, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich auf die Rechte zu beru-
fen, die ihm auf Grund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen würden.224
– Bonuszahlung: Ein Verstoß gegen das Täuschungsverbot liegt vor, wenn der Arbeitgeber in
einem von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag sich zu einer Bonuszahlung verpflichtet und im
Widerspruch dazu in einer anderen Vertragsklausel einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers
auf eine Bonuszahlung ausschließt. Dadurch ist die Bonusregelung nicht insgesamt unwirksam,
sondern nur insoweit, als der Arbeitnehmer durch den Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf
die Bonuszahlung benachteiligt wird.225

3. Besonderheiten im Arbeitsrecht
89 Die gemäß § 310 Abs. 4 S. 2, Hs. 1 BGB im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind
auch im Rahmen der Transparenzkontrolle zu beachten.

Beispiel
– Dynamische Verweisungen: Bezugnahmen auf bspw. Tarifverträge oder beamtenrechtliche Re-
gelungen226 sind im Arbeitsrecht gebräuchlich und entsprechen einer üblichen Regelungstech-
nik. Oftmals ist dies sogar ausdrücklich in arbeitsrechtlichen Gesetzen erlaubt.227
– Eine Regelung verstößt auch nicht deshalb gegen das Transparenzgebot, weil sie dynamisch
ausgestaltet ist. Auch dynamische Bezugnahmeklauseln entsprechen der üblichen Regelungs-
technik und dienen den Interessen beider Parteien. Dies ergibt sich aus der Zukunftsgerichtet-

221 BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, Rn. 33.


222 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 24.
223 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 27; BeckOK-BGB/Schmidt, § 307 Rn. 43; .
224 BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn. 39 f.
225 BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, Rn. 12, 20.
226 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 28; BAG, Urt. v. 8.11.2006 – 5 AZR 5/06, Rn. 17; BAG, Urt.
v. 12.11.2006 – 9 AZR 675/05, Rn. 15; BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 369/05 , Rn. 22.
227 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 27 ff.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 35

heit von Arbeitsverhältnissen.228 Ausreichend ist, dass die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwen-
dung in Bezug genommenen Regelungen bestimmbar sind.229 Das Bundesarbeitsgericht legt
eine Bezugnahme auf einen genau bestimmten Tarifvertrag sogar ohne ausdrückliche Regelung
als dynamische Bezugnahme aus, wenn keine Anhaltspunkte für eine abweichende Absicht der
Parteien bestehen.230

4. U mstandskontrolle
Die Umstandskontrolle gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB erlangt vor allem bei der Trans- 90
parenzkontrolle Bedeutung. Eine an sich unklare und intransparente Regelung kann
durch das Heranziehen der den Vertragsschluss begleitenden Umstände, wie
z. B. Erläuterungen vor oder nach Vertragsschluss231 oder besondere Kenntnisse des
Arbeitnehmers232 transparent und somit geheilt werden.233

IV. Schranken der Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 S. 1 BGB

§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB normiert die Schranken der Inhaltskontrolle. Danach gelten §§ 307 91
Abs. 1 und 2, 308, 309 BGB nur für Bestimmungen in AGB, durch die von Rechtsvor-
schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind nicht nur die Geset- 92
zesbestimmungen selbst, sondern die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden
allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, d. h. auch alle ungeschriebenen Rechts-
grundsätze, die Regeln des Richterrechts oder die aufgrund ergänzender Auslegung
nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Schuldverhältnisses zu
entnehmenden Rechte und Pflichten.234
Durch den Wortlaut des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB werden der Inhaltskontrolle in zwei- 93
erlei Hinsicht Schranken gesetzt:235
Zum einen unterliegen Klauseln, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholen, 94
sog. deklaratorische Klauseln, nicht der Inhaltskontrolle. Grund dafür ist einerseits,
dass an die Stelle der unwirksamen Klausel ohnehin die gesetzliche Regelung träte

228 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 29; BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04; BAG, Urt. v.
6.11.2002 – 5 AZR 330/01.
229 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 29.
230 BAG, Urt. v. 5.4.2006 – 4 AZR 390/05, Rn. 43; BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 29.
231 BAG, Urt. v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, Rn. 37.
232 Lakies Rn. 289; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 48.
233 Nähere Ausführungen zu § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei Rn. 34.
234 BAG, Urt. v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, Rn. 20; BAG, Urt. v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06; Rn. 24;
BAG, Urt. v. 11.11.2006 – 5 AZR 721/05, Rn. 18.
235 BT-Drucks. 7/3919, S. 22.

Powietzka
36 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

und andererseits sonst eine mittelbare Normenkontrolle drohen würde.236 Ist bei-
spielsweise ein Arbeitgeber aufgrund einer Klausel berechtigt, den Arbeitnehmer im
Betrieb einer anderen gleichwertigen Arbeit, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten
entspricht, zuzuweisen, so unterfällt diese Regelung nicht der Inhaltskontrolle, da
sie den Inhalt des § 106 GewO nahezu wörtlich wiedergibt.237 Das Transparenzgebot
setzt jedoch auch deklaratorischen Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 i. V. m. § 307 Abs. 1
S. 2 BGB Schranken. Zudem unterliegen Klauseln, die einen gesetzlich vorgegebenen
Rahmen ausfüllen (sog. normausfüllende Klauseln) oder ergänzen, der Inhalts-
kontrolle.238 Dies gilt auch dann, wenn die Klausel ausdrücklich als Erlaubnisnorm
ausgestaltet ist, weil auch in diesem Fall eine gesetzliche Regelung ergänzt wird.239
95 Zum anderen sind von der Inhaltskontrolle auch vertragliche Leistungsbe-
schreibungen und Preisabreden ausgenommen.240 Dies wird in Art. 4 Abs. 2 RL
93/13/EWG wesentlich deutlicher formuliert als in der deutschen Norm. Dort heißt es:
„Die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln betrifft weder den Hauptgegen-
stand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt
für die Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern
diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind.“ § 307 Abs. 3 S. 1 BGB dient damit
der Abgrenzung zweier Kontrollmechanismen, und zwar dem Wettbewerb und dem
Markt, geprägt von Angebot und Nachfrage, einerseits und der richterlichen Ange-
messenheitskontrolle andererseits.241 Auf funktionierenden Märkten bestimmen sich
die Preise durch den Wettbewerb und es ist gerade nicht Aufgabe des Gerichts, über
die §§ 305 ff. BGB den „gerechten Preis“ zu ermitteln.242 Auch das Verhältnis von Leis-
tung und Gegenleistung richtet sich in einer Marktwirtschaft grundsätzlich nach den
Gesetzen von Angebot und Nachfrage.243 Im Arbeitsrecht ist die Vergütung häufig kol-
lektiv durch Tarifverträge geprägt. Aus diesen Gründen sollen Vereinbarungen, die
sich am Markt orientieren, kontrollfrei sein. Der gerichtlichen Kontrolle sind daher

236 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 6; Stoffels, JZ 2001, 843, 844.


237 BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, Rn. 39; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 35.
238 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 34; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 53; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307
Rn. 7.
239 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 34; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 10; Suckow/Striegel/Nie-
mann/Niemann, Rn. 149; aA Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 66 ff.; Canaris, NJW 1987, 606, 611.
240 BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, Rn. 10; Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 44; ErfK/Preis, §§ 305–
310 BGB Rn. 36, MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 1, 12, 16.
241 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 36; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 142; Stoffels, JZ 2011,
843, 847 f.
242 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 44; BAG, Urt. v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, Rn. 25; BAG,
Urt. v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, Rn. 15; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 36; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307
Rn. 16; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 142; Stoffels, JZ 2011, 843, 847 f.
243 MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 1.

Powietzka
D. Inhaltskontrolle nach § 307 BGB 37

die Leistungsbeschreibungen entzogen, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten
Leistung festlegen.244
Leistungsbeschreibungen und Preisbestimmungen können jedoch gemäß § 307 96
Abs. 3 S. 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB bei einem Verstoß gegen das Transpa-
renzgebot unwirksam sein. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB beruht auf der Erwägung, dass ein
Mindestmaß an Transparenz der Preisgestaltung einen funktionierenden Wettbewerb
erst ermöglicht.245 Nur so kann die Markttransparenz gewährleistet werden.246 Zudem
obliegt es dem Richter zu prüfen, ob eine Klausel den Vertragspartner unangemessen
benachteiligt. Ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird jedoch
nur am Maßstab der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) kontrolliert.247 Darüber hinaus steht
§ 307 Abs. 3 S. 1 BGB einer Kontrolle der Hauptleistungspflichten nicht entgegen,
wenn diese durch Rechtsvorschriften bestimmt werden.248

Beispiele
Kontrollfrei im Arbeitsrecht sind Klauseln zu:
– Arbeitszeit, Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt, d. h. Abreden über den unmittelbaren Gegen-
stand der Hauptleistung und des dafür zu entrichtenden Entgelts249
– Abschluss, Änderung und Aufhebung eines Arbeitsvertrages250
– Umfang der geschuldeten Arbeitszeitdauer251
– Tätigkeitsbeschreibungen des Arbeitnehmers252
– Vereinbarter Ort einer Tätigkeit.253
Kontrollfähig dagegen sind:
– Preisnebenabreden, die zwar mittelbar Auswirkung auf den Preis haben, an deren Stelle aber bei
Unwirksamkeit eine dispositive gesetzliche Regelung treten kann254
– Einseitige Leistungsbestimmungsrechte im Bereich der Hauptleistungspflichten.255

244 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 46; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 147.
245 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 44; MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 Rn. 20.
246 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 37.
247 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 36.
248 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 44; BGH, Urt. v. 30.10.1991 – VIII ZR 51/91, Rn. 14; BGH
Urt. v. 9.7.1981 – VII ZR 139/80, Rn. 12.
249 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, Rn. 44; BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 24; ErfK/
Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 36.
250 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 38.
251 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, Rn. 23.
252 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 38.
253 BAG, Urt. v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, Rn. 15.
254 BGH, Urt. v. 18.4.2002 – III ZR 199/01, Rn. 14; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 40.
255 BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, Rn. 19.

Powietzka
38 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

E. Besondere Klauselverbote, §§ 308, 309 BGB

I. Die §§ 308, 309 BGB als Spezialregelungen zu § 307 BGB

97 Die besonderen Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB konkretisieren die in § 307 BGB
enthaltene Generalklausel.256 Ihnen kommt aber eine selbständige Bedeutung zu, da
sie die Unwirksamkeit selbst anordnen. 257
98 Zunächst sind die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit gemäß
§ 309 BGB zu prüfen, daraufhin die besonderen Klauselverbote mit Wertungsmöglich-
keit i. S. d. § 308 BGB und zuletzt § 307 BGB. Eine Klausel, die nach ihrem Regelungs-
gehalt in den Anwendungsbereich der §§ 308, 309 BGB fällt, mit den in Betracht kom-
menden Einzelverboten aber nicht kollidiert, kann aus besonderen, von den §§ 308,
309 BGB nicht erfassten Gründen nach der Generalklausel des § 307 BGB unwirksam
sein. Die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB darf jedoch nicht zu einer Umgehung der in
den §§ 308, 309 BGB zum Ausdruck kommenden Regelungsabsicht führen.258 Ist die
Klausel dagegen aus tatbestandlichen Gründen nach den §§ 308, 309 BGB wirksam
und deshalb von den beiden Normen nicht erfasst, so kann anschließend eine
Inhaltskontrolle nach § 307 BGB erfolgen.259

II. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB

99 § 308 BGB entspricht dem beinahe unveränderten übernommenen § 10 AGBG. In der


Vorschrift werden eine Reihe von AGB-Klauseln aufgezählt, die im Einzelfall unter
Abwägung aller Umstände zu einer unangemessenen Benachteiligung des Ver-
tragspartners führen können. Da das Unwirksamkeitsurteil vom Einzelfall abhängt,
wurden unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unangemessen“, „unzumutbar“ oder „sach-
lich nicht gerechtfertigt“ verwendet, die einer Wertung durch das Gericht bedürfen.260
Da § 308 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind bei der Abwägung auch die Wertungen
des § 307 BGB heranzuziehen.261
100 § 308 Nr. 3 BGB und § 308 Nr. 8 BGB sind im Arbeitsrecht nur von geringer Bedeu-
tung, da sie keine Dauerschuldverhältnisse betreffen.262 § 308 Nr. 3 BGB kommt jedoch
bei einer vom Arbeitgeber vorbehaltenen einseitigen Lösungsmöglichkeit von einem

256 Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 1.


257 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 Rn. 2; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 150.
258 BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95;Palandt/Grüneberg, § 307 Rn. 2.
259 MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Rn. 3, § 309 Rn. 4 f; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 153.
260 MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Rn. 2; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn. 1; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308
Rn. 1.
261 BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, Rn. 20.
262 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 Rn. 7, 37.

Powietzka
E. Besondere Klauselverbote, §§ 308, 309 BGB 39

Vorvertrag zur Anwendung. Bei einem Vorvertrag zu einem Arbeitsvertrag handelt es


sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis.263 Ein solcher einseitiger Rücktrittsvorbe-
halt in einem Vorvertrag i. S. d. § 308 Nr. 3 BGB ist nur dann wirksam, wenn in ihm
der Grund für die Lösung vom Vertrag mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist
und ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Aufnahme in den Vertrag vorliegt.264
Von besonderer Relevanz ist § 308 Nr. 4 BGB im Arbeitsrecht. Danach ist die Ver- 101
einbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder
von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder
Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen
Vertragsteil zumutbar ist.
Seit die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht entfallen ist (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 102
BGB), ist die Norm auf Formulararbeitsverträge, die Änderungsvorbehalte hinsicht-
lich einzelner Lohnbestandteile enthalten, anwendbar.265
Nicht unter § 308 Nr. 4 BGB fallen solche Klauseln, die nicht die Leistungen des 103
Verwenders (Arbeitgeber) betreffen, sondern nicht die versprochene Leistung des
Vertragspartners (Arbeitnehmer).266 Dies ist z. B. bei Versetzungsvorbehalten267 und
Vereinbarungen über Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG)268 der Fall. Ebenfalls nicht von
§ 308 Nr. 4 BGB erfasst sind Freiwilligkeitsvorbehalte, da es bei diesen bereits an der
„versprochenen Leistung“ im Sinne des § 308 Nr. 4 BGB fehlt.269

III. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB

§ 309 BGB, der mit wenigen, nicht erheblichen Änderungen § 11 AGBG übernommen 104
hat, sieht im Gegensatz zu § 308 BGB keine Wertungsmöglichkeiten vor und enthält
deshalb auch keine entsprechenden unbestimmten Rechtsbegriffe.270 Die Unange-
messenheit und damit die Unwirksamkeit der Klausel tritt kraft gesetzgeberischer
Wirkung ein.271 Die Klauselverbote des § 309 BGB konkretisieren insbesondere § 307
Abs. 2 BGB, d. h. sie erfassen solche Klauseln, die nicht mit wesentlichen Grundge-

263 BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, Rn. 27; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 Rn. 7
264 BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, Rn. 32; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 Rn. 7
265 BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, Rn. 30; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Rn. 5; ErfK/Preis,
§§ 305–310 BGB Rn. 53.
266 BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, Rn. 31; BeckOK-ArbR/Jacobs, § 308 Rn. 9; Suckow/Striegel/
Niemann/Niemann, Rn. 157.
267 BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, Rn. 31.
268 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, Rn. 39.
269 BAG, Urt. v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, Rn. 17, str.
270 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 309 Rn. 1; Palandt/Grüneberg, 309 Rn. 1.
271 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 309 Rn. 1.

Powietzka
40 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

danken der Privatrechtsordnung zu vereinbaren sind oder eine Aushöhlung wesentli-


cher Rechte und Pflichten zur Folge haben.272
105 Bislang hat das BAG noch keine Klausel alleine wegen der besonderen Klausel-
verbote des § 309 BGB für unwirksam erklärt.273
106 Aus der Gesetzesbegründung274 ergibt sich, dass im Rahmen des § 309 BGB die
im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (vgl. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB) angemessen
zu berücksichtigen sind. 275 Aus diesem Grund lässt das BAG bei Vertragsstrafen, die
zwar grundsätzlich unter § 309 Nr. 6 BGB fallen, die Norm unangewendet und prüft
die Wirksamkeit der Regelung am Maßstab des § 307 BGB mit der Folge, dass die Wer-
tungsmöglichkeit gegeben ist.276

F. Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln, § 306 BGB

I. Unwirksamkeit (nur) der Klausel

107 § 306 Abs. 1 BGB ordnet die Aufrechterhaltung des Vertrags an, falls AGB ganz oder
teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Dies stellt eine
Abweichung des § 139 BGB dar, der vorsieht, dass Teilnichtigkeit grundsätzlich zur
Gesamtnichtigkeit des Vertrags führt. Allerdings gilt dieser Grundsatz im Arbeitsrecht
nur sehr eingeschränkt, da die bloße Teilnichtigkeit bei Fortbestand des Arbeitsver-
trags nach § 139 Hs. 2 BGB der Regelfall ist, insbesondere wenn ein Verstoß gegen
arbeitnehmerschützende Normen vorliegt und daher anzunehmen ist, dass das
Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre.277 Dies
entspricht grundsätzlich dem Interesse des Arbeitnehmers. Müsste dieser um den
Bestand des mit seinem Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsvertrags fürchten, wäre
die Effektivität der Inhaltskontrolle nicht gewährleistet. Daher ist auch die Ver-
einbarung der Gesamtnichtigkeit durch die Parteien nicht möglich ist (vgl. § 306a
BGB).278 An die Stelle der unwirksamen Vertragsbedingung treten nach § 306 Abs. 2
BGB die geltenden gesetzlichen Vorschriften, nach denen sich der Inhalt des Ver-
trags dann richtet.
108 Eine Gesamtunwirksamkeit des Vertrags ist nach § 306 Abs. 3 BGB nur ausnahms-
weise denkbar, wenn das Festhalten an diesem eine unzumutbare Härte für einen

272 Palandt/Grüneberg, § 309 Rn. 1; Suckow/Striegel/Niemann/Niemann, Rn. 160.


273 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 309 Rn. 1; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 41.
274 BT-Drs. 14/6857, S. 54.
275 BeckOK-ArbR/Jacobs, § 309 Rn. 1; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 11.
276 BAG, Urt. v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, Rn. 13 ff.
277 BAG, Urt. v. 23.1.1990 – 3 AZR 58/88, Rn. 38; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 342; Palandt/Ellenberger,
§ 139 BGB Rn. 3, 18, § 611 BGB Rn. 21, 23.
278 Lakies, Kap. 1 Rn. 392 f.

Powietzka
F. Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln, § 306 BGB 41

der Vertragspartner darstellen würde. Dabei sind auch die nach § 306 Abs. 2 BGB
anstelle der unwirksamen Regelung geltenden gesetzlichen Vorschriften zu beach-
ten. Eine solche unzumutbare Härte liegt vor, wenn durch den Wegfall der AGB das
Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist.279 Im Arbeitsrecht wird die Anwen-
dung des § 306 Abs. 3 BGB eher restriktiv gehandhabt, da eine Gesamtunwirksamkeit
den Interessen des Arbeitnehmers in aller Regel nicht gerecht wird und insbesondere
mit den Kündigungsschutzvorschriften kollidieren würde.280

II. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion

Sofern eine Vertragsbedingung gegen die §§ 307 ff. BGB verstößt, so wird die Klausel 109
nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion aufrechterhalten, sondern ist ins-
gesamt unwirksam.281 An ihre Stelle treten die gesetzlichen Vorschriften gem. § 306
Abs. 2 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion, durch die eine unzulässige Klausel
auf das gerade noch zulässige oder angemessene Maß zurückgeführt wird, ist unzu-
lässig, da dies dem Schutzzweck der §§ 307 ff. BGB – die Berücksichtigung der Inte-
ressen der anderen Vertragspartei – widersprechen würde und der Verwender ohne
Risiko bedenkenlos unwirksame Klauseln in den Vertrag aufnehmen könnte.282

III. Besonderheit bei „Altverträgen“

Ausnahmsweise kann bei „Altverträgen“, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, 110
eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht kommen. Im Jahr 2005 hat der 5.
Senat des BAG entschieden, dass eine ergänzende Vertragsauslegung zur Aus-
füllung der sich aus einer unwirksamen AGB ergebenden Vertragslücke in Betracht
kommt.283 Danach könne beispielsweise ein Widerrufsvorbehalt, der entgegen der
neueren Rechtsprechung keine sachlichen Gründe für einen Widerruf nenne, im kon-
kreten Fall dahin ausgelegt werden, dass jedenfalls ein Widerruf aus wirtschaftlichen
Gründen möglich sei.
In den neueren Entscheidungen schränken der 9. und 10. Senat eine ergänzende 111
Vertragsauslegung für Altverträge jedoch wieder ein. Eine ergänzende Vertragsaus-

279 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 147.


280 Lakies, Kap. 1 Rn. 395; DLW/Baeck/Winzer, Kap. 2 Rn. 540; zum Kündigungsschutz des Arbeit-
nehmers siehe Kap. 6 Rn. 123 ff.
281 Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 6; Lakies, Kap. 1 Rn. 396.
282 Ständige Rspr., vgl. BGH, Urt. 23.1.2013 – VIII ZR 80/12, Rn. 25; BAG, Urt. v. 28.9.2005 – 5 AZR
52/05, Rn. 39; s. auch Lakies, Kap. 1 Rn. 397; vgl. auch Kap. 9 Rn. 31 ff. (Zulässigkeit salvatorischer Klau-
seln).
283 BAG, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, Rn. 34.

Powietzka
42 Kapitel 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsvertrag

legung soll demnach nur dann stattfinden, wenn der Arbeitgeber innerhalb der vom
Gesetzgeber eingeräumten Übergangsfrist bis zum 31.12.2002 versucht hat, mit dem
Arbeitnehmer eine einvernehmliche Änderung der unwirksamen Klausel zu errei-
chen. Der Arbeitgeber hätte danach dem Arbeitnehmer ein entsprechendes Vertrags-
änderungsangebot unterbreiten müssen, durch welches die unwirksame Klausel
auf ein zumutbares Maß zurückgeführt worden wäre und welches der Arbeitnehmer
redlicherweise hätte annehmen müssen. Nur wenn sich der Arbeitnehmer zu einer
solchen Vertragsanpassung nicht bereit erklärt habe, wäre es eine unzumutbare
Härte für den Arbeitgeber, wenn zu seinen Lasten von der Unwirksamkeit der Klausel
ausgegangen würde.284 Nur in diesem Fall könne eine ergänzende Vertragsauslegung
erfolgen. Diese einschränkende Rechtsprechung ist abzulehnen. Es ist zum einen
bereits unklar, welche Vertragsänderungen ein Arbeitnehmer redlicherweise hätte
annehmen müssen, da eine Pflicht zur Annahme von angebotenen Vertragsänderun-
gen grundsätzlich nicht besteht. Zum anderen ist schwer nachvollziehbar, inwiefern
die Auslegung einer Vertragsbestimmung davon abhängig sein sollte, welche mögli-
chen Vertragsänderungen die Parteien nicht vereinbart haben. Die Praxis wird sich
aber darauf einrichten müssen, dass eine ergänzende Vertragsauslegung wohl auf
Ausnahmefälle beschränkt bleiben wird.

IV. Teilunwirksamkeit (blue-pencil-test)

112 Ist eine Vertragsklausel dagegen nur in bestimmten Teilen unwirksam und enthält
sie neben der unwirksamen Bestimmung auch unbedenkliche Elemente, die inhalt-
lich und sprachlich vom unwirksamen Teil abtrennbar sind, bleibt die Klausel im
Übrigen wirksam, auch wenn die beiden Teile den gleichen Sachkomplex betref-
fen.285 Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist die Teilbarkeit einer Bestimmung
durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln.286 Maßgeblich ist, ob die
Klausel mehrere sachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich
eindeutig abgrenzbar ist, was nicht bei einem eindeutig einheitlichen Wortlaut der
Fall ist.287 Verbleibt nach „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung eine ver-
ständliche Regelung, bleibt diese bestehen (sog. blue-pencil-test).288 Dies ist immer
dann gegeben, wenn an sich nicht zusammengehörende AGB formal verbunden
werden.289 Jedoch darf die Schwelle zur geltungserhaltenden Reduktion nicht über-

284 BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 284/06, Rn. 36, 38; BAG, Urt. v. 11.02.2009 – 10 AZR 222/08, Rn. 36.
285 Palandt/Grüneberg, § 306 Rn. 7.
286 BAG, Urt. v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, Rn. 36; BAG, Urt. v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, Rn. 64; BAG, Urt.
v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, Rn. 28.
287 BAG, Urt. v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, Rn. 36; MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 146.
288 BAG, Urt. v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, Rn. 36; BAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn. 27.
289 MaSiG/Maschmann, Kap. B Rn. 146.

Powietzka
F. Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln, § 306 BGB 43

schritten werden, was z. B. dann der Fall wäre, wenn eine Intransparenz (§ 307 Abs. 1
S. 2 BGB) aufgrund des Zusammenspiels mehrerer Klauseln besteht und diese durch
Streichung einzelner Klauseln beseitigt werden würde.290

Beispiel
– Die Teilunwirksamkeit spielt bspw. bei Stichtagsklauseln eine wichtige Rolle. Laut BAG kann
eine Sonderzahlung, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung dar-
stellt, in AGB nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des jewei-
ligen Bezugszeitraums abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.
Eine derartige Stichtagsklausel benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen i. S. d. § 307
Abs. 1 BGB, da sie ihm bereits verdientes Arbeitsentgelt entziehen könne und ihn in unzulässiger
Weise an den Arbeitgeber binde.291
– In einer früheren Entscheidung hat der 10. Senat des BAG eine solche Klausel jedoch als teilbar
angesehen mit der Folge, dass die Klausel teilweise aufrechterhalten blieb. Der Senat war der
Ansicht, dass wenn das Wort „ungekündigt“ gestrichen werde, die Auszahlung des Bonus nur
noch das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Abschluss des Geschäftsjahres voraussetze.
Die Klausel sei somit sprachlich teilbar und bei Streichung des Wortes „unkündbar“ bleibe als
verständliche Regelung immer noch die Bestimmung eines Stichtags übrig.292 Der verbliebene
Teil der Klausel sei wirksam.
– Im Jahr 2013 hat der derselbe Senat Abstand von dieser Rechtsprechung genommen. Er geht
nun davon aus, dass eine solche Klausel nicht teilbar ist. Begründet wird dies damit, dass die
Regelung mit dem Zusammenspiel von Bestand und besonderer Qualität („ungekündigt“) des
Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung die Betriebstreue und Motivation des Ar-
beitnehmers verfolge. Die Erweiterung der Bestandsvoraussetzung lasse sich wegen der damit
verfolgten Ziele nicht sinnvoll aufspalten.293 Die daraus resultierende Unteilbarkeit der Klausel
habe zur Folge, dass die Vereinbarung insgesamt unwirksam sei.

290 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn. 103 mwN zur Rspr.; zum Transparenzgebot vgl. Rn. 78 ff.; zum
Verbot der geltungserhaltenden Reduktion siehe Rn. 109.
291 BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, Rn. 10; BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 842/12, Rn. 23.
292 BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, Rn. 11.
293 BAG, Urt. v. 13.11.2013 – 10 AZR 842/12, Rn. 27.

Powietzka
Kapitel 3
Arbeitsleistung

A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung

I. Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Tätigkeit und Arbeitsort

Der Arbeitgeber hat gemäß § 106 GewO das Recht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleis- 1
tung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen, wenn und soweit Ort, Zeit und
Inhalt nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung,
einen anwendbaren Tarifvertrag oder durch das Gesetz festgelegt sind (sog. Direk-
tionsrecht). Die arbeitsvertraglich normierten Hauptleistungspflichten stellen somit
die Grenze des Direktionsrechts dar. Möchte der Arbeitgeber diese überschreiten, liegt
eine Vertragsänderung vor, die nur einvernehmlich bzw. mittels einer Änderungskün-
digung herbeigeführt werden kann.1
Das in § 106 S. 1 GewO normierte Direktionsrecht findet dort seine Grenze, wo es 2
zu einer dauerhaften Absenkung des qualitativen Niveaus der Arbeitsleistung führt.2
Möchte sich der Arbeitgeber also eine möglichst weitreichende Flexibilisierung 3
hinsichtlich der Art und des Ortes der Tätigkeit des Arbeitnehmers bewahren, ist es
empfehlenswert insbesondere hinsichtlich der Tätigkeit des Arbeitnehmers lediglich
eine Vereinbarung zur „Berufsbeschreibung“ bzw. „Position“ des Arbeitnehmers zu
treffen und insbesondere von detaillierten Stellenbeschreibungen im Arbeitsvertrag
abzusehen. Auch hinsichtlich des Arbeitsortes sollten dann keine detaillierten Rege-
lungen bzw. gar keine Regelung getroffen werden, um eine möglichst weitreichende
Flexibilisierung für den Arbeitgeber zu ermöglichen.3
Zu beachten ist jedoch, dass die weitreichende Flexibilisierungsmöglichkeit 4
des Arbeitgebers hinsichtlich der Tätigkeit und/oder des Arbeitsorts der Arbeitneh-
mer durch eine möglichst offene bzw. gar keine arbeitsvertraglichen Regelungen
dazu führt, dass insbesondere die betriebsbedingten Kündigungsmöglichkeiten des
Arbeitgebers erheblich eingeschränkt werden. Denn je weiter Tätigkeit und Arbeitsort
geregelt sind, desto weiter ist auch der Kreis vergleichbarer Arbeitnehmer im Rahmen
einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG.4 Darüber hinaus kann eine solche weite
arbeitsvertragliche Regelung dazu führen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer

1 Moll/Gragert, Münchener Anwaltshdb. ArbR, 3. Auflage 2012, § 12 Rn 20.


2 HWK/Lembke, 6. Auflage 2014, § 106 GewO Rn 17.
3 Zu beachten ist allerdings, dass § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 NachwG die Pflicht des Arbeitgebers normie-
ren, Ort und Tätigkeit in einer Niederschrift festzulegen bzw. einen Hinweis darauf zu geben, dass es
zu Einsätzen an verschiedenen (Arbeits-)Orten kommen kann.
4 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06; BAG, Urt. v. 15.08.2002 – 2 AZR 195/01.

Köhn/Puhl
46 Kapitel 3 Arbeitsleistung

ggf. versetzen muss, um einen passenden leistungsgerechten Arbeitsplatz für einen


Arbeitnehmer zu finden, der in seiner Leistung gemindert ist.5 Im Rahmen der Ver-
tragsgestaltung sollte daher immer abgewogen werden, ob und wenn ja in welchem
Umfang die Flexibilisierung für den Arbeitgeber tatsächlich sinnvoll ist.

II. Versetzungsklauseln

1. Allgemeine Erwägungen
5 Der Arbeitgeber hat außerdem die Möglichkeit sein Direktionsrecht durch sog. Ver-
setzungsklauseln auszugestalten bzw. insbesondere zu erweitern. Versetzungsklau-
seln können sowohl Änderungen in Bezug auf die Art der Tätigkeit als auch in Bezug
auf den Ort der Tätigkeit vorsehen. Versetzungsklauseln dienen somit dem Flexibili-
sierungs- und Anpassungsbedarf des Arbeitgebers, der dadurch auf Änderungen des
Tätigkeitsorts und -inhalts reagieren kann. Sofern die Klausel die Versetzung an ein
anderes Unternehmen bezweckt, spricht man von einer Konzernversetzungsklausel.

2. Wirksamkeitsanforderungen an Versetzungsklauseln
6 Versetzungsklauseln sind ein anerkanntes arbeitsvertragliches Mittel zur Flexibilisie-
rung der Arbeitsbedingungen und damit grundsätzlich zulässig.6 Werden sie jedoch
formularmäßig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart, unterlie-
gen sie den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB.

a) G rundsätzliche Zulässigkeit von Versetzungsklauseln in


Formular­arbeitsverträgen
7 Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Versetzungsklauseln auch
in formularmäßig vereinbarten Arbeitsverträgen grundsätzlich zulässig.7 Insbeson-
dere ist § 308 Nr. 4 BGB, wonach die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders,
die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen unzulässig ist, nach der ständigen Rechtsprechung des Bun-
desarbeitsgerichts auf Versetzungsklauseln nicht anwendbar.8 Nach Ansicht des Bun-
desarbeitsgerichts erfasst die Vorschrift nur einseitige Bestimmungsrechte bezüglich

5 BAG, Urt. v. 29.01.1997 – 2 AZR 9/96; a. A. Lingemann, BB 1998, 1106 f.


6 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 169;
Lakies, ArbR Aktuell 2013, 3, 5; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 310 BGB, Rn 51.
7 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05; BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09; BAG, Urt. v. 19.01.2011 –
10 AZR 738/09.
8 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05; BAG, Urt. v. 09.05.2006 – 9 AZR 424/05; BAG, Urt. v.
13.03.2007 – 9 AZR 433/06.

Köhn/Puhl
A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung 47

der Leistung des Verwenders und damit gerade nicht das Leistungsbestimmungsrecht
des Arbeitsgebers im Hinblick auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.9

b) AGB-rechtlicher Prüfungsumfang von Versetzungsklauseln


Hinsichtlich der konkreten AGB-rechtlichen Anforderungen an eine arbeitsvertragli- 8
che Versetzungsklausel ist zu differenzieren.
Eine vorformulierte arbeitsvertragliche Versetzungsklausel, die materiell der 9
Regelung in § 106 S. 1 GewO entspricht, unterliegt nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesarbeitsgerichts lediglich der Unklarheitsregelung gemäß § 305c Abs. 2
BGB sowie der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, nicht aber der Ange-
messenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB, da eine solche Klausel keine von Rechts-
vorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthält (sog. unechte
Direktionsrechtserweiterung).10 Denn nach § 106 GewO darf der Arbeitgeber ein-
seitig die Umgestaltung der arbeitsvertraglichen Leistungspflichten in den dort nor-
mierten Grenzen anordnen. In der Praxis handelt es sich dabei oft um Klauseln, die
das vertraglich zunächst auf einen bestimmten Arbeitsort und/oder eine bestimmte
Tätigkeit konkretisierte Direktionsrecht wieder bis zu einem Maß erweitern, das
dem Inhalt des allgemeinen Direktionsrecht nach § 106 S. 1 GewO entspricht.11 Die
Vertragsklausel muss die Beschränkung auf den materiellen Gehalt des § 106 S. 1
GewO (ggf. im Wege der Auslegung) jedoch aus sich heraus erkennen lassen, um eine
unechte Direktionserweiterung darzustellen.12
Klauseln, die unabhängig von einer vertraglichen Konkretisierung von Inhalt 10
und Ort der Arbeitsleistung das Direktionsrecht des Arbeitgebers über § 106 S. 1 GewO
hinaus erweitern (sog. echte Direktionsrechtserweiterung), unterliegen hingegen
auch der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.13

c) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB


Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sind Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingun- 11
gen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und
Pflichten ihrer Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dazu
gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und

9 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05.


10 BAG, Urt. v. 13.06.2012 – 10 AZR 296/11; BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09; BAG, Urt. v.
13.04.2010 – 9 AZR 36/09; a. A. Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auf-
lage 2014, § 307 BGB Rn 184.
11 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 184.
12 BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09.
13 BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09; Preis/Genenger, NZA 2008, 969, 972; Däubler/Bonin/Dei-
nert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 185.

Köhn/Puhl
48 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Belastungen insoweit erkennen lassen müssen, sofern dies nach den jeweiligen
Umständen möglich ist.14
12 Für Versetzungsklauseln ist anerkannt, dass das Transparenzgebot des § 307
Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu einer Konkretisierungsverpflichtung des Arbeitgebers hin-
sichtlich etwaiger Gründe für die Versetzung und/oder etwaiger Tätigkeiten, auf die
der Arbeitnehmer versetzt werden soll, führt. Denn nach Ansicht des Bundesarbeits-
gerichts würde eine solche Konkretisierungsverpflichtung dem Bedürfnis des Arbeit-
gebers, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen
reagieren zu können, nicht gerecht.15 Auch das Gesetz räumt dem Arbeitgeber in § 106
S. 1 GewO bereits ein sehr weitgehendes Bestimmungsrecht ein, in dem es „nur“ auf
das billige Ermessen des Arbeitgebers abstellt. Damit trägt auch das Gesetz der Gege-
benheit Rechnung, dass Arbeitsverträge nur eine rahmenmäßig umschriebene Leis-
tungspflicht festlegen können.16
13 Es ist daher grundsätzlich nicht erforderlich in der Versetzungsklausel etwaige
Änderungsgründe anzugeben. Auch die Zusammenfassung unter einen Oberbegriff
wie „sachlicher Grund“ ist nicht erforderlich, da dies nur zu Leerformeln führt, die
nicht mehr Klarheit verschaffen würden.17 Es ist aus Transparenzgesichtspunkten
auch nicht erforderlich, eine Ankündigungsfrist oder den zulässigen Entfernungs-
radius in der Versetzungsklausel festzuschreiben.18 Lediglich für den Fall besonders
schwerwiegender Änderungen (z. B. bei der Versetzung auf einen geringwertigeren
Arbeitsplatz) hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.04.2006
angedeutet, dass ggf. Änderungsgründe in der Klausel angegeben werden müssen,
jedoch keine abschließende Entscheidung dazu getroffen.19 Hier ist die weitere Ent-
wicklung der Rechtsprechung abzuwarten.

d) Unangemessene Benachteiligung
14 Geht die Versetzungsklausel über den materiellen Gehalt des § 106 GewO hinaus (sog.
echte Direktionsrechtserweiterung), ist sie einer Angemessenheitskontrolle gemäß
§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB zu unterziehen. Danach ist eine arbeitsvertragliche Bestimmung
unangemessen und damit unwirksam, wenn der Arbeitgeber durch die einseitige
Gestaltung versucht, eigene Interessen auf Kosten des Arbeitnehmers durchzusetzen,
ohne auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen.20 Nach der ständigen

14 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06; BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05.
15 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06.
16 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06; BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05.
17 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06.
18 BAG, Urt. v. 13.03.2007 – 9 AZR 433/06; BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09.; BAG, Urt. v.
13.04.2010 – 9 AZR 36/09; dazu auch Hromadka, NZA 2012, 233, 238; Preis, NZA 2015, 1, 3.
19 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05.
20 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 557/05.

Köhn/Puhl
A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung 49

Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche unangemessene Benach-


teiligung insbesondere dann anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu verein-
baren ist. Dies ist im Hinblick auf Versetzungsklauseln regelmäßig der Fall, wenn sich
der Arbeitgeber vorbehält, ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig
die vertraglich vereinbarte Tätigkeit unter Einbeziehung geringwertiger Tätigkeiten,
evtl. sogar unter Verringerung der Vergütung, zulasten des Arbeitnehmers ändern zu
können.21 Solche Versetzungsklauseln berühren die berechtigten Interessen des Arbeit-
nehmers insofern, da sie erheblich in das vertragliche Synallagma eingreifen. Denn
mit der Klausel behält sich der Arbeitgeber das Recht vor, die vertraglich geschuldete
Leistung zu modifizieren, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 1, 2 KSchG vorliegen.22
Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts daher, 15
dass sich aus dem Inhalt der Klausel oder dem Zusammenhang ergibt, dass sich
der Arbeitgeber nur die Zuweisung einer gleichwertigen Tätigkeit vorbehält, sog.
„Gleichwertigkeitsgarantie“.23 Auslegungszweifel über den Inhalt der Klausel
gehen dabei zu Lasten des Arbeitgebers, § 305c Abs. 2 BGB.24 Diese strenge Recht-
sprechung des Bundesarbeitsgerichts wird richtigerweise in der arbeitsrechtlichen
Literatur kritisiert. Denn es ist nicht nachvollziehbar, warum Versetzungsklauseln,
die auch die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit unter Wahrung des vertragli-
chen Kernbereichs bei Vorliegen hinreichend schwerwiegender Gründe zulassen, per
se unangemessen sein sollen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das
Bundesarbeitsgericht eine Verringerung der vertraglichen Vergütung durch Wider-
rufsvorbehalte nicht per se für unangemessen hält.25

Praxishinweis
Arbeitgebern sei gleichwohl empfohlen bei der Formulierung von Versetzungsklauseln auf die Ge-
währleistung der Gleichwertigkeitsgarantie zu achten. Sinnvoll ist es daher den Begriff „gleichwer-
tig“ in der Klausel zu verwenden.26

Soweit sich der Arbeitgeber die einseitige Änderung des Einsatzortes vorbehält, sollte 16
die Versetzungsklausel örtlich auf den Betrieb oder das Unternehmen beschränkt
sein.27

21 BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09; BAG, Urt. v. 09.05.2006 – 9 AZR 424/05.
22 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 188.
23 BAG, Urt. v. 25.08.2010 – 10 AZR 275/09.
24 Hümmerich/Reufels/Schiefer, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage 2011, S. 1004 Rn 3368.
25 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 188
m. w. N.
26 MaSiG/Vetter, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht 2012, § 550 Rn 29.
27 MaSiG/Vetter, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht 2012, § 550 Rn 25; vgl. dazu auch LAG Düssel-
dorf, Urt. v. 17.12.2010 – 10 Sa 972/10.

Köhn/Puhl
50 Kapitel 3 Arbeitsleistung

17 Klauseln, die dem Arbeitgeber ermöglichen, dem Arbeitnehmer eine höherwer-


tige Tätigkeit zuzuweisen, sind grundsätzlich weniger problematisch. Jedoch muss
auch in diesem Fall sichergestellt sein, dass die vorgesehene Tätigkeit den Fähigkei-
ten und Kenntnissen des Arbeitnehmers entspricht. Ansonsten kann in der Zuwei-
sung einer höherwertigen Tätigkeit gegen den Willen des Arbeitnehmers, der sich
nach seinen Fähigkeiten und Kenntnissen nicht in der Lage sieht diese auszuüben,
eine unangemessene Benachteiligung liegen.28 Ebenfalls unwirksam ist eine Klausel,
die zwar die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit erlaubt, jedoch ohne eine ent-
sprechende Anpassung der Vergütung vorzunehmen.29

3. Konzernversetzungsklausel
18 Eine konzernweite Flexibilität des Personaleinsatzes kann durch sog. Konzernver-
setzungsklauseln erreicht werden. Da die Versetzung innerhalb eines Konzerns
jedoch mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden ist, ist die Zulässigkeit solcher Kon-
zernversetzungsklauseln umstritten. Das Bundesarbeitsgericht hat dazu bisher keine
Entscheidung getroffen. In einer Entscheidung vom 13.04.2010 hat es die Frage viel-
mehr bewusst offen gelassen.30
Konzernversetzungen sind nicht vom allgemeinen Direktionsrecht des § 106 S. 1
GewO erfasst und unterliegen somit sowohl der Angemessenheits- als auch der
Transparenzkontrolle.31 Nach überwiegender Ansicht ist zumindest § 309 Nr. 10 BGB
auf Konzernversetzungsklauseln nicht anwendbar.32 § 309 Nr. 10 BGB verbietet Klau-
seln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die den Eintritt eines Dritten anstelle des
Verwenders in die Rechte und Pflichten eines Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werk-
vertrags zulässt, soweit in der Bestimmung nicht der Dritte namentlich bezeichnet
wird oder dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu
lösen.
19 Einige Stimmen zweifeln wegen der Intensität des Eingriffs in den Arbeitsvertrag
und wegen der Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Vorschriften generell an der
Angemessenheit von Konzernversetzungsklauseln oder fordern, deren Zulässigkeit
vom Vorliegen hinreichend schwerwiegender Gründe, entsprechend den dringenden
betrieblichen Erfordernissen im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, abhängig zu machen.33
Denn anders als eine unternehmensweite Versetzung geht mit der Konzernversetzung

28 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 191.


29 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 191.
30 BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09.
31 Vgl. dazu oben Rn 11.
32 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 309 BGB Nr. 10
BGB Rn 2; ErfK/Preis, 15. Auflage 2015, §§ 305 – 310 BGB Rn 86.
33 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 192a
m. w. N.

Köhn/Puhl
A. Tätigkeit, Arbeitsort und Versetzung 51

nicht automatisch eine Verbesserung des Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers,


z. B. durch die Pflicht zur Anbietung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im
Konzern, einher. Die Pflicht zur Weiterbeschäftigung ist nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts bei einer Konzernversetzungsklausel nur dann der Fall, wenn
der Arbeitgeber als beherrschendes Unternehmen einen bestimmenden Einfluss auf
das jeweilige Konzernunternehmen hat.34 Umgekehrt entsteht mit der Konzernverset-
zungsklausel auch nur in diesem Fall ein angemessener Vorteil für den Arbeitnehmer.
Vorgeschlagen wird außerdem dem Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht, ver- 20
gleichbar dem in § 613a Abs. 6 BGB, einzuräumen.35 Im Hinblick auf das Transpa-
renzengebot in § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wird vertreten, dass das Konzernunternehmen
konkret benannt werden muss, in das eine Versetzung möglich sein soll.36 Folgt man
diesen strengen Angemessenheits- und Transparenzanforderungen, bleibt jedoch
von der typischerweise durch Konzernversetzungsklauseln angestrebten konzernwei-
ten Flexibilität des Personaleinsatzes kaum etwas übrig. Unabhängig davon besteht
bis zur Klärung durch das Bundesarbeitsgericht gleichwohl ein Unwirksamkeitsrisiko
bei der Vereinbarung von Konzernversetzungsklauseln.

Praxishinweis:
Arbeitgebern, die zugunsten der angestrebten Flexibilisierung gleichwohl nicht auf Konzernverset-
zungsklauseln verzichten möchten, sei empfohlen, diese sprachlich und inhaltlich deutlich von der
allgemeinen Versetzungsklausel, z. B. durch die Aufnahme in einem gesonderten Absatz, zu tren-
nen37. Denn nur so ist gewährleistet, dass eine unwirksame Konzernversetzungsklausel bei Anwen-
dung des blue-pencil-Tests gestrichen werden kann, ohne die gesamte Versetzungsklausel unwirk-
sam werden zu lassen. Darüber hinaus sollten nach Möglichkeit konkrete Gründe für die Versetzung
aufgenommen werden.

4. A usübungskontrolle
Zu beachten ist, dass die Versetzungsanordnung als einseitige Leistungsbestimmung 21
selbst unabhängig von der vertraglichen Gestaltung einer Billigkeitsprüfung gemäß
§ 106 GewO, § 315 BGB unterliegt (sog. Ausübungskontrolle). Sie muss daher billi-
gem Ermessen entsprechen. Dies ist wiederum dann der Fall, wenn die wesentlichen
Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen unter Beach-
tung von Verhältnismäßigkeit, Verkehrssitte, Zumutbarkeit sowie außervertraglichen
Vor- und Nachteilen, Einkommensverhältnissen und sozialen Lebensverhältnissen
angemessen berücksichtig worden sind.38 Im Rahmen der Ausübungskontrolle sind

34 BAG, Urt. v. 23.03.2006, 2 AZR 162/05; Dzida/Schramm, BB 2007, 1221, 1227.


35 Hromadka, NZA 2012, 233, 238.
36 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 192a.
37 Vgl. nur BAG, Urt. v. 13.04. 2010 – 9 AZR 36/09.
38 BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09.

Köhn/Puhl
52 Kapitel 3 Arbeitsleistung

dann auch eine gegebenenfalls notwendige Ankündigungsfrist und die Angemessen-


heit der Entfernung zu prüfen.39 Unbillig ist eine Versetzung bei missbilligenswerten
Motiven, z. B. bei einer Versetzung zu disziplinarischen Zielen oder zur Maßregelung
nach § 612a BGB.40

5. Mitbestimmung des Betriebsrats


22 Gibt es einen Betriebsrat, muss dieser, unabhängig von der individualvertraglichen
Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers, nach Maßgabe der §§ 95 ff. BetrVG bei jeder
Versetzung beteiligt werden.41 Der für das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
maßgebliche Begriff der Versetzung ist in § 95 Abs. 3 BetrVG legaldefiniert. Danach
liegt betriebsverfassungsrechtlich eine Versetzung in der Zuweisung eines anderen
Aufgabenbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder
die mit erheblichen Änderungen der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit
zu leisten ist.42 Der individualvertragliche Begriff der Versetzung zielt hingegen allein
auf die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes ab, die mit einer Änderung der Tätig-
keit nach Ort, Art und Umfang verbunden ist.43 Der individualvertragliche Begriff und
der betriebsverfassungsrechtliche Begriff der Versetzung müssen sich daher nicht
zwangsläufig decken, in den allermeisten Fällen ist dies jedoch der Fall.

Wichtig:
Solange eine Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG nicht vorliegt, ist die individualvertrag-
liche Versetzung unwirksam. Dies gilt selbst dann, wenn eine wirksame arbeitsvertragliche Verset-
zungsklausel besteht und die Versetzung nach billigem Ermessen angeordnet wurde.44

Muster einer Versetzungsklausel


(1) Der Mitarbeiter wird als (Bezeichnung der Tätigkeit/Position) in (Bezeichnung des Ortes) beschäf-
tigt.
(2) Der Arbeitgeber behält sich unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers und seiner Kenntnis-
se und Fähigkeiten vorübergehend oder dauerhaft die Zuweisung eines anderen gleichwertigen und
zumutbaren Arbeitsgebietes vor. Der Vorbehalt erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung in einem
anderen Betrieb des Unternehmens, soweit dies mit einem Wohnungswechsel nicht verbunden ist.
Sofern eine Konzernversetzungsklausel aufgenommen werden soll:

39 BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09.


40 BAG, Urt. v. 20.10.1985; vgl. dazu auch LAG Köln, Urt. v. 07.05.2007, BAG, Urt. v. 26.09.2012 – 10 AZR
311/11, 517; Fliss, NZA-RR 2008, 225, 228.
41 Richardi/Thüsing BetrVG, 14. Auflage 2014, § 99 BetrVG Rn 93 ff.
42 Vgl. dazu Richardi/Thüsing BetrVG, 14. Auflage 2014, § 99 BetrVG Rn 95.
43 Grobys/Panzer/Gebhardt, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 165 Rn 2.
44 BAG, Urt. v. 22.04.2010 – 2 AZR 491/09.

Köhn/Puhl
B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 53

(3) Der Vorbehalt des Arbeitgebers nach Absatz 2 erstreckt sich auch auf eine Beschäftigung bei einer
Tochtergesellschaft des Arbeitgebers, sofern dies aus dringenden wirtschaftlichen Gründen erforder-
lich ist.

B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit

I. A
 llgemeine Erwägungen

Vertragsstrafen stellen im Arbeitsvertragsrecht ein wichtiges Gestaltungsmittel dar 23


und sind weit verbreitet. Die hohe Bedeutung von Vertragsstrafen erklärt sich durch
die beschränkten Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers im Fall der Verletzung
arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer. Denn das Arbeitsrecht sieht
bei Pflichtverletzungen bzw. Schlechtleistungen des Arbeitnehmers, anders als etwa
das Werkvertragsrecht, weder Gewährleistungsrechte vor, noch ist der Arbeitgeber
in einem solchen Fall berechtigt den Arbeitslohn zurückzubehalten.45 Der Arbeit-
nehmer kann zudem nicht mittels Vollstreckung zur Erbringung der Arbeitsleistung
angehalten werden, da die Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung als höchstpersönli-
che Leistung gemäß § 888 ZPO ausgeschlossen ist. Schließlich sind auch Schadens-
ersatzansprüche (z. B. nach § 628 Abs. 2 BGB) oft nicht (gerichtlich) durchsetzbar, da
es dem Arbeitgeber regelmäßig nicht gelingt einen konkret bezifferbaren Schaden
darzulegen und ggf. zu beweisen.46
Vertragsstrafen sind daher ein wichtiges Druck- und Sanktionsmittel des Arbeit- 24
gebers, den Arbeitnehmer zu der ordnungsgemäßen Erbringung seiner arbeitsrechtli-
chen Pflichten anzuhalten.47 Darüber hinaus erfüllen sie auch eine Sicherungsfunk-
tion, da sie angesichts des schwierig zu erbringenden Schadensnachweises einen
Anspruch auf die Vertragsstrafe als Mindestausgleich sichern.48 Die Geltendmachung
eines weiteren Schadens wird durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe selbstver-
ständlich nicht ausgeschlossen.

45 Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht,


2. Auflage 2014, § 166 Rn 1; Winter, BB 2010, 2757.
46 BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08; BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; Günther/Nolde, NZA
2012, 62, 63; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 1.
47 BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08; BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; Moll/Eisenbeis,
Münchener Anwalts-Hdb.ArbR, 3. Auflage 2012, § 17 Rn 44; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Haas/
Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage
2014, § 166 Rn 4; MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht 2012, § 560 Rn 1.
48 BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08; Moll/Eisenbeis, Münchner Anwalts-Hdb. ArbR, 3. Auflage
2012, § 15 Rn 44; Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 63; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1; Grobys/Panzer/
Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 4.

Köhn/Puhl
54 Kapitel 3 Arbeitsleistung

25 Eine Vertragsstrafe im Sinne des § 343 BGB ist eine vertragliche Vereinbarung
dergestalt, dass der Schuldner (der Arbeitnehmer) für den Fall der Nichterfüllung
oder nicht ordnungsgemäßen Erfüllung einer vereinbarten Leistung eine regelmä-
ßig in Geld bestehende Leistung an den Gläubiger (den Arbeitgeber) verspricht.49 Als
unselbstständiges Sicherungsmittel ist die Vertragsstrafe akzessorisch zu arbeitsver-
traglichen Verbindlichkeiten. Sie setzt somit das Bestehen einer zu sichernden Haupt-
verbindlichkeit als Bezugspunkt voraus. Bei Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags oder
einer fehlenden Verbindlichkeit fällt auch die Vertragsstrafe ersatzlos weg.50
26 In Abgrenzung dazu werden selbstständige Strafversprechen für den Fall ver-
einbart, dass jemand eine Handlung vornimmt oder unterlässt, zu deren Vornahme
oder Unterlassung er rechtlich nicht verpflichtet ist, z. B. wenn sich der Arbeitnehmer
oder Arbeitgeber vorvertraglich für den Fall des Nichtabschlusses eines Arbeitsvertra-
ges verpflichtet eine bestimmte Summe zu zahlen.51

II. Wirksamkeitsanforderungen

27 Vertragsstrafenklauseln sind in Individualarbeitsverträgen grundsätzlich zulässig,


wobei der allgemeine Wirksamkeitsmaßstab der §§ 134 und 138 BGB gilt.52 Wird die
Vertragsstrafe nicht individuell ausgehandelt, sondern ist Bestandteil eines vorfor-
mulierten Arbeitsvertrages, unterliegt sie den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB.

1. Gesetzliche Verbote
28 Ein ausdrückliches gesetzliches Verbot der Vereinbarung einer Vertragsstrafe findet
sich nur für die Vereinbarung mit Auszubildenden im Rahmen eines Berufsausbil-
dungsverhältnisses. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG ist eine Vereinbarung über Vertrags-
strafen nichtig. Die gesetzliche Nichtigkeitsfolge erstreckt sich auch auf die in § 26
BBiG genannten Personen, wie Volontäre und Praktikanten.53 Sinn und Zweck der
Regelungen ist es einer Einschränkung der Entschlussfreiheit der Auszubildenden
bzw. der von § 26 BBiG erfassten Personengruppen durch finanzielle Belastungen vor-
zubeugen.54

49 ErfK/Müller-Glöge, 16. Auflage 2016, § 345 BGB Rn 1.


50 Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht,
2. Auflage 2014, § 166 Rn 3.
51 ErfK/Müller-Glöge, 16. Auflage 2016, § 345 BGB Rn 2.
52 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, 5. Auflage 2015, II. V 30 Rn 12.
53 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 13.
54 ErfK/Schlachter, 15. Auflage 2015, § 12 BBiG Rn 1.

Köhn/Puhl
B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 55

Eine Vertragsstrafenklausel ist auch dann unwirksam, wenn sie der Sicherung 29
einer unwirksamen Hauptverbindlichkeit dient, z. B. der Arbeitnehmer zur Einhal-
tung von nicht wirksam vereinbarten Kündigungsfristen angehalten werden soll.55
Schließlich sind Vertragsstrafenklauseln gemäß § 622 Abs. 6 BGB unzulässig, die 30
das Kündigungsrecht des Arbeitnehmers einseitig beeinträchtigen.56 Klauseln, die
die fristgerechte Ausübung des Kündigungsrechts durch den Arbeitnehmer mittels
einer Vertragsstrafe sanktionieren, sind daher unwirksam.57 Dies gilt jedoch nicht
für Vertragsstrafenklauseln wegen Nichtantritts der Arbeit. Denn nach Ansicht des
Bundesarbeitsgerichts tritt eine ungleiche Kündigungslage in diesem Fall nicht ein,
da in der Aufnahme einer solchen Vertragsstrafenklausel jedenfalls konkludent die
Vereinbarung getroffen werde, dass das ordentliche Kündigungsrecht für beide Par-
teien vor Arbeitsantritt ausgeschlossen ist.58

2. Form
Die Vereinbarung einer Vertragsstrafenklausel unterliegt grundsätzlich keinen 31
besonderen Formerfordernissen, soweit eine bestimmte Form nicht arbeits- oder
tarifvertraglich vereinbart wurde.59 Eine Ausnahme gilt für die das nachvertragliche
Wettbewerbsverbot gemäß § 74 HGB sichernde Vertragsstrafe. Diese muss schrift-
lich vereinbart werden.

3. Formulararbeitsverträge
Wird eine Vertragsstrafenklausel formularmäßig vereinbart, unterliegt sie den Anfor- 32
derungen der §§ 305 ff. BGB. Besonderes Augenmerk ist dabei auf das Angemessen-
heits- und Transparenzgebot zu legen.

a) G
 rundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafenklauseln in
Formulararbeitsverträgen
Gemäß § 309 Nr. 6 BGB ist eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall 33
der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme einer Leistung, des Zahlungsver-
zugs oder für den Fall, dass sich der andere Teil vom Vertrag löst, die Zahlung einer

55 BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07; MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012,


§ 560 Rn 13.
56 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, 4. Auflage 2011, II V 30 Rn 15 f.
57 BAG, Urt. v. 11.03.1971 – 5 AZR 349/70; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, 5. Auflage 2015, II V 30
Rn 16.
58 BAG, Urt. v. 17.07.1985 – 5 AZR 104/84; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, 5. Auflage 2015, II V 30
Rn 18 m. w. N.
59 Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 11.

Köhn/Puhl
56 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Vertragsstrafe versprochen wird, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam.


Aus dieser Vorschrift haben einige Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur nach
der Schuldrechtsmodernisierung über den Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB hinaus ein
generelles Verbot von Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen gefordert.60 Das
Bundesarbeitsgericht ist dem entgegengetreten und vertritt in nunmehr ständiger
Rechtsprechung die Ansicht, dass Vertragsstrafenklauseln zwar im Grundsatz gegen
§ 309 Nr. 6 BGB verstoßen und demnach unzulässig wären, § 309 Nr. 6 BGB aufgrund
der Besonderheiten im Arbeitsrecht gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB jedoch nicht
anwendbar ist.61 Das Bundesarbeitsgericht stellt zur Begründung insbesondere auf
die Vorschrift des § 888 Abs. 3 ZPO ab, wonach die Vollstreckung der Verpflichtung
zur Arbeitsleistung ausgeschlossen ist. Es bestehe daher für Arbeitgeber ein Bedürf-
nis nach Sanktionsinstrumenten, um zur Erfüllung der vertraglichen Hauptflicht, der
Erbringung der Arbeitsleistung, anzuhalten. Die Vertragsstrafe stelle in vielen Fällen
die einzig wirksame Möglichkeit dar, um dies zu erreichen.62

b) Überraschende Klausel, § 305c Abs. 1 BGB


34 Eine Vertragsstrafenklausel wird gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des
Arbeitsvertrages, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren
Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, dass der Arbeitnehmer nicht mit ihr zu
rechnen brauchte.
35 Grundsätzlich gilt zwar, dass Vertragsstrafenklauseln in einem Arbeitsvertrag
nicht unüblich und damit nicht überraschend sind.63 Die Ungewöhnlichkeit der
Klausel bzw. das Überraschungsmoment im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB kann sich
jedoch auch aus einem ungewöhnlichen äußeren Zuschnitt einer Klausel oder ihrer
Unterbringung an unerwarteter Stelle ergeben.64

60 Birnbaum, NZA 2003, 944 ff.; von Koppenfels, NZA 2002, 598, 602; Däubler/Bonin/Deinert/Däub-
ler, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014; § 309 Nr. 6 BGB Rn 6 ff.; LAG Hessen, Urt. v.
25.04.2003 – 17 Sa 1723/02; a. A. Lingemann, NZA 2002, 181, 191; ausführlich Grobys/Panzer/Schön-
hoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 12 ff.
61 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; BAG, Urt. v. 18.08.2005 – 8 AZR 65/05; BAG, Urt. v.
14.08.2007 – 8 AZR 973/06; BAG, Urt. v. 28.05.2009 – 8 AZR 896/07; BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR
645/09; BAG, Urt. v. 23.09.2010 – 8 AZR 897/08; BAG, Urt. v. 23.01.2014 – 8 AZR 130/13.
62 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03.
63 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 8 AZR 973/06; MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012,
§ 560 Rn 17.
64 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 8 AZR 973/06.

Köhn/Puhl
B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 57

Praxishinweis:
Arbeitgebern ist daher unbedingt zu raten, Vertragsstrafen drucktechnisch hervorzuheben und zu-
sätzlich das Wort „Vertragsstrafe“ in die Überschrift der jeweiligen Klausel aufzunehmen.65

Für den Fall, dass der Vertragstext eines Arbeitsvertrages durch ein einheitliches 36
Schriftbild gekennzeichnet ist, hat das BAG zwar in einem Urteil aus dem Jahr 2008
entschieden, dass es einer besonderen drucktechnischen Hervorhebung bzw. eines
besonderen Hinweises nicht bedarf. Denn das äußere Erscheinungsbild des Vertra-
ges führe dann nicht dazu, dass bei dem Arbeitnehmer bestimmte Erwartungen hin-
sichtlich des Vertragsinhaltes geweckt werden. Der Arbeitnehmer müsse vielmehr in
einem solchen Fall von vornherein den gesamten Vertragstext durchlesen, um den
Vertragsinhalt vollständig zu erfassen.66 Da es sich dabei, soweit ersichtlich, um eine
Einzelfallentscheidung handelt, wird an der Empfehlung die Vertragsstrafenklausel
drucktechnisch (z. B. durch Fettdruck) hervorzuheben und das Wort „Vertragsstrafe“
in die Überschrift der jeweiligen Klausel ausdrücklich aufzunehmen, jedoch festge-
halten.

c) Unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 BGB


Gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedin- 37
gungen unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und
Glauben unangemessen benachteiligen. Allgemein gilt, dass eine unangemessene
Benachteiligung vorliegt, wenn die Vertragsstrafenklausel nicht durch begründete
und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleich-
wertige Vorteile ausgeglichen wird.67
Regelmäßig besteht bei den im Arbeitsrecht vorkommenden Vertragsstrafen 38
zum Schutz vor Vertragsbruch ein berechtigtes und anerkennenswertes Interesse des
Arbeitgebers.68 Vertragsbruch ist nach der Rechtsprechung die vom Schuldner einsei-
tig und ohne Willen des Gläubigers herbeigeführte faktische Vertragsauflösung. Auf
Arbeitnehmerseite umfasst dies den Fall der vorsätzlichen oder rechtswidrigen Nicht-
aufnahme oder der rechtswidrigen vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnis-
ses.69 Dabei sichert die Vertragsstrafe wegen Nichtantritt der Arbeit das berechtigte
Bedürfnis des Arbeitgebers, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtauf-
nahme der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden.70 Der Arbeit-

65 Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 2 f.; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht,


2. Auflage 2014, § 166 Rn 17.
66 BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07.
67 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 26.
68 Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 18.
69 BAG, Urt. v. 18.09.1991 – 5 AZR 650/90.
70 BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 645/09.

Köhn/Puhl
58 Kapitel 3 Arbeitsleistung

nehmer wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil es an ihm liegt, seine
arbeitsvertraglichen Hauptpflichten zu erbringen. Der Arbeitgeber hat ein berechtig-
tes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der
Arbeitnehmer in der Regel weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran
hat, den Arbeitsvertrag zu brechen.71
39 Eine unangemessene Benachteiligung liegt jedoch beispielsweise vor, wenn die
Vertragsstrafe dem Arbeitgeber primär eine neue Einnahmequelle eröffnen soll und
der Schöpfung neuer, vom Sachinteresse losgelöster Geldquellen dient72, oder wenn
der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners
durchsetzen will ohne von vornherein auch dessen Belange ausreichend zu berück-
sichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren.73
40 Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann auch aus der
Höhe der Vertragsstrafe folgen, denn besonders hohe Vertragsstrafen sind natur-
gemäß besonders belastend für den Arbeitnehmer. Die Höhe der Vertragsstrafe muss
daher das Gewicht des Vertragsverstoßes und die Sanktion in ein angemessenes Ver-
hältnis setzen.74
41 Auch wenn es somit stets auf den Einzelfall ankommt, hat sich in der Rechtspre-
chung des Bundesarbeitsgerichts faktisch eine Begrenzung der Vertragsstrafe auf
ein Bruttomonatsgehalt eingependelt.75 Im Einzelfall können sich jedoch Abwei-
chungen nach oben und unten ergeben. Insbesondere im Fall von Vertragsstrafen-
klauseln wegen Nichtantritts der Arbeit orientiert sich die Angemessenheit der Höhe
der Vertragsstrafe auch an der maßgeblichen Kündigungsfrist. Denn in der Länge
der Kündigungsfrist kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeit-
geber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches Interesse er
an der Arbeitsleistung hat.76 Eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt ist
daher im Regelfall unangemessen, wenn die tatsächlich einzuhaltende Kündigungs-
frist kürzer ist. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Arbeitsvertrags-
parteien eine Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist vereinbart haben.
42 Ein besonderes Interesse des Arbeitgebers an der Erfüllung der vertraglich verein-
barten Tätigkeit kann im Einzelfall auch die Vereinbarung einer höheren Vertrags-
strafe rechtfertigen. Ein solches besonderes Interesse wird von der Rechtsprechung
bejaht, wenn das Interesse des Arbeitgebers an einem Sanktionsinstrument den Wert
der Arbeitsleistung, der sich in den Arbeitnehmerbezügen bis zur vertraglich zuläs-

71 BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 645/09.


72 BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 645/09.
73 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 27.
74 Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 3.
75 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1, 3.; Preis/Stoffels, Der Ar-
beitsvertrag, 5. Auflage 2015, II V 30 Rn 86 ff.
76 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG, Urt. v. 19.08.2010 – 8 AZR 645/09;
BAG, Urt. v. 23.09.2010 – 8 AZR 897/08.

Köhn/Puhl
B. Vertragsstrafe wegen Nichtantritts der Arbeit 59

sigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses äußert, aufgrund besonderer Umstände


typischerweise und generell übersteigt.77

Praxishinweis:
Empfehlenswert ist daher eine Klausel, die nach den Mindestkündigungsfristen differenziert und nur
in begründeten Ausnahmefällen die Grenzen eines Bruttomonatsgehalts überschreitet.

Regelmäßig liegt auch dann eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitneh- 43


mers vor, wenn die Vertragsstrafenklausel verschuldensunabhängig ausgestaltet ist,
denn dies soll nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Gründe vereinbart werden
können.78 Gemäß § 339 BGB muss für die Verwirkung einer Vertragsstrafe Schuldner-
verzug vorliegen, der wiederum gemäß § 286 Abs. 4 BGB ein Verschulden des Schuld-
ners voraussetzt. Falls die Parteien im Arbeitsvertrag keine weiteren Vereinbarungen
treffen, ist für den Verschuldensmaßstab der Vertragsstrafe § 276 Abs. 1 BGB maßgeb-
lich.79 Möglich ist auch die Vereinbarung eines qualifizierten Verschuldensmaßstabs,
bspw. durch das Anknüpfen der Vertragsstrafe an vorsätzliches Fehlverhalten.80
Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann sich schließlich 44
auch daraus ergeben, dass durch die Vereinbarung der Vertragsstrafenklausel das
Recht zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB eingeschränkt wird.81

d) Transparenzgebot, § 307 Abs. 1 S. 2 BGB


Auch der Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann zu 45
einer unangemessenen Benachteiligung der Arbeitnehmer führen. Dies kann insbe-
sondere bei einer unklaren und/oder missverständlichen Formulierung der Vertrags-
strafenklausel der Fall sein. Empfehlenswert ist es daher, Rechte und Pflichten des
Vertragspartners so präzise und klar wie möglich zu beschreiben, wie es nach den
gegebenen Umständen gefordert werden kann. Nur wenn aus der Klausel klar ersicht-
lich ist, in welchen Fällen den Arbeitnehmer welche wirtschaftlichen Belastungen
treffen, genügt die Klausel dem Transparenz- und Bestimmtheitsgebot.82

77 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08; Günther/Nolde,
NZA 2012, 62, 66, wonach dies beispielsweise der Fall sein kann, wenn der Arbeitgeber einen auf dem
Arbeitsmarkt nur selten vertretenen Spezialisten für eine Tätigkeit einstellt, deren Erfüllung sich sein
Vertragspartner durch eine Konventionalstrafe hat sichern lassen.
78 Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 64 m. w. N.
79 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 15.
80 Vgl. dazu unten Rn 47.
81 BGH, Urt. v. 03.07.2000 – II ZR 282/98, NZA 2000, 945.
82 BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07; BAG, Urt. v. 13.04.2010 – 9 AZR 36/09; BAG, Urt. v.
23.01.2014 – 8 AZR 130/13.

Köhn/Puhl
60 Kapitel 3 Arbeitsleistung

46 Unwirksam ist danach insbesondere ein pauschaler Verweis auf einen „Vertrags-
bruch“ oder die Nichteinhaltung des Vertrages. Denn solche Vereinbarungen zielen
regelmäßig auf die Absicherung aller arbeitsvertraglichen Pflichten ab und lassen
damit nicht erkennen, durch welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe
verwirkt wird.83

Praxishinweis:
Vertragsstrafenklauseln sollten daher unbedingt die unter Strafe gestellten Pflichtverletzungen und
die Höhe der Strafe so präzise wie möglich angeben.84

47 Unschädlich ist es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedoch, wenn die


Pflichtverletzung im Rahmen der Vertragsstrafenklausel nicht ausdrücklich an ein
Verschuldenserfordernis anknüpft.85 Bereits aus dem juristischen Fachbegriff
„Vertragsstrafe“ folge, dass gemäß § 339 BGB für die Verwirkung der Vertragsstrafe
Schuldnerverzug vorliegen müsse.86 Dieser wiederum ist gemäß § 286 Abs. 4 BGB nicht
gegeben, wenn die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den der Schuldner
nicht zu vertreten hat.87 Sicherer und daher empfehlenswert ist es gleichwohl in der
Vertragsstrafenklausel ausdrücklich klarzustellen, dass nur eine „vorsätzliche oder
fahrlässige“ Pflichtverletzung die Vertragsstrafe auslöst.88

e) Verbot geltungserhaltender Reduktion


48 Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers durch eine Vertragsstra-
fenklausel führt gemäß § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt insbesondere für Ver-
tragsstrafenklauseln aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 306 Abs. 2 BGB eine
geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht.89 Etwas anderes ergibt sich auch
nicht aus dem Rechtsgedanken des § 343 BGB, wonach auf Antrag des Schuldners
eine unverhältnismäßig hohe verwirkte Strafe durch Urteil auf einen angemessenen
Betrag herabgesetzt werden kann. Denn eine Anwendung von § 343 BGB kann nach

83 BAG, Urt. v. 18.08.2005 – 8 AZR 65/05; Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Arbeits-


recht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 16 m. w. N.
84 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 33.
85 BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08.
86 BAG, Urt. v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08; a. A. Grobys/Panzer/Schönhoft, Stichwort Kommentar Ar-
beitsrecht, 2. Auflage 2014, § 166 Rn 16.
87 Vgl. dazu oben Rn 43.
88 Günther/Nolde, NZA 2012, 62, 64.
89 MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012, § 560 Rn 47.

Köhn/Puhl
C. Überstunden 61

Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nur bei verwirkten, also wirksam vereinbarten


Vertragsstrafen, in Betracht kommen.90

Muster einer Vertragsstrafenklausel


Es empfehlen sich folgende Musterklauseln:
(1) Nimmt der Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig die Arbeit nicht oder nicht zum vereinbar-
ten Zeitpunkt auf oder beendet der Arbeitnehmer das Vertragsverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig
rechtswidrig ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist, hat der Arbeitnehmer an den Ar-
beitgeber eine Vertragsstrafe zu zahlen.
(2) Für den Fall des Nichtantritts der Arbeit und der rechtswidrigen Beendigung des Vertragsverhält‑
nisses ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist beläuft sich die Vertragsstrafe auf den
Betrag, der dem Bruttoarbeitsentgelt entspricht, das der Arbeitnehmer bei Einhaltung der Mindest-
kündigungsfrist erhalten hätte.
(3) Für den Fall der verspäteten Aufnahme der Arbeit beläuft sich die Vertragsstrafe für jeden Tag der
verspäteten Arbeit auf den Betrag, der dem Bruttoarbeitsentgelt entspricht, das der Arbeitnehmer bei
Einhaltung der Mindestkündigungsfrist erhalten hätte.
(4) Das Recht des Arbeitgebers einen weitergehenden Schaden geltend zu machen, bleibt unberührt.

C. Ü
 berstunden

I. A
 llgemeine Erwägungen

Unter Überstunden versteht man die Leistung von Arbeit über den vertraglich festge- 49
legten Zeitraum hinaus.91 Typischerweise werden Überstunden bei vorübergehendem
Arbeitsbedarf angeordnet, dessen Erledigung aufgrund besonderer Dringlichkeit
keinen Aufschub duldet.92 In der arbeits- und tarifvertraglichen Praxis wird häufig
keine genaue Abgrenzung zwischen den Begriffen „Überstunde“ und „Mehrarbeit“
vorgenommen. Oftmals werden beide Begriffe sogar synonym verwendet.93 Auch die
gesetzliche Terminologie ist diesbezüglich uneinheitlich (vgl. u. a. § 37 Abs. 3 BetrVG,
§ 124 SGB IX, § 8 MuSchG, § 11 BUrlG, § 4 Abs. 1a S. 1 EFZG). Nach überwiegender
Ansicht in Literatur und Rechtsprechung haben sich jedoch klare Definitionen beider
Begrifflichkeiten herausgebildet, die eine Abgrenzung ermöglichen. Danach ist unter
„Überstunde“ die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeits-

90 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; MaSiG/Windeln, Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 2012,


§ 560 Rn 5.
91 BAG, Urt. v. 18.04.2012 – 5 AZR 195/11.
92 BAG, Urt. v. 25.04.2007 – 6 AZR 799/06.
93 Vgl. nur § 3 Abs. 5 Bundesrahmenvertrag für das Baugewerbe (BRTV) (in der Fassung vom 10. De-
zember 2014).

Köhn/Puhl
62 Kapitel 3 Arbeitsleistung

zeit zu verstehen. „Mehrarbeit“ liegt hingegen vor, wenn die gesetzlich zulässige
Höchstarbeit überschritten wird.94

II. Anordnung von Überstunden

50 Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers Überstunden zu


leisten. Arbeitnehmer sind vielmehr grundsätzlich nur dann zur Erbringung von
Überstunden verpflichtet sind, wenn eine solche Verpflichtung arbeitsvertraglich,
tariflich oder durch Betriebsvereinbarung vereinbart wurde.95

1. Überstundenanordnung und Direktionsrecht


51 Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden ohne eine entspre-
chende (arbeitsvertragliche) Vereinbarung nicht im Wege seines Direktionsrechts
anordnen kann. Etwas anderes gilt jedoch in Katastrophen- und Notfällen, in
denen der Arbeitgeber die Arbeitnehmer ausnahmsweise auch ohne Vorliegen einer
entsprechenden Vereinbarung zur Leistung von Überstunden verpflichten kann.96
Die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden ergibt sich in solchen Fällen aus der
Treuepflicht des Arbeitnehmers bzw. aus der aus § 242 BGB folgenden Pflicht Schäden
vom Arbeitgeber fernzuhalten.97

2. Überstundenanordnung und Gleichbehandlungsgrundsatz


52 Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich die Ver-
pflichtung des Arbeitgebers, Überstunden billig unter den Arbeitnehmern zu vertei-
len. Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet es Arbeitnehmer, die Überstun-
den leisten wollen, ohne sachlichen Grund davon auszuschließen, wenn zusätzliche
Arbeit für vergleichbare Arbeitnehmer angeordnet und angenommen wird.98 Umge-

94 BAG, Urt. v. 25.07.1996 – 6 AZR 138/94; BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10; Grobys/Panzer/Wah-
lig, Stichwortkommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 153, Rn 2 ff. m.w.N; ErfK/Preis, 16. Auflage
2016, § 611 BGB Rn 486.
95 BAG, Urt. v. 03.06.2003 – 1 AZR 349/02, NZA 2003, 1155; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 611 BGB Rn
663.
96 ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 611 BGB Rn 663; ArbG Leipzig, Urt. v. 04.02.2003 – 7 Ca 6866/02
zur Unrechtmäßigkeit einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers, der im Rahmen des
„Jahrhunderthochwassers“ nicht in dem vom Arbeitgeber geforderten Umfang Überstunden geleistet
hatte.
97 Grobys/Panzer/Wahlig, Stichwortkommentar, 2. Auflage 2014, § 153 Rn 11.
98 Fuhlrott, ArbRAktuell 2015, 141; Grobys/Panzer/Wahlig, Stichwortkommentar, 2. Auflage 2014,
§ 153 Rn 14.

Köhn/Puhl
C. Überstunden 63

kehrt entsteht ohne rechtsgeschäftliche Abrede aus der fortdauernden Anordnung


von Überstunden kein vertraglicher Anspruch auf ein bestimmtes Mindestmaß an
Überstunden.99
Bei der Verteilung von Überstunden hat der Arbeitgeber billiges Ermessen zu 53
wahren und insbesondere auf familiäre Verpflichtungen der Arbeitnehmer Rücksicht
zu nehmen.100

3. Wirksamkeitsanforderungen an vertragliche Überstundenanordnung


Da der Arbeitnehmer ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht zur Leistung von Über- 54
stunden verpflichtet ist, ist es empfehlenswert eine entsprechende einseitige Befug-
nis des Arbeitgebers in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Unbeschadet der Frage,
ob eine solche Regelung die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft,101 unter-
liegt sie jedenfalls gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307
Abs. 1 S. 2 BGB, wenn sie formularmäßig vereinbart wird. Danach kann sich aus der
mangelnden Klarheit und Verständlichkeit die zur Unwirksamkeit einer Allgemei-
nen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung ergeben.102
Grundsätzlich muss eine solche vertragliche Regelung daher Anlass, Umfang und
Grenzen der Überstundenanordnung regeln.103
Umstritten ist dabei allerdings, wie präzise der Anlass der Überstundenanord- 55
nung geregelt werden muss. Nach richtiger Ansicht ist es nicht erforderlich in der
Klausel einzelne Gründe für die Anordnung von Überstunden aufzuzählen. Denn
diese sollen einen häufig nicht planbaren Mehrbedarf an Arbeit abdecken, der auf
verschiedensten Gründen beruhen kann. Diese Gründe sind im Vorhinein regelmäßig
nicht absehbar und daher auch in einer arbeitsvertraglichen Klausel kaum darstell-
bar. Würde man den Arbeitgeber verpflichten, dennoch sämtliche mögliche Gründe
für die Anordnung von Überstunden in die vertragliche Regelung aufzunehmen,
würde dies aufgrund des Umfangs solcher Klauseln bzw. einer kaum vermeidbaren
Verallgemeinerung von Gründen zu keinem Transparenzgewinn für den Arbeitneh-
mer führen.104

99 BAG, Urt. v. 22.04.2009 – 5 AZR 133/08; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 611 BGB Rn 663.
100 Rosenau, NJW-Spezial 2010, 754.
101 Ausdrücklich offen gelassen von BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11.
102 BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10.
103 Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721; Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im
ArbR, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 182a; Klocke, RdA 2014, 223, 224.
104 Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann/Lingemann, Anwaltsformularbuch ArbeitsR, 5. Auflage
2014, M.21a Fußnote 28.

Köhn/Puhl
64 Kapitel 3 Arbeitsleistung

56 Es sollte daher ausreichend sein, „betrieblichen Bedarf“ bzw. „betriebliche Erfor-


dernisse“ als Grund für die Anordnung von Überstunden in der Arbeitsvertragsklau-
sel zu nennen.105
57 Das Bundesarbeitsgericht hat zu dieser Fragestellung – soweit ersichtlich –
noch nicht ausdrücklich Stellung bezogen. In einer Entscheidung, in der es primär
um die Wirksamkeit einer Abgeltungsklausel ging, hat es jedoch eine Klausel, die
als Voraussetzung für die Anordnung von Überstunden auf „betriebliche Erforder-
nisse“ ohne nähere Konkretisierung abstellte, als „vage Umschreibung“ kritisiert,
ohne daran jedoch die Wirksamkeit der Klausel scheitern zu lassen.106 Es ist daher
dringend anzuraten, die weitere Entwicklung der Rechtsprechung genau zu beobach-
ten. Arbeitgebern, die ganz sicher gehen wollen, sei empfohlen in der Klausel eine
möglich facettenreiche Aufzählung von Gründen für die Anordnung von Überstun-
den aufzunehmen.107
58 Empfehlenswert ist es aus Transparenzgesichtspunkten außerdem die mögliche
Überstundenanzahl arbeitsvertraglich zu beschränken.108 Vorgeschlagen wird
hier entsprechend den Grundsätzen zur Rufbereitschaft eine Grenze von 25 % der
regulären Arbeitszeit zu vereinbaren.109 Eine absolute Höchstgrenze geben die Rege-
lungen des Arbeitszeitgesetzes vor, welche jedenfalls aus Klarstellungsgesichtspunk-
ten in der arbeitsvertraglichen Regelung vorgesehen werden sollte.110

III. Ausgleich von Überstunden

59 Der Arbeitgeber muss geleistete Überstunden grundsätzlich ausgleichen, wobei


typischerweise der Ausgleich entweder durch eine Geldzahlung oder durch Frei-
zeit erfolgt. Insbesondere, wenn der Arbeitgeber Überstunden der Arbeitnehmer (in

105 Schaub/Linck, ArbeitsR-Hdb., 16. Auflage 2015, § 45 Rn 43; Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann/


Lingemann, Anwaltsformularbuch ArbeitsR, 5. Auflage 2013, M.21a Fußnote 28; Clemenz/Kreft/Krau-
se/Klumpp, AGB-Arbeitsrecht 2013, § 307 BGB Rn 107; HWK/Lembke § 106 GewO Rn 78, 6. Auflage
2014; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 2007, Rn 136; a. A. wohl Däubler/Bonin/Deinert/Bonin,
AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 4. Auflage 2014, § 307 BGB Rn 182a.
106 BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10; vgl. dazu auch Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721;
ebenfalls ohne nähere Konkretisierung erachtete das BAG eine Klausel mit der Formulierung „im
Fall dringenden betrieblichen Bedarfs“ in Verbindung mit einer pauschalen Abgeltung für zu unbe-
stimmt, vgl. BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 347/11.
107 So auch Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721.
108 Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann/Lingemann, Anwaltsformularbuch ArbeitsR, 5. Auflage
2014, M.21a Fußnote 28; Schiefer in Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage
2011, S. 933 Rn 3097 f.
109 Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721.
110 BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10; BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10; BAG, Urt. v.
01.09.2010 – 5 AZR 517/09.

Köhn/Puhl
C. Überstunden 65

den zulässigen Grenzen) pauschal abgelten111 oder aber durch Freizeit ausgleichen
möchte, empfiehlt es sich dringend den Ausgleich der Überstunden arbeitsvertraglich
zu regeln.

1. Vorliegen einer objektiven Vergütungserwartung


Besteht keine vertragliche Regelung, findet regelmäßig § 612 BGB hinsichtlich des 60
Ausgleichs von Überstunden Anwendung. Voraussetzung ist, dass anhand eines
objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs
und der Dauer der Arbeitsleistung eine Vergütung zu erwarten ist.112
In weiten Teilen des Arbeitslebens ist von einer solchen objektiven Vergütungs- 61
erwartung auszugehen. Etwas anderes kann jedoch im Fall von arbeitszeitbezogener
oder arbeitszeitunabhängiger Arbeitsleistung, bei Diensten höherer Art oder wenn
ohnehin eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird, gelten.113 Letzterer
und in der Praxis relevanter Fall ist regelmäßig zu bejahen, wenn die dem Arbeit-
nehmer gezahlte Vergütung die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen
Rentenversicherung überschreitet.114 Denn nach Ansicht des Bundesarbeitsge-
richts zählen diejenigen Arbeitnehmer, die mit dem aus ihrer abhängigen Beschäf-
tigung erzielten Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenver-
sicherung überschreiten, zu dem Kreis der Arbeitnehmer, die nach der Erfüllung
ihrer Arbeitsleistung und nicht eines Stundensolls beurteilt werden. Es fehlt damit
diesen Arbeitnehmern, aber auch den Arbeitgebern an einer objektiven Vergütungs-
erwartung für ein besonderes Entgelt als Gegenleistung für die über die regelmäßige
Arbeitszeit geleistete Arbeit.115
Die nach § 612 Abs. 2 BGB zu zahlende Überstundenvergütung entspricht der 62
Höhe nach dem auf die entsprechende Zeiteinheit umgerechneten Gehaltsteil, der
dem Arbeitnehmer für die normale Arbeitszeit inklusive etwaiger Zulagen zusteht.116
Unklar ist bisher, ob sich die Vergütungserwartung ausschließlich auf den Aus- 63
gleich in Geld erstreckt oder ob die Erwartung der Arbeitnehmer auch ohne vertrag-
liche Regelung durch Ausgleich in Freizeit erfüllt werden kann. Das Bundesarbeits-
gericht musste hierzu bisher nicht abschließend Stellung beziehen, sondern spricht
nur allgemein von der „Vergütungserwartung“ der Arbeitnehmer.117 Geht man aber

111 BAG, Urt. v. 18.09.2001 – 9 AZR 307/00.


112 BAG, Urt. v. 11.10.2000 – 5 AZR 122/99; BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10.
113 BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10; BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10; vgl. mit Beispielen
Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1722.
114 Für das Jahr 2015 gilt eine Beitragsbemessungsgrenze von 6.200,– € monatlich und 74.400 €
jährlich (West) bzw. 5.400,– € monatlich und 64.800 € jährlich (Ost).
115 BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10.
116 BAG, Urt. v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05.
117 BAG, Urt. v. 18.09.2001 – 9 AZR 307/00; BAG, Urt. v. 22. Februar 2012 – 5 AZR 765/10.

Köhn/Puhl
66 Kapitel 3 Arbeitsleistung

von der Anwendung des § 612 BGB aus, erstreckt sich die Erwartungshaltung aber
regelmäßig auf den finanziellen Ausgleich, sodass dringend zu einer entsprechenden
vertraglichen Regelung des Freizeitausgleichs zu raten ist.

2. W irksamkeitsanforderungen an vertragliche Regelungen zum Ausgleich von


Überstunden
64 Wie auch bei der Befugnis zur Anordnung von Überstunden, unterliegt eine arbeits-
vertragliche Regelung zum Ausgleich von Überstunden unbeschadet der Frage, ob
eine solche Regelung die Hauptleistungspflichten der Parteien betrifft,118 jedenfalls
gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Die
Unwirksamkeit einer Regelung zum Ausgleich von Überstunden kann sich daher
insbesondere aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Regelung erge-
ben.119 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine die pau-
schale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel nur dann klar und verständ-
lich, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in
welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen. Der Arbeitnehmer muss
nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bereits bei Vertragsabschluss erkennen
können, was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistungen er für die vereinbarte
Vergütung maximal erbringen muss.120
65 Danach ist eine Klausel, nach der jede zusätzliche Vergütung von Überstunden
ausgeschlossen ist, unwirksam. Denn der Arbeitsvertrag lässt dann gerade nicht
erkennen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer für das monatliche Bruttoent-
gelt schuldet.121 Gleiches gilt für eine Regelung, nach der sämtliche Überstunden
pauschal von der monatlichen Bruttovergütung abgegolten sind.122 Erforderlich ist
es daher die Zahl der anzuordnenden Überstunden zu definieren, die pauschal mit
abgegolten sind.123 Dafür kommt zum einen die Festlegung einer konkreten Menge
abgegoltener Überstunden oder aber die Festlegung der abgegoltenen Überstunden

118 Regelt die Klausel ausschließlich die Vergütung von Überstunden, nicht aber die Anordnungs-
befugnis des Arbeitgebers zur Leistung von Überstunden, handelt es sich nach Ansicht des Bundes-
arbeitsgerichts um eine Hauptleistungsabrede, die von der Inhaltskontrolle ausgenommen ist, BAG,
Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11. Ob dies auch für eine Klausel gilt, die Anordnungsbefugnis und Ab-
geltungsregelung kombiniert, hat das Bundearbeitsgericht jedoch ausdrücklich offen gelassen, vgl.
dazu oben Rn 101.
119 BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10.
120 BAG, Urt. v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09; BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 5 AZR 406/10; BAG, Urt. v.
22.02.2012 – 5 AZR 765/10; BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11; BAG, Urt. v. 27.06.2012 – 5 AZR
530/11; LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 26.08.2014 – 6 Sa 84/14, juris; LArbG Rheinland-Pfalz, Urt. v.
14.10.2014 – 7 Sa 85/14.
121 BAG, Urt. v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10.
122 BAG, Urt. v. 01.09.2010 – 5 AZR 517/09.
123 BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11; HWK/Gotthard, 6. Auflage 2014, §§ 305 – 310 BGB, Rn 41.

Köhn/Puhl
C. Überstunden 67

durch die Angabe eines Prozentsatzes im Verhältnis zur vereinbarten Normalarbeits-


zeit in Betracht.124
Unklar ist, ob und wenn ja in welcher Höhe Höchstgrenzen für die pauschale 66
Abgeltung von Überstunden bestehen. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Klausel für
wirksam erachtet, wonach die ersten 20 Stunden im Monat im Rahmen eines Vollzeit-
arbeitsverhältnisses mit abgegolten sein sollten.125 Eine gesicherte höchstrichterliche
Rechtsprechung zu etwaigen Höchstgrenzen ist jedoch bisher nicht ergangen. Richtig
ist, dass die Höhe der pauschal abgegoltenen Überstunden sich jedenfalls innerhalb
der Grenzen des Arbeitszeitgesetzes bewegen muss, nicht zu einer sittenwidrig nied-
rigen Gesamtvergütung führen darf und auch die Höhe der pauschal abgegoltenen
Überstunden nicht zu einem Missverhältnis zur vereinbarten Regelarbeitszeit stehen
darf.126 Diskutiert wird in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsge-
richts zur Arbeit auf Abruf, von der Zulässigkeit der pauschalen Abgeltung von Über-
stunden in Höhe von maximal 25 % der Normalarbeitszeit auszugehen.127 Andere
Stimmen sind vorsichtiger und argumentieren, dass es jedenfalls angemessen sein
dürfte, Überstunden in Höhe von maximal 10 % der Normalarbeitszeit pauschal mit
der monatlichen Grundvergütung abzugelten.128

Praxishinweis:
Es empfiehlt sich eine wirksame Ausschlussklausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Nur so kann
von vorneherein vermieden werden, dass Überstunden über einen längeren Zeitraum von den Arbeit-
nehmern angesammelt werden und sich der Arbeitgeber auf einmal massiven Ausgleichsansprüchen
der Arbeitnehmer ausgesetzt sieht.

3. Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs


Dem Arbeitnehmer steht nur dann ein Anspruch auf Ausgleich der Überstunden zu, 67
wenn der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, gebilligt oder geduldet hat
oder die Überstunden jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig
waren.129 Dahinter steht der Rechtsgedanke, dass sich der Arbeitgeber die Leistung
und den Ausgleich von Überstunden nicht aufdrängen lassen muss und der Arbeit-

124 Vgl. die Beispiele in Grobys/Panzer/Wahlig, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014,
§ 153 Rn 22.
125 BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11.
126 Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721 ff.; Grobys/Panzer/Wahlig, Stichwort Kommentar Ar-
beitsrecht, 2. Auflage 2014, § 153 Rn 22
127 Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238, 242; Salomon/Hoppe/Rogge, BB 2013, 1720, 1721 ff.
128 Däubler/Bonin/Deinert/Bonin, AGB-Kontrolle im ArbR, 4. Auflage 2014, § 307 BGB, Rn 182c;
ErfK/Preis, 15. Auflage 2015, § 305–310 BGB Rn 92; Schramm/Kuhnke, NZA 2012, 127, 128.
129 BAG, Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12; BAG, Urt. v. 25.05.2005 – 5 AZR 566/04; BAG, Urt. v.
17.04.2002 – 5 AZR 644/00; BAG, Urt. v. 15.06.1961 – 2 AZR 436/60.

Köhn/Puhl
68 Kapitel 3 Arbeitsleistung

nehmer insbesondere nicht durch überobligatorische Arbeit nicht selbst über seinen
Vergütungsanspruch entscheiden kann.130 Die Darlegungs- und Beweislast für das
Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den
Anspruch geltend macht.131
68 Vereinbaren die Parteien die Abgeltung der Überstunden entweder durch Vergü-
tung oder durch Freizeitausgleich, steht dem Arbeitnehmer weder ein Anspruch auf
Freizeitausgleich noch ein Anspruch auf Vergütung zu. Es liegt dann vielmehr ein
Wahlrecht des Arbeitgebers vor, wie er die geleisteten Überstunden ausgleichen
möchte.132

Wichtig:
Der Ausgleichsanspruch der Arbeitnehmer besteht unabhängig davon, ob die zugrundeliegende Ar-
beitszeit den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes widerspricht, der Ausgleichsanspruch besteht da-
her insbesondere auch bei gesetzeswidriger Überarbeit.133

Muster einer Überstundenklausel


Es empfiehlt sich folgende Musterklausel zur Anordnung von Überstunden:
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei betrieblichem Bedarf auf Anordnung des Arbeitgebers bis zur
Grenze der jeweils anwendbaren gesetzlichen Höchstarbeitszeiten Überstunden zu leisten.
Zum Ausgleich von Überstunden empfiehlt sich folgende Musterklausel:
Die ersten 20 Überstunden im Monat sind durch die Vergütung gemäß Ziffer XX abgegolten. Darüber
hinausgehende Überstunden werden nach Wahl des Arbeitgebers entweder durch Freizeit ausgegli-
chen oder vergütet.

D. K
 urzarbeit

I. A
 llgemeine Erwägungen

69 Kurzarbeit ist die vorübergehende Reduzierung der betriebsüblichen Regelarbeitszeit


bei entsprechender Herabsetzung der Vergütung.134 Da die Kurzarbeit zur teilweisen
Suspendierung der Hauptleistungspflichten führt, kann der Arbeitgeber sie nicht
ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage anordnen, insbesondere führt das Vorlie-
gen der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

130 BAG, Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12; Klocke, RdA 2014, 223.
131 BAG, Urt. v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12.
132 BAG, Urt. v. 04.05.1994 – 4 AZR 445/93.
133 BAG, Urt. v. 28.09.2005 – 5 AZR 52/05.
134 Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 611 BGB, Rn 657.

Köhn/Puhl
D. Kurzarbeit 69

nach den §§ 95 ff. SGB III nicht dazu, dass der Arbeitgeber befugt ist Kurzarbeit einsei-
tig einzuführen.135
Es empfiehlt sich daher vorausschauend bereits in den Arbeitsvertrag eine ent- 70
sprechende Kurzarbeitsklausel aufzunehmen (sog. Vorratsvereinbarungen), da
es erfahrungsgemäß nach Abschluss des Arbeitsvertrages schwieriger ist, mit den
Arbeitnehmern eine entsprechende Zusatzvereinbarung zu schließen bzw. mit einem
hohen Organisationsaufwand verbunden ist. Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, eine
einvernehmliche Regelung mit den Arbeitnehmern zu erzielen, verbleibt dem Arbeit-
geber oft nur die Möglichkeit die Arbeitsverhältnisse im Wege der Änderungskün-
digung anzupassen, was nicht zuletzt aufgrund des erforderlichen Abwartens der
individuellen Kündigungsfristen sowie der regelmäßigen Anwendbarkeit des Kündi-
gungsschutzgesetzes für den Arbeitgeber nicht praktikabel ist.136
Die Arbeitsvertragsparteien müssen Kurzarbeit nicht ausdrücklich vereinbaren. 71
Bereits eine konkludente Einigung, durch die der Arbeitnehmer entsprechend der
Weisung des Arbeitgebers tatsächlich widerspruchslos Kurzarbeit leistet, ist ausrei-
chend.137
Der Arbeitgeber trägt jedoch das Risiko der Zahlung von Annahmeverzugslohn, 72
wenn der Arbeitnehmer die konkludente Einigung bestreitet, so dass eine schriftliche
bzw. arbeitsvertragliche Vereinbarung von Kurzarbeit in jedem Fall vorzugswürdiger
ist.138
Neben dem Arbeitsvertrag kann Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzar- 73
beit auch eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag oder auch das Gesetz, § 19
KSchG, sein.139

Praxishinweis:
Besteht ein Betriebsrat, bedarf die Anordnung von Kurzarbeit, unabhängig vom Vorliegen einer wirk-
samen (arbeitsvertraglichen) Rechtsgrundlage, der Zustimmung des Betriebsrates. Denn der Be-
triebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der
Anordnung von Kurzarbeit.140

135 BAG, Urt. v. 12.10.1994 – 7 AZR 398/93; BAG, Urt. v. 16.12.2008 – 9 AZR 164/08, NZA 2009, 689;
Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage 2011, S. 782 Rn 2530.
136 Cohnen/Röger, BB 2009, 46, 47; Grobys/Panzer/Panzer-Herrmeier, Stichwort Kommentar Arbeits-
recht, 2. Auflage 2014, § 109 Rn 6.
137 ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 611 BGB Rn 657; LAG Düsseldorf, Urt. v. 14.10.1994 – 10 Sa 1194/94.
138 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664.
139 Grobys/Panzer/Panzer-Herrmeier, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 109 Rn
16 ff., wobei es den Tarifvertragsparteien aus Gründen der Kernbereichslehre untersagt ist, den Ar-
beitgebern die voraussetzungslose Einführung von Kurzarbeit zu gestatten, BAG, Urt. v 18.10.1994 – 1
AZR 503/93.
140 Preis/Lindemann, Der Arbeitsvertrag, 3. Auflage 2009, II. A 90, Rn 80 ff.

Köhn/Puhl
70 Kapitel 3 Arbeitsleistung

II. Wirksamkeitsanforderungen an Kurzarbeitsklauseln

74 Kurzarbeitsklauseln sind in Individualarbeitsverträgen zulässig, werden sie jedoch


formularmäßig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart, unterlie-
gen sie den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB. Das bedeutet, dass Kurzarbeitsklauseln
nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB sein dürfen und insbesondere den
Transparenz- und Angemessenheitserfordernissen des § 307 BGB genügen müssen.
75 Soweit ersichtlich hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht dazu entscheiden
müssen, unter welchen Voraussetzung eine Kurzarbeitsklausel zulässig ist. Einzel-
heiten zur Ausgestaltung von Kurzarbeitsklauseln sind deshalb nach wie vor umstrit-
ten.141
76 Fraglich ist dabei insbesondere, ob ein uneingeschränktes Recht des Arbeitge-
bers Kurzarbeit anzuordnen mit dem wesentlichen Grundgedanken der zwingenden
Normen des Kündigungsschutzgesetzes vereinbar ist oder aber eine unangemessene
Benachteiligung der Arbeitnehmer im Sinne von §§ 307 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
darstellt.142 Vor allem wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit „auf Null“ anordnet und damit
seine Verpflichtung zur Entgeltzahlung „auf Null“ reduziert, wird argumentiert, dass
darin eine unzulässige Umgehung der §§ 1 ff. KSchG, § 611 BGB und § 615 BGB zu
sehen sei.143 Für die Einführung von Kurzarbeit durch einen Tarifvertrag hat das Bun-
desarbeitsgericht bereits ausdrücklich entschieden, dass die Tarifvertragsparteien
dem Arbeitgeber nicht das Recht einräumen können, voraussetzungslos Kurzarbeit
einzuführen.144 Es besteht daher weitestgehend Einigkeit, dass auch arbeitsvertrag-
lich dem Arbeitgeber nicht das Recht eingeräumt werden kann voraussetzungslose
Kurzarbeit anzuordnen.145 Die Unwirksamkeit einer Klausel dürfte sich darüber
hinaus auch bereits aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB mangels hinreichender Bestimmtheit
ergeben.146
77 Es wird daher vertreten, die Zulässigkeit von Kurzarbeitsklauseln an der Recht-
sprechung des Bundesarbeitsgerichts zu formularmäßigen Änderungsvor-
behalten zu orientieren. Danach wäre die einseitige Herabsenkung der Arbeitszeit

141 Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Auflage 2011, S. 782 Rn 2549.


142 Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209, 210.
143 Bonanni/Naumann, DStrR 2009, 1374, HWK/Gotthard, 6. Auflage 2014, §§ 305 – 310 BGB Rn 28;
LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.01.2011 –
17 Sa 2153/10.
144 BAG, Urt. v. 27.01.1994 – 6 AZR 541/93; BAG, Urt. v. 18.10.1994 – 1 AZR 503/93.
145 Bonanni/Naumann, DStrR 2009, 1374, 1375; HWK/Gotthard, 6. Auflage 2014, §§ 305 – 310 BGB Rn
31; Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209; Liebers/Reiserer, Formu-
larhandbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 3. Auflage, 2015, B I.1. Rn 23; LAG Berlin-Brandenburg,
Urt. v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.01.2011 – 17 Sa 2153/10;
146 Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, S. 909 Rn 3012.

Köhn/Puhl
D. Kurzarbeit 71

durch den Arbeitgeber um maximal 20 % zulässig.147 Die Einführung von Kurzarbeit


würde für den Arbeitgeber dadurch jedoch erheblich an Attraktivität einbüßen.
Eine Orientierung an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zu formular- 78
mäßigen Änderungsvorbehalten ist jedoch nach richtiger Ansicht nicht erforderlich,
weil die Wertung der §§ 95 ff. SGB III bei der Beurteilung der Angemessenheit
von Kurzarbeitsklauseln berücksichtigt werden muss.148 Aus der ausdrücklichen
Zulassung des Instruments der Kurzarbeit und der entsprechenden staatliche För-
derung dieses Instruments durch die Zahlung von Kurzarbeitergeld ist der Wille des
Gesetzgebers erkennbar, den Arbeitgeber dazu anzuhalten auf Schwankungen der
Auftragslage mit dem milderen Mittel der Kurzarbeit anstatt mit Beendigungskün-
digungen zu reagieren.149 Knüpft eine Kurzarbeitsklausel daher an die gesetzlichen
Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III zur Zahlung von Kurzarbeitergeld an, entspricht
diese gerade den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, so dass
von der Angemessenheit einer solchen Klausel auszugehen ist.150 Die Voraussetzun-
gen, unter denen Kurzarbeit eingeführt werden kann, sollten deshalb an die gesetzli-
chen Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III anknüpfen.
Arbeitgeber sollten außerdem unbedingt eine hinreichende Ankündigungs- 79
frist in die Kurzarbeitsklausel aufnehmen.151 Die Ankündigungsfrist soll den Arbeit-
nehmer in die Lage versetzen, sich auf die geänderten Umstände einzustellen und
insbesondere die aufgrund der veränderten Einkommens- und Arbeitszeitsituation
erforderlichen Dispositionen vorzunehmen.152 Entsprechend den üblichen tarifver-
traglichen Regelungen sollte die Ankündigungsfrist mindestens drei Wochen betra-
gen.153

147 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 210.


148 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Kleinebrink, DB 2009, 342, 344; Preis/Lindemann, Der Arbeits-
vertrag, 3. Auflage 2009, II. A 90, Rn 79; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträ-
gen, 2. Auflage 2011, S. 786 Rn 2549; Worzalla, NZA-Beil. 2006, 122, 129.
149 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664;
150 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; Kleinebrink, DB 2009, 342, 344; HWK/Gotthard, 6. Auflage
2014, §§ 305 – 310 BGB, Rn 28; Schaub/Linck, ArbeitsR-Hdb., 16. Auflage 2015, § 47 Rn 7; Preis/Linde-
mann, Der Arbeitsvertrag, 4. Auflage 2015, II. A 90 Rn 79; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von
Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, S. 909 Rn 3012 f.; Worzalla, NZA-Beil. 2006, 122, 129; a. A. wohl LAG
Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 19.01.2011 – 17
Sa 2153/10, wonach die Klausel zusätzlich Angaben zur Begrenzung des Umfangs der Kurzarbeit sowie
Maßgaben zur personellen Begrenzung der Kurzarbeit enthalten müsse.
151 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v.
19.01.2011 – 17 Sa 2153/10.
152 Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 210.
153 MantelTV der Deutschen Telekom AG in der Fassung vom 01.03.2004 mit einer Ankündigungs-
frist von 14 Tagen; vgl. zu weiteren Beispielen Bispinck/WSI-Tarifarchiv Informationen zur Tarifpolitik
2009, online als PDF abrufbar unter http://www.boeckler.de/pdf/p_ta_elemente_kurzarbeit.pdf (zu-
letzt abgerufen am 20.05.2015).

Köhn/Puhl
72 Kapitel 3 Arbeitsleistung

80 Es ist außerdem zu empfehlen, in der Kurzarbeitsklausel das Recht zur Anord-


nung von Kurzarbeit von der Anzeige des Arbeitsausfalls bei der Agentur für
Arbeit gemäß § 99 SGB III durch den Arbeitgeber abhängig zu machen. Denn die
Anzeige bei der Agentur für Arbeit liegt ohnehin im Interesse des Arbeitgebers, da
dieser sich bei Unterlassen der Anzeige ggf. Schadensersatzansprüchen der Arbeit-
nehmer in Höhe des nicht gezahlten Kurzarbeitergelds ausgesetzt sehen kann.154
81 Eine Kurzarbeitsklausel wird gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil des
Arbeitsvertrages, wenn sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren
Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, dass der Arbeitnehmer nicht mit ihr zu rechnen
brauchte. Grundsätzlich sind Kurzarbeitsklauseln in einem Arbeitsvertrag nicht unüb-
lich und damit nicht überraschend.155 Gleichwohl sollten Kurzarbeitsklauseln zur Ver-
meidung eines Überrumpelungs- bzw. Überraschungseffektes im Sinne von § 305c
Abs. 1 BGB unter einem gesonderten Punkt „Kurzarbeit“ aufgeführt werden bzw. das
Wort „Kurzarbeit“ in die Überschrift der jeweiligen Klausel aufgenommen werden.156

III. Rechtsfolgen der Einführung von Kurzarbeit

82 Die rechtmäßige Einführung von Kurzarbeit führt zur teilweisen Suspendierung der
Hauptleistungspflichten, d. h. dass der Arbeitnehmer ganz oder teilweise von der Ver-
pflichtung zur Arbeitsleistung befreit wird und zugleich entsprechend der Arbeits-
reduzierung seinen Vergütungsanspruch verliert.157 Die arbeitsvertraglichen Neben-
pflichten werden durch die Einführung von Kurzarbeit nicht berührt.158
83 Der Arbeitnehmer erhält als Ausgleich einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.159 In
Höhe des sich aus dem verminderten Vergütungsanspruch und dem Kurzarbeitergeld
zusammensetzenden Betrages behält der Arbeitnehmer seinen Zahlungsanspruch
gegen den Arbeitgeber.160 Dies hat insbesondere dann praktische Bedeutung, wenn
der Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht besteht oder später widerrufen wird.161

154 Cohnen/Röger, BB 2009, 46, 49; Bauer/Günther, BB 2009, 662, 664; HWK/Krause, 6. Auflage 2014,
§ 615 BGB Rn 24; Schaub/Linck, ArbeitsR-Hdb., 16. Auflage 2015, § 47 Rn 13; ErfK/Preis, 16. Auflage
2016, § 611 BGB Rn 662.
155 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 07.10.2010 – 2 Sa 1230/10.
156 Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209.
157 BAG, Urt. v. 12.10.1994 – 7 AZR 398/93; BAG, Urt. v. 16.12.2008 – 9 AZR 164/08; Cohnen/Röger, BB
2009, 46, 48; Hümmerich/Reufels/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 3. Auflage 2015, S. 909
Rn 3012.
158 Cohnen/Röger, BB 2009, 46, 48.
159 Zu den Voraussetzungen vgl. §§ 95 ff. SGB III
160 BAG, Urt. v. 11.07.1990 – 5 AZR 557/89; BAG, Urt. v. 22.04.2009 – 5 AZR 310/08; Grobys/Panzer/
Panzer-Herrmeier, Stichwort Kommentar Arbeitsrecht, 2. Auflage 2014, § 109 Rn 9; ErfK/Preis, 16. Auf-
lage 2016, § 615 BGB Rn 15.
161 BAG, Urt. v. 22.04.2009 – 5 AZR 310/08, NZA 2009, 913; ErfK/Preis, 15. Auflage 2015, § 615 BGB Rn 15.

Köhn/Puhl
E. Zurückbehaltungsrecht 73

Muster einer Kurzarbeitsklausel


„Der Arbeitgeber ist berechtigt, einseitig Kurzarbeit anzuordnen, wenn die jeweils geltenden gesetz-
lichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld, derzeit gemäß §§ 95 ff. SGB III vor-
liegen und der Arbeitgeber nachweist, dass er den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit für den
entsprechenden Zeitraum gemäß § 99 SGB III angezeigt hat. Der Arbeitgeber hat eine Ankündigungs-
frist von drei Wochen vor Beginn der Kurzarbeit einzuhalten. Für die Dauer der Kurzarbeit reduziert
sich die vertragliche Vergütung des Arbeitnehmers im Verhältnis zu der reduzierten Arbeitszeit.“

E. Z
 urückbehaltungsrecht

§ 273 und § 320 BGB gestehen dem Schuldner das Recht zu, die ihm obliegende Leis- 84
tung solange zurückzuhalten bis der Gläubiger die von ihm geschuldete Leistung
ebenfalls anbietet. § 320 BGB ist eine Sonderregel für die Hauptleistungspflichten in
gegenseitigen Verträgen, etwa bei Arbeitsverträgen die Erbringung der Arbeitsleis-
tung durch den Arbeitnehmer und die Zahlung des Arbeitsentgelts durch den Arbeit-
geber. Für alle weiteren (Neben)Pflichten sieht § 273 BGB vor, dass das Bestehen eines
fälligen auf einem einheitlichen Lebensverhältnisses beruhenden Gegenanspruchs
Voraussetzung für ein Zurückbehaltungsrecht ist.

I. Allgemeines

Der Arbeitgeber hat häufig ein besonderes Interesse, das Zurückbehaltungsrecht des 85
Arbeitnehmers auszuschließen. Vor allem bei Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses kann der Arbeitgeber Rückgabe der dienstlichen Unterlagen, Gegenstände und
ggf. eines an den Arbeitnehmer überlassenen Dienstwagen fordern.162 Der Arbeitneh-
mer kann dies mit dem Argument verweigern, dass der Arbeitgeber seinerseits die
Pflichten aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt hat, z. B. gestützt
auf den Anspruch auf Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses.
Tatsächlich wird dem Arbeitnehmer häufig aber schon kein Zurückbehal- 86
tungsrecht zustehen können. Soweit dem Arbeitnehmer Arbeitsmittel überlassen
sind, die er nur dienstlich nutzen darf, handelt er als Besitzdiener im Sinne des § 855
BGB; unmittelbarer Besitzer des dienstlichen Gegenstands bleibt in diesem Fall der
Arbeitgeber.163 Ist dem Arbeitnehmer dagegen die private Nutzung, etwa des Dienst-
wagens oder Mobiltelefons, erlaubt, kann er ein Zurückbehaltungsrecht an diesen

162 Zum Herausgabeanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses BAG Urt. v. 14.12.2011 – 10
AZR 283/10; MünchArbR/Wank, 3. Auflage 2009, § 106 Rn. 11 f.
163 BAG Urt. v. 17.09.1998 – 8 AZR 175/97.

Köhn/Puhl
74 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Gegenständen geltend machen.164 Umgekehrt kann der Arbeitgeber nach der Recht-
sprechung des Bundesarbeitsgericht an den Arbeitspapieren des Arbeitnehmers
kein Zurückbehaltungsrecht ausüben (vgl. auch § 39b Abs. 1 Satz 3, § 41 Abs. 1 Satz 4
EStG).165 Darüber hinaus besteht hinsichtlich des unpfändbaren Teils der Vergütung
des Arbeitnehmers kein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 394 BGB.

II. Hinweise zur Vertragsgestaltung

87 Ein arbeitsvertraglicher Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts unterliegt der AGB-


Kontrolle. Nach dem Klauselverbot des § 309 Nr. 2b BGB ist der Ausschluss oder
die Einschränkung eines Zurückbehaltungsrechts aber grundsätzlich ohne
Wertungsspielraum unwirksam. Teilweise wird vertreten, dass arbeitsrechtliche
Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts
im Einzelfall erlauben sollen, z. B. dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Beson-
derheiten des Arbeitsverhältnisses ein gesteigertes Interesse an dem Ausschluss des
Zurückbehaltungsrechts hat.166 Dies ist aber nur in wenigen Konstellationen denkbar,
in denen dem Arbeitnehmer überhaupt ein Zurückbehaltungsrecht zustehen dürfte.
Möglich wäre z. B. die Überlassung eines Dienstlaptops, auf dem sensible Daten des
Arbeitgebers gespeichert werden, der gleichzeitig aber auch privat genutzt werden
darf. Der Arbeitgeber sollte den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts im Arbeits-
vertrag dann aber konkret für die jeweilige Fallgruppe vereinbaren.
88 Aufgrund des § 309 Nr. 2b BGB sollte das Zurückbehaltungsrechts soweit möglich
nur noch durch Individualabrede ausgeschlossen werden; andernfalls kommt dem
Ausschluss von Zurückbehaltungsrechten nur deklaratorische Bedeutung zu. Ein
unter Verstoß gegen § 309 Nr. 2 BGB vereinbarter Ausschluss des Zurückbehaltungs-
rechts sollte jedenfalls von den anderen Vertragsklauseln sprachlich klar abgegrenzt
und trennbar vereinbart werden, um eine Aufrechterhaltung der übrigen Vertragsin-
halte zu gewährleisten.

Muster einer Ausschlussklausel


Zur Regelung eines Zurückbehaltungsrechts empfiehlt sich folgende individualvertragliche Verein-
barung:

164 LAG Düsseldorf Urt. v. 12.02.1986 – 11 U 76/85; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Auflage 2015, II
Z 20, Rn 25.
165 BAG Urt. v. 20.12.1958 – 2 AZR 336/56; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Auflage 2015, II Z 20,
Rn 23.
166 Annuß, BB 2002, 458, 453; Grobys, DStR 2002, 1002, 1007. In diesem Fall dürfte dem Arbeitneh-
mer aber schon kein Zurückbehaltungsrecht zustehen, da er nur Besitzdiener ist.

Köhn/Puhl
F. Arbeit auf Abruf 75

„Zurückbehaltungsrechte zwischen den Parteien sind ausgeschlossen.“


Sofern sich der Ausschluss auf bestimmte Herausgabeansprüche, z. B. den Dienstcomputer, bezieht,
empfiehlt sich folgende Klausel:
„Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers an dem dienstlichen Laptop besteht nicht.“

F. Arbeit auf Abruf

I. A
 llgemeine Erwägungen

Die Abrufarbeit ermöglicht den Arbeitsvertragsparteien eine bedarfsgerechte Ver- 89


teilung der vertraglichen Arbeitszeit. Da der Arbeitgeber einseitig bestimmen kann,
wie viele Stunden pro Woche der Arbeitnehmer tätig werden muss, sieht § 12 TzBfG
gesetzliche Schranken vor, die sowohl die Vereinbarung von Abrufarbeit als auch ihre
Anordnung im Einzelfall regulieren.167
Die Arbeit auf Abruf erfasst nach dem Gesetzeswortlaut zunächst Vereinbarun- 90
gen, bei denen die Parteien einen festen Arbeitsumfang vereinbaren, der Arbeit-
geber die Arbeitstage und die Dauer der jeweiligen Arbeitszeit aber bedarfsorientiert
festlegen kann. Abrufarbeit ist aber auch als sogenannte Bandbreitenregelung
möglich, die nur einen bestimmten Rahmen für die Dauer der Arbeitszeit vorgibt, z. B.
eine durchschnittliche Arbeitszeit oder eine Mindestarbeitszeit. Der Arbeitgeber ist in
diesem Fall nicht nur dazu berechtigt, die Arbeitszeiten bedarfsorientiert festzulegen;
er kann innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens auch den Umfang der Arbeitszeit im
Referenzzeitraum variabel bestimmen. Dadurch variiert auch das Entgelt.168 Häufig
werden beide Elemente kombiniert, sodass der Arbeitgeber einerseits die variable
Lage der Arbeitszeit im Rahmen eines bestimmten Bezugszeitraums und andererseits
den Arbeitsumfang bestimmen kann. Möglich ist auch, dass, z. B. bei einem besonde-
ren Saisonbedarf, nur ein Teil der Arbeitszeit variabel ausgestaltet ist, z. B. verteilt auf
eine bestimmte Jahreszeit.
Die Abrufarbeit ist von anderen Instrumenten zur Flexibilisierung der vertragli- 91
chen Arbeitszeit abzugrenzen. § 12 TzBfG erfasst weder die feste, aber ungleichmäßige
Arbeitszeit, noch solche Regelungen, die dem Arbeitnehmer das Bestimmungsrecht
über die Flexibilisierung der Arbeitszeit übertragen, wie bei der Gleitzeitarbeit.169
Auch auf die Anordnung von Überstunden und besondere Arten von Arbeitszeit wie

167 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG, Rn 3; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12


TzBfG Rn 1.
168 BAG Urt. v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 4;
Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238.
169 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 14; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage
2012, § 12 TzBfG Rn 6; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 9.

Köhn/Puhl
76 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Arbeitsbereitschaft, Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst findet § 12 TzBfG keine


Anwendung.170

Praxishinweis:
Da die Abrufarbeit ein besonderes Instrument zur Flexibilisierung der Arbeitszeit darstellt, sollte sie
im Arbeitsvertrag eigenständig im Abschnitt „Arbeitszeit“ geregelt und mit einer eigenständigen
Überschrift („Arbeitszeit/Abrufarbeit“) versehen werden. Andernfalls besteht die Gefahr eines Ver-
stoßes gegen das Verbot überraschender Klauseln gemäß § 305c Abs. 1 BGB.171

II. Anwendungsbereich des § 12 TzBfG

1. Anforderungen bei Vollzeitkräften


92 Nach wohl überwiegender Auffassung findet § 12 TzBfG aufgrund seiner systemati-
schen Stellung im Abschnitt „Teilzeitarbeit“ auf Arbeitsverhältnisse in Vollzeit
keine Anwendung.172 In diese Richtung ist auch ein jüngeres Urteil des Bundesar-
beitsgerichts zu verstehen, in dem es die Anwendung des § 12 TzBfG mit dem Vorlie-
gen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses begründete.173
93 Statt den gesetzlichen Schranken des § 12 TzBfG gilt für Vollzeitarbeitsverhält-
nisse deshalb der Kontrollmaßstab des §§ 305 ff. BGB.174 Wesentliche Regelungen des
§ 12 TzBfG sind aber entsprechend zu berücksichtigen, etwa die Ankündigungsfrist
des § 12 Abs. 4 TzBfG oder die Angabe einer Mindestarbeitszeit.175

Praxishinweis:
Da eine verbindliche Entscheidung der Rechtsprechung noch aussteht, sollten sich Arbeitgeber si-
cherheitshalber auch bei Vollzeitarbeitsverhältnissen eng an den Vorgaben des § 12 TzBfG orientieren.

2. Z
 ulässigkeit bei Zeitarbeitnehmern?
94 Umstritten ist, ob die Vereinbarung von Arbeit auf Abruf in Arbeitsverträgen mit Zeit-
arbeitnehmern zulässig ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AÜG i. V. m. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7

170 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 15; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage


2012, § 12 TzBfG Rn 6; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 10.
171 Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233.
172 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 7; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG Rn 4; für die Vorgängerregelung § 4 BeSchFG auch LAG Hessen Urt. v. 17.01.1997 – 13 Sa 2250/95;
a. A. Bayreuther, in: BeckOK, Edition 37 2015, § 12 TzBfG Rn 3; MünchArbR/Schüren, 3. Auflage 2009,
§ 41 Rn 9.
173 BAG Urt. v. 24.09.2014 – 5 AZR 1024/12.
174 ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 4; Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238.
175 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 3.

Köhn/Puhl
F. Arbeit auf Abruf 77

NachwG trifft den Verleiher die Pflicht, die Arbeitszeit des Zeitarbeitnehmers anzu-
geben. Zudem dürfen nach § 11 Abs. 4 Satz AÜG die gesetzlichen Vorschriften zum
Annahmeverzug gemäß § 615 BGB nicht unterlaufen werden. Andernfalls könnte
der Verleiher das Beschäftigungsrisiko in verleihfreien Zeiten einseitig auf den Zeit-
arbeitnehmer verlagern. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass Arbeit auf Abruf
bei Zeitarbeitnehmern generell ausgeschlossen sei.176 Sofern etwa die beim Entleiher
tatsächlich geleistete Arbeitszeit geringer sei als die in den Tarifverträgen vereinbarte
regelmäßige Arbeitszeit des Zeitarbeitnehmers, sei der Verleiher verpflichtet dem Zeit-
arbeitnehmer in Höhe der Zeitdifferenz eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit
anzubieten, andernfalls schulde er (unabdingbar und ohne Nachleistungspflicht) die
vertraglich vereinbarte Vergütung.177
Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit 95
von Arbeitszeitkonten bei Zeitarbeitnehmern, in der das Bundesarbeitsgericht auch
auf Abrufklauseln Bezug nimmt, ist die Vereinbarung einer unterschiedlichen
Dauer der Arbeitszeit während verleihfreien Zeiten aber grundsätzlich zuläs-
sig.178 Bedenklich wird die Aufspaltung der Dauer der Arbeitszeit für Überlassungen
und überlassungsfreie Zeiten aber dann, wenn eine solche Vertragsgestaltung dazu
dient, die Unabdingbarkeit des Anspruchs auf Vergütung bei Annahmeverzug nach
§ 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG dadurch zu unterlaufen, dass für verleihfreie Zeiten eine unge-
wöhnlich kurze Arbeitszeit vereinbart wird.

III. Wirksamkeitsanforderungen an Arbeit-auf-Abruf-Klausel

1. Transparenzgebot
Klauseln zur Abrufarbeit unterliegen in Standardarbeitsverträgen dem Transparenz- 96
gebot des § 307 Abs. 1 BGB.179 Sie müssen deshalb klar und verständlich formuliert
sein, insbesondere sofern längere Bezugszeiträume oder ein flexibler Umfang der
abrufbaren Arbeitszeit bezweckt ist.

2. Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit


Da die Abrufarbeit dem Arbeitgeber einseitig einen erheblichen Flexibilisierungs- 97
spielraum zugesteht, hat der Gesetzgeber zum Schutz des Arbeitnehmers strenge

176 Schüren/Schüren, 4. Auflage 2010, § 11 AÜG Rn 51; Ulber, NZA, 232, 233.
177 Vgl. dazu Ulber, NZA 2009, 232, 233.
178 BAG Urt. v. 16.04.2014 – 5 AZR 483/12; Annuß/Thüsing/Jacobs, 3. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 6;
Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 10.
179 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 9; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG
Rn 14.

Köhn/Puhl
78 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Grenzen vorgesehen, die bei jeder vertraglichen Gestaltung von Abrufarbeit zu


beachten sind. Insbesondere müssen die Parteien gemäß § 12 Abs. 1 TzBfG eine täg-
liche oder wöchentliche Mindestdauer der Arbeitszeit festlegen, die auch dann
zu vergüten ist, wenn tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Fehlt es an
einer solchen Abrede, gilt eine Arbeitszeit von zehn Wochenstunden gemäß § 12 Abs. 1
Satz 3 TzBfG als vereinbart.180 Die Arbeitsvertragsparteien können aber auch eine
geringere Arbeitszeit vereinbaren.181
98 Der Arbeitgeber muss infolge der Nachweispflicht des § 2 Abs. 1 NachwG spätes-
tens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesent-
lichen Arbeitsbedingungen – und damit auch die Vereinbarung über die Dauer der
Arbeitszeit – schriftlich niederlegen und diese Niederschrift dem Arbeitnehmer aus-
händigen. Gleichwohl kann sich eine Vereinbarung auch aus der tatsächlich prakti-
zierten Arbeitszeit konkludent ergeben.182 Die vertragliche Vereinbarung kann auch
später nachgeholt und so die gesetzliche Fiktion abgelöst werden.183

3. B
 esondere Gestaltungsgrenzen bei der Vereinbarung einer flexiblen
Arbeitszeitdauer
99 Nach der eindeutigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 7.12.2005 wird
den gesetzlichen Vorgaben des § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG auch dann genüge getan, wenn
die Arbeitsvertragsparteien nur eine sog. Sockelarbeitszeit oder eine Bandbreitenre-
gelung mit Höchst- und Mindeststunden vereinbaren.184 Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 1
TzBfG scheidet aus, weil nach dieser Vorschrift nur die durchschnittliche wöchentli-
che und tägliche Arbeitszeit festgelegt werden muss. Unzulässig ist dagegen die Ver-
einbarung eines Höchststundensatzes, der es dem Arbeitgeber erlauben würde, in
beliebigem Umfang auch eine geringere Stundenzahl abzurufen.
100 Die Regelung zur flexiblen Arbeitszeitdauer muss jedoch den Anforderungen
des § 307 BGB genügen.185 Eine variable Erhöhung der wöchentlichen Mindest-
arbeitszeit ist deshalb nach dem Bundesarbeitsgericht nur bis zur Höhe von
25 % zulässig.186 Andernfalls könnte der Arbeitgeber das allein ihm obliegende Wirt-

180 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 21 f.


181 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 9; ErfK/Preis, 16. Aufage 2016, § 12 TzBfG
Rn 15; Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233, 234.
182 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 9; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG
Rn 16; Meinel/Heyn/Herms/Heyn, § 12 TzBfG Rn 33.
183 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn 9.
184 BAG Urt. v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04; anders noch BAG Urt. v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83; Meinel/
Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 28a.
185 BAG Urt. v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04; Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn
29.
186 BAG Urt. v. 07.12.2005 – 5 AZR 535/04; bestätigt von BVerfG Urt. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06.

Köhn/Puhl
F. Arbeit auf Abruf 79

schaftsrisiko entgegen § 615 BGB auf den Arbeitnehmer übertragen und ihn damit
unzumutbar benachteiligen. Umgekehrt dürfte auch eine Reduzierung der Arbeits-
zeit um 20 % von der vereinbarten Höchstarbeitszeit zulässig sein oder eine ent-
sprechende Bandbreitenregelung, die ausgehend von einer Durchschnittsarbeitszeit
Abweichungen nach oben und nach unten zulässt. Allerdings kann die Erhöhungs-
und Absenkungsspanne nur so miteinander kombiniert werden, dass sie insgesamt
eine Spanne von maximal 25 % erreicht.187
Je geringer die vereinbarte wöchentliche Höchst-, Mindest- oder Durchschnitts- 101
arbeitszeit ist, desto geringer ist auch die vom Arbeitgeber einseitig abrufbare flexi-
ble Arbeitsleistung. Bei der Vertragsgestaltung müssen Arbeitgeber insgesamt darauf
achten, dass die tariflich und gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeiten nicht über-
schritten werden.

Praxishinweis:
Aus Transparenzgründen sollte in die Klausel aufgenommen werden, dass sich die Vergütung für die
zusätzlich abgerufene Arbeitsleistung entsprechend der Höhe der durchschnittlichen Stundenver-
gütung erhöht und im Fall der Arbeitszeitverringerung entsprechend reduziert. Eine entsprechende
Klarstellung sollte zusätzlich in die Vergütungsregelung aufgenommen werden.

Der flexible Abruf von Mehrarbeit im Rahmen des § 12 TzBfG ist grundsätzlich nicht 102
an das Vorliegen konkreter Sachgründe gebunden, wie dies etwa für die AGB-Kont-
rolle vertraglicher Widerrufsvorbehalte vom Bundesarbeitsgericht anerkannt worden
ist.188 Vielmehr muss es grundsätzlich ausreichen, wenn betriebliche Erfordernisse
den Mehrbedarf an Arbeitskraft rechtfertigen. Eine weitergehende Konkretisierung
der Sachgründe stößt auf Schwierigkeiten und würde letztlich zu einer bloßen Leer-
formel führen.189

Praxishinweis:
Auf die Angabe von Sachgründen sollte verzichtet werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der
Arbeitgeber bei der Vertragsgestaltung nicht sämtliche Abrufgründe berücksichtigt und sodann an
die im Arbeitsvertrag genannten Gründe gebunden ist.

4. Kombination mit Ausgleichzeitraum


In der Praxis ist es üblich, Abrufarbeit auch mit Elementen eines Arbeitszeitkontos zu 103
verbinden (sog. kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit „KAPOVAZ“). Die höchst-
richterliche Rechtsprechung hat sich bisher nicht eindeutig dazu geäußert, ob die

187 Bauer/Günther, DB 2006, 950.


188 Vgl. dazu nur BAG Urt. v. 20.04.2011 – 5 AZR 191/10.
189 Zum fehlenden Nutzen solcher Leerformeln vgl. BAG Urt. v. 14.08.2007 – 9 AZR 18/07; Hohen-
statt/Schramm, NZA 2007, 238, 239 f.; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 12 TzBfG Rn 9.

Köhn/Puhl
80 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Abrufarbeit in einem starren wöchentlichen Bezugszeitraum erfolgen muss oder ob


alternativ auch Arbeitszeitkontingente auf Monats- oder Jahresbasis abgeschlossen
werden können.190 Nach der Gesetzesbegründung soll § 12 TzBfG aber gerade dazu
dienen, auf einen langfristig nicht vorhersehbaren schwankenden Arbeitskräftebe-
darf zu reagieren.191 Dies spricht entscheidend dafür, dass die „wöchentliche Arbeits-
zeit“ im Sinne des § 12 TzBfG nur als Durchschnittsgröße zu verstehen ist, die dem
Arbeitnehmer ein festes regelmäßiges Arbeitseinkommen zusichern soll, sodass
Arbeitszeitkontingente auch auf Monats- oder Jahresbasis grundsätzlich möglich
sind.192
104 Welche Dauer des Bezugszeitraums nach § 307 Abs. 1 BGB noch angemessen
ist, hat das Bundesarbeitsgericht bisher nicht entschieden. Sowohl § 7 Abs. 3 Satz 1
BUrlG als auch § 2 Abs. 1 Satz 2 TzBfG indizieren aber, dass der Gesetzgeber einen Jah-
reszeitraum als grundsätzlich angemessen anerkennt.193 Nach anderer Ansicht wird
jedenfalls ein Ausgleichszeitraum von bis zu sechs Monaten als zulässig erachten.194
105 Sofern ein längerer Bezugszeitraum mit einem flexiblen Stundenumfang ver-
knüpft wird, wie dies bei einer sog. KAPOVAZ-Abrede typischerweise der Fall ist,
nimmt das Schutzinteresse des Arbeitnehmers an einer Einschränkung der Flexibili-
sierung durch den Arbeitgeber aber zu. Ob das flexible Arbeitszeitvolumen bei Ver-
einbarung eines Ausgleichszeitraums ebenfalls 25 % betragen kann, unterliegt
deshalb Zweifeln.195 Denn bei einer längeren Ausgleichsspanne trägt der Arbeitneh-
mer dann neben der Unsicherheit über die zeitliche Lage der Arbeitszeit auch noch
die Unsicherheit über die Dauer der Arbeitszeit. Deshalb sollte der von Rechtspre-
chung anerkannte Abrufspielraum von 25 % im Rahmen von KAPOVAZ-Abreden auf
ca. 10 % der Mindestarbeitszeit eingeschränkt werden.196 Nach anderer Ansicht muss
die Flexibilisierungsbandbreite sogar noch weiter eingeschränkt werden und umge-
kehrt proportional zur Länge des Bezugszeitraums verlaufen.197

190 So etwa LAG Düsseldorf Urt. v. 30.08.2002 – 9 Sa 709/02.


191 BT-Drucks. 10/2102, S. 25.
192 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 27; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG Rn 17; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 12 TzBfG Rn 10; Busch, NZA 2001, 593, 594; Kleinebrink, ArbRB
2006, 152, 153; Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233, 235; Wisskirchen/Bissels, NZA-Beilage 2006, 24,
25.
193 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, 3. Auflage 2015 II A 90 Rz. 170; Kleinebrink, ArbRB 2006, 152, 153;
Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233, 235.
194 Hunold, NZA 2003, 896, 899; Wisskirchen/Bissels, NZA 2006, Beilage 1 Nr. 1, 24, 27.
195 So aber in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Kleinebrink, ArbRB
2006, 152, 153.
196 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, 3. Auflage 2015 II A 90 Rz. 171.
197 Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233, 235.

Köhn/Puhl
F. Arbeit auf Abruf 81

5. Kombination mit Überstunden


Zusätzlich zur Festlegung des variablen Abrufs von Arbeit kann der Arbeitgeber sich 106
im Arbeitsvertrag auch die Ableistung von Überstunden vorbehalten. Bei der Anord-
nung von Überstunden überschreitet der Arbeitgeber das arbeitsvertraglich geschul-
dete maximale Arbeitszeitvolumen aufgrund eines nur vorübergehenden zusätzli-
chen Arbeitsbedarfs, während bei der Abrufarbeit von vorneherein klar ist, dass der
Personalbedarf mitunter schwankt.198

Praxishinweis:
Eine Überstundenregelung kann zur Vereinbarung von Abrufarbeit im Arbeitsvertrag hinzutreten.
Für die Anordnung von Überstunden gelten in diesem Fall die Einschränkungen des § 12 TzBfG, ein-
schließlich der Mindestankündigungsfrist nicht. Allerdings muss der Arbeitgeber das Recht, Über-
stunden anzuordnen, gesondert vereinbaren, sodass es eindeutig von der Abrufarbeit abgegrenzt
werden kann. Zudem sollten Formulierungen in der Klausel zur Abrufarbeit vermieden werden, die auf
eine Überstundenklausel hindeuten, z. B. dergestalt dass die Abrufarbeit nur aufgrund „besonderer
betrieblicher Umstände“ anfällt.199

IV. Grenzen der Festlegung der Arbeitszeit

Bei dem Abruf der Leistung ist der Arbeitgeber an die Grundsätze des billigen Ermes- 107
sens gemäß § 106 GewO gebunden. Er muss vor dem Abruf die wesentlichen Umstände
des Einzelfalls abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksich-
tigen. Die Interessen des Arbeitnehmers können durch familiäre, gesundheitliche
oder weitere berufliche Verpflichtungen, durch Freizeitinteressen, aber auch durch
die Abhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln betroffen sein.200 Zudem muss der
Arbeitgeber die rechtlichen Grenzen des Arbeitszeitgesetzes zum Schutz des Arbeit-
nehmers wahren, insbesondere die Ruhenszeit (§ 5 ArbZG) und die Höchstarbeitszeit
(§ 3 ArbZG) einhalten.

1. Ankündigungsfrist
Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit jeweils mindes- 108
tens vier Tage im Voraus mitteilen, sofern der anwendbare Tarifvertrag keine abwei-
chende kürzere Frist vorsieht. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer kürzeren
Ankündigungsfrist oder der Verzicht auf die Frist ist gemäß § 134 BGB unwirksam.201

198 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 47.


199 Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238.
200 Vgl. ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 33.
201 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 46; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG Rn 25.

Köhn/Puhl
82 Kapitel 3 Arbeitsleistung

109 Die Berechnung der Ankündigungsfrist richtet sich nach §§ 186 ff. BGB. Bei der
Berechnung der Frist sind deshalb auch Wochenendtage einzubeziehen, sodass bei
einem gewünschten Einsatz am Montag die Ankündigung bis spätestens Mittwoch
der Vorwoche erfolgen muss.202 Kommt der Arbeitgeber der Ankündigungsfrist nicht
nach, ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet (§ 12 Abs. 2 TzBfG).203
Nimmt der Arbeitnehmer das Arbeitsangebot gleichwohl an, ist die geleistete Arbeits-
zeit trotz zu kurzer Ankündigungsfrist auf das Arbeitszeitdeputat anzurechnen und
entsprechend zu vergüten.204 Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot ab, entsteht
grundsätzlich auch keine Vergütungspflicht. Allerdings kann der Arbeitgeber in
Annahmeverzug geraten.205

2. Mindestdauer der täglichen Arbeitszeit


110 Wenn die Dauer der täglichen Arbeitszeit vertraglich nicht festgelegt ist, muss die fest-
gelegte Arbeitszeit gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG jeweils mindestens drei Stunden
umfassen. Damit soll zum Schutz des Arbeitnehmers verhindert werden, dass der
Arbeitnehmer vielfach und sehr kurzfristig zur Arbeitsleistung herangezogen wird.
Eine abweichende vertragliche Regelung, z. B. eine drei Stunden unterschreitende
Arbeitszeit oder die Stückelung der Arbeitszeit in kürzere Abschnitte, bleibt den Par-
teien gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 TzBfG aber vorbehalten.206
111 Allerdings sollte auf die Angemessenheit einer entsprechenden Vertragsgestal-
tung nach § 307 BGB geachtet werden. Sofern im Arbeitsvertrag kürzere tägliche
Arbeitszeiten für den Arbeitnehmer verbindlich festgelegt sind, benachteiligt ihn
eine solche Vereinbarung nicht unangemessen, weil er sich bei Vertragsschluss auf
die Kürze der Arbeitszeit einstellen und z. B. etwaige Fahrtstrecken einplanen kann.
Pauschale Vorbehalte, nach denen der Arbeitnehmer dazu verpflichtet sein soll, auf
Abruf des Arbeitgebers täglich auch zu kürzeren Arbeitseinheiten oder zu geteilten
Arbeitseinheiten anzutreten, sind wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unzulässig.207

202 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 41; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG Rn 26.
203 ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 29.
204 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 43.
205 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2016, § 12 TzBfG, Rn 45; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG, Rn 31.
206 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, § 12 TzBfG, 5. Auflage 2015, Rn 31; MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 12
TzBfG, Rn 13; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG, Rn 22; BT-Drucks. 10/2102, S. 25 zu § 4 BeschFG.
207 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 12 TzBfG, Rn 13; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12
TzBfG, Rn 22; Kramer/Keine, ArbRAktuell 2010, 233, 234.

Köhn/Puhl
F. Arbeit auf Abruf 83

Praxishinweis:
Sofern der Arbeitgeber sich vorbehalten will, die Arbeitskraft des Arbeitnehmers im Einzelfall flexibel
auch für kürzere Zeiträume abzurufen, sollte diese Flexibilisierung sprachlich und inhaltlich abge-
trennt vereinbart werden, z. B. in einem eigenen Absatz. Nur so ist gewährleistet, dass eine unwirk-
same Klausel bei Anwendung des blue-pencil-Tests gestrichen werden kann, ohne dass die gesamte
Abrufklausel unwirksam wird. Zudem sollte das 3-Stunden-unterschreitende Abrufrecht des Arbeitge-
bers eingeschränkt werden, z. B. durch eine abschließende Benennung von Sachgründen.

Wird der Arbeitnehmer zu einem drei Stunden unterschreitenden Einsatz abgerufen, 112
hat er nach dem Schutzzweck des § 12 Abs. 1 TzBfG einen Vergütungsanspruch für drei
Stunden, auch wenn er nur eine kürzere Zeit arbeitet. Eines besonderen Leistungsver-
weigerungsrechts bedarf es daneben nicht.208

V. Weitergehende Möglichkeiten durch tarifvertragliche Regelung

Durch Tarifverträge sind noch umfassendere Abweichungen von der Mindestarbeits- 113
zeit nach § 12 Abs. 1 TzBfG und der Ankündigungsfrist nach § 12 Abs. 2 TzBfG zulässig,
sofern der Tarifvertrag Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit
und die Vorankündigungsfrist vorsieht.209

VI. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Die Regelung von Abrufarbeit unterliegt allenfalls dann dem Mitbestimmungsrecht 114
des Betriebsrats, wenn ein kollektiver Bezug der Maßnahme gegeben ist.210 Die
individuelle Festlegung der kapazitätsorientierten Arbeitszeit innerhalb des vertrag-
lich vereinbarten Rahmens ist nicht mitbestimmungspflichtig.211 Dagegen unterlie-
gen allgemeine Regelungen zur Einführung oder Gestaltung von Abrufarbeit der Mit-
bestimmungspflicht.212

208 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 38; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Aufla-


ge 2012, § 12 TzBfG Rn 14.
209 MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 12 TzBfG Rn 15; Annuß/Thüsing/Jacobs, 3. Auflage 2012, § 12 TzBfG
Rn 59.
210 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 5; zur Voraussetzung des kollektiven
Bezugs BAG Urt. v. 11.11.1986 – 1 ABR 17/85.
211 BAG Beschl. v. 24.05.1989 – 2 AZR 537/88.
212 BAG Beschl. v. 28.09.1988 – 1 ABR 41/87; BAG Urt. v. 13.10.1987 – 1 ABR 51/86; Meinel/Heyn/
Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 5; Annuß/Thüsing/Jacobs, 3. Auflage 2012, § 12 TzBfG Rn
66.

Köhn/Puhl
84 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Muster einer Arbeit-auf-Abruf-Klausel


Es empfiehlt sich folgende Formulierung für eine allgemeine Arbeit-auf-Abruf-Klausel:
„Der Arbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall. Über den Abruf
der Arbeitsleistung entscheidet der Arbeitgeber nach dem betrieblichen Bedarf unter Beachtung der
gesetzlichen Grenzen. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer spätestens vier Tage im Voraus die
Arbeitszeit für die Folgewoche hinsichtlich ihrer Dauer und Zeiteinteilung mit. Die tägliche Arbeitszeit
beträgt pro Einsatztag mindestens 3 Stunden.
Bei einer Bandbreitenregelung empfiehlt sich folgende Regelung:
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 30 Stunden pro Woche ausschließlich
Pausen, wobei jeweils mindestens drei Stunden zusammenhängend zu arbeiten sind. Der Arbeitneh-
mer ist verpflichtet, auf Anforderung des Arbeitgebers bis maximal 7,5 Stunden pro Woche zusätzliche
Arbeit zu leisten. Für die zusätzlich abgerufenen Stunden erhält der Arbeitnehmer dieselbe Vergütung
pro geleisteter Arbeitsstunde wie für die Arbeitsstunden innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen
Arbeitszeit. Ein Anspruch auf zusätzliche Beschäftigung besteht auch nach mehrmaligem Abruf einer
erhöhten Arbeitszeit nicht.“
Bei unregelmäßigem Abruf und unregelmäßigem Umfang der Arbeitszeit:
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt im Zeitraum von sechs Monaten durchschnittlich 6
Stunden werktäglich. Der Arbeitnehmer ist auf Abruf zur Leistung von Mehrarbeit im Umfang von ma-
ximal 10 % der Mindestarbeitszeit verpflichtet. Ruft der Arbeitgeber die Mindestarbeitszeit nach Satz 1
innerhalb dieses Zeitraums nicht ab, wird der nicht abgerufene Teil dem nächsten Abrechnungsmonat
zugeschlagen. Der Übertrag beträgt maximal 10 % des vertraglich vereinbarten Mindestarbeitszeit.

G. A
 rbeitszeitkonten

I. A
 llgemeine Erwägungen

115 Arbeitszeitkonten ermöglichen den Parteien eine flexible Verteilung der Arbeitszeit
bei gleichbleibendem Entgelt.213 Es sind verschiedenste Formen des Arbeitszeitkon-
tos denkbar. Kurzzeitkonten ermöglichen eine variable Verteilung der Arbeitszeit
innerhalb z. B. eines Monats oder eines Jahres. Langzeitkonten können einen deut-
lich längeren Ausgleichszeitraum vorsehen, z. B. in der Form des sog. Lebensarbeits-
zeitkontos oder zur Aufsparung von Arbeitszeit für eine vorübergehende Freistellung,
z. B. die Wahrnehmung eines Sabbatical214 oder den früheren Renteneintritt.215
116 Bei einem Arbeitszeitkonto vereinbaren die Parteien, dass die zu leistende
Arbeitszeit nicht wöchentlich festgelegt ist, sondern in einem Ausgleichszeit-
raum erbracht wird. Dadurch können Arbeitgeber bei hohem Arbeitsaufkommen
teure Überstundenzuschläge vermeiden, während sie bei geringem Arbeitsaufkom-

213 Hierdurch unterscheiden sich Arbeitszeitkonten insbesondere vom flexiblen Abruf von Arbeits-
zeit, vgl. dazu bereits oben Ziffer VI.
214 Vgl. dazu ausführlich Böhm, ArbRB 2010, 289, 292.
215 Zur Unterscheidung Skorzyk/Klups/Jacobsen, BB Spezial 4, 2, zu BB 2007, Heft 15; Klemm, NZA
2006, 946, 947, Gaul/Koehler, ArbRB 2009, 272 f.

Köhn/Puhl
G. Arbeitszeitkonten 85

men nicht daran gebunden sind, die Arbeitnehmer zu beschäftigen.216 Anders als bei
der Abrufarbeit legt bei Arbeitszeitkonten nicht der Arbeitgeber die Lage der Arbeits-
zeit einseitig fest. Vielmehr vereinbaren die Parteien in der Regel gemeinsam eine
bestimmte Verteilung der Arbeitszeit oder es obliegt dem Arbeitnehmer im Wege einer
Gleitzeitabrede die Arbeitszeit frei einzuteilen.
Rechtlich zu unterscheiden ist zwischen der arbeitsrechtlich determinierten Fle- 117
xibilisierung der Arbeitszeit durch Zeitkonten und der sozialrechtlichen Folgen der
damit verbundenen Flexibilisierung. Letzteres ist nur bei Langzeitkonten rele-
vant, in denen der Arbeitnehmer zwar über einen längeren Zeitraum Entgelt erhält,
aber tatsächlich keine Arbeitsleistung erbringt. Die sozialversicherungsrechtliche
Behandlung von Langzeitkonten war jahrelang problematisch. Seit dem sog. Flexi-
I-Gesetz217 wird die sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung auch bei längeren
Zeiträumen der Nichtarbeit innerhalb der Grenzen des § 7 Abs. 1a SGB IV aber fingiert.
Das Arbeitsentgelt wird dazu erst verbeitragt, wenn der Arbeitnehmer sein Zeitgutha-
ben abruft. Durch das Flexi-II-Gesetz218 hat das durch ein Arbeitszeitkonto erlangte
Wertguthaben eine weitergehende Privilegierung erhalten, sofern die Voraussetzun-
gen des § 7b SGB IV erfüllt sind. Voraussetzung für die Privilegierung ist aber, dass
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine schriftliche Vereinbarung über Arbeits-
zeitkonto abgeschlossen wird, vgl. § 7 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB IV. Darüber hinaus muss
der Arbeitgeber gemäß § 7d SGB IV Regelungen zur Insolvenzsicherung vorsehen.219

II. Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten

Die Rechtsprechung erkennt Arbeitszeitkontenmodelle grundsätzlich an, sofern 118


keine abweichenden tarifvertraglichen Regelungen entgegenstehen.220 Allerdings hat
der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten; ein
solcher Anspruch folgt insbesondere auch nicht aus den sozialversicherungsrechtli-
chen Vorschriften zur Behandlung von Wertguthaben.221

216 Wisskirchen/Bissels, NZA Beil. 2006, 24.


217 BGBl. 1998, 688.
218 BGBl. 2008, 2940.
219 Siehe zu näheren Details Skorzyk/Klups/Jacobsen, BB Spezial 4, 2, zu BB 2007, Heft 15; Böhm,
ArbRB 2015, 19 ff.
220 BAG Urt. v. 13.12.2000 – 5 AZR 334/99; BAG Urt. v. 29.01.2002 – 1 AZR 227/01, BAG Urt. v.
09.08.2000 – 4 AZR 452/99; ErfK/Preis, 15. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 21; Wisskirchen/Bissels, NZA-
Beil. 2006, 24, 27.
221 LAG Rheinland-Pfalz Urt. v. 15.04.2010 – 10 Sa 755/09; Böhm, ArbRB 2015, 19.

Köhn/Puhl
86 Kapitel 3 Arbeitsleistung

1. Z
 eitarbeitnehmer
119 Umstritten ist, inwieweit und unter welchen Voraussetzungen Arbeitszeitkonten
in Verträgen mit Zeitarbeitnehmern zulässig sind. Es geht dabei insbesondere um
die Frage, ob Arbeitszeitkonten in Arbeitsverträgen mit Zeitarbeitnehmern mit § 11
Abs. 4 S. 2 AÜG vereinbar sind, wonach grundsätzlich der Verleiher das Risiko tragen
soll, den Zeitarbeitnehmer auch in verleihfreien Zeiten zu vergüten.222 Weitestgehend
Einigkeit besteht darin, dass Arbeitszeitkonten nicht dazu führen dürfen, dass das
wirtschaftliche Risiko des Verleihers der Nichtbeschäftigung in verleiherfreien
Zeiten auf den Zeitarbeitnehmer übertragen wird.223
120 Allerdings besteht insbesondere im Zeitarbeitsverhältnis ein Bedürfnis für eine
Flexibilisierung der Arbeitszeit. Da der Verleiher nach dem Gebot der Gleichbehand-
lung gemäß § 10 Abs. 4 AÜG gehalten ist, den Zeitarbeitnehmer in einem dem ver-
gleichbarer Stammarbeitnehmer beim Entleiherbetrieb entsprechenden zeitlichen
Umfang zu beschäftigen, kann die Arbeitszeit im Vorhinein nicht starr fixiert werden.
Denn die Dauer der Arbeitszeit kann je nach Entleiher unterschiedlich sein.224
121 Vor diesem Hintergrund hat das Bundesarbeitsgericht jüngst entschieden,
dass Arbeitszeitkonten auch bei Zeitarbeitnehmern grundsätzlich zulässig
sind.225 Allerdings hat auch das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgehalten,
dass das Arbeitszeitkonto nicht dazu eingesetzt werden darf, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG
zu umgehen und das vom Verleiher zu tragende Beschäftigungsrisiko auf den Zeit-
arbeitnehmer abzuwälzen.226 Zudem sind nach der Rechtsprechung des Bundesar-
beitsgerichts Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten
einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, unwirksam. Dies gelte unabhängig davon,
ob dem Zeitarbeitnehmer in verleihfreien Zeiten die vertraglich versprochene Vergü-
tung durchgängig gezahlt werde. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat
in der Folge bereits eine Arbeitszeitkontenregelung für unzulässig erklärt, bei der vor-
handene Plusstunden mit Minusstunden in einsatzfreien Zeiten einseitig verrechnet
wurden.227 Gleichwohl hat das LAG Berlin-Brandenburg klargestellt, dass ein Arbeits-

222 Thüsing/Pötters, BB 2012, 317; Schüren, BB 2012, 1411; Ulber, NZA 2009, 232.
223 BAG Urt. v. 16.04.2014, 5 AZR 483/12, juris, Rn. 24; BSG Urt. v. 21.07.2009 – B 7 AL 3/08 R, juris,
Rn 19 ff.; LAG Baden-Württemberg Urt. v. 29.04.2009 – 17 Sa 4/09, juris, Rn 21 ff.; LAG Rheinland-Pfalz
Urt. v. 24.04.2008 – 10 Sa 19/08, juris, Rn 49 ff.; Thüsing/Pötters, BB 2012, 317, 318; Thüsing/Mengel,
3. Auflage 2012, § 11 AÜG Rn 40; Schüren/Hamann/Schüren, 4. Auflage 2010, § 11 AÜG Rn 94, Ulber,
4. Auflage 2011, § 11 AÜG Rn 94, ErfK/Wank, 16. Auflage 2016, § 11 AÜG Rn 16.
224 So auch die Begründung des BAG in der Entscheidung vom 16.04.2014 – 5 AZR 483/12.
225 BAG Urt. v. 16.04.2014 – 5 AZR 483/12.
226 BAG Urt. v. 16.04.2014 – 5 AZR 483/12; Schüren, BB 2012, 1411.
227 LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 17.12.2014 – 15 Sa 982/14; in diese Richtung auch Schüren, BB
2012, 1411, 1412.

Köhn/Puhl
G. Arbeitszeitkonten 87

zeitkonto in verleihfreien Zeiten zumindest mit Zustimmung des Arbeitnehmers abge-


baut werden kann.228

2. Regelungsvorgaben durch das Mindestlohngesetz


Seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zum 1. Januar 2015 hat jeder 122
Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts in Höhe von 8,50
brutto pro Zeitstunde. Dies schließt eine Arbeitszeitflexibilisierung zwar nicht end-
gültig aus. Allerdings muss der Arbeitgeber bei der arbeitsvertraglichen Vereinba-
rung von Arbeitszeitkonten die Fälligkeitsregelungen des § 2 Abs. 1 und 2 MiLoG
beachten,229 sofern es sich bei dem Arbeitszeitkonto nicht um eine Wertguthabenver-
einbarung im Sinne des § 7b SGB IV handelt.230
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MiLoG muss der Arbeitgeber den Mindestlohn zum 123
vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zahlen, spätestens aber gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 MiLoG am letzten Bankarbeitstag des Monats, der auf den Tag folgt, in dem die
Arbeitsleistung erbracht wurde. Eine verspätete Zahlung des Mindestlohns kann
nach §§ 20, 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG mit empfindlichen Bußgeldern belegt werden. Die
strenge Fälligkeitsregelung des Mindestlohngesetzes steht einer Übertragung von
Arbeitszeitkonten grundsätzlich entgegen.231
Den Arbeitsvertragsparteien eröffnet § 2 Abs. 2 MiLoG aber weitergehend die Mög- 124
lichkeit, Arbeitsstunden, die über die vertragliche Arbeitszeit hinausgehen, in
ein schriftlich vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen. Die auf das Arbeits-
zeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich 50 % der vertraglich ver-
einbarten Arbeitszeit nicht übersteigen, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 MiLoG.232 Zudem sind
die zusätzlichen Arbeitsstunden spätestens innerhalb von 12 Kalendermonaten nach
ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des
Mindestlohns auszugleichen.
Etwas anderes gilt für Arbeitsverhältnisse, bei denen der Anspruch auf den Min- 125
destlohn bereits durch das verstetigte Arbeitsentgelt erfüllt ist, also dann wenn der
Arbeitnehmer ohnehin ein monatliches Entgelt im maßgeblichen Monat erhalten hat,
das den Mindestlohn deutlich übersteigt. In diesem Fall kann der Ausgleichszeitraum
für die Mehrarbeitsstunden länger als zwölf Monate betragen.233

228 LAG Berlin-Brandenburg Urt. v. 17.12.2014 – 15 Sa 982/14.


229 Erfk/Preis, 16. Auflage 2016, § 2 MiLoG Rn 4a; Bonanni/Hahne, ArbRB 2014, 343 344; Spillberger/
Schilling, NJW 2014, 2897, 2800.
230 Jöris/Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2104.
231 Moll/Päßler/Reich, MDR 2015, 125, 128; Lambrich/Mitius, DB 2015, 126.
232 Jöris/Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2104.
233 Jöris/Steinau-Steinrück, BB 2014, 2101, 2104; Lambrich/Mitius, DB 2015, 126, 129; Spillberger/Schil-
ling, NJW 2014, 2897, 2800.

Köhn/Puhl
88 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Praxishinweis:
Sofern die Vergütung des Arbeitnehmers die Grenzen des Mindestlohngesetzes nicht eindeutig über-
steigt, sollte eine Tilgungsbestimmung dahingehend aufgenommen werden, dass die § 2 Abs. 2 Mi-
LoG unterfallenden Stunden stets zuerst abzubauen sind.

126 Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG müssen die in einem bestimmten Monat
geleisteten Plusstunden innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten ausgeglichen
werden. Der Gesetzeswortlaut schreibt somit eine zukunftsbezogene Betrachtung
vor, die strenggenommen eine Verrechnung mit bereits entstandenen Minusstunden
ausschließt.234 Ob die Rechtsprechung einer solchen engen Auslegung folgen wird, ist
derzeit unklar. Jedenfalls sollten Arbeitgeber Negativsalden auf Arbeitszeitkonten so
gut wie möglich vermeiden.

Praxishinweis:
Unterliegt der Betrieb des Arbeitgebers starken saisonalen Schwankungen, erscheint es sinnvoll, den
Ausgleichszeitraum beginnend mit dem Saisonstart festzulegen. Dies ist von der Rechtsprechung
zwar bisher nicht entschieden, eröffnet dem Arbeitnehmer aber die Möglichkeit, zunächst Plusstun-
den anzusammeln, die in den folgenden 12 Monaten, außerhalb des Saisonbetriebs, abgebaut wer-
den können.

III. W
 irksamkeitsanforderungen

127 AGB-rechtlich stellt die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten eine abweichende


Regelung der Leistungsfrist dar (§ 308 Nr. 1 BGB), die allerdings durch arbeitsrecht-
liche Besonderheiten im Sinne des § 310 Abs. 4 BGB gerechtfertigt ist.235 Die Verein-
barung von Arbeitszeitkonten mit längeren Ausgleichszeiträumen stärkt überdies
auch die kündigungsrechtliche Position des betroffenen Arbeitnehmers. Denn nach
der Rechtsprechung muss der Arbeitgeber einen etwaigen Beschäftigungsüberhang
zunächst durch Abbau von Plusstunden beheben, bevor er betriebsbedingte Kündi-
gungen ausspricht.236

1. Arbeitszeit
128 Bei Jahresarbeitszeitkonten legen die Vertragsparteien grundsätzlich nur Volumen
und Bezugszeitraum des Arbeitszeitkontos fest. Sofern absehbar für einen bestimm-

234 Lambrich/Mitius, DB 2015, 126, 130.


235 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1056.
236 BAG Urt. v. 08.11.2007 – 2 AZR 418/06; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn
1056.

Köhn/Puhl
G. Arbeitszeitkonten 89

ten Zeitraum ein erhöhter Arbeitskräftebedarf, z. B. im Rahmen von Saisonarbeit,


besteht, sollte der Arbeitgeber dies bereits verbindlich festlegen.
Die Parteien müssen bei der Vereinbarung und Durchführung von Arbeitszeit- 129
konten die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes beachten.237 Gemäß § 3 Abs. 1 ArbZG
darf die werktägliche Arbeitszeit grundsätzlich maximal 8 Stunden betragen, sodass
bei einer 6-Tage-Woche eine maximal zulässige Arbeitszeit von 48 Stunden gilt. Die
Arbeitszeit kann vorübergehend auf 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn
innerhalb eines Ausgleichszeitraums von 6 Monaten oder 24 Wochen ein Ausgleich
auf durchschnittlich maximal 8-Stunden werktäglich erfolgt. Vor diesem Hintergrund
ist es wichtig, den Ausgleichszeitraum so zu gestalten, dass eine Überschreitung der
Grenzen des Arbeitszeitgesetzes ausgeschlossen ist.

2. Führen von Arbeitszeitkonten


Arbeitszeitkonten können in Stundendeputaten oder als Geldwert geführt werden. 130
Während Wertguthaben verzinst werden müssten, wirken spätere Entgelterhöhungen
bei Stundendeputaten rückwirkend auf die bereits „vorgearbeiteten“ Zeiten.238 Gerade
bei Langzeitkonten sind Wertguthaben zu empfehlen, da auf dem Kapitalmarkt eine
bessere Rendite für die Verzinsung der Wertguthaben zu erwarten ist, als nach der
dem Arbeitnehmer ggf. zustehenden Entgelterhöhung.239
Aufgrund der Einführung des Flexi-II-Gesetzes wird neuerdings sogar davon 131
ausgegangen, dass zumindest bei Langzeitkonten die langfristige Fortschreibung
von Arbeitszeitguthaben nicht mehr zulässig ist, sondern es der der Vereinbarung
von Wertguthaben bedarf.240 Letztlich müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine
bestimmte Berechnungseinheit festlegen, die ggf. auch besondere Formen der
Arbeitszeit, z. B. Feiertagsarbeit, Bereitschaftsdienst oder Überstunden, gesondert
berücksichtigt.

Praxishinweis:
Grundlage für Höhe und Umfang der Arbeitszeitkonten ist ihre Berechnung. Häufig werden entstan-
dene Arbeitszeitstunden unterschiedlich bewertet, je nachdem ob mit der Arbeitserbringung eine
geringere, z. B. bei Bereitschaftsdienst, oder eine besondere Belastung, z. B. bei Wochenend- oder
Nachtarbeit, des Arbeitnehmers einhergeht.241 Eine Berechnung der konkreten Arbeitszeit und der
Umrechnungsschlüssel für die erbrachten Zeitstunden sollte dem Arbeitsvertrag deshalb als Anlage
beigefügt werden.

237 Wisskirchen/Bissels, NZA-Beil. 2006, 24, 26.


238 Löwisch/Rieble, 3 Auflage 2013, § 1 TVG Rn 1631.
239 Skorzyk/Klups/Jacobsen, BB Spezial 4, 2, zu BB 2007, Heft 15.
240 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1057.
241 Vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Differenzierung BAG Urt. v. 17.03.2010 – 5 AZR 296/09; MüKo-
BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1056.

Köhn/Puhl
90 Kapitel 3 Arbeitsleistung

132 Der Arbeitnehmer sollte wahlweise Einsicht in das Arbeitszeitkonto nehmen können
oder der Stand des Arbeitszeitkontos sollte ihm monatlich mitgeteilt werden. Sofern
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Stand seines Arbeitszeitkontos vorbehaltlos
mitteilt, gilt der mitgeteilte Saldo nach der zweifelhaften Rechtsprechung des Bun-
desarbeitsgerichts als streitlos gestellt.242

3. Festlegung der Arbeitszeit


133 Typischerweise kann der Arbeitnehmer bei der Vereinbarung von Arbeitszeitkonten
die Lage der Arbeitszeit frei bestimmen. Allerdings sollte der Arbeitgeber sicher-
stellen, dass die vertragliche Abrede eine Einschränkung des Leistungsbestim-
mungsrechts des Arbeitnehmers dergestalt vorsieht, dass dieser die betrieblichen
Bedürfnisse zu berücksichtigen hat bzw. gewisse Kernarbeitszeiten beachten muss.
Ebenfalls kann für bestimmte Zeiträume ein bedarfsgerechter Arbeitseinsatz im
Arbeitsvertrag fest vorgesehen werden. So bietet es sich etwa an, bei vorhersehbaren
saisonalen Schwankungen für die arbeitsintensivsten Monate eine feste Arbeitszeit
zu vereinbaren.
134 Bei der Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos sind teilweise auch die Grenzen des
§ 12 TzBfG zu berücksichtigen, sofern dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbe-
stimmungsrecht zugewiesen wird.243 Sofern das Leistungsbestimmungsrecht für die
Lage der Arbeitszeit aber dem Arbeitnehmer obliegt, wie bei Gleitzeit, greift § 12 TzBfG
dagegen nicht ein.244

4. Abbau von Arbeitszeitkonten


135 Arbeitsvertraglich ist vor allem bei Kurzzeitkonten zu regeln, unter welchen Voraus-
setzungen der Abbau von Arbeitszeitkonten erfolgen kann. Dem Arbeitgeber steht
grundsätzlich keine einseitige Ersetzungsbefugnis zu, das heißt er kann einen
bereits entstanden Anspruch auf Vergütungsleistung nicht einseitig durch Anord-
nung von Freizeitausgleich vergüten.245 Allerdings können die Arbeitsvertragspar-
teien einvernehmlich eine Wahlschuld des Arbeitgebers vereinbaren oder bestimmte
Grenzen für den Ausgleich durch Arbeitszeitkonten vorsehen.246 Denn aus § 6 Abs. 5

242 BAG Urt. v. 28.07.2010 – 5 AZR 521/09.


243 Vgl. dazu bereits oben Kapitel VI.
244 Meinel/Heyn/Herms/Heyn, 5. Auflage 2015, § 12 TzBfG Rn 14; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage
2012, § 12 TzBfG Rn 6; ErfK/Preis, 16. Auflage 2016, § 12 TzBfG Rn 9; Wisskirchen/Bissel, NZA-Beilage
2006, 24;
245 BAG Urt. v. 21.03.2012 – 5 AZR 676/11; BAG Urt. v. 18.09.2001 – 9 AZR 307/00; MüKo-BGB/Müller-
Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1057.
246 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1057.

Köhn/Puhl
G. Arbeitszeitkonten 91

ArbZG folgt, dass die Gleichsetzung von Vergütung und vergüteter Freizeit gesetzlich
anerkannt ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss der Aufbau und 136
Abbau von Arbeitszeitkonten grundsätzlich nicht denselben Grundsätzen
folgen, da die Zeitgutschrift auf dem Arbeitszeitkonto lediglich eine abstrakte Rechen-
einheit ist.247 Sofern Freizeitausgleich vereinbart wurde, ist es deshalb zulässig, wenn
der Arbeitnehmer weniger Freizeitausgleich erhält, als er z. B. im Rahmen einer Ruf-
bereitschaft zur Verfügung stand.

Praxishinweis:
Wegen der Dokumentationsfunktion von Arbeitszeitkonten darf der Arbeitgeber nicht einseitig kor-
rigierend auf ein Arbeitszeitkonto zugreifen.248 Die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde lie-
gende Vereinbarung muss dem Arbeitgeber deshalb die Möglichkeit eröffnen, in das Arbeitszeitkonto
eingestellte Arbeitsstunden wieder zu streichen.

5. V ergütung
Die Vergütung des Arbeitnehmers bei Arbeitszeitkonten bemisst sich gleichbleibend 137
anhand der vereinbarten monatlichen oder wöchentlichen Durchschnittsarbeits-
zeit. Die entstehenden Minusstunden sollten als Vorschuss auf die monatliche Ver-
gütung geführt werden, was AGB-rechtlich grundsätzlich zulässig ist.249 Dadurch
erfolgt eine Verrechnung mit den laufenden Vergütungszahlungen des Arbeitneh-
mers. Sofern der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags noch Minus-
stunden aufgebaut hat, können diese ggf. bereicherungsrechtlich zurückgefordert
werden, sofern die Klausel gemäß § 818 Abs. 3 BGB den Ausschluss der Entreicherung
vorsieht.250 Da die Rückforderung von Entgelt in der Praxis aber regelmäßig schwierig
ist, sollte darauf geachtet werden, nicht zu viele Minusstunden aufzubauen. Bestehen
bei Beendigung des Arbeitsvertrages noch Plusstunden, hat der Arbeitnehmer einen
Anspruch auf Abrechnung und Auszahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses.251

247 BAG Urt. v. 17.03.2010 – 5 AZR 296/09; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn
1056.
248 BAG Urt. v. 21.03.2012 – 5 AZR 676/11.
249 MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611 BGB Rn 1058.
250 Wisskirchen/Bissels, NZA-Beilage 2006, 24, 27 f.; MüKo-BGB/Müller-Glöge, 6. Auflage 2012, § 611
BGB Rn 1056.
251 BAG Urt. v. 28.07.2010 – 5 AZR 521/09.

Köhn/Puhl
92 Kapitel 3 Arbeitsleistung

Praxishinweis
In der Praxis werden Jahresarbeitszeitkonten häufig als Ampelkonto ausgestaltet. Für beide Parteien
hat dies den Vorteil, dass sie umgehend darauf hingewiesen werden, sofern ein bestimmter Arbeits-
zeitrahmen über- oder unterschritten wird. Dies ermöglicht dem Arbeitgeber frühzeitig Maßnahmen
zur Regulierung der Arbeitszeit zu ergreifen, was beispielsweise erforderlich sein kann, um einen
Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz zu vermeiden.

IV. M
 itbestimmung

138 Dem Betriebsrat steht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu,
sofern mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Arbeitszeitkontenverträge abgeschlos-
sen werden. Allein das Überschreiten der Jahresarbeitszeit löst als solche aber noch
nicht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG aus.252

Muster einer Klausel zu Arbeitszeitkonten


Die Parteien führen ein schriftliches Arbeitszeitkonto, in dem die tägliche Arbeitszeit hinsichtlich Um-
fang und Lage festgehalten wird. Der unmittelbare Vorgesetzte des Arbeitnehmers zeichnet die geleis-
teten Arbeitsstunden wöchentlich gegen.
Die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers beträgt im Ausgleichszeitraum von 12 Monaten 40
Stunden, ausgehend von einer 5-Tage-Woche und einer durchschnittlichen täglichen Arbeitszeit von 8
Stunden. Die Lage der Arbeitszeit wird durch den Arbeitgeber nach den betrieblichen Erfordernissen
und unter Beachtung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes festgelegt. Der jeweilige Einsatz ist min-
destens vier Tage im Voraus mitzuteilen.
Arbeitsstunden werden auf der Grundlage des Monatsgehalts unter Berücksichtigung der durch-
schnittlichen täglichen Arbeitszeit berechnet. Für Zeiträume der gesetzlichen Entgeltfortzahlung wird
für jeden vollen Werktag eine Arbeitszeit von 8 Stunden gutgeschrieben.
Der Zeitsaldo darf zu keinem Zeitpunkt auf mehr als + 30 Stunden oder – 30 Stunden anwachsen. Ein
entsprechender Zeitsaldo kann auf den Folgemonat übertragen werden.
Minusstunden im Arbeitszeitkonto werden als Vorschuss auf das Gehalt geführt. Bei Beendigung des
Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Grund und von welcher Partei, werden Minusstunden soweit
möglich vollständig abgebaut. Sofern ein vollständiger Abbau der Minusstunden bis zum Vertragsen-
de nicht möglich ist, werden verbleibende Minusstunden mit dem offenen Monatsgehalt verrechnet.
Zur Abgeltung des Zeitbonus kann dem Arbeitnehmer Freizeit wie bei Urlaub bis zu einer zusammen-
hängenden Dauer von drei Wochen gewährt werden. Die Abgeltung des positiven Zeitkontos durch
Freizeitausgleich bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers.

252 BAG Urt. v. 11.12.2001 – 1 ABR 3/01.

Köhn/Puhl
Kapitel 4
Vergütung

A. A
 llgemeines

I. D
 er Begriff Vergütung

Die Vergütung ist, soweit synallagmatischer Vertragsbestandteil, Hauptpflicht des 1


Arbeitgebers, ggf. aber auch eine Nebenpflicht, wie etwa bei Zulagen. Bei der Gestal-
tung der Vergütung kommen als Rechtsquellen neben dem hier behandelten Arbeits-
vertrag vor allem Tarifverträge und in den Grenzen der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG
auch die Betriebsvereinbarung in Betracht. Daneben können Vergütungsansprüche
durch Gesamtzusagen, betriebliche Übung oder die Anwendung des arbeitsrecht-
lichen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet werden. In der Praxis sehen die
Regelungsquellen meist wie folgt aus:

Fixvergütung Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag

Variable Vergütung/Bonus Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung

Dienstwagen Arbeitsvertrag, selten: Betriebsvereinbarung

Sonstige entgeltlichen Vorteile Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung, Gesamtzusage

Vergütung lässt sich weiter dahin aufteilen, ob für Zeit (Monats-, Tages- oder Stun- 2
denlohn) oder Leistung (Akkordlohn, Prämienlohn) gezahlt wird. Eine besonders
starke Form der erfolgsabhängigen Entlohnung stellt die Provision dar.1 Soweit der
Vereinbarung eines leistungsabhängigen Lohns nicht ausdrückliche Verbote entge-
genstehen (§ 23 JArbSchG, § 4 MuSchG), ist die generelle Differenzierung meist ohne
größeren Wert.

II. Die Vergütung als Arbeitsvertragsbestandteil

1. Arbeitgeber als Schuldner des Vergütungsanspruchs und Leistungen Dritter


Grundsätzlich ist der Arbeitgeber Schuldner des Vergütungsanspruchs. Leistungen 3
Dritter zählen nicht unbedingt zum Entgelt im Sinne des Arbeitsverhältnisses, für das
die arbeitsrechtlichen Regelungen gelten. Entwickelt hat das BAG dies anhand der
sog. Nokia-Entscheidung,2 in der es um die Frage ging, ob die von der Muttergesell-

1 Vgl. Kap. 1 B III.


2 BAG, 12.2.2003 – 10 AZR 299/02 –.

Rolf/Riechwald
94 Kapitel 4 Vergütung

schaft des Arbeitgebers gewährten Aktienoptionen im Fall eines Betriebsübergangs


Bestandteil des Arbeitsverhältnisses sind, das auf den Erwerber des Betriebs oder
Betriebsteils nach § 613a Abs. 1 BGB übergeht und somit vom Erwerber hätten fortge-
führt werden müssen. An sich können Aktienoptionen Vergütungsbestandteil sein.3
Das BAG entschied indes in der genannten Entscheidung, dass solche Leistungen
nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses sind, wenn sie ausschließlich von Dritten
gewährt werden. Die steuerliche Betrachtung, wonach solche Leistungen lohnsteuer-
pflichtig sein können, und die arbeitsrechtliche Betrachtung laufen dann nicht mehr
synchron.

Praxistipp
In Konzernen können bestimmte Vergütungsteile durch die Konzernmutter gewährt werden. Damit
lässt sich jedenfalls in weiten Teilen die Geltung arbeitsrechtlicher Bestimmungen ausschließen, was
die Gestaltung solcher Vergütungselemente vor allem bei Verfalls- und Stichtagsklauseln flexibler
macht.

4 Unklar ist allerdings, ob hier gleichwohl Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats


nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG greifen.4 Die Frage ist von erheblicher Bedeutung. Denn
wenn man ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
bejaht, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung dann wiederum dazu führen,
dass die Grundsätze des Arbeitsrechts gelten.
5 Einen Sonderfall der Zahlung durch Dritte stellt ein Arbeitsverhältnis mit einer
Transfergesellschaft dar, in die Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit
durch eine dreiseitige Vereinbarung unter Aufhebung des Arbeitsverhältnisses wech-
seln. Das BAG geht davon aus, dass der Arbeitnehmer, der in die Transfergesellschaft
gewechselt ist, keinen eigenständigen Vergütungsanspruch gegen die Transfergesell-
schaft hat, weil er keine Arbeitsleistung erbringt. Die Transfergesellschaft zahlt viel-
mehr nur die Leistungen der Arbeitsverwaltung in Form des Transferkurzarbeitergel-
des nach § 111 SGB III aus.5

2. Ausnahmen: Vergütung ohne Arbeitsleistung


6 Verschiedene Bestimmungen (vor allem §§ 615, 616 BGB, § 3 EFZG, § 37 Abs. 2 BetrVG)
halten den Vergütungsanspruch auch dann aufrecht, wenn der Mitarbeiter keine
Arbeitsleistung erbringt. Man spricht hier von Entgeltfortzahlungstatbeständen. Zu
diesem Ergebnis führt letztlich § 1 BUrlG, wobei unklar ist, ob § 1 BUrlG ein eigenstän-

3 BAG, 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 –.


4 Zumindest für einen Auskunftsanspruch, LAG Baden-Württemberg, 9.4.2014 – 19 TaBV 7/13 –.
5 BAG, 19.3.2014 – 5 AZR 299/13 –.

Rolf/Riechwald
A. Allgemeines 95

diger Entgeltanspruch ist oder, wie das BAG früher vertrat, nur den arbeitsvertragli-
chen Vergütungsanspruch aufrechterhält.

3. Verhältnis zu kollektivrechtlichen Regelungen


a) Mitbestimmung des Betriebsrats
Zentrale Bestimmung bei der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung der 7
Vergütung ist § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbe-
stimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Das Mitbestimmungs-
recht setzt einen kollektiven Tatbestand voraus. Ferner besteht das Mitbestimmungs-
recht nur bei der Verteilung. Der Arbeitgeber kann also mitbestimmungsfrei darüber
entscheiden, ob er eine Leistung überhaupt erbringt und in welcher Gesamthöhe.
Besteht das Mitbestimmungsrecht, kann der Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung
verlangen, die nach § 87 Abs. 2 BetrVG gegebenenfalls über ein Einigungsstellen-
verfahren zustande kommt. Allerdings besteht bei der Frage, ob der Arbeitgeber
überhaupt eine Leistung erbringt, kein Initiativrecht, d. h. der Betriebsrat kann den
Arbeitgeber nicht per Betriebsvereinbarung dazu zwingen, eine bestimmte Leistung
zu erbringen.

b) Kollision von Regelungen


Arbeitsvertragliche Regelungen müssen daran gemessen werden, ob eine Regelung 8
durch einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung entgegensteht.
– Der Arbeitsvertrag kann die Vergütung aus Tarifverträgen und Betriebsvereinba-
rungen nicht unterschreiten (§ 4 Abs. 3 TVG, § 77 Abs. 4 BetrVG).
– Der Arbeitsvertrag setzt sich bei der Vergütung gegenüber einem Tarifvertrag und
einer Betriebsvereinbarung jedoch durch, wenn die Regelung für den Arbeitneh-
mer günstiger ist. Dies ist der Grund, warum übertarifliche Gehaltsbestandteile in
der Regel arbeitsvertragliche Regelungen sind.

Soweit die Vergütung gesetzlich oder tariflich geregelt ist, sperrt § 87 Abs. 1 BetrVG 9
umgekehrt eine Regelung durch die Betriebsvereinbarung.6 Allerdings erlauben
Tarifverträge im Wege von Öffnungsklauseln oft eine ergänzende Regelung durch
Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Eine aufgrund einer solchen Öff-
nungsklausel geschlossene Betriebsvereinbarung wird aber unwirksam, wenn die
entsprechende tarifliche Regelung entfällt, etwa weil der Tarifvertrag ohne die Öff-
nungsklausel neu vereinbart wird.7 § 77 Abs. 3 BetrVG sperrt darüber hinaus Regelun-
gen durch eine Betriebsvereinbarung, wenn die Vergütung tarifüblich ist.

6 BAG, 22.7.2014 – 1 ABR 96/12 –.


7 BAG, 25.8.1983 – 6 ABR 40/82 –.

Rolf/Riechwald
96 Kapitel 4 Vergütung

4. N
 ettolohnabrede
10 Enthält der Arbeitsvertrag keine anderweitige Regelung, ist der Arbeitslohn als Brut-
tolohn geschuldet.8 Der Arbeitgeber nimmt dann die gesetzlichen Abzüge vor. Mit
dem Abzug der Lohnsteuer „für Rechnung des Arbeitnehmers“ (§ 38 Abs. 3 S. 1 EStG)
tilgt der Arbeitgeber zwar die Lohnsteuerschuld des Arbeitnehmers, er erfüllt damit
aber nach Ansicht des BAG eine eigene steuerrechtliche Verpflichtung nach § 41a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.9
11 Wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuer abführt, kann er gegenüber dem Arbeitneh-
mer Erfüllung nach § 362 BGB einwenden. Der Arbeitgeber schuldet nach § 28d SGB
IV weiter den sogenannten Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Besonderheit liegt
nun darin, dass der Arbeitgeber nach § 28g SGB IV einen Anspruch gegen den Arbeit-
nehmer auf Erstattung des vom Arbeitnehmer zu tragenden Teils des Gesamtsozial-
versicherungsbeitrags hat. Diesen Anspruch kann der Arbeitgeber nach § 28g S. 2 SGB
IV jedoch nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend machen. Ein unterbliebener
Abzug darf nach S. 3 der Vorschrift nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszah-
lungen nachgeholt werden und auch nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden
des Arbeitgebers unterblieben ist. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber den auf den
Arbeitnehmer entfallenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nur durch
Aufrechnung gegen die nächsten drei Gehaltszahlungen geltend machen kann. Diese
Vorschrift ist für den Arbeitgeber insbesondere dann problematisch, wenn der Arbeit-
nehmer ausgeschieden ist, da eine Aufrechnung dann nicht mehr möglich ist. Der
Arbeitgeber zahlt in diesen Fällen auch den auf den Arbeitnehmer fallenden Teil des
Gesamtsozialversicherungsbeitrags.
12 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Arbeitsvertrag jedoch auch eine soge-
nannte Nettolohnabrede treffen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber verpflichtet, den
Nettolohn für die Zwecke der gesetzlichen Abzüge hochzurechnen, um die Abzüge
dann vornehmen zu können. Auf eine solche Nettolohnabrede deuten etwa unge-
kürzte dauernde Barauszahlungen des Lohns.10 Die Rückforderung zu viel gezahlten
Lohnes durch den Arbeitgeber ist ebenfalls auf den Bruttolohn gerichtet.11

5. Steuern und Sozialabgaben


13 Auf den (Brutto-)Lohnanspruch des Arbeitnehmers entfallen Lohnsteuer sowie Sozi-
alversicherungsbeiträge, welche vom Arbeitgeber berechnet und abgeführt werden.

8 LAG Berlin-Brandenburg, 4.6.2015 – 26 Sa 2257/14 –.


9 BAG, 17.9.2014 – 10 AZB 4/14 –.
10 LAG Köln, 1.8.1997 – 7 Sa 152/97 –.
11 BAG, 21.1.2015 – 10 AZR 84/14 –.

Rolf/Riechwald
A. Allgemeines 97

a) Lohnsteuer
Schuldner der Lohnsteuer ist grundsätzlich der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss 14
jedoch die Lohnsteuer berechnen, vom Bruttolohn einbehalten und an das Finanz-
amt abführen. Dies gilt ebenso für die Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag.
Die Abführung der Lohnsteuer gehört dabei zu den arbeitsrechtlichen Fürsorgepflich-
ten des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber haftet daher für die korrekte Einhaltung und
Abführung der Lohnsteuer und kann für zu wenig einbehaltene und abgeführte Lohn-
steuer in Anspruch genommen werden, § 42d EStG. Erbringt ein Dritter Arbeitslohn,
spricht man von einer Lohnzahlung durch Dritte, § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG.

b) Sozialversicherungsabgaben
Ebenso muss der Arbeitgeber auch die Gesamtsozialversicherungsbeiträge, also die 15
Summe der Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung
abführen. Auch hier muss der Arbeitgeber die Beiträge monatlich berechnen, einen
Beitragsnachweis erstellen, diesen sowie den Beitrag (sowohl den Arbeitgeber- als
auch den Arbeitnehmerbeitrag) an die Einzugsstelle (die Krankenkassen) abführen,
§§ 28d, 28e SGB IV. Beitragsschuldner der Sozialversicherungsbeiträge ist dabei allein
der Arbeitgeber. Hier ist zu beachten, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmeranteile
zur Sozialversicherung nur für die drei zurückliegenden Monate verlangen kann und
nur, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht. Ist das Arbeitsverhältnis beendet,
hat der Arbeitgeber keinen Rückerstattungsanspruch, § 28g S. 2 und 3 SGB IV. Auch
hier ist der Arbeitgeber nach seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, die Beiträge richtig
zu berechnen und abzuführen.
Zu beachten ist außerdem, dass der Kreis derjenigen, für die Lohnsteuer abzufüh- 16
ren ist, nicht zwingend mit dem Kreis derjenigen übereinstimmt, für die Sozialversi-
cherungsabgaben zu entrichten sind. Prominentestes Beispiel ist hier der Vorstand
einer AG oder der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH (mit beherrschender
Stellung), welche zwar steuerrechtlich Arbeitnehmer sind, aber nicht sozialversiche-
rungsrechtlich, sowie der umgekehrte Fall eines Kommanditisten, der zwar sozialver-
sicherungsrechtlich Arbeitnehmer sein kann, nicht aber lohnsteuerrechtlich.

c) Ausnahmen
In der Praxis wichtige steuer- sowie abgabenfreie Lohnbestandteile sind dabei im 17
Wesentlichen:
– Reisekostenersatz (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 2 EStG, R 9.5 Abs. 1 S. 5 LStR 2015),
– Pkw: € 0,30 (zzgl. € 0,02 für jede mitgenommene Person),
– Motorrad: € 0,20 (zzgl. € 0,01 pro mitgenommene Person),
– Moped und Mofa: € 0,20,
– Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge.

Rolf/Riechwald
98 Kapitel 4 Vergütung

Die Zuschläge dürfen folgende Prozentsätze des Grundlohnes nicht übersteigen (§ 3b


EStG):
– für Nachtarbeit: 25 %,
– für Sonntagsarbeit: 50 %,
– für Arbeit am 31.12. ab 14:00 Uhr und an den gesetzlichen Feiertagen: 125 %
und
– für Arbeit am 24.12. ab 14:00 Uhr, am 25.12. und 26.12. sowie am 1.5.: 150 %,
– Belegschafts- oder Personalrabatte bis zu einem Freibetrag von 1.080,00 € pro
Kalenderjahr,
– Warengutscheine und Sachbezüge (in der Praxis sind hier vor allem Tankgut-
scheine von Relevanz) von insgesamt 44,00 € pro Kalendermonat,
– Zuschüsse des Arbeitgebers zur Unterbringung und Betreuung von nicht schul-
pflichtigen Kindern der Arbeitnehmer in Kindergärten oder vergleichbaren Ein-
richtungen (§ 3 Nr. 33 EStG),
– Betriebsveranstaltungen
Übliche Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Rahmen von
Betriebsveranstaltungen sind steuerfrei, wenn sie einen Betrag von 110,00 €
(inkl. Umsatzsteuer) nicht übersteigen.
– Aufmerksamkeiten.
Frei bleiben typische Aufmerksamkeiten bis zu einem Wert von 60,00 € pro Anlass.

6. Pfändung und Aufrechnung


18 Aufrechnung und Pfändung sind zwei Mittel, wie der Arbeitgeber oder Dritte direkt
auf den Lohn des Arbeitnehmers zugreifen können. Während bei der Aufrechnung
der Arbeitgeber hierbei eine Forderung gegen den Arbeitnehmer eintreibt, ist es bei
der Pfändung im Regelfall ein Dritter.

a) Pfändung
19 Die Pfändung ist ein Mittel zur Zwangsvollstreckung. Nach §§ 828 ff. ZPO ist sie
möglich im Hinblick auf Vollstreckung wegen Geldforderungen. Meistens erfolgt sie
auf Betreiben von Dritten, welche Gläubiger des Arbeitnehmers sind. Der Arbeitneh-
mer ist dabei der Schuldner, der Arbeitgeber der Drittschuldner.
20 Zivilprozessuale Voraussetzung ist daher, dass der Gläubiger einen titulierten
Anspruch gegen den Arbeitnehmer hat, welcher mit einer Vollstreckungsklausel ver-
sehen wurde und dem Schuldner zugestellt ist, § 750 ZPO. Dann muss der Gläubiger
einen Antrag auf einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss stellen, in welchem
er konkretisiert, dass sich die Pfändung auf das Arbeitseinkommen des Arbeitneh-
mers richten soll. Arbeitseinkommen ist hierbei weit zu verstehen, es fallen daher

Rolf/Riechwald
A. Allgemeines 99

auch einmalige Vergütungsleistungen, Einmalzahlungen oder Abfindungen darun-


ter.12
Unpfändbar sind hingegen die in § 850c ZPO aufgeführten Vergütungen, nämlich 21
insbesondere zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile
des Arbeitseinkommens, die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen
hinaus gewährten Bezüge, Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht
übersteigen, Aufwandsentschädigungen, das Entgelt für selbst gestelltes Arbeits-
material, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese
Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen, Weihnachtsgeld bis zum Betrag
der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von
500,00 €.
Zu beachten ist außerdem, dass nicht das gesamte Arbeitseinkommen pfändbar 22
ist, sondern, da das Existenzminimum des Arbeitnehmers gesichert sein muss, nur
ein Teil. Der pfändbare Teil des Nettoeinkommens ergibt sich aus der Anlage zu § 850c
ZPO, in welcher die Beträge, geordnet nach Belastung mit Unterhaltspflichten, aufge-
führt sind.
Nach § 840 ZPO hat der Arbeitgeber dann auf Verlangen des Gläubigers binnen 23
zwei Wochen nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine
Erklärung darüber abzugeben, ob und in welchem Umfang er die Forderung aner-
kennt und erfüllen will, ob und welche anderen Personen Anspruch auf die Forde-
rung erheben und ob anderweitige Pfändungen vorliegen. Hierbei handelt es sich
um eine reine Wissenserklärung, kein Schuldanerkenntnis.13 Auf den Kosten der
Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen bleibt in der Regel der
Arbeitgeber sitzen. Er kann diese dem Arbeitnehmer nicht ohne besondere Abrede in
Rechnung stellen.14
Standardklauseln in Arbeitsverträgen hierzu unterliegen der Billigkeitskontrolle. 24
In der Praxis sind sie jedoch selten und auch in den meisten Fällen sinnlos, da sie erst
dann zu zahlen wären, wenn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vollstän-
dig erfüllt ist, da erst dann wieder auf das Gehalt des Arbeitnehmers zurückgegriffen
werden kann.

b) Aufrechnung
Hat der Arbeitgeber einen Zahlungsanspruch gegen den Arbeitnehmer, kann er 25
grundsätzlich seinen Anspruch gegen den Lohnanspruch des Arbeitnehmers auf-
rechnen (der häufigste Fall dürfte die Gehaltsüberzahlung oder Rückzahlung von

12 BAG, Urt. v. 12.9.1979 – 4 AZR 420/7 –; LAG Bremen, Urt. v. 30.8.2007 – 3 Sa 75/07 –.
13 BGH, Urt. v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81 –.
14 Durch Betriebsvereinbarung kann dies nicht geregelt werden, BAG, Urt. v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05
–.

Rolf/Riechwald
100 Kapitel 4 Vergütung

Prämien sein). In der Praxis seltener, aber natürlich auch möglich, ist die andere
Regelung, dass der Arbeitnehmer die Aufrechnung mit seinem Lohn gegen Ansprü-
che des Arbeitgebers erklärt.
26 Eine Aufrechnung scheidet natürlich aus, wenn die sich gegenüberstehenden
Forderungen nicht beide Geldforderungen sind, der Arbeitgeber also beispielsweise
die Herausgabe des Dienstwagens verlangt.
27 Die Aufrechnung erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Aufrechnungser-
klärung (§ 388 BGB), sie darf nicht unter einer Bedingung stehen. Sie darf nach § 388
S. 2 BGB weder unter einer Bedingung noch unter einer Zeitbestimmung stehen. Bei
einer Aufrechnung gegen den Lohnanspruch kann der Arbeitgeber grundsätzlich nur
gegen den Nettolohnanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen. Der Arbeitgeber muss
weiterhin die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abführen.15

Praxistipp
Oft wird übersehen, dass auch bei der Aufrechnung nach § 394 BGB gilt, dass gegen Forderungen
insoweit nicht aufgerechnet werden kann, soweit sie unpfändbar sind. Daher finden auf die Aufrech-
nung dieselben Pfändungsgrenzen als auch die Bestimmungen über die unpfändbaren Entgeltbe-
standteile Anwendung.

7. A
 usschlussklauseln und Verjährung
28 Unter Ausschlussfristen versteht man Fristen, innerhalb derer ein Anspruch (schrift-
lich) geltend gemacht werden muss. Lässt man diese Frist verstreichen, erlischt der
Anspruch. Ausschlussfristen dienen dem Zweck – gerade in Dauerschuldverhältnis-
sen wie Arbeits- oder Dienstverhältnissen –, schneller als die Verjährungsvorschrif-
ten (§§ 194 ff. BGB) für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zwischen den Parteien zu
sorgen. Anders als die Verjährung, welche eine rechtshemmende Einrede ist, handelt
es sich bei Ausschlussfristen um rechtsvernichtende Einwendungen.16

Praxistipp
Für die Praxis bedeutet dies, dass derjenige, der sich auf eine Verjährung beruft, dies aktiv – gege-
benenfalls in einem Gerichtsprozess – vortragen muss, d. h. ohne Vortrag wird das Gericht dies nicht
berücksichtigen. Eine Ausschlussfrist allerdings wird, soweit sie dem Gericht beispielsweise aus den
eingereichten Unterlagen erkennbar ist, auch ohne einen besonderen Vortrag berücksichtigt. Dies
dürfte vor allem in erstinstanzlichen Prozessen, in denen sich Arbeitnehmer nicht stets von einem
Rechtsanwalt vertreten lassen, von Bedeutung sein.

15 BAG, Urt. v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03 –.


16 ErfK/Preis, BGB §§ 194-218 Rn 32.

Rolf/Riechwald
A. Allgemeines 101

In Arbeitsverträgen – aber auch zunehmend in Anstellungsverträgen von Geschäfts- 29


führern – finden sich regelmäßig Ausschlussfristen. Diese haben sich in der deut-
schen Kautelarpraxis eingebürgert. Zu unterscheiden ist zwischen einseitigen und
zweiseitigen sowie einstufigen und zweistufigen Ausschlussfristen.

a) Einseitige Ausschlussfristen
Einseitige Ausschlussfristen sind solche, welche nur einseitig die Ansprüche des 30
Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, aber nicht auch die Ansprüche des Arbeitneh-
mers gegen den Arbeitgeber ausschließen. Solche einseitigen Ausschlussfristen sind
allerdings nach der Rechtsprechung des BAG unwirksam,17 da sie im Sinne von § 307
Abs. 1 S. 1 BGB einer ausgewogenen Vertragsgestaltung widersprechen. In Arbeitsver-
trägen kann man sie daher nicht mehr verwenden.18

b) Zweiseitige Ausschlussfristen
Der heutige Regelfall sind daher zweiseitige Ausschlussfristen, d. h. solche, die 31
sowohl Ansprüche des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers mit Fristablauf aus-
schließen.

aa) Einstufige Ausschlussfristen


Einstufige Ausschlussfristen führen dazu, dass der Anspruch ausgeschlossen ist, 32
wenn der Anspruch nicht innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht wird.
Wichtig ist hier, dass nach der Rechtsprechung des BAG solche Fristen dann unwirk-
sam sind, wenn sie eine Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von weniger als
drei Monaten vorsehen.19
Auch ist darauf zu achten, dass der Beginn der Frist mit der Fälligkeit des 33
Anspruchs angegeben wird und nicht etwa allein mit einer Beendigung des Arbeits-
verhältnisses.20
Die Haftung aus einer vorsätzlichen Handlung nach § 202 BGB kann nicht im 34
Voraus entfallen, dies muss aber in einer Ausschlussklausel nicht ausdrücklich gere-
gelt werden.21

17 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 –.


18 Zur Vollständigkeit sei erwähnt, dass einseitige Ausschlussfristen nach Ansicht des BAG in Tarif-
verträgen möglich sind, da dort ein anderer Prüfungsmaßstab gilt.
19 BAG, Urt. v. 12.3.2008 – 10 AZR 162/07 –.
20 BAG, 1.3.2006 – 5 AZR 511/05 –.
21 BAG, 20.6.2013 – 8 AZR 280/12 –.

Rolf/Riechwald
102 Kapitel 4 Vergütung

Muster
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis – mit Ausnahme von Ansprü-
chen, die aus vorsätzlicher Handlung resultieren – müssen innerhalb von drei Monaten nach Fällig-
keit gemäß § 199 Abs. 1 BGB schriftlich geltend gemacht werden. Wird der Anspruch nicht geltend
gemacht, verfällt er.

bb) Z
 weistufige Ausschlussfristen
35 Bei einer zweistufigen Ausschlussfrist muss nach einer erfolglosen Geltendmachung
des Anspruchs als erste Stufe noch eine Klage in einer zweiten Stufe erhoben werden,
damit der Anspruch nicht ausgeschlossen wird. Zweistufige Ausschlussfristen sind
mit den AGB-Bestimmungen des § 309 Nr. 13 BGB vereinbar.22

Praxistipp
Zweistufige Ausschlussfristen bereiten insbesondere bei Streitigkeiten nach Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses Probleme. Hier reicht für die Wahrung der ersten Stufe (schriftliche Geltendma-
chung des Anspruchs) für solche Ansprüche, die während des Prozesses fällig werden und von dessen
Ausgang abhängen, die Erhebung der (fristgerechten) Kündigungsschutzklage. Nach neuerer Recht-
sprechung reicht dies ebenfalls für die zweite Stufe.23

Muster
1. Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis – mit Ausnahme von An-
sprüchen, die aus vorsätzlicher Handlung resultieren – müssen innerhalb von drei Monaten nach Fäl-
ligkeit gemäß § 199 Abs. 1 BGB schriftlich geltend gemacht werden. Wird der Anspruch nicht geltend
gemacht, verfällt er.
2. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von einem Monat
nach Geltendmachung des Anspruchs, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten
nach schriftlicher Ablehnung oder dem Fristablauf durch die Gegenpartei gerichtlich geltend gemacht
werden, andernfalls verfällt er ebenfalls.

c) W
 eitere Wirksamkeitsvoraussetzungen
36 Die AGB-Vorschriften stellen an die Wirksamkeit einer Klausel zu Ausschlussfris-
ten weitere Anforderungen. Insbesondere das Verbot überraschender Klauseln des
§ 305c Abs. 1 BGB gebietet hier zur Vorsicht. So darf die Ausschlussfrist nicht unter
einer sachfremden Überschrift stehen (Bsp. „Lohnberechnung und Zahlung“24 oder
„Schlussbestimmungen“).25

22 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 –.


23 BAG, Urt. v. 19.9.2012 – 5 AZR 627/11 –.
24 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94 –.
25 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 –.

Rolf/Riechwald
A. Allgemeines 103

Praxistipp
Hier empfiehlt es sich, Ausschlussfristen grundsätzlich unter einer eigenen – am besten auch druck-
technisch hervorgehobenen – Überschrift im Arbeitsvertrag aufzunehmen. Auch die Rechtsfolge,
nämlich der Verfall des Anspruchs, muss ausdrücklich geregelt sein.

Hinsichtlich der zeitlichen Mindestdauer hat das BAG klargestellt, dass drei Monate 37
den absoluten Mindestzeitraum darstellen.26

d) Umfang des Ausschlusses


Arbeitsvertragliche Ausschlussklauseln können zunächst wie beschrieben nicht 38
solche Ansprüche ausschließen, welche noch nicht fällig waren oder solche, welche
auf einer vorsätzlichen Schädigung beruhen. Grundsätzlich umfassen sie aber
ansonsten alle arbeitsvertraglichen Ansprüche sowie auch gesetzliche Ansprüche.
Nicht umfasst hingegen sind Ansprüche aus Betriebsvereinbarungen oder Tarifver-
trägen (hier kommt aber ein Ausschluss durch Ausschlussklauseln, welche im Tarif-
vertrag – oder aber sehr viel seltener in Betriebsvereinbarungen – selbst angelegt
sind, in Betracht).

e) Verjährung
Für die Verjährung im Arbeitsrecht gilt die allgemeine Frist, d. h. Ansprüche ver- 39
jähren in der Regelverjährung nach drei Jahren, § 195 BGB. Besonderheiten ergeben
sich nach § 61 Abs. 2 HGB für Ansprüche aus Wettbewerbsverstößen (Verjährung drei
Monate nach Kenntnis, jedenfalls aber immer nach fünf Jahren nach Abschluss des
Geschäfts) sowie § 18 a BerAVG für betriebliche Altersversorgung (30 Jahre).

8. Gerichtliche Durchsetzung
Bei einfachen Vergütungsregelungen (wie etwa dem Festlohn) ist die Durchsetzung 40
für den Arbeitnehmer relativ einfach. Er muss nur die Bruttovergütung einklagen.
Schwieriger ist eine Feststellungsklage zur Höhe der Bruttovergütung, die zwar
grundsätzlich zulässig ist,27 allerdings in der Praxis vor der Schwierigkeit steht, dass
etwaige Ausnahmetatbestände für die Fortzahlung der Vergütung in den Antrag auf-
genommen werden müssen. Kennt der Arbeitgeber die Höhe der Vergütung nicht,
muss er zunächst Auskunftsklage erheben. Es kommt dann zu einem Stufenverfah-
ren. Auskunft erteilt hat der Arbeitnehmer, wenn er in entschuldbarer Weise über
Bestehen und Umfang des Anspruchs auf Vergütung im Ungewissen ist und der

26 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04 –; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 –.
27 BAG, 28.9.2005 – 5 AZR 408/04 –.

Rolf/Riechwald
104 Kapitel 4 Vergütung

Arbeitgeber die Auskunft unschwer erteilen kann.28 Die Auskunft muss sich dabei auf
den Zeitraum beziehen, für den auch die Zahlung verlangt wird.

Praxistipp
Im Rahmen der Auskunftsklage wird der Hauptanspruch für die Vergütung geprüft. Bejaht das erst-
instanzliche Gericht den Hauptanspruch, ist die Berufung dagegen meist nicht möglich, weil der Be-
schwerdewert (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) in Höhe von 600,00 € nicht erreicht wird. Der Beschwerdewert
bestimmt sich in diesen Fällen nämlich nicht anhand des möglichen Vergütungsanspruchs, sondern
nach dem Wert des Interesses des Arbeitgebers, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Sofern der
Arbeitgeber kein besonderes Geheimhaltungsinteresse hat, ist auf Zeitaufwand und Kosten abzustel-
len, die bei der sorgfältigen Erteilung der geschuldeten Auskunft anfallen.29

41 Lässt sich die Auskunft unschwer erteilen, dürfte der Wert in der Regel unter 600,00 €
liegen. Der Arbeitgeber kann dann gegen die Auskunftserteilung kein Rechtsmittel
einlegen und muss die Frage des Bestehens des Anspruchs im Zahlungsverfahren
klären lassen.

B. E
 inzelne Vergütungsarten

I. D
 ienstwagen

1. Allgemein
42 In vielen Arbeitsverhältnissen wird dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ein
Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt. Oftmals geschieht dies, da das Fahrzeug für
die Erbringung der Arbeitsleistung benötigt wird (wie beispielsweise im Vertrieb).
In vielen Fällen hat sich die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens aber auch als
Incentive herausgestellt, was ab einer gewissen Hierarchie auch erwartet wird.
43 Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf einen Dienstwagen, wenn dieser
bereits in seinem Arbeitsvertrag geregelt ist oder in einer gesonderten Dienstwagen-
vereinbarung. Die vertragliche Regelung sollte dabei den konkret geschuldeten Typ
des Dienstwagens oder eine Preisspanne vorsehen. In der Praxis dürfte es mittler-
weile der häufigste Fall sein, dass die Dienstwagen vom Arbeitgeber nicht gekauft,
sondern für einen bestimmten Zeitraum (in der Regel drei Jahre) geleased werden.
Daher sehen Dienstwagenregelungen heute oftmals Leasingraten und die entspre-
chenden Kilometerbeschränkungen pro Jahr vor.
44 Außerdem empfiehlt es sich, aufzunehmen, ob der Dienstwagen vom Arbeitneh-
mer auch privat genutzt werden darf. Dies dürfte mittlerweile in der Praxis ebenfalls

28 LAG Baden-Württemberg, 14.1.2013 – 1 Sa 27/12 –.


29 BGH, 26.10.2011 – VII ZB 465/11 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 105

der Regelfall sein. Ist keine Regelung getroffen, darf der Dienstwagen grundsätzlich
nicht privat genutzt werden.

Praxistipp
Achtung: Auch die Fahrten des Arbeitnehmers von zu Hause zur Arbeit sind private Fahrten. Ist die
Privatnutzung daher nicht gestattet, ist auch dies nicht zulässig.

Wenn die Privatnutzung des Dienstwagens gestattet wird, beinhaltet dies auch gleich- 45
zeitig einen geldwerten Vorteil in Form eines Sachbezugs. Der Dienstwagen ist dann
ein Vergütungsbestandteil. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf
den Dienstwagen für all die Zeiträume hat, in denen er auch Entgelt vom Arbeitgeber
beanspruchen kann.

Praxistipp
Konkret bedeutet das, dass der Arbeitgeber den Dienstwagen in Fällen des Urlaubs, der Arbeitsunfä-
higkeit (allerdings nur bis zum Ende der Entgeltfortzahlungsfrist), Freistellung unter Fortzahlung der
Vergütung, während eines Beschäftigungsverbots in der Schwangerschaft oder während der Mutter-
schutzfristen nicht vom Arbeitnehmer herausverlangen kann.

Möglich ist allerdings, in die Klausel einen Widerrufsvorbehalt aufzunehmen. 46


Allerdings darf sich dieser Vorbehalt nicht nur auf die jederzeitige Widerrufbarkeit
erschöpfen,30 sondern es müssen die Widerrufsgründe im Vertrag selbst angegeben
und auch sachlich gerechtfertigt sein.31
Am bedeutsamsten ist hier sicherlich die Widerrufbarkeit im Falle einer rechtmä- 47
ßigen Freistellung.32 Nach diesem Urteil des BAG ist eine solche Klausel wirksam, auch
ohne dass für den Widerruf eine besondere Frist vereinbart werden muss, allerdings
sollte im Rahmen der Ausübungskontrolle eine Auslauffrist eingehalten werden.

2. Haftung für Beschädigung


Die Haftung für Beschädigung des Dienstfahrzeugs dürfte in der Praxis nur noch eine 48
sehr untergeordnete Rolle spielen, da Dienstfahrzeuge (als Leasingfahrzeuge) in der
Regel ohnehin vollkaskoversichert sein werden und es daher nur noch um die Selbst-
beteiligung gehen kann. Hier gelten allerdings bei Dienstfahrten auch die allgemei-
nen Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich, so dass eine Haftung
des Arbeitnehmers erst bei grober Fahrlässigkeit in Betracht kommen kann.

30 BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 –.


31 BAG, Urt. v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 –.
32 BAG, Urt. v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 –.

Rolf/Riechwald
106 Kapitel 4 Vergütung

3. Steuerrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Auswirkung


49 Ein Dienstwagen, der auch privat genutzt werden kann, stellt grundsätzlich Arbeits-
lohn dar und ist somit zu versteuern.33
50 Grundsätzlich gibt es zwei Wege, wie die Höhe des geldwerten Vorteils, welcher
dann zu versteuern ist, ermittelt werden kann. Pauschal im Rahmen der sog. 1 %-Rege-
lung oder detailliert im Wege eines Einzelnachweises.
51 In der Praxis weitaus seltener, da sehr aufwändig, ist der Weg des Einzelnachwei-
ses (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG). Dieser verlangt, dass die gesamten Kosten des Dienstwa-
gens durch Belege und das Verhältnis der dienstlichen, der privaten und der Fahrten
zur Arbeit durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.34
52 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG kann die private Nutzung des Dienstwagens für
jeden Kalendermonat auch mit einem Prozent des inländischen Listenpreises ange-
setzt werden. Dies gilt nicht nur für gekaufte, sondern auch für geleaste oder gemie-
tete Dienstwagen.

Beispiele
Beläuft sich der Listenpreis des Fahrzeugs auf 50.000,00 €, dann beträgt der geldwerte Vorteil, der
sich aus der privaten Nutzung ergibt, 500,00 € pro Monat. Auf diesen Betrag muss Lohnsteuer gezahlt
werden.

53 Wird der Dienstwagen auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz
genutzt, kommen noch 0,03 % des Listenpreises / Entfernungskilometer hinzu.
54 Für die Sozialversicherung gilt das oben Beschriebene entsprechend. Überlässt
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, so
ist der darin liegende Sachbezug als geldwerter Vorteil auch sozialversicherungs-
rechtlich beitragspflichtig. Die Methoden zur Ermittlung der Höhe ergeben sich dabei
auch hier nach der steuerrechtlichen Vorgabe.

4. Car Allowance
55 Als Alternative zur Stellung eines Dienstwagens kommt auch eine Car Allowance in
Betracht. Hierbei handelt es sich um einen zweckgebundenen Zuschuss des Arbeit-
gebers an den Arbeitnehmer, damit dieser sich selbst um das Thema Dienstwagen
kümmert. Bei einer Car Allowance handelt es sich um normalen steuer- und sozi-
alversicherungspflichtigen Bruttolohn. Die oben beschriebenen Besonderheiten zur
Wertermittlung spielen hier demnach keine Rolle.

33 Küttner/Thomas, Personalbuch, Dienstwagen Rn 17.


34 Küttner/Thomas, Personalbuch, Dienstwagen Rn 23.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 107

Klauselmuster
Die Gesellschaft stellt dem Mitarbeiter einen Firmenwagen der Klasse [•] oder vergleichbar mit einer
monatlichen Brutto-Leasingrate bis zu maximal [•] € zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfü-
gung. Kraftstoff-, Betriebs- und Unterhaltskosten trägt die Gesellschaft. Die Versteuerung des geld-
werten Vorteils für die private Nutzung trägt der Mitarbeiter. Der Mitarbeiter wird, unter Ausschluss
eines Zurückbehaltungsrechts, den ihm zur Verfügung gestellten Firmenwagen bei Beendigung die-
ses Vertrages unverzüglich an die Gesellschaft zurückgeben. Wenn und solange der Mitarbeiter auf
diesen Dienstwagen verzichtet, erhält er von der Gesellschaft einen monatlichen Bruttobetrag als
Car Allowance in Höhe von 1 % des Listenpreises eines [•], der sich anhand der Leasingrate von [•] €
ergibt.

Option: Widerrufsvorbehalt: Die Gesellschaft behält sich vor, die Überlassung des Firmenwagens zu
widerrufen, wenn und solange der PKW für dienstliche Zwecke seitens des Mitarbeiters nicht benötigt
wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Mitarbeiter nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses
von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Im Falle der Ausübung des Widerrufs durch die Gesellschaft
ist der Mitarbeiter nicht berechtigt, eine Nutzungsentschädigung oder Schadensersatz zu verlangen.

II. P
 rovision

Die Provision ist an sich im Handelsvertretervertrag angelegt und bedeutet, dass der 56
Arbeitnehmer für die Vermittlung von bestimmten Geschäftsabschlüssen eine Prämie
enthält. Im Arbeitsleben finden sich solche Regelungen vor allem bei Vertriebsmitar-
beitern. Für die Vermittlung einer Provision im Arbeitsvertrag gilt eine Besonderheit,
da nach § 65 HGB die für Handelsvertreter geltenden Bestimmungen der §§ 87 ff. HGB
unmittelbar gelten.35
Das BAG misst deshalb Provisionsvereinbarungen nicht an den Bestimmungen 57
der §§ 305 ff. BGB, soweit die Provisionsvereinbarung im Arbeitsvertrag den HGB-
Regelungen entspricht. Der Provisionsanspruch entsteht nach § 94 Abs. 4 und § 87a
Abs. 1 HGB grundsätzlich mit dem Geldeingang. Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass Pro-
visionsansprüche zurückgezahlt werden müssen, gilt Folgendes: Provisionen können
grundsätzlich als Vorschuss gezahlt werden, so dass der Mitarbeiter sie zurückzahlen
muss, wenn die Voraussetzungen für die Entstehung des Provisionsanspruchs dann
nicht eintreten. Nach Ansicht des BAG ist eine solche Klausel wirksam, da dies den
Bestimmungen des HGB entspricht. Um Konflikte mit Mindestlohnbestimmungen zu
vermeiden, sollte allerdings neben der Provision ein nicht zurückzahlbarer Grundbe-
trag oder eine Mindestprovision vereinbart werden. Wenn eine Provision vereinbart
wurde, kann der Arbeitnehmer die Provision auch dann beanspruchen, wenn seine
Tätigkeit für das Zustandekommen des Geschäfts nur mitursächlich war. Bei mehre-
ren provisionsberechtigten Arbeitnehmern hat dann ggf. jeder den vollen Anspruch.36

35 BAG, 21.1.2015 – 10 AZR 84/14 –.


36 LAG Köln, 23.10.2006 – 14 Sa 495/06 –.

Rolf/Riechwald
108 Kapitel 4 Vergütung

58 Der Arbeitsvertrag kann allerdings den Provisionsanspruch dahin beschrän-


ken, dass der Beitrag des Arbeitnehmers am Zustandekommen des Geschäfts allein
ursächlich war oder überwiegen muss.

Praxistipp
Bestimmungen, die den Provisionsanspruch begrenzen oder ausschließen, müssen in den Arbeits-
vertrag selbst aufgenommen werden und sollten nicht in außerhalb des Arbeitsvertrags liegenden
Dokumenten stehen. Andernfalls droht die Unwirksamkeit wegen der Verletzung des Transparenzge-
botes (§ 307 Abs. 2 S. 1 BGB).

III. Aus- und Fortbildungskosten (Rückzahlung)

59 Zur Vergütung kann auch eine Beihilfe oder die Übernahme von Aus-und Fortbil-
dungskosten zählen. Der Arbeitnehmer erhält dann entweder einen Zuschuss oder
die Kosten der Fortbildung erstattet. Zu den damit verbundenen Fragen vgl. Kapitel 7.

IV. Variable Vergütung und Flexibilitätsinstrumente

1. Grundsatz: Was ist flexibel gestaltbar?


60 Neben der Fixvergütung erhält der Mitarbeiter meist variable Vergütungsbestandteile.
Vor allem mit zunehmender Hierarchie steigt der Anteil der variablen Vergütung am
Gesamtgehalt. Mit Ausnahme der regulierten Vergütung bei börsennotierten Gesell-
schaften und im Finanzbereich,37 ist die variable Vergütung an sich nicht limitiert.
Das hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er die Motivation über Vergütungsele-
mente steigern und damit auch steuern kann. Umgekehrt wird der Mitarbeiter meist
ein Interesse daran haben, auch variable Vergütungsbestandteile möglichst jedes
Jahr zu erhalten. Meist wird zumindest bei Führungskräften von einem „Gesamtpa-
ket“ gesprochen, das aus Fixvergütung, möglichen Bonuszahlungen und ggf. auch
einer Altersversorgung besteht. Der Mitarbeiter hat daher ein natürliches Interesse
daran, die Variabilität zumindest nach unten zu begrenzen.

a) Transparenzgebot
61 Variable Vergütungselemente lassen sich auf verschiedene Art und Weise unterteilen.
Eine wichtige Unterscheidung liegt darin, ob die Variabilität automatisch eintritt, weil
sie von äußeren Umständen oder von einer Entscheidung des Arbeitgebers abhängt:

37 Dazu unter Rn 127 ff.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 109

– Ein Bonus in Form eines prozentualen Anteils am Jahresgewinn der Gesellschaft


ist naturgemäß variabel, weil die Gesellschaft nicht jedes Jahr denselben Gewinn
erzielen wird. Eine Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers ist nicht erforder-
lich, wohl aber meist eine Begrenzung nach oben.
– Auf der anderen Seite stehen Regelungen, bei denen der Arbeitgeber jedes Jahr
nach billigem Ermessen entscheidet, ob eine Sonderzahlung gewährt wird.

Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil das BAG Instrumente zur Flexibili- 62
sierung von Vergütungselementen in Standardverträgen an den §§ 305 ff. BGB und
damit vor allem am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB misst. Danach kann
sich eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers auch daraus ergeben,
dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Die entsprechende Klausel ist
dann unwirksam.
Bei den „harten“ Flexibilisierungen, die von äußeren Bedingungen / Umständen 63
abhängen, kommt es nur darauf an, ob die Bedingungen eintreten. Der Arbeitgeber
kann hier im Grunde sehr klare Vorgaben machen, etwa dahingehend, dass ein Bonus
nur gezahlt wird, wenn die Gesellschaft eine Dividende ausschüttet.38
Soll die Klausel dagegen nicht nur von äußeren Bedingungen abhängen, sondern 64
von einer Entscheidung des Arbeitgebers, prüft das BAG die Klausel an den §§ 305 ff.
BGB. Den Maßstab beschreibt das BAG wie folgt:

„Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheit-
lich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung
der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die
Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners
des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Ver-
tragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht
eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der
typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Ver-
tragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit
dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redli-
chen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten … Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsme-
thoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders.
Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung einer
einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von
diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Ausle-
gung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die
Anwendung der Bestimmung nicht.“39

38 BAG,18.1.2012 – 10 AZR 670/10 –.


39 BAG, 17.4.2013 – 10 AZR 281/12 –.

Rolf/Riechwald
110 Kapitel 4 Vergütung

b) Keine Entziehung erdienten Lohns


65 Für variable Vergütungsbestandteile ist eine weitere Abgrenzung wichtig, nämlich,
ob die Zahlung zumindest auch die in der Vergangenheit liegende Arbeitsleistung
abgelten soll oder andere Zwecke verfolgt. Solche Zwecke können darin liegen, die
künftige Betriebstreue zu honorieren. Betroffen sind hier vor allem Stichtagsklau-
seln, wonach der Arbeitnehmer die Sonderzahlung nur erhält, wenn er bei Auszah-
lung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht,40 und Freiwilligkeitsvorbe-
halte, mit denen sich der Arbeitgeber vorbehält, eine Sonderzahlung zu erbringen
oder auch nicht zu bezahlen.41 Seit einiger Zeit prüft das BAG bei der Prüfung solcher
Vergütungselemente den Gesichtspunkt, dass der Arbeitgeber den bereits erdienten
Lohn nicht mehr entziehen kann. In der Entscheidung vom 13.11.2013 heißt es dazu
zu einer Stichtagsklausel:

„Der Senat hat die Unzulässigkeit eines Stichtags außerhalb des Bezugszeitraums damit begrün-
det, dass die Stichtagsklausel im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB stehe,
indem sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entziehe. Ein berechtigtes Interesse des
Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Lohn für geleistete Arbeit gegebenenfalls vorenthalten zu können,
sei nicht ersichtlich.“42

66 Der Grundsatz, wonach bereits verdienter Lohn nicht von einseitigen Rechten des
Arbeitgebers abhängig gemacht werden kann, gilt nach Ansicht des BAG auch, wenn
die Klausel nicht der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegt. Denn solche
Klauseln können den Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB verletzen, wonach der
Arbeitnehmer für geleistete Arbeit Lohn erhält.43 Das BAG hatte eine Stichtagsklausel
aus diesen Erwägungen auch in einer Betriebsvereinbarung missbilligt.44 Die arbeits-
rechtliche Kommentarliteratur geht davon aus, dass Stichtagsklauseln bei jeglichen
Sonderzahlungen mit Entgeltbezug unzulässig sind.45
67 Mit der Entscheidung vom 13.5.201546 hat das BAG die Rechtsprechung weiterent-
wickelt. Zunächst heißt es wieder:

„Eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann
nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt innerhalb oder
außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Bei

40 Zu diesen Klauseln Rn 249.


41 Zu diesen Klauseln Rn 4.
42 BAG, 13.11.2013 – 10 AZR 848/12 –.
43 BAG, 18.1.2012 – 10 AZR 612/10 –.
44 BAG, 12.4.2011 – 1 AZR 412/09 –.
45 Preis, Der Arbeitsvertrag, 5. Aufl. (2015) II S. 40 Rn 44; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/
Preis, 15. Aufl. (2015); BGB, § 611 Rn 547.
46 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 111

unterjährigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich zum Fälligkeitszeitpunkt ein zeit-
anteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung.“47

Das BAG hat in dieser Entscheidung aber auch klargestellt, dass sich bei mehrmaliger 68
Gewährung einer Sonderzahlung in unterschiedlicher Höhe zumindest ein Anspruch
des Arbeitnehmers auf eine Entscheidung über eine Sonderzahlung nach billigem
Ermessen ergibt:

„Hat der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahres-
ende eine als „Sonderzahlung“ bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe an einen Arbeitneh-
mer erbracht, darf der Arbeitnehmer daraus auf ein verbindliches Angebot im Sinne von § 145 BGB
auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen, deren Höhe der Arbeitgeber einseitig nach
billigem Ermessen festsetzt.“48

Damit ist dann aber auch die Grenze erreicht. Denn umgekehrt erlaubt das BAG dem 69
Arbeitgeber Vergütungsbestandteile vollständig in das billige Ermessen nach § 315
BGB zu stellen (zu diesen Klauseln, unten 8.).

„Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht
davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirt-
schaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz
ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem
Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich über-
prüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestim-
mungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen
getroffen.“49

In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass darin ein Wertungswiderspruch liegen 70
könnte.50
Die Entwicklung der Rechtsprechung des BAG dürfte nicht abgeschlossen sein. Es 71
gelten derzeit aber die folgenden „Spielregeln“:
– Zahlungen, welche die erbrachte Arbeitsleistung abgelten, können nicht einsei-
tig entzogen werden.
– Hängt die Zahlung von äußeren Umständen ab, kommt es darauf an, ob diese ein-
treten, die Arbeitsvertragsparteien sind in der Gestaltung frei, es gibt allerdings
das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
– Der Arbeitgeber kann ein Zahlung nach § 315 BGB in sein billiges Ermessen
stellen. Es erfolgt dann eine Ausübungskontrolle.

47 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.


48 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.
49 BAG, 16.1.2013 – 10 AZR 26/12 –.
50 Stoffels, RdA 2015, 276, 280.

Rolf/Riechwald
112 Kapitel 4 Vergütung

– Erbringt der Arbeitgeber mehrfach eine Sonderzahlung, kann sich daraus zumin-
dest ein Anspruch auf eine Sonderzahlung nach billigem Ermessen ergeben.

72 Die Frage, ob eine Zahlung die erbrachte Arbeitsleistung abgilt, behandelt das BAG
extrem streng. Der Arbeitgeber kann den Vergütungscharakter der Zahlung nicht
dadurch vermeiden, dass er die Zahlung falsch bezeichnet. Umgekehrt schließt das
BAG ohne Weiteres aus dem Wortlaut auf einen Vergütungscharakter, wobei schon
gefährlich ist, wenn die Zahlung „aus Dank“ für die Leistungen erfolgt. Weitere Indi-
zien liegen darin, dass die Sonderzahlung einen wesentlichen Teil der Vergütung aus-
macht, vom Erreichen quantitativer oder qualitativer Ziele oder vom Betriebsergeb-
nis im Bezugsraum abhängt.51 Der Arbeitgeber muss aus Gründen der Transparenz
also umkehrt eindeutig formulieren, dass die Zahlung für die Arbeitsleistung erfolgt.
Das ist etwa bei einer Halteprämie (Retention Bonus) der Fall, die dafür gezahlt wird,
dass der Arbeitnehmer nicht gekündigt hat, oder dem Weihnachtsgeld, das für weih-
nachtsbedingte erhöhte Aufwendungen in der Lebenshaltung gezahlt wird.
73 Nach diesen Spielregeln werden nachfolgend verschiedene Instrumente der vari-
ablen Vergütung untersucht.

2. Feste Bonusklauseln
74 Bei harten Bonusklauseln hängt der Bonus von äußeren Umständen ab, die weder im
Willen des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers stehen.

Klauselmuster
Tantieme (einfach):
Der Mitarbeiter erhält eine jährliche Tantieme mit einer Zielgröße in Höhe von 50 % des Festgehalts.
Die Tantieme ist abhängig von der Erreichung bestimmter Ziele der Unternehmensgruppe, die sich
aus dem jeweiligen Businessplan (Budget) ergeben. Werden die Ziele zu 100 % erreicht, so beträgt
die Tantieme 50 % des Festgehalts. Werden die Ziele nicht zu 100 % erreicht, besteht kein Anspruch
auf eine Tantieme. Die Tantieme wird im Fall ihrer Entstehung einen Monat nach der Feststellung der
Zielerreichung durch die Gesellschaft fällig.

75 Bei dieser Regelung hängt die Tantieme davon ab, ob die Gesellschaft die im Busi-
nessplan bestimmten Ziele erreicht.

Klauselmuster
EBITDA Zielerreichung:
Der Mitarbeiter erhält eine jährliche variable Vergütung, die sich nach dem Erreichen der EBITDA-
Zielvorgabe richtet:

51 Nach BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 113

Die EBITDA-Zielvorgabe entspricht jeweils dem normalisierten und vom Arbeitgeber im Rahmen des
für das jeweilige Geschäftsjahr genehmigten Budgets festgelegten Wert für die Unternehmens-Grup-
pe.
Das für die Bestimmung des Grades der Zielerreichung maßgebliche EBITDA-Ist ist das entsprechend
den bei der Ermittlung der EBITDA-Zielvorgabe angewandten Prinzipien normalisierte und um außer-
ordentliche Effekte (insbesondere um die Effekte neuer Akquisitionen und ungeplanter Veräußerun-
gen etc.) bereinigte EBITDA der Unternehmens-Gruppe. Dabei sind die für das jeweilige Geschäftsjahr
an die Mitarbeiter und Geschäftsführer zu zahlenden Boni jeweils als Rückstellungen EBITDA-min-
dernd zu berücksichtigen. Das EBITDA-Ist wird vom Arbeitgeber auf der Grundlage des testierten
konsolidierten Jahresabschlusses der Unternehmens-Gruppe für das entsprechende Geschäftsjahr
festgestellt.
Der Grad der Zielerreichung ist durch Gegenüberstellung der EBITDA-Zielvorgabe und des EBITDA-Ist
des jeweiligen Geschäftsjahres zu ermitteln:
Wird die EBITDA-Zielvorgabe zu 100 % erreicht, beträgt die variable Vergütung 7.000,00 € brutto.
Wird die EBITDA-Zielvorgabe zu 90 % (oder weniger) erreicht, besteht kein Anspruch auf eine variable
Vergütung. Liegt die Erreichung der EBITDA-Zielvorgabe über 90 % jedoch unter 100 %, erfolgt eine
lineare Anpassung der variablen Vergütung an den Wert der Zielerreichung.
Zur Erläuterung: Wird die EBITDA-Zielvorgabe für das jeweilige Geschäftsjahr der Gesellschaft zu 91 %
erreicht, beträgt die variable Vergütung 700,00 € brutto (bei 92 %: 1.400,00 € brutto, usw.).52
Wird die EBITDA-Zielvorgabe zu 120 % (oder mehr) erreicht, beträgt die variable Vergütung 14.000,00 €
brutto. Liegt die Erreichung der EBITDA-Zielvorgabe über 100 % jedoch unter 120 %, erfolgt eine linea-
re Anpassung der variablen Vergütung an den Wert der Zielerreichung.
Zur Erläuterung: Wird die EBITDA-Zielvorgabe z. B. zu 110 % erreicht, beträgt die variable Vergütung
10.500,00 € brutto (bei 115 %: 12.250,00 € brutto, usw.).

Praxistipp
Vorsicht ist bei der Verwendung von Begrifflichkeiten aus der Bilanz wie den gebräuchlichen Kenn-
ziffern „EBIT“, und „EBITDA“ geboten. Solche Begriffe sollten in einer Bonusvereinbarung (wie oben)
definiert werden. Denn es kann auch bei einem aus Sicht des Arbeitgebers möglicherweise klaren
Begriffs zu einem Streit um die Bedeutung kommen, was dann ggf. mit teuren Gutachten im Streitfall
geklärt werden muss. Es ist zwar möglich, die Bestimmung dem Arbeitgeber nach § 315 BGB zu über-
lassen, was aber zur Folge hat, dass die Begriffsbestimmung dann billigem Ermessen entsprechen
muss und vom Arbeitsgericht ggf. ersetzt werden kann.53

Fraglich ist, ob der Arbeitsvertrag vorsehen kann, dass die Bonuszahlung im Falle 76
einer fristlosen Kündigung entfällt. Verbreitet sind etwa Klauseln nach dem Muster:

„Liegt während der Dauer des Geschäftsjahres für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB vor, hat der Mitarbeiter keinen
Anspruch auf die Tantieme. Bei ordentlicher Kündigung erhält der Mitarbeiter die Tantieme pro
rata auf Basis der bis dahin erreichten Ziele.“

52 Diese Berechnungsweise nennt man „Klippensteigerung“, weil die Bonuskurve zwischen 90 %


und 100 % einen starken Anstieg hat und nicht linear im Verhältnis zur Steigerung ab 100 % verläuft
(91 % Zielerreichung entsprechen nur 10 % des Bonus).
53 BAG, 11.12.2013 – 10 AZR 364/13 –.

Rolf/Riechwald
114 Kapitel 4 Vergütung

77 Die Rechtsprechung des BAG hat sich noch nicht endgültig dazu positioniert, ob
solche Verfallsklauseln im Fall der fristlosen Kündigung oder – wie im oben genann-
ten Beispiel – im Fall der fristlosen Kündbarkeit wirksam sind. Eine solche Regelung
hat starken Sanktionscharakter und soll den Mitarbeiter zu vertragsgerechtem Ver-
halten veranlassen. Nur unter diesem Gesichtspunkt könnte man sie halten.54
78 Andererseits hat der Mitarbeiter bis zum fristlosen Kündigungsgrund oder der
fristlosen Kündigung die geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Eine solche Ver-
fallsklausel begegnet daher erheblichen Bedenken im Hinblick auf den oben dar-
gestellten Grundsatz des BAG, dass der Arbeitgeber die Vergütung für eine bereits
erbrachte Arbeitsleistung nicht mehr nachträglich entziehen kann.55
79 Vor diesem Hintergrund dürfte eine Klausel nur zulässig sein, wenn sie den Fall
erfasst, in dem die erbrachte Arbeitsleistung aufgrund des Kündigungsgrunds für den
Arbeitgeber praktisch wertlos ist. In diesem Fall wäre es aber eher naheliegend, dass
der Arbeitgeber mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnet.

3. Zielvereinbarungen
80 Zielvereinbarungen sind variable Vergütungsbestandteile, bei der der Mitarbei-
ter einen Bonus erhält, wenn bestimmte Ziele erreicht werden. Diese Ziele können
entweder „harte“ Ziele oder „weiche“ Ziele sein, was den Zielvereinbarungen eine
gewisse Mittelstellung zwischen harten Bonusregelungen und ermessensabhängigen
Vergütungsbestandteilen einräumt.
– Harte Ziele sind meistens solche, die geschäftliche Kennzahlen der Gesellschaf-
ten aufnehmen (Gewinn, Gewinnsteigerung oder Umsatzsteigerung).
– Weiche Ziele sind solche, bei denen der Arbeitgeber eine gewisse Beurteilung
dahin hat, ob das Ziel erreicht wurde (Steigerung der Kundenzufriedenheit, Mit-
arbeiterzufriedenheit etc.).

81 Insofern lässt sich auch von messbaren Zielen und bewertungspflichtigen Zielen
sprechen. Unterschiede bestehen auch darin, wie es zu der Zielvereinbarung kommt.
Es finden sich Regelungen, bei der die Ziele vom Unternehmen einseitig vorgegeben
werden. In dem Fall gilt § 315 BGB und das Unternehmen muss die Ziele nach billigem
Ermessen bestimmen. Andere Regelungen sehen auch vor, dass die Ziele in regelmä-
ßigen Abständen (in der Regel jährlich) vereinbart werden. Eine Zielvereinbarung
sollte in diesem Fall aber vorsehen, dass der Arbeitgeber die Ziele einseitig nach billi-
gem Ermessen vorgeben kann, wenn es nicht zu einer Einigung kommt.

54 In diese Richtung LAG Hamm, 27.1.2011 – 8 Sa 2010/10 –.


55 In diese Richtung LAG Düsseldorf, 3.2.2012 – 6 Sa 1081/11 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 115

Praxistipp
Der Wert insbesondere bewertungspflichtiger Ziele in der Praxis ist mindestens zweifelhaft. Vorge-
setzte, welche meist die Zielbewertung am Ende des Jahres vornehmen müssen, werden in der Regel
nicht dazu tendieren, Mitarbeiter schlecht zu bewerten. In der Praxis häufig anzutreffen ist daher das
Phänomen, dass zumindest bei den bewertungspflichtigen Zielen eine hohe Zielerreichungsquote
erreicht wird. Harte Ziele sind dagegen ermessensunabhängig, können im Einzelfall aber den Mitar-
beiter benachteiligen, wenn sie nicht die individuellen Leistungen des Mitarbeiters reflektieren. Das
Ziel „Umsatzsteigerung um X %“ wird sämtliche Vertriebsmitarbeiter gleichermaßen betreffen, egal
welchen individuellen Beitrag sie zu einer Umsatzsteigerung beigetragen haben oder nicht.

In der Praxis kommt es meist zum Streit darüber, was gilt, wenn es nicht zu einer 82
Zielvereinbarung kommt. Das BAG hat zunächst festgestellt, dass eine nachträgliche
Bestimmung der Ziele ausscheidet.56 Nach Auffassung des BAG ist es vielmehr Pflicht
des Arbeitgebers, Ziele vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer innerhalb der Zielpe-
riode erreichen kann und ggf. – wenn die Zielvereinbarung vorsieht, dass die Ziele
gemeinsam festgelegt werden – mit ihm darüber zu verhandeln.57
Kommt es dann nicht zur Zielvereinbarung und ist die Zielvereinbarungsperi- 83
ode abgelaufen, liegt ein Leistungsstörungsfall vor. Enthält der Arbeitsvertrag eine
Regelung, wonach der Mitarbeiter entweder Ziele vorgegeben bekommt oder einver-
nehmlich vereinbart hat, kann das dazu führen, dass der Mitarbeiter die bei voller
Zielerreichung mögliche Vergütung nach §§ 280, 283, 252 BGB als Schadensatz verlan-
gen kann. Der Schaden ist der dann für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus,
den der Arbeitnehmer als entgangenen Gewinn liquidieren kann. Allerdings gilt hier
eine Einschränkung. Die Liquidation des entgangenen Gewinns stellt nach § 252 BGB
auf den gewöhnlichen Verlauf der Dinge ab. Der Arbeitgeber kann daher besondere
Umstände einwenden, wonach der Arbeitnehmer die Ziele gar nicht erreicht hätte,
selbst wenn diese ordnungsgemäß vorgegeben bzw. vereinbart worden wären. Das
Gericht kann allerdings die Beweiserleichterungsregelung des § 287 ZPO anwenden,
was den Vortrag für den Arbeitgeber erschwert.58
Der Arbeitgeber kann dieser Schadensersatzfalle in gewissem Umfang dadurch 84
entgehen, dass er in die Zielvereinbarung eine sogenannte Nachwirkungsklausel auf-
nimmt, wonach die Ziele der abgelaufenen Zielperiode auch für die nächste Periode
gelten, bis sie durch andere Ziele ersetzt sind. Allerdings besteht die Verhandlungs-
pflicht trotz Nachwirkungsklausel, wenn sich die Umstände maßgeblich geändert
haben und diese sich aufgrund der äußeren Umstände als nicht mehr erreichbar her-
ausstellen.59 Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber liegt darin, die Zielverein-

56 BAG, 12.2.2007 – 10 AZR 97/07 –.


57 BAG, 12.5.2010 – 10 AZR 390/09 –.
58 LAG Köln, 14.10.2009 – 3 Sa 901/09 –.
59 BAG, 1012.2008 – 10 AZR 889/07 –; BAG, 12.05.2010 – 10 AZR 390/09 –.

Rolf/Riechwald
116 Kapitel 4 Vergütung

barung jeweils auf eine Zielvereinbarungsperiode zu befristen.60 Sind die Ziele unklar
formuliert, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.61

Beispiele
Der Mitarbeiter erhält einen jährlichen Bonus von maximal [●] €, der jedoch davon abhängt, das
jährliche Ziele erreicht werden. Die Ziele werden jährlich mit dem Mitarbeiter besprochen und ge-
meinsam in einer Zielvereinbarung vereinbart. Sollte eine Einigung über die Ziele bis zum Ablauf des
jeweils ersten Quartals nicht erreicht werden, wird der Arbeitgeber die Ziele nach billigem Ermessen
festlegen. Der Bonus hängt davon ab, dass die so vereinbarten oder festgelegten Ziele vollständig
(zu 100 %) erreicht werden. Soweit die jeweilige Zielvereinbarung Teilziele enthält, erhält der Mitar-
beiter den einen anteiligen Bonus für jedes vollständig (zu 100 %) erfüllte Teilziel. Der Arbeitgeber
wird das Erreichen der Ziele bis spätestens zum Ablauf des ersten Quartals des Folgejahres feststel-
len und dem Arbeitnehmer mitteilen. Soweit die Zielerreichung nicht quantitativ messbar ist, erfolgt
die Feststellung nach billigem Ermessen. Der Bonus gemäß der Zielerreichung wird innerhalb von
14 Bankarbeitstagen nach Feststellung des Jahresabschlusses nach Maßgabe der steuerlichen und
sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen gezahlt.

4. F reiwilligkeitsvorbehalt
85 Der Freiwilligkeitsvorbehalt ist das stärkste Flexibilisierungsinstrument, weil der
Arbeitgeber sich damit vorbehalten möchte, eine bestimmte Leistung (in der Regel
eine Sonderzahlung) von seiner freien Entscheidung abhängig zu machen. Die
Klausel begegnet daher unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebots und dem
Grundsatz, dass der Lohn für erbrachte Arbeitsleistung nicht nachträglich entzo-
gen werden kann, den größten Bedenken. Der Freiwilligkeitsvorbehalt kommt daher
praktisch nur noch bei solchen Zahlungen in Betracht, die nicht mindestens auch die
erbrachte Arbeitsleistung abgelten sollen.62
86 Das BAG wendet außerdem bei der Gestaltung der Klausel einen extrem strengen
Maßstab an. Die Formulierung, dass die Leistung „freiwillig“ erbracht wird, bedeu-
tet keinen Freiwilligkeitsvorbehalt, sondern ist nach Ansicht des BAG lediglich ein
Hinweis darauf, dass der Arbeitgeber zur Zahlung nicht aufgrund anderer Rechts-
grundlagen verpflichtet ist.63 Erforderlich ist auch die Angabe, dass die Zahlung
„ohne Rechtsanspruch für die Zukunft“ erfolgt.
87 Weiter darf der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht widersprüchlich formuliert sein.
Verwendet die Klausel Formulierungen, die auf einen Anspruch hindeuten („der Mit-
arbeiter erhält“, „der Arbeitgeber gewährt“), ist die Klausel widersprüchlich und der
Freiwilligkeitsvorbehalt ist unwirksam. Die Klausel darf schließlich nicht mehrdeutig

60 Preis, Der Arbeitsvertrag, II Z 5 Rn 22.


61 LAG Hessen, 29.1.2002 – 7 Sa 836/01 –.
62 BAG, 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 –; BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –, im Gegensatz zur früheren
Rechtsprechung.
63 BAG, 8.12.2010 – 10 AZR 671/09 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 117

sein. Würde etwa ein Freiwilligkeitsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt kombi-


niert („der Arbeitgeber kann die freiwillige Zahlung, auf die kein Anspruch besteht,
widerrufen“), ist die Klausel intransparent und nach § 307 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam.
Vor diesem Hintergrund ist der Anwendungsbereich des Freiwilligkeitsvorbehaltes in
der Praxis eingeschränkt.
Wegen des strengen Maßstabs und der Tatsache, dass das BAG einen umfassen- 88
den Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle künftigen Leistungen erfasst, für unwirksam
hält, ist der Freiwilligkeitsvorbehalt an sich keine Klausel mehr.64 Fraglich ist, ob der
Arbeitgeber Sonderzahlungen stattdessen nicht einfach ohne vertragliche Regelung
erbringen sollte und den Freiwilligkeitsvorbehalt dann bei der jeweiligen Zahlung
erklären sollte.

Beispiele
Die erbrachte Sonderzahlung ist freiwillig und der Mitarbeiter hat darauf keinen Anspruch. Durch die
Gewährung der Zahlung entsteht kein Anspruch auf diese oder vergleichbare Zahlungen in Zukunft.
Der Arbeitgeber behält sich vielmehr vor, jedes Jahr neu über diese oder vergleichbare Zahlungen zu
entscheiden.

Preis65 weist zu Recht darauf hin, dass der Betriebsrat darüber nach § 87 Abs. 1 89
Nr. 10 BetrVG eine Betriebsvereinbarung erzwingen könnte, die dann wiederum am
Maßstab zu messen wäre, dass einmal verdienter Lohn für die erbrachte Arbeitsleis-
tung nicht entzogen werden kann.66 Zum anderen kann die Praxis, Zahlungen vorbe-
haltlos zu leisten, dazu führen, dass der Arbeitnehmer entweder einen Anspruch auf
die Zahlung oder zumindest darauf erwirbt, dass der Arbeitgeber nach pflichtgemä-
ßem Ermessen über die Sonderzahlung entscheidet.67

5. Widerrufs- und Änderungsvorbehalte


Mit dem Widerrufsvorbehalt behält sich der Arbeitgeber vor, eine Leistung, auf die der 90
Arbeitnehmer einen Anspruch hat, zu widerrufen. Der Widerrufsvorbehalt betrifft vor
allem Zulagen. Das BAG war anfänglich eher großzügig, misst aber seit Geltung der
§§ 305 ff. BGB im Arbeitsrecht die Klausel an § 308 Nr. 4 BGB. Danach ist die Vereinba-
rung eines Rechts des Klauselverwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder
von ihr abzuweichen, unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder
Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen
Vertragsteil zumutbar ist. Das BAG68 hat dafür die folgenden Grundsätze aufgestellt:

64 BAG, 14.9.2011 – 10 AZR 526/10 –.


65 Preis, Arbeitsvertrag, 5. Aufl. (2015) II S 40 Rn 14.
66 BAG, 12.4.2011 – 1 AZR 412/09 –.
67 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.
68 BAG, 20.4.2011 – 5 AZR 191/10 –.

Rolf/Riechwald
118 Kapitel 4 Vergütung

– Der Widerruf darf nicht grundlos erfolgen, sondern muss als Instrument der
Anpassung bei unsicheren Verhältnissen notwendig sein.
– Es muss zumindest die Richtung angegeben sein, aus der der Widerruf möglich
sein soll (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten).

91 Bei gegenseitigen (synallagmatische) Gehaltsbestandteilen (also im Wesentlichen der


eigentlichen Vergütung) gilt außerdem eine 25 % Grenze, damit der Arbeitgeber über
den Widerrufsvorbehalt nicht in den Kernbestand der Vergütung eingreifen kann.69
92 Für außerhalb des Gegenseitigkeitsverhältnisses stehende Vergütungsbestand-
teile liegt die Grenze bei 30 %.70 Die Ausübung des Widerrufsvorbehaltes unterliegt
schließlich einer Ermessenskontrolle nach § 315 BGB.
93 Alternativen: Bewertet man den Widerrufsvorbehalt vor diesem Hintergrund,
liegt mit Ausnahme von Sonderfällen71 ein eher untaugliches Flexibilisierungsinstru-
ment vor. Zulagen sollten besser an eine bestimmte Tätigkeit oder Funktion geknüpft
werden, so dass sie automatisch entfallen. In Betracht kommt außerdem, bestimmte
Leistungen nur befristet zu vereinbaren.
94 Gewährt der Arbeitgeber eine Leistung, behält er sich aber die Höhe vor, liegt
ein Änderungsvorbehalt vor, der nicht an § 308 Nr. 4 BGB gemessen wird.72 Das BAG
ordnet diese Vorbehalte vielmehr als einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein,
die nur der Ausübungskontrolle nach § 315 BGB unterliegen. Diese Klauseln halten
auch dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) stand, solange sie nicht das im
Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Entgelt betreffen. Zumindest bei Mitarbeitern
mit höherer Vergütung (vor allem im Bonusbereich) ist die Regelung einer variablen
Vergütung nach billigem Ermessen wohl der derzeit beste Weg zur Flexibilisierung.

6. Bindungsklausel
95 Mit der Bindungsklausel behält sich der Arbeitgeber vor, eine bereits gewährte Son-
derzahlung zurückzuverlangen, wenn der Arbeitnehmer von sich aus das Arbeitsver-
hältnis kündigt. Die Zulässigkeit solcher Bindungsklauseln ist nicht abschließend
geklärt. Das BAG hat in der Entscheidung vom 18.1.201273 eine Klausel folgenden
Inhalts gebilligt:

Beispiele
Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist
sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener Kündigung oder aufgrund außerordent-

69 BAG, 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 –.


70 BAG, 11.10.2006 – 5 AZR 721/05 –.
71 Dazu Rn 55 Widerruf der Dienstwagenüberlassung bei Freistellung.
72 BAG, 16.1.2013 – 10 AZR 26/12 –.
73 BAG, 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 –.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 119

licher, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung des Arbeitgebers vor dem 31.3. des
auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation eine Monatsvergütung
erreicht, bis zum 31.3. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres oder, sofern die Gratifikation
eine Monatsvergütung übersteigt, vor dem 30.6. des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres
ausscheidet. Dies gilt nicht, wenn die Gratifikation den Betrag von 100,00 € nicht übersteigt.

Diese Klauselgestaltung stellt einen in der BAG-Rechtsprechung langjährig entwi- 96


ckelten Kompromiss dar zwischen dem Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer
durch die Zahlung zu halten, und dem Interesse des Arbeitnehmers, nicht an den
Arbeitgeber gebunden zu sein (Stichwort: „Goldene Fessel“). Die hier in dieser Klausel
wiedergegebene Staffelung entspricht auch der BAG-Rechtsprechung, wonach bei
Zahlung bis 100,00 € keine Rückzahlung erfolgen kann, ab 100,00 € bis zur Höhe
eines Bruttomonatsgehaltes darf der Arbeitgeber die Rückzahlung verlangen, wenn
der Arbeitnehmer nur bis zum 31.3. des Folgejahres bleibt, bei Zahlung bis zu zwei
Bruttomonatsgehältern darf die Bindung bis zum 30.6. des Folgejahres reichen. Bei
höheren Zahlungen hält das BAG auch höhere Bindungsdauer für zulässig.74

Praxistipp
Das BAG hat aber bisher nicht entschieden, ob hier dieselben Grundsätze wie bei den Stichtags-
klauseln gelten. Vor dem Hintergrund, dass das BAG die Auffassung vertritt, dass dem Arbeitnehmer
der Lohn für die geleistete Arbeit nicht mehr entzogen werden kann, wäre es eigentlich konsequent,
die Rückzahlungsklausel auch nur auf solche Leistungen zu erstrecken, die ausschließlich die Be-
triebstreue honorieren und nicht auch zugleich die erbrachte Arbeitsleistung.

7. S
 tichtagsregelung
Bei einer Stichtagsklausel kommt die Sonderzahlung nur zur Auszahlung, wenn das 97
Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt im ungekündigten Zustand besteht.
Das BAG misst diese Klauseln ohne Weiteres am Maßstab, dass die bereits erbrachte
Arbeitsleistung nicht mehr entzogen werden kann:

„Eine Sonderzahlung, die (auch) Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann
nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt innerhalb oder
außerhalb des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde. Bei
unterjährigem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ergibt sich zum Fälligkeitszeitpunkt ein zeit-
anteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung.“75

Diese Grundsätze dürften auch dann gelten, wenn die Klausel nicht in einem Stan- 98
dardvertrag, der den § 305 ff. BGB unterliegt, vereinbart wird, sondern als Einzelver-
einbarung. Denn das BAG stützt sich im Grundsatz darauf, dass § 611 BGB verletzt

74 BAG, 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 –.


75 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –.

Rolf/Riechwald
120 Kapitel 4 Vergütung

wäre, wenn die bereits erdiente Vergütung wieder entzogen werden könnte.76 Die
Stichtagsklausel kommt daher nur dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber mit der
Zahlung ausschließlich die Betriebstreue honoriert.77

Beispiele
Besteht das Arbeitsverhältnis am 31.12. des jeweiligen Jahres ungekündigt, erhält der Mitarbeiter
eine Treueprämie in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Die Prämie soll ausschließlich die künftige
Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren.

Beispiele78 Retention Payment


Wir freuen uns, dass wir Ihnen jeweils zum 31.1. einen einmaligen Betrag in Höhe von [●] € brutto
zusagen können. Die Auszahlung des jeweiligen Betrages setzt voraus, dass Sie zu dem jeweiligen
Zeitpunkt Ihr Arbeitsverhältnis nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der je-
weils nächsten Gehaltsabrechnung. Wir bestätigen Ihnen, dass die zugesagten Retention-Zahlungen
zu 100 % auch im Falle einer einseitigen Kündigung durch Ihren Arbeitgeber oder durch eine vom
Arbeitgeber veranlasste Auflösung Ihres Arbeitsvertrages ausbezahlt wird. Die Auszahlung findet in
diesem Fall mit Wirksamwerden der Kündigung bzw. des Auflösungsvertrages statt. Regelungsab-
sprachen für einen Auflösungsvertrag bleiben davon unberührt.

99 Bei der Gestaltung von Stichtagsklauseln stellt sich weiter die Frage, ob man die Klau-
seln nach der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterscheiden muss. In der
Literatur79 wird verschiedentlich gefordert, dass der Stichtagsvorbehalt die Leistung
dann nicht ausschließen sollte, wenn die Kündigung nicht aus der Sphäre des Arbeit-
nehmers (ordentliche Eigenkündigung, verhaltensbedingte oder fristlose Kündigung
des Arbeitgebers) herrührt, sondern ausschließlich vom Arbeitgeber veranlasst ist,
wie es im Hauptfall der betriebsbedingten Kündigung der Fall ist. Das BAG80 fordert
dies jedoch nicht und hat auch eine Klausel für wirksam gehalten, die schlicht auf ein
„ungekündigtes“ Arbeitsverhältnis abstellt. Das BAG81 ging zuvor davon aus, dass die
Klausel, die auf ein „ungekündigtes Arbeitsverhältnis“ abstellt, nicht im Wege einer
geltungserhaltenden Reduktion aufrechterhalten werden kann, so dass die Klausel
lediglich den Bestand des Arbeitsverhältnisses verlangt82. Diese Frage dürfe sich aber
erledigt haben, weil das BAG inzwischen davon ausgeht, dass Zahlungen, welche die
Arbeitsleistung zumindest mit abgelten sollen, überhaupt nicht von einem Stichtag
abhängen können und umgekehrt, die Stichtagsklausel bei Treueprämien auch dann
zulässig ist, wenn sie auf den ungekündigten Bestand abstellt.

76 BAG, 14.11.2012 – 10 AZR 783/11 –.


77 LAG Hessen, 12.9.2014 – 7 Sa 518/13 –.
78 BAG, 14.11.2012 – 10 AZR 3/12 –.
79 Preis, Der Arbeitsvertrag II, S 40 Rn 52a.
80 BAG, 18.1.2012 – 10 AZR 667/10 –.
81 BAG, 13.11.2013 – 10 AZR 848/12.
82 Dazu auch oben, Kapitel F., Rn 112.

Rolf/Riechwald
B. Einzelne Vergütungsarten 121

Praxistipp
Wenn der Zweck nicht genannt wird, gilt zu Lasten des Arbeitgebers (§ 305a Abs. 2 BGB), dass die
Zahlung Entgeltcharakter hat. Die Stichtagsklausel ist dann nicht wirksam. Dringend abzuraten ist da-
von, bei Mischzahlungen, also solchen Zahlungen, die teilweise die Betriebstreue und teilweise die
erbrachte Arbeitsleistung honorieren, eine Stichtagsklausel aufzunehmen. Aus Gründen der Transpa-
renz muss für den Arbeitnehmer erkennbar werden, welcher Teil der Zahlung für was (Betriebstreue/
Arbeitsleistung) gezahlt wird. Die Stichtagsklausel kann dann nur denjenigen Teil der Zahlung betref-
fen, der ausschließlich für die Betriebstreue gezahlt wurde. In diesem Fall ist es besser, die Zahlung
auch bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages zu trennen und den Anteil für die Honorierung der Be-
triebstreue als eigenständige Sonderzahlung zu formulieren.

8. Ermessensregelungen (§ 315 BGB)


Statt den „herkömmlichen“ Flexibilisierungsinstrumenten in Form der Freiwillig- 100
keits- oder Widerrufsvorbehalte kann der Arbeitgeber auf § 315 BGB zurückgreifen und
eine bestimmte Leistung nach billigem Ermessen treffen. Nach § 315 Abs. 3 BGB kann
die Bestimmung durch Urteil ersetzt werden, wenn sie nicht der Billigkeit entspricht.
Das BAG hält die Vereinbarung solcher Ermessensregelungen in weitem Umfang für
zulässig. In der Entscheidung vom 16.1.201383 hat das BAG diese Klausel mit folgen-
dem Wortlaut gebilligt:

„Vielmehr sieht das Gesetz selbst einseitige Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht
davon aus, dass vertragliche Regelungen diesen Inhalts einem berechtigten Bedürfnis des Wirt-
schaftslebens entsprechen können und nicht von vornherein unangemessen sind. Das Gesetz
ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem
Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich über-
prüfen und gegebenenfalls durch Urteil treffen lassen kann. Gegen die mit dem einseitigen Bestim-
mungsrecht etwa verbundene Gefährdung des Gläubigers hat der Gesetzgeber also Vorkehrungen
getroffen.“

Die Leistungsbestimmung entspricht dabei dem billigem Ermessen, wenn die wesent- 101
lichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemes-
sen berücksichtigt worden sind.84 Maßgeblich sind Verhältnisse im Zeitpunkt der
Entscheidung des Arbeitgebers. Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte können
vertraglich zwar festgehalten werden (etwa die Ertragslage des Unternehmens und
die Leistung des Mitarbeiters), allerdings ist dies nicht zwingend erforderlich. Trifft
der Arbeitgeber eine Leistungsbestimmung „auf null“, muss er allerdings darlegen,
dass besondere Umstände vorlagen, die eine Zahlung trotz Leistung des Mitarbeiters

83 BAG, 16.1.2013 – 10 AZR 26/12 –.


84 BAG, 12.10.2011 – 10 AZR 746/10 –.

Rolf/Riechwald
122 Kapitel 4 Vergütung

nicht rechtfertigen.85 Dies kann etwa bei einem drastischen Gewinneinbruch der Fall
sein.86
102 Im Rahmen einer Ermessensregelung ist weiter zulässig, eine unverbindliche vor-
läufige Bestimmung zu treffen (mit dem Vorbehalt der Nachprüfung). Der Mitarbeiter
kann sich darauf dann nicht verlassen. Nach Ansicht des BAG87 handelt es sich dabei
ebenfalls um einen Fall von § 315 BGB. Der Fall betraf die folgende Gestaltung:

Beispiele
Ihr Bonus für das Geschäftsjahr X wird mit 10.000,00 € brutto vorläufig festgesetzt. Die vorläufige
Festsetzung steht unter dem Vorbehalt der Feststellung des Jahresabschlusses. Sollte sich die wirt-
schaftliche Situation der Gesellschaft danach im Vergleich zur derzeitigen prognostizierten Ergeb-
nissituation wesentlich verschlechtern, behalten wir uns vor, die Höhe des Bonus zu überprüfen und
ggf. zu verringern.

103 Bindung besteht bei solchen Vorbehalten dahin, dass der Arbeitgeber von der vor-
läufig festgesetzten Bonushöhe nur aus den im Vorbehalt genannten Gründen abwei-
chen kann.
104 Kommt es zu einem Streit über die Ausübung des Ermessens gelten die folgenden
„Spielregeln“: Der Arbeitgeber muss zunächst eine Leistungsbestimmung treffen. Der
Mitarbeiter kann dann gerichtlich kontrollieren lassen, ob die Leistungsbestimmung
dem billigen Ermessen entspricht. Das Gericht kann ggf. den Bonus dann auch selbst
festsetzen.88 Es gilt das Prinzip der abgestuften Darlegungslast: Der Arbeitgeber muss
die Richtigkeit der Beurteilung und des Ermessens darlegen. Der Arbeitnehmer muss
dann die Beurteilung oder zumindest Teile davon substantiiert bestreiten, was dazu
führt, dass der Arbeitgeber dann beweisen muss, dass eine Ermessenentscheidung
zutreffend ist und die Ermessensgrenzen einhält. Die Anforderungen an das Bestrei-
ten durch den Arbeitnehmer steigen, wenn die Arbeitgeberbeurteilung auf einer vom
Arbeitnehmer gegebenen Selbsteinschätzung basiert.

9. Kürzung von Sonderzahlungen


a) Ruhendes Arbeitsverhältnis
105 Das LAG Saarland89 „hält es für zulässig, ausdrückliche Kürzungsabreden für Zeiten
des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufzunehmen, wenn dem nicht zwingende
gesetzliche oder tarifliche Bestimmungen entgegenstehen“. Eine solche Grenze
besteht allerdings bei Kürzungen, die solche Zeiträume erfassen sollen, in denen

85 BAG, 13.5.2015 – 10 AZR 266/14 –; BAG, 19.3.2014 – 10 AZR 622/13 –.


86 LAG Baden-Württemberg, 14.1.2013 – 1 Sa 27/12 –.
87 BAG, 12.10.2011 – 10 AZR 746/10 –.
88 BAG, 19.3.2014 – 10 AZR 622/13 –.
89 LAG Saarland, 22.4.2015 – 2 Sa 103/14 –.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 123

gesetzliche Weiterzahlungspflichten bestehen (§ 6 EFZG, §§ 3, 6 MuSchG). Zulässig ist


aber der Wegfall für Zeiten der Elternzeit.

Achtung
Bei Zahlungen, die auch die Betriebstreue honorieren, muss die Kürzung ausdrücklich vereinbart wer-
den.

b) Sonderfall: Kürzung bei Krankheit § 4a EFZG


Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich 106
zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch für Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahres-
durchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.
Bei Leistungen, die zusätzlich zum laufenden Entgelt gezahlt werden, kommt es 107
auf die Einordnung an. Das BAG90 unterscheidet wie folgt:

„Ergibt die Auslegung des Arbeitsvertrags, dass es sich bei dem 13. Monatsgehalt um einen Vergü-
tungsbestandteil handelt, der Teil der Gegenleistung für die Tätigkeit des Arbeitnehmers, also in
das vertragliche Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung (§ 611 BGB) eingebunden
ist und mit dem kein weitergehender Zweck verfolgt wird, so entsteht kein Anspruch auf das 13.
Monatsgehalt für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in denen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall i. S. von § 3 EFZG besteht.“

Daraus ergeben sich folgende Regeln: 108


– Wenn die Leistung Teil des Arbeitsentgeltes ist, fällt sie nach Ablauf der Entgelt-
fortzahlung automatisch weg.
– Wenn die Leistung Sondervergütung im Sinne des § 4a EFZG ist, bedarf es einer
Kürzungsvereinbarung.

C. R
 egulierte Vergütung

An sich gilt, dass die Vergütung, vorbehaltlich der tariflichen Vergütung, im Arbeits- 109
vertrag frei vereinbar ist.91 Auch die §§ 305 ff. BGB lassen eine Kontrolle der eigentli-
chen Vergütungsabrede mit Ausnahme des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 2 S. 1 BGB)
nicht zu. Die Vergütung braucht nicht angemessen zu sein. Davon existieren Ausnah-
men, die auch die Höhe der Vergütung kontrollierbar machen. Man spricht von regu-
lierter Vergütung. Regulierte Vergütung lässt sich wie folgt aufteilen:

90 BAG, 21.3.2001 – 10 AZR 28/00 –.


91 Dazu Kapitel 2 Rn 95 f.

Rolf/Riechwald
124 Kapitel 4 Vergütung

– Absolute Regulierung: Die absolute Regulierung bedeutet, dass die Vergütung


eine bestimmte Höhe nicht unter- oder überschreiten darf. Hierzu zählen etwa
der gesetzliche Mindestlohn und allgemeinverbindliche Lohntarifverträge.
– Relative Regulierung: Relativ regulierte Vergütung heißt, dass eine Vergütungs-
abrede nur in bestimmten Situationen rechtswidrig ist; zu nennen sind hier vor
allem Bestimmungen zur regulierten Vergütung bei Aktiengesellschaften (Ver-
hältnis variable Vergütung zur Fixvergütung), hierzu zählt auch die Kontrolle der
Vergütung über § 138 BGB.

I. Mindestlöhne und § 138 BGB

1. Allgemeines
110 Seit dem 1.1.2015 gilt in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn in der Höhe von
8,50 € pro Zeitstunde.92 Die Einführung erfolgte aufgrund Art. 1 des Tarifautonomie-
stärkungsgesetzes vom 11.8.2014 (BGBl I S. 1348), welches das Mindestlohngesetz
(MiLoG) in Kraft gesetzt hat. Das Bundesarbeitsministerium geht davon aus, dass
3.700.000 Arbeitsverhältnisse davon betroffen sind.

2. Anwendungsbereich
111 Der gesetzliche Mindestlohn gilt für alle in Deutschland tätigen Arbeitnehmer über
18 Jahre, unabhängig davon, ob sie Inländer sind oder aus dem Ausland kommen
und unabhängig davon, ob sie bei einem in- oder einem ausländischen Unternehmen
beschäftigt sind. Nicht unter den Anwendungsbereich fallen damit arbeitnehmerähn-
liche Personen93 wie auch Heimarbeiter. Weiter bestimmt § 22 MiLoG, dass Personen,
die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind sowie ehrenamtlich tätige (§ 22 Abs. 3)
und Personen unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung (§ 22 Abs. 2)
nicht in den Anwendungsbereich fallen. Für Praktikanten ist es komplexer. Prakti-
kanten im Sinne des § 26 des BBiG gelten als Arbeitnehmer, es sei denn, dass sie ein
in ihrer Ausbildung verpflichtendes Praktikum leisten, ein Praktikum von bis zu drei
Monaten zur Orientierung für eine Berufsausbildung oder für die Aufnahme eines Stu-
diums leisten, ein Praktikum von bis zu drei Monaten begleitend zu einer Berufs- oder
Hochschulausbildung leisten, wenn nicht zuvor ein solches Praktikumsverhältnis mit
demselben Ausbildenden bestanden hat, oder an einer Einstiegsqualifizierung (§ 54a
SGB III) oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung (§§ 68 bis 70 BBiG) teilnehmen.

92 Eine erste Erhöhung kann frühestens zum 1.1.2017 erfolgen. Erforderlich ist, dass auf Vorschlag
der Mindestlohnkommission (§ 9 Abs. 1 MiLoG) die Bundesregierung eine entsprechende Rechtsver-
ordnung erlässt ( § 11 Abs. 1 MiLoG).
93 ErfK/Franzen, § 22 MiLOG, Rn 1.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 125

Eine weitere Ausnahme gibt es für Langzeitarbeitslose (ein Jahr oder länger ununter-
brochen arbeitslos), für welche der Mindestlohn in den ersten sechs Monaten einer
Beschäftigung (§ 22 Abs. 4 MiLoG) nicht anwendbar ist.94

Praxistipp
Der deutsche Mindestlohn gilt auch für im Ausland angestellte Arbeitnehmer dann, wenn diese in
Deutschland arbeiten, unabhängig davon, ob nach Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO95 an sich das Recht des
Staates, in dem sie angestellt sind, gelten würde. Denn das MiLoG ist eine zwingende Eingriffsnorm
nach Art. 9 Abs. 1 Rom-I-VO. Das bedeutet, dass der Mindestlohn auch für Arbeitnehmer gilt, die im
Rahmen ihres ausländischen Arbeitsverhältnisses (zeitweise) in Deutschland tätig sind wie z. B.
LKW-Fahrer oder Binnenschiffer. Hier ist zu beachten, dass sich der Mindestlohn auf 8,50 € brutto
beläuft, aber nicht zwingend auf die deutschen Sozialversicherungsbeiträge abstellt. Unseres Erach-
tens bedeutet das, dass in Ländern mit einem niedrigeren Satz an Sozialversicherungsbeiträgen, der
„Netto“-Mindestlohn ggf. höher liegt als ein vergleichbarer eines deutschen Arbeitnehmers.

3. A
 rbeitszeit
Der Mindestlohn muss pro Zeitstunde bezahlt werden. Das MiLoG stellt hier keine 112
eigene Definition auf, sondern verlässt sich auf die bislang anerkannten Kategorien
zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit, d. h. der Mindestlohn muss für jede Stunde
bezahlt werden, die nach derzeitigen Kriterien auch vergütet werden muss. Maß-
geblich sind insoweit der Arbeitsvertrag, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und
gesetzliche Regelungen.

Praxistipp
Das bedeutet, dass insbesondere Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaften, wenn sich der Ar-
beitnehmer also an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um im Bedarfsfalle die
Arbeit aufzunehmen, Arbeitszeit auch im Sinne des MiLoG sind und daher nicht mehr mit weniger als
8,50 € brutto vergütet werden dürfen.96

Nicht unter den Mindestlohn fällt hingegen die Rufbereitschaft, wenn der Arbeitneh- 113
mer also frei ist, wo er sich aufhält und lediglich jederzeit erreichbar sein muss, um
auf Abruf des Arbeitgebers die Arbeit alsbald aufnehmen zu können.

4. Zulagen und Zuschläge


Das MiLoG macht keine weiteren Angaben dazu, welche Bestandteile auf den Min- 114
destlohn angerechnet werden dürfen und welche nicht. Zurückgegriffen wird

94 Weitere Ausnahmen: Zeitungszusteller. Eine Übergangsregelung für verbindliche Tarifverträge.


95 Dazu Kapitel 9 Rn 49 ff.
96 So auch für das Mindestentgelt in der Pflegebranche, BAG, Urt. v. 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12 –.

Rolf/Riechwald
126 Kapitel 4 Vergütung

demnach auf die bislang ergangene Rechtsprechung des EuGH zur AN-Entsende-RL
96/71/EG.97 Zulagen und Zuschläge dürfen auf den Mindestlohn angerechnet werden,
wenn sie das Verhältnis zwischen der Leistung des Arbeitnehmers auf der einen und
der Gegenleistung, die er dafür erhält, auf der anderen Seite nicht verändern.98
115 Nicht darunter jedenfalls fallen Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachts-
geld, auch eine „Streichung“ dieser Prämien und Umwidmung in Lohn ist durch eine
Änderungskündigung nicht möglich, solange jedenfalls nicht andernfalls der Fort-
bestand des Betriebs mit den vorhandenen Arbeitsplätzen gefährdet ist.99 Nach der
Rechtsprechung des BAG muss der Zweck der Leistung des Arbeitgebers mit dem
Zweck des Mindestlohns funktionell gleichwertig sein.100

Praxistipp
Es empfiehlt sich derzeit hier die von der Zollbehörde, welche für die Kontrolle der Einhaltung des
MiLoG zuständig ist, herausgegebene Beispielliste von anrechnungsfähigen und nicht-anrechnungs-
fähigen Zulagen und Zuschlägen zu beachten.

116 Anrechnungsfähige Zulagen und Zuschläge sind:


– Zulagen und Zuschläge, mit denen lediglich die regelmäßig und dauerhaft ver-
traglich geschuldete Arbeitsleistung vergütet wird (z. B. Bauzulage für alle auf
einer Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer).
– Zulagen, die im Arbeitsvertrag eines aus dem Ausland entsandten Arbeitnehmers
als Differenz zwischen dem in seinem Herkunftsstaat und dem im Aufnahmestaat
Deutschland geschuldeten Mindestlohn ausgewiesen sind.
– Zulagen, die in Ergänzung besonderer Entlohnungsmodelle, wie z. B. Stücklohn-
modelle, gezahlt werden, um im Ergebnis einen Stundenlohn von mindestens
8,50 € zu erzielen, ohne dass der Arbeitnehmer hierzu eine über die „Normalleis-
tung“ hinausgehende Leistung erbringen muss.
– Einmalzahlungen (z. B. Weihnachts-/Urlaubsgeld): Sie sind anrechnungsfähig
nur für den Fälligkeitszeitraum (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MiLoG), in dem diese (ggf.
auch anteilig) gezahlt werden und auch nur unter der weiteren Voraussetzung,
dass der Arbeitnehmer sie tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält. Eine
einmalige jährliche Zahlung von Weihnachtsgeld im Dezember eines Jahres kann
also nur auf den Mindestlohn im November angerechnet werden, da die Fälligkei-
ten der Mindestlohnzahlungen von Januar bis Oktober bereits abgelaufen sind.
– Zulagen und Zuschläge, mit denen das Verhältnis von Leistung und Gegenleis-
tung nicht berührt wird, wie z. B. Betriebstreuezulagen, Kinderzulagen.

97 ErfK/Franzen, § 1 MiLoG, Rn 11.


98 EuGH, 14.4.2005 – C 341/02 –; 7.11.2013 – C-522/12 –.
99 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.8.2015 – 19 Sa 819/15 –.
100 BAG, 18.4.2012 – 4 AZR 139/10 –.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 127

Nicht anrechnungsfähige Zulagen und Zuschläge, deren Zahlung Folgendes voraus- 117
setzt, sind:
– mehr Arbeit pro Zeiteinheit (Akkordprämien),
– überdurchschnittliche qualitative Arbeitsergebnisse (Qualitätsprämien),
– Arbeit zu besonderen Zeiten (z. B. Überstunden, Sonn-, Feiertags- oder Nachtar-
beit),
– Arbeit unter erschwerten oder gefährlichen Bedingungen (z. B. Schmutzzulagen,
Gefahrenzulagen),
– alle sonstigen Zulagen und Zuschläge, die eine vertraglich nicht geschuldete
Zusatzleistung ausgleichen,
– Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung und sonstige vermögenswirksame
Leistungen,
– Aufwandsentschädigungen,
– dementsprechend auch (im Recht ausländischer Staaten oft vorgesehene) Ent-
sendezulagen, soweit sie der Erstattung bei dem entsandten Arbeitnehmer tat-
sächlich angefallener Entsendungskosten (z. B. Unterkunft, Verpflegung, Reise-
kosten) dienen.

5. Sachleistungen
Sachleistungen dürfen grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, 118
da es sich aufgrund des zwingenden Charakters der §§ 1 und 20 MiLoG um Geldleis-
tungen handeln muss. Daher ist die Entlohnung durch Sachleistungen eigentlich
grundsätzlich nicht möglich. Auch Trinkgelder fallen nicht unter den Mindestlohn,
da diese nach § 107 Abs. 3 GewO gerade zusätzlich zu dem Lohn gezahlt werden. Eine
Ausnahme von diesem Grundsatz besteht ausschließlich für die Anrechenbarkeit
von Kost und Logis für Saisonarbeiter nach § 107 Abs. 2 GewO. Saisonarbeitnehmer
sind Arbeitnehmer, die befristet bei einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber
angestellt sind und Tätigkeiten ausüben, die aufgrund eines immer wiederkehren-
den saisonbedingten Ereignisses oder einer immer wiederkehrenden Abfolge sai-
sonbedingter Ereignisse an eine Jahreszeit gebunden sind, während der Bedarf an
Arbeitskräften den für gewöhnlich durchgeführte Tätigkeiten erforderlichen Bedarf
in erheblichem Maße übersteigt. Eine Anrechnung kann jedoch auch hier nicht auto-
matisch, d. h. einseitig durch den Arbeitgeber erfolgen, es bedarf einer Vereinbarung
mit dem Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Höhe der anrechenbaren Leistungen gibt es
zwei Grenzen.
Die Anrechnung der Sachleistungen darf in allen Fällen die Höhe des pfändba- 119
ren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen (§ 107 Abs. 2 S. 5 GewO, Pfändungsfrei-
grenze); dabei wird der für eine ledige, nicht unterhaltspflichtige Person maßgebliche
Betrag zugrunde gelegt.
Hinsichtlich einzelner Leistungen gelten neben dieser Grenze zusätzlich folgende 120
Höchstgrenzen:

Rolf/Riechwald
128 Kapitel 4 Vergütung

– Die Anrechnung vom Arbeitgeber gewährter Verpflegungsleistungen darf den


Betrag von monatlich 229,00 € nicht überschreiten. Dieser Wert setzt sich zusam-
men aus dem Wert für Frühstück 49,00 €, Mittagessen 90,00 € und Abendessen
90,00 €.
– Die Anrechnung einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten Unterkunft ist – bis
zur Höhe von monatlich 223,00 € – zulässig.

6. Anderslautende Vereinbarungen
121 Der Mindestlohn ist unabdingbar und daher sind Vereinbarungen, die den Anspruch
auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder aus-
schließen, insoweit unwirksam, § 3 MiLoG. Somit soll sowohl die Entstehung des
Anspruchs auf den Mindestlohn als auch dessen Durchsetzbarkeit gesichert werden.
Diese Unabdingbarkeit ist auch nicht tarifdispositiv, kann also auch in Tarifverträgen
nicht anders vereinbart werden.101 Insoweit soll der Schutz des Mindestlohns umfas-
send zu verstehen sein, so dass alle Regelungen, die den Anspruch auf Mindestlohn
unterschreiten, die Geltendmachung beschränken oder ausschließen, wegen Versto-
ßes nach § 134 BGB nichtig sind. Ansonsten bleibt die arbeitsvertragliche Abrede aber
bestehen.102
122 Welcher Lohn gelten soll, wenn die Lohnabrede wegen Verstoßes gegen § 3 MiLoG
gelten soll, ist noch streitig. Richtigerweise dürfte in diesem Fall schlicht der Mindest-
lohn in Höhe von 8,50 € brutto geschuldet sein.103

7. Sittenwidrigkeit des Lohns


123 Schon bislang bestand eine Untergrenze, wenn ein Lohn so niedrig war, dass er als
„sittenwidrig“ und damit nach § 138 BGB als nichtig anzusehen war. Die Gerichte
haben bislang einen sittenwidrigen Lohn dann angenommen, wenn dieser weniger
als zwei Drittel des einschlägigen Tariflohns beträgt.104
124 Fraglich ist nun, ob dies neben dem gesetzlichen Mindestlohn noch gelten kann,
ob also noch ein auffälliges Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Arbeitsent-
gelt bestehen kann, wenn jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird. Für die
Praxis dürfte sich dies aber als Scheinproblem herausstellen. In Branchen, in denen
der Tariflohn so weit über dem Mindestlohn liegt, dass hier noch ein solches Missver-

101 Düwell/Schubert/Trümner, MiLoG, § 3 Rn 1.


102 Düwell/Schubert/Trümner, MiLoG, § 3 Rn 11.
103 BeckOK-ArbR/Hilgenstock, § 3 MiLoG, Rn 3; andere Ansicht Trümner in Düwell/Schubert/Trüm-
ner, MiLoG, § 3 Rn 17, der in diesem Fall die übliche Vergütung geschuldet haben will.
104 BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08 –.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 129

hältnis angenommen werden kann, werden sich kaum Arbeitnehmer finden, welche
bereit sind, zu einem solch niedrigen Lohn zu arbeiten bzw. werden ggf. durch Beitritt
in eine Gewerkschaft eine Tarifbindung herstellen können und somit ohnehin mehr
als einen sittenwidrigen Lohn verdienen.

8. Mindestlohn außerhalb des Mindestlohngesetzes


Daneben bestehen auch andere gesetzliche Regelungen, welche bereits vor der Ein- 125
führung des gesetzlichen Mindestlohns einen Mindestlohn vorgesehen haben. Diese
haben sicherlich durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns an praktischer
Relevanz verloren, allerdings gelten sie immer noch und stehen, soweit der dort gere-
gelt Mindestlohn über 8,50 € pro Stunde liegt, auch noch über diesem. Die älteste
Regelung findet sich dabei in § 5 TVG, wonach Tarifverträge vom Bundesministerium
für Arbeit und Soziales für die gesamte Branche als allgemeinverbindlich erklärt
werden können. Dann sind auch die dort geregelten Vergütungshöhen allgemeinver-
bindlich.105
Außerdem sieht das AEntG die Möglichkeit für Mindestlöhne vor. Auch hier geht 126
dies im Wesentlichen über den Umweg der allgemeinverbindlichen Erklärung eines
Tarifvertrags durch das BMAS. War diese Möglichkeit zunächst nur auf bestimmte
Branchen beschränkt, wurde vor kurzem dies für alle Branchen eröffnet. Eine Beson-
derheit gibt es außerdem für die Pflegebranche in §§ 10 ff. AEntG, da hier sehr viele
Arbeitnehmer bei den beiden großen Kirchen beschäftigt sind, die keine Tarifverträge
abschließen. Hier kann eine paritätische Mindestlohnkommission mit drei Vierteln
ihrer Mitglieder einen Vorschlag für Mindestarbeitsbedingungen beschließen.

II. Aktiengesellschaften und Finanzindustrie

1. Allgemein
Im Wesentlichen durch die Finanzmarktkrise in den letzten Jahren befeuert, hat der 127
europäische und der deutsche Gesetzgeber für bestimmte Gruppen von Geschäfts-
leitern und Mitarbeitern Regulierungen der Vergütung eingeführt bzw. konkretisiert.
Dies betrifft insbesondere den Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistung
sowie Vorstände von (börsennotierten) Aktiengesellschaften. Hiermit soll exzessi-
ven Vergütungen, insbesondere über Boni und andere variable Vergütungssysteme,
welche einen Anreiz für besonders riskante und kurzfristig orientierte Handlungen
setzen, ein Riegel vorgeschoben werden. Hierbei finden sich Regeln für Aktiengesell-

105 Das BMAS veröffentlicht die aktuelle Liste der allgemeinverbindlichen Tarifverträge unter:
http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Tarifvertraege/allgemeinverbindliche-tarifvertraege.
html

Rolf/Riechwald
130 Kapitel 4 Vergütung

schaften (VorstAG, § 87 AktG), Empfehlungen für börsennotierte Aktiengesellschaf-


ten (Deutscher Corporate Governance Kodex) sowie zwingende Bestimmungen für die
Finanz- und Versicherungsbranche (§ 25a KWG und in § 64b VAG).

2. Vorstände von Aktiengesellschaften


a) VorstAG
128 Für Aktiengesellschaften hat insbesondere das VorstAG das Recht der Vorstandsver-
gütung revolutioniert.106 Hierbei hat sich der Gesetzgeber jedoch nicht nur auf bör-
sennotierte Gesellschaften konzentriert. Der Aufsichtsrat hat nun bei der Festsetzung
der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds, worunter neben dem Gehalt
auch Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Pro-
visionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte
und Nebenleistungen zählen, dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen
Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstands sowie zur Lage der Gesell-
schaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen,
§ 87 Abs. 1 S. 1 AktG. Eine tatsächliche Begrenzung der Vergütung auf eine bestimmte
Summe oder absolute Grenze findet daher nicht statt. Die Üblichkeit ist dabei im Hori-
zontalverhältnis vor allem nach Marktstellung des Unternehmens (Branche, Größe)
zu beurteilen, und zwar in der Regel nur nach inländischem Maßstab.107
129 Neben den im Gesetz genannten Kriterien können weitere Kriterien für die Beur-
teilung der Angemessenheit herangezogen werden. Dies sind die fachliche und per-
sönliche Qualifikation des Vorstandsmitglieds, die Berufserfahrung, das Alter, die
Reputation, die Dauer der Gesellschaftszugehörigkeit, die konkrete Verhandlungs-
position, der Dienstort und die mit der Übernahme des Vorstandsamts verbundenen
Chancen und Risiken.108
130 Bei börsennotierten Gesellschaften ist die Vergütungsstruktur auf eine nach-
haltige Unternehmensentwicklung auszurichten, § 87 Abs. 1 S. 2 AktG, daher sollen
variable Vergütungsbestandteile eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben, § 87
Abs. 1 S. 3 AktG. Die Nachhaltigkeit verlangt daher eine Orientierung am dauerhaf-
ten, periodenübergreifenden Erfolg im Gegensatz zu einer rein stichtagsbezogenen
Betrachtung einzelner Parameter.109
131 Die mehrjährige Betrachtungsweise bei variabler Vergütung setzt zwingend einen
Zeitraum von mindestens zwei Jahren voraus, empfehlenswerter sind aber Zeiträume
von drei oder vier Jahre, gerade auch in Anlehnung an die Wartezeit für die Ausübung
von Aktienoptionen (§ 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG).

106 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung, BGBl. I S. 2509.


107 Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn 3.
108 Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn 27.
109 Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn 11.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 131

§ 87 Abs. 2 AktG erleichtert nun dem Aufsichtsrat außerdem, die Vergütung auch 132
im Falle der Verschlechterung der Lage herabzusetzen. Das Gesetz gibt dem Aufsichts-
rat sogar eine Pflicht, indem herausgestellt wird, dass der Aufsichtsrat tätig werden
„soll“, § 87 Abs. 2 S. 1 AktG. Trotzdem bleibt die Herabsetzung eine Ausnahme und ist
daher restriktiv auszulegen.110
Hierbei geht die Absenkung bis auf eine angemessene Höhe der Vergütung. Auch 133
Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art können herab-
gesetzt werden, allerdings nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der
Gesellschaft, § 87 Abs. 2 S. 2 AktG. Der Anstellungsvertrag wird im Übrigen durch eine
solche Herabsetzung nicht berührt, allerdings erhält das Vorstandsmitglied in § 87
Abs. 2 S. 4 AktG ein Sonderkündigungsrecht.
Die Herabsetzung erfolgt durch eine einseitige Erklärung, die der Aufsichtsrat für 134
die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied abgibt. Es handelt sich dann um
ein einseitiges Gestaltungsrecht der Gesellschaft, dessen Ausübung durch Erklärung
gegenüber dem Vorstandsmitglied, § 315 Abs. 2 BGB, den Inhalt der Vergütungsver-
einbarung mit dem Vorstand unmittelbar ändert,111 d. h. der Anstellungsvertrag muss
ein solches Herabsetzungsrecht nicht ausdrücklich vorsehen bzw. dort bereits ange-
legt sein.
Bei Verstößen gegen § 87 AktG ist der Anstellungsvertrag nicht nach § 134 BGB 135
nichtig.112 Allerdings können sich die Aufsichtsratsmitglieder nach § 116 i. V. m. § 93
Abs. 3 AktG schadensersatzpflichtig machen, wenn sie die gesetzlichen Anforderun-
gen an die Angemessenheit und Strukturierung der Vergütung schuldhaft verletzen
und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht.113

b) Deutscher Corporate Governance Kodex


Flankiert werden diese Regelungen u. a. auch durch den Deutschen Corporate Gover- 136
nance Kodex.114 Dieser gilt nur für börsennotierte Aktiengesellschaften. Er ist eine
Empfehlung und keine gesetzlich zwingende Vorgabe. Der Kodex enthält dabei geset-
zeswiederholende Teile, aber auch konkretere Ausgestaltungen.
So bestimmt Nr. 4.2.2, dass das Aufsichtsratsplenum bzw. ein jeweiliger Aus- 137
schuss des Aufsichtsrats die jeweilige Gesamtvergütung der Vorstandsmitglieder fest-
legt und auch regelmäßig überprüft. Die Gesamtvergütung soll dabei unter Einbezie-
hung von etwaigen Konzernbezügen auf der Grundlage einer Leistungsbeurteilung
festgelegt werden, für welche die Aufgaben, die persönliche Leistung, die wirtschaft-

110 Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn 24.


111 Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn 52.
112 Hüffer/Koch, AktG, § 87 Rn 22 m. w. N.
113 Hölters/Weber, AktG, § 87 Rn 46.
114 Abrufbar unter http://www.dcgk.de

Rolf/Riechwald
132 Kapitel 4 Vergütung

liche Lage, der Erfolg und die Zukunftsaussichten des Unternehmens berücksichtigt
werden sollen. Daneben sollen aber auch die Üblichkeit der Vergütung unter Berück-
sichtigung des Vergleichsumfelds und der sonst in dem Unternehmen üblichen Ver-
gütungsstruktur von Bedeutung sein. Nr. 4.2.3 stellt klar, dass zu den Gesamtbezügen
neben monetären Vergütungsbestandteilen auch die Versorgungszusagen, sonstige
Zusagen (insbesondere versprochene Abfindungen) sowie Nebenleistungen als auch
Leistungen von Dritten zählen.
138 Außerdem wird auch hier der Grundsatz betont, dass die Vergütungsstruktur auf
eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist und demnach neben
fixen auch variable Bestandteile enthalten soll. Dem Aufsichtsrat wird aufgegeben,
dass die variable Vergütung dabei grundsätzlich eine mehrjährige Bemessungsgrund-
lage haben soll und sowohl positive wie auch negative Entwicklungen berücksichtigt
werden sollen. Der Kodex gibt zwar keine betragsmäßige Höchstgrenze vor, die vari-
able Vergütung soll aber nicht uferlos sein, sondern einen Höchstbetrag ausweisen.
139 Weitere Höchstgrenzen – jedenfalls relativ im Hinblick auf die Gesamtvergü-
tung – sollen für Abfindungen (maximal zwei Jahresvergütungen bzw. nicht mehr
als die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags) sowie für sog. Change-of Control Rechte
(150 % des Abfindungs-Caps) eingehalten werden.

3. Finanz- und Versicherungsbranche


140 Daneben gibt es noch weitere besondere zwingende Regeln für die Finanz- und Ver-
sicherungsbranche. Die wesentlichen Bestimmungen zu der Regulierung der Ver-
gütung im Finanz- und Versicherungsbereich finden sich in § 25a KWG und in § 64b
VAG115 sowie in den dazugehörigen Verordnungen der InstV und der Versicherungs-
vergütungsverordnung.116 Die beiden Verordnungen sind dabei im Hinblick auf die
Regulierungen inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich. Nachfolgend gehen wir
hierbei auf die InstV ein.
141 Die InstV unterscheidet dabei nach § 1 Abs. 2 InstV zwischen Anforderungen, die
für alle Institute und alle Beschäftigten (Geschäftsleiter sowie Mitarbeiter) gelten und
den deutlich anspruchsvolleren besonderen Anforderungen, die nur für bedeutende
Institute und die Vergütungssysteme von deren Geschäftsleitern sowie bestimmten
Mitarbeitern (sog. Risk Taker) von Relevanz sind.117

115 Vorgaben der CRD-IV-Richtlinie (Richtlinie 2013/36/EG).


116 InstitutsVergV, BGBl. I 2013 S. 1374; VersVergV, BGBl. I 2013 S. 1379.
117 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 1.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 133

a) Anwendungsbereich
Die Bestimmungen gelten für alle Geschäftsleiter und Mitarbeiter von Instituten, 142
unabhängig vom jeweiligen Arbeitsvertragsstatut und damit sowohl für im Ausland
tätige Mitarbeiter deutscher Institute als auch für im Inland beschäftigte Arbeitneh-
mer ausländischer Institute (mit Ausnahme von ausländischen Instituten, die ihren
Sitz ebenfalls im Europäischen Wirtschaftsraum haben, da vermutet wird, dass dort
entsprechende Bestimmungen anwendbar sind).118
Persönlich ist die InstV anwendbar auf Geschäftsleiter sowie Mitarbeiter (§ 2 Abs. 6 143
InstV). Mitarbeiter sind dabei alle natürlichen Personen, deren sich das Institut bei
dem Betreiben von Bankgeschäften oder der Erbringung von Finanzdienstleistungen,
insbesondere aufgrund eines Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstleistungs-
vertrags, bedient sowie auch solche, die auf der Basis eines Outsourcing-Vertrages
mit einem gruppenangehörigen Auslagerungsunternehmen unmittelbar an Dienst-
leistungen für das Institut zum Zweck des Betreibens von Bankgeschäften oder der
Erbringung von Finanzdienstleistungen beteiligt sind. Ausdrücklich nicht unter den
Mitarbeiterbegriff fallen jedoch Handelsvertreter im Sinne von § 84 Abs. 1 HGB.
Der Kreis ist somit weit gezogen und dürfte die überwiegende Anzahl von Arbeit- 144
nehmern eines Instituts umfassen. So sollen auch Mitarbeiter in den bloßen Servi-
cebereichen (Recht, Finanzen einschließlich Steuern und Budgetierung, Personal,
Vergütungspolitik, Informationstechnologie oder Wirtschaftsanalysen) darunter
fallen.119 Eine Festanstellung ist nicht notwendig, so dass auch Zeitarbeitnehmer
betroffen sind.120
Aus dem Anwendungsbereich heraus fallen nach § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 6 KWG und 145
§ 1 Abs. 3 InstV Vergütungen, die durch einen Tarifvertrag geregelt werden oder die
im Geltungsbereich eines Tarifvertrags auf Grund einer arbeitsvertraglichen Bezug-
nahme auf die Tarifbedingungen gewährt werden oder die aufgrund eines Tarifver-
trags in einer Betriebsvereinbarung geregelt sind. Dabei sollte eine Öffnungsklausel
in einem Tarifvertrag ausreichend sein, eine genaue Regelung ist nicht erforderlich.121
Die über einen Tarifvertrag hinausgehende außertarifliche Vergütung fällt hingegen
in jedem Fall abermals unter die InstV.

b) Grundlagen – Anforderungen an die Vergütungsparameter


Die Vergütungssysteme müssen nach § 4 InstV auf die Erreichung der in den Geschäfts- 146
und Risikostrategien des Instituts niedergelegten Ziele ausgerichtet sein. Die Ziele

118 Annuß, NZA-Beilage 2014, 121, 122.


119 Annuß, NZA-Beilage 2014, 121, 123 unter Hinweis auf Art. 3 Nr. 9 VO Nr. 604/2014, ABl. EU L 176,
30.
120 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 2.
121 Annuß, NZA-Beilage 2014, 121, 122.

Rolf/Riechwald
134 Kapitel 4 Vergütung

der Geschäftsleiter und Mitarbeiter sind danach insbesondere aus der (mehrjährigen)
Geschäftsplanung und -strategie über die einzelnen Ebenen abzuleiten. Die Ausle-
gungshilfe verlangt, dass die Vergütungsparameter zu Beginn eines Bemessungszeit-
raums festgelegt sein müssen.122
147 Auch dürfen die Vergütungsparameter während des Geschäftsjahres nachträglich
nicht mehr geändert werden. Unterjährig veränderte Rahmenbedingungen können
allenfalls bei der Ermittlung der variablen Vergütung nach Abschluss des Geschäfts-
jahres berücksichtigt werden. Die Festsetzung der Vergütungsparameter und die
Ermittlung der Zielerreichung müssen transparent und nachvollziehbar sein, um die
Kontrolle der Ausrichtung der Vergütungssysteme an den Strategien, insbesondere
durch den Vergütungskontrollausschuss, zu gewährleisten.123
148 Für den Vertriebsbereich ist das Vergütungssystem dann nicht angemessen und
begünstigt das Entstehen operationeller Risiken, wenn unter Vernachlässigung qua-
litativer Kriterien wie Kundeninteresse und -zufriedenheit ausschließlich Absatzziele
in den Vordergrund der Zielerreichung gestellt werden. Absatzziele sind aber nicht
per se unzulässig, sie dürfen nur nicht ausschließlich im Vordergrund stehen.124

c) Festlegung eines Bonuspools


149 Nach § 7 S. 1 InstV muss der Jahresgesamtbetrag, den das Institut für Geschäftsleiter
und Mitarbeiter vorsieht, in einem formalisierten, transparenten und nachvollzieh-
baren Prozess bestimmt werden. Eine einheitliche Festsetzung des Bonuspools für
Geschäftsleiter und Mitarbeiter ist dabei in Deutschland nicht möglich, da für die Ver-
gütung der Geschäftsleiter (Vorstände und Geschäftsführer) die Gesellschafter (bzw.
Aufsichtsrat), für die Vergütung der Mitarbeiter aber die Geschäftsleiter zuständig
sind. Der Gesamt-Bonuspool kann nur die Summe dieser beiden Systeme sein.125
150 § 7 S. 2 InstV fordert, dass die Risikotragfähigkeit, mehrjährige Kapitalplanung
und die Ertragslage des Instituts berücksichtigt werden müssen und sichergestellt ist,
dass das Institut in der Lage bleibt, die Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen
sowie die kombinierten Kapitalpuffer-Anforderungen einzuhalten. Weiter wird von
§ 7 S. 2 InstV aber auch verlangt, dass der Gesamterfolg des Instituts berücksichtigt
wird, welcher gemäß § 19 Abs. 3 InstV auch eine Berücksichtigung der im Bemes-
sungszeitraum eingegangenen Risiken verlangt. Der Grundgedanke ist, dass sich das

122 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 13; Merkelbach, WM 2014, 1990, 1991 unter
Hinweis darauf, dass dies in der Praxis fast unmöglich sein wird.
123 Merkelbach, WM 2014, Heft 42, 1990, 1991.
124 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 5.
125 Merkelbach, WM 2014, 1990, 1992.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 135

Ausmaß der eingegangenen Risiken auf den Umfang des Bonuspools auswirken soll,
um Anreize zur Risikobegrenzung zu schaffen.126
Nicht zulässig ist die Festsetzung eines Bonuspools bei einem negativen Gesamt­ 151
erfolg des Instituts, insbesondere wenn dieser mit einem Verzehr des Unternehmens-
werts einhergeht. In diesem Fall sollen grundsätzlich keine variablen Vergütungen
gezahlt werden. Ausnahmen sind im Fall von Neueinstellungen und in besonderen Kri-
sensituationen bei einem sich unmittelbar und konkret abzeichnenden Umschwung
zur Anreizsetzung denkbar. In diesem Fall haben die Institute die Festsetzung des
Bonuspools plausibel, umfassend und für Dritte nachvollziehbar zu begründen und
von der BaFin genehmigen zu lassen.127

Praxistipp
Diese Vorgaben haben für die Vertragspraxis zur Folge, dass die variablen Vergütungsbestandteile
stets unter den ausdrücklichen Vorbehalt des Vorhandenseins eines Bonuspools für den Bemes-
sungszeitraum gestellt werden müssen oder jedenfalls die Ansprüche bei einer Reduzierung des vor-
handenen Bonuspools ebenso gekürzt werden können.

d) V ergütung
Das Fundamentalgebot der Regulierung findet sich in § 25a Abs. 1 Nr. 6 KWG i. V. m. 152
§ 5 InstV, wonach angemessene Vergütungssysteme geschaffen werden sollen, insbe-
sondere durch die Forderung, dass (1) Anreize für die Geschäftsleiter und Mitarbeiter,
unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen, vermieden werden müssen und (2) die
Vergütungssysteme nicht der Überwachungsfunktion der Kontrolleinheiten zuwider-
laufen dürfen.
Außerdem von neuer grundlegender Bedeutung und sehr hoher praktischer 153
Relevanz ist, dass nun eine Begrenzung der variablen Vergütung auf maximal 100 %
der fixen Vergütung vorgesehen ist.128 Diese Obergrenze kann durch Beschluss der
Anteilseigner des Instituts auf 200 % der fixen Vergütung angehoben werden, wenn
durch das höhere Verhältnis nicht die Einhaltung der Verpflichtungen des Instituts
nach den regulatorischen Vorgaben der EU-VO 575/2013, des KWG und der InstV
beeinträchtigt werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Eigenmittelver-
pflichtungen des Instituts zu legen sein soll, § 6 Abs. 4 InstV.129
Das Institut muss daher eine individuelle Obergrenze der variablen Vergütung 154
festlegen, verantwortlich hierfür ist nach § 3 Abs. 1 InstV die Geschäftsleitung des
Instituts bzw. für die variable Vergütung der Geschäftsleiter selbst das Aufsichtsor-

126 Merkelbach, WM 2014, 1990, 1993.


127 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 7.
128 § 25a Abs. 5 S. 2 KWG; § 6 Abs. 2 S. 1 InstV.
129 Insam/Hinrichs/Hörtz, WM 2014, 1415, 1415.

Rolf/Riechwald
136 Kapitel 4 Vergütung

gan, § 3 Abs. 2 InstV. Wird ein Beschluss über die Erhöhung der Obergrenze auf einen
Betrag zwischen 100 % und 200 % der fixen Vergütung gefasst, hat die dem Beschluss
zugrunde liegende Beschlussvorlage eine dezidierte Darlegung zu enthalten, dass die
erhöhte Obergrenze nicht die Eigenkapitalausstattung und insbesondere die allge-
meine Risikotragfähigkeit des Instituts gefährdet. Empfohlen wird außerdem, dass
diese Beschlussvorlage in der Weise aufzubereiten ist, dass sie zugleich als entspre-
chender Nachweis gegenüber der BaFin verwendet werden kann, § 6 Abs. 4 Inst.130
155 Hinsichtlich der Beschlussfassung schreibt § 25a Abs. 5 KWG vor, dass der
Beschluss einer Mehrheit von mindestens 66 % der abgegebenen Stimmen bedarf,
sofern mindestens 50 % der Stimmrechte bei der Beschlussfassung vertreten sind,
oder von mindestens 75 % der abgegebenen Stimmen. Anteilseigner, Eigentümer, Mit-
glieder oder Träger, die als Mitarbeiter oder Geschäftsleiter von einer höheren variab-
len Vergütung als nach S. 2 betroffen wären, dürfen ihr Stimmrecht weder unmittelbar
noch mittelbar ausüben.
156 Von elementarer Bedeutung ist daher, was die InstV unter „Vergütung“ versteht.
§ 2 Abs. 1 InstV regelt, dass Vergütung sämtliche finanziellen Leistungen, gleich
welcher Art und einschließlich der Leistungen für die Altersvorsorge, sämtliche Sach-
bezüge sowie Leistungen von Dritten sind, die im Hinblick auf die berufliche Tätigkeit
bei dem Institut gewährt werden. Wiederum ausgenommen sind solche Leistungen,
die von dem Institut aufgrund einer allgemeinen, ermessensunabhängigen und ins-
titutsweiten Regelung gewährt werden und die keine Anreize schaffen, finanzielle
Risiken einzugehen.131
157 Schwierig wird es, von der fixen Vergütung die variable Vergütung abzugren-
zen. Nach § 2 Abs. 3 InstV soll variable Vergütung der Teil der Vergütung sein, dessen
Gewährung oder Höhe im Ermessen des Instituts steht oder von dem Eintritt ver-
einbarter Bedingungen abhängt. Ausdrücklich eingeschlossen sind außerdem die
ermessensabhängigen Leistungen zur Altersvorsorge.
158 Die in der Praxis relevanten Fallgruppen sind die folgenden:
– Konzernbonus: Ein Bonus, welcher vom Erfolg des gesamten Konzerns abhän-
gig ist und auch an die Mitarbeiter und Geschäftsleiter des Instituts ausbezahlt
wird, kann nach der BaFin dann keine variable Vergütung im Sinne der InstV
sein, wenn das Institut als Tochterunternehmen einer gemischten Gruppe ange-
hört, bei der das Mutterunternehmen kein Institut im Sinne von § 1 Abs. 1b KWG
ist und das Mutterunternehmen Geschäfte der gewerblichen Wirtschaft betreibt.
Der Konzernbonus darf nicht im Zusammenhang mit den Erfolgen oder Verpflich-
tungen des Instituts gezahlt werden, sondern nur als Bonus für den Gesamterfolg
des Konzerns. Der Konzernbonus muss außerdem für alle konzernangehörigen

130 Insam/Hinrichs/Hörtz, WM 2014, 1415, 1415.


131 Hierunter fallen insbesondere Rabatte, betriebliche Versicherungs- und Sozialleistungen sowie
Beiträge zur gesetzlichen oder einer betrieblichen Altersvorsorge.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 137

Unternehmen und konzernweit an Mitarbeiter und Geschäftsleiter im gesamten


Konzern gezahlt werden und er muss abhängig sein von Bemessungskriterien
und Erfolgsindikatoren, die für den gesamten Konzern und nicht nur für einzelne
dem Konzern angehörende Unternehmen gelten.132
– Antrittsprämie: Diese Fallgruppe stellt eigentlich eine garantierte variable
Vergütung dar, welche grundsätzlich nicht möglich sein soll. Eine Ausnahme
beschreibt aber § 5 Abs. 6 InstV, wonach diese in den ersten zwölf Monaten nach
Aufnahme der Tätigkeit für das Institut möglich ist, wenn zu dem Zeitpunkt der
Auszahlung das Institut über eine angemessene Eigenmittel- und Liquiditätsaus-
stattung sowie hinreichend Kapital zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit
verfügt. Antrittsprämien sind daher weiterhin möglich.
– Abfindungen: Nach § 5 Abs. 7 InstV müssen Zahlungen im Zusammenhang mit
der vorzeitigen Beendigung eines Anstellungsverhältnisses der Leistung im Zeit-
verlauf Rechnung tragen und dürfen negative Erfolgsbeiträge oder Fehlverhalten
des Mitarbeiters nicht belohnen. Gemeint sind hiermit aber keine bereits ex-ante
vereinbarten Abfindungsregeln in Anstellungsverträgen (diese behandelt § 5
Abs. 3 Nr. 2 InstV), sondern solche, die bei Ausscheiden aus dem Anstellungsver-
hältnis in Aufhebungsverträge üblicherweise enthalten sind. Keine Abfindungen
dürften demgemäß gezahlt werden, wenn die Beendigung des Anstellungsver-
hältnisses mit dem Mitarbeiter gerade aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt.
Da die Zahlung einer Abfindung in vielen Fällen nicht nur zum Ausgleich für die
Beendigung des Anstellungsverhältnisses bezahlt wird (und somit als „Beloh-
nung“), sondern auch zur Abwendung eines unsicheren und mit Risiken behafte-
ten (Kündigungsschutz-)Prozesses, sollte aber in vielen Fällen die Zahlung einer
Abfindung möglich bleiben.133
Abfindungen aus Sozialplänen nach § 112 BetrVG oder Sozialtarifverträgen sind
ohnehin bereits von § 5 Abs. 7 InstV ausgenommen.
– Zulagen: In der Finanzbranche gibt es in der Praxis oftmals Zulagen, welche
zum eigentlichen Festgehalt gezahlt werden. Diese Zulagen werden für die Wahr-
nehmung bestimmter – auch zeitlich befristeter – Funktionen gezahlt. Die BaFin
hat diese Zulagen nun jedoch in der Auslegungshilfe zur InstV ausdrücklich als
garantierte variable Vergütung bezeichnet. 134
Das bedeutet, dass diese – außerhalb des ersten Jahres – unzulässig sind. Die
Auslegungshilfe bezeichnet demnach ausdrücklich nur unbefristete und nicht
einseitig widerrufliche Zulagen als unbedenklich. Dass dies natürlich nicht den
Zweck einer vorübergehenden Funktionszulage erfüllt, sondern schlicht eine

132 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 2.


133 Merkelbach, WM 2014, 1990, 1993.
134 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 5.

Rolf/Riechwald
138 Kapitel 4 Vergütung

Erhöhung des Fixgehalts darstellt, liegt auf der Hand. Demnach hat dies in der
Praxis und Literatur auch zu heftiger Kritik geführt.135
Diese Kritik wird an dieser Stelle wohl berücksichtigt werden. So kann man dem
Konsultationsverfahren zu dem neuen Entwurf der EBA Guidelines on Sound
Remuneration Policies and Disclosures, auf welchen auch die InstV basiert,
entnehmen, dass hier diese strenge Auslegung von Zulagen wohl entfällt, aber
strenger Rechtfertigungs- und Dokumentationsbedarf bei den Instituten beste-
hen wird.136
– Halteprämien: Halteprämien unterfallen dem selben Problemkreis. Auch diese
werden von der BaFin in der Auslegungshilfe klar als garantierte variable Vergü-
tung bezeichnet.137 Auch hiergegen wurde in Literatur und Praxis starke Kritik
laut.138
In der Praxis wird es sich daher empfehlen, wenn das Institut in eine Lage gerät,
in der die Zahlung für Halteprämien für den Erhalt oder die wirtschaftliche Stabi-
lität des Instituts notwendig wird, diese mit der BaFin abzustimmen. Außerdem
steht natürlich stets der Weg offen, Halteprämien über Tarifverträge in das Insti-
tut einzuführen.

e) Weitere Anforderungen für besondere Institute


159 Für Geschäftsleiter und sog. Risk Taker besonderer Institute bestehen weitere, noch
verschärfte Anforderungen in den §§ 17 ff. InstV. Bedeutende Institute sind nach § 17
Abs. 1 InstV grundsätzlich solche, welche eine Bilanzsumme im Durchschnitt der
letzten drei Geschäftsjahre von 15.000.000.000,00 € erreicht oder überschritten
haben. Daneben gibt es zahlreiche weitere Kriterien, nach denen ein Institut „bedeu-
tend“ im Sinne der InstV sein kann.
160 Risk Taker sind solche Mitarbeiter, deren Tätigkeiten einen wesentlichen Einfluss
auf das Gesamtrisikoprofil des Instituts haben können. Auch hier regelt die InstV, wie
die Institute diese „Risk Taker“ identifizieren müssen.
161 Nach § 19 Abs. 1 InstV muss für diese bei der Ermittlung der variablen Vergütung
neben dem Gesamterfolg des Instituts und dem Erfolg der Organisationseinheit auch
der individuelle Erfolgsbeitrag berücksichtigt werden. Dieser individuelle Erfolgsbei-
trag soll dann nach Abs. 2 anhand der Erreichung von individuellen Zielen zu bestim-
men sein, wobei neben quantitative auch qualitative Vergütungsparameter verwen-

135 Merkelbach, WM 2014, 1990, 1994.


136 Abrufbar und aktueller Stand einsehbar unter http://www.eba.europa.eu
137 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 5.
138 Löw/Glück, NZA 2015, 137, 139 unter Hinweis darauf, dass das Institut nach Nr. AT 7.1 MaRisk
dafür zu sorgen hat, dass das Ausscheiden von Mitarbeitern nicht zu nachhaltigen Störungen der
Betriebsabläufe führt.

Rolf/Riechwald
C. Regulierte Vergütung 139

det werden müssen. Die Vergütungsparameter müssen so festgelegt werden, dass


auch ein Zielerreichungsgrad ermittelt werden kann.
Auch für die Auszahlung der variablen Vergütung gibt es hier weitere Verschär- 162
fungen nach § 20 InstV.139
Nach § 20 Abs. 1 InstV sind mindestens 40 % der variablen Vergütung über einen 163
Zurückbehaltungszeitraum zu strecken, der mindestens drei bis fünf Jahre betragen
soll. Bei Geschäftsleitern und Mitarbeitern der unmittelbar nachgeordneten Ebene
sind gem. § 20 Abs. 2 InstV sogar mindestens 60 % der variablen Vergütung über einen
Zurückbehaltungszeitraum von mindestens drei bis fünf Jahren zu strecken. Nach
§ 20 Abs. 4 InstV müssen sowohl 50 % der verzögert auszubezahlenden variablen Ver-
gütung als auch 50 % der nicht verzögert zu zahlenden Vergütung von der nachhalti-
gen Wertentwicklung des Unternehmens abhängig gemacht werden. Nach der BaFin
kann diesem Gebot der Nachhaltigkeit bei Instituten in der Rechtsform der AG durch
aktienbasierte Vergütungen entsprochen werden. Wenn solche aktienbasierte Vergü-
tungen entweder schon aufgrund der Rechtsform oder aus anderen Gründen nicht
möglich oder geeignet sind, so soll auf betriebswirtschaftliche Kennziffern abgestellt
werden, welche den Unternehmenswert widerspiegeln.140

139 Diese findet nach der Auslegungshilfe der BaFin (zu § 20) auf Risk Taker nur Anwendung, wenn
deren variable Vergütung mindestens 50.000,00 € im Geschäftsjahr beträgt. Dies dürfte in der Praxis
jedoch auf die meisten Risk Taker zutreffen.
140 Auslegungshilfe zur InstV der BaFin v. 1.1.2014 zu § 20. Die BaFin geht in der Auslegungshilfe
unter zu § 19 davon aus, dass die zurückgehaltene Vergütung so ausgestaltet werden soll, dass auf die
zurückbehaltene Vergütung kein Anspruch auf die Zahlung, sondern nur auf fehlerfreie Ermittlung
bestehen darf. Es ist indes im Hinblick auf § 307 BGB fraglich, ob damit ein Anspruch ausschließbar
ist (Müller-Bonanni/Mehrens, NZA 2010, 792, 796). Zumindest als Insolvenzforderung dürfte die zu-
rückbehaltene Vergütung angemeldet werden können, da der Zweck „Liquidationsschutz der Bank“
in der Insolvenz nicht mehr greift.

Rolf/Riechwald
Kapitel 5
Nebenpflichten

A. N
 ebentätigkeiten

I. R
 echtliche Erläuterungen

Grundsätzlich schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur die vertraglich 1


geschuldete Arbeitsleitung, sodass eine generelle Beschränkung bzw. ein Verbot
der Nebentätigkeit nicht erlaubt ist, insbesondere nicht in der Privatwirtschaft. Ein
absolutes Nebentätigkeitsverbot würde eine unangemessene Benachteiligung i. S. d.
§ 307 Abs. 1 BGB darstellen, ebenso wie eine Grundrechtsverletzung.1 Im öffentlichen
Dienst hingegen gelten Besonderheiten, so dass dort unter bestimmten Vorausset-
zungen ein Nebentätigkeitsverbot zulässig sein kann.2

1. Begriff der Nebentätigkeit


Unter einer Nebentätigkeit versteht man grundsätzlich solche Tätigkeiten, in der der 2
Arbeitnehmer außerhalb seines Hauptarbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft zur
Verfügung stellt, gleichgültig ob dies im Rahmen eines Werk-, Dienst- oder weiteren
Arbeitsvertrags oder sogar unentgeltlich oder im Rahmen eines Ehrenamtes erfolgt.3
Für eine Nebentätigkeitsklausel ist allerdings die Beschränkung auf Tätigkeiten
außerhalb der Hauptbeschäftigung zu eng, denn auch im Verhältnis zu sonstigen
Pflichten kann eine Nebentätigkeit vorliegen. Zu denken ist etwa an solche Fälle, in
denen der Arbeitnehmer mehrere Teilzeitbeschäftigungen nebeneinander ausübt.
Dort muss auch die eine mit der anderen sowie umgekehrt vereinbar sein. Insofern
sollte nicht nur auf eine Tätigkeit neben einer Hauptbeschäftigung abgestellt werden.
Einschränkungen von Nebentätigkeiten sind – wie bereits angedeutet – auch vor 3
dem Hintergrund der grundgesetzlich garantierten Berufsfreiheit (Art. 12 GG) prob-
lematisch. Denn es steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich frei, seine Arbeitskraft
außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit zu verwenden.4 Das Grundrecht der freien
Berufswahl gilt auch im Rahmen des Nebentätigkeitsrechts. Nebentätigkeiten sind
deshalb nur dann unzulässig, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
Arbeitskraft des Arbeitnehmers führen, entgegenstehende Wettbewerbsinteres-
sen des Arbeitgebers berühren oder Schwarzarbeit vorliegt. Diese Aspekte sind bei

1 BAG, Urt. v. 06.09.1990 – 2 AZR 165/90.


2 Zu den strengeren Maßstäben vgl. etwa BAG, Urt. v. 28. 2. 2002 – 6 AZR 33/01.
3 Vgl. Preis N 10 Nebentätigkeit Rn. 1; BAG, Urt. v. 14.01.1982 – 2 AZR 245/80.
4 BAG, Urt. v. 18.01.1996 – 6 AZR 314/95.

Weiss-Bölz
142 Kapitel 5 Nebenpflichten

der Ausgestaltung einer Nebentätigkeitsklausel immer zu berücksichtigen. Bei einer


nichtberuflichen Tätigkeit kann sich der Arbeitnehmer auf das Grundrecht der freien
Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 I GG) berufen, so dass auch hier grundrechtli-
che Positionen tangiert sind.5

Beispiel
Beispiele für die erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers:
– Ein Schlosser nimmt eine Nebentätigkeit bei einem Gebäudereinigungsunternehmen auf und
wird dort körperlich und zeitlich so beansprucht, dass er seinen normalen Arbeitspflichten nicht
mehr genügt.6
– Entgegenstehende Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers liegen dann beispielsweise vor,
wenn der Arbeitnehmer, wie es in § 60 HGB heißt, ohne Einwilligung des Prinzipals in dem Han-
delszweig des Prinzipals ein Handelsgewerbe betreibt oder für eigene oder fremde Rechnung
Geschäfte macht. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses gilt nach den gesetzlichen Rege-
lungen ein Wettbewerbsverbot, welches ebenfalls bei der Ausgestaltung einer Nebentätigkeits-
klausel zu beachten ist.

2. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt


4 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein generelles Nebentätigkeitsverbot
grundsätzlich unzulässig. Davon streng zu trennen ist der Vorbehalt der Genehmi-
gung, was von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in ständiger Recht-
sprechung als zulässig anerkannt wird.7 Bei den üblichen Klauseln, dem Verbot
mit Erlaubnisvorbehalt, bedarf die Nebentätigkeit der vorherigen Zustimmung des
Arbeitgebers. Eine solche Vereinbarung dient dazu, dem Arbeitgeber die Überprü-
fung zu ermöglichen, ob durch die beabsichtigte Nebentätigkeit berechtigte betriebli-
che Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden. Sofern dies nicht gegeben ist,
hat er seine Zustimmung zu erteilen, was in der Klausel auch zum Ausdruck kommen
muss.8 Nach Ansicht des BAG ist für die Versagung der Genehmigung aber ausrei-
chend, dass bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der erfahrungsge-
mäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
wahrscheinlich ist.9 Kann der Arbeitgeber die Beeinträchtigung der Interessen durch
die Nebentätigkeit nicht generell ausschließen bzw. nicht beurteilen, ob dies der Fall
ist, hat er gegen den Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf Auskunft über das Ob

5 BAG, Urt. v. 18.01.1996 – 6 AZR 314/95.


6 Vgl. Schaub/Linck, Handbuch Arbeitsrecht § 42 Rn. 5; Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang: Ar-
beitsrechtliches Formularbuch Rn. 163.
7 Vgl. bspw. BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00; a. A. Lit. Suckow/Stiegel/Niemann/Niemann B XV
Rn. 657 m.w.N.
8 Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang: Arbeitsrechtliches Formularbuch, Rn. 165; zum Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt vgl. BAG Urt. v. 26.06.2001 – 9 AZR 343/00.
9 BAG, Urt. v. 26.06.2001 – 9 AZR 343/00.

Weiss-Bölz
A. Nebentätigkeiten 143

und den Umfang der Nebentätigkeit.10 In der Literatur wird hingegen gefordert, dass
Nebentätigkeiten nur dann unzulässig sind, wenn mit ihnen eine erhebliche Beein-
trächtigung der Arbeitskraft verbunden ist.11 Während des bestehenden Arbeitsver-
hältnisses gilt der Grundsatz, dass jede Konkurrenztätigkeit verboten ist.12

3. Nebentätigkeit und Konkurrenz


Das BAG hat angedeutet, dass bei Konkurrenztätigkeiten zukünftig eine großzügi- 5
gere Linie eingeschlagen werden soll. Diese sollten gestattet werden, wenn es sich
lediglich um einfache Tätigkeiten handelt, die allenfalls zu einer untergeordneten
wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können und
im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berührt seien.13 Insofern
kann vom BAG eine in Richtung der Literatur gehende Auffassung zumindest ange-
nommen werden, so dass bei der Vertragsgestaltung darauf zu achten ist, dass die
Klausel entsprechend flexibel gefasst ist. Eine möglichst eingehende Konkretisierung
der maßgeblichen Arbeitgeberinteressen sollte demnach aufgenommen werden.
Da aber nach den gesetzlichen Regelungen (vgl. § 60 HGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB 6
für das Arbeitsverhältnis) während des Arbeitsverhältnisses ein Wettbewerbsverbot
besteht und eine Nebentätigkeit durchaus eine solche Wettbewerbstätigkeit darstel-
len kann, ergeben sich gewisse Überschneidungspunkte bzw. bereits gesetzliche Ein-
schränkungen einer Nebentätigkeit. Insbesondere können Nebentätigkeitsklauseln
auch dahingehend ausgeweitet werden, dass klargestellt wird, dass dem Arbeitneh-
mer untersagt ist, direkt oder indirekt als freier Mitarbeiter oder als Arbeitnehmer
für einen mit dem Arbeitgeber im Wettbewerb stehenden Unternehmen zu arbeiten
oder eigene unternehmerische Tätigkeiten zu entfalten, die mit dem Arbeitgeber in
Konkurrenz treten könnten. Deshalb finden sich solche Klauseln in Arbeitsverträgen
oftmals in Verbindung mit Konkurrenztätigkeiten, so dass beide Aspekte abgedeckt
werden.
Beachtet werden muss jedoch, dass die Ausübung einer Nebentätigkeit, die die 7
Arbeitsleistung mehr als nur unerheblich beeinträchtigt, ohnehin eine Verletzung
der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers darstellt, die nach den allgemeinen
Grundsätzen sogar eine Kündigung rechtfertigen kann.14
Problematisch dürfte aufgrund der grundsätzlich gewährleisteten Berufsfreiheit 8
aber eine Kombination des oben vorgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt

10 Vgl. BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00.


11 So etwa ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 727.
12 siehe hierzu auch Kap. 5 Rn. 18 ff.
13 BAG, Urt. v. 24.03.2010 – 10 AZR 66/09.
14 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 729.

Weiss-Bölz
144 Kapitel 5 Nebenpflichten

mit einer Vertragsstrafenregelung sein, weil dies faktisch zu einem umfassenden


Nebentätigkeitsverbot führen würde bzw. könnte.15

4. Überwachungspflichten des Arbeitgebers


9 Da die Aufnahme einer Nebentätigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber häufig
gravierende Nachteile haben kann, bietet sich auch deshalb ein Zustimmungsvorbe-
halt bzw. das Verbot mit Genehmigungsvorbehalt in der Praxis an. Auch unter dem
Aspekt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten
nach § 3 ArbZG zu überwachen, ist eine solche Regelung wichtig und sinnvoll. Adres-
sat der Regelung in § 3 Satz 1 ArbZG ist nämlich der Arbeitgeber. Er hat die Einhaltung
der im Gesetz bestimmten Höchstfristen zu überwachen. Nach § 3 Satz 1 ArbZG – der
materiellen Grundnorm des Arbeitszeitrechtes – darf die regelmäßige werktägliche
Arbeitszeit die Dauer von 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit also im Einklang mit
Art. 6 lit. b RL 2003/88/EG 48 Stunden, nicht überschreiten.16 Für den Arbeitgeber
ist in diesem Zusammenhang die Tatsache wichtig, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG
Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammengerechnet werden. Insofern darf
der Arbeitgeber eine Nebentätigkeit untersagen, durch die der Arbeitnehmer in einem
größeren als durch das ArbZG gestatteten Umfang abhängig tätig würde.17 In diesem
Kontext sind auch spezielle Arbeitszeit-Schutzvorschriften für besondere Personen-
gruppen zu beachten, wie bspw. das Jugendarbeitsschutzgesetz oder aber das Mut-
terschutzgesetz. Hieraus können sich nochmals gesonderte Arbeitszeitregelungen
ergeben, die ebenfalls Beachtung finden müssen.

5. Hinweise für die Vertragsgestaltung


10 Bei einem Verstoß gegen die gesetzlichen Beschränkungen einer Nebentätigkeit ist
die Nebentätigkeit als solche schlechthin unzulässig.
11 Insofern sind vertragliche Regelungen, die die gesetzlichen Pflichten oder aber
auch die Pflicht, dass eine Nebentätigkeit das Arbeitsverhältnis nicht beeinträchti-
gen darf, lediglich deklaratorischer Natur und haben keine konstitutive Wirkung.
Auch ohne solche Regelungen ergibt sich dies bereits aus dem Gesetz bzw. aus der
allgemeinen vertraglichen Pflicht, seine Arbeit ordnungsgemäß zu erbringen. Zeitlich
wird bei einer Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten, die in der
Woche 20 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet, regelmäßig
vermutet, dass die ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Pflichten behindert

15 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 29.04.2005 – 8 SA 69/05.


16 Vgl. ErfK/Wank, § 3 ArbZG, Rn. 5.
17 Vgl. Preis/Rolfs, II N 10 Nebentätigkeit, Rn. 11.

Weiss-Bölz
A. Nebentätigkeiten 145

werden kann.18 Auch das Verbot, während des gesetzlichen Mindesturlaubs eine
dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit auszuüben (vgl. § 8 BUrlG),
beschränkt eine Nebentätigkeit des Arbeitnehmers.
Berücksichtigt werden muss ferner, dass die Arbeitskraft durch die Nebentätigkeit 12
nicht erheblich beeinträchtigt werden darf. Der Arbeitnehmer hat auch ohne beson-
dere Regelungen vertragliche Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu beachten und
darf diese nicht verletzen. Zu denken ist etwa an eine Nebentätigkeit während einer
zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung mit der Folge, dass durch die Nebentä-
tigkeit die Genesung nachhaltig verzögert wird.19
Über die gesetzlichen Pflichten hinaus bietet sich aber eine Nebentätigkeitsklausel 13
an, um zum einen dem Arbeitnehmer die Grenzen aufzuzeigen, zum anderen aber auch
in zulässiger Weise über die gesetzlichen Pflichten hinaus eine Regelung zu treffen.

6. Rechtsfolgen eines Verstoßes


Sofern ein Verstoß gegen ein gesetzliches oder vertragliches Nebentätigkeitsverbot 14
vorliegt, kann dies erhebliche Sanktionen für den Arbeitnehmer zur Folge haben.
Es besteht zum einen ein Unterlassungsanspruch für den Arbeitgeber. Sofern dem
Arbeitgeber durch die Nebenbeschäftigung auch ein konkreter Schaden entsteht,
kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, insbesondere in Fällen einer uner-
laubten Konkurrenztätigkeit. Schließlich bleibt dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit
einer Abmahnung und ggfs. einer Kündigung.20 Im Falle der Kündigung ist allerdings
zu beachten, dass eine solche nur gerechtfertigt ist, wenn die vertraglich geschuldete
Arbeitsleistung durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt wird oder der Arbeitnehmer
seinem Arbeitgeber in dessen Handelszweig unerlaubte Konkurrenz macht.21

II. Klauselvorschlag

1. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt


Eine entsprechende Nebentätigkeitsklausel sollte aus den oben dargelegten Gründen 15
so formuliert sein, dass ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt verankert wird.22 Aller-
dings sollte es dabei nicht verbleiben, sondern es sollten weiterhin auch Ausführun-
gen dazu erfolgen, dass eine Einwilligung erteilt wird, wenn die Nebentätigkeit die

18 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 18.08.2005 – 4 Sa 553/05.


19 Vgl. Preis/Rolfs/Niemann B XV Rn. 657 N 10 Nebentätigkeit, Rn. 5.
20 Vgl. hierzu auch BeckOKArbR/Joussen BGB § 611 Rn. 399.
21 BAG, Urt. v. 28.01.2010 – 2 AZR 1008/08.
22 Str., ob nach AGB-Recht noch zulässig; so etwa Suckow/Stiegel/Niemann/Niemann B XV Rn. 657
m. w. N.

Weiss-Bölz
146 Kapitel 5 Nebenpflichten

berechtigten Interessen des Unternehmens nicht beinträchtigen oder auch die Leis-
tung des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt wird. Es kann auch negativ formuliert
werden, dass die Einwilligung nur aus bestimmten, aufzuzählenden Gründen versagt
wird. Andernfalls wären Zweifel daran gegeben, ob die Klausel transparent genug ist,
wenn völlig offen bliebe, wann und nach welchen Maßstäben die Erlaubnis erteilt
würde. Demnach müssen sich aus der Vertragsklausel selbst bereits Maßstäbe für die
Entscheidung des Arbeitgebers erkennen lassen.23

Klauselmuster
1. Die Aufnahme einer Nebentätigkeit, gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, bedarf der vorheri-
gen schriftlichen Einwilligung des Arbeitgebers. Gleiches gilt für die Fortsetzung entsprechender
Nebentätigkeiten, die der Mitarbeiter bereits vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgeübt
hat – [Alternativ können hier bereits bekannte und genehmigte Nebentätigkeiten, die der Arbeit‑
nehmer bereits bei Beginn der Tätigkeit übernimmt, aufgelistet werden].
2. Einer vorherigen schriftlichen Einwilligung bedarf auch eine direkte oder indirekte Beteiligung
an Unternehmen, wenn der Mitarbeiter durch seine Stellung oder Tätigkeit Einfluss auf die Ge-
schäftsbeziehung des Arbeitgebers zu diesem Unternehmen haben kann.
3. Der Arbeitgeber wird seine Zustimmung nur verweigern, wenn berechtigte Interessen des Unter-
nehmens beeinträchtigt sind oder die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufga-
ben wesentlich behindert.

2. W
 iderrufsvorbehalt
16 Ergänzend zu dem oben aufgeführten Klauselmuster könnte auch ein Widerrufsvor-
behalt aufgenommen werden. Denn ohne ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt ent-
fällt die erteilte Zustimmung nur dann, wenn sich die tatsächlichen Umstände sig-
nifikant geändert haben, die Anlass für den Arbeitgeber waren, die Zustimmung zu
erteilen.

Klauselmuster
Die Zustimmung kann jederzeit widerrufen werden, wenn das Interesse des Unternehmens dies auch
unter Berücksichtigung der Belange des Mitarbeiters rechtfertigt.

17 Beachtet werden muss dabei allerdings, dass auch bei einem vereinbarten Wider-
rufsvorbehalt der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nicht willkürlich Gebrauch
machen kann. Es sollte demnach auch in der Vertragsklausel selbst bereits zum Aus-
druck kommen, dass ein Widerruf nur ausgesprochen wird, wenn billiges Ermessen
gewahrt wird.24 Die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers und Arbeitgebers
müssen insofern gegeneinander abgewogen werden.

23 So das BAG ausdrücklich zu Widerrufsvorbehalten, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04.


24 BAG, Urt. v. 12.01.2005 – 5 AZR 364/04.

Weiss-Bölz
B. Wettbewerbsverbot 147

B. W
 ettbewerbsverbot

I. R
 echtliche Erläuterungen

1. Gesetzliche Grundlagen
Ungeachtet der Tatsache, dass ein Nebentätigkeitsverbot besteht, ist der Arbeitneh- 18
mer nach den gesetzlichen Vorschriften auch verpflichtet, jegliche Konkurrenztätig-
keit während des Arbeitsverhältnisses zu unterlassen.
Das vertragliche Wettbewerbsverbot wird aus § 60 HGB abgeleitet, der nach 19
den gesetzlichen Regelungen unmittelbar nur für den Handlungsgehilfen Anwen-
dung findet, gleichwohl aber nach der Rechtsprechung auch auf das Arbeitsverhält-
nis angewendet wird.25 Das vertragliche Wettbewerbsverbot, das sich aus § 60 HGB
ergibt, steht anders als bei einer Nebentätigkeit nicht unter dem Zustimmungsvor-
behalt, sondern der Wettbewerb ist in diesen Fällen in jeglicher Hinsicht bereits per
Gesetz verboten. In zeitlicher Hinsicht gilt § 60 HGB allerdings nur für die rechtliche
Dauer des Arbeitsverhältnisses. Zu beachten ist, dass deshalb auch grundsätzlich
die Phase der Freistellung nach einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist
vom Wettbewerbsverbot betroffen ist.26
Für den Fall, dass die Freistellung unwiderruflich und unter dem Vorbehalt 20
der Anrechnung anderweitigen Erwerbs erfolgt, entfällt das Wettbewerbsverbot.27
Andernfalls besteht das Wettbewerbsverbot grundsätzlich bis zum rechtlichen Ende
des Arbeitsverhältnisses weiter.
Das BAG hat in einer Entscheidung vom 25.04.199128 ausgeführt, dass die Wett- 21
bewerbsenthaltungspflicht nach § 60 HGB auch für die Dauer des Kündigungsschutz-
verfahrens gelten soll, dies wird allerdings von der Literatur zum Teil bestritten.29
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Arbeitnehmer grund-
sätzlich keinen Wettbewerbsbeschränkungen, es sei denn es ist etwas anderes
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeits-
verhältnisses vereinbart. Möchte man also ein über das Arbeitsverhältnis hinausge-
hendes Wettbewerbsverbot, bleibt nur die Möglichkeit, ein nachvertragliches Wett-
bewerbsverbot zu vereinbaren.30

25 BAG, Urt. v. 04.08.1987 – 2 AZR 226/87; BeckOK/Joussen, § 611 BGB Rn. 413.
26 BAG, Urt. v. 17.10.2012 – 10 AZR 809/11.
27 Vgl. BAG 06.09.2006 – 5 AZR 703/05; vgl. auch Anmerkung Bayreuther BAG, Urt. v. 17.10.2012–20
AZR 809/11.
28 BAG, Urt. v. 25.04.1991 – 2 AZR 624/90.
29 Vgl. etwa Leuchten, NZA 2011, 391 ff.
30 Vgl. zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot Kap. 8 Rn. 23.

Weiss-Bölz
148 Kapitel 5 Nebenpflichten

2. A
 rbeitsrechtliche Konkretisierung
22 Obgleich während der Dauer des Vertragsverhältnisses wie bereits ausgeführt das
gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB auch im Arbeitsverhältnis Anwendung
findet, bietet sich eine klarstellende Klausel im Arbeitsvertrag an.
23 Es ist allerdings davon abzuraten, lediglich die Vorschrift des § 60 Abs. 1 HGB in
den Vertrag aufzunehmen, da die Norm von der Rechtsprechung und Rechtslehre
konkretisiert und bezogen auf das Arbeitsverhältnis bewertet wurde. Insofern sind
immer die Gesichtspunkte zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber ein wirtschaftli-
ches Interesse daran haben muss, dass eine Wettbewerbstätigkeit untersagt werden
kann.
24 Zu beachten ist allerdings, dass es dem Arbeitnehmer während des Arbeitsver-
hältnisses unbenommen bleibt, sogenannte Vorbereitungsmaßnahmen für die
Gründung eines eigenen Unternehmens nach Vertragsende oder für ein Überwech-
seln zur Konkurrenz zu treffen.31 Diese Vorbereitungsmaßnahmen dürfen allerdings
für den Arbeitgeber keine Nachteile während des bestehenden Arbeitsverhältnisses
mit sich bringen. Insofern sind die Grenzen sehr eng, was noch als zulässige Vor-
bereitungsmaßnahme oder andererseits bereits als verbotene Wettbewerbstätigkeit
anzusehen ist. Hier ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Als Anhaltspunkt
kann aber gelten, dass für die Abgrenzung von Vorbereitungshandlungen und Kon-
kurrenztätigkeit entscheidend ist, ob durch das Handeln bereits unmittelbar in die
Geschäfts- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers eingegriffen wird.32
25 Das Nebentätigkeitsverbot kann auch die Beteiligung an einem Unternehmen
betreffen. Wenn kein Einfluss auf die Organe der betreffenden Gesellschaft möglich
ist, ist ein Ausschluss in der Klausel möglich. Entscheidend ist nämlich immer, ob der
Arbeitnehmer Einfluss auf die Unternehmensführung des Konkurrenten gewinnen
kann. Insofern sollte bei einer solchen Klausel darauf geachtet werden, dass nicht
jegliche Beteiligungen jedweder Art verboten werden, sondern eine Beschränkung
dahingehend erfolgt, dass kein Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft möglich
sein darf. Dann liegt ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse vor. Bei einer Beteiligung
an einem anderen Unternehmen ist zu beachten, dass eine reine Kapitalanlage zuläs-
sig ist, und keinen unzulässigen Wettbewerb darstellt.33
26 Besonders darzustellen ist dies anhand des folgenden Beispiels:

Beispiel
Ein BMW-Mitarbeiter begeht kein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot, wenn er einige Porsche-Akti-
en erwirbt, weil er sich hiervon auf Dauer höhere Gewinne verspricht.

31 Preis/Stoffels II W 10 § 5; ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rn. 105.


32 Vgl. LAG Berlin v. 28.08.2002 – 9 Sa 659/02; BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07.
33 Vgl. OLG Bremen v. 07.06.2007 – 2 O 1/07; Preis/Stoffels II W 10 Rn. 9.

Weiss-Bölz
B. Wettbewerbsverbot 149

3. Gestaltungshinweise
Häufig kann auch ein Interesse des Arbeitgebers bestehen, das Konkurrenzverbot auf 27
solche Unternehmen auszudehnen, die mit dem Arbeitgeber in Geschäftsbeziehun-
gen stehen, aber nicht zwingend Wettbewerber sind. Zulässig ist ein Verbot in der
Weise, dass es verboten ist, sich an solchen Unternehmen zu beteiligen, weil hier
sonst die Gefahr einer Interessenkollision bestehen könnte.
Grundsätzlich können sich auch die Geschäftsfelder und räumlichen Gegeben- 28
heiten des Arbeitgebers ändern, sodass eine Klausel sinnvoll sein kann, wonach auch
bei Veränderungen des Tätigkeitsfelds oder des Umfangs in räumlicher Hinsicht das
Konkurrenzverbot sich jeweils immer nach dem aktuellen Geschäftszweig des Arbeit-
gebers richtet.
Unter Umständen kann es sich auch anbieten, bestimmte, dem Arbeitgeber 29
bereits bekannte Konkurrenztätigkeiten aus der Klausel herauszunehmen. Insbeson-
dere bei weniger wichtigen Geschäftsbereichen kann dies angezeigt sein.
Eine einmal erteilte Einwilligung ist grundsätzlich unwiderruflich.34 Es kann 30
allerdings ein Widerrufsvorbehalt in die Klausel aufgenommen werden, dessen
Ausübung billigem Ermessen entsprechen muss (vgl. § 315 BGB).

4. Rechtsfolgen eines Verstoßes


Im Hinblick auf die Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsver- 31
bot sieht § 61 HGB bereits einige Rechtsfolgen vor. Die Regelung ist allerdings nicht
abschließend. Nach § 61 HGB kann ein Unterlassungsanspruch bestehen. Der Arbeit-
geber kann aber bei Vorliegen der Voraussetzungen auch Schadensersatz fordern
oder verlangen, dass die vom Handlungsgehilfen auf dessen Rechnung getätigten
Geschäfte als auf seine Rechnung abgeschlossen gelten (vgl. §§ 60, 61 HGB).
Im Arbeitsrecht ist weiter zu beachten, dass ein Verstoß gegen das Wettbewerbs- 32
verbot grundsätzlich auch an sich einen wichtigen Grund für eine außerordentliche
Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann.35 Eine Abmahnung ist regelmäßig
entbehrlich, da der Arbeitnehmer bewusst Konkurrenz betreibt und nicht davon aus-
gehen kann, dass dieses Verhalten toleriert wird.36 Erst recht kann eine ordentliche
verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen. Im Vertrag kann auch eine Ver-
tragsstrafenklausel aufgenommen werden, wodurch das Konkurrenzverbot bereits
vertraglich gesichert wird. Dabei sind aber ebenfalls die generellen Grundsätze für
Vertragsstrafenklauseln zu beachten.37

34 Vgl. Baumbach/Hopt, § 60 HGB Rn. 7.


35 Vgl. etwa BAG v. 25.04.1991 – 2 AZR 624/90, NZA 1992, 212; BAG, Urt. v. 26.06.2008 – 2 AZR 190/07.
36 BAG, Urt. v. 25.04.1991 – 2 AZR 624/90.
37 Vgl. hierzu Suckow/Stiegel/Niemann/Suckow B XXIII Rn. 332 ff.

Weiss-Bölz
150 Kapitel 5 Nebenpflichten

33 Schließlich bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, Schadensersatzansprüche38


geltend zu machen. Als Schaden kommt der wirtschaftliche Schaden und der entgan-
gene Gewinn (§ 252 Satz 1 BGB) in Betracht, den der Arbeitgeber aus dem Geschäft
erzielt hätte, nicht dagegen der weitergehende Gewinn, den der Arbeitnehmer auf-
grund seiner besonderen Geschäftstüchtigkeit tatsächlich erzielt hat.39 Allerdings
muss der Arbeitgeber konkret darlegen und beweisen, inwieweit der Arbeitnehmer
Wettbewerbshandlungen ausgeübt und dadurch wettbewerbliche Interessen beein-
trächtigt hat. Die Hürden sind hierbei hoch. Im Übrigen könnten die Regelungen des
§ 17 UWG greifen.40

II. Klauselvorschlag

Formulierungsmuster
Während des Bestehens des Arbeitsvertrages ist es dem Arbeitnehmer untersagt, direkt oder indirekt
(z. B. als Leiharbeitnehmer), als freier Mitarbeiter oder als Arbeitnehmer für ein mit dem Arbeitge-
ber im Wettbewerb stehendes Unternehmen zu arbeiten oder eigene unternehmerische Tätigkeiten
zu entfalten, die mit dem Arbeitgeber in Konkurrenz treten könnten. Während dieser Zeit ist es dem
Arbeitnehmer nicht gestattet, sich direkt oder indirekt (z. B. über Dritte) an einem im Wettbewerb zu
dem Arbeitgeber stehenden Unternehmen zu beteiligen. Ausgenommen hiervon sind bloße Finanzbe-
teiligungen in Höhe von bis zu 5 %.

C. A
 rbeitsverhinderung

I. R
 echtliche Erläuterungen

1. Verhinderungsfälle und gesetzliche Vorgaben


34 Neben der Arbeitsunfähigkeit kommen auch weitere Verhinderungsfälle des Arbeit-
nehmers in Betracht kommen, wie etwa aus § 616 BGB ersichtlich, so dass sich eine
Klausel im Arbeitsvertrag diesbezüglich empfiehlt.
35 Es ist demnach die generelle Arbeitsverhinderung und der Sonderfall der Arbeits-
unfähigkeit und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu trennen, so dass sich hier
auch regelmäßig eine separate Regelung im Arbeitsvertrag anbietet.

38 Siehe auch Kap. 5 Rn. 31.


39 Vgl. hierzu auch ErfK/Oetker, § 61 HGB Rn. 4; BAG, Urt. v. 26.09.2012 – 10 AZR 3701/10.
40 Vgl. hierzu Kap. 5 Rn. 115.

Weiss-Bölz
C. Arbeitsverhinderung 151

a) Arbeitsverhinderung aus sonstigen, persönlichen Gründen


Bei ersterem Fall geht es um die Arbeitsverhinderung aus sonstigen, persönlichen 36
Gründen. Darunter sind Hindernisse auf dem Weg zur Arbeit, wie etwa Schneeverwe-
hungen, Glatteis, Hochwasser und allgemeine Verkehrsstörungen, aber auch famili-
äre Ereignisse zu verstehen, etwa Erkrankung von Kindern oder sonstiger Familien-
angehöriger.41 Es gilt zwar der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, wobei § 616 BGB
aber in den vorgenannten Fällen einen Vergütungsanspruch aufrechterhält, obgleich
keine Arbeitsleistung erbracht wurde. Bei Eintreten der Voraussetzungen des § 616
BGB würde der Arbeitnehmer also seinen Vergütungsanspruch behalten, ohne tat-
sächlich gearbeitet zu haben. § 616 BGB ist aber abdingbar, wie sich aus § 619 BGB
ergibt. Es kann demnach aus Arbeitgebersicht angedacht werden, aus Kostengründen
§ 616 BGB abzubedingen bzw. eine konkrete Klausel im Arbeitsvertrag aufzunehmen,
die etwaige Verhinderungsgründe und die Vergütungspflicht regeln.

b) Arbeitsverhinderung wegen Krankheit


Der häufigste Fall, in dem der Arbeitnehmer Lohn erhält ohne Arbeitsleistung zu 37
erbringen, ist der der Arbeitsunfähigkeit. Dieser ist im EfzG gesetzlich geregelt. Das
EfzG enthält zwingende Vorschriften, von denen zu Lasten des Arbeitnehmers im
Einzelvertrag nicht abgewichen werden kann, § 12 EfzG. Lediglich im Falle der Nach-
weis- sowie Vorlagepflicht einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung können gewisse
Erleichterungen für den Arbeitgeber geregelt werden, die sogleich behandelt werden.
Günstigere Regelungen sind allerdings jederzeit möglich, so wie beispielsweise die
Verlängerung des Entgeltfortzahlungszeitraums.42
Im Falle der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Krankheit hat der Arbeitnehmer 38
nach § 3 EfzG Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung für die Dauer von sechs
Wochen.

aa) Grundsätzliches zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall


§ 3 Abs. 1 EfzG begründet einen Entgeltfortzahlungsanspruch für Arbeitnehmer, die 39
durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind
und sie kein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft. Für die Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall ist dabei entscheidend, dass die Arbeitsunfähigkeit, welche die
Arbeitsverhinderung verursacht hat, infolge Krankheit eingetreten ist. Arbeitsunfä-
higkeit und Krankheit sind damit nicht deckungsgleich.43

41 Vgl. die Auflistung häufiger Einzelfälle, MüKo-BGB/Henssler, § 616, Rn. 20 ff.


42 ErfK/Reinhard, § 12 EfzG Rn. 1; BeckOK/Ricken, § 3 EfzG Vorbemerkung.
43 BeckOK/Ricken, § 3 Rn. 6.

Weiss-Bölz
152 Kapitel 5 Nebenpflichten

40 Unter Krankheit versteht man im Allgemeinen einen regelwidrigen Körper- oder


Geisteszustand, dessen Eintritt entweder die Notwendigkeit einer Heilbehandlung –
allein oder in Verbindung mit Arbeitsunfähigkeit – oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge
hat.44 Demnach genügt es, wenn zu dem normwidrigen Körper- oder Geisteszustand
alternativ das Bedürfnis nach ärztlicher Behandlung oder aber Arbeitsunfähigkeit
hinzutritt.45 Die Krankheit muss demnach beim Arbeitnehmer zur Arbeitsunfähig-
keit geführt haben und die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige
Ursache für die Arbeitsverhinderung sein.46 Insoweit gilt der Grundsatz der Mono-
kausalität.47 Es fehlt bspw. an einer derartigen Kausalität, wenn der Arbeitnehmer
aus einem anderen Grund keine Arbeit geleistet hätte, sofern er arbeitsfähig gewesen
wäre. Dabei ist ein hypothetischer Kausalverlauf zu Grunde zu legen.48

bb) Dauer der Entgeltfortzahlung


41 Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer Anspruch auf EfzG für die Dauer von längstens 6
Wochen. Dies entspricht 42 Kalendertagen. Damit werden auch die Tage mitgezählt,
an denen nicht gearbeitet wird, aber das Arbeitsverhältnis auch nicht ruht.49 Es sind
somit während des Arbeitsunfähigkeitszeitraums die Sonn- und Feiertage mitzuzäh-
len, aber auch, etwa bei einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis die arbeitsfreien
Werktage. Die arbeitsfreien Tage oder freien Schichttage müssen allerdings im Vor-
hinein feststehen.50
42 Bei dem Entgeltfortzahlungszeitraum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 EfzG von 6 Wochen
ist allerdings zu beachten, dass dies im Umkehrschluss nicht etwa bedeutet, dass der
Arbeitgeber pro Kalenderjahr für einen Arbeitnehmer höchstens 6 Wochen Entgelt-
fortzahlung leisten müsste. Vielmehr begründet grundsätzlich jede neue Erkrankung
des Arbeitnehmers, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, einen neuen Anspruch auf Ent-
geltfortzahlung und zwar mit der Folge, dass grundsätzlich ein neuer Entgeltfortzah-
lungszeitraum entsteht. Eine solche neue Erkrankung liegt dann vor, wenn die Krank-
heit eine andere Ursache hat und nicht auf denselben Grundlagen beruht.51
43 Erkrankt der Arbeitnehmer während einer bestehenden krankheitsbedingten
Arbeitsunfähigkeit an einer neuen Krankheit, so geht die herrschende Ansicht davon
aus, dass es sich hierbei um eine einheitliche Arbeitsunfähigkeit handelt, also durch
die neue Erkrankung kein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch ausgelöst wird. Hier gilt

44 BSG, Urt. v. 19.10.2004 – B 1 KR 3/03; BSG, Urt. v. 30.09.1999 – B 8 KN 9/98 KR R.


45 BeckOK/Ricken, § 3 EfzG Rn. 7.
46 BAG, Urt. v. 26.06.1996 – 5 AZR 872/94; BAG, Urt. v. 24.03.2004 – 5 AZR 355/03.
47 BeckOK/Ricken, § 3 EfzG Rn. 21.
48 BAG, Urt. v. 24.03.2004 – 5 AZR 355/03.
49 BAG, Urt. v. 22.08.2001 – 5 AZR 699/99.
50 BeckOK/Ricken, § 3 EfzG Rn. 53.
51 BeckOK/Ricken, § 3 EfzG, Rn. 63.

Weiss-Bölz
C. Arbeitsverhinderung 153

somit der Grundsatz der Einheit des Versicherungsfalls.52 Eine weitere Vergütungs-
fortzahlung kann der Arbeitnehmer nur dann verlangen, wenn die erste Arbeitsunfä-
higkeit bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in welchem eine weitere Erkrankung zu
einer neuen Arbeitsunfähigkeit führt. Ansonsten sind auch die übrigen Grundsätze
von § 3 EfzG bei weiterer oder wiederholter Arbeitsunfähigkeit zu berücksichtigen.53

2. Mitteilungspflichten
Der Arbeitnehmer ist in jedem Fall gehalten, dem Arbeitgeber unverzüglich Mitteilung 44
zu machen, wenn er an der Arbeitsleistung verhindert ist. Hinsichtlich der Arbeitsun-
fähigkeit ergibt sich die Mitteilungspflicht bereits aus § 5 EfzG.

3. Nachweispflichten, Vorlage ärztliche AU-Bescheinigung (§ 5 EfzG)


§ 5 EfzG enthält Regelungen, wonach der Arbeitnehmer im Falle der Arbeitsunfähig- 45
keit diese durch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzuweisen hat. Die Arbeitsun-
fähigkeitsbescheinigung muss spätestens am 4. Tag nach Beginn der Arbeitsunfähig-
keit vorgelegt werden. Dies ist eine Regelung, die dem Arbeitgeber die Möglichkeit
belässt, auch bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine Bescheinigung
zu verlangen. Ein solches Verlangen sollte dann in einem Arbeitsvertrag auch fest-
gehalten werden. Etwaige Gründe oder ein berechtigtes Interesse hierfür muss der
Arbeitgeber nicht haben.54 Das Verlangen darf aber nicht willkürlich oder schikanös
sein und weder gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz noch gegen das Diskri-
minierungsverbot verstoßen.55

II. Muster einer Regelung zur Arbeitsverhinderung

1. Arbeitsverhinderung allgemein

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Vorgesetzten jede Arbeitsverhinderung und ihre voraussichtli-
che Dauer unverzüglich nach Kenntnis, möglichst vor dem Zeitpunkt der erwarteten Arbeitsaufnahme
telefonisch anzuzeigen, sowie auf Verlangen des Arbeitgebers die Gründe der Arbeitsverhinderung
mitteilen. Ist der Arbeitnehmer hierzu selbst nicht in der Lage, hat er in gleicher Weise eine Informa-
tion des Arbeitgebers durch Dritte zu veranlassen. Der Mitarbeiter hat dabei auf besonders dringlich
zu erledigende Arbeiten hinzuweisen.

52 Vgl. BAG 10.09.2014 – 10 AZR 651/12.


53 Vgl. hierzu ausf. Darstellung in: ErfK/Reinhard, § 3 EfzG Rn. 36 ff.
54 ErfK/Reinhard, § 5 EntgFG Rn. 12.
55 BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 5 AZR 886/11.

Weiss-Bölz
154 Kapitel 5 Nebenpflichten

2. Arbeitsverhinderung bei Arbeitsunfähigkeit

Klauselmuster
Im Falle der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit erhält der Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung nach
dem EfzG. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss der Arbeitnehmer eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag vorlegen. Aus die-
sem soll sich auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit ergeben. Dauert die Arbeits-
unfähigkeit über die angegebene Zeit hinaus, hat der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich
zu unterrichten und unverzüglich ein Anschlussattest vorzulegen. Der Arbeitgeber kann im Einzelfall
auch eine frühere Vorlage des Attests verlangen.

D. U
 rlaub

I. Gesetzliche Regelungen und Mehrurlaub

46 Der bezahlte Erholungsurlaub ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Die zwin-


genden Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes regeln den Mindesturlaub, der einem
Arbeitnehmer zusteht. Das Bundesurlaubsgesetz beschreibt somit urlaubsrechtliche
Mindestpositionen, von denen in arbeitsvertraglichen Vereinbarungen nicht zum
Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden darf (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG). Bei
der Abwägung, ob Regelungen des Arbeitsvertrages ungünstiger sind als die gesetz-
lichen, müssen die einzelnen Vertragsbestimmungen über Erfüllung der Wartezeit,
Teilurlaub, Übertragbarkeit und Abgeltungsurlaubs jeweils für sich betrachtet mit
den korrespondierenden Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes verglichen werden,
jeweils bezogen auf den Beginn des Urlaubsjahres (sogenannter Einzelvergleich).56
Den Parteien ist es somit vorbehalten, günstigere Regelungen zu treffen. In der Praxis
häufig zu finden sind etwa Vereinbarungen für einen über den gesetzlichen Mindest-
urlaub hinausgehenden Mehrurlaub.
47 Soweit arbeitsvertragliche Abreden auf tarifvertragliche Urlaubsregelungen ver-
weisen, kann auch dies in einzelnen Punkten eine Verschlechterung der urlaubs-
rechtlichen Situation des Arbeitnehmers gegenüber dem jetzigen gesetzlichen
Urlaubsrecht zur Folge haben, da die Tarifvertragsparteien mit Rücksicht auf die
Tarifautonomie in weitem Umfang von dem Grundsatz der Unabdingbarkeit freige-
stellt sind (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Allerdings ist hier ebenfalls zu beachten, dass
zwingende gesetzliche Regelungen bestehen, von denen auch die Tarifvertragspar-
teien nicht abweichen dürfen.
48 Nach dem Nachweisgesetz in § 2 Abs. 1 Nr. 8 ist die Dauer des jährlichen Erho-
lungsurlaubs in die von Arbeitgeber zu fertigende Niederschrift über die wesentlichen

56 Preis/Stoffels II U 20 Rn. 5.

Weiss-Bölz
D. Urlaub 155

Vertragsbedingungen aufzunehmen. Insofern sollten arbeitsvertragliche Regelungen


auch diesen Anforderungen genügen.
Da – wie soeben ausgeführt – günstigere Regelungen für den Arbeitnehmer 49
zulässig sind und darüber hinaus in der Praxis häufig tatsächlich auch Mehrurlaub
gewährt wird, gibt es eine Vielzahl von vertraglichen Klauselmöglichkeiten, die im
Folgenden dargestellt werden.

II. Staffelung der Urlaubsansprüche

Aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist in der Praxis grundsätzlich davon abzu- 50


raten, gestaffelte Urlaubsansprüche zu vereinbaren, wobei auch hier gewisse Mög-
lichkeiten einer Staffelung bestehen. Häufig finden sich Klauseln, die unmittelbar an
das Alter anknüpfen. Hiervon ist in jedem Fall abzuraten.
Eine Staffelung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit kann in Einzelfällen 51
möglich sein. Dabei liegt zwar ggf. aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten eine mit-
telbare Diskriminierung, die Rechtsprechung hat aber bestimmte Staffelungen als
zulässig anerkannt, die im Folgenden aufgezeigt werden.
Zunächst ist aber anzumerken, dass das BAG die Regelung in § 26 TVÖD a. F. für 52
unwirksam erachtet hat, wonach der Urlaub bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26
Urlaubstage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Urlaubstage und nach dem voll-
enden 40. Lebensjahr 30 Urlaubstage betragen sollten.57 Zum einen wurde hier unmit-
telbar an das Lebensalter angeknüpft und im Übrigen war auch keine Rechtfertigung
ersichtlich, weshalb hier ein erhöhter Erholungsbedarf bestand.
In einer neueren Entscheidung zum Urlaubsrecht und einer Staffelung hat das 53
BAG hingegen entschieden, dass die Altersstaffelung eines Schuhherstellers, der
Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahrs jährlich 36 Urlaubstage gewährte
und damit 2 Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern zusprach, recht-
mäßig sei.58 Der Arbeitgeber habe eine Einschätzungsprärogative, ob eine solche
Regelung im Sinne des AGG geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Einschät-
zung war vorliegend nach Auffassung des BAG nicht zu beanstanden, da in dem Pro-
duktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere
Arbeit gegeben war, sodass nach Vollendung des 58. Lebensjahres auch längere Erho-
lungszeiten gerechtfertigt seien als für jüngere Arbeitnehmer. In Anlehnung an diese
Rechtsprechung könnte demnach eine wirksame Klausel gestaltet werden. Sofern
allerdings kein Erfordernis für eine Staffelung besteht, ist davon abzuraten.

57 BAG, Urt. v. 20.03.2012 – 9 AZR 529/10.


58 BAG, Urt. v. 21.10.2014 – 9 AZR 956/12.

Weiss-Bölz
156 Kapitel 5 Nebenpflichten

III. Übertragung des Urlaubs

1. Gesetzliche Vorgaben
54 Nach den Regelungen des BUrlG in § 1 hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalender-
jahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Grundsätzlich erlischt der Urlaubsan-
spruch mit Ablauf des Urlaubsjahres und nur ausnahmsweise geht der Urlaubsan-
spruch nach § 7 Abs. 3 Satz 2 und 3 BUrlG auf die ersten drei Kalendermonate des
Folgejahres über, wenn die Erfüllung des Urlaubsanspruchs aus dringenden
betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen im lau-
fenden Kalenderjahr nicht möglich war. Die Übertragung erfolgt dann kraft Gesetzes,
sodass es weder einer mitwirkenden Handlung des Arbeitgebers noch des Arbeitneh-
mers bedarf.59

2. Klarstellung im Arbeitsvertrag
55 Es kann allerdings häufig Streitigkeiten darüber geben, ob die Übertragungsvoraus-
setzungen vorgelegen haben, sodass zur Vermeidung etwaiger Streitigkeiten und Aus-
einandersetzungen eine Regelung im Arbeitsvertrag dienlich ist. Eine Regelung kann
sich auch deshalb anbieten, um Arbeitnehmer nicht zu motivieren, ihren restlichen
Jahresurlaub noch zum Jahresende zu nehmen, nur um den Verfall des Urlaubs zu
vermeiden. Insbesondere könnte eine generelle Übertragung im Kalenderjahr nicht
genommenen Urlaubs auf die nächsten drei Monate im Folgejahr unabhängig vom
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Arbeitsvertrag vereinbart werden,
wovon in der Praxis auch häufig Gebrauch gemacht wird.

Klauselvorschlag
Der Urlaub ist spätestens zum 31. März des nachfolgenden Jahres zu nehmen.

3. Abweichende Regelungen zum Mehrurlaub


56 Wie bereits erwähnt, kann nur von den zwingenden gesetzlichen Regelungen nicht
zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Bei der Ausgestaltung eines
arbeitsvertraglich eingeräumten Mehrurlaubes sind die Parteien hingegen frei in der
Vereinbarung, sodass hier ausreichend Regelungen im Arbeitsvertrag enthalten sein
sollten, insbesondere auch um eine Differenzierung des gesetzlich zwingend vor-
gesehenen Mindesturlaubs sowie des Mehrurlaubs vorzunehmen. Sofern der Mehr-
urlaub anders behandelt werden soll als der gesetzliche Mindesturlaub, so müssen
eindeutige Vereinbarungen zwischen den Parteien vorliegen. Andernfalls gelten

59 ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rn. 61.

Weiss-Bölz
D. Urlaub 157

die Bestimmungen des BUrlG auch für die Urlaubsbestandteile, die auf arbeitsver-
traglicher Grundlage beruhen.60

Klauselvorschlag
1. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesterholungsurlaub von 20 Arbeits-
tagen (bezogen auf eine 5-Tage-Woche = 24 Werktage). Das Nähere bestimmt sich nach den Vor-
schriften des Bundesurlaubsgesetzes.
2. Zusätzlich zu diesem gesetzlichen Mindesturlaub erhält der Arbeitnehmer einen vertraglichen
Mehrurlaub von 8 Tagen. Für diesen vertraglichen Mehrurlaub gelten die nachfolgenden Rege-
lungen:
– …
– …
3. Mit der Urlaubserteilung erfüllt der Arbeitgeber zunächst den Anspruch des Arbeitnehmers auf
den gesetzlichen Mindesterholungsurlaub, dann einen gegebenenfalls bestehenden Anspruch
auf gesetzlichen Zusatzurlaub [danach gegebenenfalls tariflicher Mehrurlaub]. Erst nach voll-
ständiger Erfüllung des gesetzlichen [und gegebenenfalls des tariflichen] Urlaubsanspruchs
wird der vertragliche Mehrurlaub im Sinne des Abs. 2 erteilt.61

Mit dieser Klausel wird deutlich zwischen gesetzlichem Mindest- und Mehrurlaub dif- 57
ferenziert. Die Regelungen werden im Übrigen auch in getrennten Absätzen behan-
delt, sodass auch eine entsprechende Transparenz gegeben ist.
Empfehlenswert ist schließlich eine klare Tilgungsbestimmung, wenn in dem 58
Arbeitsvertrag vom BUrlG abweichende Regelungen für den arbeitsvertraglichen Meh-
rurlaub aufgenommen werden sollen und demnach eine Differenzierung zwischen
Mindest- und Mehrurlaub erfolgt.62 Das BAG hat aber entschieden, dass auch ohne
ausdrückliche Tilgungsbestimmung der Arbeitgeber mit der Freistellung des Arbeit-
nehmers und der Verpflichtung zur Arbeitsleistung grundsätzlich beide Ansprüche
zum Erlöschen bringt.63 Bei der hier vorgeschlagenen konkreten Differenzierungsre-
gel bietet sich zur Klarstellung aber eine Tilgungsbestimmung an. Beachtet werden
muss auch hierbei, dass vorformulierte Regelungen zum Urlaubsrecht in allgemeinen
Geschäftsbedingungen den § 305 ff. BGB unterfallen und den Anforderungen einer
AGB-Kontrolle entsprechend genügen müssen. Das BAG führt in seinen Entscheidun-
gen aus, dass die Arbeitsvertragsparteien Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche,
die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen, grundsätzlich frei regeln können.64
Es ist dabei allerdings nicht klar, ob das BAG damit uneingeschränkt zum Aus- 59
druck bringen wollte, dass Regelungen über den gesetzlichen Mehrurlaub generell

60 Vgl. BAG, Urt. v. 18.02.2014 – 9 AZR 765/12; BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09; BAG, Urt. v.
15.05.1991 – 5 AZR 440/90.
61 Vgl. dazu auch Powietzka/Fallenstein, NZA 2010, 673.
62 Polzer/Kafka, NJW 2015, 2289, 2292.
63 BAG, Urt. v. 07.08.2012 – 9 AZR 760/10.
64 BAG, Urt. v. 24.03.2009 – 9 AZR 983/07, Powietzka/Rolf, BUrlG § 1 Rn. 2.

Weiss-Bölz
158 Kapitel 5 Nebenpflichten

der Inhaltskontrolle entzogen seien oder ob nur eine Einschränkung gesehen werden
kann. Um dieser Unsicherheit entgegenzutreten, sollten die Regelungen vorsorglich
allesamt den Angemessenheitsanforderungen einer AGB-Kontrolle standhalten.

IV. Q
 uotelung des Urlaubsanspruchs bei Ein- oder Austritt im laufenden
Kalenderjahr

60 Häufig finden sich in der Praxis auch Regelungen, die eine Quotelung beim Ein- oder
Austritt im laufenden Kalenderjahr vorsehen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, da
solche Klauseln vielfach auch unwirksam gestaltet sind. Die zwingenden Vorschrif-
ten des BUrlG müssen nämlich auch in diesem Zusammenhang eingehalten werden,
was vielfach nicht der Fall ist. Für den Mehrurlaub sind solche Regelungen hingegen
zulässig.
61 Beachtet werden muss dabei, dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der 6-monati-
gen Wartezeit den vollen gesetzlichen Urlaubsanspruch erwirbt, etwaige Kürzungsre-
gelungen diesbezüglich sind demnach unwirksam, zumindest was den gesetzlichen
Mindesturlaub anbelangt. Weiter muss beachtet werden, dass eine Quotelung ohne
Differenzierung, wann ein Arbeitnehmer aus dem Vertragsverhältnis ausscheidet,
ebenfalls unzulässig ist. Denn das BUrlG sieht für den Fall des Ausscheidens des
Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis im zweiten Halbjahr eines Kalenderjah-
res vor, dass ein voller Urlaubsanspruch erworben wird. Dies ergibt sich aus dem
Umkehrschluss des § 5 Abs. 1 b) BUrlG, sodass entgegenstehende Regelungen eben-
falls unwirksam bzw. nach § 134 BGB nichtig sind.65 Es gilt hier das Unabdingbarkeits-
prinzip nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. An ihre Stelle tritt die entsprechende Regelung
des BUrlG, wobei sich die Frage stellt, ob in diesen Fällen überhaupt eine sog. gel-
tungserhaltende Reduktion in Betracht kommt. Insbesondere aufgrund der Tatsache,
dass es der Klauselverwender in der Hand hat, konkrete und transparente Regelun-
gen zu gestalten, sollte eine geltungserhaltende Reduktion abgelehnt werden.
62 Trotz dieser Beschränkungen bestehen in der Praxis gleichwohl Möglichkeiten,
in gewisser (zulässiger) Weise eine Quotelung des Urlaubsanspruchs – insbesondere
hinsichtlich des Mehrurlaubs – zu regeln. So käme etwa folgende Formulierung in
Betracht:

Klauselvorschlag
Im Eintritts- und Austrittsjahr hat der Arbeitnehmer, soweit der gesetzliche Mindesturlaub nicht unter-
schritten wird, für jeden vollen Beschäftigungsmonat im Betrieb Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs.

65 BAG, Urt. v. 20.01.2009 – 9 AZR 650/07.

Weiss-Bölz
D. Urlaub 159

V. Kürzungsvereinbarung für Fehlzeiten und ruhende Arbeitsverhältnisse

Häufig hat der Arbeitgeber auch ein Interesse daran, Klauseln für den Fall vorzuse- 63
hen, dass häufige oder längerfristige Fehlzeiten des Arbeitnehmers bestehen oder
aber das Arbeitsverhältnis aus sonstigen Gründen ruht. Diese Zeiten können sich auf
den Urlaub auswirken, wobei bei einer etwaigen Regelung im Arbeitsvertrag wieder-
rum die strengen Regelungen der Rechtsprechung berücksichtigt werden müssen,
insbesondere die Tatsache, dass nur der zusätzliche Mehrurlaub von einer solchen
Kürzungsregelung wirksam betroffen sein kann.
Die Rechtsprechung ist bei der Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubs gerade 64
für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sehr streng und hat diese für unzu-
lässig erklärt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres arbeits-
unfähig war.66
Beachtet werden muss dabei weiter, dass nach der Rechtsprechung des BAG auch 65
im Falle des arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis ruht,
grundsätzlich der Urlaubanspruch entsteht.67 Kürzungsregelungen hinsichtlich des
Mindesturlaubs sind deshalb nach § 13 Abs. 1 Satz 1, 3 BUrlG, § 134 BGB unwirksam
und deshalb zu vermeiden. Wünscht der Arbeitnehmer einen längeren unbezahlten
Sonderurlaub, könnte deshalb erwogen werden, das Arbeitsverhältnis einvernehm-
lich schlicht durch Aufhebungsvertrag zu beenden und dem Arbeitnehmer eine Wie-
dereinstellungszusage zu unveränderten Bedingungen (unter Anrechnung der bishe-
rigen Betriebszugehörigkeit) zu geben.68
Wiederum anders stellt sich die Sachlage bei dem Mehrurlaub dar: Hier können 66
auch im Falle des ruhenden Arbeitsverhältnisses ohne weiteres Kürzungsregelungen
vorgesehen werden, die aber transparent sein müssen.

Klauselvorschlag
Der Mitarbeiter erhält einen Zusatzurlaub von … Arbeitstagen jährlich. Der Zusatzurlaub mindert sich
um 1/12 für jeden vollen Monat, in dem der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt- bzw. Entgelt-
fortzahlung hatte. Gleiches gilt für den Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses.

Da der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, Mehrurlaub zu gewähren, kann schließlich 67


für diesen Mehrurlaub auch ein Widerrufsvorbehalt vereinbart werden, so dass der
Arbeitgeber in gewissen Fällen wieder davon loskommen kann.69

66 BAG, Urt. v. 28.01.1982 – 6 AZR 571/79.


67 BAG, Urt. v. 18.09.2012 – 9 AZR 623/10.
68 Vgl. Klauselvorschläge hierzu auch bei Polzer/Kafka, NJW 2015, 2289, 2298.
69 Vgl. hierzu ausf. Preis/Stoffels II. U20 Rn. 27 ff.

Weiss-Bölz
160 Kapitel 5 Nebenpflichten

VI. Einschränkung anderweitiger Erwerbstätigkeit

68 Das BUrlG enthält auch Regelungen dazu, dass der Arbeitnehmer während seines
Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten darf,
§ 8 BUrlG. Es besteht also bereits kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung die
Pflicht des Arbeitnehmers, sich während des Urlaubs bestimmter Tätigkeiten zu
enthalten. Es besteht allerdings kein generelles Tätigkeitsverbot, sondern darunter
werden nur Erwerbstätigkeiten verstanden, die dem Urlaubszweck zuwider laufen.70
Dabei kommt es immer auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf Art und
Umfang der Tätigkeit sowie auf die daraus folgende körperliche, geistige und seeli-
sche Beanspruchung des Arbeitnehmers. Nicht verboten sind sogenannte Kontrast-
bzw. Ausgleichstätigkeiten71, wie beispielsweise die Arbeit auf einem Bauernhof.
69 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wäre demnach ein vertraglich festge-
haltenes generelles Verbot kritisch, da der Arbeitgeber hierfür kein berechtigtes Inter-
esse hat und der Arbeitnehmer im Übrigen auch selbst seinen Urlaub gestalten kann.
Auch im Hinblick auf Art. 12 GG sind anderweitige Erwerbstätigkeiten in dem oben
beschriebenen Umfang grundsätzlich zu respektieren und könnten auch arbeitsver-
traglich nicht verboten werden.

VII. Abweichende Berechnung des Urlaubsentgelts

70 Das BUrlG enthält auch eine Regelung zur Höhe des Urlaubsentgelts, nämlich § 11
Abs. 1 Satz 1 BUrlG. Danach richtet sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnitt-
lichen Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor Beginn
des Urlaubs erhalten hat (sog. modifizierte Referenzperiode). Auch hier können
bei dem übergesetzlichen Mehrurlaub wieder gewisse Modifikationen vereinbart
werden, sodass beispielsweise die Verlängerung des Referenzzeitraums unproblema-
tisch möglich ist. In der Praxis wird sich hierbei aber häufig ein Gleichlauf finden
lassen, da eine Differenzierung aufwändig und unpraktikabel ist.

VIII. Verfallklauseln

71 Wie bereits ausgeführt, ist der gesetzliche Urlaubsanspruch grundsätzlich auf das
laufende Kalenderjahr befristet (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Eine Übertragung findet
grundsätzlich nur nach den im Gesetz vorgesehenen Fällen des § 7 Abs. 3 Satz 2–4
BUrlG statt. Eine weitergehende Gestaltung hinsichtlich des Verfalls eines etwaigen

70 ErfK/Gallner, § 8 BUrlG Rn. 2; Powietzka/Rolf, BUrlG § 8 Rn. 2.


71 Moll/Reinfeld, § 33 Rn. 75.

Weiss-Bölz
D. Urlaub 161

Urlaubsanspruchs hatte die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren zu entschei-


den.
Der EuGH hatte in seiner vielzitierten Schultz-Hoff-Entscheidung vom 72
20.01.200972 und der Berufung auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG ausgeführt, dass
eine Beschränkung auf das laufende Kalenderjahr nicht möglich sei, wenn der Arbeit-
nehmer wegen Arbeitsunfähigkeit nicht die Möglichkeit hatte, den Urlaub tatsäch-
lich zu nehmen. Es spiele dabei keine Rolle, ob der Arbeitnehmer dauerhaft oder nur
zeitweise krank gewesen ist. Nach dem Wortlaut der Richtlinie sei es den Mitglieds-
staaten untersagt, das Erlöschen des Anspruchs wegen Krankheit vorzusehen. Diese
weitgehende Rechtsprechung hat der EuGH in der KHS-Schulte-Entscheidung ein-
gegrenzt und eine tarifliche Verfallklausel, die einen Verfall von Urlaubsansprüchen
von 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres vorsah, auch im Hinblick auf lang-
zeiterkrankte Arbeitnehmer für unionsrechtskonform erachtet. Über eine bestimmte
Grenze hinaus fehle nämlich dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Arbeit-
nehmer als Erholungszeit, sodass eine Verfallfrist, die über dieser Grenze liege, mit
der Arbeitszeitrichtlinie vereinbar sei.73
Das BAG hat die Entscheidungen des EuGH zwischenzeitlich auch umgesetzt und 73
in seiner Rechtsprechung berücksichtigt, so dass es nunmehr im Wege einer modi-
fizierten richtlinienkonformen Rechtsfortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG der
Auffassung ist, dass Urlaubsansprüche langzeiterkrankter Arbeitnehmer, auch wenn
sie nicht die Möglichkeit einer Inanspruchnahme hatten, am 31. März des zweiten auf
das Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen, also 15 Monate nach Ablauf des Kalen-
derjahres.74
Diese neue Linie hat das BAG auch auf den schwerbehinderten Zusatzurlaub aus 74
§ 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erstreckt.75
Der Mehrurlaub kann allerdings wie bei den übrigen Regelungen auch frei 75
zwischen den Parteien gestaltet werden, so dass bei diesem die vom EuGH aufge-
stellte und vom BAG umgesetzte Rechtsprechung nicht gilt. Eine Differenzierung
ist demnach anzuraten, wobei die Klausel wiederum transparent ausgestaltet sein
muss. Insofern bietet es sich an, den übergesetzlichen Mehrurlaub in einer separaten
Klausel zu regeln.
Dadurch wird die Klausel insgesamt übersichtlicher und im Übrigen stellt sich 76
dies auch aus dem Gesichtspunkt der Teilbarkeit als vorteilhafter dar.
Folgende Klausel könnte also für den Mehrurlaub und einen etwaigen Verfall 77
getroffen werden:

72 EuGH, Urt. v. 20.01.2009 – C 350/06 und C 520/06.


73 EuGH, Urt. v. 22.11.2011 – C 214/10.
74 BAG, Urt. v. 11.06.2013 – 9 AZR 855/11.
75 BAG, Urt. v. 23.03.2010 – 9 AZR 128/09.

Weiss-Bölz
162 Kapitel 5 Nebenpflichten

Klauselvorschlag
Abweichend von den gesetzlichen Vorgaben für den Mindesturlaub gilt für den über den gesetzlichen
Mindesturlaub hinausgehenden arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruch, dass dieser nach Ablauf des
Kalenderjahres und im Falle der Übertragung spätestens nach Ablauf des Übertragungszeitraums am
31.03 des folgenden Kalenderjahres auch dann verfällt, wenn der Urlaub im Urlaubsjahr und/oder
bis zum 31.03 des folgenden Kalenderjahres wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht ge-
nommen werden konnte.

IX. Ausschluss der Abgeltung für Mehrurlaub

78 Der EuGH interpretiert Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG entgegen der bis-
herigen Rechtsprechung des BAG in der Weise, dass diese Vorschrift einzelstaatli-
chen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, wonach der Anspruch
auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht
genommen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitneh-
mers endet.76
79 Für das deutsche Urlaubsrecht bedeutet dies, dass sich zumindest ein noch nicht
erfüllter gesetzlicher Urlaubsanspruch mit dem Tode des Arbeitnehmers in einen
Urlaubsabgeltungsanspruch verwandelt und im Zeitpunkt des Todes des Arbeitneh-
mers unmittelbar bei dessen Erben entsteht.77
80 Da diese europarechtlichen Vorgaben wiederum nur den gesetzlichen Mindestur-
laub betreffen, kann beim Mehrurlaub durch entsprechende Gestaltung ein Anspruch
auf die Erben verhindert werden. Im Übrigen kann durch diese Klausel generell ein
Ausschluss der Abgeltung für Mehrurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
vorgesehen werden.

Klauselvorschlag
Der vertragliche Mehrurlaub erlischt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersatzlos, wird also
nicht abgegolten und ist nicht vererblich.

X. A
 usschlussfristen

81 Ausschlussfristen, die in einem Arbeitsvertrag enthalten sind, finden generell in


der Rechtsprechung auf Ansprüche, die wie Urlaubsansprüche befristet für einen

76 Polzer/Kafka, NJW 2015, 2289.


77 EuGH, Urt. v. 12.06.2014 – C 118/13 (Bollacke).

Weiss-Bölz
D. Urlaub 163

bestimmten Zeitraum bestehen und deren Erfüllung während dieser Zeit stets ver-
langt werden kann, keine Anwendung.78
Der Urlaubsabgeltungsanspruch hingegen ist nach Aufgabe der Surrogatstheo- 82
79
rie als reiner Geldanspruch grundsätzlich auch von den generellen Ausschlussfris-
ten umfasst. Er entsteht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.80 Eine gesonderte
Regelung ist nicht erforderlich.81

XI. Freistellung unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprüche

Für den Fall, dass die Parteien in Streit stehen bzw. eine Kündigung ausgesprochen 83
wurde, wird häufig eine Freistellungsregelung im Arbeitsvertrag aufgenommen. Hier
ist zu beachten, dass eine Freistellung unter Anrechnung restlicher Urlaubsansprü-
che erfolgen kann, sodass sich auch hierzu eine Klausel anbietet.
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellungsabrede ist 84
grundsätzlich anzuerkennen, sodass ein Freistellungsvorbehalt auch im Arbeitsver-
trag getroffen werden kann. Wichtig ist allerdings der Hinweis, dass die Freistellung
unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubsansprüche erfolgt, da die Freistel-
lung des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres auch eine Urlaubserteilung umfasst.82
Eine uneingeschränkte und nicht an eine erforderliche Interessenabwägung 85
gebundene jederzeitige Freistellung ist jedoch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzuläs-
sig.83

XII. Rückforderung überzahlten Urlaubsentgelts

In § 5 Abs. 3 BUrlG ist ein Rückforderungsverbot für den Fall vorgesehen, dass von 86
einem Arbeitnehmer, dem in der ersten Jahreshälfte ein durch die bisher zurück-
gelegte Zeit im Kalenderjahr noch nicht gerechtfertigter Urlaub gewährt worden
ist, bei einem Ausscheiden vor dem 01.07.2015 das überzahlte Urlaubsentgelt nicht
zurückgefordert werden kann. Insofern handelt es sich um zwingende Vorschriften
des BUrlG, von den auch im Arbeitsvertrag nicht abgewichen werden darf (§ 13 Abs. 1

78 Vgl. BAG, Urt. v. 24.11.1992 – 9 AZR 549/91.


79 Nach früherer Ansicht des BAG war der Abgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs
auf das Kalenderjahr befristet. Diese Rechtsprechung wurde aufgegeben, vgl. BAG, Urt. v. 24.03.2007 –
9 AZR 983/07.
80 Schaub/Linck, § 104 Rn. 131; BAG, Urt. v. 09.08.2011 – 9 AZR 365/10.
81 Vgl. Klauser Kap. 4 Rn. 176.
82 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 9 AZR 934/06; Schaub/Linck, § 104 Rn. 21.
83 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn. 568; vgl. dazu ausführlich Kap. 6 Rn. 182 ff.

Weiss-Bölz
164 Kapitel 5 Nebenpflichten

Satz 3 BUrlG). Für die vom BUrlG nicht erfassten Fallgestaltungen kann allerdings
eine Rückforderung in Betracht kommen.
87 Wenn der Arbeitgeber keine vertraglichen Regelungen zu einem etwaigen Rück-
forderungsvorbehalt getroffen hat, könnte in der Gewährung des Urlaubs ein still-
schweigender Rückforderungsverzicht gesehen werden. Um dem zu begegnen, emp-
fiehlt sich eine Rückforderungsvereinbarung, auch wenn bei der Durchsetzung der
Rückforderung Problembereiche auftreten können, die nach § 374 BGB bei einer Auf-
rechnung Anwendung finden, insbesondere unter Berücksichtigung etwaiger Pfän-
dungsschutzvorschriften. Eine vertragliche Regelung zeigt dem Arbeitnehmer aber
klar auf, dass er mit einer Rückforderung zu rechnen hat, wenn er mehr Urlaub nimmt
als ihm zusteht.
88 Diskutiert wird auch, ob solche Rückzahlungsvereinbarungen den Arbeitnehmer
unangemessen i. S. v. § 307 BGB benachteiligen. Dem kann aber im Ergebnis nicht
gefolgt werden, weil § 5 Abs. 3 BUrlG bestimmte Anwendungsbereiche klar regelt und
im Übrigen die Parteien frei in der Gestaltung sind, insbesondere was den übergesetz-
lichen Mehrurlaub anbelangt. Insofern könnte sich etwa folgende Klausel anbieten:

Klauselmuster
Hat der Mitarbeiter im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Unternehmen mehr Urlaub erhalten als
ihm zusteht, so hat er das auf die überzähligen Urlaubstage erhaltene Urlaubsentgelt zurückzuzahlen.
Dies gilt nicht hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs, wenn die Überzahlung darauf beruht,
dass der Mitarbeiter nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte des Kalenderjahres ausscheidet.

XIII. U
 rlaubsgeldabreden

1. Differenzierung Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld


89 Häufig erhält der Arbeitnehmer neben dem eigentlichen Urlaubsentgelt auch ein
Urlaubsgeld. Letzteres ist streng zu trennen vom Urlaubsentgelt, das seiner laufenden
Vergütung entspricht. Zusätzliches Urlaubsgeld ist hingegen nach der Konzeption dazu
bestimmt, Sonderaufwendungen des Arbeitnehmers aus Anlass des Urlaubs abzude-
cken, sodass der Arbeitnehmer hier eine zusätzliche sogenannte Sonderleistung mit
Gratifikationscharakter gewährt.84 Der Arbeitgeber ist danach gesetzlich nicht dazu
verpflichtet, so dass sich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsgeld nur bei
Bestehen einer besonderen Abrede zwischen den Parteien ergibt. Häufig wird unter
dem Urlaubsgeld auch das 13. bzw. 14. Monatsgehalt verstanden, sodass in bestimmten
Zeiten noch ein zusätzlicher Gehaltsbestandteil gezahlt wird. In der inhaltlichen Aus-
gestaltung einer solchen Urlaubsgeldabsprache sind die Parteien grundsätzlich frei,
es finden sich in der Praxis deshalb verschiedene Klauseltypen:

84 ErfK/Gallner § 11 BUrlG Rn. 28.

Weiss-Bölz
D. Urlaub 165

Klauselvorschläge
a) Jeder Arbeitnehmer, der am 1.7. eines Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis
steht, erhält mit dem Monatsgehalt ein Urlaubsgeld von einem Monatsbeitrag.
b) Bei Urlaubsantritt erhält Herr/Frau ein zusätzliches Urlaubsentgelt in Höhe von … EUR je Urlaubs-
tag.

2. S tichtagsregelungen
Wie sich aus den Klauseltypen ergibt, können auch Stichtagsregelungen aufgenom- 90
men werden, wonach das Urlaubsgeld zu einem bestimmten Tag zu zahlen ist und der
Mitarbeiter zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen
muss. Bei Stichtagsregelungen ist aber zu beachten, dass nach der Rechtsprechung
Sonderzuwendungen nur vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu
einem Stichtag abhängig gemacht werden dürfen, wenn sie nicht (auch) die Arbeits-
leistung des Arbeitnehmers vergüten, sondern als „Treueprämie“ erwiesene oder als
Halteprämie künftige Betriebstreue honorieren sollen. In der vorliegenden ersten
Klausel (vgl. a)) ist das BAG85 zu dem Ergebnis gelangt, dass das Urlaubsgeld hier
nicht (auch) der Vergütung erbrachter Arbeitsleistungen dienen sollte. Die Anknüp-
fung in der Klausel an den genommenen Urlaubstag zeige, dass das Urlaubsgeld dem
Erholungszweck dienen soll und nicht die Vergütung der Arbeitsleistung zum Gegen-
stand hat.

3. Widerrufsvorbehalt
Da es sich beim Urlaubsgeld um eine rein zusätzliche Leistung des Arbeitgebers 91
handelt, ist zu empfehlen, auch hier einen entsprechenden Widerrufsvorbehalt auf-
zunehmen.

Klauselvorschlag
Der Arbeitgeber kann … das Urlaubsgeld aus (triftigen) wirtschaftlichen Gründen widerrufen, insbe-
sondere bei schlechtem Verlauf des Geschäftsjahres, bei Umgestaltung des Entgeltsystems oder bei
Belastung des Unternehmens mit zusätzlichen gesetzlichen oder tariflichen Leistungen.

4. V erfallsklausel
Im Übrigen ist weiter anzuraten, auch eine Verfallklausel für das Urlaubsgeld vor- 92
zusehen, damit der Erstreckung der Schultz-Hoff-Entscheidung auf arbeitsvertrag-
liche Urlaubsgeldansprüche vorgebeugt werden kann. Es kann hierbei ein unein-
geschränkter Verfall vereinbart werden, weil diese Regelungen nicht zu den durch

85 BAG, Urt. v. 22.07.2014 – 9 AZR 981/12.

Weiss-Bölz
166 Kapitel 5 Nebenpflichten

die Arbeitszeitrichtlinie geschützten Mindeststandards gehören, so ausdrücklich das


LAG Düsseldorf.86

Klauselmuster
Der Arbeitgeber erhält ein Urlaubsgeld in Höhe von 55 % eines Bruttomonatsgehalts, das jeweils am
Monatsende anteilig für die Anzahl der im betreffenden Monat gewährten Urlaubstage ausgezahlt
wird. Der Urlaubsgeldanspruch verfällt, wenn und soweit der Arbeitnehmer die entsprechenden Ur-
laubstage nicht spätestens bis zum Ende des jeweiligen Urlaubsjahres verwirklicht. Das gilt auch
dann, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht nehmen
kann, z. B. weil er während des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt ist.

5. R
 ückzahlungsklausel
93 Schließlich kann auch eine Rückzahlungsklausel für den Fall des Ausscheidens vor
einem bestimmten Termin vorgesehen werden. Eine solche Gestaltung des Anspruchs
auf zusätzliches Urlaubsgeld ist aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit grund-
sätzlich gestattet.87 Insbesondere gilt das Rückforderungsverbot des § 5 Abs. 3 BUrlG
hierfür nicht, da der Erholungsurlaub nicht tangiert wird, sondern ausschließlich
das Urlaubsgeld betroffen ist. In Anlehnung an die richterrechtlichen Grundsätze zur
Rückzahlung von Weihnachtsgratifikationen sind hier allerdings gewisse Bindungs-
grenzen aufgestellt worden, wonach eine Rückzahlung bei sog. Kleingratifikationen
beispielsweise ausgeschlossen ist.88

E. Annahme von Geschenken und Begünstigungen

I. R
 echtliche Erläuterungen

94 Gerade in den vergangenen Jahren gab es in der Unternehmensgeschichte in Deutsch-


land immer größere Skandale über Bestechungsvorwürfe und Ähnliches. Insofern
haben bereits zahlreiche, vor allem größere Unternehmen, eine eigene Compliance-
Abteilung aufgebaut und gestalten hier entsprechende Verhaltensanforderungen
an ihre Mitarbeiter in Form von Ethik- oder Compliance-Richtlinien, die u. a. auch
Regelungen über die Annahme etwaiger Geschenke oder anderen Vorteilen beinhal-
ten. Oftmals finden sich in den Betrieben aber auch Regelungen mit dem Betriebsrat,
sodass diese ggf. vorgehen. Sollten allerdings keine Betriebsvereinbarungen hierzu
existieren, bieten sich individualvertragliche Regelungen an.

86 LAG Düsseldorf, Urt. v. 02.02.2009 – 12 Sa 486/06; zustimmend Powietzka/Fallenstein, NZA 2010,


673.
87 Preis/Stoffels II U 20 Rn. 89.
88 Vgl. zu den Einzelheiten hierzu etwa Preis/Stoffels, II U 20 Rn. 89.

Weiss-Bölz
E. Annahme von Geschenken und Begünstigungen 167

Die Regelung im Vertrag hat vor allem auch den Sinn und Zweck, den Arbeitneh- 95
mer zu sensibilisieren und eine Signalwirkung an den Arbeitnehmer zu senden, dass
ein Fehlverhalten in diesem Bereich ggf. sogar in strafrechtlicher Hinsicht bewertet
werden könnte. Gerade in kleinen oder mittleren Unternehmen, die keine eigene
Compliance-Abteilung oder einen Betriebsrat haben, bieten sich demnach individu-
alvertragliche Regelungen an. In größeren Unternehmen mit eigener Compliance-
Abteilung besteht ggf. eine Compliance-Richtlinie (COC), auf die im Arbeitsvertrag
dann verwiesen werden kann.

1. Nebenpflichtverletzung
Mit der Annahme von Geschenken kann der Arbeitnehmer bestimmte Nebenpflichten 96
aus seinem Arbeitsverhältnis verletzen. Die vertraglichen, aber auch die strafrechtli-
chen Grenzen werden vor allem dann überschritten, wenn die „Aufmerksamkeiten“
zu einer unlauteren Einflussnahme zu Gunsten eines bestimmten Geschäftspartners
werden. Dann besteht die Gefahr der Korruption. Es drohen hierbei strafrechtliche
Konsequenzen, der Arbeitnehmer kann aber damit auch eine verhaltensbedingte
(außerordentliche) Kündigung riskieren.89
Wie auch in anderen Fällen kommt es in der Rechtsprechung des BAG hierbei 97
aber nicht auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern entscheidend ist vielmehr,
ob und inwieweit der Arbeitnehmer mit solchen Handlungen in erheblichem Maße
seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seines Arbeitgebers und damit
Nebenpflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB verletzt.90

2. Strafrechtliche Konsequenzen
Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die strafrechtlichen Grenzen 98
im Hinblick auf die Vorteilsannahme vor allem aus § 299, §§ 331 ff. StGB zu entnehmen
sind. Hierbei ist insbesondere die Sozialadäquanz relevant, so dass entscheidend
ist, ob die Zuwendung der Höflichkeit entspricht und sowohl sozialüblich, als auch
unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzes allgemein gebilligt werden kann oder
ob diese Grenze überschritten wird. Zu beachten ist dabei, dass bei Amtsträgern noch
schärfere Anforderungen gelten.91

89 Vgl. Schaub/Linck, § 127 Rn. 116.


90 Vgl. BAG, Urt. v. 21.06.2012 – 2 AZR 694/11; BAG, Urt. v. 15.11.2001 – 2 AZR 605/00.
91 Vgl. Schröder, ArbR aktuell 2014, 529.

Weiss-Bölz
168 Kapitel 5 Nebenpflichten

3. A
 rbeitsvertragliche Regelungen
99 Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, dass die Vertragsparteien möglichst genau
festlegen, in welchem Maße die Annahme von Geschenken unschädlich ist und bes-
tenfalls, wie sich ein Arbeitnehmer zu verhalten hat, wenn ihm Geschenke angetra-
gen werden, deren Einordnung nicht ohne weiteres eindeutig ist. So kann z. B. ein
absolutes Verbot zur Annahme von Geschenken geschaffen werden oder ein rela-
tives Verbot, bei dem ein Gegenwert genau festgelegt wird.92 Weiterhin empfiehlt
es sich, dem Arbeitgeber die Angebote von Geschenken, Gefälligkeiten oder Zuwen-
dungen anzeigen zu müssen und diesbezüglich eine Pflicht des Arbeitnehmers im
Vertrag aufzunehmen. Auch kann eine Herausgabepflicht vorgesehen werden, ggf.
relativiert dadurch, dass der Herausgabepflicht nicht sozialadäquate Gelegenheits-
geschenke unterliegen, deren Wert nicht über 10/20/30 € im Jahr hinausgehen. Die
Anzeigepflicht sollte gleichwohl auch in diesem Fall bestehen bleiben.
100 Da in unterschiedlichen Branchen auch unterschiedliche Gegebenheiten über
die Höhe des Sozialadäquaten bestehen, empfiehlt sich auch deshalb eine vertrag-
liche Regelung. Dem Arbeitnehmer wird dadurch die Schwelle zur kündigungsrele-
vanten Pflichtverletzung klar aufgezeigt. In jedem Fall sollte allerdings das Schmier-
geldverbot als Ausgangspunkt beachtet werden. Gegen dieses verstößt, wer sich als
Arbeitnehmer bei der Ausführung von vertraglichen Aufgaben Vorteile versprechen
lässt oder entgegennimmt, die dazu bestimmt oder geeignet sind, ihn in seinem
geschäftlichen Verkehr zu Gunsten Dritter und zum Nachteil seines Arbeitgebers
zu beeinflussen.93 Bei der Höhe kann auch auf § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG zurückgegriffen
werden, sodass Arbeitnehmer Gelegenheitsgeschenke in Anlehnung an die Vorschrift
des EStG annehmen dürfen, die 35 € pro Jahr nicht überschreiten.

II. Muster einer Regelung zur Annahme von Geschenken und sonstigen Vorteilen

Klauselmuster
Der Mitarbeiter darf Geschenke oder andere Vorteile, die ihm von Dritten zugewandt werden und die
über ein sozial adäquates Maß [beispielsweise geringwertige Werbegeschenke; ggf. sogar konkreten
Maximalbetrag in Euro angeben]hinausgehen, nicht annehmen. Hat der Mitarbeiter Zweifel, ob es
sich um ein Geschenk im üblichen und sozial adäquaten Rahmen handelt, so hat er die Angelegenheit
der Geschäftsleitung anzuzeigen und ggf. eine Entscheidung hierüber einzuholen.
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, dem Arbeitgeber jegliche Angebote von Geschenken, Gefälligkeiten
oder Zuwendungen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses anzuzeigen.
[Ggf., sofern im Unternehmen vorhanden: im Übrigen gelten die Vorschriften des Code of Conduct/
der unternehmensinternen Verhaltensrichtlinien.]

92 Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang/Klagges II. 31 Rn. 242.


93 Vgl. MüKo-BGB/Müller-Glöge § 611 BGB, Rn. 11, 19.

Weiss-Bölz
F. Antidiskriminierung 169

F. A
 ntidiskriminierung

I. R
 echtliche Erläuterungen

Das AGG wurde im August 2006 eingeführt und enthält ein Diskriminierungsverbot 101
aufgrund der dort genannten verpönten Merkmale. Es sind demnach Benachteiligun-
gen wegen aller in § 1 AGG genannten Merkmale verboten, also wegen der Rasse oder
wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung,
einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.94
Entsprechend den Regelungen im AGG ist der Arbeitgeber nach § 12 AGG verpflich- 102
tet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Diskriminierungen zu treffen. Aus
diesem Grund kann es sich anbieten, eine vertragliche Klausel in den Arbeitsvertrag
aufzunehmen, um dem Arbeitnehmer zum einen die Regelungen und Gebote des AGG
aufzuzeigen, zum anderen aber auch deshalb, dass der Arbeitgeber im Falle eines
Verstoßes darlegen kann, hier eine erforderliche Maßnahme zum Schutz vor Diskri-
minierung getroffen zu haben.
Es muss aber gleichwohl beachtet werden, dass allein eine Regelung im Arbeits- 103
vertrag nicht ausreichend ist, damit der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nach dem
AGG in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Der Arbeitgeber ist nämlich auch
nach den gesetzlichen Regelungen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AGG) gehalten, die Mitarbeiter in
dieser Hinsicht entsprechend zu schulen. Arbeitgeber, die die vorbeugenden und prä-
ventiven Maßnahmen unterlassen, begeben sich in das Risiko, bei Diskriminierungs-
handlungen in ihrem Unternehmen für das Fehlverhalten der Arbeitnehmer zu Ver-
antwortung gezogen zu werden. Insofern ist eine dahingehende Regelung geboten,
sollte jedoch nicht die einzige Maßnahme zur Antidiskriminierung darstellen.

II. Klausel zur Antidiskriminierung

Klauselmuster
Das Unternehmen weist den Mitarbeiter hiermit ausdrücklich darauf hin, dass jede Diskriminierung
von Mitarbeitern und Dritten wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer
Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters oder der sexuellen Identität, jede Be-
lästigung oder sexuelle Belästigung im Zusammenhang mit diesen Merkmalen verboten ist und von
dem Unternehmen nicht geduldet wird. Ein Verstoß des Mitarbeiters gegen das Diskriminierungsver-
bot stellt zugleich eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Mitarbeiters dar.

94 Vgl. hierzu näher auch ErfK/Schlachter, § 7 AGG Rn. 1 ff.

Weiss-Bölz
170 Kapitel 5 Nebenpflichten

G. Verpflichtung auf das Datengeheimnis

I. R
 echtliche A­usführungen

1. Gesetzliche Vorgaben
104 Das BDSG spielt im Arbeitsverhältnis eine wesentliche Rolle, so dass bei der Daten-
verarbeitung Beschäftigte nicht-öffentlicher Stellen auf das Datengeheimnis nach § 5
Satz 2 BDSG zu verpflichten sind. Nicht-öffentliche Stellen sind dabei gemäß § 2 Abs. 4
Satz 1 BDSG natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Perso-
nenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nichtöffentliche Stellen i. S. d. § 2
Abs. 1 bis 3 BDSG sind oder hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung i. S. d.
§ 2 Abs. 4 Satz 2 BDSG wahrnehmen. Insofern ist eine solche Verpflichtung gesetzlich
vorgeschrieben. Mit der Verpflichtung wird der Zweck verfolgt, den bei der Daten-
verarbeitung beschäftigten Personen die besonderen Pflichten ausdrücklich aufzu-
erlegen und sie darauf hinzuweisen, so dass sich eine gesonderte Vereinbarung in
schriftlicher Form anbietet.
105 Da mit einer entsprechenden Vereinbarung der Schutzweck des BDSG erreicht
werden soll und hier besonders sensible Daten betroffen sind, sollte der Personen-
kreis, der bei der Datenvereinbarung beschäftigt ist, extensiv ausgelegt werden.95 Es
ist somit allein eine faktische Möglichkeit des Zugangs zu und der Verwendung von
personenbezogenen Daten ausreichend. Dies sollte bei einer entsprechenden Ver-
pflichtung berücksichtigt werden, insbesondere um nicht aufgrund einer fehlenden
Vereinbarung etwaige Verletzungen gesetzlicher Vorschriften begangen zu haben. Es
können also auch Boten und Mitarbeiter der EDV-Abteilung sowie Reinigungskräfte,
die für die Entsorgung von Unterlagen mit personenbezogenen Daten zuständig sind,
von der Regelung umfasst sein.96 Die Qualifizierung des Beschäftigungsverhältnisses
ist dabei unerheblich, es ist also nicht entscheidend, ob es sich um einen Arbeitneh-
mer, eine arbeitnehmerähnliche Person oder gar um einen freien Mitarbeiter handelt.
106 Nach dem Gesetzeswortlaut soll die Verpflichtung bei Aufnahme der Tätig-
keit erfolgen. Darunter wird in der Regel der Arbeitsbeginn beim Unternehmen zu
verstehen sein, kann jedoch auch erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses bei einem
Arbeitsplatzwechsel erfolgen. Insofern kann sich eine Regelung bei Abschluss des
Arbeitsvertrages bereits anbieten. Bestimmte Vorgaben ergeben sich ggf. auch aus
Compliance-Richtlinien entsprechender Unternehmen. Nach den gesetzlichen Rege-
lungen besteht das Datengeheimnis auch nach Beendigung der Tätigkeit fort.97

95 Gola/Schomerus/Gola/Klug/Körffer, BDSG § 5 Rn. 9.


96 Gola/Schomerus/Gola/Klug/Körffer, BDSG § 5 Rn. 9.
97 Vgl. hierzu ErfK/Franzen, BDSG § 5 Rn. 1 f.

Weiss-Bölz
G. Verpflichtung auf das Datengeheimnis 171

2. H
 inweise zur Vertragsgestaltung
Die Verpflichtungserklärung ist an keine besondere Form gebunden, aus Beweiszwe- 107
cken bietet sich aber auch hier eine schriftliche Erklärung an.
Da die Verpflichtung auf das Datengeheimnis gesetzlich vorgeschrieben und 108
besonders hervorgehoben sein sollte, ist davon abzuraten, diese in den Text des
Arbeitsvertrages einzufügen, da hier die Gefahr besteht, dass der Text überlesen wird.
Es bietet sich vielmehr an eine gesonderte Vereinbarung zu treffen, die zusammen
mit dem Arbeitsvertrag ausgehändigt wird. Bei der Übergabe sollte der Arbeitnehmer
im Übrigen auch nochmals mündlich auf die Verpflichtungen hingewiesen werden,
damit der Arbeitgeber seinen Pflichten aus dem BDSG gerecht wird. Es bietet sich
auch an, zusätzlich ein Merkblatt sowie ein Abdruck der einschlägigen Vorschriften
des Bundesdatenschutzgesetzes mit auszuhändigen.

II. Klauselvorschlag

Ein Muster für eine solche Verpflichtung auf das Datengeheimnis könnte etwa wie 109
folgt aussehen:

Klauselmuster
Verpflichtung auf das Datengeheimnis (§ 5 BDSG)
(Name und Geschäftsanschrift des Unternehmens)
verpflichtet
(Name und Privatanschrift des Mitarbeiters)
wie folgt auf das Datengeheimnis:
1. Gemäß § 5 Satz 2 BDSG verpflichtet sich der Mitarbeiter, das Datengeheimnis zu wahren, das
heißt, personenbezogene Daten, also Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhält-
nisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, nicht unbefugt zu erheben, zu
verarbeiten oder zu nutzen. Dies erfasst das unbefugte Beschaffen, Speichern, Verändern, Über-
mitteln, Sperren, Löschen sowie jegliche sonstige Verwendung personenbezogener Daten.
2. Das Datengeheimnis besteht auch nach der Beendigung der Tätigkeit des Mitarbeiters, zum Bei-
spiel durch Arbeitsplatzwechsel oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses, fort.
3. Das Unternehmen fordert den Mitarbeiter auf, diese Verpflichtung gewissenhaft zu erfüllen.
4. Der Mitarbeiter wird darauf hingewiesen, dass Verstöße gegen das Datengeheimnis insbeson-
dere gemäß §§ 43, 44 BDSG strafbewehrt sind und mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft
werden können. Verstöße gegen das Datengeheimnis können auch Schadensersatzansprüche
gegenüber dem Mitarbeiter begründen und arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündi-
gung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen.
5. Die Möglichkeit des Mitarbeiters, sich bei Zweifeln über das Datengeheimnis an seinen Vorge-
setzten oder den betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu wenden, bleibt hiervon unberührt.
6. Die sich aus dem Arbeitsvertrag, sonstigen Vereinbarungen sowie gesetzlichen Regelungen er-
hebenden Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten bleiben von dieser Verpflichtung
unberührt.
Ort, Datum
(Unterschrift des Unternehmens)

Weiss-Bölz
172 Kapitel 5 Nebenpflichten

Mit meiner Unterschrift bestätige ich, dass ich die vorstehende Verpflichtung auf das Datengeheimnis
(§ 5 BDSG) erhalten, gelesen und verstanden habe.

Ort, Datum
(Unterschrift des Mitarbeiters)

H. D
 atenschutzerklärung

I. R
 echtliche Erläuterungen

1. Z
 ustimmung zur Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe personenbezogener
Daten
110 Wie bereits ausgeführt, sind das Datenschutzgesetz und auch Daten generell im heu-
tigen Rechtsverkehr ein besonders sensibles Thema und nicht selten Gegenstand
zahlreicher Bespitzelungs- und Datenskandale.
111 Im BDSG ist im § 4 geregelt, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung per-
sonenbezogener Daten nur zulässig ist, soweit das BDSG oder eine andere Rechts-
vorschrift dies erlaubt. Die Anforderungen an diese Erklärung regelt § 4a BDSG.98
Danach muss eine Einwilligung schriftlich erteilt werden. Sofern die Einwilligung
zusammen mit anderen Erklärungen erteilt wird, so muss sie gesondert hervorgeho-
ben werden. Insofern ist es ratsam, auch hier eine explizite gesonderte Vereinba-
rung zum Arbeitsvertrag zu treffen. Die Einwilligung muss grundsätzlich auch frei-
willig sein, so dass die Erklärung nicht zeitgleich mit Abschluss des Arbeitsvertrags
abgegeben werden sollte.99

2. § 32 BDSG
112 Obgleich seit 01.09.2009 eine neue Vorschrift im BDSG aufgenommen wurde, konkret
§ 32 BDSG, wonach personenbezogene Daten eines Beschäftigen für Zwecke des
Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden können, wenn
dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses
oder für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist, sollte gleichwohl an
einer expliziten Einwilligung durch den Arbeitnehmer festgehalten werden. Die Rege-
lung des § 32 BDSG wird insgesamt nämlich als kritisch beurteilt, da viele vage Rechts-

98 Künftig sollten auch die Entwicklungen zur EU-Datenschutz-Grundverordnung, die Anfang 2018
in Kraft treten soll, beobachtet werden. Damit soll das Datenschutzrecht innerhalb Europas verein-
heitlicht werden. Die Grundverordnung, die am 14. April 2016 durch das EU-Parlament beschlossen
wurde, ist in allen Mitgliedstaaten nach einer entsprechenden Übergangsphase direkt geltendes
Recht. Informationen hierzu unter www.datenschutz-grundverordnung.eu.
99 Vgl. auch BAG, Urt. v. 11.12.2014 – 8 AZR 1010/13; MaSiG/Göpfert, 1. Teil Rn. 253.

Weiss-Bölz
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Verschwiegenheitsklausel 173

begriffe enthalten sind und im Ergebnis nur Rechtsunsicherheit schaffe.100 Insofern


führt eine ausdrückliche Regelung unabhängig von § 32 BDSG zu einer gesteigerten
Transparenz und ist demnach empfehlenswert.

II. Klauselvorschlag

Klauselmuster
Erklärung des Mitarbeiters zur Speicherung und Verwendung seiner Daten
Herr/Frau … stimmt hiermit der Speicherung, Verarbeitung und Übermittlung seiner/ihrer personen-
bezogenen Daten zu, soweit dies für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Konkretisieren
hinsichtlich des Zweckes der Verwendung der Daten, bspw. für Lohn- und Gehaltsabrechnung. Diese
Zustimmung umfasst auch die Weitergabe personenbezogener Daten an mit dem Arbeitgeber verbun-
dene Unternehmen, auch im Ausland, und die Speicherung sowie die Verarbeitung der personenbe-
zogenen Daten bei diesen Unternehmen.
Gesetzliche Verpflichtungen des Arbeitgebers zur Verarbeitung oder Übermittlung personenbezoge-
ner Daten bleiben hiervon unberührt.

Ort, Datum
(Unterschrift des Mitarbeiters)

I. W
 ahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen,
Verschwiegenheitsklausel

I. R
 echtliche Ausführungen

Ebenso wie der Arbeitnehmer sich bei einer Nebentätigkeit auf das Grundrecht der 113
Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen kann, gewährleistet dieses Grundrecht
für den Arbeitgeber auch den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.101
Für den Arbeitgeber ist es oftmals sehr wichtig, dass exklusives Wissen und Betriebs-
geheimnisse im Betrieb verbleiben, da diese nicht selten sogar die Basis unterneh-
merischer Geschäftsmodelle darstellen und demnach für den Arbeitgeber ein großes
Potenzial darstellen.
Da der Arbeitgeber den Unternehmenszweck nicht allein, sondern nur mit den 114
Arbeitnehmern verwirklichen kann, ist es zur Erfüllung der Aufgaben der Arbeitneh-
mer auch erforderlich, dass diese gewisse Geheimnisse erfahren und bei ihrer Arbeit
einsetzen. Dadurch besteht natürlich auch die Gefahr eines Wissensabflusses durch
die Weitergebe von Informationen an Dritte während, aber insbesondere auch nach

100 Vgl. Liebers/Reiserer, Kapitel B.I.7 Rn. 168.


101 Vgl. MüKo-StGB/Janssen/Maluga, § 17 UWG Rn. 15.

Weiss-Bölz
174 Kapitel 5 Nebenpflichten

Beendigung, des Arbeitsverhältnisses oder durch eine Verwertung im Rahmen einer


Konkurrenztätigkeit.
115 Insofern haben Arbeitgeber als Unternehmer ein Interesse daran, dass Dritten
gewisse Informationen vorenthalten bleiben, vor allem Wettbewerbern auf dem
Markt.

1. Gesetzliche Regelungen
116 Der Gesetzgeber hat das Interesse des Unternehmers erkannt, so dass es hierzu auch
zahlreiche gesetzliche Regelungen gibt, insbesondere was Immaterialgüterrechte
wie Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sowie Urheberrechte anbelangt.
Durch die gesetzlichen Vorschriften wird der Arbeitgeber also bereits in gewisser Hin-
sicht geschützt. So bestehen etwa folgende Regelungen:

117 – Wettbewerbsrechtliche Strafnorm des § 17 UWG


Nach § 17 Abs. 1 UWG wird bestraft, wer als eine bei einem Unternehmen beschäftigte
Person ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihr im Rahmen eines Dienstver-
hältnisses anvertraut oder zugängig geworden ist, während der Geltungsdauer des
Dienstverhältnisses unbefugt an jemanden zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigen-
nutz, zu Gunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens
Schaden zuzufügen, mitteilt. Hierbei kommt sowohl ein positives Tun als auch ein
pflichtwidriges Unterlassen als Tathandlung in Betracht.102
118 Für den Arbeitgeber sind bei einer Verletzung vor allem Schadensersatzansprüche
relevant sowie Unterlassungstatbestände. Zu beachten ist aber, dass der lauterkeits-
rechtliche Geheimnisschutz grundsätzlich nur für die Geltungsdauer des Arbeitsver-
hältnisses gilt, so dass es dem Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Tätigkeit prin-
zipiell freisteht, den Wettbewerb mit dem ehemaligen Arbeitgeber aufzunehmen.103

119 – Diensterfindungen
Nach § 24 Abs. 2 ArbnErfG haben Arbeitnehmer Diensterfindungen so lange geheim
zu halten, wie diese noch nicht freigeworden sind. Frei geworden ist eine Dienster-
findung nach § 8 Satz 1 ArbnErfG dann, wenn der Arbeitgeber sie durch Erklärung
in Textform freigibt. Es kann sich demnach empfehlen, den Arbeitnehmer auf das
Erfordernis einer formgebundenen Freigabeerklärung aufmerksam zu machen. Etwa
durch die Aufnahme einer deklaratorischen Vertragsklauseln oder einem Informati-
onsschreiben. Verletzt der Arbeitnehmer dann die Geheimnispflicht, so können wie-
derum Schadensersatzansprüche entstehen.

102 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 17 UWG Rn. 19.


103 Siehe dazu Kap. 8 Rn. 23.

Weiss-Bölz
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Verschwiegenheitsklausel 175

– Datengeheimnis 120
Nach § 5 Satz 2 BDSG sind Arbeitnehmer, die mit der Datenverarbeitung befasst sind,
auf das Datengeheimnis zu verpflichten, welches gemäß § 5 Satz 3 BDSG auch nach
Beendigung der Tätigkeit fortbesteht.104

– Geheimhaltungspflichten aus besonderer Stellung 121


Selbstverständlich können sich auch weitere Geheimhaltungspflichten aufgrund
besonderer Stellung des Arbeitnehmers ergeben, wie etwa bei Betriebsratsmitglie-
dern oder auch bei Auszubildenden.105

2. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse


Besonders hervorzuheben sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse,106 die gesetz- 122
lich durch § 17 UWG abgesichert und eine Verletzung auch strafbewehrt ist.107 Die
Rechtsprechung definiert Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dabei als Tatsachen,
die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem bekundeten
begrenzten Personenkreis bekannt und nicht offenkundig sind und nach dem Willen
des Arbeitgebers und im Rahmen eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses
geheim gehalten werden sollen.108
Die vorgenannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, damit ein 123
Betriebsgeheimnis vorliegt.109 Ein Geheimnis besteht dann, wenn ihre Kenntnis
einem abgrenzbaren Personenkreis vorbehalten bleibt. Entscheidend ist, dass der
Geheimnisträger den Kreis der Mitwisser unter Kontrolle behält. Keinen Schutz
genießen dagegen offenkundige Tatsachen. Offenkundigkeit liegt insbesondere dann
vor, wenn die entsprechende Information allgemein bekannt oder zumindest leicht
zugänglich ist.110 Weiter beachtet werden muss, dass eine ursprünglich geheime Tat-
sache mit der Zeit auch offenkundig werden kann und damit den Geheimnisschutz
verliert, etwa wenn bestimmte betriebliche oder geschäftliche Erkenntnisse immer
größeren Personenkreisen zugänglich gemacht werden oder sie sogar veröffentlich
werden. Im Übrigen muss auch ein wirtschaftliches Interesse zur Geheimhaltung vor-
liegen.

104 Vgl. Kap. 5 Rn. 102 ff.


105 Vgl. Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 51 ff.
106 Siehe dazu auch Kap. 8 Rn. 11.
107 Vgl. auch Mayer, GRUR 2011, 884.
108 Vgl. etwa BAG, Urt. v. 13.02.2007 – 1 ABR 14/06; BAG, Urt. v. 10.03.2009 – 1 ABR 87/07.
109 Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 7.
110 Köhler/Bornkamm/Köhler, § 17 UWG Rn. 6.

Weiss-Bölz
176 Kapitel 5 Nebenpflichten

3. A
 rbeitsvertragliche Regelungen
124 Da die gesetzlichen Regelungen aber meist nicht ausreichend sind im Verhältnis
Arbeitgeber – Arbeitnehmer sowie aufgrund der Tatsache, dass die Grenzen, wann
die gesetzlichen Regelungen greifen und wann nicht, oftmals nicht klar sind, sollten
in einem Arbeitsvertrag Verschwiegenheitsklauseln aufgenommen werden. Wie
auch bei den Nebentätigkeiten111 ist hier ebenfalls zu beachten, dass ohnehin eine
vertragsimmanente Nebenpflicht des Arbeitnehmers besteht, auf die Interessen des
Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Die Schweigepflicht des Arbeitnehmers stellt
demnach eine zentrale Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis dar.112
125 Weil den Arbeitnehmer eine allgemeine Verschwiegenheitspflicht aber nur für
die Dauer des Arbeitsverhältnisses betrifft, also vom Abschluss des Arbeitsvertrags
bis zu seiner Beendigung, sollten und können auch nachvertragliche Geheimhal-
tungspflichten vereinbart werden.113

a) Geheimhaltungswille
126 In der Praxis muss weiter beachtet werden, dass nur solche Tatsachen die Verschwie-
genheitspflicht erfassen, die nach dem erkennbaren Willen des Arbeitgebers geheim
zu halten sind.114 Hieran fehlt es in der Praxis häufig, obgleich die Anforderungen
daran nicht hoch sind. Eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht besteht bereits
dann, wenn sich der Geheimhaltungswille aus der Natur der geheim zuhaltenden
Sache ergibt.115 Ggfs. sollte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die Geheimhal-
tungsbedürftigkeit hinweisen, um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen.

b) Berechtigtes wirtschaftliches Interesse zur Geheimhaltung


127 Der Arbeitgeber muss im Übrigen auch ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse
an der Geheimhaltung haben. Hier wird eine Interessenabwägung im Rahmen des
Verhältnismäßigkeitsprinzips vorgenommen. Ein besonderes Interesse besteht in der
Regel dann, wenn die Preisgabe des Geheimnisses geeignet ist, die Wettbewerbsstel-
lung des Arbeitgebers zu beeinflussen.116 Insofern wirft vor allem die Frage Probleme
auf, ob der Arbeitgeber auch ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat, wenn ein
illegaler Vorgang vorliegt. Dies ist streitig.117 Zu beachten ist allerdings, dass selbst
wenn ein illegales Verhalten nicht dem gesetzlichen Geheimnisschutz unterliegen

111 Vgl. dazu Kap. 5 Rn. 12 f.


112 Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 1.
113 Vgl. Kap. 8 Rn. 10 ff.
114 MüKo-StGB Janssen/Maluga § 17 UWG Rn. 31.
115 Vgl. BGH, Urt. v. 10.05.1995 – 1 STR 764/94.
116 Vgl. Köhler/Bornkamm, § 17 UWG, Rn. 9.
117 Vgl. zum Streitstand MüKo-StGB/Janssen/Maluga, § 17 UWG Rn. 35.

Weiss-Bölz
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Verschwiegenheitsklausel 177

würde, diese vertraulichen Angaben aber immer noch der weiterreichenden arbeits-
vertraglichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen können.

c) Whistleblowing
Die Offenbarung rechtswidriger Vorgänge, vor allem gegenüber öffentlichen Stellen, 128
Journalisten oder gar im Internet, kann eine Verletzung der arbeitsvertraglichen
Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen und die entsprechenden zivil-
rechtlichen Folgen nach sich ziehen. Dies wird derzeit häufig unter dem Stichwort
Whistleblowing diskutiert.
Das BAG hat sich zum Whistleblowing bereits geäußert und ausgeführt, dass sich 129
die vertraglichen Rücksichtnahmepflichten dahin zu konkretisieren hätten, dass
sich eine Anzeige nicht als eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des
Arbeitgebers oder seines Repräsentanten darstellen dürfe. Als Indizien dafür könnten
sowohl die Berechtigung der Anzeige als auch die Motivation des Anzeigenden oder
ein fehlender innerbetrieblicher Hinweis auf die angezeigten Missstände sprechen.118
Betont hat das BAG allerdings, dass der innerbetrieblichen Klärung nicht generell der
Vorrang gebühre. Es hat weitere Grundsätze aufgestellt, dass eine vorherige Meldung
und Klärung unzumutbar für den Arbeitnehmer sei, wenn er Kenntnis von Strafta-
ten erhalte, durch deren Nichtanzeige er sich selbst einer Strafverfolgung aussetzen
würde. Entsprechendes solle bei schwerwiegenden Straftaten oder vom Arbeitgeber
selbst begangenen Straftaten gelten. Da eine Abhilfe berechtigterweise nicht zu erwar-
ten sei, treffe den Arbeitnehmer nach Auffassung des BAG ebenfalls keine Pflicht zur
innerbetrieblichen Klärung.119 Einschränkend hat das BAG allerdings darauf hingewie-
sen, dass etwas anderes dann gelten dürfte, wenn nicht der Arbeitgeber, sondern ein
Mitarbeiter seine Pflichten verletzt oder sich strafbar gemacht habe. In solchen Fällen
erscheine es eher zumutbar vom Arbeitnehmer, auch wenn ein Vorgesetzter betroffen
sei, vor einer Anzeigenerstattung einen Hinweis an den Arbeitgeber zu verlangen.
Der EGMR hat ähnlich wie das BVerfG die Maßstäbe dahingehend angelehnt, 130
dass der Schutzbereich der Meinungsfreiheit120 erfasst sei, wenn ein Arbeitnehmer
aufgrund der illegalen Aktivitäten seines Arbeitgebers gegen diesen eine Strafanzeige
einreiche. Insofern müsse eine Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitneh-
mers, seiner freien Meinungsäußerung sowie der gegenüber dem Arbeitgeber beste-
henden Loyalitätspflicht erfolgen. Es sei generell von einem Vorrang einer innerbe-
trieblichen Lösung auszugehen, der nur in aussichtslosen Situationen durchbrochen
werden dürfte.121

118 BAG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 AZR 235/02.


119 BAG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 AZR 235/02.
120 Vgl. Art. 10e MRK.
121 Vgl. EGMR, Urt. v. 21.07.2011 – 28274/08.

Weiss-Bölz
178 Kapitel 5 Nebenpflichten

131 Für die Vertragsgestaltung ist demnach zu beachten, dass von Klauseln abzura-
ten ist, die den Eindruck erwecken, der Arbeitnehmer sei niemals berechtigt ohne
Zustimmung des Arbeitgebers Informationen an Dritte weiterzugeben. Insofern sollte
der Arbeitgeber vielmehr darauf hinwirken, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit
hat, Hinweise auf etwaige Missstände vertrauensvoll an eine Stelle im Unternehmen
wenden zu können, damit diese möglichst intern aufgearbeitet werden können.

4. Vertrauliche Angaben
132 Wie bereits ausgeführt, sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ohnehin geheim
zu halten. Dies schränkt den Arbeitgeber aber grundsätzlich nicht in seiner Befug-
nis ein, dass der Arbeitnehmer auch sog. vertrauliche Angaben gegenüber Dritten
nicht kommunizieren darf.122 Die unterliegen zwar nicht dem Geheimnisschutz, sie
werden aber von einer arbeitsvertraglichen Schweigepflicht erfasst und dürfen dem-
entsprechend vom Arbeitnehmer grundsätzlich auch nicht offenbart werden. Der
Begriff der vertraulichen Angaben wird im AktG in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG geregelt.
Darunter versteht man solche Angaben, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang
mit dem Arbeitsverhältnis bekannt werden, deren Geheimhaltung dem erkennbaren
Willen und einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers entspricht.123 Der Arbeitge-
ber hat die Möglichkeit im Rahmen der Ausübung seines Direktionsrechts bestimmte
Angaben als geheim und vertraulich zu bezeichnen. Ein berechtigtes Interesse kann
sich in erster Linie aus wirtschaftlichen Zusammenhängen ergeben. Obgleich die
Verpflichtung vertrauliche Angaben geheim zu halten, sich bereits aus allgemeinem
Arbeitsrecht ergibt, bietet sich eine Klausel an, in dem das Pflichtenprogramm schrift-
lich fixiert ist und dem Arbeitnehmer in dieser Weise auch explizit vor Augen führt.

5. Rechtsfolgen eines Verstoßes


133 Für den Fall, dass der Arbeitnehmer gegen die Verschwiegenheitspflicht verstößt,
bestehen zahlreiche Rechtsfolgen.
134 Wird gegen die Geheimhaltungspflicht verstoßen, ohne dass Geschäfts- und
Betriebsgeheimnisse betroffen sind, so ergeben sich in erster Linie Unterlassungs-
und Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers.124 Wurde diese Unterlassungs-
pflicht verletzt, so kann weiter eine Abmahnung bis hin zur verhaltensbedingte
Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommen.125 Eine wirksame Kündi-
gung setzt allerdings immer die Abwägung der Interessen im konkreten Einzelfall

122 Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 10 f.


123 Vgl. LAG Hamm v. 05.10.1988 – 15 Sa 1403/88.
124 Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 23.
125 Moll/Reinfeld, § 30 Rn. 17.

Weiss-Bölz
I. Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, Verschwiegenheitsklausel 179

voraus, so dass die Verletzung der Schweigepflicht nicht per se als Kündigungsgrund
in Betracht kommt.
Ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht von Betriebs- und Geschäfts- 135
geheimnissen stellt allerdings grundsätzlich einen wichtigen Grund im Sinne des
§ 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung dar.126 Hier kann auch im Einzelfall
eine Abmahnung entbehrlich sein. Für den Arbeitnehmer ist der Verrat von Geschäfts-
und Betriebsgeheimnissen auch in strafrechtlicher Hinsicht problematisch, da eine
Bestrafung wegen Geheimnisverrats (§ 17 UWG) im Raume stehen kann, wobei es sich
dabei allerdings um ein Antragsdelikt handelt. Im Übrigen bestehen auch hier Unter-
lassungs- und Schadensersatzansprüche.

6. Hinweise zur Vertragsgestaltung


Beachtet werden muss allerdings, dass Formularvereinbarungen der Kontrolle auf 136
unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und auf Transparenz nach
§ 307 Abs. 1 BGB unterliegen. Insofern können z. B. gesetzliche Offenbarungspflich-
ten gegenüber Behörden und sozialrechtliche Mitwirkungspflichten nach § 60 SGB I
arbeitsvertraglich nicht ausgeschlossen werden.
Gleichwohl kann die Geheimnispflicht auch erweitert werden, wobei der Arbeit- 137
geber hier die Erweiterung der Geheimnispflicht nachweisen muss und auch das
Überwiegen entgegen den Interessen des Arbeitnehmers. Problematisch sind vor
allem sogenannte „All-Klauseln“, welche die Verschwiegenheitspflicht auf sämtli-
che geschäftlichen und betrieblichen Tatsachen, die dem Arbeitnehmer während des
Beschäftigungsverhältnisses bekannt werden, ausdehnen.127 Es muss nämlich ein
berechtigtes wirtschaftliches Geheimhaltungsinteresse im konkreten Fall vor-
liegen. Insofern gehen allgemein formulierte Klauseln zur Geheimhaltungspflicht
die Gefahr, im Einzelfall ein zu weitreichendes, den Arbeitnehmer unangemessen
benachteiligendes Pflichtenprogramm aufzustellen oder zumindest nicht hinrei-
chend transparent im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sein. Insofern sollte eine
Klausel nur in solchen Fällen mit einem deutlich erhöhten Geheimhaltungsbedürfnis
aufgenommen werden. Alternativ bietet sich auch die Verwendung genereller Klau-
seln im Arbeitsvertrag an, die aber nur zur Signalwirkung des Arbeitnehmers dienen,
da sie nach der Rechtsprechung als Kritisca angesehen werden.128 Zusätzlich kann
im konkreten Einzelfall bei Vorliegen einer geheimhaltungsbedürftigen Tatsache eine
konkrete Klausel gestaltet werden, bei der auch ein Geheimhaltungsinteresse nach-
weisbar ist.

126 BeckOK/Stoffels BGB § 626 Rn. 108.


127 Vgl. BAG, Urt. v. 13.05.1998 – 9 AZR 304/97; siehe auch Kap. 8 Rn. 18.
128 Siehe dazu auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote Rn. 122 ff.

Weiss-Bölz
180 Kapitel 5 Nebenpflichten

138 Sofern Arbeitnehmer konzernweit tätig sind, kann ggfs. auch eine konzernweite
Verschwiegenheitsklausel in Betracht kommen. Grundsätzlich ist dabei zu beachten,
dass jedes Unternehmen für den Schutz seiner Wirtschaftsgeheimnisse selbst ver-
antwortlich ist. Insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer unterneh-
mensübergreifend im Konzern eingesetzt wird, besteht ein erhöhtes Interesse an der
Einbeziehung verbundener Unternehmen in den arbeitsvertraglichen Geheimnis-
schutz. Dies ist auch gesetzlich anerkannt, wie sich aus § 5 Nr. 7 StGB ergibt. Bei der
Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, das von einem Unternehmen
im Inland abhängig ist, das mit diesem einen Konzern bildet, ordnet das StGB die
Geltung des deutschen Strafrechts an.
139 Insofern ist eine Erweiterung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht
auf Geheimnisse konzernmäßig verbundener Unternehmen in der Regel möglich.
Besteht allerdings keine vergleichbare enge rechtliche Verflechtung zwischen den
Unternehmen, so besteht grundsätzlich kein höheres Geheimhaltungsinteresse als
gegenüber jedem anderen Dritten.
140 Im Übrigen können auch Vertragsstrafeklauseln aufgenommen werden, die im
Falle der Zuwiderhandlung zum Tragen kommen. Durch eine solche Vertragsstrafen-
regelung wird im Übrigen ein gewisses Druckmittel zur ordnungsgemäßen Einhal-
tung des Vertrages ausgeübt. In jedem Fall sollte aber die Vertragsstrafe gesondert
hervorgehoben werden oder in einer separaten Klausel Vertragsstrafenregelungen
aufgenommen werden, da andernfalls Transparenzgesichtspunkte entgegenstehen
könnten.

Klauselmuster
1. Der/Die Mitarbeiter/in verpflichtet sich, über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der
Firma Stillschweigen zu bewahren. Hierzu zählen vor allen Einzelheiten über … [es folgt eine
abstrakte Umschreibung der geheimzuhaltenden Tatsachen]. Der/Die Mitarbeiter/in wird dar-
auf hingewiesen,dass Geheimnisverrat nach dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (§ 17
UWG) strafbar ist.
2. Die Schweigepflicht erstreckt sich auch auf Angelegenheiten anderer Firmen, mit denen das Un-
ternehmen wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden ist.
3. Der/Die Mitarbeiter/in ist auch zur Geheimhaltung solcher Tatsachen verpflichtet, die ihm/ihr
von der Geschäftsleitung ausdrücklich als vertraulich bekannt gegeben werden oder deren Ge-
heimhaltungsbedürftigkeit sonst für ihn/sie erkennbar ist.
4. Der/Die Arbeitnehmer/in ist nicht berechtigt, sich eigenmächtig von der Schweigepflicht frei-
zustellen. Der Arbeitgeber wird ihn/sie ausdrücklich von der Geheimhaltungspflicht befreien,
soweit dies zur Wahrung überwiegender Interessen notwendig ist.
5. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann eine Kündigung rechtfertigen sowie Scha-
densersatzpflichten auslösen.
6. Die Geheimhaltungspflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.129

129 Siehe dazu auch Kap. 8 Rn. 10.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 181

7. Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht den/die Mitarbeiter/in in seinem/ihrem


beruflichen Fortkommen behindern, so hat der/die Mitarbeiter/in gegen die Firma einen An-
spruch auf Freistellung von dieser Pflicht.
8. Für jeden Fall eines schuldhaften Verstoßes gegen die hier vereinbarte (nachvertragliche) Ver-
schwiegenheitspflicht verpflichtet sich der/die Arbeitnehmer/in, eine VERTRAGSSTRAFE in Höhe
von … € zu zahlen. Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers bleiben unberührt.

J. N
 utzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen
(E-Mail und Telefon)

I. R
 echtliche Ausführungen

Heutzutage ist der Einsatz von Telekommunikationsmitteln im Rahmen eines Arbeits- 141
verhältnisses nicht mehr wegzudenken. Auch wenn die Arbeitsverhältnisse aufgrund
der Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von unterschiedlichen Telekom-
munikationsmitteln des Arbeitgebers differenziert ausgestaltet sind, so dass generell
Telekommunikationsmittel des Arbeitgebers genutzt werden. Diese stehen im Eigen-
tum des Arbeitgebers,130 so dass dieser im Rahmen seines Direktionsrechts zum einen
die Nutzung dieser Telekommunikationsmitteln anweisen, zum anderen aber auch
über die konkrete Art und Weise der Nutzung entscheiden kann.131 Verbunden damit
ist eine Vielzahl von arbeits- und datenschutzrechtlichen Problemen, weshalb sich
eine Klausel im Arbeitsvertrag in jedem Fall anbietet. In Betracht kommen aber auch
Betriebsvereinbarungen, da der Betriebsrat zumindest bei der Einführung von tech-
nischen Überwachungseinrichtungen oder aber bei Fragen der Ordnung des Betriebs
ein Mitbestimmungsrecht hat.132 Ungeachtet dessen, dass der Arbeitgeber im Falle
einer konkreten Überlassung bestimmter Telekommunikationsmittel, bspw. einem
Diensthandy, eine gesonderte Regelung treffen kann, bietet sich eine allgemeine
Klausel im Arbeitsvertrag an.

1. Umfang einer privaten Nutzung durch den Arbeitnehmer


Aufgrund der Tatsache, dass die Telekommunikationsmittel im Eigentum des Arbeit- 142
gebers stehen, kann dieser auch entscheiden, ob und in welchem Umfang die Arbeit-
nehmer diese Telekommunikationsmittel nutzen dürfen. Eine private Nutzung kann
vom Arbeitgeber deshalb grundsätzlich gänzlich ausgeschlossen werden.133

130 Zur Herausgabe von Firmeneigentum siehe auch Kap. 8 Rn. 1 ff.
131 Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht/Hegewald Teil 8 B II.1 a) Rn. 12.
132 ErfK/Kania § 87 BetrVG Rn. 62; Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht/Hegewald Teil 8 B II.1 a)
Rn. 13.
133 Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht/Hegewald Teil 8 B II.1 a) Rn. 15.

Weiss-Bölz
182 Kapitel 5 Nebenpflichten

143 Streit besteht in der Praxis häufig dann, wenn keine Regelung im Vertrag oder
anderweitig existiert. Gerade im Bereich der Privatnutzung von E-Mail und Internet-
diensten werden verschiedene Ansichten vertreten. Einige Instanzgerichte sind der
Auffassung, dass die Privatnutzung des Internets eine sozialtypische Erscheinung
sei.134 Diese Ansicht will aus der sozialtypischen Erscheinung schließen, dass ohne
ein ausdrückliches Verbot durch den Arbeitgeber der Arbeitnehmer davon ausgehen
könne, er sei mit der Privatnutzung einverstanden, zumindest dulde er dies. Das BAG
hat dieser Ansicht vehement und ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 07.07.2005
widersprochen.135 Das BAG führte vielmehr aus, dass nicht ersichtlich sei, woraus
sich eine Sozialadäquanz der privaten Internetnutzung ergeben solle, so dass nicht
von der Duldung oder Zustimmung einer Privatnutzung in diesen Fällen auszugehen
sei.136
144 Für den Arbeitgeber ist demnach von zentraler Bedeutung, ob eine Privatnutzung
generell ausgeschlossen oder ob eine Privatnutzung zumindest in Teilen gestattet
werden soll, um auch den Interessen des Arbeitnehmers und dem heutigen Arbeits-
leben gerecht zu werden. Etwaige Regelungen und Gestattungen einer Privatnutzung
haben aber weitreichende Folgen, insbesondere in arbeitsrechtlicher- und daten-
schutzrechtlicher Hinsicht, so dass sich der Arbeitgeber zuvor über die Konsequen-
zen bewusst sein sollte.
145 Es empfiehlt sich in jedem Fall eine Regelung, wie mit den Telekommunikations-
mitteln umzugehen ist, da Probleme bei einer „Nichtregelung“ auftauchen können
und insbesondere auch die Thematik einer betrieblichen Übung sodann auftreten
könnte. Durch etwaige Regelungen sind diese Probleme von Anfang an ausgeschlos-
sen und insbesondere wird einer betrieblichen Übung entgegengewirkt.

a) Ausschluss der privaten Nutzung


146 Die sicherste Variante für Arbeitgeber ist, die Privatnutzung gänzlich auszuschließen.
Hierbei ist entscheidend, dass die Betriebsmittel und die Telekommunikationsmit-
tel dann nur zur dienstlichen Nutzung verwendet werden dürfen. Es muss bei der
Nutzung dann also immer ein spezifischer Bezug zur geschuldeten Arbeitsleistung
des Arbeitsnehmers bestehen. Nach den für Telefongespräche aufgestellten Grund-
sätzen des BAG137, welche auf andere Kommunikationsmittel durchaus übertragbar
ist, steht die Privatnutzung im Fall einer „Privatnutzung aus dienstlichem Anlass“

134 Vgl. LAG Köln, Urt. v. 11.02.2005 – 6 ARZ 36/05; LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12.07.2004 – 7 Sa
1243/03.
135 Vgl. BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04; ebenso LAG Hamm, Beschl. v. 07.04.2006 – 10 TABv
1/06.
136 Vgl. BAG, Urt. v. 07.07.2005 – 2 AZR 581/04.
137 Vgl. BAG, Beschl. v. 27.05.1986 – 1 ABR 48/84.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 183

ausnahmsweise einer dienstlichen Nutzung gleich. Als Beispiel hierfür kann genannt
werden, wenn der Arbeitnehmer etwa Familienangehörige über das Telefon des
Arbeitgebers informiert, dass die Heimkehr aus dienstlichen Gründen etwas später
als geplant erfolge.138
Obgleich die Privatnutzung ausgeschlossen werden kann, hat der Arbeitnehmer 147
in dringenden Fällen ein Recht darauf, die Telekommunikationsmittel auch privat zu
nutzen. Dies folgt auch aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht des Arbeitgebers,
auf wesentliche Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Es muss sich
allerdings auch tatsächlich um Notsituationen handeln und die Nutzung darf sich
nicht auf die Freizeit verschieben lassen.

Klauselbeispiel:
Die Nutzung der betrieblichen Telekommunikationsanlagen (Telefon, Fax, Internet, E-Mail …) darf
ausschließlich zu dienstlichen Zwecken erfolgen. Eine private Nutzung durch den Arbeitnehmer ist
grundsätzlich nicht gestattet [ggfs. Ergänzung: Die dienstlich veranlasste Privatnutzung sowie die
Privatnutzung der Telekommunikationsanlagen in dringenden Fällen (Notsituationen, Pflichtenkolli‑
sionen und besonderer Eilfälle), sind hingegen zulässig, jedoch auf das unbedingt erforderliche Maß
zu beschränken].

Es könnte auch differenziert werden zwischen verschiedenen Kommunikationsmit- 148


teln, insbesondere wenn die ergänzende Regelung aufgenommen wird, wonach in
Eilfällen ein bestimmter Kommunikationsweg zu privaten Zwecken benutzt werden
darf. Hier könnte bspw. ausschließlich eine Nutzung des Telefons erlaubt werden.
Die Nutzungsregelung, dass die Telekommunikationsmittel ausschließlich 149
dienstlich genutzt werden dürfen, unterliegt keinem Mitbestimmungsrecht des Be-
triebsrats.139

b) (Teilweise) Erlaubnis der privaten Nutzung der Telekommunikationsmittel


Sollte der Arbeitgeber aufgrund der heutigen modernen Arbeitswelt die Privatnut- 150
zung nicht gänzlich ausschließen wollen, so empfiehlt sich doch auch in diesem Fall
eine konkrete Regelung, welche Gestattung der Telekommunikationsmittel zu priva-
ten Zwecken erlaubt sein soll und vor allem in welchem Umfang. Nur so kann ein
ausuferndes Verhalten der Arbeitnehmer zu privaten Zwecken wirksam vermieden
werden. Insbesondere bei Streitigkeiten könnte sodann die Schwelle der unzuläs-
sigen Privatnutzung dargelegt werden. Auch hier steht dem Arbeitgeber wieder die
Möglichkeit zur Verfügung, etwaige Regelungen im Arbeitsvertrag, in einer Betriebs-
vereinbarung oder gar in einem Haustarifvertrag zu vereinbaren.

138 Vgl. Preis II I 10 Rn. 5.


139 Vgl. Richardi BetrVG § 87 Rn. 202.

Weiss-Bölz
184 Kapitel 5 Nebenpflichten

151 Hier spielt vor allen auch die Thematik der betrieblichen Übung eine Rolle,
denn die überwiegende Auffassung geht davon aus, dass in solchen Fällen auch eine
betriebliche Übung entstehen könnte.140 Unter einer betrieblichen Übung versteht
die Rechtsprechung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen
des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine
Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.141 Auch wenn an eine
betriebliche Übung hier hohe Anforderungen zu stellen sind, sollte durch eine kon-
krete Regelung eine betriebliche Übung verhindert werden. Allein bereits aufgrund
der Aufgabe der Rechtsprechung des BAG zu gegenläufigen betrieblichen Übungen142
ist eine Abkehr von einer verfestigten betrieblichen Übung in der Praxis nur schwer
möglich, ggfs. müsste eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. Insofern ist
an Unternehmer zu empfehlen, eine konkrete Vereinbarung zu treffen.
152 Eine Missbrauchsgrenze kann ebenfalls eindeutig festgelegt werden, die dann in
einem etwaigen Streit des Verfahrens den Maßstab für die arbeitsrechtlichen Sank-
tionen von Pflichtverletzungen bestimmen kann. Der Umfang sollte ebenfalls mög-
lichst detailliert geregelt werden, damit dem Arbeitnehmer bewusst ist, was und in
welchem Umfang erlaubt sein soll. So können bspw. die Zeiten außerhalb der Arbeits-
zeit, also vor und nach Dienstschluss sowie Pausenzeiten dafür vorgesehen werden;
denkbar sind aber auch Klauseln, die ein maximales Zeitvolumen konkret aufzeigen.
153 Weiter beachtet werden muss bei einer (eingeschränkten) Gestattung der Pri-
vatnutzung, dass die Erlaubnis dann auch einen gewissen Bestandschutz genießt,
so dass der Arbeitgeber davon nicht ohne weiteres mehr wegkommt, ggfs. nur unter
Beachtung der Voraussetzungen für eine Änderungskündigung. Insofern bietet es
sich auch an, hier einen Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt aufzunehmen. Auf-
grund der jüngeren Rechtsprechung des BAG zu den Wirksamkeitsbedenken einer
Freiwilligkeitsvorbehaltsklausel sollte auf einen Widerrufsvorbehalt zurückgegriffen
und konkrete Gründe für einen Widerruf aufgenommen werden.143

Klauselvorschlag
1. Die im Betrieb vorhandenen Telekommunikationsmittel (Telefon, Internet und E-Mail … [Alterna‑
tiv ist auch eine differenzierte Behandlung der einzelnen Kommunikationsmitteln möglich]) dür-
fen grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden. Eine private Nutzung durch den
Arbeitnehmer ist nur in angemessenem Umfang und nur außerhalb der Arbeitszeit, etwa in den
Pausen und nach Ende der täglichen Arbeitszeit, erlaubt. Die private Nutzung darf … Minuten pro
Tag aber nicht überschreiten.

140 Vgl. Küttner, Internet und Telefonnutzung, Rn. 4; Preis II I 10 Rn. 10; näher dazu auch Münchener
Anwaltshandbuch IT-Recht/Hegewald, Teil 8 B II.1 c) Rn. 59 ff.
141 Vgl. BAG, Urt. v. 24.06.2003 – 9 AZR 302/02; BAG, Urt. v. 27.06.2006 – 3 AZR 151/05.
142 BAG, Urt. v. 18.03.2009 – 10 AZR 281/08.
143 Vgl. dazu auch Kap. 4 Rn. 242.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 185

2. Das Abrufen, Anbieten oder Verbreiten von rechtswidrigen Inhalten, insbesondere solchen, die
gegen strafrechtliche, persönlichkeitsrechtliche, lizenz- oder urheberrechtliche Bestimmungen
verstoßen, ist für alle Telekommunikationsanlagen streng verboten.
Das Abrufen, Anbieten oder Verbreiten von politischen, diskriminierenden, herabwürdigenden
oder verfassungsfeindlichen Inhalten, insbesondere rassistischer oder pornographischer Art ist
für alle Telekommunikationsanlagen streng verboten.
3. Die Erlaubnis zur privaten Nutzung erfolgt unter dem ausdrücklichen Vorbehalt eines jederzeit
möglichen Widerrufs. Das Recht auf private Nutzung kann widerrufen werden, wenn eine miss-
bräuchliche Nutzung (Abruf von Seiten mit pornographischem Inhalt, Überschreitung des Nut-
zungsumfangs, Herunterladen urheberrechtlich geschützter Dateien, Öffnung von Sicherheits-
risiken für die Firma, etwa durch Herunterladen von virenverseuchten Dateien, und ähnliches)
festgestellt wurde.

2. Kontrolle und Überwachung der Telekommunikation


Eine weitere Frage stellt sich in der Praxis immer wieder, nämlich wie der Einsatz der 154
Telekommunikationseinrichtung zu überwachen und zu kontrollieren ist. Zum einen
besteht die Berechtigung des Arbeitgebers, die Erfüllung der von seinem Arbeitneh-
mer übernommenen Arbeitsaufgaben zu kontrollieren, zum anderen ergibt sich aber
auch Compliance-rechtlich eine gewisse Verpflichtung, durch geeignete Kontroll-
maßnahmen ein rechtskonformes Verhalten seiner Angestellten sicherzustellen. Die
Kontrollbefugnis des Arbeitgebers hängt hier maßgeblich davon ab, ob die Privatnut-
zung der Telekommunikationsanlagen verboten oder erlaubt ist.
Sofern möglich, sollte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in jedem Fall eine 155
persönliche Zugangsberechtigung zuteilen, so dass eine Kontrolle und Nachprü-
fung hinsichtlich der einzelnen Mitarbeiter zuordenbar ist. Der Mitarbeiter hat diese
Zugangsberechtigungen, etwaige dazugehörige Passwörter so aufzubewahren, dass
sie Dritten nicht zugängig sind und im Übrigen dürfen Sie auch nicht an Dritte weiter-
gegeben werden.
Die Kontrolle der Arbeitnehmer diesbezüglich ist wiederum mitbestimmungs- 156
pflichtig, so dass die Beteiligungsrechte eines etwaigen Betriebsrats zu beachten
sind.144

a) Kontrolle und Überwachung bei Verbot der privaten Nutzung


Ist dem Arbeitnehmer nur die dienstliche Nutzung der Telekommunikationsanlagen 157
erlaubt, so richtet sich die Zulässigkeit von Überwachungsmaßnahmen bei nicht
anonymisierten Arbeitnehmerdaten besonders dem BDSG, da hier v. a. datenschutz-
rechtliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Besondere datenschutzrechtliche Rege-

144 ErfK/Kania § 87 BetrVG Rn. 62; Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht/Hegewald Teil 8 B II.1 a)
Rn. 13.

Weiss-Bölz
186 Kapitel 5 Nebenpflichten

lungen zu dieser Thematik liegen trotz mehrfacher Ankündigung und Vorschläge der
Politik bislang (noch) nicht vor, so dass es bei den bisherigen Regelungen des BDSG
verbleibt.
158 Gemäß dem § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 2 BDSG findet das BDSG zum Schutz der perso-
nenbezogenen Daten bei der automatisierten Verarbeitung von Daten auf alle nicht-
öffentlichen Stellen Anwendung, zu denen auch der private Arbeitgeber zählt.145 Die
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nach dem Recht-
fertigungserfordernis des § 4 Abs. 1 BDSG nur ausnahmsweise zulässig, soweit das
BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betrof-
fene eine an die strenge Form des § 4a BDSG gebundene Einwilligung erklärt hat (sog.
präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt).146
159 Bei einer verbotenen Privatnutzung der betrieblichen Kommunikationsmittel
finden keine telekommunikationsrechtlichen Spezialgesetze Anwendung, so dass
Rechtfertigungsvorschriften nur im BDSG zu finden sind. Zentrale Rechtfertigungs-
norm stellt hier der bereits erwähnte § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG dar, auch wenn dieser auf-
grund seiner unbestimmten Rechtsbegriffe nicht unumstritten ist. Dieser unterwirft
jeglichen Umgang mit Mitarbeiterdaten sowohl einer offen formulierten Bindung an
„Zweck des Beschäftigungsverhältnisses“ als auch einer Verhältnismäßigkeitsabwä-
gung. Es muss also erforderlich sein, die Daten zu erheben, zu verarbeiten oder zu
nutzen. Das Informationsinteresse des Arbeitgebers muss insofern das Arbeitneh-
merinteresse überwiegen. Letztlich kommt es auf eine Abwägung der für jede Partei
bestehenden Grundrechte an, also das Kontrollinteresse des Arbeitgebers einerseits
sowie das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung anderer-
seits.147 Es können sich hierbei eine Vielzahl von Fragen stellen, die in jedem Einzel-
fall besonders zu berücksichtigen sind.
160 Im Ergebnis ist aber zu beachten, dass es grundsätzlich immer hilfreich ist, sich
eine Parallele zur schriftlichen oder telefonischen dienstlichen Kommunikation zu
ziehen.148
161 Inhaltlich ist bei der Kontrolle der Telekommunikation von Arbeitnehmern Fol-
gendes zu beachten: Die Kontrolle des Gesprächsinhalts von Telefonaten ist grund-
sätzlich als unzulässiger Eingriff in das Recht des Arbeitnehmers am eigenen
Wort und das Fernmeldegeheimnis anzusehen.149 Umstritten ist, ob das Erfassen,
Speichern und Nutzen des E-Mail-Inhalts über § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG gerechtfertigt
sein kann. Vergleicht man die E-Mail-Kommunikation mit einem Telefonat, so muss
eine inhaltliche Kontrolle aus den oben genannten Gründen ausscheiden. Dagegen

145 Vgl. Preis II I 10 Rn. 21; ErfK/Franzen, Einleitung BDSG, Rn. 3.


146 Vgl. dazu auch Kap. 5 Rn. 109.
147 Moll/Dendorfer, § 35 Rn. 199; Dann/Gastell, NJW 2008, 2945, 2947.
148 Vgl. auch Küttner/Kreitner, Internet-/Telefonnutzung Rn. 9.
149 Vgl. BVerfG v. 19.12.1991 – 1 BvR 382/85; BVerfG v. 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96 und 1 BvR 805/98.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 187

erscheint es unproblematisch, wenn die dienstliche Internetnutzung inhaltlich kon-


trolliert wird, wobei auch hier die Grenze einer zulässigen Überwachung dann über-
schritten wird, wenn das Nutzungsverhalten des Arbeitnehmers lückenlos über die
gesamte Dauer der Arbeitszeit aufgezeichnet wird. Eine Überwachung von Arbeitneh-
mern mit Sonderstatusrechten, wie bspw. Ärzte, Rechtsanwälte und die im Katalog
des § 203 StGB genannten Berufsgruppen ist hingegen unzulässig.
Sofern Kontrollmaßnahmen zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten im 162
Arbeitsverhältnis eingeleitet werden sollen, stellt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG die Doku-
mentation von konkreten Verdachtsmomenten als zusätzliche Anforderung. Diese
müssen die hohe Wahrscheinlichkeit einer Straftatbegehung im Arbeitsverhältnis
durch den betroffenen Arbeitnehmer begründen.150 Maßnahmen sind demnach auf
den Verdächtigten zu beschränken.
Im Ergebnis ist aber festzuhalten, dass die Kontroll- und Überwachungsmöglich- 163
keiten bei einem Ausschluss der Privatnutzung am unproblematischsten möglich
sind.

b) K ontrolle und Überwachung der Telekommunikation bei zugelassener privater


Nutzung
Schwieriger gestaltet sich die Kontrolle und Überwachung, wenn die private Nutzung 164
zumindest teilweise zugelassen wurde. Datenschutzrechtlich bestehen hier einige
Besonderheiten und es sind zahlreiche Sonderregelungen zu beachten, deren Anwen-
dung in der juristischen Literatur äußerst streitig sind.
Nach einer (wohl noch herrschenden) Ansicht unterliegt der Arbeitgeber nämlich 165
in diesem Fall den telekommunikationsrechtlichen Sonderregelungen des Telekom-
munikationsgesetzes (TKG) und des Telemediengesetzes (TMG), so dass das BDSG
nach § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG subsidiär ist.151 Hier befindet man sich also in spezifi-
schen Teilen einer Datenübermittlung, welche die Anwendungsbereiche des Gesetzes
decken. Die technische Seite des Übertragungsvorgangs, also die reine und inhalt-
lich unberührte Verbindungs- und Übertragungsleistungen unterfallen dem TKG,
die interaktive Ebene, also alle Bereiche der Telekommunikation, die über die bloße
Übermittlung hinaus inhaltliche Ausgestaltung erfahren haben, unterfallen dem
TMG.
Diese Ansicht ist der Auffassung, dass der Arbeitgeber im Falle der Erlaubnis der 166
Privatnutzung als Anbieter von Telekommunikation- und Telemediendiensten im
Sinne von § 3 Nr. 6 TKG bzw. § 2 Nr. 1 TMG anzusehen ist. Der Arbeitgeber hat demnach
mit Bereitstellung eines Telekommunikationsanschlusses unter Erlaubnis der Privat-
nutzung das Fernmeldegeheimnis nach § 88 TKG zu beachten. Diesem unterliegt nicht

150 Preis II I 10 Rn. 25.


151 So etwa Buschmann/Rosak, DB 2014, 2530; Küttner/Kreitner, Internet-/Telefonnutzung Rn. 7.

Weiss-Bölz
188 Kapitel 5 Nebenpflichten

nur der Inhalt der Telekommunikation, sondern auch die Tatsache, dass jemand an
einem Vorgang der Telekommunikation beteiligt war. Insofern sind die Kontrollbe-
fugnisse des Arbeitgebers hier ohne ausdrückliche Einwilligung des Arbeitnehmers
sehr eingeschränkt.
167 Im Ergebnis soll nach dieser Ansicht die gesamte E-Mail Korrespondenz des
Arbeitnehmers dem Arbeitgeber entzogen sein. Denn um zwischen privaten und
geschäftlichen E-Mails zu unterscheiden, müsste der Arbeitgeber einzelne E-Mails
bereits kontrollieren und würde dann gegen das strafbewährte Fernmeldegeheimnis
verstoßen.152
168 Die in jüngerer Vergangenheit zunehmend vertretene Auffassung tritt demgegen-
über und ist der Auffassung, dass das BDSG hier Anwendung findet und der Arbeit-
geber die Vorgaben dieses Gesetzes zu beachten hat, der Arbeitgeber also gerade kein
Telekommunikationsanbieter ist, wenn er seinen Mitarbeitern die private Nutzung
der betrieblichen E-Mail-Zugänge erlaubt.153 Da der Arbeitgeber nach dieser Auffas-
sung nicht als Diensteanbieter i. S. v. von TKG zu qualifizieren ist, kann dieser auch
nicht gegen das Fernmeldegeheimnis gem. § 88 TKG verstoßen. Diese Auffassung
findet sich zunehmend auch in der jüngeren Rechtsprechung.154 Eine höchstrichterli-
che Rechtsprechung zu der Frage existiert allerdings nicht, wobei die Tendenzen der
Instanzrechtsprechung sowie auch der zunehmenden Literatur nach der hier vertre-
tenen Auffassung die besseren Argumente liefern. Zum einen spricht dafür, dass der
Wortlaut des TKG recht unbestimmt ist, so dass aus dem Grundsatz, dass bei unklar
formulierten Vorschriften diese zunächst verfassungskonform auszulegen sind und
eine praktische Konkordanz nur im Rahmen einer Abwägung möglich ist und nicht
auf Basis eines strikten Zugriffsverbots. Zum anderen verbleibt auch kein schutzloser
Raum, da die datenschutzrechtlichen Vorgaben des § 32 BDSG nach wie vor maßgeb-
lich sind, so dass eine interessengerechte Abwägung stattfinden kann. Insofern ist die
letztgenannte Auffassung vorzugswürdiger.
169 Bis zu einer abschließenden Entscheidung bleibt die erlaubte Privatnutzung aber
gleichwohl ein Risiko für den Arbeitgeber, insbesondere was Kontroll- und Überwa-
chungsrechte anbelangt. Um das Risiko zu minimieren, bietet sich auch hier eine
ausdrückliche Einwilligungserklärung des Arbeitnehmers an.
170 Dann sind nämlich über die bereits dargelegten gesetzlichen Grenzen hinaus
Kontrollen der dienstlichen und privaten Telekommunikation am Arbeitsplatz zuläs-
sig.155 Es kann insofern eine Ergänzung dahingehend erfolgen, dass der Arbeitgeber
berechtigt ist, die Nutzung der Telekommunikationsanlagen (Telefon, Internet und

152 Vgl. Wybitul, NJW 2014, 3605, 3607.


153 Auffassung so bei Wybitul, NJW 2014, 3605, 3607; Buschmann/Rosak, DB 2014, 2530.
154 Vgl. etwa LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.02.2011 – 4 Sa 2122/10; LAG Niedersachsen, Urt. v.
31.05.2010 – 12 Sa 875/09.
155 Preis II I 10 Rn. 34.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 189

E-Mail)/des Internets und E-Mail-Systems (bei gewollter Differenzierung) für die


Dauer von maximal 3 Monaten zu speichern, um die Einhaltung der obigen Bestim-
mungen zu prüfen. Der Arbeitnehmer erteilt insoweit eine Einwilligung gemäß § 4a
BDSG in die hiermit verbundene Verarbeitung persönlicher Daten. Der Arbeitnehmer
kann die Einwilligung jederzeit widerrufen.
Diese Einwilligung ist allerdings nicht ohne Bedenken. Zum einen muss die 171
Einwilligung der freien Entscheidung unterliegen und sie muss die Möglichkeit ent-
halten, dass sie jederzeit widerruflich ist. Insofern ergeben sich in der Praxis keine
rechtssicheren Ausgestaltungen. Weiter beachtet werden muss, dass am Telekom-
munikationsvorgang nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch betriebsfremde Dritte
beteiligt sein können, deren Einwilligung gerade nicht vorliegt. Insofern wären die
schutzwürdigen Interessen sämtlicher Kommunikationspartner, also auch die der
Dritten, zu berücksichtigen. Sollte man sich aber gleichwohl für eine solche Einwilli-
gung entscheiden, so ist zu beachten, dass diese in formaler Hinsicht nach § 4a Abs. 1
Satz 3 BDSG schriftlich sein muss (vgl. § 126 BGB).
Im Übrigen sollte die Einwilligung, sofern sie nicht ohnehin gesondert vereinbart 172
wird, durch Fettdruck hervorgehoben werden oder optisch in anderer Weise getrennt
dargestellt werden. Schließlich ist der Arbeitnehmer über den vorgesehenen Zweck
der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu unterrichten. An die Einwilligungser-
klärung sind demnach strenge Anforderungen gestellt.156

3. Rechtsfolgen bei rechtswidriger Überwachung durch den Arbeitgeber


Es drohen empfindliche Sanktionen, wenn der Arbeitgeber personenbezogene Arbeit- 173
nehmerdaten rechtswidrig erhebt oder verwendet. Der Arbeitnehmer hat nicht nur
ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch bzw. auch Löschungsansprüche, es
können ihm auch Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1, 2 und § 280 Abs. 1 BGB
zustehen. Letztlich kommt auch eine Strafbarkeit des Arbeitgebers in Betracht (z. B.
§§ 201, 202a, 206, 303a StGB und § 44 Abs. 1 i. V. m. § 43 Abs. 2 BDSG). Im Übrigen kann
ein allgemeines Verwertungsverbot bestehen.

4. Rechtsfolgen bei unzulässiger Privatnutzung des Arbeitnehmers


Eine unzulässige Privatnutzung während der Arbeitszeit stellt eine Verletzung der 174
arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, nämlich der Pflicht zur Erbringung der Arbeits-
leistung dar. Derartige Pflichtverletzung kann der Arbeitgeber abmahnen.157 Je nach
Schwere und Dauer der Pflichtverletzung kann dies auch zum Anlass für eine verhal-
tensbedingte Kündigung genommen werden, wobei hier allerdings regelmäßig eine

156 Vgl. dazu auch Kap. 5 Rn. 109.


157 BAG, Urt. v. 19.04.2012 – 2 AZR 186/11.

Weiss-Bölz
190 Kapitel 5 Nebenpflichten

vorherige Abmahnung erforderlich ist, insbesondere dann, wenn keine betriebliche


Regelung über die Privatnutzung besteht.158 Entscheidend sind aber die Einzelfälle,
im Hinblick auf etwaige Nutzungen von Telekommunikationsmitteln des Arbeitsge-
bers existiert eine Vielzahl an Einzelfallrechtsprechung, die im konkreten Fall heran-
gezogen werden kann. Das Erfordernis einer umfassenden Interessenabwägung auch
im Zusammenhang mit Äußerungen von Arbeitnehmern im Internet oder Intranet
spielt dabei eine maßgebliche Rolle.
175 Neben Beendigungssanktionen kommen auch Schadensersatzansprüche des
Arbeitgebers in Betracht, wenn der Arbeitnehmer durch sachwidrige Nutzung der
Kommunikationsmitteln Schäden verursacht hat. Finanzielle Schäden durch über-
höhte Leistungsgebühren kommen heutzutage aufgrund spezieller Flatrate-Tarife
weniger in Betracht, es können aber auch Schäden an Software oder Hardware verur-
sacht worden sein, die der Arbeitnehmer zu verantworten hat.159

5. EDV-Nutzung und Weiterleitung von E-Mails bei betrieblicher Abwesenheit


176 Oftmals ist in der Praxis in diesem Zusammenhang auch die Frage zu finden, wie
reagiert wird, wenn ein Mitarbeiter nicht anwesend ist und ob dann betriebliche
E-Mails eingesehen oder weitergeleitet werden können. Auch hier ist eine Klausel im
Arbeitsvertrag zu empfehlen, die solchen Fällen vorbeugt.
177 Im Falle der Abwesenheit eines Arbeitnehmers bieten E-Mail-Programme mitt-
lerweile die Funktion einer automatischen Weiterleitung (Auto-Forward) und ver-
fügen im Übrigen auch über einen Abwesenheitsassistenten (Auto-Reply), welcher
dem Absender der eingehenden E-Mail automatisch eine Rückmeldung zukommen
lässt. Insofern könnten hierfür Regelungen bereits im Arbeitsvertrag aufgenommen
werden, so dass die Mitarbeiter bspw. bei Urlaubsabwesenheit verpflichtet sind,
einen solchen Assistenten einzurichten.
178 Insbesondere wenn die private Nutzung erlaubt ist, ist es aber problematisch,
ob der Arbeitgeber bei Abwesenheit eines Arbeitnehmers die interne Weiterleitung
eingehende E-Mails anordnen darf. Dies ist aus den oben dargestellten Gründen zu
vermeiden und vielmehr auf den Abwesenheitsassistenten zurückzugreifen. Die
Situation einer unvorhergesehenen, bspw. krankheitsbedingten Abwesenheit muss
ebenfalls bedacht werden, da der Arbeitnehmer hier keine eigene Organisationsmög-
lichkeit hat. Insofern sollte dementsprechend eine Klausel gestaltet werden, die auch
bei einer unvorhergesehenen Abwesenheit bspw. den Systemadministrator nach
Unterrichtung durch den Arbeitgeber berechtigt, die Einrichtung der Auto-Reply
Funktion für den Arbeitnehmer zu übernehmen. Dadurch ist eine Abwesenheitsnotiz
eingerichtet, bestenfalls verbunden mit der Bitte, die geschäftliche Korrespondenz an

158 Vgl. LAG Köln, Urt. v. 15.12.2003 – 2 Sa 816/03.


159 Vgl. hierzu auch Küttner/Kreitner, Internet-/Telefonnutzung, Rn. 14.

Weiss-Bölz
J. Nutzung von Kommunikationseinrichtungen im Unternehmen (E-Mail und Telefon) 191

einen in der Abwesenheitsnotiz benannten Mitarbeiter zu versenden.160 Aber auch in


diesen Fällen ist aus datenschutzrechtlicher Hinsicht Zurückhaltung geboten.

Klauselmuster
Für den Fall der betrieblichen Abwesenheit hat der Arbeitnehmer eigenverantwortlich eine automa-
tisierte Antwort (Auto-Reply) an den Absender eingehender E-Mails einzurichten, die den Absender
über die Abwesenheit des Arbeitnehmers informiert und ein Hinweis auf den zuständigen Vertreter
und dessen Telefonnummer enthält. Bei unvorhergesehener Abwesenheit (z. B. Krankheit) ist der
Systemadministrator durch den Vorgesetzten zu informieren, der die Funktion Auto-Reply für den be-
troffenen E-Mail-Account für die entsprechenden Informationen für die Absender eingehender E-Mail
aktiviert.

6. Speicherung betriebsfremder Dateın


Unabhängig davon, ob eine private Nutzung verboten oder erlaubt ist, sollte im 179
Arbeitsvertrag auch eine Klausel zu finden sein, die das Speichern betriebsfremder
Daten auf die betrieblichen EDV-Systeme grundsätzlich verbietet, da hier ein großes
Risiko eines Virenbefalls oder Systemfehlers besteht. Der Arbeitnehmer sollte im
Übrigen auch zur Virenkontrolle angehalten und darüber hinaus verpflichtet werden,
etwaige Störungen unverzüglich dem Systemadministrator mitzuteilen.161

Klauselvorschlag
Es dürfen keine betriebsfremden Programme sowie über externe Datenträger oder das Internet auf die
Festplatte des Computers kopiert bzw. auf dem PC installiert werden. Auf Virenkontrolle ist zu achten.
Das Auftreten einer Störung, insbesondere eines Computervirus ist unverzüglich dem Systemadmi-
nistrator [ggfs. anderweitige Zuständigkeit] mitzuteilen.

II. K
 lauselvorschlag für eine arbeitsvertragliche Regelung zum Umgang mit
Telekommunikationsanlagen des Arbeitgebers

Aufgrund der (noch) streitigen Gesichtspunkte in diesem Bereich wird vorgeschlagen, 180
die Privatnutzung insgesamt zu untersagen, da andernfalls die unter I. 2b) aufgezeig-
ten Problematiken bestehen. Dies muss selbstverständlich auch tatsächlich gelten.

160 Buschmann/Rosak, DB 2014, 2530, 2532.


161 Vgl. Preis II I 10 Rn. 50.

Weiss-Bölz
192 Kapitel 5 Nebenpflichten

Klauselvorschlag
1. Die Nutzung der betrieblichen Telekommunikationsanlagen (Telefon, Fax, Internet und E-Mail …)
darf ausschließlich zu dienstlichen Zwecken erfolgen. Eine private Nutzung durch den Arbeit-
nehmer ist grundsätzlich nicht gestattet. Die dienstlich veranlasste Privatnutzung sowie die Pri-
vatnutzung der Telekommunikationsanlagen in dringenden Fällen (Notsituationen, Pflichtenkol-
lisionen und besondere Eilfälle) sind hingegen zulässig, jedoch auf das unbedingt erforderliche
Maß zu beschränken.
2. Die Online-Medien dürfen nur mit der vom Arbeitgeber zugeteilten persönlichen Zugangsberech-
tigung (User-ID) genutzt werden. Diese und das zugehörige Passwort dürfen nicht an Dritte wei-
tergegeben werden, es sei denn der Arbeitgeber ordnet Gegenteiliges an.
3. Es dürfen keine betriebsfremden Programme und Dateien über externe Datenträger oder das
Internet auf die Festplatte des Computers kopiert bzw. auf den PC installiert werden. Auf Viren-
kontrolle ist zu achten. Das Auftreten einer Störung, insbesondere eines Computervirus, ist un-
verzüglich dem Systemadministrator mitzuteilen.
4. Das Abrufen, Anbieten oder Verbreiten von rechtswidrigen Inhalten, insbesondere solchen, die
gegen strafrechtliche, persönlichkeitsrechtliche, lizenz- oder urheberrechtliche Bestimmungen
verstoßen, ist für alle Telekommunikationsanlagen streng verboten.
5. Das Abrufen, Anbieten oder Verbreiten von politischen, diskriminierenden, herabwürdigenden
oder verfassungsfeindlichen Inhalten, insbesondere rassistischer oder pornografischer Art, ist
für alle Telekommunikationsanlagen streng verboten.
6. Für den Fall der betrieblichen Abwesenheit hat der Arbeitnehmer eigenverantwortlich eine au-
tomatisierte Antwort (Auto-Reply) an den Absender eingehender E-Mails einzurichten, die den
Absender über die Abwesenheit des Arbeitnehmers informiert und einen Hinweis auf den zustän-
digen Vertreter und dessen Telefonnummer enthält. Bei unvorhersehbarer Abwesenheit (z. B.
Krankheit) ist der Systemadministrator durch den Vorgesetzten zu informieren, der die Funktion
Auto-Reply für den betroffenen E-Mail-Account mit den entsprechenden Informationen für die
Absender eingehender E-Mails aktiviert.
7. Verstöße gegen diese Vorschriften können arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündi-
gung des Arbeitsverhältnisses haben.

Weiss-Bölz
Kapitel 6
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Aufgrund der Natur des Arbeitsverhältnisses als sog. Dauerschuldverhältnis ist dieses 1
darauf ausgelegt, ab seinem Beginn für einen längeren bzw. unbestimmten Zeitraum
fortzubestehen. Ohne gesonderte Regelungen im Arbeitsvertrag würde ein Arbeitsver-
hältnis mithin bis zum Tode des Arbeitnehmers fortbestehen, sofern die Arbeitsver-
tragsparteien nicht zuvor gesetzlich oder tarifvertraglich bestehende Beendigungs-
aktivitäten (insbesondere Kündigungen) entfalten. Für die Arbeitsvertragsgestaltung
bedeutet dies, dass Beendigungsregelungen nicht zwingend in einen Arbeitsvertrag
aufzunehmen sind. Allerdings liegt es vielfach im Interesse der Arbeitgeberseite,
vorzeitige Beendigungsmöglichkeiten oder auch zeitliche Begrenzungen des
Vertragszeitraumes bereits in den Arbeitsvertrag zu integrieren, um späteren Ablauf-
schwierigkeiten oder auch das Entstehen einer langfristigen Arbeitsvertragsbindung
unter Eintritt des gesetzlichen Kündigungsschutzes nach sechs Monaten Vertrags-
dauer zu verhindern. In der Praxis hat sich daher insbesondere etabliert, vor allem
neu eintretenden Arbeitnehmern zunächst nur eine befristete Beschäftigung anzu-
bieten. Eine solche Befristung muss zwingend bereits formal ordnungsgemäß in den
arbeitsvertraglichen Absprachen integriert sein. Zum anderen hat sich herausgestellt,
dass die Aufnahme rechtlich zulässiger Altersgrenzen und spezieller Beendigungsver-
einbarungen für den Fall von Erwerbsminderungen den personalrechtlichen Umgang
mit diesen betrieblich häufig auftretenden Lebenssachverhalten stark erleichtern.
Zuletzt ist aber auch eine transparente Wiedergabe der von den Parteien beabsichtig-
ten beidseitigen Kündigungsfristen bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung anzu-
raten, um insoweit jeglichen Unklarheiten vorzubeugen.

A. Befristung des Arbeitsverhältnisses

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses bringt vor allem für Arbeitgeber maßgeb- 2
liche Vorteile mit sich. Das mit einem Arbeitnehmer eingegangene Arbeitsverhältnis
endet zu einem nach Zeit oder Zweck festgelegten Zeitraum automatisch, ohne
dass es hierfür einer gesonderten Beendigungshandlung, insbesondere einer Kündi-
gung bedarf. Dies bedeutet vor allem, dass es auch nicht der sonstigen Vorbereitun-
gen und Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung bedarf. Sofern eine Befris-
tung wirksam vereinbart wurde, sind für die Beendigung weder Kündigungsfristen
noch Anhörungen (Betriebsrat, Integrationsamt u. a.) zu beachten. Noch wichtiger
ist allerdings, dass der Arbeitgeber für die Beendigung nach Ablauf der Befristung
keinen Kündigungsgrund benötigt und auch Sonderkündigungsschutztatbestände
(Schwerbehinderung, Mutterschutz u. a.) keine Rolle spielen. Sollte mithin die Befris-
tungsvereinbarung insbesondere unter Beachtung der verschiedenen Formvorschrif-

Christ
194 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

ten rechtlich wirksam abgeschlossen worden sein, kann sich der Arbeitnehmer in
aller Regel arbeitsrechtlich nicht mehr gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses zur Wehr setzen.
3 Ob und wann eine Befristung eines Arbeitsverhältnisses möglich und wirksam
ist, bestimmt sich seit dem Jahre 2001 nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz
(TzBfG). Bereits zuvor war durch die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung allerdings
anerkannt, dass die Befristung eines Arbeitsverhältnisses als atypische Konstella-
tion angesehen werden soll und unbefristete Arbeitsverhältnisse den „Normalfall“
darstellen sollten. Seit dem Inkrafttreten des TzBfG wird die Wirksamkeit einer
Befristung ausschließlich nach der gesetzlichen Regelung des § 14 TzBfG überprüft
(vgl. § 620 Abs. 3 BGB). Danach gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Arten befris-
teter Arbeitsverhältnisse, solche mit Sachgrund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) und solche ohne
Sachgrund (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Aus der Sicht der Arbeitgeber sowie in Bezug auf die
Arbeitsvertragsgestaltung bergen befristete Arbeitsverträge vor allem in formaler
Hinsicht verschiedene Wirksamkeitsrisiken. Die Praxis zeigt, dass insbesondere
Verstöße gegen das in § 14 Abs. 4 TzBfG normierte Schriftformerfordernis sowie ein
unbedachtes Verhalten vor Vertragsaufnahme oder nach Vertragsbeendigung einem
Arbeitnehmer relativ häufig die Möglichkeit geben, sich aufgrund des formal fehler-
haften Umgangs mit den Befristungsregelungen auf die Entfristung seines Arbeitsver-
hältnisses zu berufen.
4 Aus diesem Grund kommt der Vertragsgestaltung von befristeten Arbeitsverträ-
gen eine besonders hohe Bedeutung zu. Hierbei sind die rechtlichen Vorgaben der
Befristungsregelungen des TzBfG sorgfältig zu beachten. Neben der reinen Vertrags-
formulierung ist dem Arbeitgeber aber auch bewusst zu machen, dass dem tatsäch-
lichen Umgang mit dem befristet eingestellten Arbeitnehmer sowie der praktischen
Durchführung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine besondere Bedeutung hin-
sichtlich der rechtlichen Wirksamkeit der Befristung zukommen.

I. Rechtliche Systematik der Wirksamkeit von Befristungen

5 Um eine wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages vorzunehmen, sollte sich der


Vertragsersteller die Systematik einer später ggf. vorzunehmenden Befristungskont-
rolle verdeutlichen. Zu beachten ist zunächst, dass jedes befristete Arbeitsverhältnis
generell der Schriftform bedarf (vgl. § 14 Abs. 4 TzBfG). Arbeitsverträge, welche die
Schriftform nicht wahren, führen automatisch zur Unwirksamkeit einer im Vertrag
enthaltenen Befristung (vgl. § 16 TzBfG), allerdings nicht zur Unwirksamkeit des
Arbeitsvertrages an sich.
6 Wurde die Schriftform hingegen gewahrt, ist die Wirksamkeit einer Befristung
des Arbeitsverhältnisses dann gegeben, wenn ein die Befristung legitimierender
Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt oder die Befristung den vom Gesetz vor-
gesehenen Ausnahmevorschriften einer sachgrundlosen Befristung nach den §§ 14

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 195

Abs. 2, 2a oder 3 TzBfG entspricht. Zu beachten ist hierbei, dass die Arbeitsgerichte
im Falle eines Konfliktes über die Wirksamkeit einer Befristung ausschließlich den
letzten befristeten Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle unterziehen, selbst wenn
dieser nur das Ende einer ganzen Kette von Befristungsabreden darstellt. Die Frage
der Wirksamkeit der früheren Befristungen stellt sich dann nicht mehr.
Für die Prüfung der Wirksamkeit einer Befristung im engeren Sinne spielt es 7
hingegen keine Rolle, ob es sich um eine sog. kalendermäßige Befristung oder eine
Zweckbefristung handelt. Der Unterschied dieser beiden Befristungsarten liegt ledig-
lich darin begründet, dass die kalendermäßige Befristung des Arbeitsverhältnisses
die Dauer des Arbeitsverhältnisses bis zu einem bereits fest fixierten Datum festlegt.
Die reine Zweckbefristung (d. h. ohne Nennung eines Beendigungsdatums) macht
die Dauer des Arbeitsverhältnisses hingegen vom Eintritt eines Ereignisses (posi-
tiver Bedingungseintritt, z. B. Rückkehr einer erkrankten Kollegin) oder vom Wegfall
eines Umstandes (negativer Bedingungseintritt, z. B. Fertigstellung eines konkre-
ten Projektes) abhängig. Steht also die Wirksamkeit einer kalendermäßigen Befris-
tung oder einer Zweckbefristung im Streit, ist auch diese Rechtsfrage ausschließlich
anhand der oben bereits dargestellten Systematik zu prüfen. Die Wirksamkeit einer
solchen Befristung hängt also auch in diesen Fällen von der Frage ab, ob ein Sach-
grund nach § 14 Abs. 1 TzBfG diese legitimiert oder ob der gesetzliche Ausnahmefall
einer sachgrundlosen Befristung vorliegt.

II. Befristung mit sachlichem Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG)

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist, sofern kein gesetzlicher Ausnahmefall einer 8
sachgrundlosen Befristung vorliegt, dann wirksam, wenn ein sachlicher Grund nach
§ 14 Abs. 1 TzBfG vorliegt. Sachliche Gründe liegen nach der gesetzlichen Vorgabe ins-
besondere dann vor, wenn einer der acht im Gesetz genannten Unterfälle vorliegt.
Durch die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „insbesondere“ wird deutlich,
dass grundsätzlich weitere im Gesetz nicht ausdrücklich genannte oder den Unter-
fällen zuordenbare Konstellationen denkbar sind. Bisher wurden alle von der Recht-
sprechung anerkannten Gründe einem der acht Unterfälle zugewiesen, insofern ist
die praktische Relevanz der nicht genannten Fälle verschwindend gering.
Nicht erforderlich ist es hingegen in der vertraglichen Vereinbarung selbst, vor- 9
behaltlich tarifvertraglicher Regelungen, den avisierten Befristungsgrund schriftlich
zu fixieren.1 Auch aus rein taktischen Gründen sollte bei der Vornahme einer Befris-
tungsvereinbarung im Regelfall auf die Angabe des Befristungsgrundes in dem
Vertrag verzichtet werden. Durch die Fixierung auf einen Befristungsgrund nimmt
sich der Arbeitgeber die Möglichkeit, im Falle eines späteren Befristungskonfliktes auf

1 Vgl. BAG, Urt. v. 08.12.1988 – 2 AZR 308/88; BAG, Urt. v. 26.07.2006 – 7 AZR 515/05.

Christ
196 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

ggf. auch andere vorliegende Befristungsgründe argumentativ auszuweichen, sofern


der ausdrücklich genannte Grund von einem Arbeitsgericht rechtlich nicht anerkannt
wird. Denkbar wäre es z. B., dass eine vorgenommene Projektbefristung nicht den
rechtlichen Anforderungen standhält, sich der Arbeitgeber aber durch die explizite
Nennung einer Projektbefristung im Vertrag die Möglichkeit genommen hätte, auf die
Rechtfertigung einer ggf. ebenso noch vorliegenden sachgrundlosen Befristung nach
§ 14 Abs. 2 TzBfG auszuweichen. Auch das Nachweisgesetz fordert insoweit lediglich
eine schriftliche Niederlegung des Endtermins einer kalendermäßigen Befristung,
aber keine Nennung des Befristungsanlasses.2

1. Vorübergehender Bedarf (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG)


10 Ein sachlicher Grund für eine Befristung liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor,
wenn „der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht“.
Am häufigsten wird bei dieser Alternative die sog. Projektbefristung in der Praxis
auftreten.
11 Eine Befristung wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfes setzt
zunächst voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung mit
hinreichender Sicherheit erwarten muss, dass nach dem vereinbarten Befristungsab-
lauf für eine weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb kein Bedarf mehr
besteht. Der Arbeitgeber hat insoweit zum Zeitpunkt der Befristungsvornahme eine
Prognose zu erstellen, die mit konkreten Anhaltspunkten ausgefüllt sein muss.3
Diese Prognose ist insoweit laut Rechtsprechung als Teil des Sachgrundes anzuse-
hen.4
12 Zu beachten ist, dass die bloße Unsicherheit des Arbeitgebers, ob ein Mehrbedarf
an Arbeitskräften nur für eine bestimmte Dauer besteht, nicht ausreicht, um einen
Arbeitsvertrag wirksam zu befristen. Denn die Unsicherheit der zukünftigen Entwick-
lung des Arbeitskräftebedarfs gehört grundsätzlich zum unternehmerischen Risiko
des Arbeitgebers. Die Rechtsprechung verwehrt es daher den Arbeitgebern, das
Risiko eines nicht vorhersehbaren Arbeitskräftebedarfs durch den Abschluss befris-
teter Arbeitsverhältnisse abzufedern.5
13 Zudem ist zu beachten, dass eine projektbezogene Tätigkeit eines Arbeitnehmers
diesen voraussichtlich auch überwiegend beanspruchen muss und der Arbeitnehmer
möglichst nicht zusätzlich auch noch zu anderen Tätigkeiten herangezogen wird.
Eine Projektbefristung ist darüber hinaus dann als kritisch anzusehen, wenn die
Bearbeitung von einzelnen Projekten den Charakter der unternehmerischen Tätigkei-

2 Birk, NZA 1996, S. 286.


3 BAG, Urt. v. 10.03.2004 – 7 AZR 307/03.
4 BAG, Urt. v. 17.03.2010 – 7 AZR 640/08.
5 BAG. Urt. v. 04.12.2013 – 7 AZR 277/12.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 197

ten prägt. So wird sich beispielsweise ein Architekturbüro schwer darin tun, einen
Mitarbeiter unter Berufung auf ein reguläres Bauprojekt nur befristet zu beschäftigen.
Anders mag dies freilich dann zu bewerten sein, wenn ein besonders herausragen-
des und im Arbeitsaufwand herausstechendes Bauprojekt bearbeitet werden soll und
nicht zu erwarten steht, dass derartige Großprojekte auch zukünftig wieder anfallen
werden.
Bei der Prüfung, ob die Befristung eines Projektarbeitsverhältnisses wirksam ist, 14
ist neben dem Befristungsgrund auch die Dauer der Befristung zu betrachten, da sich
die vereinbarte Dauer des Vertrages an der prognostizierten Dauer des Projektes ori-
entieren und von dieser nicht wesentlich abweichen soll.6 Dies bedeutet allerdings
nicht, dass sich der Zeitpunkt des Projektendes mit der Dauer der vereinbarten Befris-
tung vollkommen decken muss. Geringfügige Über- oder Unterschreitungen der
Befristungsdauer in Bezug auf das Projekt bzw. den prognostizierten Arbeitskräftebe-
darf sind zulässig.
Zu beachten ist, dass ein Arbeitnehmer auch dann keinen Anspruch auf Wei- 15
terbeschäftigung nach Befristungsablauf hat, sofern sich die zunächst wirksam zu
Vertragsbeginn erstellte Beschäftigungsprognose im Laufe des Vertrages als unzutref-
fend herausstellt. Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Befristung ist allein der
Umstand, ob die vom Arbeitgeber erstellte Beschäftigungsprognose zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses zutreffend war. Auch wenn sich diese im Nachhinein während
der Vertragslaufzeit als unzutreffend herausstellt, hat das BAG einen Weiterbeschäfti-
gungsanspruch des Arbeitnehmers bislang nicht anerkannt.7

2. B
 efristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium (§ 14 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 TzBfG)
Die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium gemäß § 14 Abs. 1 16
Satz 2 Nr. 2 TzBfG wurde vom Gesetzgeber als sachlicher Grund für eine Befristung
vorgegeben, um den Übergang des Arbeitnehmers nach der Ausbildungsphase in
eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern. Dieser gesondert vorgesehene Sach-
grund ermöglicht es damit insbesondere, Hochschulabsolventen nach Erlangung
ihres Studienabschlusses befristet zu beschäftigen, auch wenn diese zuvor während
des Studiums oder davor bereits für dasselbe Unternehmen im Rahmen eines Arbeits-
verhältnisses tätig waren. Denn in diesen Fällen wäre der Abschluss einer sachgrund-
losen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG regelmäßig nicht mehr möglich.
Als Ausbildung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG wird insbesondere eine 17
Berufsausbildung gemäß BBiG angesehen. Eine rein innerbetriebliche Fort- oder
Weiterbildungsmaßnahme oder Umschulung können hingegen nicht als Ausbildung

6 BAG, Urt. v. 26.08.1988 – 7 AZR 101/88.


7 BAG, Urt. v. 20.02.2002 – 7 AZR 600/00.

Christ
198 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

angesehen werden. Als Studium gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG ist jeder geord-
nete Ausbildungsgang an einer nach Hochschulrecht anerkannten Institution (insbe-
sondere Universität oder Fachhochschule) anzusehen, sofern diese einen staatlichen
oder staatlich anerkannten Abschluss vermittelt. Der gesetzliche Sachgrund erfor-
dert es allerdings nicht, dass diese Ausbildung oder das Studium vor Aufnahme der
befristenden Tätigkeit erfolgreich abgeschlossen wurde.8 Konfliktreich kann in der
Praxis mitunter die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „im Anschluss“ sein. Nach
der insoweit recht strikten Rechtsprechung kann ein Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 TzBfG nur dann wirksam befristet sein, wenn dieser als erster Arbeits-
vertrag nach dem Ende der Ausbildung oder des Studiums abgeschlossen wird.
Sollte der Arbeitnehmer hingegen zwischenzeitlich, auch nur kurzzeitig, ein ander-
weitiges Arbeitsverhältnis eingegangen sein, schließt dies eine Befristung nach § 14
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG aus.9 Allerdings gab es in der Rechtsprechung zumindest
Tendenzen dahingehend, von dieser strikten Vorgabe des Erstarbeitsvertrages dann
abzuweichen, wenn die fragliche Zwischenbeschäftigung nach der Ausbildung oder
dem Studium als kurzfristiger Gelegenheitsjob ausgestaltet war.10 Da es sich nach der
Rechtsprechung bei dem hier fraglichen Sachgrund ausschließlich um die Befristung
des ersten Arbeitsvertrags handeln darf, wird geschlossen, dass auch eine Vertrags-
verlängerung eines zunächst auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG gestützten befristeten
Vertrages nicht vorgenommen werden kann.
18 Einschränkend muss die Befristungsmöglichkeit im Anschluss an eine Ausbil-
dung oder ein Studium auch dann verstanden werden, wenn es sich bei der befristeten
Tätigkeit nicht um eine solche handelt, die den Übergang in ein unbefristetes Anstel-
lungsarbeitsverhältnis tatsächlich erleichtern könnte. Voraussetzung einer Befris-
tung ist mithin, dass durch die befristete Beschäftigung die Vermittlungschancen auf
dem Arbeitsmarkt tatsächlich verbessert werden können. Wird ein gerade ausgebil-
deter Elektrotechniker im Anschluss an seine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung
von einem Taxiunternehmer als Taxifahrer beschäftigt, wird sich dieser nicht auf den
Befristungsgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG stützen können, sofern er den
Arbeitnehmer lediglich als Taxifahrer beschäftigt. Erforderlich ist es daher, dass der
befristet angestellte Mitarbeiter zumindest in einem Bereich beschäftigt wird, der mit
dem Inhalt der Ausbildung oder des Studiums in Zusammenhang steht.
19 Des Weiteren stellt sich oftmals die Frage, für welche Dauer ein Arbeitnehmer
nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG befristet im Anschluss an seine Ausbildung oder
sein Studium beschäftigt werden darf. Die Rechtsprechung hat hierzu keine festen
Zeitgrenzen vorgesehen. In der Literatur wird hierzu häufig vertreten11, dass zumin-

8 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rn. 31.


9 BAG, Urt. v. 10.10.2007 – 7 AZR 795/06.
10 BAG, Urt. v. 24.08.2011 – 7 AZR 368/10.
11 Moll/Schulte, § 41 Rn. 40.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 199

dest eine Befristungsdauer von zwei Jahren zulässig sein müsste, da insoweit auch
die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG im Regelfall die gleiche Dauer
vorgibt und die gesetzgeberischen Motive beider Befristungsmöglichkeiten ähnlich
gelagert sind. Zu vertreten ist es aber auch, dass im Einzelfall eine Befristung an den
Anschluss eines Studiums sogar länger als zwei Jahre gestaltet sein kann, wenn die zu
erledigenden arbeitsvertraglichen Aufgaben sehr anspruchsvoll und schwierig gela-
gert sind und insoweit auch eine verlängerte Erprobungszeit sachlich zu begründen
ist.

3. Befristung zur Vertretung anderer Arbeitnehmer (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG)


Durch den in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gesetzlich geregelten Sachgrund einer Ver- 20
tretungssituation trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass beim Arbeit-
geber im Falle von nicht beeinflussbaren zeitweisen Personalausfällen ein vorüber-
gehender Personalbedarf entstehen kann, der durch die befristete Beschäftigung
eines Vertretungspersonals abgefangen werden kann.
Die typischen Gründe für den vorübergehend entstehenden Personalbedarf sind 21
vor allem folgende Ereignisse in Bezug auf den ausfallenden Stammarbeitnehmer:
Krankheit, Urlaub, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit, Abordnungen auf andere
Arbeitsplätze (ggf. ins Ausland), Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern nach
dem BetrVG u. a.
Um den Sachgrund der Vertretung gerichtlich darlegen zu können, muss der 22
Arbeitgeber eine Prognose über den Vertretungsbedarf bzw. den mit greifbarer
Sicherheit zu erwartenden Wegfall des Vertretungsbedarfes zu einem späteren Zeit-
punkt erstellen. Diese Prognose muss sich allerdings nur auf den Wegfall des Ver-
tretungsbedarfes zu einem späteren Zeitpunkt durch die zu erwartende Rückkehr
des ausgefallenen Arbeitnehmers erstrecken. Der konkrete Zeitpunkt der Rückkehr
bzw. die Dauer des Vertretungsbedarfs muss zum Zeitpunkt der Prognose, d. h. zum
Zeitpunkt der Befristungsabrede, noch nicht bekannt sein. Für die Durchführung des
befristeten Arbeitsverhältnisses bedeutet dies, dass die Dauer des befristeten Arbeits-
vertrages nicht deckungsgleich sein muss mit der Dauer des Ausfalls des Stammar-
beitnehmers. Die vom Arbeitgeber gewählte Befristungsdauer kann auch kürzer sein
als der prognostizierte Vertretungsbedarf.12
Insbesondere in den Fällen der Krankheitsvertretung ist es als weitere Wirksam- 23
keitsvoraussetzung der Befristung anzusehen, dass sich bei Abschluss des befriste-
ten Arbeitsvertrages für den Arbeitgeber noch keine erheblichen Zweifel dafür auf-
drängen mussten, dass der vertretene Arbeitnehmer seine Arbeit zu einem späteren
Zeitpunkt wieder aufnehmen wird. Allerdings erkennt die Rechtsprechung an, dass
der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen darf, dass eine ausgefallene Stamm-

12 BAG, Urt. v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03.

Christ
200 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

kraft, sofern diese ihr Arbeitsverhältnis formal aufrechterhält, zu einem späteren


Zeitpunkt auf den alten Arbeitsplatz zurückkehren will und wird.13 Erklärt ein ausge-
fallener Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber allerdings verbindlich, dass er die
Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder aufnehmen kann bzw. wird oder hat
der Arbeitgeber Kenntnis von Umständen, welche dem ausgefallenen Arbeitnehmer
eine spätere Tätigkeitsaufnahme unmöglich machen wird (z. B. tödlich verlaufende
Erkrankungen), wird sich der als Krankheitsvertreter befristet beschäftigte Arbeitneh-
mer im Zweifel aufgrund der dann nicht hinreichend vorliegenden Prognose über den
befristeten Arbeitskräftebedarf gegen das Vorliegen eines Sachgrundes aussprechen
können.14
24 Besteht ein Vertretungsbedarf über einen längeren Zeitraum, kann der Arbeitge-
ber unter Berufung des Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG das Vertretungs-
personal in maßgeblichen Umfang auch in Befristungsketten beschäftigen. Die
Häufigkeit der Befristungen sowie die gesamte Befristungsdauer sind laut der Recht-
sprechung für sich noch nicht geeignet, um das Fehlen eines Sachgrundes vollständig
darzulegen.15 Sofern die Erkrankung eines Mitarbeiters schlicht fortdauert oder eine
Arbeitnehmerin die zunächst beantragte Elternzeit verlängert, darf der Arbeitgeber
weiterhin davon ausgehen, dass die zu vertretene Stammkraft später zurückkehren
wird und demzufolge auch entsprechende Befristungsvereinbarungen abschließen.
Selbst wenn eine Vertretungskraft unter Berufung auf den beim Arbeitgeber ständig
bestehenden Vertretungsbedarf über mehrere Jahre hinweg ausschließlich mit befris-
teten Arbeitsverträgen ausgestattet wird, kann sich diese Vertretungskraft nicht ohne
Weiteres auf das Nichtvorliegen eines Sachgrundes bzw. die missbräuchliche Verwen-
dung der Befristungsmöglichkeit berufen. Die Rechtsprechung ist in diesem Aspekt
bislang noch recht strikt geblieben und hat erst in Fällen einer Befristungsdauer von
über zehn Jahren eine missbräuchliche Gestaltung als indiziert gesehen.16
25 Zu beachten ist allerdings, dass zwischen dem vorübergehenden Ausfall der
Stammarbeitskraft und der Beschäftigung einer Vertretungskraft ein vom Arbeit-
geber darzulegender kausaler Zusammenhang bestehen muss. Zwar fordert die
Rechtsprechung nicht, dass die befristet eingestellte Vertretungskraft auf dem
identischen Arbeitsplatz des ausgefallenen Mitarbeiters eingesetzt wird. Es ist dem
Arbeitgeber insoweit durchaus gestattet, durch entsprechende Umorganisationen
oder betriebsinterne Umsetzungen die Vertretungskraft letztendlich auf einem ganz
anderen Arbeitsplatz zu beschäftigen. Wichtig ist allerdings in diesen Fällen, dass
der Arbeitgeber möglichst durch eine konkrete Dokumentation der Neuverteilung der
Aufgaben in einem möglichen Streitfall darlegen und auch nachweisen kann, dass

13 BAG, Urt. v. 04.06.2003 – 7 AZR 523/02.


14 BAG, Urt. v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03.
15 BAG, Urt. v. 18.07.2012 – 7 AZR 783/10.
16 BAG, Urt. v. 18.07.2012 – 7 AZR 443/09.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 201

die interne Neuverteilung der Arbeitsaufgaben der Ausfall der Stammarbeitskraft


mittelbar durch die Vertretungskraft kompensiert wurden.17

4. Befristung wegen der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG)
Die in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gesetzlich geregelte Befristung wegen Eigenart der 26
Arbeitsleistung ist ein Überbegriff für Fälle, in denen in der Verfassung verbürgte
Rechte sowie Verschleißtatbestände eine Befristung des Arbeitsverhältnisses
rechtfertigen. Betroffen sind insbesondere der Kunst- oder Rundfunkfreiheit nach
Art. 5 Abs. 1, 3 GG unterliegende Bereiche sowie der professionelle Sport.
Zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ist den Rundfunk-
anstalten die befristete Beschäftigung programmgestaltender Mitarbeiter ermöglicht,
um eine freie Programmplanung zu gewährleisten und auf sich ändernde Interessen
und wechselnde Informationsbedürfnisse des Publikums reagieren zu können.18 Diese
ständig notwendige Neuerung ist nicht immer unter Beibehaltung des federführen-
den Personals möglich, welches die Programme thematisch und inhaltlich bestimmt.
Als Befristungsgrund erforderlich ist also die Ausübung eines wesentlichen Einflus-
ses des Arbeitnehmers auf die Inhalte des Programms. Nicht erfasst sind Mitarbeiter
ohne programmgestaltende Aufgaben, also ohne oder mit sehr geringem Einfluss auf
den Programminhalt. Grundsätzlich nicht programmgestaltend sind etwa techni-
sches Personal, Nachrichtensprecher oder Mitarbeiter in der Verwaltung.19 Ausnah-
men sind im Einzelfall möglich, so können unter Umständen ein Kameramann oder
mit der Nachbearbeitung von Bildmaterial betrautes Personal entscheidenden inhalt-
lichen Einfluss auf das Programm nehmen.
Ähnlich verhält es sich im Geltungsbereich der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 27
GG, welche den befristeten Abschluss von Arbeitsverhältnissen vor allem mit Solo-
künstlern rechtfertigt. Der Grund hierfür liegt im Innovationsbedürfnis der Bühnen,
welche dem Publikum ein in thematischer und inhaltlicher Weise aber auch in per-
soneller Hinsicht abwechslungsreiches Programm anbieten müssen.20 Dies gilt ein-
geschränkt auch für Mitglieder von Tanzgruppen, Chören und Orchestern, bei denen
es auf individuelle Beiträge zur Gesamtleistung ankommt.21 Trägt ein gewisses Maß
an Routine und Einstimmung aufeinander der einzelnen Mitglieder zwar zur Qualität
bei, kann deren einzelne Leistung so bedeutsam sein, dass sie entscheidende Aus-
wirkungen auf die künstlerische Gesamtkonzeption hat. Die sachliche Rechtfertigung
fehlt bei Arbeitnehmern, die keinerlei künstlerische Leistung erbringen, etwa bei Mit-

17 Vgl. BAG, Urt. v. 25.08.2004 – 7 AZR 32/04.


18 Vgl. BAG, Urt. v. 26.07.2006 – 7 AZR 495/05.
19 Vgl. BAG, Urt. v. 11.12.1991 – 7 AZR 128/91.
20 Vgl. BAG, Urt. v. 05.03.1970 – 2 AZR 175/69 ; BAG, Urt. v. 02.07.2003 – 7 AZR 612/02.
21 Vgl. hierzu ausf. Meinel/Heyn/Herms § 14 Rn. 147–170.

Christ
202 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

arbeiten in der Verwaltung und dem technischen Bereich oder auch dem Abendper-
sonal. Es kommt mithin jeweils auf den Einfluss des Einzelnen auf das künstlerische
Gesamtkonzept an, so kann ein Bühnentechniker bei ausreichendem künstleri-
schem Spielraum, wie er etwa bei einer Chefmaskenbilderin gegeben ist, auch befris-
tet beschäftigt werden.22 Es muss nach einem Intendantenwechsel möglich sein das
künstlerische Konzept vollständig umzustrukturieren. Im Bereich der Bühnen geben
die hergebrachten Tarifverträge der Künstlergruppen entscheidende Indizien auf die
Zulässigkeit einer Befristung ab.
28 Bei wissenschaftlichen Mitarbeitern einer Parlamentsfraktion kann die
verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der freien Mandatsausübung eine
Befristung sachlich rechtfertigen.23 Zu dieser Unabhängigkeit zählt auch die Freiheit
nach einer Neukonstituierung des Parlaments das unterstützende wissenschaftliche
Personal selbst frei zu wählen und so den eigenen Ansprüchen und Wünschen anzu-
passen.
29 Verschleißtatbestände bilden schließlich eine eigene Fallgruppe und betreffen
primär den Bereich des professionellen Sports. Mit zunehmender Vertrautheit
zwischen Sportler und Trainer kann sich die Effektivität des Trainings vermindern.
Der Sportler würde also bei zu langer Dauer des Trainingsverhältnisses in der Ent-
faltung seines Potenzials gehemmt. Diese aus der Routine und Gleichförmigkeit der
Trainingsmethoden und des Trainingsablaufs ausfließende Folge kann durch einen
Trainerwechsel verhindert werden. Das mögliche Auftreten dieses Effektes rechtfer-
tigt mithin eine Befristung des Arbeitsverhältnisses.24 Eine sachliche Rechtfertigung
liegt gleichwohl nicht in Fällen vor in denen eine Befristung überhaupt nicht geeignet
ist einem solchen Fortschrittsabfall vorzubeugen, etwa wenn der Trainer denselben
Sportler ohnehin für eine kürzere Zeit als seine Vertragsspanne betreut.25 Dies kann
beispielsweise bei Trainern in speziellen Einrichtungen der Fall sein, die von Athleten
nur für kürzere Zeitabstände besucht werden. Ebenfalls sachliche Rechtfertigung für
eine Befristung könnte der Beliebtheitsgrad eines Trainers bei Fans – vor allem im
Bereich des Profifußballs – sein.26 Speziell die Rolle eines Fußballtrainers im profes-
sionellen Segment geht über die bloße objektivierbare Trainingsleistung hinaus und
wirkt sich jenseits des sportlichen Erfolgs auf das Vereinsbild in der Öffentlichkeit
und somit auch maßgeblich auf den kommerziellen Erfolg aus.

22 BAG, Urt. v. 27.01.1993 – 7 AZR 124/92.


23 BAG, Urt. v. 26.08.1998 – 7 AZR 450/97.
24 BAG, Urt. v. 29.10.1998 – 7 AZR 436/97.
25 BAG, Urt. v. 15.04.1999 – 7 AZR 437/97.
26 Zindel, 268 f.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 203

5. Befristung zur Erprobung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG)


§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG erlaubt die Befristung eines Arbeitsverhältnisses zum 30
Zwecke der Erprobung. Der Arbeitgeber hat regelmäßig ein gewichtiges Interesse
daran die Eignung des Arbeitnehmers in sowohl fachlicher als auch persönlicher
Hinsicht zu erproben. Umgekehrt liegt es im Interesse des Arbeitnehmers den Betrieb
und seinen Arbeitsplatz kennenzulernen und zu beurteilen ob er sich dauerhaft
binden möchte. Dies ermöglicht ein befristetes Probearbeitsverhältnis.
Ein befristetes Probearbeitsverhältnis ist von der im Regelfall vereinbarten 31
Probezeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis abzugrenzen. Ein unbefriste-
tes Arbeitsverhältnis ist vollwertig und muss prinzipiell durch Kündigung beendet
werden. Diese wird zwar in der Probezeit durch die verkürzte Kündigungsfrist nach
§ 622 Abs. 1 und 3 BGB sowie die nicht erfüllte Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG deutlich
vereinfacht, muss allerdings trotzdem ausgesprochen werden. Im Gegensatz hierzu
endet ein befristetes Probearbeitsverhältnis nach Zeitablauf, ohne dass es einer Kün-
digung bedarf und auch im Falle der Bewährung des Arbeitnehmers. Es entsteht bis
auf in wenigen Ausnahmefällen auch kein Anspruch des Arbeitnehmers auf den
Abschluss eines unbefristeten Vertrages, unabhängig davon, wie erfolgreich seine
Erprobung verlief. Ist zweifelhaft, ob ein befristetes Probearbeitsverhältnis oder ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis mit einer Probezeit vereinbart wurden, geht die Recht-
sprechung zu Gunsten des Arbeitnehmers von einem unbefristeten Arbeitsverhältnis
aus.27 Das Probearbeitsverhältnis sollte daher im Vertrag ausdrücklich als solches
benannt sein. Im Zweifel wird hierdurch die Berufung auf eine sachgrundlose Befris-
tung nach Abs. 2 geringfügig erschwert, keinesfalls aber ausgeschlossen28, während
sich die Gefahr des ungewollten Abschlusses eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
erheblich mindert.
Der Abschluss eines Probearbeitsverhältnisses steht unter strengen Vorausset- 32
zungen. Es muss zu dem Zwecke der Erprobung und mit der Intention des Arbeitge-
bers, im Bewährungsfall ein unbefristetes und nur durch Kündigung zu beendendes
Arbeitsverhältnis abzuschließen, begründet werden. Der sachliche Grund der Erpro-
bung muss jedoch nur objektiv vorliegen und nicht auch ausdrücklich in den Arbeits-
vertrag aufgenommen werden.29 Die Befristung selbst hingegen muss ausdrücklich
und in Schriftform Teil des Arbeitsvertrags werden, § 14 Abs. 4 TzBfG. Bei Formular-
verträgen bedarf es ferner der drucktechnischen Hervorhebung der Befristungsklau-
sel für das Probearbeitsverhältnis. Ansonsten wird diese als überraschende Klausel
nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Bestandteil der Vereinbarung.30

27 BAG, Urt. v. 30.09.1991 – 7AZR 789/78.


28 BAG, Urt. v. 29.06.2011 – 7 AZR 774/09.
29 BAG, Urt. v. 23.06.2004 – 7 AZR 636/03.
30 BAG, Urt. v. 16.04.2008 – 7 AZR 132/07.

Christ
204 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

33 Die Dauer des befristeten Probearbeitsverhältnisses soll im angemessenen Ver-


hältnis zum Erprobungszweck stehen. Regelmäßig kann ein Erprobungszeitraum von
bis zu sechs Monaten unproblematisch vereinbart werden.31 Dieser Richtwert deckt
sich mit den Wertungen des § 1 Abs. 1 KSchG und § 622 Abs. 3 BGB. In Einzelfällen ist
eine längere Erprobungszeit zulässig, so vor allem bei künstlerischen und wissen-
schaftlichen Tätigkeiten.32 Allgemein können durch Tarifverträge Probearbeitsver-
hältnisse zeitlich beschränkt oder gänzlich ausgeschlossen werden33, diese können
aber auch umgekehrt Anhaltspunkt für die Möglichkeit einer längeren Erprobungs-
zeit sein. Der erneute Abschluss eines befristeten Probearbeitsverhältnisses ist nur
dann zulässig, wenn hierdurch die Gesamtdauer der Erprobungszeit nicht über das
zulässige Maß hinaus erhöht wird. Der Abschluss eines befristeten Probearbeitsver-
hältnisses mit Schwangeren und Schwerbehinderten ist prinzipiell möglich.34
34 Nach Ablauf der Befristung endet das befristete Arbeitsverhältnis grundsätzlich.
Ein Anspruch auf den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses besteht
grundsätzlich nicht. Ein solcher Anspruch auf Weiterbeschäftigung kommt aller-
dings in Fällen des Vertrauensschutzes in Frage, etwa wenn der Arbeitgeber ent-
sprechende Äußerungen getätigt hat, die auf eine sichere Weiterbeschäftigung hin-
deuten.35
35 Die praktische Relevanz des Probearbeitsverhältnisses ist begrenzt. Der
Abschluss eines Probearbeitsverhältnisses ist ausgeschlossen, sofern der Arbeitge-
ber bereits durch ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis ausreichend Möglichkeit
hatte sich von den Befähigungen des Arbeitnehmers zu überzeugen.36 Bestand vor
Abschluss des Vertrages kein Arbeitsverhältnis, ermöglicht die grundlose Befristung
nach § 14 Abs. 2 TzBfG mit zwei Jahren oftmals den Abschluss eines auf längere Zeit
befristeten Arbeitsverhältnisses. Praktisch bedeutsam ist das Probearbeitsverhältnis
daher vor allem in drei Fallgruppen. Zunächst kommt ein Probearbeitsverhältnis in
Frage, wenn der Arbeitnehmer bereits für den Arbeitgeber tätig war, nunmehr aber
höherwertig beschäftigt werden soll und eine Erprobung in dieser Tätigkeit noch
aussteht.37 Weiterhin denkbar ist der Abschluss eines Probearbeitsverhältnisses bei
bereits so lange zurückliegender Beschäftigung, dass die Eigenschaften und Fähig-
keiten des Arbeitnehmers sich grundlegend gewandelt haben können. Zuletzt von
Bedeutung ist ein Probearbeitsverhältnis in Fällen, in denen eine ausreichende Erpro-
bung in einem zuvor abgeschlossenen Ausbildungsverhältnis nicht erfolgte und erst
jetzt im Rahmen einer Tätigkeit als Arbeitnehmer nachgeholt wird.

31 BAG, Urt. v. 02.06.2010 – 7 AZR 85/09.


32 BAG, Urt. v. 15.03.1978 – 5 AZR 831/76; Urt. v. 12.09.1996 – 7 AZR 31/96.
33 BAG, Urt. v. 02.06.2010 – 7 AZR 85/09.
34 BAG, Urt. v. 16.03.1989 – 2 AZR 325/28.
35 BAG, Urt. v. 16.03.1989 – 2 AZR 325/28.
36 BAG, Urt. v. 02.06.2010 – 7 AZR 85/09.
37 BAG, Urt. v. 23.06.2004 – 7 AZR 636/03.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 205

6. B
 efristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (§ 14 Abs. 1
Satz 2 Nr. 6 TzBfG)

Klauselmuster
(1) Das Arbeitsverhältnis beginnt am … Es endet auf Wunsch des Mitarbeiters am …, um dem Mitarbei-
ter den Antritt zum Wehrdienst zum … zu ermöglichen.
(2) Obwohl das Ergebnis der die Berufsausbildung abschließenden Prüfung eine Übernahme von
Frau/Herrn… an sich nicht ermöglichen, erhält sie/er aus sozialen Gründen von der Firma im Rahmen
eines befristeten Anstellungsverhältnisses vom … bis zum … die Möglichkeit eine sonst beschäfti-
gungslose Zeitspanne zu überbrücken und eine anderweitige Arbeitsstelle zu finden.

Die Befristung aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nach § 14 36
Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG umfasst die Befristung auf Wunsch des Arbeitnehmers, ins-
besondere zur Zeitüberbrückung sowie die Befristung aus sozialen Gründen. In der
Praxis spielen in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine untergeordnete
Rolle, da Arbeitnehmer oftmals keinen Einfluss auf die vom Arbeitgeber verwende-
ten Formularverträge haben und Fälle der Befristung aus sozialen Gründen praktisch
schlicht zahlenmäßig eher die Ausnahme sind.
Die Befristung auf den ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers hin ist grund- 37
sätzlich zulässig.38 Dieser Wunsch muss sich jedoch gerade auf die Befristung als
solche beziehen, das bloße Einverständnis mit dieser genügt nicht.39 Der Arbeitneh-
mer muss den Willen zur Befristung frei und unbeeinträchtigt gebildet haben und
müsste auch im Falle eines (theoretischen) Angebots einer unbefristeten Beschäfti-
gung auf die Befristung bestanden haben.40 Hieraus folgt auch, dass der Arbeitge-
ber keinerlei eigenes Interesse an der Befristung haben darf. Aufgrund dieser hohen
Anforderungen der Rechtsprechung an die freie Willensbildung des Arbeitnehmers
empfiehlt es sich, eine Befristung auf Arbeitnehmerwunsch hin zu vermeiden. Ist
dies untunlich sollte der Wunsch des Arbeitnehmers – entgegen der üblichen takti-
schen Erwägung den Befristungsgrund unbenannt zu lassen – zumindest ausdrück-
lich in der Vertragsurkunde aufgenommen werden.
Eine Befristung aus Gründen die in der Person des Arbeitnehmers liegen ist 38
weiterhin möglich, wenn dem Arbeitsverhältnis nur eine Überbrückungsfunktion
zukommt. Dies ist etwa bei einer Befristung bis zum Antritt einer anderen Arbeits-
stelle oder dem Beginn des Wehr- oder Zivildienstes der Fall. Ebenfalls so zu behan-
deln ist die bereits zeitlich bestimmte Aufnahme eines Studiums, welches ein Fortbe-
stehen des Arbeitsverhältnisses nicht erlauben würde. Bei Arbeitnehmern, die sich
bereits im Studium befinden, kann eine Befristung sachlich gerechtfertigt sein, etwa

38 BAG, Urt. v. 22.03.1973 – 2 AZR 274/72.


39 BAG, Urt. v. 06.11.1996 – 7 AZR 909/95.
40 BAG, Urt. v. 19.01.2005 – 7 AZR 115/04.

Christ
206 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

wenn eine Arbeitsaufnahme durch Fluktuation der Studienbelastung nur zeitlich


begrenzt in Frage kommt.41 Dies gilt nicht, wenn den Anforderungen des Studiums
an den Arbeitnehmer auch durch andere Maßnahmen im Rahmen eines unbefristeten
Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen werden kann, etwa durch die Vereinbarung
ausreichend flexibler Arbeitszeiten.42 Eine Überbrückungsfunktion ist ferner denkbar
in Fällen einer geplanten Migration oder eines längeren Auslandsaufenthalts oder
auch zur Verschaffung eines Einblicks in die Berufspraxis vor der Wahl eines Studi-
ums. Entscheidendes Kriterium ist, dass die persönlichen Verhältnisse des Arbeit-
nehmers Anlass zu Befristung geben und nicht etwa Belange aus der Sphäre des
Arbeitgebers.
39 Jedenfalls nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zulässig ist die Befristung bei einem
Arbeitnehmer mit einer zeitlich begrenzten Aufenthaltserlaubnis, sofern es bei Ver-
tragsschluss hinreichend sicher absehbar ist, dass diese nicht verlängert wird.43
40 Eine Befristung kommt weiterhin aufgrund sozialer Belange des Arbeitnehmers
in Betracht. Hierbei entscheidend ist, dass diese sozialen Gründe des Arbeitnehmers
und nicht etwaige betriebliche Interessen ausschlaggebend für die Befristung des
Arbeitsverhältnisses waren.44 Interessen des Arbeitgebers an der Befristung schlie-
ßen zwar die Befristung nicht aus, jene des Arbeitnehmers müssen aber eindeutig
überwiegender Grund sein. Dem sozialen Grund steht nicht entgegen, dass der
Arbeitnehmer durchaus sinnvoll beschäftigt werden kann. Das befristete Arbeits-
verhältnis muss kein Instrument der Wohlfahrt sein, die für den Arbeitgeber vorteil-
haften Nebeneffekte dürfen lediglich nicht in den Vordergrund treten. Zusammen-
fassend dürfte es ohne die sozialen Gründe zu gar keinem Arbeitsverhältnis gleich
ob befristeter oder unbefristeter Art gekommen sein.45 Unerheblich ist, wieso ohne
Vorliegen der sozialen Gründe kein Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden wäre.
Von der Rechtsprechung als zulässige soziale Gründe anerkannt sind primär Tätig-
keiten die dem Arbeitnehmer einen späteren Zugang zum Arbeitsmarkt vereinfachen
sollen, etwa dem Erwerb von Qualifikationen dienende Beschäftigung46 und die
Schaffung einer sozialen Auslauffrist zur Stellensuche nach einer abgeschlossenen
Ausbildung47. Ebenfalls zulässig ist die Überbrückung einer befristeten Rente wegen
voller Erwerbsminderung, damit der Arbeitnehmer in dieser Zeit nicht gänzlich vom
Berufsleben ausgeschlossen bleibt.48

41 BAG, Urt. v. 16.04.2003 – 7 AZR 187/02.


42 BAG, Urt. v. 29.10.1998 – 7 AZR 561/97.
43 BAG, Urt. v. 12.01.2000 – 7 AZR 863/98.
44 BAG, Urt. v. 17.01.2007 – 7 AZR 20/06.
45 BAG, Urt. v. 07.07.1999 – 7 AZR 232/98.
46 BAG, Urt. v. 11.12.1985 – 7 AZR 329/84.
47 BAG, Urt. v. 12.12.1984 – 7 AZR 204/83.
48 BAG, Urt. v. 21.01.2009 – 7 AZR 630/07.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 207

Die zulässige Höchstdauer der Befristung wurde im Detail noch nicht höchst- 41
richterlich geklärt. Sie hat sich allerdings nach dem Befristungsgrund zu richten und
diesem angemessen zu sein.49
Der Arbeitgeber muss anhand nachprüfbarer Tatsachen darlegen und im 42
Bestreitensfall beweisen, dass das Arbeitsverhältnis überwiegend aufgrund sozialer
Gesichtspunkte abgeschlossen wurde und allein aufgrund der Interessen aus seiner
Sphäre nicht zustande gekommen wäre.50

7. Befristung aufgrund vorgegebener Haushaltsmittel (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG)


Die Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG 43
erlaubt es dem öffentlichen Dienst befristete Tätigkeiten anzubieten, sofern der
Haushaltsgesetzgeber für die befristete Beschäftigung Mittel vorgesehen hat und der
Beschäftigte zu Lasten dieser mittel eingestellt wird. Die sachliche Begründung der
Befristung geht darauf zurück, dass der Haushaltsgesetzgeber bereits bei der Haus-
haltsplanung vorhersehen konnte, dass nur befristeter Bedarf für eine bestimmte
Tätigkeit besteht.
Die Befristung aus haushaltsrechtlichen Gründen ist für die Privatwirtschaft 44
gänzlich ohne Belang und wird deshalb an dieser Stelle nicht tiefergehend behan-
delt.

8. B efristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8


TzBfG)
Die Rechtfertigung der Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs nach § 14 45
Abs. 1 Satz. 2 Nr. 8 TzBfG liegt anders als die Gründe der Nr. 1 bis 7 nicht in den tatsäch-
lichen Gegebenheiten und der Zukunftsprognose der Parteien bei Vertragsschluss,
sondern fließt einzig aus der Mitwirkung eines Gerichts an dem die Befristung
festlegenden Vergleich aus. Die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers – vor
allem an einer unbefristeten Beschäftigung – werden durch die Überwachung des
Gerichts der gesetzgeberischen Vorstellung nach ausreichend gewahrt und gewür-
digt. Außerdem garantiert die Natur des Vergleichs als Kompromiss der beiderseiti-
gen Interessen, dass ein die Befristung rechtfertigender sachlicher Grund vorliegt.
Durch einen gerichtlichen Vergleich ist auch die nachträgliche Befristung eines
bereits bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses möglich.51
Der Vergleich muss als Prozessvergleich nach §§ 46 Abs. 2, 794 Abs. 1 Nr. 1, 278 46
ZPO abgeschlossen worden sein. Die setzt einen offenen Rechtsstreit um den Bestand

49 BAG, Urt. v. 21.01.2009 – 7 AZR 630/07.


50 BAG, Urt. v. 03.10.1984 – 7 AZR 132/83.
51 BAG, Urt. v. 24.01.1996 – 7 AZR 496/95.

Christ
208 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

des Arbeitsverhältnisses in Form eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines Streits


um einen Aufhebungsvertrag, eine Befristung, auflösende Bedingung oder ähnliche
Beendigungsgründe voraus.52 Für die Mitwirkung des Gerichtes genügt die Protokol-
lierung des Vergleichs in der mündlichen oder Güteverhandlung, durch welchen auch
gleichzeitig die nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderliche Schriftform gewahrt ist.53 Auch
die Annahme eines vom Gericht unterbreiteten Vergleichsvorschlags nach § 278 Abs. 6
Satz 1 Alt. 2 erfüllt die Anforderungen an die Mitwirkungshandlung des Gerichtes.
47 Nicht ausreichend ist der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs. Bei
diesem fehlt es an der notwendigen Mitwirkung des Gerichtes, welche die gegensei-
tige Interessenwahrung garantiert und das Bedürfnis des Arbeitnehmers nach unbe-
fristeter Beschäftigung ausreichend schützt. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer
vor die Wahl befristet beschäftigt oder gar nicht mehr beschäftigt zu werden, wird
letzterer regelmäßig dem Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses zustim-
men. Die Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers würde gerade nicht garantiert,
sondern eher noch durch zusätzlichen Druck beeinträchtigt. Deshalb bedarf es zur
Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses in einem außergerichtlichen Ver-
gleich zur Wirksamkeit der Befristung eines Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis
7 TzBfG.
48 Ebenfalls keine hinreichende Rechtfertigung bietet der Abschluss eines Prozess-
vergleichs in einem Verfahren, das nicht den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum
Streitgegenstand hat, etwa einem Streit über Vergütungs- oder Urlaubsansprüche.54
Ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO festgestellter Vergleich, den die Parteien im
Einvernehmen an das Gericht übersenden, genügt den Anforderungen des BAG eben-
falls nicht.55 Insofern ist es ratsam einen Vergleichsvorschlag dem Gericht zu unter-
breiten und anzuregen, das Gericht möge sich diesen zu Eigen machen.

III. Befristung ohne sachlichen Grund

49 Nach Maßgabe des § 14 Abs. 2, 2a, 3 TzBfG wird eine befristete Beschäftigung prinzipi-
ell auch ohne sachlichen Grund nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 ermöglicht. Die hiernach
befristeten Arbeitsverhältnisse sind jedoch stets nach dem Kalender befristet. Eine
Zweckbefristung ohne sachlichen Grund ist nicht möglich. Grundsätzlich darf der
Arbeitnehmer zuvor in keinem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis mit
dem Arbeitgeber gestanden haben, damit die Möglichkeit der sachgrundlosen Befris-
tung eröffnet wird, Abs. 2 Satz 2. Entgegen des Wortlauts vertritt die neuere Rechtspre-

52 BAG, Urt. v. 26.04.2006 – 7 AZR 366/05.


53 BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06.
54 BAG, Urt. v. 12.11.2014 – 7 AZR 891/12.
55 BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 7 AZR 734/10.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 209

chung die Ansicht, dass eine Zeitspanne von drei Jahren seit Beendigung der letzten
Beschäftigung einer Neueinstellung gleichkommt.56
Es muss nicht in den Vertragstext aufgenommen werden, dass es sich um eine 50
sachgrundlose Befristung handelt. Viel mehr genügt das bloße Vorliegen der objekti-
ven Voraussetzungen und die Vereinbarung der Befristung selbst.

1. Allgemeine sachgrundlose Befristung (§ 14 Abs. 2 TzBfG)


Die allgemeine sachgrundlose Befristung ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bis zu einer 51
Dauer von zwei Jahren möglich. Diese Gesamtdauer gilt auch im Falle der (mehrfa-
chen) Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses. Eine Verlängerung ist zuläs-
sig, solange sie höchstens dreimalig erfolgt und das befristete Arbeitsverhältnis hier-
durch nicht länger als zwei Jahre insgesamt andauert, Abs. 2 Satz 1 Hs. 2.

a) Das Vorbeschäftigungsverbot
Das befristete Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund kann nach Abs. 2 Satz 2 nur abge- 52
schlossen werden, wenn zuvor kein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber
bestanden hat. Der Grund für dieses Anschlussverbot besteht in dem gesetzgeberi-
schen Bestreben Befristungsketten vorzubeugen. Aufgrund dieses Normzwecks
geht das BAG davon aus, dass parallel zur Regelverjährungsfrist eine Beschäftigung,
die länger als drei Jahre zurückliegt, dem Abschluss eines befristeten Arbeitsverhält-
nisses nicht im Wege steht.57 Die in der Literatur hierzu geäußerte Kritik58 hat bis zu
einer Änderung des Gesetzes oder der Rechtsprechung nur eingeschränkt Bedeutung.
Instanzgerichte folgen jedoch in dieser Hinsicht nicht immer dem BAG59 und entspre-
chende Verfahren sind beim Bundesverfassungsgericht60 anhängig. Eine Vertragsge-
staltung in vollem Vertrauen auf den Bestand dieser Rechtsprechung ist daher zumin-
dest risikobehaftet.
Das Anschlussverbot erstreckt sich auf jede Art von vorherigen Arbeitsverhält- 53
nissen, gleich ob diese befristet oder unbefristet waren und unabhängig von deren
Dauer.61 Auch eine vorherige Tätigkeit als Werkstudent62 oder ein Volontariat können

56 BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat sich in
seinen Entscheidungen vom 26.09.2013 und vom 21.02.2014 (Az. 6 Sa 28/13 und 7 Sa 64/13) wiederholt
offen gegen das BAG gestellt und eine zeitliche Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbots aufgrund
des entgegenstehenden Gesetzeswortlauts abgelehnt.
57 BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09.
58 Vgl. z. B. Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, § 14 Rn. 250.
59 LAG BW, Urt. v. 26.09.2013 – 6 Sa 28/13.
60 Verfassungsbeschwerde gegen LAG Nürnberg, Urt. v. 08.05.2013 – 4 Sa 565/12.
61 BAG, Urt. v. 06.11.2003 – 2 AZR 690/02.
62 BAG, Urt. v. 06.11.2003 – 2 AZR 690/02.

Christ
210 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

das Anschlussverbot auslösen, sofern durch sie ein Arbeitsverhältnis begründet


wurde. Andere Vertragsverhältnisse sind unschädlich.63 Insbesondere das Ausbil-
dungsverhältnis stellt kein Arbeitsverhältnis i. S. d. § 14 Abs. 2 TzBfG dar, eine befris-
tete Beschäftigung ehemals Auszubildender ist daher möglich.64 Ebenfalls unschäd-
lich sind vorherige Werk- oder Dienstverträge zwischen den Parteien, es ist jedoch in
der Praxis eingehend zu prüfen, ob nicht nach den allgemeinen Kriterien tatsächlich
ein Arbeitsverhältnis und kein Werk- oder Dienstvertrag vorlag.
54 Ausschlaggebend ist weiterhin, ob das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeit-
geber vereinbart wird. Hierbei ist grundsätzlich auf den Vertragsarbeitgeber abzu-
stellen, also auf jene natürliche oder juristische Person mit der der Arbeitnehmer
kontrahiert.65 Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer innerhalb desselben
Betriebs66 oder Konzerns67 tätig wird. Auch ein Betriebsübergang ist unschädlich,
denn sofern das Arbeitsverhältnis zum Übergangszeitpunkt nicht mehr bestand, sind
die Arbeitgeber nicht identisch. Auch der vorherige Einsatz des Arbeitnehmers als
Leiharbeitnehmer68 oder umgekehrt der Verleih an den vorigen Arbeitgeber69 sind
ohne Einfluss auf das Anschlussverbot. Im Fall einer Umwandlung durch Verschmel-
zung im Wege der Aufnahme nach § 2 Nr. 1 UmwG etwa erlischt der übertragende
Rechtsträger, § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Der aufnehmende Rechtsträger ist also nicht mit
dem Übertragenden identisch.70 Unzulässig hingegen wäre die befristete Tätigkeit für
dasselbe Unternehmen aber in einem anderen Betrieb, da der Vertragsarbeitgeber
unverändert bleibt. Als unzulässig kann eine rechtsmissbräuchliche sachgrundlose
Befristung angesehen werden, etwa wenn der Arbeitnehmer planmäßig zwischen
mehreren in Kollusion zusammenwirkenden Arbeitgebern ausgetauscht wird, hierbei
aber den identischen Arbeitsplatz behält.71 Es handelt sich in solchen Fällen um eine
unzulässige Umgehung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Konsequenz hiervon ist die Ent-
stehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit dem aktuellen Arbeitgeber.

b) Die Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses


55 Die Verlängerung des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses kann insgesamt
dreimalig und bis zu einer Höchstdauer von insgesamt zwei Jahren vorgenommen
werden, Abs. 2 Satz 1. Eine Vertragsverlängerung setzt einen lückenlosen Anschluss

63 BAG, Urt. v. 19.10.2005 – 7 AZR 31/05.


64 BAG, Urt. v. 21.09.2011 – 7 AZR 375/10.
65 BAG, Urt. v. 09.02.2011 – 7 AZR 32/10.
66 BAG, Urt. v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12.
67 BAG, Urt. v. 18.07.2012 – 7 AZR 451/11.
68 BAG, Urt. v. 09.03.2011 – 7 AZR 657/09.
69 BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06.
70 BAG, Urt. v. 22.06.2005 – 7 AZR 363/04.
71 BAG, Urt. v. 04.12.2013 – 7 AZR 290/12.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 211

an die vorherige Tätigkeit voraus, muss also noch während der Laufzeit des beste-
henden Vertrages erfolgen.72 Geschieht dies nicht, handelt es sich um eine durch das
Anschlussverbot unzulässige Neubefristung. In dieser Hinsicht wohl unproblema-
tisch sind Fälle, in denen die Verlängerung unmittelbar auf das Auslaufen des Altver-
trags folgt73, auch wenn eine Unterbrechung durch einen Feiertag oder ein Wochen-
ende eintritt. Eine Veränderung der Vertragsbedingungen darf grundsätzlich nicht
mit der Verlängerung einhergehen.74 Dies gilt nicht, sofern der Arbeitgeber aufgrund
kollektivrechtlicher Bestimmungen oder einer geänderten Rechtslage zur Vertrags-
änderung angehalten ist75 oder die Gesamtheit der Arbeitsverträge auf gleiche Weise
umgestaltet wird. Unterließe der Arbeitgeber die letztgenannte Änderung wäre dies
gegebenenfalls sogar ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG.
Ebenfalls zulässig sind Änderungen auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat.76
Die einvernehmliche Änderung der Arbeitsbedingungen im laufenden befriste- 56
ten Arbeitsverhältnis stellt keine unzulässige Verlängerung dar, sofern die Befristung
selbst von den Änderungen unberührt bleibt.77 Sind also entsprechende Veränderun-
gen geboten, sollten diese während der Laufzeit des Altvertrages und vor der Ver-
längerung durchgeführt werden.
Wurde zunächst ein durch einen sachlichen Grund gerechtfertigtes befristetes 57
Arbeitsverhältnis abgeschlossen, kann sich an dieses ohne weiteres ein sachgrund-
los befristetes anschließen, sofern dieses bei Abschluss des mit Sachgrund befriste-
ten Arbeitsverhältnisses zulässig gewesen wäre. Das Arbeitsverhältnis darf hierbei
jedoch die Dauer von insgesamt zwei Jahren nicht überschreiten. Dies ist dem
Umstand geschuldet, dass der Arbeitgeber sich auf die sachlichen Befristungsgründe
nicht berufen muss, sofern eine Befristung nach Abs. 2 zulässig ist. Ein zunächst
begründet, dann unbegründet befristetes Arbeitsverhältnis ist also wie ein durchgän-
gig sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis zu behandeln.

c) Die Abdingbarkeit des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses

Klauselmuster
(1) Der Mitarbeiter wird befristet für die Zeit vom … bis zum … zur Vertretung des beurlaubten … einge-
stellt. Das Unternehmen wird sich zur Wirksamkeit der Befristung nicht auf § 14 Abs. 2 TzBfG berufen.
(2) Das Arbeitsverhältnis wird auf die Dauer von drei Monaten auf Probe abgeschlossen und endet
spätestens mit Ablauf der Probezeit.

72 BAG, Urt. v. 16.01.2008 – 7 AZR 603/06.


73 Vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 06.12.2001 –
74 BAG, Urt. v. 20.02.2008 – 7 AZR 768/06.
75 BAG, Urt. v. 23.08.2006 – 7 AZR 12/06.
76 BAG, Urt. v. 16.01.2008 – 7 AZR 603/06.
77 BAG, Urt. v. 18.01.2006 – 7 AZR 178/05.

Christ
212 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

58 Eine Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG zu Gunsten des Arbeitnehmers ist sowohl in
Form einer Einzelabrede als auch durch Tarifvertrag zulässig. Verzichtet der Arbeit-
geber darauf, sich zur Wirksamkeit der Befristung auf § 14 Abs. 2 TzBfG zu berufen, ist
dies für den Arbeitnehmer vorteilhaft und somit zulässig.78 Der Grund für den Vorteil
auf Arbeitnehmerseite liegt in dem erhöhten Risiko einer unwirksamen Befristung,
die im Verzichtsfall auf einen der Sachgründe aus Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 8 gestützt
werden muss. Die Abbedingung kann grundsätzlich sowohl ausdrücklich als auch
konkludent erfolgen.79 Der Verzicht kann auch dadurch geregelt werden, dass der
Arbeitgeber einen vorherigen Vertragsarbeitgeber als mit sich identisch gelten
lässt.80 Eine ausdrückliche Abbedingung hat den klaren Vorteil der Rechtssicher-
heit, wird allerdings selten vereinbart. Anders verhält es sich bei der konkludenten
Abbedingung, etwa durch die konkrete Benennung eines Befristungsgrundes. Wird
im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich auf ein Berufen auf Abs. 2 verzichtet, sondern
nur der Sachgrund der Befristung genannt, stellt dies zwar ein wesentliches Indiz81
für eine Abbedingung dar, schließt für sich genommen aber die Begründung einer
sachgrundlosen Befristung nicht aus. Hierzu müssen noch weitere Umstände treten,
die auf einen entsprechenden Willen der Parteien schließen lassen.82 Aus diesen
Umständen muss geschlossen werden können, dass die Befristung in ausschließli-
cher Abhängigkeit von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes vereinbart wurde.83
Diese strengen Anforderungen haben zur Konsequenz, dass eine konkludente Abbe-
dingung in der Praxis eher die Ausnahme darstellt. Denkbar erscheint sie haupt-
sächlich im Bereich der Befristung aus sozialen Gründen nach Nr. 6, welche gerade
voraussetzt, dass das befristete Arbeitsverhältnis überwiegend aufgrund der entspre-
chenden Gründe geschlossen wurde.
59 Soll die sachgrundlose Befristung also ausgeschlossen werden, empfiehlt sich
eine entsprechend eindeutige Formulierung. Ist es hingegen gewünscht, sich im
Zweifel auf die sachgrundlose Befristung berufen zu können, obwohl mit großer
Wahrscheinlichkeit ein die Befristung rechtfertigender Grund vorliegt, so kann der
entsprechende Grund (sofern notwendig) regelmäßig genannt werden ohne den Weg
zur sachgrundlosen Befristung zu versperren. Keinesfalls notwendig ist es, sich bei
Einzelverträgen die Berufung auf die sachgrundlose Befristung nach Abs. 2 ausdrück-
lich vorzubehalten. Das bloße objektive Vorliegen der Voraussetzungen genügt.
60 Über die sachgrundlose Befristung kann auch im Rahmen von Tarifverträgen
dispositiv verfügt werden. Beispielsweise ist es möglich in einem Tarifvertrag eine

78 BAG, Urt. v. 09.02.2011 – 7 AZR 32/10.


79 BAG, Urt. v. 04.12.2002 – 7 AZR 545/01.
80 BAG, Urt. v. 09.02.2011 – 7 AZR 32/10.
81 BAG, Urt. v. 04.12.2002 – 7 AZR 545/01.
82 BAG, Urt. v. 29.06.2011 – 7 AZR 774/09.
83 BAG, Urt. v. 29.06.2011 – 7 AZR 774/09.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 213

Regelung zu treffen, die es dem tarifvertraglich gebundenen Arbeitgeber verbietet,


eine Befristung ohne Vorliegen von sachlichen Gründen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis
8 mit ihrerseits tarifgebundenen Arbeitnehmern zu vereinbaren. Es ist hierbei aller-
dings erforderlich, dass die beiderseitige tarifliche Bindung bereits zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses besteht und nicht erst durch einen nachträglichen Eintritt
des Arbeitnehmers in eine Gewerkschaft erfolgt.84 Durch Tarifvertrag kann auch ein
Zitiergebot für den Abschluss eines nach Abs. 2 befristeten Arbeitsverhältnisses ver-
einbart werden, dessen Nichtbeachtung dazu führt, dass eine Berufung auf die sach-
grundlose Befristung dem Arbeitgeber verwehrt ist.85 Abweichend von Einzelabreden
kann es also im Geltungsbereich von Tarifverträgen durchaus geboten sein sich im
Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die sachgrundlose Befristung zu beziehen.
Nach Abs. 2 Satz 3 kann durch einen Tarifvertrag auch eine für den Arbeitneh- 61
mer nachteilige Regelung getroffen werden. Die Gesamtanzahl der Verlängerungen ist
hierbei gleichermaßen tariflich dispositiv wie die zulässige Gesamtdauer des Arbeits-
verhältnisses. Hierbei muss sich nicht auf die Änderung einer Modalität beschränkt
werden, sondern auch die gleichzeitige Erhöhung beider Werte ist zulässig.86 Die
Grenze der Erhöhung ist dort zu ziehen, wo das gesetzgeberische Konzept der grund-
sätzlich begründungsbedürftigen Befristung konterkariert wird.87 Eine Erhöhung der
maximalen Dauer auf 42 Monate mit höchstens 4 Verlängerungen ist jedenfalls noch
im Rahmen des Zulässigen.88 Selbst eine Gesamtlaufzeit von 48 Monaten bei maximal
6 Verlängerungen wurde noch als zulässig erachtet.89 Die auf dem Dritten Weg
zustande gekommenen arbeitsrechtlichen Vereinbarungen der Kirchen sind keine
tarifvertraglichen Regelungen i. S. d. Abs. 2 Satz 3,90 deren Regelungen zur Erweite-
rung der Befristungszeit und Anzahl der Erhöhungen sind somit nicht wirksam.91
Abs. 2 Satz 4 erlaubt auch nicht oder nur einseitig tariflich gebundenen Par- 62
teien, die jeweils entsprechenden tariflichen Vereinbarungen schuldrechtlich in den
Arbeitsvertrag miteinzubeziehen. Weicht der Tarifvertrag allerdings zu Ungunsten
des Arbeitnehmers von der gesetzlichen Lage ab, ist regelmäßig die Einbeziehung des
gesamten tariflichen Vertragswerks geboten. Die Einbeziehung einzelner nachtei-
liger Klauseln bezüglich der Befristung unterliegt nicht dem Kontrollprivileg des § 310
Abs. 4 Nr. 1 BGB92 und die geänderten Befristungsmodalitäten sind insofern regelmä-
ßig als unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bewerten. Dies sollte im Fall

84 BAG, Urt. v. 27.04.1988 – 7 AZR 593/87.


85 BAG, Urt. v. 17.06.2009 – 7 AZR 193/08.
86 BAG, Urt. v. 15.08.2012 – 7 AZR 184/11.
87 BAG, Urt. v. 05.12.2012 – 7 AZR 698/11.
88 BAG, Urt. v. 05.12.2012 – 7 AZR 698/11.
89 BAG, Urt. v. 18.03.2005 – 7 AZR 272/13.
90 BAG, Urt. v. 25.03.2009 – 7 AZR 710/07.
91 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 10.
92 BAG, Urt. v. 01.12.2004 – 7 AZR 135/04.

Christ
214 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

der individuell vereinbarten Einbeziehung grundsätzlich nicht gelten, erfolgt diese


ja nicht im Rahmen eines Formularvertrags. Eine Entscheidung der Rechtsprechung
hierzu steht allerdings noch aus, mithin ist es in der Praxis ratsam auf die tariflichen
Bestimmungen in Gänze Bezug zu nehmen.

d) Darlegungs- und Beweislast, Fragerecht des Arbeitgebers


63 Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer sachgrundlosen
Befristung liegt grundsätzlich auf der Seite jener Partei, die sich auf das Ende des
Arbeitsverhältnisses durch die Befristung beruft.93 Das wird in Anbetracht der kurzen
Kündigungsfristen des Arbeitnehmers regelmäßig der Arbeitgeber sein. Dieser
hat somit die grundsätzliche Vereinbarung einer Befristung sowie die Wahrung der
Schriftform bezüglich dieser darzulegen und zu beweisen. Eine Ausnahme vom
obigen Grundsatz hat das BAG für das Nichtbestehen eines vorigen Arbeitsverhältnis-
ses eingeräumt, welches grundsätzlich der Arbeitnehmer darzulegen und zu bewei-
sen hat.94 Begründen lässt sich dieses mit der Sachnähe des Arbeitnehmers zu seinen
vorherigen Tätigkeiten.
64 Der Arbeitgeber hat ein Fragerecht bezüglich des Bestehens voriger Arbeitsver-
hältnisse zwischen den Parteien.95 Erteilt der Arbeitnehmer vorsätzlich unrichtige
Auskünfte und waren diese kausal für die Vorstellung des Arbeitgebers es handele
sich um eine Neueinstellung kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag nach §§ 142,
123 BGB anfechten. Eine generelle Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB scheidet
mangels der Verkehrswesentlichkeit der Vorbeschäftigung des Arbeitnehmers wohl
aus. Der Nachweis des Täuschungsvorsatzes wird sich im Einzelfall als schwierig
erweisen, ist aber in Konstellationen des Unternehmenskaufs oder einer Sitzverle-
gung durchaus denkbar.

2. S
 achgrundlose Befristung bei neu gegründeten Unternehmen (§ 14 Abs. 2a
TzBfG)
65 Der Gesetzgeber hat für den Fall der Neugründung eines Unternehmens ein hervorge-
hobenes Interesse an der befristeten Beschäftigung von Arbeitskräften gesehen und
trägt diesem in Form der Regelung des Abs. 2a Rechnung. Neugegründete Unterneh-
men können demnach in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung ohne sachli-
chen Grund befristete Arbeitsverhältnisse bis zu einer Dauer von bis zu vier Jahren
abschließen und diese innerhalb der Gesamtdauer von vier Jahren beliebig oft verlän-
gern. Es bedarf zur Eröffnung des Abs. 2a allerdings einer tatsächlichen Neugrün-

93 BAG, Urt. v. 20.08.2014 – 7 AZR 924/12.


94 BAG, Urt. v. 19.10.2005 – 7 AZR 31/05.
95 BT-Drs. 14/4374, 14, 19.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 215

dung. Neugründungen im Rahmen von Umstrukturierungen etablierter Firmen und


Konzerne sind nach Abs. 2a Satz 2 ausdrücklich von dieser Regelung ausgeschlossen.
Der Begriff der Neugründung i. S. d. § 14 Abs. 2a TzBfG ist mit dem in § 112a Abs. 2
BetrVG identisch, da die erstgenannte Norm letzterer nachgebildet wurde. Es kann
somit zum Begriff der Neugründung auf die Rechtsprechung und Literatur zu § 112a
Abs. 2 BetrVG zurückgegriffen werden.96
Keine Neugründung stellt somit die Eröffnung eines neuen Betriebs durch ein 66
bereits bestehendes Unternehmen dar.97 Umgekehrt kann ein neugegründetes Unter-
nehmen einen bereits vier Jahre lang bestehenden Betrieb übernehmen, ohne den
Anwendungsbereich des Abs. 2a zu verlassen.98 Problematisch erscheint die Gesamt-
rechtsnachfolge nach dem UmwG. Das BAG hat in Bezug auf Abs. 2 Satz 2 entschieden,
dass eine Identität des Arbeitgebers nach einer Umwandlung nicht besteht.99 Konse-
quenterweise müsste die auch die Privilegierung nach Abs. 2a einem neugegründeten
aufnehmenden Unternehmen zugutekommen. Dies würde allerdings dem Zweck der
Norm zuwiderlaufen, bestehen die im Normalfall mit einer Unternehmensgründung
auftretenden Unsicherheiten bezüglich Personalbedarf und wirtschaftlicher Zukunft
im Fall einer Verschmelzung nicht im selben Maße. Insofern ist es ratsam sich in der
Praxis eher darauf einzurichten, dass Abs. 2a in Umwandlungsfällen keine Anwen-
dung findet.
Der vierjährige Zeitraum nach der Neugründung beginnt nach Abs. 2a Satz 3 mit 67
dem Zeitpunkt der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 138 AO. Die Vierjahresfrist
berechnet sich nach den §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 BGB. Für den Beginn des Arbeitsver-
hältnisses ist der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme und nicht der des Vertragsschlus-
ses entscheidend.100 Arbeitsverhältnisse können innerhalb der ersten vier Jahre
nach Gründung durchgehend für die Gesamtdauer von bis zu vier Jahren vereinbart
werden, das heißt ein nach Abs. 2a befristetes Arbeitsverhältnis kann theoretisch bis
in das achte Jahr der Unternehmenstätigkeit andauern. Zu beachten ist, dass eine Ver-
längerung außerhalb der ersten vier Jahre nur im Rahmen des Abs. 2 Satz 1, also bis
zur Gesamtdauer von zwei Jahren möglich ist. Befristete Arbeitsverhältnisse sollten
also noch vor Ablauf der vierjährigen Frist auf ihre volle vierjährige Dauer verlängert
werden um die Privilegierung des Abs. 2a optimal zu nutzen.
Abs. 2a Satz 4 erlaubt die entsprechende Anwendung des Abs. 2 Sätze 2 bis 4. Das 68
Anschlussverbot aus Abs. 2 Satz 2 läuft weitestgehend leer. Ein neugegründetes
Unternehmen wird selten bereits vorher Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern

96 MK TzBfG § 14 Rn. 94.


97 Wlotzke NZA 1984, 217.
98 Vgl. BAG, Urt. v. 27.06.2006 – 1 ABR 18/05.
99 BAG, Urt. v. 22.06.2005 – 7 AZR 363/04.
100 BT-Drs. 15/1204, 14.

Christ
216 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

eingegangen sein.101 Weiterhin ist die tarifliche Öffnungsklausel insofern gegen-


standslos, als dass Verlängerungen innerhalb der ersten vier Jahre ohnehin zahlen-
mäßig nicht begrenzt sind. Einen Vorteil kann der Arbeitgeber somit nur im Bereich
der Befristungsdauer erhalten, wobei für die Zulässigkeit tariflicher Erhöhungen der
Befristungszeit über die Gesamtdauer von 48 Monaten hinaus noch keine Rechtspre-
chung vorliegt.

3. Altersbefristung (§ 14 Abs. 3 TzBfG)


69 § 14 Abs. 3 TzBfG dient der Besserung der Chancen älterer Arbeitnehmer auf dem
Arbeitsmarkt. Er erlaubt die auf bis zu fünf Jahre sachgrundlos befristete Beschäf-
tigung von Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben und unmittelbar
vor Beschäftigungsbeginn mindestens vier Monate beschäftigungslos im Sinne des
§ 138 Abs. 1 Nr. 1 des SGB III gewesen sind, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an
einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder SGB
III teilgenommen haben. Der Arbeitnehmer muss nicht als arbeitslos gemeldet
gewesen sein, darf allerdings mangels des Verweises auf § 138 Abs. 3 SGB III in den
vier Monaten keiner geringfügigen Tätigkeit nachgegangen sein. Die Vollendung des
52. Lebensjahres muss zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme erreicht sein, nicht aber
unbedingt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
70 Die viermonatige Beschäftigungslosigkeit setzt nicht voraus, dass der Arbeitneh-
mer als arbeitslos gemeldet war.102 Der Gesetzesbegründung nach sind auch Fälle der
Beschäftigungslosigkeit aus persönlichen Gründen erfasst, etwa zur Pflege kranker
Angehöriger oder in Fällen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe.103 Der Beschäfti-
gungslosigkeit gleichgestellt ist der Bezug von Transferkurzarbeitergeld nach § 111
SGB III, welches im Rahmen von betrieblichen Restrukturierungen ausgezahlt wird.
Zuletzt genügt für die Eröffnung des Abs. 3 auch die Teilnahme an öffentlich geförder-
ten Beschäftigungsmaßnahmen nach dem SGB II und SGB III. Der Begriff der Beschäf-
tigungsmaßnahme leidet an erheblicher Unschärfe und kann prinzipiell zahlreiche
Transfermaßnahmen und Arbeitsgelegenheiten erfassen. In der Gesetzesbegründung
ausdrücklich genannt sind jedoch nur die entfallene Arbeitsbeschaffungsmaßnahme
nach §§ 260 ff. SGB III a. F. sowie die Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II.104 Bezüg-
lich aller anderen Maßnahmen herrscht Rechtsunsicherheit, insofern sollte bei der
Befristung wegen Beschäftigungsmaßnahmen nur in Fällen der Arbeitsgelegenheit
ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Abs. 3 vereinbart werden.

101 Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag II B 10 Rz. 78.


102 Meindel/Heyn/Herms, TzBfG, § 14 Rn. 308.
103 BT-Drs. 16/3793, 7.
104 BT-Drs. 16/3793, 10.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 217

Die Unmittelbarkeit setzt voraus, dass zwischen der Beschäftigungslosigkeit 71


(oder den alternativen Tatbeständen) und der Aufnahme der befristeten Tätigkeit
keine Unterbrechung liegt, unabhängig von deren noch so kurzer Dauer. Auch die
viermonatige vorhergehende Zeit hat frei von Unterbrechungen zu sein. Wenngleich
in der Gesetzesbegründung kürzere Unterbrechungen als nicht beachtlich deklariert
werden105, fand dies in den Wortlaut der Norm in keiner Form Einzug. Dies stünde
zudem im Widerspruch zum Ausschluss des Anwendungsbereiches der Norm bei
vorigen geringfügigen Tätigkeiten.
Dem Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses nach Abs. 3 steht eine vor- 72
herige Beschäftigung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber nicht entgegen,
sofern die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Ob eine eventuelle
Vorbeschäftigung nach den Abs. 1, 2 oder 2a befristet war ist für die Eröffnung des
Abs. 3 ebenfalls ohne Bewandtnis.106
Das Arbeitsverhältnis darf höchstens auf eine Gesamtdauer von fünf Jahren 73
befristet sein. Solange diese Gesamtdauer hierdurch nicht überschritten wird, ist
auch die mehrmalige und zahlenmäßig nicht begrenzte Möglichkeit der Verlängerung
gegeben. Im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung der Norm ist es nicht
möglich über fünf Jahre täglich das Arbeitsverhältnis zu verlängern, auch wenn der
Wortlaut dies grundsätzlich zuließe. Es empfiehlt sich einen Richtwert von sechs
Monaten je Verlängerung nicht zu unterschreiten.107

IV. Schriftformerfordernis

§ 14 Abs. 4 TzBfG normiert als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung eines jeden 74


befristeten Arbeitsvertrages die Schriftform der Befristungsabrede. Die Befristungs-
abrede muss deshalb nach § 126 Abs. 2 S. 1 BGB von beiden Vertragsparteien eigen-
händig auf derselben Urkunde unterzeichnet sein.
Das Schriftformerfordernis bezieht sich nur auf die Befristungsvereinbarung 75
selbst. Dagegen erfasst das Schriftformgebot nicht den Arbeitsvertrag als solchen,
der – unter Beachtung der Regelungen des NachwG – formlos abgeschlossen werden
darf. Dem Schriftformerfordernis ist allerdings Genüge getan, wenn der Arbeitge-
ber einen ohnehin zu empfehlenden schriftlichen Arbeitsvertrag verwendet und die
Befristungsabrede darin enthalten ist. Aus Transparenzgründen sollte die Befris-

105 BT-Drs. 16/3793, 10.


106 BT-Drs. 16/3793, 10.
107 Die europarechtliche Vereinbarkeit der Regelung zur Altersbefristung mit den Vorgaben der
Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 war und ist umstritten, vgl. LAG Sachsen-Anhalt,
Urt. v. 13.08.2013 – 7 Sa 427/12.

Christ
218 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

tungsabrede dann aber nicht versteckt im Vertragstext sondern mit Rücksicht auf die
§§ 305c, 307 Abs. 1 S. 2 BGB möglichst hervorgehoben ersichtlich sein.
76 Bei kalendermäßigen Befristungen erstreckt sich das Formgebot nur auf die Tat-
sache der Vertragsbefristung an sich. Es muss also nur das Enddatum bzw. die Befris-
tungsdauer schriftlich festgehalten werden. Doch müssen die Parteien nicht schrift-
lich niederlegen, ob eine sachgrundlose Befristung oder eine solche mit Sachgrund
angestrebt ist. Ebenso wenig sind sie gehalten, einen Sachgrund für die Befristung
festzuhalten.108
77 Wichtig für die Praxis ist, dass die Schriftform bereits zum Zeitpunkt der Verein-
barung einer Befristung einzuhalten ist. Wird eine Befristungsabrede – zum Beispiel
im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs – zunächst mündlich und damit formnichtig
getroffen, führt die nachträgliche schriftliche Niederlegung der mündlich vereinbar-
ten Befristung mit Unterzeichnung des Arbeitsvertrags in der Regel nicht dazu, dass
die Befristung rückwirkend wirksam wird.
78 In der Praxis kommt es häufig vor, dass sich die Parteien zunächst mündlich auf
ein befristetes Arbeitsverhältnis einigen, der Arbeitnehmer die Arbeit aufnimmt und
erst nach Arbeitsantritt ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit der Befristungsabrede
unterzeichnet wird. Wird der Arbeitgeber mit einem derartigen Fall konfrontiert,
könnte er zur Konfliktvermeidung das Arbeitsverhältnis vor Eingreifen des Kündi-
gungsschutzes kündigen oder eine „echte“ nachträgliche Befristungsabrede treffen.
Letzteres erreicht man dadurch, dass man z. B. das Befristungsende um einen Tag
verändert.
79 Allerdings bedarf eine solche nachträgliche Befristung wegen des Anschlussver-
bots des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG eines Sachgrunds, so dass insbesondere in Fällen
sachgrundloser Befristungen höchste Aufmerksamkeit darauf zu legen ist, die Befris-
tungsabrede bereits vor der Arbeitsaufnahme des Arbeitnehmers schriftlich und
somit formwirksam abzuschließen. Ist dies nicht der Fall und der Arbeitnehmer
nimmt auch nur für kurze Zeit seine Tätigkeit bereits unbefristet auf, ist eine spätere
nochmalige sachgrundlose Befristung nicht mehr möglich, da in diesem Fall das Vor-
beschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegensteht.109

V. Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses

80 Grundsätzlich endet ein kalendermäßig befristetes Arbeitsverhältnis mit Ablauf der


Frist nach § 15 Abs. 1 TzBfG, ohne dass es weiterer Handlungen der Parteien bedarf.
Insbesondere ist es nicht notwendig eine Kündigung auszusprechen. Ein zweckbe-
fristetes Arbeitsverhältnis endet nach § 15 Abs. 2 mit der Zweckerreichung, jedoch

108 BAG, Urteil v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10.


109 Hierzu BAG, Urteil v. 16.04.2008 – 7 AZR 1048/06.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 219

frühestens zwei Wochen nach Zugang einer schriftlichen Mitteilung des Arbeitge-
bers an den Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Eine ordentli-
che Kündigung ist nach § 15 Abs. 3 bei befristeten Arbeitsverhältnissen nur möglich,
sofern sie vertraglich vereinbart wurde. Ist das befristete Arbeitsverhältnis für eine
Dauer von mehr als fünf Jahren oder gar auf Lebenszeit abgeschlossen worden, so
kann der Arbeitnehmer es nach fünf Jahren mit einer Kündigungsfrist von sechs
Monaten kündigen, § 15 Abs. 4. Wird das Arbeitsverhältnis trotz Ablauf der Frist oder
Erreichung des Zwecks mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt und der Arbeitgeber
widerspricht diesem nicht unverzüglich oder holt die Mitteilung über die Zweckerrei-
chung nach, so wird das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert, § 15 Abs. 5
TzBfG.

1. Die Beendigung bei einer Zweckbefristung


Ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis endet seinem Sinn nach mit dem Erreichen 81
des vereinbarten Zwecks. Durch § 21 TzBfG der Zweckbefristung gleichgestellt ist
der Abschluss eines Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt einer auflösenden Bedin-
gung, welches mit Eintritt dieser endet. Darüber hinaus besteht nach Maßgabe des
§ 15 Abs. 2 das Erfordernis einer schriftlichen Mitteilung des Zeitpunkts der Zwecker-
reichung. Erst zwei Wochen nach Zugang dieser Mitteilung beim Arbeitnehmer, aber
frühestens mit Erreichung des Zwecks endet das zweckbefristete Arbeitsverhältnis.

a) Der Zweck
Der Zweck ist möglichst klar und detailliert im Arbeitsvertrag festzuhalten. Anders 82
als bei der kalendarischen Befristung, die relativ mühelos auszugestalten ist, berei-
tet die Formulierung einer Zweckbefristung häufig Schwierigkeiten. Das befristende
Ereignis muss zweifelsfrei feststellbar und hinreichend bestimmt sein.110 Der
Befristungsgrund ist zu nennen und bedarf der Schriftform.111 Bei der Fixierung des
befristenden Ereignisses ist größte Sorgfalt geboten. Der BAG-Rechtsprechung nach
lässt sich etwa der Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis mit der Wiederaufnahme
der Arbeit durch den vertretenen Arbeitnehmer enden soll, nicht entnehmen, dass
ein Ausscheiden des Vertretenen vor Wiederaufnahme der Tätigkeit ebenfalls been-
dende Wirkung haben soll.112 Hier ist neben der Zweckerreichung im Idealfall eine
kalendarische Befristung zu vereinbaren, deren Ablauf soweit absehbar nach Ein-
tritt der Zweckerreichung liegt.

110 BAG, Urt. v. 15.05.2012 – 7 AZR 35/11.


111 BAG, Urt. v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04.
112 BAG, Urt. v. 26.06.1996 – 7 AZR 674/95.

Christ
220 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

83 Die Zweckerreichung muss außerdem innerhalb eines für den Arbeitnehmer


voraussehbaren und überschaubaren Zeitraums liegen.113 Nicht zulässig sind daher
Zweckbestimmungen, die mehr oder minder willkürlich der Einschätzung des Arbeit-
gebers unterliegen oder in denen ein zu unbestimmter oder zu weitläufiger Zeitraum
für den Eintritt des Ereignisses bestimmt wird. Der genannte Zweck darf nicht nur
unter Umständen oder mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintreten, sondern muss
soweit absehbar sicher erreicht werden. Die an die Gewissheit zu stellenden Maß-
stäbe steigen mit der Zukunftsferne des Ereignisses.114

Klauselmuster
(1) Der Arbeitnehmer … wird mit Wirkung vom … als Aushilfe für die Dauer der Erkrankung des Mit-
arbeiters … eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet zwei Wochen nach erfolgter Mitteilung über die
Wiederaufnahme der Arbeit durch Herrn …, spätestens jedoch zum …, ohne dass es einer Kündigung
bedarf.
(2) Das Arbeitsverhältnis wird für die Dauer der Schwimmbadsaison des Jahres … eingegangen.

b) Die schriftliche Erklärung des Arbeitgebers


84 Nach § 15 Abs. 2 TzBfG bedarf es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses neben dem
Eintritt der Zweckerreichung einer schriftlichen Mitteilung des Arbeitgebers an den
Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Zweckerreichung. Die Mitteilung muss vom
Arbeitgeber selbst oder von einem zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen ermäch-
tigtem Vertreter ausgehen. Inhaltlich muss sie den Hinweis auf die Zweckerrei-
chung und den Zeitpunkt dieser enthalten. Für die Schriftform der Mittelung gelten
die üblichen Anforderungen des § 126 BGB.
85 In Fällen, in denen der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Zweckerreichung
erhält und auch nicht haben muss, etwa weil diese in der Person des Arbeitneh-
mers oder dessen persönlicher Umstände zu verorten sind, muss die Mitteilung dem
BAG115 nach entgegen einer verbreiteten Literaturmeinung116 trotzdem erfolgen. In
der Praxis ist es daher ratsam befristete Arbeitsverhältnisse nicht von Ereignissen
in der Sphäre des Arbeitnehmers abhängig zu machen, zumal dieser dem Arbeit-
geber die Zweckerreichung vorenthalten kann. Insbesondere kann nach § 15 Abs. 5
TzBfG bei unterbleibender Mitteilung ungewollt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
entstehen.
86 Die Auslauffrist von zwei Wochen dient dem Schutz des Arbeitnehmers und soll
ihm ermöglichen anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Es handelt
sich folglich um eine Mindestfrist und keine Höchstfrist. Sie kann vom Arbeitgeber

113 BAG, Urt. v. 17.02.1983 – 2 AZR 481/81.


114 BAG, Urt. v. 15.05.2012 – 7 AZR 35/11.
115 BAG, Urt. v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12
116 Vgl. Meinel/Heyn/Herms, TzBfG § 15 Rn. 7 f.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 221

beliebig erhöht werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nicht ungewollt eine
Kündigungsfrist statt einer Auslauffrist vertraglich fixiert wird.117
Aufgrund der zahlreichen potenziellen Fehlerquellen sowohl bei Abschluss als 87
auch Beendigung eines ausschließlich zweckbefristeten Arbeitsverhältnisses ist von
dieser Form der Befristung abzuraten und eine zusätzliche Aufnahme einer hilfs-
weisen Zeitbefristung zu empfehlen.

2. Kündbarkeit
Das befristete Arbeitsverhältnis ist nach § 15 Abs. 3 grundsätzlich nur dann ordentlich 88
kündbar, wenn eine Kündigungsklausel einzelvertraglich vereinbart wurde oder
Teil eines geltenden Tarifvertrages ist. Andernfalls besteht weder für den Arbeitneh-
mer noch für den Arbeitgeber ein Kündigungsrecht und das Arbeitsverhältnis endet
erst durch Ablauf der kalendarischen Befristung oder die Erreichung des vereinbarten
Zwecks. Die Befristung wird in diesem Fall – meist unbeabsichtigter Weise – sowohl
zur Höchstbefristung als auch zur Mindestlaufzeit. Um dem entgegenzuwirken, ist
die Aufnahme einer Kündigungsklausel in den Arbeitsvertrag unerlässlich. Möglich
verbleibt andernfalls nur die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB.
Die Kündigungsklausel bedarf keiner besonderen Form. Bei ihrer Verwendung in 89
Formularverträgen unterliegt sie keinen übermäßigen Anforderungen.118 Die Kündi-
gung durch den Arbeitgeber muss den üblichen Anforderungen des allgemeinen und
besonderen Kündigungsschutzes entsprechend sein.
Hierbei sind aufgrund der kurzzeitigen Natur befristeter Arbeitsverhältnisse 90
häufig gewisse für den Arbeitgeber günstige Sonderbestimmungen bezüglich der
Kündigungsfrist zu beachten. Wurde für das befristete Arbeitsverhältnis eine Probe-
zeit ausdrücklich vertraglich vereinbart, kann das Arbeitsverhältnis innerhalb dieser
nach § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Handelt es
sich bei dem Arbeitnehmer um eine vorübergehende Aushilfe kann die Kündigungs-
frist innerhalb der ersten drei Monate nach § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB sogar vertraglich auf
null reduziert werden. Diese entfristete ordentliche Kündigung ist selbstverständlich
nur vorbehaltlich anderslautender Tarifbestimmungen möglich.
Zu beachten bleibt, dass sich die Kündigungsmöglichkeiten nie als für den Arbeit- 91
geber vorteilhafter darstellen dürfen als für den Arbeitnehmer, § 622 Abs. 6 BGB.
Besondere Kündigungsbestimmungen gelten bei befristeten Arbeitsverhältnissen 92
mit einer Länge von über fünf Jahren oder gar auf Lebenszeit einer Person. Nach
§ 15 Abs. 4 TzBfG wird dem Arbeitnehmer in diesen Fällen ein außerordentliches Kün-
digungsrecht eingeräumt, von welchem er nach Ablauf von fünf Jahren nach Arbeits-
antritt mit sechsmonatiger Kündigungsfrist Gebrauch machen kann. Dieses Kündi-

117 Preis/Rolfs II B 10 Rn. 122, 125.


118 BAG, Urt. v. 04.08.2011 – 6 AZR 436/10.

Christ
222 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

gungsrecht ist als den Arbeitnehmer begünstigende Regelung nach § 22 Abs. 1 TzBfG
nicht abdingbar und die Kündigungsfrist von sechs Monaten kann auch nicht durch
eine Vereinbarung verlängert werden. Eine Verkürzung der Kündigungsfrist steht als
Begünstigung des Arbeitnehmers hingegen zur Disposition der Parteien. Der Arbeit-
geber erhält kein gesondertes Kündigungsrecht.
93 Ein Arbeitsverhältnis auf Lebenszeit kann sich sowohl auf die Lebenszeit des
Arbeitnehmers, die des Arbeitgebers aber auch auf die Lebensspanne Dritter bezie-
hen.119 Im Falle einer kalendermäßigen Befristung ist auf die im Vertrag vorgesehene
Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Hierbei entscheidend ist die tatsächli-
che Bindung über eine Dauer von mehr als fünf Jahren. Der wiederholte Abschluss
aufeinanderfolgender Verträge mit einer Dauer von jeweils genau fünf Jahren ist
somit zulässig, selbst wenn die Verlängerung automatisch eintritt sofern der Arbeit-
nehmer nicht von einem Kündigungsrecht Gebrauch macht.120 Wird die Verlängerung
jedoch bereits zeitig auf den originären Vertragsschluss folgend vereinbart und nicht
erst kurz vor Ablauf der Vertragsdauer, liegt eine Umgehung der Regelung des § 15
Abs. 5 TzBfG vor.121 In diesem Fall wird der Arbeitnehmer tatsächlich auf längere Zeit
als fünf Jahre gebunden, der Anwendungsbereich des Abs. 5 bleibt eröffnet. Ebenso
zu behandeln ist der gleichzeitige Abschluss mehrerer inhaltsgleicher Verträge, die
sich zeitlich aneinanderreihen.
94 Die Kündigungsmöglichkeit entsteht mit dem Ablauf von fünf Jahren, eine vor-
herige Kündigung durch den Arbeitnehmer ist jedoch möglich und wird zu einer
das Arbeitsverhältnis nach fünf Jahren und sechs Monaten beendenden Kündigung
umgedeutet. Die Kündigung muss schriftlich erklärt werden, § 623 BGB. Anders als
bei einer ordentlichen Kündigung kann die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5
jederzeit, also nicht nur am 1. oder 15. eines jeden Monats ergehen.122

3. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Befristung hinaus


95 Wird das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung, Eintritt der Zweckerreichung
oder auflösenden Bedingung tatsächlich und ohne vertragliche Grundlage fortge-
setzt, so wandelt es sich nach Abs. 5 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit den
bisherigen Rechten und Pflichten, sofern der Arbeitgeber der Fortsetzung nicht
unverzüglich widerspricht oder dem Arbeitnehmer unverzüglich die schriftliche
Mitteilung über die Zweckerreichung zukommen lässt.
96 Die Fortsetzung setzt zunächst voraus, dass der Arbeitnehmer nach Ende der
Befristung die geschuldete Tätigkeit weiterhin bewusst mit dem Willen erbringt die

119 BAG, Urt. v. 25.03.2004 – 2 AZR 173/01.


120 BAG, Urt. v. 19.12.1991 – 2 AZR 363/91.
121 MK TzBfG § 15 Rn. 38.
122 BAG, Urt. v. 24.10.1996 – 2 AZR 845/95.

Christ
A. Befristung des Arbeitsverhältnisses 223

vertragliche Verpflichtung zu erfüllen.123 Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung


auch tatsächlich erbringen, eine irrtümliche Gegenleistung durch den Arbeitgeber
genügt also nicht.124 Eine – wenn auch nur kurzzeitige – Unterbrechung der Arbeits-
leistung steht der Fortführung entgegen.125
Ferner muss die Fortsetzung mit Wissen des Arbeitgebers erfolgen, diesem muss 97
also positiv bekannt sein, dass der Arbeitnehmer weiterhin tätig ist.126 Irrtümliche
Annahmen des Arbeitgebers über den Fristablauf oder den Eintritt der Zwecker-
reichung stehen dem Eintritt der Rechtsfolge grundsätzlich nicht entgegen.127 Der
Arbeitgeber muss sich wohl das Wissen Dritter zurechnen lassen, die zum Abschluss
eines Arbeitsvertrages mit dem Arbeitnehmer befugt wären.
Der Widerspruch oder die Mitteilung haben unverzüglich zu erfolgen. Unverzüg- 98
lich in diesem Zusammenhang ist gleich dem unverzüglich in § 121 BGB, also ohne
schuldhaftes Zögern zu verstehen. Die absolute Obergrenze hierbei bildet ein Rahmen
von zwei Wochen.128 Allgemein empfehlenswert ist es nicht länger als eine Woche
zwischen Kenntnisnahme und dem Widerspruch oder der Mitteilung verstreichen zu
lassen oder im Idealfall umgehend zu widersprechen. Ein Widerspruch gegen die
Fortführung kann bereits vor Ablauf der Frist129, nicht jedoch schon im Arbeitsver-
trag selbst vorgenommen werden. Der Widerspruch kann formlos ergehen, es bietet
sich jedoch an ihn zu Beweiszwecken in schriftlicher Form zu erklären. Zu beachten
ist, dass nur eine schriftliche Beendigungserklärung die Klagefrist nach § 17 TzBfG
in Gang setzt. Die nachträgliche Mitteilung über das Erreichen des Zwecks unter-
liegt denselben Anforderungen wie die ordentliche Mitteilung nach Abs. 2. Sie muss
folglich in Schriftform ergehen und die Zweckerreichung sowie den Zeitpunkt dieser
enthalten. Ist sie fehlerhaft oder nicht formgerecht, kann durch sie die Begründung
eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nicht verhindert werden. Auch auf die
nachträgliche Mitteilung hin wird dem Arbeitnehmer eine Auslauffrist von zwei
Wochen gewährt, die nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BAG130 auch
in Fällen der Zweckerreichung in der Sphäre des Arbeitnehmers und ohne Wissen
des Arbeitgebers besteht. Setzt der Arbeitnehmer nach Ende der Auslauffrist auf eine
ordnungsgemäße nachträgliche Mitteilung hin die Tätigkeit fort und der Arbeitgeber
widerspricht dieser Fortsetzung nicht unverzüglich, so wird ebenfalls ein unbefris-
tetes Arbeitsverhältnis begründet. Die Zweckbefristung birgt insofern ein doppeltes

123 BAG, Urt. v. 11.07.2007 – 7 AZR 501/06.


124 BAG, Urt. v. 02.12.1998 – 7 AZR 508/97.
125 BAG, Urt. v. 02.12.1998 – 7 AZR 508/97.
126 BAG, Urt. v. 11.07.2007 – 7 AZR 501/06.
127 LAG Düsseldorf, Urt. v. 26.09.2002 – 5 Sa 748/02.
128 BAG, Urt. v. 14.12.1979 – 7 AZR 38/78.
129 BAG, Urt. v. 05.05.2004 – 7 AZR 629/03.
130 BAG, Urt. v. 23.07.2014 – 7 AZR 771/12

Christ
224 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Risiko der ungewollten unbefristeten Beschäftigungsbegründung nach Abs. 5 und


sollte nach aller Möglichkeit vermieden werden.

VI. Die Entfristungsklage

99 Nach § 17 TzBfG ist es dem Arbeitnehmer möglich die Unwirksamkeit einer Befris-
tung gerichtlich überprüfen zu lassen. Überprüfbar ist hierbei nur die Befristung des
Arbeitsverhältnisses insgesamt, nicht etwa auch einzelner befristeter Arbeitsbedin-
gungen.131 § 17 TzBfG findet in jedem Fall der Befristung, also sowohl der kalendermä-
ßigen als auch der Zweckbefristung sowie nach § 21 TzBfG auch im Fall auflösender
Bedingung Anwendung. Die Unwirksamkeit einzelner befristeter Vertragsbedingun-
gen hat hingegen im Rahmen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO zu
erfolgen.132 Nicht im Anwendungsbereich des § 17 liegen Streitigkeiten über das Ein-
treten des Befristungstatbestandes, also häufig das Erreichen des Vertragszweckes.
Nach neuerer Rechtsprechung des BAG soll die Frist des § 17 auch für Streitigkeiten
über den Eintritt auflösender Bedingungen gelten.133 Es ist insofern zu bezweifeln,
dass die bisherige Nichtanwendung des § 17 auf den Eintritt des Befristungstatbe-
stands auch in Zukunft beibehalten wird.
100 Der Arbeitnehmer hat Gelegenheit die Wirksamkeit einer Befristung innerhalb
einer Klagefrist von drei Wochen nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses
geltend zu machen, § 17 Satz 1 TzBfG. Diese Klagefrist erstreckt sich auf alle möglichen
Unwirksamkeitsgründe, durch Säumnis wird sogar die Nichtwahrung der Schriftform
präkludiert.134 Die Frist beginnt auch dann zu laufen, wenn der Arbeitnehmerstatus
noch nicht abschließend geklärt wurde.135 Fristbeginn ist bei der kalendermäßigen
Befristung der vertraglich fixierte Beendigungszeitpunkt. Bei Zweckbefristungen ist
nach aktueller Rechtsprechung des BAG wohl auf den Zeitpunkt der Zweckerreichung
nur abzustellen, sofern dieser dem Arbeitnehmer ordentlich nach § 15 Abs. 2 TzBfG
mitgeteilt wurde.136 Eine Sonderregelung für den Fall der Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses enthält S. 3. Diese nicht hinreichend mit § 15 Abs. 5 TzBfG im Einklang
stehende Regelung hat hauptsächlich zwei Anwendungsfälle. Zunächst greift sie,
wenn der Arbeitgeber der Fortsetzung des kalendarisch befristeten Arbeitsverhältnis-
ses zwar widersprochen hat, dies aber nur mündlich oder in Textform geschah. Ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht somit nicht, die Frist wird jedoch mangels

131 BAG, Urt. v. 14.01.2004 – 7 AZR 213/03.


132 BAG, Urt. v. 23.01.2002 – 7 AZR 563/00.
133 BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 704/09.
134 BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 10 AZR 111/11.
135 BAG, Urt. v. 15.02.2012 – 10 AZR 111/11.
136 BAG, Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 704/09.

Christ
B. Altersgrenze 225

der Schriftform des Widerspruchs nicht in Gang gesetzt. Bei der Zweckbefristung
kann eine Erklärung nach § 17 Abs. 3 TzBfG erforderlich sein, wenn der Arbeitgeber
die nach § 15 Abs. 2 TzBfG erforderliche Mitteilung rechtzeitig getätigt hat, der Arbeit-
nehmer aber nach Ablauf der Auslauffrist seine Tätigkeit fortsetzt. Die Erklärung des
Arbeitgebers hat schriftlich zu erfolgen.
Im Rahmen der Befristungskontrollklage wird ausschließlich die Wirksamkeit 101
der Befristung des letzten abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses überprüft.137 Etwas
anderes gilt nur, wenn die zuletzt geschlossene Vereinbarung nur einen unselbst-
ständigen Annex zu einem zuvor geschlossenen Vertrag darstellt.138
Eine Vereinbarung zur Abbedingung des § 17 TzBfG ist nicht zulässig.139 Möglich 102
ist wohl die Vereinbarung über einen Klageverzicht nach Beendigung der Beschäfti-
gung und im Prozess in Form eines Vergleichs.

VII. Klauselmuster

Wie bereits oben erläutert, stellt die Formulierung einer wirksamen Befristungsklau- 103
sel an den Vertragsersteller keine besonders hohe Hürde dar. Es gilt im Grunde der
Merksatz „weniger ist mehr“, so dass Befristungsklauseln möglichst schlank gestal-
tet werden sollten, insbesondere ohne den Grund der Befristung zu nennen (soweit
keine tarifvertraglichen Regelungen hier andere Vorgaben machen).

Klauselmuster
Zeitbefristung (vorzugswürdig)
(5) Das Arbeitsverhältnis ist befristet und endet am [Beendigungsdatum].
(6) Das Arbeitsverhältnis ist auch vor Ablauf der Befristung ordentlich kündbar.
(alternativ) Zweckbefristung
Das Arbeitsverhältnis ist befristet und endet mit Fertigstellung des Projektes xy, spätestens am [Be-
endigungsdatum].

B. A
 ltersgrenze

I. E
 inführung

In den meisten auf Dauer geschlossenen Arbeitsverträgen findet sich eine Altersgren- 104
zenvereinbarung. Da Arbeitsverhältnisse nicht automatisch mit dem Eintritt in das

137 BAG, Urt. v. 14.02.2007 – 7 AZR 95/06.


138 BAG, Urt. v. 15.08.2001 – 7 AZR 144/00.
139 BAG, Urt. v.19.01.2005 – 7 AZR 115/04.

Christ
226 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Rentenalter enden, gehört eine solche Vereinbarung als Beendigungstatbestand in


jeden Arbeitsvertrag. Das Erreichen eines bestimmten Lebensalters stellt keinen per-
sonenbedingten Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG dar.140 Darüber hinaus ist
der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters gemäß § 41 Satz 1 SGB VI
nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch
den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Kündigungsrele-
vant sind daher nur dauernde Arbeitsunfähigkeit, der erhebliche altersbedingte Leis-
tungsabfall und häufige Kurzerkrankungen, für die der Arbeitgeber die Darlegungs-
und Beweislast trägt.141
105 Die Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitpunkt der
Erreichung eines bestimmten Lebensalters kann entweder eine auflösende Bedin-
gung oder eine Befristung darstellen. Entscheidend für die Unterscheidung ist, ob
der Eintritt des Beendigungszeitpunktes für die Vertragsparteien gewiss ist.142 Bei
einer Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis mit der Vollendung eines bestimm-
ten Lebensjahres enden soll, handelt es sich um eine kalendermäßige Befristung
dieses Arbeitsverhältnisses, weil der Beendigungszeitpunkt hinreichend bestimmbar
ist. Aus der Sicht der Parteien ist die Vollendung eines bestimmten Lebensjahres ein
zukünftiges Ereignis, dessen Eintritt feststeht. Die vereinbarte Altersgrenze wird nicht
allein durch die Möglichkeit einer vorherigen anderweitigen Beendigung des Arbeits-
verhältnisses zu einer auflösenden Bedingung.143
106 Für eine Vereinbarung zur Altersgrenze gilt in jedem Fall das Schriftformerfor-
dernis, da § 14 Abs. 4 TzBfG den Schriftformzwang für Befristungen vorschreibt und
dieser Paragraph durch die Verweisung des § 21 TzBfG nun auch ausdrücklich für auf-
lösende Bedingungen gilt.
107 Darüber hinaus finden sich Regelungen zur Altersgrenze typischerweise in
Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen. Diese Befristungen sind gemäß § 14
Abs. 1 TzBfG dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund sie rechtfertigt. Ein sachli-
cher Grund liegt laut BAG dann vor, wenn der Arbeitnehmer nach dem Vertragsinhalt
und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung
erwerben kann oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente
erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt hat.144 Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG
ergebenden Schutzpflicht ist dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeit-
nehmer nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der
gesetzlichen Rentenversicherung erwerben kann.145 Die Wirksamkeit einer Befris-

140 BAG, Urt. v. 28.09.1961 – 2 AZR 428/60; BAG, Urt. v. 20.12.1984 – 2 AZR 3/84; BAG, Urt. v.
20.11.1987 – 2 AZR 284/86.
141 Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 3.
142 BAG, Urt. v. 08.08.2007 – 7 AZR 605/06, Rn. 18.
143 BAG, Urt. v. 14.08.2002 – 7 AZR 469/01; BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/4, Rn. 25.
144 BAG, Urt. v. 18.06.2008 – 7 AZR 116/07, Rn. 21.
145 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04, Rn. 30.

Christ
B. Altersgrenze 227

tung wegen des Alters ist nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des
Arbeitnehmers bei Erreichung der Altersgrenze abhängig.146 Laut BAG bestehe durch
die gesetzliche Rentenversicherung ein geeignetes Altersversorgungssystem für
Arbeitnehmer, das nach ihrem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ihren Lebens-
unterhalt sicherstelle. Da die sich aus der Beitragszahlung ergebende Versorgung
vorhersehbar sei und auch der Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand feststehe,
sei der Arbeitnehmer gehalten, seine Lebensplanung auf die zu erwartenden Versor-
gungsbezüge einzustellen.147
Allerdings ist eine Altersgrenze ohne finanzielle Absicherung oder auch bei 108
Abstellen auf eine Rente mit Abschlägen des Arbeitnehmers nicht zu rechtfertigen.
Das sind solche Altersgrenzen, die entgegen der Regelaltersgrenze der Rentenversi-
cherung einen vorgezogenen Zeitpunkt für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
bestimmen.148 Bestandteil des Sachgrundes der Befristung ist somit die Anbindung
an eine rentenrechtliche Versorgung beim Ausscheiden bei Erreichung der Alters-
grenze.149

II. Wirksamkeit der Regelung

1. AGB-Kontrolle 109
Eine Vereinbarung, durch die das Arbeitsverhältnis durch eine Altersgrenze beendet
wird, hält der AGB-Kontrolle stand. Eine solche Regelung ist nicht so ungewöhnlich
i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB, dass der Arbeitnehmer nicht mit ihr zu rechnen braucht.150
Insbesondere unter den Überschriften „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“151,
„Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses“152 oder „Beginn und Ende der
Arbeitsteilzeit“153 ist eine Altersgrenzenvereinbarung nicht überraschend. Eine
weitere drucktechnische Hervorhebung ist hier nicht erforderlich.154 Notwendig ist
aber aufgrund der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, dass die Befristungsab-
rede den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den durchschnittli-
chen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt erkennen lässt.155

146 BAG, Urt. v. 18.06.2008 – 7 AZR 116/07, Rn. 26.


147 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04, Rn. 30.
148 BAG, Urt. v. 14.08.2002 – 2 AZR 284/86; BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04.
149 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn. 264.
150 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04; Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 2.
151 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04.
152 LAG Niedersachsen, Urt. v. 20.06.2007 – 15 Sa 1257/06.
153 BAG, Urt. v. 08.08.2007 – 7 AZR 9/03.
154 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04.
155 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn. 261.

Christ
228 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

110 Einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB unterliegen


Befristungsabrede nicht, da sich ihre Zulässigkeit nach § 14 TzBfG richtet, der § 307
BGB als Spezialnorm vorgeht.156 Eine Regelung zur Altersgrenze kann deshalb keine
unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB darstellen.

2. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht und AGG


111 Gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG ist die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses, die
an die Rentenberechtigung des Beschäftigte anknüpft, erlaubt. Somit lässt der Wort-
laut der Norm arbeitsvertragliche Altersgrenzenregelungen ausdrücklich zu.
112 Eine tarifliche Altersgrenzenregelung ist mit dem Gemeinschaftsrecht verein-
bar. Zwar kann laut BAG eine auf die Vollendung des Regelrentenalters bezogene
tarifliche Altersgrenzenregelung dann keinen Bestand haben, wenn sie den betrof-
fenen Arbeitnehmer diskriminiere oder ihn dem allgemeinen Gleichbehandlungs-
gebot zuwider benachteilige. Eine tarifliche Altersgrenzenregelung, die an die Ren-
tenberechtigung anknüpfe, genüge sowohl dem primärrechtlichen Prüfungsmaßstab
als auch den Vorgaben der RL 2000/78/EG. Die Altersgrenze führe zwar zu einer
Ungleichbehandlung auf Grund des Alters, jedoch sei die unterschiedliche Behand-
lung zwischen Arbeitnehmern, die ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben und
anderen Arbeitnehmern aber durch legitime Ziele i. S. d. Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/
EG gerechtfertigt, da die Altersgrenze zumindest auch allgemeinen beschäftigungs-
und arbeitsmarktpolitischen Zielen diene. Die Nachteile, die die von der Beendigung
ihres Arbeitsverhältnisses betroffenen Arbeitnehmer durch die Altersgrenze erfahren,
seien gegenüber der dadurch bewirkten Förderung der Beschäftigungspolitik und der
Entlastung des Arbeitsmarkts als angemessen und erforderlich i. S. d. Art. 6 Abs. 1 RL
2000/78/EG anzusehen.157
113 Auch der EuGH führt in einer Entscheidung über die Rentenaltersgrenzen in Tarif-
verträgen aus, dass eine derartige tarifvertragliche Klausel zwar eine unmittelbar auf
das Alter beruhende Ungleichbehandlung darstelle, diese sei jedoch seit langem Teil
des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in der Arbeitswelt weithin üblich.
Diese Klauseln würden einen Ausgleich zwischen den divergierenden Interessen der
Arbeitnehmer und Arbeitgeber darstellen. Der Arbeitnehmer habe eine gewisse Sta-
bilität der Beschäftigung und könne den Eintritt in den Ruhestand langfristig planen,
der Arbeitgeber hingegen hätte dadurch eine gewisse Flexibilität in der Personalpla-
nung. Eine Altersgrenzenregelung verstoße damit nicht gegen die Richtlinie 2000/78/
EG.158 Mit der Neufassung des § 41 S. 3 SGB VI hat der Gesetzgeber seit Juli 2014 auf-

156 BAG, Urt. v. 27.07.2005 – 7 AZR 443/04; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn. 262.


157 BAG, Urt. v. 18.06.2008 – 7 AZR 116/07, Rn. 28.
158 EuGH, Urt. v. 12.10.2010 – C-45/09.

Christ
B. Altersgrenze 229

bauend auf der EuGH-Rechtsprechung eine neue Möglichkeit der Altersbefristung mit
Mitarbeitern oberhalb der Regelaltersgrenze vorgesehen.159

III. Klauseltypen

1. Altersgrenze 65
Durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz wurde ab dem 1.1.2008 die stu- 114
fenweise Anhebung der Regelaltersgrenze gemäß § 35 S. 2 SGB VI vom 65. auf das
67. Lebensjahr angeordnet. In vielen Altverträgen, gleichgültig, ob Tarifverträge,
Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge, sind noch Vertragsklauseln enthalten,
die auf die Vollendung des 65. Lebensjahres abstellen. Diese werden der aktuel-
len Rechtslage nicht mehr gerecht, da der Arbeitnehmer bei Erreichung des Beendi-
gungszeitpunktes die gesetzliche Regelaltersgrenze noch nicht erreicht hat. Deshalb
soll auf die Vereinbarungen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 65.
Lebensjahr vorsehen, § 41 S. 2 SGB VI angewandt werden. 160 Dieser bestimmt, dass
Vereinbarungen grundsätzlich als auf die für den einzelnen Arbeitnehmer geltende
Regelaltersgrenze abgeschlossen gelten. Damit ist sichergestellt, dass ein möglicher
vorzeitiger Rentenanspruch nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führt, wenn
nicht der Arbeitnehmer einer solchen Auflösung im rentennahen Alter frühestens drei
Jahre im Voraus zugestimmt hat.161 An die Stelle der Altersgrenze 65 tritt demnach die
individuelle regelaltersgrenze des jeweiligen Arbeitnehmers.
In der Literatur wird die Anwendung des § 41 S. 2 SGB VI auf die Fälle der Alters- 115
grenze von 65 Jahren teilweise abgelehnt.162 Nach dieser Auffassung ist die Alters-
vereinbarung dahingehend auszulegen, dass die Vertragsparteien eine Beendigung
zum Zeitpunkt des erstmaligen Bezugs einer Regelaltersgrenze vereinbaren wollten.
Ist die Auslegung nicht zielführend, kann auch an eine Störung der Geschäfts-
grundlage gedacht werden.163 Anders ist dies zu beurteilen bei Neuverträgen, die
nach dem 1.1.2008 geschlossen wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die Änderung des
Rentenversicherungsrechts in Kraft getreten und es ist davon auszugehen, dass den
Vertragsparteien die Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre bekannt ist. Wurde
dennoch die „Altersgrenze 65“ vereinbart, so liegt eine bewusste Abweichung von der
Regelaltersgrenze vor und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde unabhän-
gig von dieser Grenze vertraglich vereinbart. Eine solche Regelung ist grundsätzlich
unwirksam, denn der Arbeitnehmer scheidet zu einem Zeitpunkt aus dem Arbeits-

159 ErfK/Rolfs, § 41 SGB V Rn. 21–24.


160 BT-Drs. 16/3794, S. 34; BeckOK-Sozialrecht/Kreikebohm/Jassat, § 41 SGB VI, Rn. 4.
161 BT-Drs. 16/3794, S. 34; BeckOK-Sozialrecht/Kreikebohm/Jassat, § 41 SGB VI, Rn. 4.
162 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 14; ErfK/Rolfs, SGB VI Rn. 9a.
163 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 14.

Christ
230 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

verhältnis aus, zu dem er noch nicht durch Leistungen der gesetzlichen Rentenversi-
cherung abgesichert ist.164

2. Regelaltersgrenze
116 Vereinbaren die Vertragsparteien eine Klausel zur Altersgrenze, so endet das Arbeits-
verhältnis automatisch mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer die Regel-
altersgrenze vollendet. Eine solche Klausel ist mit § 41 S. 2 SGB VI vereinbar, weil die
Vorschrift lediglich Altersgrenzen vor Erreichen der Regelaltersgrenze betrifft.
117 Die Vereinbarung einer Altersgrenze stellt eine Befristung des Arbeitsvertrages
dar. Aus diesem Grund sollten die Parteien vorsorglich klarstellen, dass eine ordent-
liche Kündigung trotzdem möglich ist. Gemäß § 15 Abs. 3 TzBfG ist ein befristetes
Arbeitsverhältnis nur dann ordentlich kündbar, wenn dies ausdrücklich im Arbeits-
vertrag oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart wurde.

3. Selbständige Altersgrenze
118 Die Vereinbarung einer Altersgrenze, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses führt, ohne dabei an Rentenansprüche des Arbeitnehmers gebunden zu sein,
ist grundsätzlich unzulässig. Altersgrenzenvereinbarungen sind gerade dadurch
gerechtfertigt, dass mit Erreichen der Regelaltersgrenze der Arbeitnehmer insoweit
wirtschaftlich abgesichert ist, als er ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf gesetzliche
Altersrente hat. Regelungen, die nicht an diese Altersgrenze anknüpfen sind unter
Berücksichtigung des Art. 12 Abs. 1 GG und der arbeitsrechtlichen Befristungskont-
rolle nur ausnahmsweise gerechtfertigt.165 Die von der Rechtsprechung zur Rechtfer-
tigung der Altersbegrenzung herangezogenen Gründe, wie die Personal- und Nach-
wuchsplanung, reichen hier für eine Rechtfertigung nicht aus.
119 Folgende Klausel ist demnach unzulässig:

Beispiel
Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der/die Arbeitnehmer/in das 58. Lebens-
jahr vollendet.

120 Auch eine Abfindungszahlung an den Arbeitnehmer oder die Aufstockung des
Arbeitslosengelds auf den Betrag des letzten Nettogehalts, ändert nichts an der
Unwirksamkeit der Vereinbarung.166 Die Unwirksamkeit der Klausel hat zur Folge,

164 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 15.


165 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 26.
166 Preis/Rolfs, Arbeitsvertrag, II A 20 Rn. 27.

Christ
C. Erwerbsminderung 231

dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande kam, das auch nicht ohne Kündi-
gung mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet.
In wenigen Ausnahmefällen ist eine Regelung einer Altersgrenze ohne Rück- 121
sicht auf die Regelaltersgrenze wirksam. Die Voraussetzung für eine solche Verein-
barung ist, dass die besonderen Anforderungen des Berufs die Beendigung zu einem
früheren Zeitpunkt erforderlich machen, wie dies beispielsweise bei Piloten bejaht
wurde,167 die zusätzlich durch eine besondere Übergangsversorgung wirtschaftlich
abgesichert sind.168

IV. Hinweis zur Vertragsgestaltung/Klauselmuster

Eine Altersgrenze sollte in keinem Arbeitsvertrag fehlen. Dabei ist zu beachten, 122
dass die Vereinbarung aufgrund der Dynamik der Regelaltersgrenze kein konkretes
Lebensalter für die Beendigung des Arbeitsvertrages nennen sollte, sondern besser
auf das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze gemäß § 35 SGB VI abstellen
sollte. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass das Arbeitsverhältnis ordent-
lich kündbar bleibt.
Hiernach ergibt sich folgender Formulierungsvorschlag:

Klauselmuster
Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem
die/der Mitarbeiter/in die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer ent-
sprechenden Versorgungseinrichtung vollendet. Zuvor kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten
ordentlich gekündigt werden.

C. E
 rwerbsminderung

Oftmals wird in Arbeitsverträgen auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses 123


wegen Erwerbsminderung und des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente geregelt.
Eine solche Vereinbarung stellt eine auflösende Bedingung i. S. d. § 21 TzBfG 124
dar. Die Regelung ist laut der Rechtsprechung gerechtfertigt, da sie an eine renten-
rechtliche Versorgung des Arbeitnehmers gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG anknüpft.169 Dieser
Grundsatz hat jedoch erhebliche Einschränkungen erfahren. Die Gewährung einer
Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit darf regelmäßig nur das Ruhen des Arbeitsver-

167 BAG, Urt. v. 12.02.1992 – 7 AZR 100/91; BAG, Urt. v. 21.07.2004 – 7 AZR 589/03; Preis/Rolfs, Arbeits-
vertrag, II A 20 Rn. 28.
168 BVerfG, Urt. v. 25.11.2004 – 1 BvR 2459/04; BAG, Urt. v. 12.02.1992 – 7 AZR 100/91.
169 BAG, Urt. v. 15.03.2006 – 7 AZR 332/05; BAG, Urt. v. 14.10.2003 – 9 AZR 100/03.

Christ
232 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

hältnisses zur Folge haben170 und nur dann als auflösende Bedingung gestaltet sein,
wenn dem Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsanspruch auf einem freien Arbeits-
platz eingeräumt wird.171 Auch im Falle der Gewährung einer dauernden Erwerbsun-
fähigkeitsrente darf das Arbeitsverhältnis nicht enden, wenn der Arbeitnehmer frist-
gerecht Widerspruch gegen den Bescheid des Rentenversicherungsträgers erhoben
hat.172
125 Durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
wurde ab dem 1.1.2001 wurde die Systematik der Berufs- und Erwerbsunfähigkeits-
rente aufgehoben. Es gibt nun nur noch eine einheitliche Erwerbsminderungsrente,
die keinen Berufsschutz mehr vermittelt, sondern alleine darauf abstellt, ob der Ver-
sicherte einer Tätigkeit mindestens sechs oder drei Stunden am Tag nachgehen kann.
126 § 43 SGB VI sieht eine zweistufige Erwerbsminderungsrente vor. Keine
Erwerbsminderungsrente erhält danach, wer noch ein Restleistungsvermögen von
sechs Stunden oder mehr hat. Volle Erwerbsminderungsrente wird dagegen bei einem
Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden
gezahlt. Ein Anspruch auf halbe Erwerbsminderungsrente besteht bei einem Restleis-
tungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden.
127 Eine Klausel, die die Beendigung oder das Ruhen des Arbeitsverhältnisses sogar
bei nur teilweiser Erwerbsminderung vorsieht, begegnet in Anbetracht von § 81 SGB
IX erhöhten Wirksamkeitsbedenken. Zudem besteht die Gefahr, dass eine solche
Klausel von Arbeitsgerichten gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB als unangemes-
sene Benachteiligung der Arbeitnehmer gewertet werden könnte. Gleichwohl kann
die Aufnahme einer entsprechenden Vertragsregelung hilfreich sein, um für später
auftretende Fälle von Erwerbsminderungen zumindest eine argumentative Leitlinie
und in den Fällen von unbefristeten vollen Erwerbsminderungen eine wirksame
Beendigungsklausel zu haben.
128 Es eignet sich folgender Formulierungsvorschlag:

Klauselmuster
Der Arbeitsvertrag endet auch mit Ablauf des Monats, in dem ein Bescheid zugestellt wird, mit dem
der zuständige Sozialversicherungsträger bei dem Arbeitnehmer eine volle Erwerbsminderung fest-
stellt, bei späterem Beginn des entsprechenden Rentenbezugs jedoch erst mit Ablauf des dem Ren-
tenbeginn vorhergehenden Tages, frühestens jedoch zwei Wochen nach Zugang einer schriftlichen
Unterrichtung des Arbeitnehmers durch die Arbeitgeberin über den Eintritt der auflösenden Bedin-
gung. Der Arbeitnehmer hat die Arbeitgeberin von der Zustellung des Rentenbescheids unverzüglich
zu unterrichten. Liegt im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine nach § 92 SGB IX
erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes noch nicht vor, endet das Arbeitsverhältnis mit Ab-
lauf des Tages der Zustellung des Zustimmungsbescheids des Integrationsamtes. Gewährt der So-
zialversicherungsträger nur eine befristete Rente auf Zeit von unter zwei Jahren Dauer, so ruht der

170 BAG, Urt. v. 05.04.2000 – 10 AZR 178/99.


171 BAG, Urt. v. 23.03.2000 – 7 AZR 126/99.
172 BAG, Urt. v. 23.02.2000 – 7 AZR 906/98.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 233

Arbeitsvertrag für den Bewilligungszeitraum dieser Rente, längstens jedoch bis zum Eintritt eines
anderweitigen Beendigungsgrundes.

Eine Klausel, die die Beendigung oder das Ruhen des Arbeitsverhältnisses bei teilwei- 129
ser Erwerbsminderung vorsieht, ist mit § 81 Abs. 5 S. 3 SGB IX nicht vereinbar. Zudem
benachteiligt eine solche Klausel den Beschäftigten gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 N.1
BGB unangemessen. Höchstens im Rahmen einer unbefristeten vollen Erwerbsmin-
derung könnte eine Klausel der Inhaltskontrolle standhalten.
Angesichts der hohen Anforderungen an eine solche Klausel und der Unsicher- 130
heit ihrer Wirksamkeit, wird von einer entsprechenden Vereinbarung abgeraten.

D. D
 ie Kündigung des Arbeitsverhältnisses
(insb. Kündigungsvereinbarungen)

I. E
 inführung

In der Praxis zählen Vereinbarungen in Zusammenhang mit der Kündigung längst 131
zu den gängigen Gestaltungsmechanismen eines Arbeitsvertrages. Im ersten Moment
verwundert dies, ist doch das geltende Kündigungsschutzrecht weitestgehend
zwingender Natur. Dennoch finden sich in der Vertragspraxis häufig Klauseln etwa
zu Kündigungsfristen sowie zur Regelung des außerordentlichen bzw. ordentlichen
Kündigungsrechts, insbesondere zum Ausschluss von Kündigungsrechten oder zur
Erweiterung außerordentlicher Kündigungsgründe, Regelungen für den Fall der Kün-
digung vor Dienstantritt173 und weitere Klauseln zur Regelung spezieller Fragestellun-
gen wie z. B. zur Umdeutung von Kündigungserklärungen oder Gleichbehandlungs-
klauseln.
Aufgrund des zwingenden Charakters des Kündigungsschutzrechts sind entspre- 132
chende vertragliche Vereinbarungen jedoch stets daraufhin zu überprüfen, ob sie
dem gesetzlichen Leitbild entsprechen und den Kündigungsschutz nicht unterlaufen.

II. Vertragliche Umdeutungsklauseln

1. U
 mdeutung einer unwirksamen (fristlosen) außerordentlichen Kündigung in eine
ordentliche Kündigung
Der häufigste Anwendungsfall der Umdeutung nach § 140 BGB ist der Fall, dass eine 133
Vertragspartei eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen hat, die sich in
der Folgezeit als unwirksam erweist. In Betracht kommt dann eine Umdeutung der

173 Siehe dazu Kap. 3 D VI.

Christ
234 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung, vor-


ausgesetzt, dass eine Auslegung der Kündigungserklärung nach §§ 133, 157 BGB kein
anderes Ergebnis ergibt. Führt dagegen die Auslegung des Inhalts der Kündigungs-
erklärung dazu, dass zumindest hilfsweise eine ordentliche Kündigung gewollt war,
selbst wenn dies nicht ausdrücklich erklärt wurde, ist für eine Umdeutung nach § 140
BGB kein Raum. Die Auslegung geht der Umdeutung vor.174
134 In objektiver Hinsicht ist eine Umdeutung nach § 140 BGB im Falle eines nich-
tigen Rechtsgeschäfts – und damit auch im Fall einer unwirksamen außerordentli-
chen Kündigung – möglich. Subjektiv setzt § 140 BGB voraus, dass die Umdeutung
der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung
dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht.175 Beim Ausspruch einer
außerordentlichen Kündigung geht die Rechtsprechung in der Regel davon aus, dass
sich der Kündigenden in jedem Falle von der anderen Vertragspartei trennen und den
Vertrag beenden wollte, mithin die Umdeutung seinem mutmaßlichen Willen ent-
spricht und dies für den Kündigungsempfänger auch erkennbar war.176
135 Ferner dürfen der Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung
in eine ordentliche Kündigung keine Sonderkündigungsschutzrechte177 entge-
genstehen, d. h. die ordentliche Kündigung muss rechtlich möglich sein. Auch alle
weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen der ordentlichen Kündigung, wie z. B. die
Schriftform nach § 623 BGB178, müssen vorliegen.
136 Ein gesonderter Antrag oder eine ausdrückliche Berufung auf eine Umdeutung
ist nach Auffassung des BAG nicht notwendig,179 weswegen vertragliche Umdeu-
tungsklauseln eine nur begrenzte Bedeutung haben. Gehen etwa in einem Kündi-
gungsschutzprozess aus dem Parteivorbringen die Voraussetzungen der Umdeutung
nach § 140 BGB hervor, so hat das Gericht die Umdeutung von Amts wegen vorzu-
nehmen. Hierbei handelt es sich nicht um einen selbständigen richterlichen Gestal-
tungsakt, sondern um eine Subsumtion des von den Parteien vorgetragenen Sachver-
halts unter die Rechtsvorschrift des § 140 BGB.180

174 Ascheid/Preis/Schmied/Biebl, § 13 KSchG Rn 35; BeckOK ArbR/Volkening, § 13 KSchG Rn 15.


175 MüKo BGB/Busche, § 140 Rn 30.
176 BAG, Urt. v. 12.5.2010 – 2 AZR 845/08 (bei einer als „fristlos“ erklärten Kündigung); BAG, Urt.
v. 31.3.1993 – 2 AZR 492/92 (Erklärung des Arbeitgebers, dass er an einer „Fortsetzung des Arbeits-
verhältnisses nicht interessiert“ sei); BAG, Urt. v. 20.3.1980 – 2 AZR 1009,78 – n. v. (wenn sich der
Arbeitnehmer in seiner Klageschrift gegen eine ordentliche Kündigung wehrt); problematisch bei au-
ßerordentlichen Verdachtskündigungen, vgl. BeckOK ArbR/Volkening, § 13 KSchG Rn 16.
177 Zum Sonderkündigungsschutz vgl. Reiserer/Posselt, Kap. 9.
178 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 3; die Schriftform der Kündigung ist aber be-
reits dann gewahrt, wenn schon die außerordentliche Kündigung schriftlich erklärt wurde, da die
ordentliche Kündigung keine neue Kündigung ist, sondern die umgedeutete außerordentliche, vgl.
hierzu BeckOK ArbR/Volkening, § 13 KSchG Rn 17.
179 BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 36/03.
180 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, D Rn 113.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 235

Eine Umdeutung ist dagegen ausgeschlossen, wenn sich der Kündigungserklä- 137
rende in der Kündigungserklärung durch (ggf. missverständliche) Äußerungen aus-
drücklich nur auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bezogen hat
oder – im Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes – der Arbeitgeber im
Vorfeld der Kündigung den Betriebsrat nur zum Ausspruch einer außerordentliche
Kündigung angehört hat (vgl. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG).181
Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Kündigenden in Bezug auf 138
die Umdeutung einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung in eine ordentli-
che Kündigung kann sich – trotz der herrschenden Ansicht, dass eine als „fristlos“
erklärte Kündigung den Beendigungswillen des Kündigenden bereits ausreichend
zum Ausdruck bringt – im Einzelfall dennoch als risikobehaftet gestalten. Dem kann
durch die Aufnahme einer Klausel in den Arbeitsvertrag begegnet werden, die den
mutmaßlichen Willen des Kündigenden ausdrücklich benennt und ihn so für den
Kündigungsempfänger erkenntlich macht. Hierzu eignet sich das folgende Klausel-
muster:

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Eine fristlose Kündigung gilt im Falle ihrer Unwirksamkeit als fristgemäße Kündigung zum nächst
zulässigen Termin.

2. U
 mdeutung einer verspätet zugegangenen Kündigung in eine Kündigung zum
nächst zulässigen Zeitpunkt
Nicht notwendig sind solche Vereinbarungen, die eine dem Arbeitnehmer verspätet 139
zugegangene Kündigung in eine Kündigung zum nächsten zulässigen Termin umdeu-
ten wollen. Denn eine an sich wirksame Kündigung, die dem Arbeitnehmer verspätet
zugeht, beendet das Arbeitsverhältnis ohnehin zum nächst zulässigen Zeitpunkt.182

III. Schriftformerfordernis

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung (oder auch durch Auf- 140
lösungsvertrag) bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. Der Schriftform unterliegt
damit

181 Zur Problematik der fehlenden Anhörung auch zu einer ordentlichen Kündigung vgl. BeckOK
ArbeitsR/Volkening, § 13 KSchG Rn 18; KR/Friedrich, § 13 KSchG Rn 103 ff.; zur entsprechenden Proble-
matik bei der Anhörung des Integrationsamtes vgl. BeckOK ArbR/Volkening, § 13 KSchG Rn 19.
182 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 7; Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 622 BGB
Rn 66 ff.

Christ
236 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

– die Kündigung durch den Arbeitgeber/durch den Arbeitnehmer;


– die Beendigungs- oder Änderungskündigung;
– sowohl die ordentliche als auch die außerordentliche Kündigung.

141 Um der Schriftform zu genügen, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass der
Kündigende die Kündigungserklärung eigenhändig durch Namensunterschrift
oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet, § 623 BGB
i. V. m. § 126 Abs. 1 BGB. § 623 BGB schließt eine Erklärung der Kündigung durch elek-
tronische Form (§ 126a BGB) aus.183

Praxistipp
Der Schriftform genügen daher nicht, z. B. Kündigungen
– durch SMS;184
– durch E-Mail;185
– durch Telefax;186
die nur mit einer eingescannter Unterschrift unterzeichnet sind.187
Das BAG hat hingegen die Übergabe lediglich einer Kopie des ansonsten ordnungsgemäß unter-
zeichneten Kündigungsschreibens als die Schriftform wahrend angesehen, wenn dem Empfänger in
Anwesenheit des Kündigungserklärenden bei der Übergabe der Kopie eine sofortige Einsicht in das
unterschriebene Original möglich gewesen ist.188
Ebenfalls dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB entspricht der Abschluss eines gerichtlichen
Vergleichs.189

142 Das Erfordernis der Schriftform ist nach § 623 BGB eine zwingende Wirksamkeits-
voraussetzung für die Kündigungserklärung. Es kann weder durch Tarifvertrag oder
Betriebsvereinbarung noch durch eine individualvertragliche Regelung abbedungen
werden.190 Entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln sind daher wirkungs- und
nutzlos.

183 Vertiefend zum Schriftformerfordernis Reiserer/Polzer, Kap. 3 Rn 16 ff.


184 LAG Hamm, Urt. v. 17.8.2007 – 10 Sa 512/07 – MMR 2008, 252.
185 Ascheid/Preis/Schmidt/Greiner, § 623 BGB Rn 16.
186 BGH, Urt. v. 28.1.1993 – IX ZR 259/91 (Bürgschaftserklärungen); Ascheid/Preis/Schmidt/Greiner,
§ 623 BGB Rn 16.
187 LAG Köln, Urt. v. 19.6.2001 – 13 Sa 1571/00.
188 BAG, Urt. v. 4.11.2004 – 2 AZR 17/04; anders dagegen noch die Vorinstanz: LAG Hamm, Urt. v.
4.12.2003 – 4 Sa 900/03.
189 Vgl. §§ 126 Abs. 4, 127a BGB sowie BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 6 AZR 394/06.
190 Zur Frage, ob die Vertragsparteien auch strengere Anforderungen an die Form der Kündigung als
in § 623 BGB vorgesehen regeln können: Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 10, der
dies aber im Ergebnis als unzulässig verneint.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 237

IV. Pflicht zur Angabe von Kündigungsgründen

Für die Wirksamkeit einer Kündigung – ob ordentlich oder außerordentlich – ist die 143
Angabe der Kündigungsgründe in der Regel nicht notwendig.191 Sinnvoll kann
eine Vereinbarung, die die kündigende Partei zur Angabe der Kündigungsgründe ver-
pflichtet, aber aus verfahrens- bzw. prozessökonomischen Gesichtspunkten sein.
Bei Kenntnis der genauen Kündigungsründe kann der betroffene Arbeitnehmer seine
Chancen in einem etwaigen Kündigungsschutzverfahren besser einschätzen und auf
diese Weise einen möglicherweise unnötigen Prozess vermeiden. Zum anderen ist der
Arbeitnehmer beim Erhalt einer außerordentlichen Kündigung nicht darauf ange-
wiesen, den Arbeitgeber um die Mitteilung der Gründe, die zu der außerordentlichen
Kündigung geführt haben, zu bitten (§ 626 Abs. 2 Satz 3 BGB).
Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer trotz einer entsprechenden Vereinba- 144
rung die Kündigungsgründe nicht mit, so macht er sich diesem gegenüber scha-
densersatzpflichtig.192 Dagegen führt der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nicht
zwingend auch zu einer Unwirksamkeit der Kündigung, es sei denn, dass auch
dies ausdrücklich zum Gegenstand der Vereinbarung geworden ist.
Sieht die Vereinbarung ausdrücklich vor, dass die Kündigung im Falle eines Ver- 145
stoßes gegen die Mitteilungspflicht über den Kündigungsgrund auch unwirksam sein
soll, ist für den Kündigenden besondere Vorsicht geboten.

Fettnapf
Nach der Rechtsprechung des BAG hat die Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben in
der Weise zu erfolgen, dass im Prozess nicht ernsthaft streitig werden kann, auf welchen Lebenssach-
verhalt die Kündigung gestützt war. Allein die Bezugnahme auf ein inhaltlich nicht näher umschriebe-
nes Gespräch reicht dafür nicht.193

Zur Vereinbarung einer Begründungspflicht bei Ausspruch einer Kündigung emp- 146
fiehlt sich das folgende Klauselmuster. Ein Verstoß führt lediglich zu einer Schadens-
ersatzpflicht des Kündigenden.

191 Reiserer/Christ, Kap. 8 Rn 65; Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 11; Ascheid/


Preis/Schmidt/Preis, D Rn 23; MüHB-ArbR/Wank, § 96 Rn 18, soweit nicht eine Formvorschrift (z. B.
§ 22 Abs. 3 BBiG) die Angabe des Kündigungsrundes vorschreibt.
192 Als Schaden kommen bspw. die Kosten eines mangels Kenntnis der Kündigungsgründe im Ein-
zelnen vergeblich angestrengten Kündigungsschutzverfahrens in Betracht, vgl. Preis/Preis, Kündi-
gungsvereinbarungen, II K 10 Rn 12; MüHB-ArbR/Wank, § 96 Rn 18; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/
Vossen, § 1 KSchG Rn 116.
193 BAG, Urt. v. 10.2.1999 – 2 AZR 176/98 – NZA 1999, 602 (zu einer qualifizierten tariflichen Schrift-
formklausel); BAG, Urt. v. 25.11.1976 – 2 AZR 751/75 – DB 1977, 868 (zu § 22 Abs. 3 BBiG); ArbG Nürnberg,
Urt. v. 22.2.2010 – 8 Ca 2123/09 – AE 2010, 165 (zu § 9 Abs. 3 Satz 2 MuSchG).

Christ
238 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) In der Kündigung sind die Kündigungsgründe anzugeben.

147 Soll ein Verstoß gegen die Pflicht zur Angabe der Kündigungsgründe darüber hinaus
auch die Unwirksamkeit der Kündigung mit sich ziehen, so muss diese weitrei-
chende Rechtsfolge ausdrücklich geregelt werden. In diesem Fall sollte sich der Ver-
tragsgestalter aber über die hohen Anforderungen der Rechtsprechung an den Grad
der Genauigkeit des Begründungserfordernisses im Klaren sein.

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Die Kündigung hat unter der Angabe der Kündigungsgründe zu erfolgen. Fehlt die Angabe der
Kündigungsgründe, so ist die Kündigung unwirksam.

V. Die außerordentliche Kündigung194

148 Nach der gesetzlichen Vorgabe soll eine außerordentliche Kündigung nur dann
rechtlich zulässig sein, wenn diese auf einen wichtigen Kündigungsgrund gestützt
werden kann. Ein wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn nach den Umständen des
Einzelfalles unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des
Arbeitsverhältnisses bis zum vorgesehenen Zeitpunkt bzw. bis zum Ablauf der Kündi-
gungsfrist nicht mehr zumutbar ist. Der Gehalt des materiellen Kündigungsschutz-
rechts ist insoweit zwingend. Es stellt sich daher die berechtigte Frage, inwieweit
die grundsätzliche Unabdingbarkeit des § 626 BGB einem vertraglichen Ausschluss,
einer Einschränkung oder Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechts ent-
gegensteht.

1. Vertraglicher Ausschluss der außerordentlichen Kündigung


149 Das außerordentliche Kündigungsrecht nach § 626 BGB steht den Vertragsparteien
grundsätzlich nicht zur Disposition. Es handelt sich um beidseitig zwingendes Kün-
digungsschutzrecht.195 Die Vertragsparteien sollen im Hinblick auf die Grundrechte
in Art. 12 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht über das Maß des Zumutbaren an den Arbeits-

194 Ausführliche Darstellung der Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung in Reiserer/


Christ, Kap. 8.
195 Ganz h. M. vgl. BAG, Urt. v. 6.11.1956 – 3 AZR 42/55 – AP Nr 14 zu § 626 BGB; BAG, Urt. v. 8.8.1963 –
5 AZR 395/62 – BB 1963, 1298; BAG, Urt. v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73 – NJW 1975, 1531; Preis/Preis, Kün-
digungsvereinbarungen, II K 10 Rn 16; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn 18 m. w. N.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 239

vertrag gebunden sein und die Möglichkeit haben, sich von dem Vertragsverhältnis
zu lösen. Aus diesem Grund ist der vertragliche Ausschluss des außerordentlichen
Kündigungsrechts unzulässig und nach § 134 BGB unwirksam.196
Der Grundsatz der Unabdingbarkeit des außerordentlichen Kündigungsrechts 150
umfasst auch die 2-wöchige Kündigungserklärungsfrist nach § 626 Abs. 2 BGB.
Eine außerordentliche Kündigung kann nach der Vorgabe des § 626 Abs. 2 BGB nur
innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der für sie maßgebenden
Tatsachen ausgesprochen werden. Hintergrund dieser Vorgabe ist, dass der Gekün-
digte so schnell wie möglich Klarheit darüber haben soll, ob der Kündigungsberech-
tigte den Pflichtenverstoß zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung macht.
Die enge Fristenvorgabe soll mithin der Rechtssicherheit dienen und stellt rechtlich
gesehen einen Verwirkungstatbestand dar. Sie kann weder durch Individualvereinba-
rung noch tariflich geändert oder gar ausgeschlossen werden.197

2. Vertragliche Einschränkung der außerordentlichen Kündigungsgründe


Nach dem Grundsatz der Unabdingbarkeit des außerordentlichen Kündigungs- 151
rechts ist nicht nur der komplette Ausschluss des außerordentlichen Kündigungs-
rechts unzulässig, sondern auch dessen Einschränkung oder bloße Erschwerung.198
Eine unzulässige Beschränkung stellt etwa eine Vereinbarung dar, die das 152
Recht zur außerordentlichen Kündigung auf wenige in der Vereinbarung ausdrück-
lich benannte Gründe einschränkt oder bestimmte Gründe als wichtige Kündigungs-
gründe generell ausschließt.199
Als unzulässige Kündigungserschwerungen gelten auch solche Vereinbarun- 153
gen, die eine finanzielle Verpflichtung der einen oder anderen Vertragspartei für den
Fall einer außerordentlichen Kündigung regeln. Darunter fällt bspw. die Verpflich-
tung des Arbeitgebers für den Fall der außerordentlichen Kündigung eines Arbeit-
nehmers dessen Vergütung für die Dauer eines etwaigen Kündigungsschutzprozesses
ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens fortzuzahlen.200 Ebenso unzulässig
ist es den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung trotz Vorliegens eines wich-

196 Vgl. nur BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn 22.


197 BAG, Urt. v. 12.2.1973 – 2 AZR 116/72 – DB 1973, 1258; BAG, Urt. v. 12.4.1978 – 4 AZR 580/76 – BB
1978, 1166; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn 175.
198 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner/Vossen, § 626 BGB Rn 7.
199 LAG Düsseldorf, Urt. v. 22.12.1970 – 8 Sa 250/70 – DB 1971, 150; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB
Rn 22.
200 BAG, Urt. v. 18.12.1961 – 5 AZR 104/61 – BB 1962, 223; kritisch hierzu Preis/Preis, II K 10 Rn 18;
dagegen regelt § 612a BGB ein ausdrückliches Maßregelungsverbot zugunsten des Arbeitnehmers.

Christ
240 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

tigen Grundes an eine Verpflichtung des Kündigenden zur Zahlung einer Vertrags-
strafe oder Abfindung zu knüpfen.201

3. Vertragliche Erweiterung der außerordentlichen Kündigungsgründe


154 Das Recht zur außerordentlichen Kündigung kann durch vertragliche Vereinbarun-
gen nicht – auch nicht scheinbar „zugunsten“ des Arbeitnehmers – erweitert werden
in dem Sinne, dass die Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung herab-
gesenkt werden. Entsprechende Vereinbarungen stellen eine Umgehung der zwin-
genden Mindestkündigungsfristen des § 622 BGB im Rahmen der Vorschriften zur
ordentlichen Kündigung dar.202
155 Eine unzulässige Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechts über
das gesetzliche Maß hinaus liegt beispielsweise vor, wenn die Vertragsparteien
bestimmte Gründe oder Sachverhalte zu wichtigen Gründen i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB
erklären.203

Beispiel
– Nach einer vertraglichen Ergänzung zum Arbeitsvertrag sollte der Entzug der Fahrerlaubnis bzw.
ein Fahrverbot von einem Monat den Arbeitgeber zum Ausspruch einer außerordentlichen Kün-
digung berechtigen. Tatsächlich wurde dem Arbeitnehmer aufgrund einer Trunkenheitsfahrt die
Fahrerlaubnis für die Dauer von drei Monaten entzogen, woraufhin ihm der Arbeitgeber fristlos
kündigte.
– Das LAG Nürnberg204 lehnt die Erweiterung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung unter
Hinweis auf die entgegenstehenden zwingend festgelegten gesetzlichen Kündigungsfristen ab.
Diese dürften durch die bloße Festlegung eines Sachverhalts als wichtigen Grund nicht umgan-
gen werden. Jedoch könne eine solche Vereinbarung die Schwerpunkte einer im Rahmen des
§ 626 Abs. 1 BGB stets vorzunehmenden Interessenabwägung verlagern.

156 Auch, wenn entsprechende das außerordentliche Kündigungsrecht erweiternde Klau-


seln unzulässig sind, so sind sie nicht gänzlich ohne rechtliche Bedeutung. Nach
arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung, so auch des LAG Nürnberg in der obigen Ent-
scheidung205, können entsprechende Kündigungsvereinbarung Einfluss auf eine

201 BAG, Urt. v. 8.8.1963 – 5 AZR 395/62 – DB 1963, 1543; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn 22;
Preis/Preis, II K 10 Rn 19.
202 BAG, Urt. v. 17.4.1956 – 2 AZR 340/55 – AP Nr 8 zu § 626 BGB; bestätigt durch BAG, Urt. v.
22.11.1973 – 2 AZR 580/72 – DB 1974, 878.
203 Beispiele einer unzulässigen Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechts BAG, Urt. v.
22.11.1973 – 2 AZR 580/72 – DB 1974, 878 (Fehlbestände in einer Verkaufsstelle); BAG, Urt v. 15.3.1991 –
2 AZR 516/90 – DB 1992, 896 (außerordentliches Kündigungsrecht bei Wegfall der Förderung durch die
Bundesagentur für Arbeit); weitere Beispiele bei Preis/Preis, II K 10 Rn 20.
204 LAG Nürnberg, Urt. v. 26.4.2001 – 8 Sa 770/00 – BB 2001, 1906.
205 LAG Nürnberg, Urt. v. 26.4.2001 – 8 Sa 770/00 – BB 2001, 1906.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 241

im Rahmen des § 626 BGB vorzunehmende Interessenabwägung haben.206


Durch die vertragliche Regelung geben die Vertragsparteien nämlich ausdrücklich zu
erkennen, welche Punkte oder Lebenssachverhalte ihnen im Zusammenhang mit der
Eigenart des jeweiligen Arbeitsverhältnisses als Gründe für die vorzeitige Beendigung
besonders wichtig erscheinen.207
Diskutiert wird auch die Frage, ob durch Kündigungsvereinbarungen aufgestellte 157
Verhaltensgebote bzw. –verbote dazu führen können, dass das Erfordernis einer
Abmahnung vor einer verhaltensbedingten Kündigung entfällt.208 Sinn und Zweck
einer Abmahnung ist einerseits die Rügefunktion, andererseits die Warnfunkti-
on.209 Will ein Arbeitgeber einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragli-
chen Pflichten nicht dulden, so muss er dieses Verhalten, will er eine konkludente
Änderung des Vertragsinhalts durch regelmäßig hingenommenes vertragswidri-
ges Verhalten verhindern, im Rahmen der Abmahnung rügen. Zudem muss er den
Arbeitnehmer ausdrücklich warnen, ein vergleichbares Verhalten erneut an den Tag
zu legen, da er andernfalls mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen
muss. Die Aufnahme von – gezwungenermaßen allgemein gehaltenen – wichtigen
Gründen in den Arbeitsvertrag erfüllt jedoch nicht die Warnfunktion einer Abmah-
nung und kann insoweit nicht als antizipierte Abmahnung angesehen werden.210

Praxistipp
Aufgrund der Unzulässigkeit einer Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechts können ent-
sprechende Kündigungsvereinbarungen allenfalls im Rahmen einer Interessenabwägung Berücksich-
tigung finden. Dieses Ergebnis kann jedoch auf einfachere Weise dadurch erreicht werden, dass die
Vertragsparteien die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis besonders sorgfältig regeln und festschrei-
ben, welche Punkte als besonders wichtig für das Arbeitsverhältnis anzusehen sind.

VI. Die ordentliche Kündigung

Ähnliche Fragen nach zulässigen Möglichkeiten eines Ausschlusses, einer Beschrän- 158
kung oder Erweiterung stellen sich, wie bereits bei der außerordentlichen Kündigung,
auch im Rahmen des ordentlichen Kündigungsrechts.

206 BAG, Urt. v. 22.11.1973 – 2 AZR 580/72 – DB 1974, 878.


207 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 22 ff.; BeckOK ArbR/Stoffels, § 626 BGB Rn 25.
208 Zur grundsätzlichen Abmahnungspflicht im Rahmen einer verhaltensbedingten Kündigung vgl.
Reiserer/Christ, Kap. 6 Rn 58 ff., 62 ff.
209 BAG, Urt. v. 27.11.2008 – 2 AZR 675/07 – NZA2009, 842.
210 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 23.

Christ
242 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

1. Vertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung


159 Ein vertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung führt zu einer Erweiterung
des Kündigungsschutzes. Denn ist der Ausschluss zulässig, so können sich die Ver-
tragsparteien nur noch im Wege der außerordentlichen Kündigung, deren Vorschrif-
ten unabdingbar sind, von dem Vertragsverhältnis lösen. Denkbar ist ein Ausschluss
des ordentlichen Kündigungsrechts, der gleichermaßen für beide Vertragsparteien
gilt, sowie ein Ausschluss, der nur die Rechte einer Vertragspartei beschränkt.

a) Beidseitiger Ausschluss
160 Ein beidseitiger Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ist aufgrund der
Vertragsautonomie grundsätzlich möglich.211 Die Gestaltungsmöglichkeiten sind
hier vielfältig: der Ausschluss kann für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses
(Klauselmuster 1), für eine begrenzte Zeit ab Vertragsbeginn (Klauselmuster 2), eine
bestimmte Zeitspanne (Klauselmuster 3) oder erst ab einem bestimmten Zeitpunkt
nach Beginn des Vertragsverhältnisses (Klauselmuster 4) vereinbart werden.212

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Klauselmuster 1:
(…) Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird für beide Vertragsparteien
ausgeschlossen.
Klauselmuster 2:
(…) Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird bis zum Ablauf des [Anzahl]
[Monats/Jahres] ab Vertragsbeginn für beide Vertragsparteien ausgeschlossen.
Klauselmuster 3:
(…) Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird für den Zeitraum vom [Da‑
tum] bis [Datum] für beide Vertragsparteien ausgeschlossen.
Klauselmuster 4:
(…) Nach einer Beschäftigungsdauer von [Anzahl] [Monaten/Jahren] können die Vertragsparteien das
Arbeitsverhältnis nur außerordentlich aus wichtigem Grund kündigen. Das Recht zur ordentlichen
Kündigung ist ab diesem Zeitpunkt für beide Vertragsparteien ausgeschlossen.

161 Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts führt nach herrschender Auffas-
sung nicht zu einer unzulässigen und im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB unwirksamen
Knebelung des Arbeitnehmers.213 Handelt es sich um einen Vertrag, der für eine
längere Zeit als fünf Jahre oder sogar auf Lebenszeit abgeschlossen wurde, so räumt
§ 624 BGB dem Arbeitnehmer ein Kündigungsrecht nach dem Ablauf von fünf Jahren
mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ein. Trotz des Ausschlusses des Rechts

211 MüKo, BGB/Hesse, § 622 Rn 112.


212 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 27.
213 Vgl. nur Preis/Preis, II K 10 Rn 28.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 243

zur ordentlichen Kündigung verbleibt dem Arbeitnehmer somit die Möglichkeit, sich
entweder aufgrund eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB oder nach § 624
BGB vom Vertrag lösen. Wie das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 626
BGB ist auch die Kündigungsbefugnis nach § 624 BGB zwingendes Kündigungsschutz-
recht und damit unabdingbar.214

b) Einseitiger Ausschluss
Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts ist grundsätzlich zulässig, wegen 162
der Regelung in § 622 Abs. 6 BGB aber nur zugunsten des Arbeitnehmers.215

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Das Recht zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer
wird [ggf. für den Zeitraum vom (Datum) bis (Datum)] ausgeschlossen.

2. Vereinbarung eines besonderen Kündigungsschutzes


Die Vorschriften des Kündigungsschutzrechts stellen zwingende Mindestschutz- 163
bedingungen zugunsten des Arbeitnehmers dar. Die Vereinbarung eines für den
Arbeitnehmer günstigeren Schutzes als nach den gesetzlichen Vorschriften ist daher
grundsätzlich erlaubt. In Betracht kommt die Vereinbarung eines besonderen Kün-
digungsschutzes etwa für den Fall, dass das Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
wegen den Regelungen in §§ 1, 23 KSchG nicht zur Anwendung kommt, es sich bei
dem Betrieb des Arbeitgebers also um einen Kleinbetrieb handelt oder das Beschäf-
tigungsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen noch nicht ohne Unter-
brechung länger als sechs Monate besteht.216 Aufgrund der weitreichenden Wirkung
und des im ersten Moment ungewöhnlichen Charakters einer solchen Regelung sollte
der Erklärungswille der Vertragsparteien klar und eindeutig aus der Vereinbarung
hervorgehen.

214 MüKo BGB/Henssler, § 624 Rn 11.


215 Zur Problematik der Umgehung der Grundsätze der Sozialauswahl bei einem einseitigen Kün-
digungsausschlusses im zeitlichen Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen vgl. Preis/
Preis, II K 10 Rn 31.
216 ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rn 12; Preis/Preis, II K 10 Rn 32 f.

Christ
244 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) a) Auf das Arbeitsverhältnis findet [mit Vertragsbeginn/mit Beschäftigungsbeginn/nach Ablauf
von (Anzahl) (Wochen/Monaten) nach Vertragsbeginn/Beschäftigungsbeginn] das Kündigungs-
schutzgesetz Anwendung.
b) Für den Fall, dass der Betrieb nicht mehr unter den Geltungsbereich des § 23 KSchG fallen sollte,
vereinbaren die Vertragsparteien, dass die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auf das Ar-
beitsverhältnis anzuwenden sind.

VII. Vertragliche Regelung der Kündigungsfristen

1. Überblick über die gesetzlichen Regelungen


164 Nach § 622 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen
zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Diese Grundkün-
digungsfrist gilt sowohl für die Kündigung des Arbeitnehmers als auch für die Kün-
digung des Arbeitgebers und ist grundsätzlich nicht abdingbar.217 Sie stellt ein Min-
destmaß dar und darf daher in der Regel nicht unterschritten werden. Ausnahmen
sind lediglich in den gesetzlich normierten Fällen möglich:
– Bei vereinbarter Probezeit (§ 622 Abs. 3 BGB);218
– Bei einzelvertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag (§ 622 Abs. 4 Satz 2
BGB);219
– Durch einzelvertragliche Verkürzungsvereinbarung in den folgenden Fällen:
– Vorübergehende (d. h. bis zu dreimonatige) Aushilfstätigkeit des Arbeitnehmers
(§ 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB);
– Bei Arbeitgebern, die in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen
(§ 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB).

165 § 622 Abs. 2 BGB regelt die verlängerten Kündigungsfristen, die sich an der zuneh-
menden Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers, d. h. dem rechtlichen Bestand
seines Arbeitsverhältnisses, orientieren. Dabei werden vorangehende Ausbildungs-
zeiten berücksichtigt.220 Da es für die Beschäftigungsdauer allein auf den rechtlichen
Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, haben tatsächliche Unterbrechungen
des Arbeitsverhältnisses (z. B. während der Elternzeit) hierauf keinen Einfluss.221 Die
verlängerten Kündigungsfristen gelten in der Regel nur für die Kündigung durch den

217 Preis/Preis, II K 10 Rn 49.


218 Reiserer/Heinz, Kap. 4 Rn 8 und 12.
219 Zu Bezugnahmeklauseln vgl. Kap. 10; Reiserer/Heinz, Kap. 4 Rn 18.
220 BAG, Urt. v. 2.12.1999 – 2 AZR 139/99 – AP § 622 BGB Nr. 57.
221 Grobys/Panzer/Powietzka, Kap. 104 Rn 5.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 245

Arbeitgeber, bei der Kündigung durch den Arbeitnehmer bleibt es, vorbehaltlich einer
anderweitigen vertraglichen Regelung, bei der Grundkündigungsfrist.

Checkliste
Staffelung der verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB:

Bestand des Arbeitsverhältnisses Kündigungsfrist


mindestens …

2 Jahre 1 Monat zum Ende eines Kalendermonats


5 Jahre 2 Monate zum Ende eines Kalendermonats
8 Jahre 3 Monate zum Ende eines Kalendermonats
10 Jahre 4 Monate zum Ende eines Kalendermonats
12 Jahre 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats
15 Jahre 6 Monate zum Ende eines Kalendermonats
20 Jahre 7 Monate zum Ende eines Kalendermonats

2. Kündigungsfristen bei Aushilfen


Gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB können die Vertragsparteien einzelvertraglich eine 166
kürzere als die in § 622 Abs. 1 BGB genannte Kündigungsfrist vereinbaren, wenn ein
Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist. Als Aushilfsverhältnis
wird ein Arbeitsverhältnis bezeichnet, dass nicht auf Dauer angelegt ist und einen
vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften decken soll, der nicht durch den norma-
len Betriebsablauf, sondern durch den Ausfall von Stammkräften oder durch einen
zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall begründet ist.222 Eine dahingehende
Verkürzungsvereinbarung ist aber ausnahmsweise dann nicht zulässig, wenn die
Aushilfstätigkeit des Arbeitnehmers über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt
wird. Bis zur Dauer von drei Monaten kann aber eine kürzere Kündigungsfrist
vereinbart werden, auch wenn von Beginn an feststeht, dass das Aushilfsverhältnis
sich über einen längeren Zeitraum als drei Monate erstrecken wird.223
Die Vorschrift sieht keine Mindestkündigungsfrist vor, so dass sogar ein frist- 167
loses ordentliches (entfristetes) Kündigungsrecht wirksam vereinbart werden
kann.224 Ebenfalls zulässig ist eine vertragliche Abweichung von den in § 622 Abs. 1
BGB genannten Kündigungsterminen („zum Fünfzehnten oder zum Ende eines
Kalendermonats“).225 Dagegen ist es wegen der Regelung in § 622 Abs. 6 BGB nicht

222 BAG, Urt. v. 22.5.1986 – 2 AZR 392/85 – NZA 1987, 60.


223 ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn 16; MüKo BGB/Hesse, § 622 Rn 76.
224 BAG, Urt. v. 22.5.1986 – 2 AZR 392/85 – NZA 1987, 60; MüKo BGB/Hesse, § 622 Rn 74.
225 BAG, Urt. v. 22.5.1986 – 2 AZR 392/85 – NZA 1987, 60; ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn 17; MüKo
BGB/Hesse, § 622 Rn 74.

Christ
246 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

möglich, für den Arbeitnehmer eine insgesamt längere Kündigungsfrist vorzusehen


als für den Arbeitgeber.
168 Zur Verkürzung der Kündigungsfrist während einer vorübergehenden Aushilfstä-
tigkeit bietet sich das folgende Klauselmuster an:

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Mit Kündigungsfrist:
(…) Das Aushilfsarbeitsverhältnis kann von beiden Vertragsparteien mit einer Frist von [Anzahl] [Ta‑
gen/Wochen] gekündigt werden. Wird das Arbeitsverhältnis über die Dauer von drei Monaten fortge-
setzt, so richtet sich die Kündigungsfrist nach den gesetzlichen Vorschriften.
Ohne Kündigungsfrist (entfristete ordentliche Kündigung):
(…) Das Aushilfsarbeitsverhältnis kann in den ersten drei Monaten der Beschäftigung ohne Einhal-
tung einer Kündigungsfrist jederzeit ordentlich gekündigt werden.

3. Kündigungsfristen in Kleinbetrieben
169 Arbeitgeber, die in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, können
gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB einzelvertraglich eine kürzere als die in § 622 Abs. 1
BGB genannte Kündigungsfrist vereinbaren, wenn die Kündigungsfrist insgesamt vier
Wochen nicht unterschreitet. Kleinunternehmern wird damit die Möglichkeit einge-
räumt, von den in § 622 Abs. 1 BGB festgelegten Kündigungsterminen abzuweichen.
170 Hierfür kann folgendes Klauselmuster empfohlen werden:

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Die Grundkündigungsfrist beträgt vier Wochen.

4. Einzelvertragliche Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen


a) Grundlagen
171 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können nach § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB längere Kün-
digungsfristen als die gesetzliche Grundkündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB oder
die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB vereinbaren. In der Praxis
üblich sind verlängerte Kündigungsfristen vor allem bei Arbeitsverträgen mit lei-
tenden Angestellten. Die Vorschrift erfasst neben der Befugnis der Vertragsparteien
längere Fristen als gesetzlich vorgegeben zu vereinbaren, auch die Befugnis von den
gesetzlichen Kündigungsterminen abzuweichen.226 Enthält die vertragliche Verein-
barung lediglich eine Regelung über die Verlängerung von Kündigungsfristen ohne
eine Aussage zu den mit ihnen verbundenen Kündigungsterminen zu knüpfen, so ist

226 Vgl. nur MüKo BGB/Hesse, § 622 Rn 85.

Christ
D. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (insb. Kündigungsvereinbarungen) 247

eine solche Vereinbarung in der Weise auszulegen, dass sich die vereinbarten Kündi-
gungsfristen an den gesetzlich festgelegten Kündigungsterminen orientieren, sofern
aus der Vereinbarung nicht ein anderweitiger Wille der Vertragsparteien erkennbar
ist. Prinzipiell ist es zulässig, dass der Arbeitgeber eine entsprechende Verlängerung
der Kündigungsfristen in von ihm gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen
regelt.227
Bei der Gestaltung einer entsprechenden Vereinbarung ist darauf zu achten, dass 172
nach § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeit-
nehmer keine längeren Fristen vereinbart werden dürfen als für die Kündigung
durch den Arbeitgeber. Aus diesem Grund sollte aus der Vereinbarung stets klar
hervorgehen, ob die verlängerten Kündigungsfrist für beide Vertragsparteien gelten
soll oder nur für eine arbeitgeberseitige Kündigung.228 Eine weitere Grenze bei der
Gestaltung einer einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen ergibt sich
aus § 624 BGB, wonach der Arbeitnehmer an den Arbeitsvertrag höchstens für die
Dauer von fünfeinhalb Jahren gebunden werden darf. Vereinbaren die Parteien
dennoch eine längere Kündigungsfrist als die gesetzlich vorgegebene, so ist die Ver-
einbarung unwirksam mit der Folge, dass auf die gesetzlichen Kündigungsfristen
nach § 622 Abs. 1 und 2 BGB zurückzugreifen ist.229
Für eine einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen eignet sich fol- 173
gendes Klauselmuster:

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Das Arbeitsverhältnis kann mit einer Frist von [Anzahl] [Monaten/Jahren] zum [Vierteljahresende/
Halbjahresende/Jahresende] gekündigt werden.

b) Berechnung der Beschäftigungszeiten


Die Berechnung der verlängerten Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB richtet sich 174
nach der Dauer des Bestands des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder
Unternehmen. Ein zwischenzeitlicher Betriebsinhaberwechsel (§ 613a Abs. 1 Satz 1
BGB) ist dagegen unerheblich, wenn trotz Wechsels des Arbeitgebers die Identität des
Betriebs gewahrt wird.230 Um Unsicherheiten hinsichtlich früherer Beschäftigungs-
zeiten zu vermeiden, ist es ratsam, eine Klausel in den Arbeitsvertrag aufzunehmen,

227 BAG, Urt. v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07; BAG; Urt. v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – NZA 2009, 370.
228 Preis/Preis, II K 10 Rn 59.
229 Preis/Preis, II K 10 Rn 61.
230 BeckOK BGB/Fuchs, § 622 Rn 9; Preis/Preis, II K 10 Rn 64.

Christ
248 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

wonach entsprechende Zeiten bei der Berechnung des Bestands des Arbeitsverhält-
nisses berücksichtigt werden sollen:231

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber/zur
X-GmbH werden auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet.

175 Ebenso ohne Einfluss auf die Berechnung der Beschäftigungsdauer sind Zeiten, in
denen der Arbeitnehmer wegen Krankheit, Urlaub, Arbeitskampf oder Annahmever-
zug tatsächlich nicht beschäftigt war. Auch diese Zeiten zählen bei der Berechnung
der Beschäftigungsdauer dazu.232
176 Gemäß § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sollen bei der Berechnung der verlängerten Kündi-
gungsfrist Beschäftigungszeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des
Arbeitnehmers liegen, keine Berücksichtigung finden. Diese Vorschrift verstößt nach
Auffassung des EuGH gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und damit gegen
geltendes europäisches Recht.233 Sie ist deshalb nicht anzuwenden.234

5. Gleichbehandlungsklauseln
177 Die verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB gelten nach dem Wortlaut
der Vorschrift nur für eine Kündigung durch den Arbeitgeber. Kündigt nach einer
längeren Beschäftigungsdauer dagegen der Arbeitnehmer, so gilt für ihn die Grund-
kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines
Kalendermonats.
178 Im Einzelfall kann der Arbeitgeber durchaus ein berechtigtes Interesse235 haben,
seine Kündigungsfrist an die des Arbeitnehmers anzugleichen. Dies ist zulässig und
wirksam, solange für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitneh-
mer keine längere Frist vereinbart wird als für die Kündigung durch den Arbeitgeber
(§ 622 Abs. 6 BGB).236
179 Für die sog. Gleichstellungsabrede empfiehlt sich das folgende Klauselmuster:237

231 Klauselmuster nach Preis/Preis, II K 10 Rn 64.


232 Preis/Preis, II K 10 Rn 64.
233 EuGH, Urt. v. 19.1.2010 – Rs. C-555/077 – NZA 2010, 85.
234 Vgl. auch Reiserer/Heinz, Kap. 4 Rn 7.
235 Z. B. ausreichende Zeit für die Rekrutierung und Einstellung eines neuen Arbeitnehmers.
236 BAG, Urt. v. 29.8.2001 – 4 AZR 337/00; ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn 40.
237 Nach der Rechtsprechung des BAG wahrt eine Klausel, mit der auf gesetzliche Regeln verwiesen
wird, im Rahmen einer AGB-Kontrolle das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, BAG, Urt. v.
28.5.2009 – 8 AZR 896/07 – NZA 2009, 1337.

Christ
E. Probezeit 249

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
(…) Das Arbeitsverhältnis kann von beiden Vertragsparteien ordentlich unter Einhaltung der für den
Arbeitgeber nach § 622 BGB gesetzlich geltenden Kündigungsfristen gekündigt werden.

E. P
 robezeit

I. G
 rundlagen

Während der ersten sechs Monate eines Beschäftigungsverhältnisses findet das 180
KSchG – unabhängig davon, ob die Parteien eine Probezeit vereinbart haben, – keine
Anwendung, § 1 Abs. 1 KSchG. Erst nach einem Bestand des Arbeitsverhältnisses in
demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung über länger als sechs
Monate ist die sog. Wartezeit erfüllt und das Kündigungsschutzgesetz anwendbar.
Von der Wartezeit zu unterscheiden ist hingegen die sog. Probezeit, deren Verein-
barung für die Dauer vom maximal sechs Monaten zulässig ist und die in erster Linie
dem Zweck dient, die kurze Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB zu vereinbaren.

II. Kündigungsfristen in der Probezeit

Gemäß § 622 Abs. 3 BGB kann das Arbeitsverhältnis während einer vereinbarten Pro- 181
bezeit mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Die Vereinbarung der Pro-
bezeit ist längstens für die Dauer von sechs Monaten zulässig. Nach einer Beschäfti-
gungsdauer von sechs Monaten gilt die vierwöchige Grundkündigungsfrist des § 622
Abs. 1 BGB. Während der Probezeit kann die Kündigungsfrist durch einzelvertragliche
Vereinbarung verlängert werden. Dagegen ist eine individualvertraglich geregelte
Verkürzung der Kündigungsfrist auf weniger als zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB
i. V. m. § 622 Abs. 5 BGB unwirksam.238 Anstelle einer unwirksamen Verkürzungsver-
einbarung tritt dann die gesetzliche Regelung, wonach während der Probezeit eine
Kündigungsfrist von zwei Wochen gilt (§ 622 Abs. 3 BGB).
Folgendes Klauselmuster239 kann zur Vereinbarung einer Probezeit empfohlen 182
werden:

238 ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rn 15.


239 Klauselmuster nach Liebers/Reiserer, B I 1 Rn 4.

Christ
250 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Klauselmuster
Probezeit
(1) Die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit. Innerhalb der Probezeit
kann das Arbeitsverhältnis von beiden Parteien mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.
(2) Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) bleibt unberührt.

F. K
 ündigung vor Dienstantritt

183 Der Ausspruch einer ordentlichen wie auch außerordentlichen Kündigung ist nach
Vertragsschluss grundsätzlich jederzeit möglich – und damit auch bereits vor
Dienstantritt.240 Dies gilt allerdings nur, sofern die Parteien die Kündigungsmög-
lichkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben oder sich der Ausschluss einer
solchen Kündigung aus den Umständen ergibt.241 Für die ordentliche Kündigung ist
das Vorliegen von Kündigungsgründen in der Regel nicht notwendig. Denn das Kün-
digungsschutzgesetz ist mangels erfüllter Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG (Beste-
hen des Arbeitsverhältnisses ohne Unterbrechung für länger als sechs Monate) noch
nicht anwendbar.

I. Vertraglicher Ausschluss der ordentlichen Kündigung

184 Üblich sind vertragliche Regelungen am Anfang des Vertragstextes, wonach die
ordentliche Kündigung vor Beginn der Beschäftigung ausdrücklich ausgeschlos-
sen ist. Nicht möglich ist hingegen der alleinige Ausschluss der Kündigung durch
den Arbeitnehmer (einseitiger Kündigungsausschluss). Bei der Aufnahme einer Kün-
digungsausschlussklausel in den Arbeitsvertrag ist der Grundsatz nach § 622 Abs. 6
BGB zu beachten, wonach neben dem ausdrücklichen Benachteiligungsverbot des
Arbeitnehmers hinsichtlich der Länge der Kündigungsfristen, auch nicht die Kündi-
gungsbedingungen zulasten des Arbeitnehmers verschärft werden dürfen.242
185 Bei Bedarf können die Vertragsparteien den Kündigungsausschluss mit der Fest-
legung einer Vertragsstrafe verbinden, die der Arbeitnehmer leisten muss, wenn er
das Arbeitsverhältnis rechtswidrig und schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig auf-
nimmt.243

240 BAG, Urt. v. 9.5.1985 – 2 AZR 372/84.


241 BAG, Urt. v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03 – NZA 2004, 1089; BAG, Urt. v. 9.2.2006 – 6 AZR 283/05.
242 Preis/Preis, II K 10 Rn 43.
243 Zur Vereinbarung einer Vertragsstrafe vgl. Kap. 3 A II.

Christ
F. Kündigung vor Dienstantritt 251

Der Ausschluss der außerordentlichen Kündigung ist dagegen aufgrund der 186
Unabdingbarkeit des § 626 BGB nicht zulässig.244

Klauselmuster
Kündigung vor Dienstantritt
Eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausge-
schlossen.

II. R
 egelungen zur Kündigungsfrist

Haben die Vertragsparteien keinen ausdrücklichen Ausschluss des ordentlichen Kün- 187
digungsrechts vereinbart und ergibt sich ein entsprechender Ausschluss auch nicht
aus den Umständen des Einzelfalles, kann das Arbeitsverhältnis grundsätzlich auch
vor Dienstantritt gekündigt werden. In diesem Fall stellt sich jedoch regelmäßig die
Frage, wann die Kündigungsfrist zu laufen beginnt – bereits mit Zugang der Kün-
digungserklärung oder erst an dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer die Arbeit
vertragsgemäß aufgenommen hat.
In erster Linie kommt es für die Bestimmung, wann bei einer vor Dienstantritt 188
erklärten Kündigung die Kündigungsfrist in Gang gesetzt wird, auf die einzelvertrag-
lichen Vereinbarungen an.245
Haben die Parteien für den Fall einer vor Vertragsbeginn ausgesprochenen 189
ordentlichen Kündigung keine Vereinbarung über den Beginn der Kündigungsfrist
getroffen, so liegt eine Vertragslücke vor, die im Wege der ergänzenden Vertragsausle-
gung zu schließen ist. Für die Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens und die
hierfür maßgebende Würdigung der beiderseitigen Interessen ist grundsätzlich auf
die konkreten Umstände des Falles abzustellen.246 Als Anhaltspunkte dafür, ob die
Parteien eine auf die Dauer der vereinbarten Kündigungsfrist beschränkte Realisie-
rung des Vertrages gewollt haben oder nicht, kann auf die einzelvertraglichen Ver-
einbarungen, z B. zur Länge der Kündigungsfrist und den Zweck der vorgesehenen
Beschäftigung (bspw. Vereinbarung einer Probezeit) zurückgegriffen werden. Verein-
baren die Parteien etwa eine kürzere als die gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist
oder soll das Arbeitsverhältnis zunächst der Erprobung dienen, so spricht dies gegen
die mutmaßliche Vereinbarung einer Realisierung des Arbeitsverhältnisses für diesen
Zeitraum und für einen Beginn des Laufs der Kündigungsfrist bereits mit Zugang der
Kündigung. Kann der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien weder durch Vertrags-
auslegung noch durch ergänzende Vertragsauslegung eindeutig ermittelt werden,

244 Vgl. auch ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn 70.


245 Preis/Preis, Kündigungsvereinbarungen, II K 10 Rn 45; ErfK/Müller-Glöge, § 620 BGB Rn 71.
246 BAG, Urt. v. 9.5.1982 – 2 AZR 372/84.

Christ
252 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

soll nach der Rechtsprechung des BAG die Kündigungsfrist bei einer vor Dienstantritt
ausgesprochenen ordentlichen Kündigung im Zweifel bereits mit dem Zugang der
Kündigung beginnen.247
190 Eine vertragliche Regelung führt hier zur Rechtsklarheit und vermeidet eine
unsichere Einzelfallbeurteilung. Abhängig von dem Willen der Parteien, ob sie ein
Interesse an einer zumindest vorübergehenden Realisierung des Arbeitsverhältnisses
haben (Klauselmuster 1) oder nicht (Klauselmuster 2), empfiehlt sich jeweils das fol-
gende Klauselmuster:

Klauselmuster
Beendigung des Arbeitsvertrages
Klauselmuster 1:
(…) Bei einer ordentlichen Kündigung vor Diensteintritt beginnt der Lauf der Kündigungsfrist mit dem
Tag, der dem Tag der vertraglich vereinbarten Arbeitsaufnahme entspricht.
Klauselmuster 2:
(…) Bei einer ordentlichen Kündigung vor Diensteintritt beginnt der Lauf der Kündigungsfrist mit Zu-
gang der Kündigung.

G. F reistellungsvorbehalt

191 Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer zur Erbrin-
gung seiner vertragsgemäßen Arbeit verpflichtet, sofern diese Pflicht nicht auf-
grund Arbeitsunfähigkeit oder Urlaubs des Arbeitnehmers bzw. Ruhens des Arbeits-
verhältnisses (z. B. während einer Elternzeit) ausnahmsweise entfällt. Daneben steht
dem Arbeitnehmer aber auch ein von der Rechtsprechung anerkannter Beschäfti-
gungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber zu, der in den §§ 611, 613 BGB i. V. m. § 242
BGB, Art. 1 und 2 GG verankert ist. Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von seiner
grundsätzlich bestehenden Arbeitspflicht einseitig frei, berührt dies somit auch den
Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers.
192 In der Rechtsprechung und Literatur sind die Einzelheiten, ob und inwieweit
eine einseitige Freistellung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber in einem unge-
kündigten bzw. gekündigten Arbeitsverhältnis zulässig ist, umstritten. Dennoch
finden sich in Arbeitsverträgen nicht selten vorformulierte Freistellungsklauseln, die
dem Arbeitgeber ein Recht zur einseitigen jederzeit möglichen Freistellung des Arbeit-
nehmers bzw. zu einer Freistellung ab dem, Zeitpunkt einer etwaigen Kündigung bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist oder sogar bis zum rechtskräftigen Abschluss eines

247 BAG, Urt. v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03 – NZA 2004, 1089; BAG, Urt. v. 9.2.2006 – 6 AZR 283/05 –
NZA 2006, 1207.

Christ
G. Freistellungsvorbehalt 253

sich an die Kündigung anschließenden Kündigungsschutzverfahrens unter Fortzah-


lung der Bezüge einräumen.

I. Freistellungsklauseln bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis

Der Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung stellt zugleich 193
eine Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis dar.248 Er
kann sowohl als gesetzliches Leitbild i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB oder als eine der
Kardinalpflichten nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB Berücksichtigung finden. Daraus folgt
aber, dass ein genereller formularmäßiger Vorausverzicht des Arbeitnehmers auf
seinen Beschäftigungsanspruch ihn i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen
benachteiligen würde und daher unwirksam wäre.
Die Möglichkeit zur Freistellung kann für den Arbeitgeber indes durch das Vor- 194
liegen sachlicher, ggf. sogar wichtiger Gründe, eröffnet sein. Hierfür reicht nicht
jede sachliche Rechtfertigung aus, vielmehr muss der sachliche Grund von einigem
Gewicht sein, um als schutzwertes Interesse des Arbeitgebers den Beschäftigungs-
anspruch des Arbeitnehmers überwiegen zu können.249 Schützenswerte Arbeitgeber-
interessen in diesem Sinne können etwa sein:
– Wegfall der Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragsparteien;
– Fehlende Einsatzmöglichkeit, z. B. aufgrund eines Auftragsmangels oder bei
Betriebsstillegung;
– Eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber, wenn er den
Arbeitnehmer einsetzt; (d. h., wenn der Einsatz des Arbeitnehmers neben den
Lohnkosten, weitere Kosten für den Arbeitgeber verursacht, ohne dass er hier-
durch einen wirtschaftlichen Nutzen erlangt.)
– Vorliegen einer ansteckenden Krankheit des Arbeitnehmers;
– Verdacht einer strafbaren Handlung;
– Gefahr oder Verdacht des Geheimnisverrats;
– Wichtige Gründe i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB. 250

Um dem Gebot transparenter Vertragsgestaltung als auch den durch das BAG auf- 195
gestellten Richtlinien gerecht zu werden, müssen die Voraussetzungen unter denen
eine einseitige Freistellung erfolgen darf, so konkret wie möglich, etwa in Form einer
Aufzählung der einzelnen Freistellungsgründe, gefasst werden.251 Eine Formulierung,

248 Preis/Preis, II F 10 Rn 9.
249 BAG, Beschl. v. 27.2.1985 – GS 1/84.
250 Preis/Preis, II F 10 Rn 11.
251 Preis/Preis, II F 10 Rn 12.

Christ
254 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

wonach der Arbeitgeber bei Vorliegen „besonderer Gründe“ zur Freistellung des
Arbeitnehmers berechtigt sein soll, reicht wegen ihrer Unbestimmtheit nicht aus.252
196 Will sich der Arbeitgeber ein Recht zur Freistellung seines Mitarbeiters unabhän-
gig von einem Kündigungsausspruch einräumen, empfiehlt sich hierfür folgendes
Klauselmuster:

Klauselmuster
Freistellungsrecht bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis
Liegt ein sachlicher Grund, insbesondere ein grober Vertragsverstoß des Arbeitnehmers vor, der die
Vertrauensgrundlage beeinträchtigt, ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzah-
lung der Bezüge vorübergehend von seiner Arbeitspflicht freizustellen. Als grober Vertragsverstoß,
der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt, gilt z. B. Geheimnisverrat oder ein Verstoß gegen das
Wettbewerbsverbot (Konkurrenztätigkeit).

II. Freistellungsklauseln bei einem gekündigten Arbeitsverhältnis

197 Im Vergleich zu einem ungekündigten Arbeitsverhältnis liegt in einem Arbeitsverhält-


nis, in dem bereits eine Kündigung ausgesprochen wurde, eine veränderte Interes-
senlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Nach der Rechtsprechung des
Großen Senats begründet – außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kün-
digung – die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein
schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten
Arbeitnehmers für die Dauer des Prozesses. Das Freistellungsinteresse des Arbeitge-
bers überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu
dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsschutzprozess ein die Unwirksamkeit feststel-
lendes Urteil ergeht, der Arbeitnehmer also die erste Instanz gewonnen hat.253
198 Bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung oder, wenn der Arbeitneh-
mer den Kündigungsschutzprozess in der ersten Instanz gewonnen hat, überwiegt
der Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Freilich kann der Arbeitneh-
mer auch in diesen Fällen auf sein Beschäftigungsrecht verzichten – dies jedoch erst
nach der Kündigung. Ein formularmäßiger Vorausverzicht hat daher nur begrenzte
Wirkung.254
199 Umstritten ist, ob die Arbeitsvertragsparteien im Anstellungsvertrag eine Freistel-
lungsbefugnis für den Zeitraum nach Ausspruch der Kündigung bis zum Ablauf der
Kündigungsfrist vereinbaren können, ohne die Einschränkung, dass eine Freistellung
nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers erfolgen kann.

252 Preis/Preis, II F 10 Rn 14.


253 BAG, Beschl. v. 27.2.1985 – GS 1/84.
254 Preis/Preis, II F 10 Rn 20.

Christ
G. Freistellungsvorbehalt 255

Eine wirksame Freistellung des Arbeitnehmers von seiner Pflicht zur Leistungser- 200
bringung führt regelmäßig nicht zum Wegfall der Entgeltzahlungspflicht des Arbeit-
gebers. Dieser gerät nach § 615 BGB in Annahmeverzug und verzichtet durch die
Freistellung auf das Angebot der Arbeitsleistung. Wird die Freistellung vertraglich
vereinbart, schließt dies einen Annahmeverzug und somit die Anwendbarkeit des
§ 615 BGB aus. Folglich kann auch die Anrechnung anderweitiger Verdienste nach
Abs. 2 nicht erfolgen. Damit diese auf die Vergütung angerechnet werden, bedarf es
einer eigenen vertraglichen Vereinbarung.255 Bei der Fixierung dieser ist es ratsam
sich ausschließlich auf den tatsächlich erzielten Verdienst nach § 615 Abs. 2 BGB
zu beschränken. Werden auch die böswillig unterlassenen Verdienste miteinbezogen,
könnte der Arbeitgeber dem Freigestellten eine Tätigkeit anbieten, die der Arbeitneh-
mer nur durch solch böswilliges Unterlassen ablehnen könnte. Dies ist dem Zweck
der Freistellung vollkommen entgegenlaufend.
Neben der Vereinbarung der Anrechnung anderweitiger Verdienste empfiehlt es 201
sich auch die Freistellung auf bestehenden Resturlaub anzurechnen. Dieser muss
ohnehin gewährt werden, und sollte vom Arbeitnehmer der Rechtsprechung des
BAG nach auch innerhalb der Kündigungsfrist genommen werden. Andernfalls ist
ein Urlaubsabgeltungsverlangen des Arbeitnehmers unter Umständen rechtsmiss-
bräuchlich. 256 Eine Anrechnungsklausel kann insofern auch unproblematisch in
Formularverträgen verwendet werden.257 Wurde eine Urlaubsanrechnung nicht ver-
einbart, besteht die Gefahr einer möglichen Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG.
Eine Anrechnung auf den Urlaub kann im Einzelfall ausgeschlossen sein. Betroffen
sind Fälle in denen der Arbeitnehmer zur Ablehnung des Urlaubs berechtigt ist,
etwa im Falle seiner Erkrankung (§ 9 BUrlG), oder wenn bereits eine feste anderwei-
tige Urlaubsplanung besteht. Zuletzt kann eine bloß widerrufliche Freistellung nicht
zu einer Anrechnung auf Resturlaub führen, hat der Arbeitnehmer doch damit zu
rechnen, dass seine Arbeitskraft jederzeit abgerufen werden kann.258 Eine freie und
unbeschwerte Urlaubsplanung ist somit nicht möglich. Daher sollte eine Freistel-
lung jedenfalls unwiderruflich erfolgen. Ohnehin ist es aufgrund der Möglichkeit
einer Ablehnung des Urlaubs aus hinreichenden persönlichen Umständen des Arbeit-
nehmers ratsam die Gewährung des Resturlaubs einvernehmlich individuell zu
vereinbaren.
In der unwiderruflichen Freistellung ist laut BAG eine Befreiung von eventuell 202
während dem Arbeitsverhältnis bestehenden Wettbewerbsverboten zu sehen.259 Soll

255 BAG, Urt. v. 19.03.2002 – 9 AZR 16/01.


256 BAG, Urt. v. 16.11.1968 – 5 AZR 90/68.
257 LAG Köln, Urt. v. 20.02.2006 – 14 (10) Sa 1349/05.
258 BAG, Urt. v. 14.03.2006 – 9 AZR 11/05.
259 BAG, Urt. v. 06.09.2006 – 5 AZR 703/05.

Christ
256 Kapitel 6 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

ein etwaiges Wettbewerbsverbot also aufrechterhalten werden, muss dies gesondert


vereinbart werden.

Klauselmuster
Freistellungsrecht bei gekündigtem Arbeitsverhältnis
Nach dem Ausspruch einer Kündigung, gleich durch welchen Vertragspartner, ist der Arbeitgeber be-
rechtigt, den Arbeitnehmer während der Dauer der Kündigungsfrist unter Fortzahlung seiner Bezüge
und unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche und Freizeitguthaben freizustellen, wenn ein sachlicher
Grund, insbesondere ein grober Vertragsverstoß, der die Vertragsgrundlage beeinträchtigt, gegeben
ist. Als grober Vertragsverstoß, der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt, gilt z. B. Geheimnisverrat
oder ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (Konkurrenztätigkeit).

Christ
Kapitel 7
Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

A. F ortbildungsklauseln

I. A
 llgemeines

Die Weiterbildung von Arbeitnehmern ist sowohl für diese selbst als auch für ihre 1
Arbeitgeber bedeutsam, um mit den stetigen Veränderungen in der Arbeitswelt mit-
halten zu können und konkurrenzfähig zu bleiben. Sowohl die Bundesregierung als
auch die Europäische Union gehen davon aus, dass ein lebenslanges berufliches
Weiterlernen für eine dynamische, innovative wirtschaftliche Entwicklung aufgrund
neuer technischer Fortschritte, stärkerer Globalisierung der Märkte und der demo-
grafischen Entwicklung an Bedeutung gewinnt, was die Weiterbildungsbeteiligung
der 18- bis 64jährigen bestätigt, die im Jahr 2012 49 % betrug und damit so hoch wie
noch wie war.1
Die berufliche Fortbildung gehört nach § 1 Abs. 1 BBiG zu der Berufsbildung und 2
dient dazu, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erhalten und anzupassen (Anpas-
sungsfortbildung) oder zu erweitern und beruflich aufzusteigen (Aufstiegsfortbil-
dung), § 1 Abs. 4 BBiG. Sie baut in der Regel auf einer bereits abgeschlossenen Berufs-
ausbildung und/oder einer entsprechenden Berufserfahrung auf und kann kurz- bis
langfristige Maßnahmen beinhalten.2
Beispiele für berufliche Fortbildungen sind Meisterkurse, der Erwerb von Füh- 3
rerscheinen, EDV-Schulungen, Technikerausbildungen, Lehrgänge von Banken und
Sparkassen, Fachanwaltslehrgänge und Ausbildungen zum Facharzt.3
In der Regel wird für die Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme eine geson- 4
derte Fortbildungsvereinbarung getroffen.4 Eine Fortbildungsklausel kann aber auch
in den Arbeitsvertrag integriert oder als Ergänzung zu diesem vereinbart werden.5
Aufgrund der Vielfältigkeit und des Umfangs der zu treffenden Regelungen empfiehlt
sich – insbesondere bei mittel- bis langfristigen Fortbildungen – der Abschluss eines
separaten Fortbildungsvertrages.

1 Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berufsbildungsbericht 2014, S. 102, abrufbar


unter: http://www.bmbf.de/pub/bbb_2014.pdf.
2 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 2; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 2; Hümmerich/
Lücke/Mauer/Lücke, § 2 Rn 220.
3 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 1; Liebers/Hahn, Kap. F.I.7. Rn 84.
4 Straube, NZA-RR 2012, 505, 505.
5 Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1722 ff.; MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 6; Preis/Stoffels, Kap. II A 120
Rn 4, vgl. Rn 5.

Powietzka
258 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

5 Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, ist für die Frage, ob der Arbeitgeber seine
Arbeitnehmer zur Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme verpflichten kann,
die Reichweite des Direktionsrechts maßgeblich. Eine entsprechende Weisung des
Arbeitgebers ist zulässig, wenn die Teilnahme erforderlich ist, damit der Arbeitneh-
mer seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen kann.6 Daneben kann die
Teilnahme im Rahmen des Weisungsrechts dann angeordnet werden, wenn eine Fort-
bildung aufgrund von Veränderungen des Berufsbildes notwendig wird.7 Im Übrigen
hat der Arbeitnehmer nicht die Pflicht, aber auch nicht das Recht an Fortbildungs-
veranstaltungen teilzunehmen.8 Zur Klarstellung kann in den Arbeitsvertrag eine
entsprechende Klausel aufgenommen werden, die den Arbeitnehmer verpflichtet,
an Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen, wenn Änderungen in der Arbeitswelt
dies erforderlich machen; ebenso kann auch das Recht des Arbeitnehmers im Arbeits-
vertrag vereinbart werden, in einem bestimmten (zeitlichen) Umfang innerhalb eines
Jahres Fortbildungen seiner Wahl zu besuchen.9

Klauselmuster
Der Arbeitgeber verpflichtet sich, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen, sofern sich die Anfor-
derungen seines Arbeitsplatzes, insbesondere aus technisch-organisatorischen oder Wettbewerbs-
gründen, verändern. Der Arbeitgeber trägt die Kosten der erforderlichen Fortbildungsmaßnahmen.

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer hat das Recht, jährlich [innerhalb von zwei Jahren/…] in Höhe von […] € an Fort-
bildungsveranstaltungen seiner Wahl [bis zu einer Maximaldauer von …] nach Zustimmung seines
unmittelbaren Vorgesetzten teilzunehmen. Der Arbeitgeber trägt die Kosten der besuchten Fortbil-
dungsveranstaltungen.

6 Daneben ergibt sich für manche Berufe eine Fortbildungspflicht10, aber auch ein
Recht zur Fortbildung aus dem Gesetz (z. B. Datenschutzbeauftragte – § 4f Abs. 3 S. 7
BDSG, Betriebsärzte – § 2 Abs. 3 ASiG, Rechtsanwälte/Fachanwälte – §§ 43a Abs. 6, 43c
Abs. 4 S. 2 BRAO), welches regelmäßig auch die Kostenübernahme durch den Arbeit-
geber regelt.

6 LAG Hessen, Urt. v. 11.4.2007 – 8 Sa 1279/06; Rn 28 für den Fall, dass die durch die Fortbildungs-
maßnahme zu erwerbenden Zertifikate den Arbeitnehmer erst zu seiner nach dem Arbeitsvertrag ge-
schuldeten Tätigkeit befähigen.
7 Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1721.
8 MaSig/Mroß, Kap. 160 Rn 15.
9 Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1722 ff.
10 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 10; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 16.

Powietzka
A. Fortbildungsklauseln 259

II. Inhalt einer Fortbildungsklausel

Die Möglichkeiten der Ausgestaltung von Fortbildungsklauseln bzw. -vereinba- 7


rungen sind vielfältig. Arbeitsrechtliche Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung
enthält das BBiG nicht, so dass die Parteien grundsätzlich in ihrer Gestaltung frei
sind.11 Die §§ 10 ff. BBiG finden auf zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern getrof-
fene Fortbildungsvereinbarungen keine Anwendung.12 Die §§ 53 ff. BBiG ermächtigen
lediglich zum Erlass von Rechtsverordnungen, die z. B. Inhalt und Durchführung von
Fortbildungsprüfungen näher regeln können.
Fortbildungsvereinbarungen regeln die Rechte und Pflichten der Parteien, die 8
mit der Teilnahme an einer entsprechenden Maßnahme entstehen. Die wichtigste
und wohl auch umstrittenste Regelung einer Fortbildungsvereinbarung ist dabei eine
Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers, sofern der Arbeitgeber die Kosten
der Fortbildung trägt.13
Die Aufnahme folgender Regelungen ist üblich und möglich:14 9

Checkliste
– Pflichten des Arbeitgebers:
– Ermöglichung der Teilnahme an der Fortbildung durch Freistellung unter Fortzahlung der
Vergütung/durch unbezahlte Freistellung/durch Gewährung von Urlaub
– Übernahme der Kosten (ganz oder teilweise); detaillierte Auflistung der Art der vom Arbeit-
geber übernommenen Kosten;15 Ausschluss des Kostenerstattungsanspruchs, falls ein Drit-
ter die Kosten übernimmt16
– Ggf. Zusage des beruflichen Aufstiegs nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahme
– Pflichten des Arbeitnehmers:
– Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme
– Aufwendung aller Kräfte, um das Fortbildungsziel zu erreichen
– Rückzahlungsverpflichtung
– Sonstige Regelungen:
– Fortbildungsgegenstand, ggf. Fortbildungsplan als Anhang
– Zeitpunkt und Dauer der Maßnahme
– Klarstellung, dass die Fortbildungsmaßnahme auf eigenen Wunsch des Arbeitnehmers in
dessen Interesse erfolgt und für das berufliche Fortkommen von Nutzen sein wird17

11 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 6; Hümmerich/Lücker/Mauer/Lücke, § 2 Rn 226.


12 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 4.
13 Vgl. zu den Rückzahlungsklauseln und der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber ausführlich
Rn 15 ff.
14 Vgl. für den Fall einer Fortbildung während der Arbeitszeit in einem laufenden Arbeitsverhältnis:
Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 4; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 4 ff.; Liebers/
Hahn, Kap. F.I.7. Rn 83 ff.; vgl. auch das Klauselmuster Rn 14.
15 Vgl. Rn 37.
16 Vgl. Rn 12.
17 Vgl. zu dem Erfordernis des geldwerten Vorteils bei Rückzahlungsklauseln Rn 21.

Powietzka
260 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

10 Wird der Arbeitnehmer – wie in der Praxis üblich18 – für die Dauer der Fortbildung
unter Fortzahlung seiner Vergütung von der Erbringung der Arbeitsleistung frei-
gestellt, wandelt sich seine Pflicht zur Arbeitsleistung in die Pflicht um, an der
Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen und sich zu bemühen, das Fortbildungsziel
zu erreichen.19 Ebenfalls ist eine unbezahlte Freistellung denkbar, durch die die
Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages suspendiert werden und das Ruhen
des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.20 Daneben besteht auch die Möglichkeit,
dass der Arbeitnehmer an der Fortbildung nicht während der Arbeitszeit, sondern im
Rahmen seiner Freizeit teilnimmt, so dass eine Freistellung nicht notwendig wird.
Verpflichtet sich der Arbeitnehmer hierzu, ist dies als vertragliche Nebenpflicht zu
qualifizieren.21 Als weitere Gestaltungsmöglichkeit kann ein Arbeitsvertrag auch erst-
malig für die Dauer der Fortbildung geschlossen werden und eine Option zur Weiter-
beschäftigung nach (erfolgreichem) Abschluss der Maßnahme enthalten.22

III. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

11 Im Rahmen der Berufsbildung ergeben sich Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats


aus den §§ 96 ff. BetrVG. Berufsbildung im diesem Sinne umfasst auch die berufliche
Fortbildung nach dem BBiG.23 Allerdings hat der Betriebsrat nur dann Mitbestim-
mungsrechte, wenn es sich um betriebliche Bildungsmaßnahmen handelt. Dies
ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die Maßnahme als Träger alleine durchführt oder
auf Inhalt und Gestaltung rechtlich oder tatsächlich einen beherrschenden Einfluss
hat.24 Außerbetriebliche Fortbildungsmaßnahmen sind mangels Einwirkungs-
möglichkeit des Arbeitgebers mitbestimmungsfrei.25 Allerdings besteht nach § 98
Abs. 3 BetrVG auch ein Mitbestimmungsrecht für außerbetriebliche Maßnahmen
hinsichtlich der Auswahl der Teilnehmer, falls eine Freistellung durch den Arbeitge-
ber erfolgen soll oder dieser die Fortbildungskosten ganz oder teilweise übernimmt

18 Die Mehrheit der Fortbildungsaktivitäten findet ganz oder zumindest teilweise während der Ar-
beitszeit statt: Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berufsbildungsbericht 2014, S. 103,
abrufbar unter: http://www.bmbf.de/pub/bbb_2014.pdf.
19 MünchArbR/Natzel, § 323 Rn 10; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 6.
20 Vgl. auch MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 25.
21 MünchArbR/Natzel, § 323 Rn 11.
22 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 4; vgl. im Rahmen der Rückzahlungsklauseln
auch Rn 35 und das entsprechende Klauselmuster Rn 43.
23 BAG, Urt. v. 5.3.2013 – 1 ABR 11/12, Rn 12.
24 ErfK/Kania, § 96 BetrVG Rn 8; BAG, Urt. v. 5.3.2013 – 1 ABR 11/12, Rn 15; BAG, Urt. v. 18.4.2000 – 1
ABR 28/99, Rn 29; zur Abgrenzung gegenüber den Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers nach § 81
Abs. 1 und 2 BetrVG: Richardi/Thüsing, Betriebsverfassungsgesetz, § 96 Rn 13 ff.
25 BAG, Urt. v. 18.4.2000 – 1 ABR 28/99, Rn 29 f.

Powietzka
A. Fortbildungsklauseln 261

und der Betriebsrat auch tatsächlich Teilnehmer vorgeschlagen hat.26 Können sich
Arbeitgeber und Betriebsrat nicht darüber einigen, welcher der Arbeitnehmer an der
Fortbildungsveranstaltung teilnehmen soll, entscheidet nach § 98 Abs. 4 S. 1 BetrVG
die Einigungsstelle. Die Gestaltung des Fortbildungsvertrages bleibt dagegen mitbe-
stimmungsfrei.27

IV. Sozial- und steuerrechtliche Aspekte

Die §§ 81 ff. SGB III regeln die sozialrechtliche Förderung der beruflichen Weiterbil- 12
dung. Für Fortbildungsmaßnahmen in bestehenden Arbeitsverhältnissen sind
insbesondere die §§ 81 Abs. 5, 82 SGB III von Bedeutung. Neben der Bezuschussung
des Arbeitgebers zu dem von ihm zu zahlenden Arbeitsentgelt für die Ausfallzei-
ten während der Fortbildungsdauer nach den Voraussetzungen des § 81 Abs. 5 SGB
III enthält § 82 SGB III eine Arbeitnehmerleistung für solche Arbeitnehmer, die das
45. Lebensjahr bereits vollendet haben.28 Weiterbildungskosten im Sinne des SGB III
sind Lehrgangskosten, Fahrtkosten, Kosten für die auswärtige Unterbringung und
Verpflegung sowie Kinderbetreuungskosten, §§ 83 Abs. 1, 84 ff. SGB III. Abweichend
von den Voraussetzungen des § 82 S. 1 Nr. 1 SGB III können Arbeitnehmer, die das
45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, bei der beruflichen Weiterbildung durch
Übernahme der Weiterbildungskosten nach § 82 SGB III gefördert werden, wenn der
Arbeitgeber mindestens 50 % der Lehrgangskosten trägt und die Maßnahme vor dem
31. Dezember 2019 beginnt, § 131a SGB III. Eine weitere Möglichkeit der Bezuschus-
sung des Arbeitnehmers sieht das Gesetz zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfort-
bildung (AFBG) vor, falls die Fortbildung auf eine höher gestellte Berufstätigkeit (z. B.
Meister) vorbereiten soll.29 Wird der Arbeitnehmer nach den vorstehenden Normen
durch Dritte gefördert, hat er in der Höhe der Förderung keinen Kostenerstattungsan-
spruch gegen den Arbeitgeber.30
Steuerrechtlich kann der Arbeitnehmer Fortbildungskosten in tatsächlicher 13
Höhe als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 EStG geltend machen, sofern
der Arbeitgeber die Kosten nicht übernimmt und sie einen beruflichen Bezug auf-
weisen.31 Die Kostenübernahme durch den Arbeitgeber stellt nur dann Arbeitslohn

26 Richardi/Thüsing, BetrVG, § 98 Rn 54b; ErfK/Kania, § 98 BetrVG Rn 16.


27 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 56.
28 Zu den Voraussetzungen der Förderung siehe BeckOK/Schmidt, § 81 SGB Rn 5, § 82 SGB III Rn 1.
29 Vgl. hierzu Küttner/Voelzke, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 39.
30 Vgl. zu einer entsprechenden Regelung in der Fortbildungsvereinbarung Abs. 6 des Klauselmus-
ters Rn 14.
31 Vgl. auch Küttner/Windsheimer, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 20, 22 ff., 31.

Powietzka
262 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

und damit eine steuerpflichtige Leistung dar, wenn sie nicht im ganz überwiegenden
Interesse des Arbeitgebers erfolgt.32

V. Klauselmuster

14 Das folgende Klauselmuster orientiert sich im Wesentlichen an dem in der Praxis


üblichsten Fall, dass der Arbeitnehmer an einer Fortbildungsmaßnahme während
seiner Arbeitszeit teilnimmt und er für die Zeit der Teilnahme von seinem Arbeitgeber
unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt wird.

Klauselmuster
Fortbildungsvereinbarung
(1) Der Arbeitnehmer belegt in der Zeit von […] bis […] die nachfolgend aufgeführte Fortbildungsver-
anstaltung: […]. Die Fortbildung findet an folgenden Tagen/Wochen […]/in verschiedenen Modulen
statt. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem beigefügten Fortbildungsplan.
(2) Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Teilnahme auf eigenen Wunsch des Arbeitnehmers
und im Interesse seiner beruflichen Fort- und Weiterbildung erfolgt und für sein berufliches Fortkom-
men von Nutzen sein wird.
(3) Ggf: Die Fortbildungsmaßnahme geht über die gewöhnliche berufliche Weiterbildung hinaus und
befähigt den Arbeitnehmer grundsätzlich, zusätzliche und/oder höherwertige Aufgaben zu überneh-
men.
Alternativ: Der Arbeitgeber verpflichtet sich zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer im Anschluss an die von
diesem erfolgreich (mindestens mit Note…) bestandene Bildungsmaßnahme eine Änderung seines
bestehenden Arbeitsvertrags unter folgenden Rahmenbedingungen angeboten werden kann:
Beginn: […]
Beschäftigung als: […]
Umfang der Tätigkeit: […h/Woche]
Gehalt: […€/Monat]
(4) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, regelmäßig an der in Abs. 1 genannten Fortbildungsmaßnah-
me teilzunehmen und alle Kraft aufzuwenden, um das Fortbildungsziel ordnungsgemäß und zügig zu
erreichen.
(5) Der Arbeitgeber verpflichtet sich, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der
Pflicht zur Arbeitsleistung freizustellen, soweit es für die Teilnahme an der Fortbildung erforderlich
ist [ggf. Angabe einer bestimmten Anzahl von Tagen, an denen die Freistellung erfolgen soll, z. B. 20
Tage für Präsenzzeiten, 5 Tage für die Abschlussprüfung etc.]. Die Vergütung wird entsprechend dem
Durchschnittsverdienst der letzten 3 Monate berechnet. Fortbildungszeit, die über die ausfallende
Arbeitszeit hinausgeht, wird nicht vergütet. Der Mitarbeiter ist während der Fortbildungszeit in jeder
Hinsicht den übrigen Mitarbeitern gleichgestellt.
Ggf. alternativ zu Abs. 5: Der Arbeitgeber verpflichtet sich, den Arbeitnehmer von der Pflicht zur Ar-
beitsleistung freizustellen, soweit es für die Teilnahme an der Fortbildung erforderlich ist. Die Vergü-
tung wird für die Zeiten der Freistellung nicht fortgezahlt.
(6) Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten der Fortbildungsmaßnahme vollständig/teilweise. Hierzu
gehören:

32 Küttner/Voelzke, Personalbuch 2015, Fortbildung Rn 30, 34, 36.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 263

– Lehrgangsgebühren (ca. …€)


– Prüfungsgebühren (ca. …€)
– Kosten für Sachmittel (ca. …€)
– Reisekosten (…€/km, ca. …€)
– Verpflegungskosten (…€/Tag, ca. …€)
– Übernachtungskosten (…€/Tag, ca. …€)
– [evtl. Auflistung weiterer Kosten]
Die Erstattung der Kosten erfolgt nur gegen Vorlage der entsprechenden Originalbelege.
Der Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber entfällt, wenn die Agentur für Arbeit
oder eine sonstige Einrichtung die Kosten übernimmt.
(7) [Rückzahlungsverpflichtung]33
(8) Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, jede Nichtteilnahme an der Fortbildungsmaßnahme und die
hierfür maßgeblichen Gründe sowie den vorzeitigen Abbruch oder das endgültige Nichtbestehen dem
Arbeitgeber unverzüglich schriftlich anzuzeigen.

B. F ortbildungskosten und ihre Erstattung


(Rückzahlungsklauseln)

I. G
 rundlagen

Übernimmt der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer die durch die Teilnahme an einer 15
Fortbildungsmaßnahme entstehenden Kosten,34 hat er die Erwartung, dass die
erworbenen Kenntnisse des Arbeitnehmers seinem Unternehmen in Form von qua-
lifizierter Arbeitsleistung zugutekommen und nicht einem Konkurrenten, zu dem
der Arbeitnehmer möglicherweise abwandern könnte.35 Vor diesem Hintergrund ist
es sinnvoll, Rückzahlungsklauseln vertraglich zu vereinbaren, die den Arbeitnehmer
bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor oder nach Abschluss der Fortbildungs-
maßnahme unter bestimmten Voraussetzungen zur Rückzahlung der Fortbildungs-
kosten verpflichten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass solche Rückzahlungsklauseln
zu einer Einschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12
GG) führen, da sie für den Arbeitnehmer einen Wechsel des Arbeitsplatzes erschwe-
ren.36 Die widerstreitenden Positionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind im
Rahmen einer zweistufigen Güter- und Interessenabwägung in einen angemesse-

33 Vgl. Klauselmuster Rn 42.


34 Im Jahr 2012 übernahmen Arbeitgeber in fast sieben von zehn Fällen die Kosten der Fortbildungs-
veranstaltungen ihrer Arbeitnehmer, siehe dazu Bundesministerium für Bildung und Forschung, Be-
rufsbildungsbericht 2014, S. 103, abrufbar unter: http://www.bmbf.de/pub/bbb_2014.pdf.
35 Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 3; Lakies, Kap. 5 Rn 352; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 568;
Straube, NJW-RR 2012, 505, 505.
36 Lakies, Kap. 5 Rn 353.

Powietzka
264 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

nen Ausgleich zu bringen.37 Rückzahlungsklauseln sind zwar grundsätzlich zuläs-


sig, aufgrund des Eingriffs in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers jedoch nur unter
strengen Voraussetzungen.38

1. Möglichkeiten der Klauselgestaltung


16 Eine Kostenübernahme durch den Arbeitgeber kann verschiedenartig geregelt
werden. In jedem Fall ist eine ausdrückliche Vereinbarung notwendig.39 Diese
kann sowohl individuell zwischen den Parteien ausgehandelt als auch einseitig vom
Arbeitgeber durch AGB gestellt werden. Klauseln in Formularverträgen unterliegen
einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Eine richterliche Inhaltskontrolle ist
aber auch bei Individualarbeitsverträgen auf Grundlage des § 242 BGB vorzuneh-
men.40 Unabhängig von der Vertragsart gelten die gleichen von der Rechtsprechung –
auch schon vor der Einführung der §§ 305 ff. BGB – entwickelten Maßstäbe.41 Die in
der Praxis üblichste Ausgestaltung ist eine Vorfinanzierung durch den Arbeitgeber
und eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung, sofern
das Arbeitsverhältnis während der noch andauernden Maßnahme oder innerhalb
der Bindungszeit beendet wird.42 Denkbar ist jedoch auch, dass der Arbeitnehmer
in Vorleistung tritt und durch den Arbeitgeber eine ratenweise Zahlung an den
Arbeitnehmer nach Beendigung der Maßnahme für die Dauer der Bindungswirkung
erfolgt.43 Auf die Wirksamkeit der Klausel hat diese unterschiedliche Ausgestaltung
jedoch keine Auswirkung; in beiden Fällen müssen die von der Rechtsprechung ent-
wickelten Grundsätze beachtet werden.44 Diese finden auch Anwendung, wenn die
Vertragsparteien ein „nichtrückzahlbares Darlehen“ vereinbaren.45 Ein Darlehen
im Rechtssinne (§ 488 Abs. 1 BGB) liegt nämlich nur vor, wenn der Darlehensnehmer
sich von vornherein zur Rückzahlung verpflichtet und nicht nur – wie im Falle der

37 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 569; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungs-


klausel Rn 7; vgl. zur Güter- und Interessenabwägung Rn 21 ff.
38 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 31; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – III ZR 207/08, Rn 19; BAG, Urt. v. 14.1.2009 – 3
AZR 900/07, Rn 17; BAG, Urt. v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, Rn 24 f; vgl. zu den Voraussetzungen einer
wirksamen Rückzahlungsklausel Rn 18 ff.
39 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 2; Moll/Bengelsdorf, § 49 Rn 257.
40 BAG, Urt. v. 19.02.2004 – 6 AZR 552/02, Rn 22; Straube, NZA-RR 2012, 505, 505.
41 DLW/Dörner, Kap. 9 Rn 249; vgl. zur wirksamen inhaltlichen Ausgestaltung Rn 22 ff.
42 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 572; vgl. zum Beendigungszeitpunkt Rn 31.
43 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 9 Rn 258.
44 BAG, Urt. v. 19.02.2004 – 6 AZR 552/02, Rn 21; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 574.
45 BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 32; Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 64; Straube, NZA-RR
2012, 505, 507.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 265

Rückzahlungsklauseln – im Ausnahmefall.46 Die (falsche) Bezeichnung als Darlehen


schadet nicht, wenn die Parteien eine Verpflichtung zur Rückzahlung vereinbaren
wollten.47

2. Gesetzliche Verbote
Nach den §§ 12 Abs. 2 Nr. 1, 26 BBiG dürfen Auszubildende und Angehörige gleichge- 17
stellter Ausbildungsgänge nicht verpflichtet werden, für die Berufsausbildung eine
Entschädigung zu zahlen. Folglich sind mit diesen vereinbarte Rückzahlungsklau-
seln nichtig. Dies gilt jedoch nicht für eine berufliche Fortbildung oder Umschulung
nach § 1 Abs. 4, 5 BBiG.48 Unwirksam sind nach § 134 BGB auch Abreden über Kosten
von Bildungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber zwingend zu tragen hat (z. B. Betriebs-
ratsschulung nach §§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG, Entgeltfortzahlung im Rahmen des
Bildungsurlaubs, Kosten nach § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG).49

II. Gestaltung der Klausel

Für die Ausgestaltung der Rückzahlungsklauseln bestehen – insbesondere von der 18


Rechtsprechung entwickelte – strenge Vorgaben hinsichtlich der Wirksamkeitsvor-
aussetzungen, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

1. Zeitpunkt und Form des Abschlusses


Eine Rückzahlungsklausel ist vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme in den Arbeits- 19
vertrag oder einen davon separaten Fortbildungsvertrag aufzunehmen,50 damit der
Arbeitnehmer frei entscheiden kann, ob die zu erwartenden beruflichen Vorteile die
möglichen finanziellen Belastungen ausgleichen und die Bindung an den Arbeitge-
ber seinen Interessen entspricht.51

46 BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 32; BAG, Urt. v. 18.03.2008 – 9 AZR 186/07, Rn 8; Straube,
NZA-RR 2012, 505, 507.
47 BGH, Urt. v. 17.09.2009 – III ZR 207/08, Rn 19; BAG, Urt. v. 18.03.2008 – 9 AZR 186/07, Rn 8.
48 Dorth, RdA 2013, 287, 289; Liebers/Hahn, Kap. F.I.7. Rn 82; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 735.
49 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 4; für § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG andeu-
tend auch BAG, Urt. v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92, Rn 59; a. A. Dorth, RdA 2013, 287, 291 mit der Begrün-
dung, dass die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Fortbildungskosten i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG
einem billigenswerten Interesse des Arbeitnehmers entsprechen kann.
50 Vgl. zum Fortbildungsvertrag Rn 1 ff.
51 Tschöpe/Schmalenberg, Teil 2 A Rn 440; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklau-
sel Rn 3; Lakies, ArbRAktuell 2012, 216, 216; BAG, Urt. v. 19.03.1980 – 5 AZR 362/78, Rn 38; BAG, Urt.
v. 09.12.1992 – 5 AZR 158/12, Rn 16; zuletzt aber offen gelassen: BAG, Urt. v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09,
Rn 28.

Powietzka
266 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

20 Grundsätzlich ist keine bestimmte Form für die Vereinbarung einer Rückzah-
lungsklausel gesetzlich vorgesehen. Allerdings empfiehlt sich für Beweiszwecke und
aus Gründen der Rechtssicherheit stets eine schriftliche Niederlegung, insbesondere
da nach der Rechtsprechung der Arbeitnehmer auf alle Folgen, die sich für ihn aus
einer solchen Abrede ergeben, klar und unmissverständlich hingewiesen werden
muss.52 Zudem ist die Rückzahlungsklausel eine wesentliche Vertragsbedingung
i. S. d. § 2 NachwG.53

2. Geldwerter Vorteil
21 Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel und erste
Stufe der erforderlichen Güter- und Interessenabwägung ist, dass der Arbeitneh-
mer durch die Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt.54 Der Arbeitnehmer soll
nämlich – insbesondere aufgrund der Einschränkung seiner verfassungsrechtlich
geschützten Berufsfreiheit – eine angemessene Gegenleistung für die mögliche
Rückzahlungsverpflichtung erhalten.55 Ein geldwerter Vorteil liegt vor, wenn die
Maßnahme die Entwicklung von Fähigkeiten und Kenntnissen zur Folge hat und der
Arbeitnehmer innerhalb oder auch außerhalb des Unternehmens seine Aufstiegs-
und Verdienstchancen verbessert, ihm also berufliche Möglichkeiten eröffnet
werden, die ihm vor Durchführung der Fortbildung nicht offen standen oder er das
erworbene Wissen für andere Beschäftigungsverhältnisse oder selbstständige Tätig-
keiten nutzen kann.56 Dagegen reicht es nicht aus, wenn die Fortbildungsmaßnahme
der bloßen Einarbeitung in einem neuen Arbeitsverhältnis dient, bereits vorhandene
Kenntnisse des Arbeitnehmers lediglich aufgefrischt werden oder vornehmlich inner-
betriebliche Vorteile bringt.57 Die Kosten der Maßnahme dürfen nicht nur im Interesse
des Arbeitgebers für seinen Geschäftsbetrieb aufgewendet werden.58 Ein geldwerter
Vorteil wird aber nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer die aus seiner
Fortbildung resultierenden Vorteile nicht nutzbar macht; es reicht aus, wenn die
objektive Möglichkeit gegeben ist, wozu ernsthaft in Betracht zu ziehende Chancen

52 BAG, Urt. v. 19.03.1980 – 5 AZR 362/78, Rn 38; so auch Lakies, ArbRAktuell 2012, 216, 216; Moll/
Bengelsdorf, § 49 Rn 257.
53 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 3; Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 9.
54 MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 36; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 738.
55 BAG, Urt. v. 11.04.1990 – 5 AZR 308/89, Rn 18; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 738.
56 BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 6 AZR 539/01, Rn 16; BAG, Urt. v. 19.01.2001 – 3 AZR 621/08, Rn 34; Kütt-
ner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 9; MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 36; Liebers/
Hahn, Kap. F.I.7. Rn 86; Lakies, Kap. 5 Rn 364.
57 BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 6 AZR 539/01, Rn 16; zur Einarbeitung: BAG, Urt. v. 16.01.2003 – 6 AZR
384/01, Rn 24; Tschöpe/Schmalenberg, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Teil 2 A Rn 442; Lakies, Ar-
bRAktuell 2012, 216, 217; zur Auffrischung bereits vorhandener Erkenntnisse: Hümmerich/Reufels/
Mengel, § 1 Rn 744 (TÜV-Schweißer-Zeugnis).
58 Lakies, ArbRAktuell 2012, 216, 217; BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 34.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 267

notwendig sind.59 Scheidet der Arbeitnehmer vor Abschluss der Fortbildungsmaß-


nahme aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist zu prüfen, ob die Maßnahme für ihn von
geldwertem Vorteil gewesen wäre.60

3. Inhaltliche Ausgestaltung
Auf der zweiten Stufe der Güter- und Interessenabwägung wird geprüft, ob die in 22
der Rückzahlungsklausel vereinbarten Modalitäten interessengerecht sind.61

a) Bindungsdauer
Der dem Arbeitnehmer zugutekommende geldwerte Vorteil muss mit der Dauer der 23
Bindung an den die Kosten übernehmenden Arbeitgeber in einem angemessenen
Verhältnis stehen.62
Die Rechtsprechung hat eine sogenannte „Faustformel“ entwickelt, durch die 24
eine angemessene Bindungsdauer im Verhältnis zur Dauer der Bildungsmaßnahme
bestimmt wird, sofern der Arbeitnehmer für diesen Zeitraum unter Fortzahlung der
Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird.63

Dauer der Fortbildung Angemessene Bindungsdauer


Bis zu 1 Monat Höchstens 6 Monate64
Bis zu 2 Monaten Höchstens 1 Jahr65
Bis zu 4 Monaten Höchstens 2 Jahre66
Zwischen 6 und 12 Monaten Höchstens 3 Jahre67
Mehr als 2 Jahre Höchstens 5 Jahre68

59 Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 22; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 739.


60 BAG, Urt. v. 19.01.2001 – 3 AZR 621/08, Rn 41; vgl. auch Rn 31.
61 Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 746; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklau-
sel Rn 7.
62 BAG, Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 452/04, Rn 17; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungs-
klausel Rn 7.
63 Vgl. zum Überblick über die Rechtsprechung BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 18; MaSiG/
Mroß, Kap. 160 Rn 42; Moll/Bengelsdorf, § 49 Rn 259; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzah-
lungsklausel Rn 11; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 592 f.
64 BAG Urt. v. 15.09.2009 – 3 AZR 173/08, Rn 41; BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 6 AZR 539/01.
65 BAG, Urt. v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, Rn 42.
66 BAG, Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 452/04, Rn 21; BAG, Urt. v. 06.09.1995 – 5 AZR 241/94, Rn 40.
67 BAG, Urt. v 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, Rn 40.
68 BAG, Urt. v. 12.12.1979 – 5 AZR 1056/77, Rn 33.

Powietzka
268 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

25 Dies sind jedoch nur richterrechtliche „Regelwerte“; es ist weiterhin eine Einzel-
fallbetrachtung notwendig und auch zulässig.69 Neben der Dauer der Fortbildungs-
maßnahme ist auch die Qualität der erworbenen Qualifikation maßgeblich, für
die die Dauer jedoch stets ein Indiz ist.70 Eine verhältnismäßig lange Bindung kann
auch bei einer kürzeren Dauer der Maßnahme gerechtfertigt sein, wenn der Arbeit-
geber ganz erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem
Arbeitnehmer überdurchschnittlich große Vorteile bringt.71 Eine Bindungsdauer von
5 Jahren ist wegen § 624 BGB jedoch die gesetzliche Höchstgrenze.72 Auch kann die
Höhe der Gesamtaufwendungen des Arbeitgebers alleine eine lange Bindung nicht
rechtfertigen, da vorrangig der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers zu bewerten ist.73
Im Umkehrschluss kann bei überdurchschnittlich langen Fortbildungsmaßnahmen
eine verhältnismäßig kurze Bindungsdauer angemessen sein, wenn durch den Arbeit-
geber wenig Mittel aufgewendet werden und der Arbeitnehmer nur geringe Vorteile
erlangt.74 Gliedert sich die Maßnahme in mehrere zeitlich getrennte Abschnitte, so sind
die Pausen für die Bestimmung der Dauer grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.75
26 Zugunsten des Arbeitnehmers wird von der Rechtsprechung ebenfalls berück-
sichtigt, wenn dieser während der Dauer der Fortbildungsmaßnahme nicht völlig
von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wird, sondern teilweise seine
Arbeitspflicht erfüllt.76
27 Wurde eine unangemessen lange Bindungsdauer in eine vorformulierte Klausel
aufgenommen, so ist diese wegen des im AGB-Recht nach § 306 Abs. 2 BGB geltenden
Verbots der geltungserhaltenden Reduktion insgesamt nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
unwirksam.77 Es kommt zu einem Wegfall der Zahlungspflicht.78 Eine Bindungsdauer
wird nur dann entsprechend § 139 BGB auf das zulässige Maß zurückgeführt, wenn es

69 BAG, Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 452/04, Rn 21; BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 6 AZR 539/01, Rn 17; Tschö-
pe/Schmalenberg, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Teil 2 A Rn 443.
70 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 18; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 592; Lakies,
Kap. 5 Rn 366.
71 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 18.
72 Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 40; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn
10; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 747.
73 Moll/Bengelsdorf, § 49 Rn 260; BAG, Urt. v. 05.12.2002 – 6 AZR 539/01, Rn 19, das in der Höhe der
Gesamtaufwendungen kein Indiz für die Qualität der entstehenden beruflichen Vorteile sieht; vgl.
zum geldwerten Vorteil Rn 21.
74 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 595.
75 Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 41; vgl. zur Bestimmung der zeitlichen Lage durch den Arbeitgeber
Rn 30.
76 BAG, Urt. v. 15.05.1985 – 5 AZR 161/84, Rn 24 (16-monatige Ausbildung bei 22,2 % Arbeitsleistung
rechtfertigt eine 3-jährige Bindung); BAG, Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 452/04 (3-jährige Weiterbildung
bei 75,1 % Arbeitsleistung rechtfertigt eine 2-jährige Bindung).
77 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 21 ff.; BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, Rn 29 f.
78 Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 753.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 269

sich nicht um AGB, sondern um eine individuell vereinbarte Rückzahlungsverpflich-


tung handelt.79 Die Pflicht des Arbeitgebers zur Übernahme der Fortbildungskosten
bleibt dagegen auch bei einer unwirksamen Rückzahlungsklausel bestehen.
In vorformulierten Verträgen ist nach der Rechtsprechung trotz der eigentlich 28
entgegenstehenden Wertungen der §§ 305 ff. BGB in engen Grenzen eine ergänzende
Vertragsauslegung möglich, und zwar dann, wenn das Festhalten am Vertrag eine
unzumutbare Härte nach § 306 Abs. 3 BGB darstellen würde.80 Im Falle der Rückzah-
lungsklauseln ist es unangemessen, dem Arbeitgeber ein Prognoserisiko aufzubür-
den, wenn objektive Schwierigkeiten bestehen, eine zulässige Bindungsdauer zu
bestimmen.81 Die nach der Rechtsprechung zulässige Bindungsdauer wird dann in
der Regel einen beiden Vertragsparteien gerecht werdenden Ausgleich darstellen.82
Der Arbeitgeber hat auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche (§§ 812 ff. 29
BGB), da trotz Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel die – im AGB-Recht gem.
§ 306 Abs. 1 BGB – an sich wirksame Fortbildungsvereinbarung83 einen Rechtsgrund
darstellt und auch eine Zweckverfehlungskondiktion an der bestehenden vertragli-
chen Abrede scheitert.84 Daneben dürfen die Wertungen der §§ 305 ff. BGB nicht durch
das Bereicherungsrecht umgangen werden.85
Nach der Instanzenrechtsprechung kann eine Rückzahlungsklausel nicht nur 30
wegen einer unzulässigen Bindungsdauer unwirksam sein, sondern auch wegen
Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), wenn der Arbeitge-
ber bestimmen kann, wann die Bindung des Arbeitnehmers beginnt.86 Des Weiteren
muss die zeitliche Lage der einzelnen Fortbildungsabschnitte – sofern die Maßnahme
nicht zusammenhängend erfolgt – den Vorgaben der Fortbildungseinrichtung ent-
sprechen, da der Arbeitgeber nicht befugt sein soll, die Teilnahme oder deren zeitli-
chen Lage alleine nach seinen Interessen festzulegen.87

79 DWL/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 9 Rn 232, 251.


80 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 27; BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, Rn 36;
siehe auch Moll/Bengelsdorf, § 49 Rn 260; BAG, Urt. v. 13.11.2011 – 3 AZR 791/09, Rn 36; BAG, Urt. v.
06.08.2013 – 9 AZR 442/12, Rn 21; vgl. auch Kap 2 Rn 107 f.
81 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 29; siehe auch MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 45.
82 BAG, Urt. v. 14.01.2009 – 3 AZR 900/07, Rn 30; zur nach der Rechtsprechung zulässigen Bindungs-
dauer siehe Rn 24 f.
83 Vgl. Rn 4 zum Abschluss eines vom Arbeitsvertrag separaten Fortbildungsvertrages und Rn 7 ff. zu
dessen inhaltlicher Ausgestaltung.
84 BAG, Urt. v. 28.05.2013 – 3 AZR 103/12, Rn 24 ff.; BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn 34 ff.;
Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 13.
85 BAG, Urt. v. 28.05.2013 – 3 AZR 103/12, Rn 28; BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn 46.
86 LAG Nürnberg, Urt. v. 02.11.2011 – 7 Sa 138/11, Rn 50; nachfolgend hat sich das BAG, Urt. v.
28.05.2013 – 3 AZR 103/12 zu dieser Frage nicht geäußert.
87 BAG, Urt. v. 19.01.2011 – 3 AZR 621/08, Rn 45, das ausführt, dass dann auch keine unangemessene
Benachteiligung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer zwischen den einzelnen Abschnitten der Maßnah-
me an den Arbeitgeber gebunden ist.

Powietzka
270 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

b) Auslöser der Rückzahlungspflicht


31 Hauptauslöser der Rückzahlungspflicht ist die Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses. Dabei ist es unerheblich, ob die Beendigung vor oder nach Abschluss der Fort-
bildungsmaßnahme erfolgt.88 In beiden Fällen ist eine Rückzahlungsverpflichtung
denkbar. Eine solche Beendigung kann aber nur dann wirksam eine Verpflichtung
zur Rückzahlung begründen, wenn diese der Sphäre des Arbeitnehmers zuzurech-
nen ist, der Arbeitnehmer also die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beeinflussen
kann und es selbst in der Hand hat, der Erstattungspflicht durch eigene Betriebstreue
zu entgehen.89
32 Folgende in der Sphäre des Arbeitnehmers liegende Beendigungsgründe werden
von Rechtsprechung und Literatur anerkannt:
– Eigenkündigung des Arbeitnehmers, sofern dessen Beweggründe vom Arbeitge-
ber nicht zu verantworten sind90,
– Kündigung des Arbeitgebers aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des
Arbeitnehmers (verhaltensbedingte Kündigungen); dazu sind die Wertungen
des Kündigungsrechts heranzuziehen91,
– Aufhebungsvertrag, der ausschließlich auf Wunsch des Arbeitnehmers
geschlossen wurde92.

33 Daher sind solche Klauseln nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, die (auch) eine
Rückzahlungspflicht im Falle einer betriebsbedingten Kündigung oder sonstiger
Kündigungen aus Gründen, die vom Arbeitnehmer nicht beeinflusst werden können
(z. B. personenbedingte Gründe) und in der Sphäre des Arbeitgebers liegen, auslö-
sen.93 Durch solche Arbeitgeberkündigungen gibt dieser zu erkennen, dass er trotz der
aufgewandten Kosten nicht bereit, zumindest nicht in der Lage ist, dem Betrieb die
Qualifikation des Arbeitnehmers zu erhalten.94 Sofern man in der Sphäre des Arbeit-
gebers liegende Gründe eine Rückzahlungspflicht auslösen lassen würde, fände eine
unzulässige Abwälzung von Investitionsrisiken vom Arbeitgeber auf den Arbeitneh-
mer statt.95 Nach der Rechtsprechung ist auch eine Probezeitkündigung aufgrund

88 BAG, Urt. v. 19.01.2011 – 3 AZR 621/08, Rn 41.


89 BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 35; BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, Rn 27; BAG,
Urt. v. 06.05.1998 – 5 AZR 535/97, Rn 20; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 445.
90 BAG, Urt. v. 28.05.2013 – 3 AZR 103/12, Rn 17 ff; BAG, Urt, v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09; Hümmerich/
Reufels/Mengel, § 1 Rn 757.
91 Küttner/Poeche, Personalbuch, Rückzahlungsklausel Rn 14; DLW/Dörner, Kap. 9 Rn 228; Suckow/
Striegel/Niemann/Suckow, Rn 604.
92 BAG, Urt. v. 05.07.2010 – 5 AZR 883/98, Rn 30.
93 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 9 Rn 226 f.; Liebers/Hahn, Kap. F.I.7.
Rn 90; zur betriebsbedingten Kündigung: BAG, Urt. v. 06.05.1998 – 5 AZR 535/97, Rn 20.
94 BAG, Urt. v. 06.05.1998 – 5 AZR 535/97, Rn 20.
95 BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 35.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 271

fehlender Eignung kein tauglicher Grund, eine Rückzahlungspflicht auszulösen, da


ein Arbeitnehmer die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers nicht beeinflussen
kann und das Auswahlrisiko des Arbeitgebers nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt
werden soll.96
Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind als weitere Auslöser einer 34
Rückzahlungspflicht die Fälle denkbar, bei denen der Arbeitnehmer die Fortbil-
dungsmaßnahme vor deren Abschluss abbricht oder das Fortbildungsziel nicht
erreicht.97 Auch hier muss der Arbeitnehmer grundsätzlich den Abbruch oder sein
Scheitern zu vertreten haben.98 Daher kann eine Rückzahlungspflicht nicht dadurch
ausgelöst werden, dass der Arbeitnehmer trotz erheblicher Anstrengungen eine
etwaige Abschlussprüfung nicht besteht; dagegen kann eine mangelnde Vorberei-
tung tauglicher Auslösungsgrund sein.99 Erreicht der Arbeitnehmer das Fortbildungs-
ziel nicht, dürfte es dem Arbeitgeber jedoch regelmäßig schwerfallen, diesem ein
schuldhaftes Verhalten nachzuweisen.100 Bei vorzeitigem Abbruch der Maßnahme
soll dem Arbeitnehmer zumindest bei länger andauernden Fortbildungen eine Über-
legungsfrist eingeräumt werden, innerhalb derer er ohne Kostenrisiko entscheiden
kann, ob die Fortbildung seinen Neigungen entspricht und er diese fortsetzen oder
abbrechen möchte.101
Wird die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers davon abhängig 35
gemacht, ob nach dem Ende der Fortbildung überhaupt erst ein Arbeitsverhältnis
zustande kommt, so können auch für diesen Fall keine anderen Grundsätze gelten.102
Möchte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag aus im Verhalten des Arbeitnehmers lie-
genden schwerwiegenden Gründen nicht schließen und nicht, weil er aus sonstigen
Gründen dazu nicht bereit oder in der Lage ist, ist eine Kostentragung des Arbeitneh-

96 BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 6 AZR 320/03; kritisch Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 759, die zu


bedenken gibt, dass der Arbeitnehmer für ein Scheitern in der Probezeit selbst verantwortlich ist und
durch die Fortbildung über bessere Chancen am Arbeitsmarkt verfügt.
97 Lakies, Kap. 5 Rn 370; vgl. auch Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 56 ff.
98 Tschöpe/Schmalenberg, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Teil 2 A Rn 450.
99 Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 58; wohl auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 439; kritisch Küttner/Poe-
che, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 15, der die Auffassung vertritt, dass sich der Arbeit-
geber im Vorfeld über die Fähigkeiten des Arbeitnehmers ein Bild machen muss und diese Fälle daher
dem Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind.
100 Liebers/Hahn, Kap. F.I.7. Rn 96.
101 BAG, Urt,. v. 20.02.1975, Rn 37 (Abbruch bis zum Ablauf des ersten Beschäftigungsjahres ohne
Kostenrisiko möglich); Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 57; Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rück-
zahlungsklausel Rn 15; aber keine Überlegungsfrist bei Erwerb einer zusätzlichen Qualifikation in-
nerhalb eines Berufsbildes, wenn der Arbeitnehmer schon zu einem früheren Zeitpunkt überprüfen
konnte, ob die Ausbildung seinen Neigungen entspricht: BAG, Urt. v. 19.01.2011 – 3 AZR 621/08, Rn 30;
ablehnend zur Überlegungsfrist als Wirksamkeitsvoraussetzung: Dorth, RdA 2013, 287, 299.
102 So auch BAG, Urt. v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, Rn 36.

Powietzka
272 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

mers legitim.103 Allerdings ist eine Rückzahlungsklausel nur dann wirksam, wenn sie
eine Verpflichtung zur Beschäftigung enthält. Denn wenn kein Anspruch auf Begrün-
dung eines Arbeitsverhältnisses besteht, fehlt dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, die
Kosten durch Betriebstreue abzugelten.104 Daneben fordert die Rechtsprechung, dass
zumindest rahmenmäßig bestimmt sein muss, zu welchen Bedingungen die spätere
Berufstätigkeit erfolgen soll, da ansonsten ein Verstoß gegen das Transparenzgebot
des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt.105 Dazu gehören Angaben zum Beginn des Ver-
tragsverhältnisses, zur Art und zum zeitlichen Umfang der Beschäftigung und zur
Anfangsvergütung.106
36 Die Rückzahlungsklausel muss alle Gründe, die zu einer Auslösung der Rück-
zahlungspflicht führen sollen, abschließend und ausdrücklich aufzählen; eine
beispielhafte Aufzählung ist ungenügend.107 Insbesondere kann aus den oben darge-
stellten Gründen108 nicht pauschal auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abge-
stellt werden.109 Die Klausel darf eben gerade nur solche Auslösungsgründe benen-
nen, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen.

c) Bezifferung des Rückzahlungsbetrages


37 Die vom Arbeitnehmer gegebenenfalls zurückzuzahlenden Kosten müssen nach der
in dieser Hinsicht sehr strengen Rechtsprechung des BAG dem Grund und der Höhe
nach im Rahmen des Möglichen angegeben werden.110 Ansonsten liegt ein Verstoß
gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vor, da der Arbeitnehmer sein
Rückzahlungsrisiko nicht abschätzen kann.111 Die Höhe der Kosten muss jedoch
nicht exakt beziffert werden, vielmehr genügt es, wenn die Art der Kosten (z. B.
Lehrgangsgebühren, Kosten für Sachmittel, Entgelt für die Zeit der Freistellung, Sozi-
alabgaben in Höhe des Arbeitnehmeranteils, Fahrt-, Unterbringungs-, Verpflegungs-
kosten) und die entsprechende Berechnungsgrundlage (z. B. Kilometerpauschale,
Tagessätze für Verpflegung etc.) benannt werden, damit der Arbeitnehmer erkennen
kann, wie sich die mögliche Gesamtforderung zusammensetzt.112

103 Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 610; MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 41.


104 BAG, Urt. v. 18.03.2008 – 9 AZR 186/07, Rn 25.
105 BAG, Urt. v. 18.03.2008 – 9 AZR 186/07, Rn 28; LAG Köln, Urt. v. 27.05.2010 – 7 Sa 23/10, Rn 19 ff.
106 BAG, Urt. v. 18.03.2008 – 9 AZR 186/07, Rn 28; kritisch Dorth, RdA 2013, 287, 299 f.; Hümmerich/
Boecken/Spirolke/Natzel, Das arbeitsrechtliche Mandat, § 3 Rn 328.
107 BAG, Urt. v. 23.01.2007 – 9 AZR 482/06, Rn 23; MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn 40; Lakies, Kap. 5 Rn 371.
108 Vgl. Rn 31 ff.
109 BAG, Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 610/05.
110 BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn 19; siehe auch Küttner/Poeche, Personalbuch 2015,
Rückzahlungsklausel Rn 16.
111 BAG, Urt. v. 06.08.2013 – 9 AZR 442/12, Rn 13; BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn 19.
112 BAG, Urt. v. 06.08.2013 – 9 AZR 442/12, Rn 13, 15; BAG, Urt. v. 21.08.2012 – 3 AZR 698/10, Rn 19;
Erfk/Preis, § 611 BGB Rn 436; siehe bzgl. der Art der Kosten: Küttner/Poeche, Personalbuch 2015,

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 273

Der Anspruch des Arbeitgebers ist immer auf die tatsächlich anfallenden 38
Kosten beschränkt, da eine Rückzahlungsvereinbarung ansonsten einer Vertrags-
strafenregelung gleichkommen würde.113 Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der
Arbeitnehmer vor Abschluss der Fortbildungsmaßnahme aus dem Arbeitsverhältnis
ausscheidet.114 Dann sind die bis zum Ausscheiden tatsächlich angefallenen Kosten
zu ersetzen.115 Grundsätzlich kann ein Höchstbetrag vereinbart werden, dann darf
der Arbeitgeber aber keinen höheren Betrag fordern, wenn tatsächlich mehr Kosten
entstanden sind, aber auch nur die tatsächlich angefallenen Kosten, wenn diese den
Höchstbetrag unterschreiten.116 Die Vereinbarung eines Pauschalbetrages losgelöst
von den tatsächlichen Kosten ist aber stets unwirksam, vielmehr müssen Grund und
Höhe der Kosten im Rahmen des Möglichen angegeben werden.117

d) Zeitabhängige Reduzierung des Rückzahlungsbetrages


Eine zulässige inhaltliche Ausgestaltung einer Rückzahlungsklausel fordert auch 39
stets, dass der Rückzahlungsbetrag zeitanteilig zur vereinbarten Bindungsdauer
gestaffelt ist.118 Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zu raten, nach jedem vollen
Monat, den das Arbeitsverhältnis nach Ende der Fortbildungsmaßnahme besteht,119
und nicht nur jährlich, den Betrag um den der Gesamtbindungsdauer entsprechen-
den Bruchteil zu kürzen (1/6 bei 6 Monaten, 1/12 bei 1 Jahr, 1/24 bei 2 Jahren, 1/36 bei
3 Jahren, 1/60 bei 5 Jahren).120 Die höchstrichterliche Rechtsprechung sah bis jetzt
eine monatliche Kürzung nicht als erforderlich an und ließ eine jährliche Reduzierung
genügen.121 Allerdings kann – insbesondere im Hinblick auf neuere Instanzenrecht-

­ ückzahlungsklausel Rn 16; insbes. zu den Sozialabgaben: BAG, Urt. v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05,
R
Rn 35.
113 BAG, Urt. v. 21.07.2005 – 6 AZR 452/04, Rn 23; BAG, Urt. v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92; Rn 66.
114 Vgl. Rn 31.
115 BAG, Urt. v. 19.01.2011 – 3 AZR 621/08, Rn 41.
116 Küttner/Poeche, Personalbuch 2015, Rückzahlungsklausel Rn 16; Tschöpe/Schmalenberg, An-
waltshandbuch Arbeitsrecht, Teil 2 Rn 446; Dorth, RdA 2013, 287, 296.
117 Lakies, ArbRAktuell 2012, 216, 218; vgl. zur Bezifferung des Rückzahlungsbetrages Rn 37.
118 BAG, Urt. v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, Rn 22; Tschöpe/Schmalenberg, Anwaltshandbuch Arbeits-
recht, Teil 2 A Rn 446; Lakies, Kap. 5 Rn 376 f.; Preis/Stoffels, Kap. II A 120 Rn 49.
119 Für die Entstehung des Rückzahlungsanspruchs ist die Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses der maßgebliche Zeitpunkt und nicht der Zugang der Kündigungserklärung, so das BAG, Urt. v.
18.11.2004 – 6 AZR 651/03.
120 Eine monatliche und nicht nur jährliche Reduzierung empfiehlt auch MaSiG/Mroß, Kap. 160 Rn
46, 52; ebenso Dorth, ArbRAktuell 2013, 287, 297.
121 BAG, Urt. v. 23.04.1986 – 5 AZR 159/85, Rn 23; offen gelassen: BAG, Urt. v. 15.09.2009 – 3 AZR
173/08, Rn 40.

Powietzka
274 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

sprechung122 – nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte einzelfallorientiert


eine jährliche Kürzung als unangemessen und damit als unwirksam erachten, was
aufgrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion die vollständige Unwirk-
samkeit der Klausel zur Folge hätte.

III. Darlegungs- und Beweislast

40 Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechts-
wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel trägt der Arbeitgeber.123 Da eine Rückzah-
lungsverpflichtung jedoch immer vor Beginn der Bildungsmaßnahme vereinbart
werden muss und daher in der Regel eine Zukunftsprognose notwendig sein wird,124
muss es ausreichen, wenn der Arbeitgeber Umstände darlegt und beweist, aus denen
sich ergibt, dass im Zeitpunkt der Vereinbarung der Rückzahlungsklausel ein entspre-
chender geldwerter Vorteil für den Arbeitnehmer mit überwiegender Wahrscheinlich-
keit, die im Anschluss vom Arbeitnehmer zu entkräften ist, erwartet werden konnte.125
Der Arbeitgeber genügt dieser Darlegungslast jedenfalls dann, wenn er substantiiert
vorträgt, dass der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung eine anerkannte Qualifi-
kation erworben und ihm diese auch innerbetriebliche Vorteile gebracht hat, wobei
diese Vorteile auch in der Einstellung selbst liegen können.126

IV. Checkliste und Klauselmuster

41 Damit es aufgrund einer eventuellen Unwirksamkeit einer Rückzahlungsklausel nicht


zu einem Wegfall der Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers kommt, sind zusam-
menfassend die folgenden Punkte bei der Klauselgestaltung besonders zu beachten.

Checkliste: Gestaltung von Rückzahlungsklauseln


– Ausdrückliche Bezeichnung als „Rückzahlungsvereinbarung“
– Schriftliche Vereinbarung vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme
– Aufnahme einer angemessenen Bindungsdauer unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
– Abschließende Aufzählung nur solcher Auslöser, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen
– Beendigung des Arbeitsverhältnisses

122 LAG Hamm, Urt. v. 09.03.2012 – 7 Sa 1500/11, Rn 43 ff., das für eine das Bruttomonatseinkommen
um ein Vielfaches übersteigende Rückforderungssumme nur eine monatliche Reduzierung als ange-
messen ansieht.
123 BAG, Urt. v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92; ohne Begründung ablehnend Moll/Bengelsdorf; § 49 Rn
262.
124 Vgl. zum Zeitpunkt der Vereinbarung Rn 19.
125 BAG, Urt. v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92, Rn 79; BAG, Urt. v. 30.11.1994 – 5 AZR 715/93, Rn 36.
126 BAG, Urt. v. 16.03.1994 – 5 AZR 339/92, Rn 80.

Powietzka
B. Fortbildungskosten und ihre Erstattung (Rückzahlungsklauseln) 275

– Vom Arbeitgeber nicht veranlasste Eigenkündigung


– Verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung
– Auf Wunsch des Arbeitnehmers geschlossener Aufhebungsvertrag
– Abbruch der Bildungsmaßnahme
– Aufnahme einer Überlegungsfrist bei längeren Bildungsmaßnahmen
– Nichterreichen des Fortbildungsziels
– Arbeitnehmer hat seine Fähigkeiten schuldhaft nicht genutzt
– Nichtzustandekommen eines Arbeitsverhältnisses; Aufnahme einer Verpflichtung zur Wei-
terbeschäftigung; Aufnahme der rahmenmäßigen Bedingungen der Weiterbeschäftigung
(Beginn, Art, Umfang und Anfangsvergütung)
– Angabe der Gesamtsumme, der Art der Kosten und der Berechnungsgrundlage
– Ggf. Aufnahme eines Höchstbetrages
– Aufnahme einer zeitabhängigen (monatlichen) Reduzierung des Rückzahlungsbetrages

Das nachfolgende Klauselmuster geht von einer 12-monatigen Fortbildungsdauer 42


während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses aus.

Klauselmuster
Rückzahlungsvereinbarung
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, nach Abschluss der Fortbildung mindestens 3 Jahre lang für den
Arbeitgeber tätig zu sein. Sollte der Arbeitnehmer vor Ablauf dieser 3 Jahre nach Ende der Fortbil-
dungsmaßnahme kündigen, ohne dass er dafür einen wichtigen Grund hat oder kündigt ihm der Ar-
beitgeber innerhalb dieses Zeitraums aus wichtigem Grund oder aus einem Grund, der im Verhalten
des Arbeitnehmers liegt oder schließen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf den ausdrückli-
chen Wunsch des Arbeitnehmers einen Aufhebungsvertrag, so ist der Arbeitnehmer verpflichtet fol-
gende vom Arbeitgeber aufgewendeten Fortbildungskosten in Höhe von [insgesamt ca./maximal] […
€] zurückzuzahlen:
– gezahltes Entgelt für die Zeit der Freistellung (ca. …€)
– Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (ca. …€)
– Lehrgangsgebühren (ca. …€)
– Prüfungsgebühren (ca. …€)
– Kosten für Sachmittel (ca. …€)
– Reisekosten (…€/km, ca. …€)
– Verpflegungskosten (…€/Tag, ca. …€)
– Übernachtungskosten (…€/Tag, ca. …€)
– [evtl. Auflistung weiterer Kosten]
Der Rückzahlungsbetrag vermindert sich nach Beendigung der Fortbildung ratierlich für jeden vollen
Monat der Beschäftigung um 1/36 des gewährten Betrages. Der Rückzahlungsbetrag wird mit Zu-
gang der Kündigung sofort fällig und ist binnen 14 Tagen auf ein vom Arbeitgeber benanntes Konto
zurückzuzahlen [ggf. alternativ: Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Rückzahlungsforderung mit noch
ausstehenden Gehaltsforderungen des Arbeitnehmers unter Wahrung der geltenden Pfändungsfrei-
grenzen zu verrechnen.].
Eine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers entsteht auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis
aus den in Abs. 1 genannten Gründen vor Abschluss der Fortbildungsmaßnahme beendet wird. Der
Arbeitnehmer ist dann zur Rückzahlung der durch den Arbeitgeber bereits erstatteten Beträge ver-
pflichtet.
Falls der Arbeitnehmer die Fortbildung aus Gründen die er zu vertreten hat, nicht erfolgreich beendet,
ist er zur Rückzahlung der durch den Arbeitgeber bereits erstatteten Beträge verpflichtet. Der Rück-

Powietzka
276 Kapitel 7 Regelungen zur Aus- und Weiterbildung

zahlungsanspruch entsteht mit dem endgültigen Abbruch der Fortbildung bzw. mit dem endgültigen
Nichtbestehen entweder einer Zwischenprüfung, sofern diese Voraussetzung für die Fortsetzung der
Fortbildung ist, oder der Abschlussprüfung. Ein Abbruch innerhalb einer Überlegungsfrist von […]
Wochen/Monaten nach Beginn der Fortbildung ist hierbei jedoch unschädlich. Eine ratierliche Min-
derung des Rückzahlungsbetrages erfolgt im Falle des endgültigen Abbruchs oder des endgültigen
Nichtbestehens nicht. Der Rückzahlungsbetrag wird mit dem endgültigen Abbruch der Fortbildung
oder dem endgültigen Nichtbestehen sofort fällig und ist binnen 14 Tagen auf ein vom Arbeitgeber
benanntes Konto zurückzuzahlen.
Der Arbeitnehmer bestätigt mit seiner Unterschrift, dass die Regelungen zu dieser Rückzahlungsver-
pflichtung mit ihm persönlich besprochen wurden und von ihm verstanden und ausdrücklich akzep-
tiert wurden.

43 Soll eine 12-monatige Bildungsmaßnahme vor der Begründung eines Arbeitsverhält-


nisses durchgeführt werden,127 empfiehlt sich folgende Rückzahlungsvereinbarung.

Klauselmuster
Rückzahlungsvereinbarung
Der Vertragspartner verpflichtet sich, dem Unternehmen die von diesem für die Bildungsmaßnahme
aufgewendeten folgenden Kosten in Höhe von [insgesamt ca./maximal] [… €] zurückzuzahlen, wenn
nach erfolgreichem Abschluss der Bildungsmaßnahme aus Gründen, die der Vertragspartner zu ver-
treten hat, kein Arbeitsvertrag zwischen diesem und dem Unternehmen zustande kommt:
[Auflistung der Kostenart und der Berechnungsgrundlage, siehe vorheriges Klauselmuster]
Die Rückzahlungsverpflichtung besteht auch dann, wenn das zukünftige Arbeitsverhältnis vor Ablauf
von 3 Jahren durch eine nicht vom Unternehmen (Arbeitgeber) veranlasste Kündigung des Vertrags-
partners (Arbeitnehmer) oder aus einem Grund, der im Verhalten des Arbeitnehmers liegt oder durch
einen auf ausdrücklichen Wunsch des Arbeitnehmers geschlossenen Aufhebungsvertrag beendet
wird. Der Rückzahlungsbetrag vermindert sich nach Beendigung der Fortbildung ratierlich für jeden
vollen Monat der Beschäftigung um 1/36 des gewährten Betrages.
[Rückzahlungspflicht bei vorzeitigem Abbruch bzw. endgültigem Nichtbestehen der Bildungsmaß-
nahme, siehe vorheriges Klauselbeispiel]
Das Unternehmen verpflichtet sich zu prüfen, ob dem Vertragspartner im Anschluss an die von die-
sem erfolgreich (mindestens mit Note…) bestandene Bildungsmaßnahme ein Arbeitsplatz unter fol-
genden Rahmenbedingungen angeboten werden kann:
Beschäftigungsbeginn: […]
Beschäftigung als: […]
Umfang der Tätigkeit: […h/Woche]
Einstiegsgehalt: […€/Monat]
Dieses Angebot wird das Unternehmen dem Vertragspartner innerhalb von […] Tagen nach erfolgrei-
chem Abschluss der Bildungsmaßnahme unterbreiten. Erfolgt innerhalb der Frist kein Angebot durch
das Unternehmen, ist der Vertragspartner nicht zur Rückzahlung der in Abs. 1 genannten Kosten ver-
pflichtet. Ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht.

127 Vgl. Rn 35.

Powietzka
Kapitel 8
Nachvertragliche Pflichten

A. Herausgabe von Firmeneigentum und Unterlagen

I. H
 erausgabe von Firmeneigentum

Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses werden dem Arbeitnehmer üblicherweise 1


Gegenstände überlassen, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen. Dazu können
Schlüssel und Zugangskarten oder Werksausweise gehören, vor allem aber Arbeits-
mittel wie z. B. Werkzeuge, Arbeitskleidung, Kundenlisten, Zeichnungen, Prospekte
und Werbematerial oder Schriftstücke. Darüber hinaus erhalten Arbeitnehmer viel-
fach Mobiltelefone, Smartphones und Notebooks vom Arbeitgeber. Der Arbeitgeber
ist daran interessiert, diese Arbeitsmittel jedenfalls bei Beendigung des Arbeitsver-
hältnisses zurück zu erhalten. Ggf. kann ein Interesse an der Herausgabe auch bereits
während des Arbeitsverhältnisses bestehen. Dasselbe gilt in besonderem Maße, wenn
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Dienstwagen überlässt.
In all diesen Fällen, in denen der Arbeitgeber Eigentümer der Gegenstände bleibt, 2
besteht auch ohne vertragliche Regelung in aller Regel ein Herausgabeanspruch.
Der Arbeitnehmer ist hinsichtlich der ihm zur Verfügung gestellten Sachen regelmä-
ßig nur Besitzdiener im Sinne des § 855 BGB1. Unmittelbarer Besitzer der dienstlichen
Gegenstände bleibt der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat die tatsächliche Gewalt
über die entsprechenden Gegenstände in der Weise auszuüben, dass er den Weisun-
gen des Arbeitgebers Folge zu leisten hat. Daraus folgt, dass der Arbeitgeber berechtigt
ist, jederzeit – ob während des Arbeitsverhältnisses oder bei dessen Beendigung – die
überlassenen Gegenstände vom Arbeitnehmer heraus zu verlangen. Dazu bedarf es
keiner arbeitsvertraglichen Regelung. Verweigert der Arbeitnehmer die Herausgabe,
begründet dies einen Besitzentzug durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB).
Sofern der Arbeitnehmer durch ein solches Verhalten die weisungsgebundene Aus-
übung der Sachgewalt beendet und damit Eigenbesitz an den Gegenständen begrün-
det, ergeben sich die Herausgabeansprüche des Arbeitgebers aus §§ 861, 862 BGB und
aufgrund seiner Eigentümerstellung aus § 985 BGB.2
Überlässt hingegen der Arbeitgeber dem Mitarbeiter Arbeitsmittel, mit denen er 3
weisungsfrei und eigenverantwortlich verfahren kann, so ist der Mitarbeiter nicht
Besitzdiener, sondern Besitzer. Dies kann beispielsweise bei Überlassung eines
Dienstwagens, eines Notebooks oder eines Smartphones auch zur privaten Nutzung

1 BAG, Urt. v. 17.09.1998 – 8 AZR 175/97; BGH, Urt. v. 30.01.2015 – V ZR 63/13; Preis/Preis, Der Arbeits-
vertrag, II H 40, Rn. 6.
2 LAG Berlin, Urt. v. 26.05.1986 – 9 Sa 24/86.

Powietzka
278 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

der Fall sein. Aufgrund des Rechts zur auch privaten Nutzung kann dem Arbeitnehmer
dann für die Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Besitzrecht (§ 986 BGB) zustehen,
das Herausgabeansprüchen des Arbeitgebers entgegensteht.3 Dieses Besitzrecht ent-
fällt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so dass der Arbeitgeber dann wieder
gemäß § 985 BGB die Herausgabe verlangen kann.
4 Für diejenigen Fälle, in denen der Arbeitnehmer unmittelbarer Besitzer der Gegen-
stände ist oder dies zumindest zweifelhaft sein kann, empfiehlt sich eine Regelung im
Arbeitsvertrag, die dem Arbeitgeber das Recht zur jederzeitigen Herausgabe des Fir-
meneigentums bereits während des bestehenden Arbeitsverhältnisses erlaubt.4 Für
alle anderen Fälle, in denen der Arbeitnehmer (nur) Besitzdiener ist, hat die arbeits-
vertragliche Herausgabeklausel darüber hinaus eine klarstellende Funktion. Sie ver-
deutlicht dem Arbeitnehmer, dass er auf Aufforderung jederzeit zur Herausgabe des
Firmeneigentums verpflichtet bleibt.

II. Herausgabe von Geschäftsunterlagen und Arbeitsergebnissen

5 In der Regel wird der Arbeitgeber spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnis-
ses indes nicht nur die in seinem Eigentum stehenden Gegenstände zurückfordern
wollen, sondern – unabhängig von der Eigentumslage – auch sämtliche Geschäfts-
unterlagen und vom Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seinem Verhältnis ange-
fertigte Aufzeichnungen, Notizen und Kopien und Dateien, die er beispielsweise für
bestimmte Vertriebsaktivitäten, Entwicklungsprojekte o. ä. selbst angefertigt hat. Für
vom Arbeitnehmer selbst angefertigte Dokumente ist es jedenfalls nicht eindeutig,
dass diese Eigentum des Arbeitgebers werden. Denkbar ist ein Eigentumserwerb
durch Verarbeitung gemäß § 950 BGB.5 Der Arbeitgeber wird daher häufig auch von
Karteien, Skizzen, Entwürfen, Zeichnungen, Mitschrieben und Computerdateien, die
der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Aufgaben erstellt hat, Eigentümer sein, so dass
Herausgabeansprüche gemäß § 985 BGB sowie §§ 861, 862 BGB gegeben sein dürften.
Im Regelfall wird dies jedoch dahinstehen können. Denn der Arbeitnehmer ist ent-
sprechend § 667 BGB verpflichtet, dem Arbeitgeber alles, was er zur Ausführung der
ihm übertragenen Arbeit erhalten und was er aus dem Arbeitsverhältnis erlangt
hat, herauszugeben. Zur Ausführung der übertragenen Arbeit in diesem Sinne erhal-
ten hat der Mitarbeiter alles, was ihm zum Zwecke der Durchführung des Arbeits-
verhältnisses vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist; aus dem Arbeits-
verhältnis erlangt ist jeder Vorteil, den der Arbeitnehmer aufgrund eines inneren

3 Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 40, Rn. 8.


4 Zum Anspruch auf Herausgabe eines Dienstwagens siehe Kap. 4 Rn. 194 f.
5 Schaub/Koch, Arbeitsrechtshandbuch, § 113, Rn. 10; Preis/Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 40, Rn. 11.

Powietzka
A. Herausgabe von Firmeneigentum und Unterlagen 279

Zusammenhangs mit dem Arbeitsverhältnis erhalten hat.6 Folglich ist der Arbeitge-
ber verpflichtet, selbst in seinem Eigentum stehende Gegenstände, Aufzeichnungen
usw., die er im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erhalten oder erstellt hat,
an den Arbeitgeber herauszugeben. Die Verpflichtung umfasst auch die Übertragung
des Eigentums daran. Der Herausgabeanspruch des Arbeitgebers erstreckt sich bei-
spielsweise auch auf beruflich erlangte Daten, die der Arbeitnehmer auf seinen priva-
ten Smartphone gespeichert haben mag.7
Dem Arbeitgeber stehen damit auch bezüglich der nicht in seinem Eigentum 6
stehenden Gegenstände, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis in den
Besitz des Arbeitnehmers gelangt sind, weitreichende Herausgabeansprüche zu. Eine
arbeitsvertragliche Klausel dient auch insoweit überwiegend der Klarstellung und
daneben der rechtssicheren Regelung des Herausgabeanspruchs.

III. Zurückbehaltungsrechte

Gerade im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses könnte 7


sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Herausgabeverlangen unter Umständen auf
Zurückbehaltungsrechte berufen mit der Begründung, ihm stünden seinerseits noch
Ansprüche gegen den Arbeitgeber zu, die nicht ordnungsgemäß erfüllt worden seien.
Um Streitigkeiten hierüber zu vermeiden, enthalten viele Herausgabeklauseln in
Arbeitsverträgen eine Bestimmung, wonach dem Arbeitnehmer die Ausübung eines
Zurückbehaltungsrechts gegenüber dem Herausgabeverlangen versagt wird.
Soweit der Arbeitnehmer als Besitzdiener anzusehen ist8, stehen ihm ohnehin 8
keine Zurückbehaltungsrechte zu. Denn der Besitzdiener ist nur im Rahmen der
Weisungen des Besitzers zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Sache
berechtigt.9 Der vertragliche Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts hat somit
nur klarstellende Funktion. Anders ist dies, wenn der Arbeitnehmer unmittelbarer
Besitzer ist, z. B. bei einem auch zur privaten Nutzung überlassenen Notebook oder
iPhone. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer gegenüber dem Herausgabebegehren
ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Der vertragliche Ausschluss des Zurück-
behaltungsrechts dürfte hier gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 2b BGB verstoßen
und daher unwirksam sein. Inwieweit der Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts

6 BAG, Urt. v. 14.12.2011 – 10 AZR 283/10; dies gilt beispielsweise auch für Bonusmeilen, die ein Ar-
beitnehmer im Rahmen eines Vielfliegerprogramms („Miles and More“) für dienstliche Reisen erlangt
hat, BAG Urt. v. 11.04.2006 – 9 AZR 500/05.
7 Vgl. dazu Göpfert/Wilke, NZA 2012, 765.
8 s. o. Rn. 2 f.
9 Näher dazu Kap. 3 Rn. 86.

Powietzka
280 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

allerdings aufgrund der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2


BGB) gerechtfertigt ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht geklärt.10

IV. Klauselmuster

9 Eine arbeitsvertragliche Regelung zur Herausgabe von Firmeneigentum und


Geschäftsunterlagen kann wie folgt formuliert werden:

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, jederzeit auf entsprechende Aufforderung des Arbeitgebers, spä-
testens und unaufgefordert aber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Unterlagen, Gegen-
stände und Arbeitsmittel, die Eigentum des Unternehmens, verbundener Unternehmen oder Kunden
sind, sowie sämtliche Unterlagen, die er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit angefertigt hat, ein-
schließlich sämtlicher Geschäftsdokumente, Notizen, Zeichnungen und Muster, an den Arbeitgeber
herauszugeben. Diese Verpflichtung bezieht sich gleichermaßen auf Originale, Kopien und Dateien,
gleich auf welchem Datenträger. Dem Arbeitnehmer steht an diesen Gegenständen kein Zurückbe-
haltungsrecht zu.

B. N
 achvertragliche Verschwiegenheitspflicht

10 Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wird ein Arbeitnehmer häufig mit vertrauli-


chen Informationen über das Unternehmen des Arbeitgebers in Berührung kommen,
an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat. Dabei kann
es um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehen, deren Schutz durch das Grund-
recht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) gewährleistet ist.11 Fertigungsverfahren,
Kundenlisten, aber auch Informationen über Unternehmensstrukturen und –interna
sowie jegliches technisches und kaufmännisches Knowhow wird der Arbeitgeber
nicht in den Händen von Wettbewerbern sehen wollen. Scheiden Mitarbeiter aus, die
mit solchen Informationen in Kontakt gekommen sind, wird der Arbeitgeber daher
verhindern wollen, dass diese ihre Informationen im Rahmen einer neuen berufli-
chen Tätigkeit – sei es auf selbstständiger Grundlage oder als Angestellter in einem
Konkurrenzunternehmen – verwerten und weitergeben oder diese Informationen gar
(gewissermaßen als „Informationshändler“) am Markt anbieten. Deshalb werden
arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln12 häufig auf den Zeitraum nach Been-
digung des Arbeitsverhältnisses ausgedehnt. In welchem Umfang dem Arbeitnehmer
die Verwertung (rechtmäßig erlangter) Informationen einschließlich der Betriebs-

10 Siehe dazu Kap. 3 Rn. 87.


11 BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 – 1 BvR 2087/03.
12 Siehe dazu Kap. 5 Rn. 111 ff.

Powietzka
B. Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht 281

und Geschäftsgeheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers zulässiger Weise unter-


sagt werden kann, ist jedoch im Einzelnen sehr umstritten.

I. Rechtliche Ausgangslage

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – also Tatsachen, die im Zusammenhang mit 11


einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt
sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten
sind13 – sind durch §§ 17, 18 UWG gesetzlich geschützt. Diese Bestimmungen schaffen
jedoch keinen umfassenden Schutz solcher Geheimnisse. Der Verrat von Geschäfts-
und Betriebsgeheimnissen wird von § 17 Abs. 1 UWG nur während der Dauer des
Dienstverhältnisses unter Strafe gestellt. § 17 Abs. 2 UWG verbietet die Verwertung
solcher Geheimnisse nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn das Geheim-
nis unbefugt erlangt wurde; die Vorschrift erfasst somit nicht die Verwertung recht-
mäßig erlangter Informationen. § 18 UWG stellt schließlich die unbefugte Verwertung
oder Mitteilung von im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschrif-
ten technischer Art zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unter Strafe. In
wettbewerbsrechtlicher Sicht ist allgemein anerkannt, dass ein ausgeschiedener Mit-
arbeiter die während der Beschäftigungszeit erworbenen Kenntnisse grundsätzlich
unbeschränkt verwenden darf, wenn er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt.14 Dies
bezieht sich jedoch nur auf Informationen, die er in seinem Gedächtnis bewahrt hat.15
Die Verwendung unbefugt entwendeter oder zurück gehaltener Aufzeichnungen über
Geschäftsgeheimnisse unterliegen hingegen dem Straftatbestand des § 17 Abs. 2 Nr. 2
UWG.
Darüber hinaus besteht nach der Rechtsprechung des BAG eine nachvertragli- 12
che Verschwiegenheitspflicht als nachwirkende Nebenpflicht aus dem Arbeitsver-
hältnis, wenn eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzel-
fall ergibt, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Geheimhaltung bestimmter
Umstände schutzwürdiger ist als das Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers
an seiner ungehinderten beruflichen Entfaltung.16 Davon abgesehen, endet die Ver-
schwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers grundsätzlich mit der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses.17 Selbst Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind daher ohne
arbeitsvertragliche Regelung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur unvoll-
kommen geschützt.

13 BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 476/86; BGH, Urt. v. 15.05.1955 – I ZR 111/53.


14 BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61; BGH, Urt. v. 27.04.2006 – I ZR 126/03.
15 BGH, Urt. v. 14.01.1999 – I ZR 2/97; BGH, Urt. v. 27.04.2006 – I ZR 126/03.
16 Vgl. BAG, Urt. v. 15.06.1993 – 9 AZR 558/91.
17 BGH, Urt. v. 16.11.1954 – I ZR 180/53; Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II V 20, Rn. 52.

Powietzka
282 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

II. Rechtsprechung des BAG

13 Wie weit die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht über Betriebs- und Geschäfts-


geheimnisse nach Ende des Arbeitsverhältnisses reicht, ist im Einzelfall nur schwer
zu bestimmen. Die Rechtsprechung des BAG hat sich damit in mehreren Entschei-
dungen mit unterschiedlichen Ergebnissen befasst, ohne dass den Urteilen jedoch
eine klare Linie zu entnehmen wäre. Da die Reichweite der ohnehin bestehenden
nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers recht undurchsichtig
ist, bereitet es im Bereich der Vertragsgestaltung erhebliche Probleme, mit der not-
wendigen Sicherheit festzustellen, in welchem Umfang und über welche Umstände
dem Arbeitnehmer eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht auferlegt werden
kann, wann die Vertragsklausel das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers
ungerechtfertigt beeinträchtigt und unter welchen Voraussetzungen sie als nachver-
tragliche Wettbewerbsbeschränkung einzuordnen ist, die gemäß § 74 ff. HGB nur bei
Zusage einer entsprechenden Karenzentschädigung wirksam wäre.18
14 Der Umfang der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden nachvertraglichen
Verschwiegenheitspflicht lässt sich nach der Rechtsprechung des BAG nur aus einer
Abwägung unter Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls bestimmen.19
Die dabei maßgebenden Kriterien werden in den einzelnen Entscheidungen jedoch
leider nur unzureichend deutlich. In der bekannten „Thrombosol“-Entscheidung
hielt das BAG eine vertraglich eng begrenzte Geheimhaltungsverpflichtung für
wirksam. Der Leiter eines Entwicklungslabors hatte sich zur Geheimhaltung einer
bestimmten Rezeptur für ein Arzneimittel verpflichtet. Das BAG sah darin keine den
§ 74 ff. HGB unterfallende nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkung. Die nach-
vertragliche Pflicht, Betriebsgeheimnisse zu wahren, schränke die berechtigten
Interessen des Arbeitnehmers nicht unzulässig ein. Die weitere Entwicklung im
Berufsleben könne regelmäßig nicht daran scheitern, dass es dem Arbeitnehmer ver-
wehrt sei, seinen künftigen beruflichen Erfolg gerade auf die Preisgabe oder Verwer-
tung eines bestimmten Betriebsgeheimnisses zu gründen. Eine Konkurrenztätigkeit
werde dadurch nicht ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer stehe im weiteren Berufsle-
ben nicht anders als andere Mitarbeiter, denen das Geheimnis erst gar nicht bekannt
geworden sei.
15 Während der Schutz von Betriebsgeheimnissen hier noch als selbstverständlich
vorausgesetzt zu werden scheint, liest sich der sog. „Kundenschutz“-Fall deutlich
anders.20 Hier hatte sich ein im Außendienst tätiger Weinberater verpflichtet, nach
Beendigung des Arbeitsvertrags die Namen der Kunden in keiner Weise für sich oder
einen Dritten zu verwenden. Das BAG sah darin eine gegen die §§ 74 ff. HGB versto-

18 Siehe dazu Kap. 8 C.


19 Grundlegend: BAG, Urt. v. 16.03.1982 – 3 AZR 83/79.
20 BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 476/86.

Powietzka
B. Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht 283

ßende und daher unwirksame Wettbewerbsabrede. Zwar könne eine Kundenliste ein
Betriebsgeheimnis darstellen, an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein legitimes
Interesse habe. Eine Geheimhaltungsklausel dürfe jedoch nur soweit gehen, dass
dem Arbeitnehmer die unmittelbare Verwertung der Kundenliste, etwa durch Veräu-
ßerung an ein Konkurrenzunternehmen, verboten werde. Die Verwertung der Kun-
dendaten im Rahmen seiner eigenen Berufsausübung könne dem Arbeitnehmer
jedoch nicht verwehrt werden. Insbesondere könne dem Arbeitnehmer nicht verbo-
ten werden, die betreffenden Kunden für ein eigenes Unternehmen oder einen neuen
Arbeitgeber zu umwerben.
Ebenso betont das BAG im „Titandioxid“-Fall21 das Recht des Arbeitnehmers, bei 16
Fehlen einer den §§ 74 ff. HGB entsprechenden Wettbewerbsabrede im Wettbewerb zu
seinen ehemaligen Arbeitnehmer zu treten und auch in seinen Kundenkreis einzu-
dringen. Die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht sei begrenzt auf das Verbot
einer Verwertung durch Weitergabe der geheim zuhaltenden Tatsachen: Diese Kennt-
nisse dürfe der Arbeitnehmer nicht veräußern und auf diese Weise für sich verwerten.
Die nachvertragliche Treuepflicht könne jedoch nicht dazu führen, dem Arbeitneh-
mer die Verwertung eigener Kenntnisse und seines beruflichen Erfahrungswis-
sens bei der Beratung und Vertretung eines Konkurrenzunternehmens zu versagen.
In der „Kantenbänder“-Entscheidung22 ging es schließlich um einen Entwick- 17
lungsleiter, der sich im Aufhebungsvertrag verpflichtet hatte, über alle ihm bekannt
gewordenen Geschäftsvorgänge, insbesondere technische Verfahrensabläufe,
Rezepturen, Werkzeugkonzeptionen, Kunden, Preise und Produkte, bezogen auf
die Produktion der Arbeitgeberin von Kantenbändern, auch nach Beendigung des
Arbeitsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren. Die nach Gründung eines Kon-
kurrenzunternehmens von der Arbeitgeberin erhobene Unterlassungsklage blieb
erfolglos. Das BAG betonte erneut das Recht des Arbeitnehmers, sein im Arbeitsver-
hältnis erworbenes Erfahrungswissen einschließlich der Kenntnis von Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnissen einzusetzen und in den Kundenkreis des Arbeitgebers einzu-
dringen. Zwar könnten die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass der Arbeitneh-
mer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein bestimmtes Betriebsgeheimnis
des Arbeitgebers auf Dauer nicht für eine eigene berufliche Tätigkeit nutzt. Die dem
Entwicklungsleiter auferlegt nachvertragliche Schweigepflicht betreffe aber nicht ein
oder mehrere konkret festgelegte Betriebsgeheimnisse, sondern beziehe sich unter-
schiedslos auf alle Geschäftsvorgänge. Damit werde ihm jede berufliche Verwertung
seiner in diesem Geschäftsbereich erworbenen Kenntnisse verwehrt und die Grenze
zum entschädigungspflichtigen Wettbewerbsverbot überschritten.

21 BAG, Urt. v. 15.06.1993 – 9 AZR 558/91.


22 BAG, Urt. v. 19.05.1998 – 9 AZR 394/97.

Powietzka
284 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

III. F olgerungen

18 Diese stets auf den jeweiligen Einzelfall bezogenen Abwägungsgesichtspunkte lassen


im Wesentlichen zwei Schlussfolgerungen zu: Zum einen stellt das BAG darauf ab, in
welcher Form das Betriebsgeheimnis verwertet wird. Das BAG geht zumindest in den
neueren Entscheidungen davon aus, dass der Arbeitnehmer Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisse seines früheren Arbeitgebers nicht außerhalb eines Arbeitsverhältnisses
an interessierte Dritte weitergeben oder veräußern darf; dagegen soll dem Arbeit-
nehmer offenbar eine Verwertung seiner Kenntnisse und seines beruflichen Erfah-
rungswissens einschließlich der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse seines frühe-
ren Arbeitgebers im Rahmen einer eigenen beruflichen Tätigkeit nicht versagt
werden können.23 Zum anderen sind Umfang, Reichweite und Auswirkungen der
Geheimhaltungsverpflichtung zu berücksichtigen. Wird dem Arbeitnehmer nur die
Geheimhaltung eines einzelnen oder weniger Betriebs- und Geschäftsgeheim-
nisse abverlangt, wird dadurch seine weitere berufliche Tätigkeit nicht nennens-
wert eingeschränkt. Wesentlich kritischer sieht das BAG Klauseln, die entweder auf-
grund des Umfangs der geheim zuhaltenden Tatsachen („alle bekannt gewordenen
Geschäftsvorgänge“ im Kantenbänderfall) oder aufgrund der Auswirkungen auf die
zukünftige Berufstätigkeit (Kundenliste des Weinberaters) eine spätere Tätigkeit des
Arbeitnehmers in derselben Branche ausschließen oder erheblich erschweren.24
19 Wie diese beiden unterschiedlichen Erwägungen in der Gesamtabwägung mit-
einander in Einklang zu bringen sind, bleibt bislang weitgehend unklar.25 Das BAG
hält zwar eine Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des ehemaligen
Arbeitgebers im Rahmen einer eigenen beruflichen Tätigkeit für weitgehend zulässig;
soweit damit keine erhebliche Beschränkung des beruflichen Fortkommens verbun-
den ist, sind aber auch hier nachvertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen zulässig
(siehe den „Thrombosol“-Fall). Für die Vertragsgestaltung kann aus den dargestellten
BAG-Entscheidungen jedenfalls die Lehre gezogen werden, dass sich nachvertragli-
che Geheimhaltungspflichten auf eng begrenzte Sachverhalte beziehen sollten. Je
geringer die Anzahl der geheim zuhaltenden Umstände ist, desto höher ist die Wahr-
scheinlichkeit, dass damit keine erhebliche Beschränkung der weiteren beruflichen
Tätigkeit des Arbeitnehmers verbunden und die Klausel daher als wirksam erachtet
werden wird. Abzuraten ist dagegen von weit gefassten „All-Klauseln“, die dem
Arbeitnehmer die Verwendung und Weitergabe sämtlicher betrieblicher Angelegen-
heiten oder aller Geschäftsvorgänge verbieten sollen. Daher sollten die geheimhal-

23 Siehe dazu auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 121; Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II V
20, Rn. 54.
24 Siehe dazu Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 122 ff.
25 Siehe auch Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II V 20, Rn. 54, wonach die Grenzlinie sehr schmal sein
kann und die Ergebnisse gerichtlicher Auseinandersetzungen hierüber „kaum vorhersehbar“ seien.

Powietzka
B. Nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht 285

tungsbedürftigen Aspekte möglichst konkret in der Klausel bezeichnet werden. Dies


macht es erforderlich, die nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung auf den
jeweiligen Einzelfall zuzuschneiden. Zu den Geschäftsgeheimnissen, die der Ver-
schwiegenheitspflicht unterworfen werden können, zählen etwa Umsätze, Ertrags-
lage, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Warenbezugsquellen, Preiskonditionen, Markt-
strategien, Bilanzen, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen,
Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, die die
wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebs maßgeblich bestimmen können.26

Praxistipp
Von der Verwendung allgemein gehaltener Muster, die für sämtliche Arbeitsverträge einheitlich ver-
wendet werden, ist dagegen abzuraten. Weitgefasste „All-Klauseln“ werden in der Regel als unange-
messene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 BGB unwirksam sein.27

Um zu vermeiden, dass die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht im Rahmen 20


einer späteren beruflichen Tätigkeit des ausgeschiedenen Mitarbeiters zu einer unver-
hältnismäßigen Beschränkung seiner Berufsausübung führen kann, wird darüber
hinaus empfohlen, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung von der
Verschwiegenheitspflicht einzuräumen, wenn er in seinem beruflichen Fortkom-
men unangemessen eingeschränkt werden sollte.28 Die Verankerung eines solchen
Freistellungsanspruchs reduziert das Risiko, dass die Klausel im Streitfall von den
Gerichten insgesamt als unwirksam angesehen werden könnte.

IV. Klauselmuster

Da das BAG letztlich immer eine Abwägung anhand der Umstände des Einzelfalls 21
fordert, wird es nicht möglich sein, eine nachvertragliche Verschwiegenheitsklausel
zu formulieren, die mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern wirksam vereinbart werden
könnte. Auch sorgfältig formulierte Verschwiegenheitsabreden sind stets mit einer
nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit behaftet.29 Es schadet sicherlich nicht, die
Klausel zu Verschwiegenheitspflichten des Arbeitnehmers während des Arbeitsver-
hältnisses dahin zu ergänzen, dass die Pflicht zur Geheimhaltung auch nach Been-
digung des Arbeitsverhältnisses fortdauert.30 Im Streitfall wird diese Regelung aber

26 Siehe BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 – 1 BVR 2087/03; BAG, Urt. v. 26.09.1990 – 2 AZR 602/89.
27 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn. 714; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn. 794; Preis/Rolfs, Der Ar-
beitsvertrag, II V 20 Rn. 58.
28 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn. 797.
29 Ebenso Preis/Rolfs, Der Arbeitsvertrag, II V 20 Rn. 65.
30 Siehe dazu Kap. 5 Rn. 111 ff. und das Klauselmuster Kap. 5 Rn. 138.

Powietzka
286 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

mit hoher Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten. Zu


empfehlen ist, nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen nicht bereits mit
Abschluss des Arbeitsvertrags, sondern konkret bezogen auf bestimmte Projekte
und Aufgaben abzuschließen. So kann beispielsweise mit einem Arbeitnehmer der
Entwicklungsabteilung, der an der Entwicklung eines neuen Produkts beteiligt ist,
eine Verschwiegenheitsvereinbarung über die wesentlichen, das Projekt betreffenden
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vereinbart werden.

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus über die
folgenden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers gegenüber jedermann Stillschwei-
gen zu bewahren und diese auch im Rahmen einer späteren beruflichen Tätigkeit nicht zu verwerten
oder zu nutzen:
– Produktions- und Fertigungsverfahren
– Einkaufspreise und Kalkulationsgrundlagen
– Kunden- und Preislisten (…).
Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch gegenüber Mitarbeitern des Arbeitgebers, die mit den jeweili-
gen Vorgängen nicht unmittelbar betraut sind.
Sollte die nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fort-
kommen unverhältnismäßig beeinträchtigen, kann er vom Arbeitgeber die Freistellung von dieser
Verpflichtung verlangen. Der Arbeitnehmer wird darauf hingewiesen, dass Geheimnisverrat gemäß
§ 17 UWG strafbar ist. Außerdem kann ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung zu
rechtlichen Konsequenzen wie z. B. einer (auch fristlosen) Kündigung und Schadensersatzansprü-
chen führen.

22 Um die nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtung effektiv abzusichern, sollte


außerdem eine Vertragsstrafenregelung aufgenommen werden.31

C. N
 achvertragliche Wettbewerbsverbote

I. G
 esetzliche Grundlagen

23 Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses unterliegt der Arbeitnehmer auch


ohne vertragliche Regelung einem umfassenden Wettbewerbsverbot. Aufgrund der
allgemeinen vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Ver-
tragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB) hat der Arbeitnehmer grundsätzlich alles zu unter-
lassen, was den Interessen seines Arbeitgebers schadet. Dazu gehört insbesondere
die Verpflichtung, nicht in Wettbewerb zum Arbeitgeber zu treten und Wettbewerber
nicht zu unterstützen. Dagegen gilt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

31 Siehe dazu Rn. 82 ff.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 287

der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit.32 Der Arbeitnehmer unterliegt mit wirksa-


mer Vertragsbeendigung keinen Wettbewerbsbeschränkungen mehr im Verhältnis
zu seinem ehemaligen Arbeitgeber. Er kann daher ab dem ersten Tag nach Vertrags-
beendigung in Wettbewerb zu ihm treten, solange er die gesetzlichen Grenzen (ins-
besondere §§ 3, 17, 18 UWG, § 823 Abs. 1, § 826 BGB) einhält. Er darf Kunden seines
ehemaligen Arbeitgebers abwerben und sich auch um bereits zu Gunsten des bishe-
rigen Arbeitgebers angebahnte Geschäfte bemühen. Ausnahmen bestehen nur in eng
begrenzten Fallkonstellationen. Hat ein Arbeitnehmer für seinen Arbeitgeber einen
Kundenauftrag soweit vorbearbeitet, dass die endgültige Auftragserteilung nur noch
eine Formsache ist und scheidet sodann vor Erteilung des Auftrags aus, so verbietet
nach Ansicht des BAG die nachvertragliche Rücksichtspflicht (§ 242 BGB) dem Arbeit-
nehmer, die endgültige Auftragserteilung zu vereiteln.33
Will der Arbeitgeber Wettbewerbshandlungen über das Ende des Arbeitsverhält- 24
nisses hinaus verhindern, bedarf es einer nachvertraglichen Wettbewerbsabrede.
Solche nachvertraglichen Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern sind grundsätzlich
zulässig, jedoch sehen die §§ 74 ff. HGB i. V. m. § 110 GewO für solche Vereinbarungen
enge Grenzen vor. Die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB, die nach ihrem
Wortlaut nur für Handlungsgehilfen gelten, wurden nach ständiger Rechtsprechung
des BAG schon seit langem für alle Arbeitsverhältnisse – auch für gewerbliche
Arbeitnehmer – angewendet. Seit 01.01.2003 wird dies durch § 110 GewO gesetzlich
klargestellt34. Die für technische Angestellte bis dahin noch geltende Sonderregelung
des § 133f GewO konnte daher aufgehoben werden. Aufgrund der umfassenden Ver-
weisung in § 110 GewO bilden die §§ 74 ff. HGB somit die einheitliche Rechtsgrundlage
für nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern.
Diese gesetzlichen Beschränkungen gelten gleichermaßen für Wettbewerbsabre- 25
den, die vor Abschluss eines Arbeitsvertrags, vor oder während der Dauer des Arbeits-
verhältnisses oder etwa während des Laufs der Kündigungsfrist vereinbart werden.35
Dagegen sind die §§ 74 ff. HGB nicht anzuwenden, wenn ein Wettbewerbsverbot
erst zu einem Zeitpunkt vereinbart wird, in dem ein Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien nicht mehr besteht.36 Wird das Wettbewerbsverbot jedoch noch im Zusam-
menhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Abwicklung vereinbart – etwa als

32 Vgl. BAG, Urt. v. 19.05.1998 – 9 AZR 394/97; MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 1.


33 BAG, Urt. v. 08.12.1967 – 3 AZR 22/67.
34 MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 8.
35 OLG Köln, Urt. v. 03.12.1993 – 6 U 140/93; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 9; MüKo/HGB-v.Hoyningen-
Huene, § 74 Rn. 20.
36 BAG, Urt. v. 11.03.1968 – 3 AZR 37/67; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 75; Preis/Stoffels, Der
Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 1.

Powietzka
288 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

Bestandteil eines Aufhebungsvertrags oder eines Vergleichs im Kündigungsschutz-


verfahren – sind die §§ 74 ff. HGB anwendbar.37
26 Unzulässig sind nachvertragliche Wettbewerbsvereinbarungen mit Auszubil-
denden. § 12 Abs. 1 BBiG erklärt Vereinbarungen, die den Auszubildenden für die Zeit
nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung der beruf-
lichen Tätigkeit beschränken, für nichtig. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich
Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des Ausbildungsverhältnisses
dazu verpflichten, nach dessen Beendigung mit dem Ausbildenden ein Arbeitsver-
hältnis einzugehen (§ 12 Abs. 1 S. 2 BBiG). Gemäß § 26 BBiG ist das gesetzliche Verbot
nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen für Praktikanten, Volontäre und
andere Personen, die zum Erwerb beruflicher Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten
oder beruflicher Erfahrungen eingestellt werden, entsprechend anzuwenden.

II. Formelle Wirksamkeitsvoraussetzungen

27 Aufgrund der weitreichenden Bedeutung, die ein nachvertragliches Wettbewerbsver-


bot für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers haben kann, sieht § 74 Abs. 1
HGB besondere formelle Voraussetzungen vor. Danach bedarf ein Wettbewerbsverbot
zu seiner Wirksamkeit der Schriftform und der Aushändigung einer vom Arbeitge-
ber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den
Gehilfen. Zweck der Regelung ist ihre Warnfunktion, die den Arbeitnehmer vor einer
übereilten Unterzeichnung der Wettbewerbsabrede schützen soll, sowie eine Doku-
mentationsfunktion. Die Schriftform vermeidet, dass möglicherweise viele Jahre
nach Abschluss der Vereinbarung über deren genauen Inhalte gestritten wird.

1. Regelung im Arbeitsvertrag
28 Trotz der strengen Formanforderungen muss das nachvertragliche Wettbewerbsver-
bot jedoch nicht in einer gesonderten Urkunde vereinbart werden. Die Wettbewerbs-
abrede kann auch in den schriftlichen Arbeitsvertrag aufgenommen werden,
sofern die Vorgaben des § 74 Abs. 1 HGB gewahrt sind, dem Arbeitnehmer also eine
vom Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde des Vertrags übergeben wird.38 Wird die
Wettbewerbsklausel in den Arbeitsvertrag integriert, steht dies auch unter AGB-recht-
lichen Gesichtspunkten der wirksamen Einbeziehung nicht entgegen. Wettbewerbs-
verbote sind in der arbeitsrechtlichen Praxis durchaus üblich; es handelt sich daher

37 So BAG, Urt. v. 03.05.1994 – 9 AZR 606/92; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn. 9; einschränkend bei Aufhe-
bungsverträgen mit sofortiger Wirkung: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 77.
38 Hümmerich/Reufels/Borgmann, Rn. 4254.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 289

nicht per se um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB.39 Dies
gilt auch dann, wenn die Wettbewerbsklausel nicht besonders hervorgehoben und
nicht durch eine gesonderte Überschrift gekennzeichnet ist.40

Praxistipp
Eine überraschende und damit nicht wirksam vereinbarte Klausel kann aber gegeben sein, wenn die
nachvertragliche Wettbewerbsabrede unter einer irreführenden Überschrift „versteckt“ wird.41 Zur
Vermeidung unnötiger Zweifel empfiehlt es sich, die Wettbewerbsabrede durch die Überschrift „Wett-
bewerbsverbot“ oder „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ klar hervorzuheben.

2. S chriftform
Die Wahrung der von § 74 Abs. 1 HGB geforderten Schriftform richtet sich nach § 126 29
BGB. Erforderlich sind die schriftliche Fixierung der Vertragsbestimmungen und die
Unterschrift beider Parteien. Dabei müssen nicht zwingend beide Parteien auf der-
selben Urkunde unterschreiben; es genügt, wenn zwei gleichlautende Urkunden auf-
gesetzt werden und jede Partei die für die jeweils andere Partei bestimmte Urkunde
unterschreibt (§ 126 Abs. 2 BGB). Erforderlich sind jedoch die Original-Unterschriften.
Per Telefax oder als eingescanntes Dokument versandte E-Mails reichen nicht. Gemäß
§ 126a BGB kann die Schriftform indes auch durch ein elektronisches Dokument mit
qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz ersetzt werden. Ist die
Schriftform nicht eingehalten, ist das Wettbewerbsverbot gemäß § 125 BGB nichtig.42

3. Aushändigung
Über die gesetzliche Schriftform hinaus verlangt § 74 Abs. 1 HGB zur Wirksamkeit des 30
nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, dass dem Arbeitnehmer eine vom Arbeitge-
ber unterzeichnete, die vereinbarten Bestimmungen enthaltende Urkunde ausge-
händigt wird. Entgegen der früheren Rechtsprechung geht das BAG davon aus, dass
das Aushändigungserfordernis keine Formvorschrift sei, deren Verletzung zur Form-
nichtigkeit gemäß § 125 BGB führe. Es handle sich vielmehr um eine bloße Dokumen-
tationsregelung. Bei unterlassener Aushändigung der Urkunde habe der Arbeitneh-
mer, der durch die Vorschrift geschützt werden solle, ein Wahlrecht, ob er das Verbot
einhalte oder nicht. Der Arbeitgeber könne sich hingegen nicht auf die unterbliebene

39 Ebenso: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 59.


40 ArbG Braunschweig, Urt. v. 13.10.2004 – 8 Ga 3/04.
41 BAG, Urt. v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94; vgl. LAG Hamm, Urt. v. 10.09.2004 – 7 Sa 918/04; Bauer/
Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 59. – Das BAG legt insoweit aber einen eher großzügigen Maßstab an,
vgl. BAG, Urt. v. 13.07.2005 – 10 AZR 532/04 zu einem aufschiebend bedingten Wettbewerbsverbot.
42 BAG, Urt. v. 14.07.2010 – 10 AZR 291/09.

Powietzka
290 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

Aushändigung der Urkunde berufen.43 Aufgrund dieser für den Arbeitgeber ungüns-
tigen Rechtsfolgen ist strikt darauf zu achten, dass die Formerfordernisse (Schrift-
form und Aushändigung der Urkunde) nachweisbar (!) eingehalten sind. Die Aushän-
digung der Urkunde muss daher dokumentiert werden. Zu diesem Zweck sollte der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer ein Empfangsbekenntnis unterzeichnen lassen.

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer bestätigt hiermit, dass er ein von der Arbeitgeberseite unterschriebenes Exemplar
des Arbeitsvertrags/der Vereinbarung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ausgehändigt er-
halten hat.

31 Verbreitet ist auch die Praxis, in den Arbeitsvertrag eine Klausel aufzunehmen, mit
der der Arbeitnehmer durch seine Unterschrift unter den Vertrag zugleich bestätigen
soll, ein Exemplar des Vertrags erhalten zu haben. Dadurch kann die Einhaltung der
Formvorschriften des § 74 Abs. 1 HGB jedoch nicht nachgewiesen werden, wenn es
sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Denn nach § 309 Nr. 12b
BGB sind solche Bestätigungen bestimmter Tatsachen gegenstandslos.44 Erforderlich
wäre nach dieser Vorschrift ein gesondert unterschriebenes Empfangsbekenntnis.

Fettnapf
Besondere Vorsicht ist bei der Verlängerung befristeter Arbeitsverträge geboten. Wird ein ursprüng-
lich befristeter Vertrag, der ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthielt, mündlich oder konklu-
dent verlängert, ohne dass dabei die Wettbewerbsabrede schriftlich erneuert wird, so soll die Wett-
bewerbsabrede unwirksam sein. Selbst wenn die Parteien ihre Geltung (konkludent) über das Ende
der bisherigen Befristung hinaus verlängert hätten, so sei diese Vereinbarung mangels Schriftform
formnichtig.45

III. Nichtigkeit und Unverbindlichkeit von Wettbewerbsverboten

32 Rechtliche Fehler bei Wettbewerbsverboten können unterschiedliche Rechtsfolgen


haben, derer man sich bereits bei der Gestaltung von Wettbewerbsabreden bewusst
sein sollte. Zu unterscheiden ist zwischen unverbindlichen (vgl. § 74a Abs. 1 HGB) und
nichtigen (vgl. § 74a Abs. 2 HGB) Wettbewerbsverboten.
33 Ein nichtiges Wettbewerbsverbot ist rechtlich bedeutungslos. Keine Partei kann
aus ihm Rechte herleiten.46 Das Wettbewerbsverbot ist schlicht rechtsunwirksam.

43 BAG, Urt. v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 29; kritisch
Diller, RdA 2006, 45.
44 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 217; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 29.
45 So LAG Hamm, Urt. v. 14.02.2007 – 14 Sa 114/07; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 29.
46 BAG, Urt. v. 13.09.1969 – 3 AZR 501/65.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 291

Dies ist gemäß § 74a Abs. 2 HGB dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des
Abschlusses minderjährig ist oder wenn sich der Arbeitgeber die Erfüllung auf Ehren-
wort oder unter ähnlichen Versicherungen versprechen lässt.47 Nichtigkeit sieht das
Gesetz auch für Vereinbarungen vor, durch die ein Dritter an Stelle des Arbeitnehmers
die Verpflichtung übernimmt, dass sich der Arbeitnehmer nach der Beendigung des
Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken werde. Zur Nich-
tigkeit führt auch der Verstoß gegen die gesetzliche Schriftform.48 Nach der Recht-
sprechung des BAG ist auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ohne jegliche
Zusage einer Karenzentschädigung nichtig.49
Eine unverbindliche Wettbewerbsabrede führt hingegen lediglich dazu, dass 34
der Arbeitgeber ihre Einhaltung nicht erzwingen kann (siehe § 75d HGB). Der Arbeit-
nehmer hat indes ein Wahlrecht, ob er sich an das Wettbewerbsverbot hält und die
zugesagte Karenzentschädigung in Anspruch nimmt oder ob er sich von dem Wett-
bewerbsverbot löst. Hauptfall eines unverbindlichen Wettbewerbsverbots ist die
Zusage einer nicht den gesetzlichen Vorgaben (§ 74 Abs. 2 i. V. m. § 74b und § 74c HGB)
entsprechenden Karenzentschädigung. Wettbewerbsverbote sind auch insoweit
unverbindlich, als sie nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesse
des Arbeitgebers dienen (§ 74a Abs. 1 HGB). Weitere Verstöße, die zur Unverbind-
lichkeit führen, sind Wettbewerbsverbote, die unzulässiger Weise unter eine Bedin-
gung gestellt wurden50 oder eine vom Gesetz abweichende Verzichtsmöglichkeit zu
Gunsten des Arbeitgebers enthalten51.
Für den Arbeitgeber ist die Unverbindlichkeit eines Wettbewerbsverbots beson- 35
ders misslich: Er selbst kann die Wettbewerbsenthaltung nicht erzwingen und damit
Konkurrenztätigkeiten seines (ehemaligen) Mitarbeiters nicht verhindern. Der Arbeit-
nehmer hat jedoch ein Wahlrecht, ob er sich an die – nicht den gesetzlichen Vor-
gaben entsprechende – Wettbewerbsbeschränkung halten möchte. Hat er die Mög-
lichkeit einer lukrativen Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen, wird er diese
im Zweifel annehmen. Hat er diese Möglichkeit nicht und ist daher für den bisheri-
gen Arbeitgeber „ungefährlich“, wird er sich für die Einhaltung des Verbots und die
Inanspruchnahme der Karenzentschädigung entscheiden, so dass der Arbeitgeber
eine Entschädigung für ein aus seiner Sicht wertlos gewordenes Wettbewerbsverbot
zahlen muss.

47 S. dazu MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74a Rn. 27 f.


48 Siehe oben Rn. 29.
49 BAG, Urt. v. 18.01.2000 – 9 AZR 929/98; BAG Urt. v. 03.05.1994 – 9 AZR 606/92; MüKo/HGB-
v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 49.
50 Siehe dazu Rn. 49 ff.
51 Siehe dazu Rn. 67 ff.

Powietzka
292 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

IV. Arten von Wettbewerbsverboten

36 Hinsichtlich der Frage, welche Tätigkeiten einem Arbeitnehmer nach Beendigung


des Arbeitsverhältnisses untersagt werden sollen, besteht ein weiterer vertragli-
cher Gestaltungsspielraum. Grundsätzlich wird zwischen unternehmensbezogenen
und tätigkeitsbezogenen Konkurrenzverboten unterschieden. Tätigkeitsbezogene
Verbote untersagen dem Arbeitnehmer nur bestimmte Arten von Tätigkeiten.

Beispiel52
Der Mitarbeiter verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Lebensversiche-
rungen zu vermitteln.

37 Unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote knüpfen im Gegensatz dazu an die


Unternehmen an, für die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden gesperrt sein
soll. Sie verbieten dem Arbeitnehmer in der Regel die Tätigkeit für namentlich aufge-
zählte oder durch die Angabe der Branche definierte Unternehmen.

Beispiel
Der Mitarbeiter verpflichtet sich, nicht für ein Versicherungsunternehmen/die Versicherungsunter-
nehmen X und Y tätig zu werden.

38 Unterschiede ergeben sich vor allem dann, wenn ein Unternehmen eine breite Palette
von Produkten oder Dienstleistungen hat. Hier haben unternehmensbezogene
Wettbewerbsverbote eine erheblich weitergehende Wirkung als tätigkeitsbezogene
Verbote.
39 Beide Klauselarten haben Vor- und Nachteile. Bei tätigkeitsbezogenen Wettbe-
werbsverboten wird es häufig schwierig sein zu kontrollieren, welche Tätigkeit der
ehemalige Mitarbeiter bei einem Konkurrenzunternehmen ausübt. Das unterneh-
mensbezogene Verbot ist hier effektiver, da es dem Mitarbeiter jegliche Tätigkeit bei
einem Konkurrenzunternehmen verbietet.53

Praxistipp
Außerdem ist bei tätigkeitsbezogenen Verboten darauf zu achten, dass sie bei Änderungen der Tätig-
keit des Arbeitnehmers im laufenden Arbeitsverhältnis anzupassen sind.

40 Wechselt beispielsweise ein Arbeitnehmer aus der Entwicklungsabteilung in den


Vertrieb, wird der Arbeitgeber eher ein Interesse daran haben, ihn von Vertriebstä-

52 Beispiele nach Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 232.


53 Näher dazu: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 233; Borgmann in: Hümmerich/Reufels,
Rn. 4268; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 35.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 293

tigkeiten für Wettbewerbsunternehmen fern zu halten, während eine Arbeit in der


Entwicklung eines Konkurrenten möglicherweise nicht mehr als schädlich angese-
hen wird. In der Regel bieten unternehmensbezogene Verbote dem Arbeitgeber einen
umfassenderen Schutz. Sie haben jedoch Nachteile, wenn sich die Unternehmens-
struktur ändert, etwa Unternehmensteile ausgegliedert oder auf eine andere Kon-
zerngesellschaft übertragen werden. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitnehmer
bei einem anderen Unternehmen dieselbe Tätigkeit aufnimmt, damit jedoch nicht
in Konkurrenz zu seinem bisherigen Arbeitgeber, sondern allenfalls zu einem Toch-
terunternehmen tritt. Da konzernverbundene Unternehmen nur bei entsprechender
Vereinbarung in den Schutz vor Wettbewerbstätigkeiten einbezogen sind54, kann ein
unternehmensbezogenes Verbot in einem solchen Fall faktisch leer laufen.55

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Ende seines Arbeitsverhältnis-
ses weder in selbstständiger, unselbstständiger oder anderer Weise für Unternehmen tätig zu wer-
den, die mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb stehen. Ebenso ist es dem Ar-
beitnehmer nicht gestattet, während der Laufzeit des Wettbewerbsverbots ein solches Unternehmen
zu errichten, zu erwerben oder sich daran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. [Gegebenenfalls:
Als Wettbewerbsunternehmen gelten: …]

V. Berechtigtes geschäftliches Interesse

Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist insoweit unverbindlich, als es nicht 41


zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient (§ 74a
Abs. 1 S. 1 HGB). Das Verbot muss daher in seiner Reichweite sachlich (Branche/Tätig-
keit), örtlich (regional, bundesweit, europaweit oder weltweit) und zeitlich von einem
berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein.
In sachlicher Hinsicht muss grundsätzlich eine Beziehung zwischen der früheren 42
Tätigkeit des Arbeitnehmers und der untersagten Wettbewerbstätigkeit bestehen.56
Schützenswerte Interessen bestehen insbesondere in dem Schutz von Geschäfts-
und Betriebsgeheimnissen und der Gefahr eines Einbruchs eines ausgeschiedenen
Mitarbeiters in Kunden- oder Lieferantenbeziehungen.57 Letzteres wird häufig
bei Führungskräften und insbesondere im Vertrieb gegeben sein. Als nicht ausrei-
chend wird hingegen das bloße Interesse des Arbeitgebers angesehen, Konkurrenz
einzuschränken58, etwa die Tätigkeit eines qualifizierten Mitarbeiters für einen Kon-

54 Siehe dazu Rn. 45 ff.


55 So etwa in dem bekannten „Speiseeis-Fall“, BAG, Urt. v. 24.06.1966 – 3 AZR 501/65.
56 BAG, Urt. v. 01.08.1995 – 9 AZR 884/93.
57 BAG, Urt. v. 01.08.1995 – 9 AZR 884/93; MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74a Rn. 3.
58 BAG, Urt. v. 21.04.2010 – 10 AZR 288/09; BAG, Urt. v. 01.08.1995 – 9 AZR 884/93.

Powietzka
294 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

kurrenten zu verhindern. Nicht schützenswert ist auch die Absicht, abkehrwillige


Arbeitskräfte zu „bestrafen“ bzw. zu sanktionieren.59 Ein berechtigtes geschäftliches
Interesse des Arbeitgebers kann aber nicht nur an einer Verhinderung von Wett-
bewerbstätigkeiten, sondern auch einem Wechsel zu Lieferanten oder Kunden des
Arbeitgebers bestehen.60
43 In räumlicher Hinsicht besteht ein berechtigtes Interesse an der Unterlassung
von Wettbewerbstätigkeiten naturgemäß nur in dem Raum, in dem auch der Arbeit-
geber seine Leistungen anbietet. Bei einer Fahrschule wird beispielsweise ein Kon-
kurrenzverhältnis schon dann nicht mehr vorliegen, wenn ein Fahrlehrer zu einer
Fahrschule in einem 30 Kilometer entfernten Ort wechselt. In vielen Branchen wird
jedoch, da der Kreis potentieller Kunden regional nicht eingeschränkt ist, ein bundes-
weites, europaweites oder auch weltweites Verbot ohne weiteres zulässig sein.
44 In zeitlicher Hinsicht beschränkt § 74a Abs. 1 S. 3 HGB die Dauer von Wettbe-
werbsverboten auf zwei Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Innerhalb
dieser Dauer wird man in aller Regel ein geschäftliches Interesse des Arbeitgebers
annehmen können. Etwas anderes mag allenfalls im Einzelfall gelten, wenn es um
sehr kurzlebige Produkte geht.61

VI. Konzernbezogene Wettbewerbsverbote

45 Ist das Unternehmen des Arbeitgebers in einen Konzern eingebunden, wird in der
Regel ein erhebliches Interesse daran bestehen, nicht nur die Betriebs- und Geschäfts-
geheimnisse sowie die Kundenbeziehungen des eigenen Unternehmens zu schützen,
sondern auch die der anderen Konzernunternehmen, in die der Arbeitnehmer häufig
ebenso Einblick erhalten wird. Auf der anderen Seite ist der Schutz eines Wettbe-
werbsverbots ebenso lückenhaft, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht zu einem Unter-
nehmen wechseln darf, dass mit dem bisherigen Arbeitgeber in Wettbewerb steht,
ihm aber der Wechsel zu einem mit dem Wettbewerber konzernverbundenen Unter-
nehmen nicht untersagt werden kann.
46 So nachvollziehbar das Interesse des Arbeitgebers an einer konzernweiten
Geltung des Wettbewerbsverbots erscheinen mag, so wenig sollte er darauf hoffen,
dass ihm die Arbeitsgerichte mit einer erweiternden Auslegung der Wettbewerbsab-
rede „helfen“. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung orientiert sich bei der Ausle-
gung zu Recht am Wortlaut der Vereinbarung. Ist dort ein Konzernbezug nicht erkenn-

59 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 305; so auch BGH, Urt. v. 18.07.2005 – II ZR 159/03 für aus-
scheidende Gesellschafter einer Anwaltssozietät.
60 Vgl. LAG Nürnberg, Urt. v. 31.07.2001 – 6 Sa 408/01; ausführlich dazu Bauer/Diller, Wettbewerbs-
verbote, Rn. 251 ff.
61 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 327.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 295

bar, werden die Arbeitsgerichte ihn im Regelfall auch nicht in die Vereinbarung
„hineininterpretieren“. Untersagt die Wettbewerbsabrede dem Mitarbeiter eine Tätig-
keit (nur) für Konkurrenzunternehmen des Arbeitgebers, erstreckt sich der Schutz
somit nicht auf die mit dem Arbeitgeber konzernverbundenen Unternehmen.62
Ausnahmsweise kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein Wettbewerbs- 47
verbot konzernbezogen ausgelegt werden, wenn der Konzernbezug schon bei Ver-
tragsschluss erkennbar war, z. B. der Arbeitsvertrag eine konzernweite Versetzungs-
klausel aufweist.63 Eine konzernweite Auslegung eines Wettbewerbsverbots kann
auch dann geboten sein, wenn das Beschäftigungsverhältnis mit einer Konzernhol-
ding bestanden hat, die keinen eigenen Geschäftsbetrieb unterhält, sondern nur
Beteiligungen an den Tochterunternehmen.64

Praxistipp
Folglich sollte der Schutz auch konzernverbundener Unternehmen des Arbeitgebers ausdrücklich ge-
regelt werden, ebenso das Verbot, während der Dauer der Wettbewerbsbeschränkung eine Tätigkeit
bei mit Wettbewerbern verbundenen Unternehmen einzugehen.

Inwieweit solche konzernbezogenen Wettbewerbsverbote zulässig sind, ist in vielen 48


Punkten noch ungeklärt.65

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Ende des Arbeitsverhältnisses
nicht in selbstständiger, unselbstständiger oder anderer Weise für Dritte oder mit diesen konzernver-
bundenen Unternehmen tätig zu werden, die mit dem Arbeitgeber oder einem mit dem Arbeitgeber
konzernverbundenen Unternehmen in direktem oder indirektem Wettbewerb stehen. Ebenso ist es
dem Arbeitnehmer untersagt, während der Laufzeit des Wettbewerbsverbots ein solches Unterneh-
men zu errichten, zu erwerben oder sich daran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen.

VII. B
 edingte Wettbewerbsverbote

Unter bedingten Wettbewerbsverboten versteht man nachvertragliche Wettbewerbs- 49


abreden, die erst mit Eintritt oder Nichteintritt weiterer Umstände Gültigkeit erhalten
sollen.66 Grundsätzlich können nachvertragliche Wettbewerbsabreden unter einer

62 Siehe dazu den „Speiseeis-Fall“, BAG, Urt. v. 24.06.1966 – 3 AZR 501/65.


63 LAG Hamm, Urt. v. 08.02.2001 – 16 Sa 1243/00; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 42;
Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Rn. 4277.
64 LAG Berlin, Urt. v. 17.04.1998 – 6 Sa 4/98.
65 So auch Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Rn. 4276; ausführlich dazu Bauer/Diller, Wettbewerbs-
verbote, Rn. 259 ff. und 316 f.
66 Schaub/Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 58 Rn. 49; Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Rn. 4295.

Powietzka
296 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

aufschiebenden oder auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 und 2 BGB) abgeschlos-


sen werden. Eine aufschiebende Bedingung, wonach das Wettbewerbsverbot etwa
erst nach einem sechs- oder zwölfmonatigen Bestand des Arbeitsverhältnisses
gelten soll, ist nach Ansicht des BAG durchaus üblich und daher nicht als überra-
schende Klausel im Sinne des § 305c BGB anzusehen.67 Eine solche aufschiebende
Bedingung entspricht den berechtigten Interessen der Vertragsparteien, da ein
Arbeitnehmer häufig erst nach einer bestimmten Mindestbeschäftigungsdauer einen
Einblick in Kundenbeziehungen sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erlangt
haben wird, während zuvor ein Wechsel zu einem Wettbewerber möglicherweise
noch als unproblematisch anzusehen wäre.

Klauselmuster68
Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wird wirksam mit Ablauf des zweiten Vertragsjahres der
Laufzeit dieses Vertrags/mit Beendigung der vereinbarten Probezeit.

50 Im Gegensatz dazu werden in der Rechtsprechung zu Recht bedingte Wettbewerbs-


verbote sehr kritisch gesehen, mit denen sich der Arbeitgeber letztlich die Entschei-
dung vorbehalten möchte, ob er dem Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot auferlegt
und die Karenzentschädigung bezahlt. Denn § 75d S. 2, Alt. 2 HGB erklärt Bedingun-
gen für unzulässig, die dem Arbeitgeber jederzeit das Recht einräumen darüber zu
entscheiden, ob der Arbeitnehmer Wettbewerb unterlassen muss oder nicht. Solche
Klauseln beeinträchtigen den Arbeitnehmer letztlich in doppelter Weise: Während
des Bestehens des Arbeitsverhältnisses weiß er nicht, ob er sich auf ein Wettbewerbs-
verbot einrichten muss oder ob er sich bei einem Konkurrenzunternehmen bewerben
kann. Der Arbeitgeber hingegen kann abwarten, ob der Arbeitnehmer eine Wettbe-
werbsbeschäftigung antreten wird oder nicht und davon die Inanspruchnahme des
Wettbewerbsverbots abhängig machen. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die
unter eine unzulässige Bedingung gestellt sind, sind unverbindlich.69
51 Daher führt etwa ein Vorbehalt des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bei Aus-
scheiden ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen, zur Unverbindlichkeit des Verbots.70
Zulässig sind jedoch Vorverträge oder Optionen auf ein nachvertragliches Wettbe-
werbsverbot, die so zeitlich begrenzt sind, dass der Arbeitgeber sie nach Ausspruch
einer Kündigung nicht mehr ausüben bzw. verlangen kann.71 Denn in diesen Fällen

67 BAG, Urt. v. 13.07.2005 – 10 AZR 532/04.


68 Siehe BAG, Urt. v. 13.07.2005 – 10 AZR 532/04.
69 BAG, Urt. v. 22.05.1990 – 3 AZR 647/88.
70 BAG, Urt. v. 22.05.1990 – 3 AZR 647/88; ebenso für eine „Option“ eines nachvertraglichen Wettbe-
werbsverbots, die noch bis zum Beendigungstermin ausgeübt werden kann: BAG, Urt. v. 14.07.2010 –
AZR 291/09.
71 BAG, Urt. v. 14.07.2010 – 10 AZR 291/09; BAG, Urt. v. 18.04.1969 – 3 AZR 154/68; s. auch Preis/Stof-
fels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 89.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 297

bleibt für den Arbeitnehmer keine Unklarheit: Spricht er eine Kündigung aus, ohne
dass der Arbeitgeber bis dahin die Option bzw. den Vorvertrag ausgeübt hätte, so
steht fest, dass der Arbeitnehmer an Wettbewerbstätigkeiten nicht gehindert ist.
Als unzulässige bedingte Wettbewerbsverbote hat das BAG auch vertragliche 52
Regelungen angesehen, wonach der Arbeitgeber berechtigt sein sollte, den örtlichen
oder sachlichen Umfang des Verbots vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses einsei-
tig festzulegen72 oder wonach der Arbeitgeber vor oder nach Beendigung des Arbeits-
vertrags jederzeit auf die Wettbewerbsabrede verzichten könne.73 Auch ein Wettbe-
werbsverbot, dass davon abhängig gemacht wird, dass der Arbeitnehmer ordentlich
kündigt oder eine fristlose Entlassung verschuldet, ist unverbindlich.74

VIII. Zusage der Karenzentschädigung

1. Gesetzliche Regelung
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Arbeit- 53
geber verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Entschädigung
zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezo-
genen vertragsmäßigen Leistungen erreicht (so § 74 Abs. 2 HGB). § 74b HGB regelt
Einzelheiten der Karenzentschädigung. Danach ist diese am Schluss jedes Monats zu
zahlen (§ 74b Abs. 1 HGB). Bei Provisionen oder wechselnden Bezügen sind diese bei
der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in
Ansatz zu bringen. Bei kürzerem Bestand des Arbeitsverhältnisses kommt es auf die
gesamte Dauer des Vertrags an (§ 74b Abs. 2 HGB). Schließlich regelt § 74c HGB die
Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes des Arbeitnehmers auf die Karenzent-
schädigung. Ein Wettbewerbsverbot, dass keine den gesetzlichen Vorschriften ent-
sprechende Zusage der Karenzentschädigung enthält, ist unverbindlich. Der Arbeit-
nehmer hat demnach ein Wahlrecht, ob er sich von dem Wettbewerbsverbot löst oder
ob er sich daran hält und die (gesetzlich unzureichende) Karenzentschädigung in
Anspruch nimmt.

Praxistipp
In der Praxis scheitern erstaunlich viele Wettbewerbsvereinbarungen an einer nicht gesetzeskonfor-
men Zusage der Karenzentschädigung. Die Fehler, die dabei gemacht werden können, sind vielfältig,
die Rechtsprechung in diesem Bereich (zu Recht) streng.

72 BAG, Urt. v. 05.09.1995 – 9 AZR 718/93.


73 BAG, Urt. v. 19.01.1978 – 3 AZR 573/77.
74 BAG, Urt. v. 07.09.2004 – 9 AZR 612/03 für ein Wettbewerbsverbot, dass nur für den Falle einer
vom Arbeitnehmer „ausgelösten“ Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend soll; BAG, Urt. v.
10.12.1985 – 3 AZR 242/84.

Powietzka
298 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

2. Vereinbarung einer Entschädigung


54 Wichtig ist zunächst, dass dem Arbeitnehmer überhaupt eine Karenzentschädigung
versprochen wird. Entgegen einem verbreiteten Missverständnis gibt es ohne vertrag-
liche Zusage keinen gesetzlichen Anspruch auf die Karenzentschädigung. Die ver-
tragliche Absprache muss daher die Zusage einer Karenzentschädigung enthalten.
Eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede ohne jeglichen Entschädigungsanspruch
hält das BAG nicht nur für unverbindlich, sondern für nichtig.75
55 Die Anforderungen an eine Entschädigungszusage sind jedoch nicht allzu hoch.
Als ausreichend wird es angesehen, wenn nur die Zahlung einer Entschädigung ver-
einbart ist, hinsichtlich der Höhe jedoch auf § 74 Abs. 2, § 74b HGB Bezug genommen
wird. Dies ist als Zusage der dort geregelten Mindestentschädigung zu verstehen.76
Nach der Rechtsprechung ist es auch (noch) ausreichend, wenn die Wettbewerbs-
abrede keine Entschädigung erwähnt, jedoch pauschal auf die gesetzlichen Rege-
lungen der §§ 74 ff. HGB verwiesen wird. Dies ist zwar unter Berücksichtigung des
Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) grenzwertig, da der Arbeitnehmer über die
ihm zustehenden Ansprüche im Unklaren bleiben könnte; durch den Verweis auf die
gesetzlichen Vorschriften ist jedoch ein Anspruch auf die gesetzliche Mindestent-
schädigung noch ausreichend deutlich erkennbar.77

3. Ausgestaltung der Entschädigung


56 Die vertraglich zugesagte Karenzentschädigung muss in jeder Hinsicht den gesetz-
lichen Mindestvorschriften entsprechen.

Fettnapf
Hier scheitern viele Wettbewerbsabreden, weil entweder versucht wird, unzulässiger Weise für den
Arbeitgeber günstigere Regelungen zu treffen oder – wesentlich häufiger – die Umschreibung der
gesetzlichen Mindestkarenzentschädigung unbewusst rechtlich unzutreffend wiedergegeben wird.

57 In die Berechnung der Karenzentschädigung werden grundsätzlich alle Vergütungs-


bestandteile einbezogen, also z. B. auch Weihnachts- und Urlaubsgeld, 13. Gehalt,
variable Vergütung, Zulagen, Zuschläge, der geldwerte Vorteil eines Dienstwagens

75 BAG, Urt. v. 18.01.2000 – 9 AZR 929/98; BAG, Urt. v. 03.05.1994 – 9 AZR 606/92. – Die Abgrenzung
hat hier kaum praktische Bedeutung, da das Wahlrecht des Arbeitnehmers für eine Einhaltung des
Wettbewerbsverbots bei einer Karenzentschädigung von EUR 0 sinnlos ist und er sich immer gegen
die Einhaltung des Verbots entscheiden wird.
76 Ebenso Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 437; MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 45;
vgl. auch BAG, Urt. v. 14.08.1975 – 3 AZR 333/74.
77 BAG, Urt. v. 28.06.2006 – 10 AZR 407/05; BAG, Urt. v. 31.07.2002 – 10 AZR 513/01; – kritisch dazu
Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 439 ff.; Grunsky, NZA 1988, 713, 715 f., Preis/Stoffels, Der Ar-
beitsvertrag, II W 10, Rn. 50.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 299

und der Wert von Aktienoptionen78. Gibt es neben dem monatlichen Grundgehalt
andere Vergütungsbestandteile, so ist deshalb eine Entschädigungszusage in Höhe
von 50 % des Grundgehalts unzureichend, das Wettbewerbsverbot daher unverbind-
lich.79
Die gesetzliche Regelung der §§ 74 Abs. 2, 74b HGB unterscheidet zwischen der 58
regelmäßigen, monatlichen Vergütung und „wechselnden Bezügen“. Bei der monat-
lichen Vergütung kommt es allein auf deren Höhe bei Beendigung des Arbeitsver-
hältnisses an.80 Demnach genügt es den gesetzlichen Anforderungen nicht, wenn
dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung in Höhe des Durchschnitts des letzten
Vertragsjahres oder etwa der letzten drei Vertragsjahre versprochen wird.81 Denn bei
einer solchen Durchschnittsbetrachtung würden Gehaltserhöhungen, die im letzten
Vertragsjahr erfolgt sind, nur anteilig berücksichtigt. Aus demselben Grund ist bei-
spielsweise auch die Zusage der „Hälfte der zuletzt bezogenen Jahresvergütung“ nicht
ausreichend.82 Ebenso wenig genügt es den gesetzlichen Anforderungen, wenn dem
Arbeitnehmer die Hälfte der zuletzt „für ein Jahr“ bezogenen vertragsmäßigen Leis-
tungen als Entschädigung versprochen wird.83
Wechselnde Bezüge sind im Gegensatz dazu gemäß § 74b Abs. 2 HGB mit dem 59
Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer des
Arbeitsverhältnisses mit dem Durchschnitt während des gesamten Vertragsverhält-
nisses. Die vertragliche Regelung der Karenzentschädigung muss im Hinblick auf
wechselnde Bezüge diese gesetzlichen Vorgaben zutreffend wiedergeben.

Fettnapf
Ein häufiger Fehler besteht darin, solche unregelmäßigen Vergütungsbestandteile aus der Karenz-
entschädigung auszunehmen, indem beispielsweise auf die zuletzt bezogene monatliche Vergütung
abgestellt wird.84

4. A
 bstrakte Betrachtung
Besonders misslich für Arbeitgeber ist, dass derartige Fehler bei der Formulierung der 60
Zusage der Karenzentschädigung zwangsläufig zu Unverbindlichkeit des Wettbe-
werbsverbots führen. Es ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer, dem beispielsweise

78 MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 47 und § 74b Rn. 10.


79 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 456; vgl. auch Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10,
Rn. 58.
80 MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74b Rn. 14.
81 BAG, Urt. v. 08.05.1966 – 3 AZR 154/66.
82 LAG Hamm, Urt. v. 23.03.2010 – 14 SaGa 68/09; Gamerschlag, NJW 1989, 2870; Bauer/Diller, Wett-
bewerbsverbote, Rn. 460.
83 ArbG Kaiserslautern, Urt. v. 13.11.2014 – 2 Ca 908/14.
84 BAG, Urt. v. 13.07.2005 – 10 AZR 532/04.

Powietzka
300 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

nur eine Entschädigung in Höhe der letzten monatlichen Bezüge versprochen wurde,
überhaupt andere, unregelmäßige Vergütungsbestandteile erhalten hat. Unerheblich
ist auch, ob beispielsweise das Abstellen auf die letzte durchschnittliche Jahresvergü-
tung für den Arbeitnehmer im konkreten Fall zu Nachteilen bei der Berechnung führt,
was beispielsweise nicht der Fall wäre, wenn im letzten Vertragsjahr keine Gehaltser-
höhung erfolgt wäre und/oder die variable Vergütung im letzten Vertragsjahr beson-
ders hoch gewesen wäre. Da nachvertragliche Wettbewerbsabreden in aller Regel All-
gemeine Geschäftsbedingungen sind, ist eine abstrakte Betrachtung anzustellen.
Das Wettbewerbsverbot ist schon dann unverbindlich, wenn es abstrakt geeignet ist,
den Arbeitnehmer schlechter als die gesetzliche Regelung zu stellen. Ob sich die Ver-
tragsklausel tatsächlich im konkreten Einzelfall für den Arbeitnehmer nachteilig aus-
wirkt, spielt keine Rolle.85

5. Unklarheitenregel
61 Zu berücksichtigen ist weiter, dass sich der Arbeitnehmer, der sich von einer solchen
Wettbewerbsabrede lösen will, gegebenenfalls auf die Unklarheitenregel des § 305c
Abs. 2 BGB berufen kann. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des
Verwenders.86 Lässt die Vertragsklausel mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu und
bleiben nicht behebbare Zweifel, welcher Auslegung der Vorrang gebührt, so kann
sich der Arbeitnehmer auf die „arbeitnehmerfeindlichste“ Auslegung berufen, wenn
diese der AGB-Kontrolle nicht Stand hält.87 Schließlich hilft es dem Arbeitgeber im
Streitfall auch nicht, wenn neben der unzureichenden Entschädigungszusage ein all-
gemeiner Verweis auf die §§ 74 ff. HGB oder eine salvatorische Klausel im Arbeitsver-
trag enthalten ist. Denn typischerweise wird auf die §§ 74 ff. HGB nur verwiesen, soweit
die konkrete Wettbewerbsklausel keine anderweitigen Vereinbarungen enthält. Auch
die salvatorische Klausel kann aufgrund des Verbots der geltungserhaltenden Reduk-
tion nicht dazu führen, dass eine unzulässige Regelung im noch zulässigen Umfang
aufrechterhalten wird.88

6. Entschädigung nach Ermessen des Arbeitgebers


62 Nicht zu empfehlen ist, die Höhe der Karenzentschädigung in das Ermessen des
Arbeitgebers zu stellen, ohne eine Mindesthöhe vorzusehen. Da die Höhe der Ent-
schädigung und damit die Einhaltung der gesetzlichen Mindestvorgaben nicht

85 LAG Hamm, Urt. v. 23.03.2010 – 14 SaGa 68/09.


86 Siehe dazu Kap. 2 Rn. 16 ff.
87 Siehe dazu LAG Hamm, Urt. v. 23.03.2010 – 14 SaGa 68/09.
88 LAG Hamm, Urt. v. 23.03.2010 – 14 SaGa 68/09.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 301

feststehen, führt diese Regelung zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots.89


Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die Einhaltung des Verbots und nimmt die
Karenzentschädigung in Anspruch, ist der Arbeitgeber nach Ansicht des BAG ver-
pflichtet, mindestens eine Entschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe, also der
Hälfte der letzten Bezüge, festzusetzen. Der Arbeitnehmer kann einen Zahlungsan-
spruch in dieser Höhe gerichtlich durchsetzen (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB).90 Eine solche
Gestaltung kumuliert somit aus Sicht des Arbeitgebers die negativen Rechtsfolgen,
die er eigentlich vermeiden will: Obwohl das Wettbewerbsverbot unverbindlich ist,
kann der Arbeitnehmer die Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe
verlangen.

7. Anrechnung anderweitigen Verdienstes


Eine weitere Fehlerquelle besteht in der Regelung der Anrechnung anderweitigen Ver- 63
dienstes auf die Karenzentschädigung. § 74c HGB enthält dazu eine recht komplizierte
Bestimmung. Danach ist auf die Entschädigung das anzurechnen, was der Arbeitneh-
mer während des Zeitraums des Wettbewerbsverbots durch anderweitige Verwertung
seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt, soweit die Entschä-
digung und der anderweitige Verdienst den Betrag der zuletzt im Arbeitsverhältnis
bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als 1/10 übersteigen würden. Erhält
der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung von 50 % der zuletzt bezogenen Leis-
tungen, so kann er also 60 % seiner letzten Bezüge anrechnungsfrei hinzuverdienen.
Erst wenn der anderweitige Verdienst und die Karenzentschädigung zusammen 110 %
der letzten vertragsmäßigen Leistungen überschreiten, ist der übersteigende Betrag
anzurechnen.91 Muss der Arbeitnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbots seinen
Wohnsitz verlegen, so erhöht sich die Schwelle von 110 % auf 125 %.
Die Einzelheiten dieser Anrechnungsregelung müssen in der vertraglichen 64
Zusage der Karenzentschädigung ebenfalls zutreffend wiedergegeben werden. Eine
zu Ungunsten des Arbeitnehmers abweichende Anrechnungsregelung, die z. B. eine
vollständige Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf die Karenzentschädigung
vorsieht, hat nach h. M. dieselbe Wirkung wie die Zusage einer zu geringen Entschä-
digung. Sie führt deshalb ebenfalls zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsver-
bots.92

89 Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 58.


90 BAG, Urt. v. 15.01.2014 – 10 AZR 243/13.
91 S. dazu MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74b Rn. 18 mit anschaulichem Rechenbeispiel.
92 Vgl. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 476 ff. m. w. N.; a. A. LAG Hamm, Urt. v. 20.12.2001 – 16
Sa 414/01.

Powietzka
302 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

8. Muster einer Entschädigungszusage


65 Um all diese Klippen zu umschiffen, bleiben im Prinzip nur zwei Wege: Denkbar ist
zum einen, jede Regelung zur Karenzentschädigung in der Wettbewerbsklausel zu
unterlassen und lediglich pauschal auf die §§ 74 ff. HGB zu verweisen. Auch wenn
dies in der Literatur zum Teil kritisch gesehen wird, wird diese Gestaltung von der
Rechtsprechung jedenfalls bislang anerkannt.93 Die zweite – und vorzugswürdige –
Möglichkeit besteht darin, die Zusage der Karenzentschädigung so zu gestalten, dass
schlicht der Gesetzeswortlaut des § 74 Abs. 2 HGB möglichst unverändert abgeschrie-
ben wird.94 Jeder Versuch, die gesetzliche Regelung mit eigenen Worten beschreiben
zu wollen, birgt unnötige Gefahren und ist im Regelfall zum Scheitern verurteilt.
Bezüglich der Anrechnung anderweitigen Verdienstes ist zu empfehlen, es bei einem
Verweis auf die gesetzlichen Anrechnungsregeln des § 74c HGB zu belassen.

Klauselmuster
Für die Dauer dieses Wettbewerbsverbots erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung, die für jedes
Jahr des Verbots die Hälfte der von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt. An-
derweitiger Verdienst oder böswillig unterlassener Verdienst ist gemäß § 74c HGB auf die Entschädi-
gung anzurechnen.

66 Am Ende der Wettbewerbsklausel sollte ein umfassender Verweis auf die § 74 ff. HGB
stehen. Damit wird nochmals klargestellt, dass bezüglich der nicht ausdrücklich gere-
gelten Punkte die gesetzlichen Bestimmungen gelten, im Hinblick auf die Berechnung
der Karenzentschädigung also insbesondere die §§ 74 Abs. 2, 74b und 74c HGB.

Klauselmuster
Im Übrigen gelten die §§ 74 ff. HGB.

IX. Verzicht des Arbeitgebers

1. Gesetzliche Ausgangslage
67 Nach § 75a HGB kann der Arbeitgeber vor der Beendigung des Dienstverhältnisses
durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbsverbot verzichten mit der Wirkung,
dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur
Zahlung der Entschädigung frei wird.
68 Diese – zu Gunsten des Arbeitnehmers einseitig zwingende – gesetzliche Rege-
lung bezweckt einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen der Ver-
tragsparteien: Dem Arbeitgeber wird das Recht eingeräumt, sich einseitig von der

93 Siehe oben Rn. 55.


94 So auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 453: „der sicherste Weg“.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 303

einmal vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsabrede zu lösen, wenn er im


Laufe des Arbeitsverhältnisses den Eindruck gewonnen hat, dass es einer nachver-
traglichen Wettbewerbsbeschränkung zu Lasten des Mitarbeiters nicht bedarf bzw.
er nicht bereit ist sich die Wettbewerbsenthaltung durch eine Karenzentschädigung
zu „erkaufen“. Der Verzicht ist bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuläs-
sig, kann also noch während der Dauer der Kündigungsfrist erklärt werden.95 Da der
Arbeitnehmer sich aber auf die Wettbewerbsbeschränkung einrichten muss und bei-
spielsweise bei Bewerbungen in seiner Berufsfreiheit eingeschränkt wird, sieht der
Gesetzgeber vor, dass die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung erst ein Jahr
nach der Verzichtserklärung entfällt. Der Arbeitnehmer hat also noch bis zu einem
Jahr Anspruch auf die Karenzentschädigung, obwohl das nachvertragliche Wettbe-
werbsverbot mit der Verzichtserklärung sofort wegfällt, er also keinen nachvertrag-
lichen Wettbewerbsbeschränkungen mehr unterliegt.96 Diese gesetzliche Regelung
kann unterschiedliche Auswirkungen haben:

Beispiel
Der Arbeitgeber erklärt am 30.06.2015 den Verzicht auf das vereinbarte nachvertragliche Wettbe-
werbsverbot. Der Arbeitnehmer kündigt am 30.12.2015 mit Wirkung zum 30.06.2016. – Mit Been-
digung des Arbeitsverhältnisses am 30.06.2016 ist der Arbeitnehmer frei, in Wettbewerb zu seinem
bisherigen Arbeitgeber zu treten. Da seit der Verzichtserklärung bereits ein Jahr vergangen ist, hat er
keinen Anspruch auf eine Karenzentschädigung.

Beispiel
Der Arbeitgeber erklärt am 30.12.2015 den Verzicht auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot. Das
Arbeitsverhältnis endet zum 30.06.2016. – In diesem Fall ist der Arbeitnehmer ebenfalls berechtigt,
bereits ab dem 01.07.2016 in Konkurrenz zu seinem bisherigen Arbeitgeber zu treten, da dieser mit
sofortiger Wirkung auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot verzichtet hat. Für den Zeitraum vom
01.07.2016 bis zum 30.12.2016 hat der Arbeitnehmer jedoch noch Anspruch auf die vereinbarte Ka-
renzentschädigung, da die gesetzliche Jahresfrist erst am 30.12.2016 abläuft.

2. V ertragliche Regelungen
In der Praxis finden sich immer wieder vertragliche Regelungen, mit denen Arbeitge- 69
ber diese gesetzliche Regelung des Verzichtsrechts zu ihren Gunsten zu modifizieren
versuchen. So stößt man auf Vertragsklauseln, die dem Arbeitgeber in zeitlicher Hin-
sicht ein Verzichtsrecht selbst noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein-
räumen. Genauso häufig finden sich Vertragsklauseln, die im Fall des Verzichts des
Arbeitgebers den Wegfall des Anspruchs auf die Karenzentschädigung nicht erst nach
Ablauf eines Jahres, sondern sofort, nach drei Monaten oder nach sechs Monaten vor-

95 MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 75a Rn. 6.


96 MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 75a Rn. 9.

Powietzka
304 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

sehen. Nach der Rechtsprechung des BAG führen solche Vertragsklauseln zur Unver-
bindlichkeit des Wettbewerbsverbots. Der Arbeitnehmer hat also ein Wahlrecht,
ob er sich an das Wettbewerbsverbot gegen Zahlung der Karenzentschädigung hält
oder ob er sich davon löst.97

Praxistipp
Bei der Gestaltung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sollte von einer vertraglichen Rege-
lung des Verzichtsrechts abgesehen werden. Wird „im Übrigen“ auf die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB
verwiesen, gilt damit auch das Verzichtsrecht gemäß § 75a HGB.

70 Wer dennoch aus Gründen der Transparenz das Verzichtsrecht ansprechen möchte,
sollte sich möglichst eng an die gesetzliche Bestimmung des § 75a HGB halten:

Klauselmuster
Der Arbeitgeber kann vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf
das Wettbewerbsverbot mit der Wirkung verzichten, dass er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Er-
klärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.

X. K
 unden-/Mandantenschutzklauseln

1. Berufsrechtliche Beschränkungen
71 In einigen freien Berufen untersagen spezielle berufsrechtliche Regelungen aus-
scheidenden Mitarbeitern, Kunden bzw. Mandanten des ehemaligen Arbeitgebers
abzuwerben. So bestimmte § 33 der Berufsordnung für Steuerberater in der bis 2010
geltenden Fassung, dass Steuerberater bei ihrem Ausscheiden aus einer Steuerbera-
tungsgesellschaft, einer Bürogemeinschaft, einem freien Mitarbeiterverhältnis oder
einem Anstellungsverhältnis alles zu unterlassen hatten, was darauf gerichtet ist,
ihre früheren Vertragspartner aus einem Auftrag zu verdrängen. Ein entsprechendes
Abwerbeverbot wurde bei Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern aus dem Verbot
der einzelfallbezogenen Mandatswerbung (§ 43b BRAO und § 52 WPO) hergeleitet.
Daher war für diese speziellen Berufsgruppen das gezielte Abwerben von Mandan-
ten aus berufsrechtlichen Gründen verboten.

97 BAG, Urt. v. 19.01.1978 – 3 AZR 573/77; BAG, Urt. v. 31.07.2002 – 10 AZR 558/01; – differenzierend:
Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 504 ff., die bei sofortigem oder verfrühtem Wegfall der Ent-
schädigungspflicht von einem verbindlichen Wettbewerbsverbot ausgehen, dem Arbeitnehmer aber
gemäß den gesetzlichen Regelungen einen Anspruch auf die Karenzentschädigung zugestehen.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 305

2. B eschränkte Mandantenschutzklausel
Vor diesem besonderen Hintergrund hat das BAG in ständiger Rechtsprechung sog. 72
„beschränkte Mandantenschutzklauseln“ auch ohne die Zusage einer Karenzent-
schädigung für zulässig gehalten. Unter „beschränkten Mandantenschutzklauseln“
werden vertragliche Regelungen verstanden, die dem Mitarbeiter nach seinem Aus-
scheiden das Abwerben von Mandanten untersagen. Das BAG hat darin eine ledig-
lich klarstellende Wiedergabe der ohnehin geltenden berufsrechtlichen Regelungen
gesehen. Da damit die berufliche Betätigung nicht über das ohnehin bestehende Maß
hinaus behindert werde, unterfielen diese vertraglichen Regelungen nicht den § 74 ff.
HGB98.
Daher werden bislang Vertragsregelungen wie die folgende von der Rechtspre- 73
chung auch ohne Karenzentschädigung für zulässig gehalten:

Klauselmuster99
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne die ausdrückli-
che Zustimmung der Sozietät für die Dauer von zwei Jahren keine Mandanten, gleich ob als Angestell-
ter oder Selbstständiger, anzusprechen oder abzuwerben, die während der letzten drei Jahre vor dem
Ausscheiden zu dem Mandantenkreis der Sozietät gehört haben.

Hervorzuheben ist, dass diese besondere Rechtsprechung sich stets nur auf die 74
besonderen Berufsgruppen – im Wesentlichen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
und Rechtsanwälte – beschränkte, in denen ein standesrechtliches Abwerbeverbot
gegeben war. In sämtlichen anderen Branchen stellt eine – auch beschränkte – Kun-
denschutzklausel stets eine Behinderung der weiteren beruflichen Tätigkeit des aus-
scheidenden Mitarbeiters dar, die ohne weiteres den §§ 74 ff. HGB unterfällt und daher
nur bei gesetzeskonformer Zusage einer Karenzentschädigung zulässig ist.
Ob an dieser besonderen Rechtsprechung zu „beschränkten Mandantenschutz- 75
klauseln“ festgehalten werden kann, wird kontrovers diskutiert. Die wettbewerbsbe-
schränkenden standesrechtlichen Regelungen im Bereich der freien Berufe werden
unter Berücksichtigung der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) immer restriktiver
behandelt. Die seit 01.01.2011 geltende Neufassung der Berufsordnung der Steuerbe-
rater enthält kein generelles Abwerbeverbot mehr. § 33 Abs. 1 der früheren Fassung
wurde aufgehoben. Geregelt ist nur noch das Verhalten bei Auflösung einer Sozie-
tät oder bei Ausscheiden eines Sozius. Hier sind gemäß § 26 der Berufsordnung der
Steuerberater die Auftraggeber darüber zu befragen, welcher Steuerberater künftig
das Mandat erhalten soll. Darüber hinaus gehende Abwerbeverbote bestehen nicht
mehr. Auch das Verbot der einzelfallbezogenen Werbung für Wirtschaftsprüfer in § 52
WPO wurde aufgehoben; stattdessen wird nun auf die allgemeinen Grenzen des UWG

98 BAG, Urt. v. 16.07.1971 – 3 AZR 384/70; s. auch MüKo/HGB-v.Hoyningen-Huene, § 74 Rn. 12.


99 Beispiel nach Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 111.

Powietzka
306 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

verwiesen. Bei Rechtsanwälten besteht zwar das Verbot einzelmandatsbezogener


Werbung (§ 43b BRAO) weiterhin, die Rechtsprechung lässt aber sachliche Werbung
in immer stärkeren Umfang zu. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung
von BAG und BGH „beschränkte Mandantenschlussklauseln“ weiterhin ohne Karenz-
entschädigung zulassen wird.100

3. Allgemeine Mandantenschutzklauseln
76 Unabhängig davon unterfallen sog. „allgemeine Mandantenschutzklauseln“ bzw.
„allgemeine Kundenschutzklauseln“ unstreitig den §§ 74 ff. HGB. Darunter sind Ver-
einbarungen zu verstehen, die dem ausgeschiedenen Mitarbeiter über das gezielte
Abwerben hinaus jegliche Betreuung von Mandanten des früheren Arbeitgebers
untersagen.

Beispiel101
Sie verpflichten sich, innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses bei mir kei-
ne Tätigkeit, freiberuflich oder als Angestellter eines anderen Berufsangehörigen, für solche Auftrag-
geber auszuüben, die in den letzten drei Jahren vor Beendigung des Dienstverhältnisses zu meinem
Mandantenkreis gehörten; weiter nicht in die Dienste eines meiner Mandanten zu treten, der in den
letzten drei Jahren vor Beendigung des Dienstverhältnisses zu meiner Klientel zählt.

77 Solche Vereinbarungen gehen über die standesrechtlichen Abwerbeverbote deutlich


hinaus, da diese bereits in der Vergangenheit immer nur das gezielte Abwerben bzw.
Ansprechen von Mandanten untersagten. Das generelle Verbot der Betreuung von
Mandanten des ehemaligen Arbeitgebers ist stets konstitutiv und an den gesetzlichen
Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB zu messen.102 Insbesondere muss eine Karenzent-
schädigung in der gemäß § 74 Abs. 2 i. V. m. § 74b HGB vorgesehenen Höhe verspro-
chen sein.

4. Mandantenübernahmeklauseln
78 Von Kunden- oder Mandantenschutzklauseln sind sog. Mandantenübernahmeklau-
seln zu unterscheiden. Diese verbieten dem ausscheidenden Mitarbeiter nicht, für
die Mandanten des bisherigen Arbeitgebers tätig zu werden, verpflichten ihn jedoch,
einen gewissen Honoraranteil aus diesen Mandaten abzuführen.

100 Zweifelnd auch Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 111.


101 BAG, Urt. v. 16.07.1971 – 3 AZR 384/70.
102 BAG, Urt. v. 16.07.1971 – 3 AZR 384/70; Preis/Stoffels, Der Arbeitsvertrag, II W 10, Rn. 73.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 307

Beispiel
Übernehmen Sie bei oder im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus den Diensten meiner Praxis
unmittelbar oder mittelbar Mandate meiner Praxis, so werden Sie als Entschädigung für einen Zeit-
raum von fünf Jahren seit dem Ausscheiden einen Betrag in Höhe von 20 % Ihres Gesamtumsatzes mit
dem betreffenden Mandanten an mich abführen. Die Zahlungen sind jeweils am 01.03. eines Jahres
für den Jahresumsatz des vorangegangenen Kalenderjahres fällig.

Das BAG103 hat in dieser Vereinbarung kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot 79


im Sinne der § 74 ff. HGB gesehen. Bei einer Mandantenübernahmeklausel werde
gerade kein Konkurrenzverbot vereinbart, sondern im Gegenteil die Betreuung von
Mandanten des ehemaligen Arbeitgebers – allerdings gegen Abführung eines Teils
des Honorars – ausdrücklich zugelassen. Die § 74 ff. HGB seien daher auf Mandanten-
übernahmeklauseln nicht anwendbar. Sie seien auch ohne Verpflichtung zur Zahlung
einer Karenzentschädigung grundsätzlich zulässig und verbindlich, soweit sie dem
Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dienten und das
berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschwerten. Im konkreten
Einzelfall scheiterte die Klausel jedoch daran, dass die vorgesehene Bindung von fünf
Jahren als zu lang erachtet wurde. Auch bei Mandantenübernahmeklauseln sei eine
Bindung von mehr als zwei Jahren nicht mehr als angemessen anzusehen. Folglich
wurden Mandantenübernahmeklauseln nach dem oben dargestellten Beispiel bei
einer auf nur zwei Jahre reduzierten Bindungsdauer für zulässig gehalten.
Das BAG hat diese Rechtsprechung jedoch im Jahr 2013 geändert. Eine Mandan- 80
tenübernahmeklausel ohne Karenzentschädigung beschränke den Arbeitnehmer im
Sinne von § 74 Abs. 1 HGB in seiner beruflichen Tätigkeit. Sie sei deshalb als sog. ver-
deckte Mandantenschutzklausel gemäß § 75d Satz 2 HGB unwirksam.104 Eine Umge-
hung dieser Vorschrift liege dann vor, wenn aufgrund der vereinbarten Konditionen
sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich für den ausscheidenden Mitarbeiter
nicht lohne. In diesem Fall schalte der Arbeitgeber seinen früheren Mitarbeiter als
Konkurrenten aus. Das BAG hat daher die folgende Klausel für unwirksam erklärt,
jedenfalls wenn auch eine nachfolgende Tätigkeit als Angestellter erfasst werden
solle:

Beispiel
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, 20 % der Nettohonorare, die er innerhalb von zwei Jahren nach Been-
digung des Anstellungsvertrages mit Mandanten, die während des laufenden Anstellungsvertrages
von der Gesellschaft betreut wurden, verdient, an die Gesellschaft abzuführen. Die erzielten Hono-
rare sind der Gesellschaft pro Quartal durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten
Rechnungen nachzuweisen. Von der vorstehenden Klausel erfasst werden nur diejenigen Mandanten,
welche vom Standort oder dem Mitarbeiter ganz oder teilweise betreut wurden.

103 BAG, Urt. v. 07.08.2002 – 10 AZR 586/01.


104 BAG, Urt. v. 11.12.2013 – 10 AZR 286/13

Powietzka
308 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

81 Aufgrund dieser Entscheidung des BAG dürfte zweifelhaft sein, ob Mandantenüber-


nahmeklauseln überhaupt noch in zulässiger Weise vereinbart werden können. Sie
sind jedenfalls uneffektiv, wenn zukünftige anderweitige berufliche Tätigkeiten in
großen Bereichen – insbesondere in einem Anstellungsverhältnis – nicht abgedeckt
werden können.

Praxistipp
Von der Verwendung von Mandantenübernahmeklauseln ist daher für die Praxis abzuraten. Besteht
Interesse an der Beschränkung zukünftiger Wettbewerbstätigkeiten, kann dies rechtssicher nur durch
nachvertragliche Wettbewerbsverbote, z. B. in Form einer allgemeinen Mandanten- oder Kunden-
schutzklausel, und die Zusage einer entsprechenden Karenzentschädigung erreicht werden.

XI. V
 ertragsstrafe

1. Regelungsbedarf
82 Verstößt ein Arbeitnehmer gegen ein verbindliches Wettbewerbsverbot, kann der
(ehemalige) Arbeitgeber Unterlassungsansprüche geltend machen und diese ggf.
auch durch einstweilige Verfügung gerichtlich durchsetzen. Darüber hinaus kann
er Schadensersatz verlangen. Häufig wird es jedoch schwierig sein, den kausal auf
der Wettbewerbsverletzung beruhenden Schaden schlüssig darzulegen. Denn dazu
müsste erläutert werden, welcher Gewinn dem Arbeitgeber beispielsweise dadurch
entgangen ist, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Konkurrenztätigkeit ein-
zelne Kunden abgeworben hat. Der Nachweis, dass der ehemalige Arbeitgeber ohne
die unzulässige Wettbewerbstätigkeit überhaupt weitere Geschäfte mit diesen Kunden
hätte abschließen können und welchen Gewinn er daraus erzielt hätte, wird häufig
nicht einfach zu führen sein. Der bloße Vergleich von Jahresergebnissen in Form von
Gewinn oder Verlust vor und nach Aufnahme der Wettbewerbstätigkeit wird – auch
unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des § 287 ZPO – nicht ausreichen.105
Zwar muss der Arbeitgeber für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer gegen das
Wettbewerbsverbot verstößt, die vereinbarte Karenzentschädigung nicht bezahlen
und kann eine bereits gezahlte Karenzentschädigung zurückfordern.106 Dennoch sind
die Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot häufig nicht so effek-
tiv, dass sie den Arbeitnehmer von einer unzulässigen Wettbewerbstätigkeit abschre-

105 BAG, Urt. v. 26.09.2012 – 10 AZR 370/10 zu einem Fall des unlauteren Abwerbens von Mitarbei-
tern.
106 BAG, Urt. v. 05.08.1968 – 3 AZR 128/67.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 309

cken würden. Um ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot effektiv durchsetzen zu


können, wird daher häufig die Vereinbarung einer Vertragsstrafe empfohlen.107

2. Anforderungen an Vertragsstrafeklauseln
Die Rechtsprechung des BAG stellt jedoch für eine wirksame Vertragsstrafenregelung 83
sehr hohe Anforderungen mit der Folge, dass eine rechtssichere Gestaltung in diesem
Bereich kaum noch möglich ist.

a) Zulässigkeit von Vertragsstrafen


Vertragsstrafen sind auch in vorformulierten Vereinbarungen mit Arbeitnehmern 84
grundsätzlich zulässig. Das Verbot des § 309 Nr. 6 BGB steht dem nicht entgegen. Die
Vorschrift erklärt nicht jede Vertragsstrafe für unzulässig, sondern betrifft nur den
Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsver-
zugs oder der Lösung vom Vertrag. Die Vorschrift beschränkt daher Vertragsstrafen-
regelungen im Zusammenhang mit nachvertraglichen Wettbewerbsverboten nicht.108
Auch § 309 Nr. 5 BGB, der sich mit der Pauschalierung von Schadensersatzansprü-
chen in AGB befasst, ist in der Regel nicht einschlägig.109
Eine Vertragsstrafenregelung im Zusammenhang mit nachvertraglichen Wett- 85
bewerbsverboten wird in der Regel auch nicht als überraschende Klausel im Sinne
des § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sein. Vertragsstrafenabreden sind in diesem Bereich
nicht ungewöhnlich. Ein Überraschungs- oder Überrumpelungseffekt kann sich aber
aus der Gestaltung der Klausel ergeben, etwa durch ein „Verstecken“ der Regelung
an einer unerwarteten Stelle. Ist die Vertragsstrafe jedoch im Zusammenhang mit
dem Wettbewerbsverbot geregelt, kann dies nicht unerwartet sein, auch wenn die
Vertragsstrafe nicht (etwa durch eine gesonderte Überschrift) hervorgehoben wird.110
Strenge Anforderungen stellt das BAG jedoch bei der Prüfung, ob die Vertrags- 86
strafe den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB) und insbesondere
im Hinblick auf das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Problematisch sind
bei der Gestaltung von Vertragsstrafenregelungen vor allem zwei Aspekte: Zum einen
die angemessene Höhe der Vertragsstrafe und zum anderen die Regelung von mehr-
fachen und Dauerverstößen.

107 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 921; Jaeger, Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäfts-
führers, S. 182.
108 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 8 AZR 973/06.
109 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 927.
110 Vgl. BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 8 AZR 973/06.

Powietzka
310 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

b) H
 öhe der Vertragsstrafe
87 In Bezug auf die Höhe der Vertragsstrafe kann entweder mit feststehenden Summen
gearbeitet oder an die vom Arbeitnehmer zuletzt bezogene Vergütung angeknüpft
werden (z. B. eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsgehalts oder eines bestimmten
Vielfachen der letzten Monatsvergütung). Unzulässig wäre es, die Höhe der Vertrags-
strafe der Festsetzung der Gerichte zu überlassen. Daher hat das BAG eine Vertrags-
strafenabrede für unwirksam erachtet, die „eine für jeden Einzelfall vom Gericht fest-
zusetzende Vertragsstrafe“ vorsah.111
88 Bei der Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe ist vor allem zu beachten, dass
sie in einem angemessenen Verhältnis zum drohenden Schaden stehen muss.
Sie darf nicht der Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Arbeitgebers losgelöster
Geldforderungen dienen. Dies würde eine unzulässige Benachteiligung des Arbeit-
nehmers darstellen. 112 Eine Vertragsstrafe im Vertrag eines Versicherungsvermittlers,
die den dem Arbeitgeber drohenden Provisionsverlust durch die verbotswidrige Ver-
mittlung von Versicherungen auf eigene Rechnung um das Fünffache übersteigt, wird
daher unzulässig sein.113
89 Neben der Höhe des zu erwartenden Schadens kann auch das Verhältnis zum
letzten Gehalt des Mitarbeiters berücksichtigt werden. In Anlehnung an die Recht-
sprechung zu Vertragsstrafen wegen der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses
werden auch im Bereich der nachvertraglichen Wettbewerbsverbote Vertragsstrafen
in der Höhe eines Bruttomonatsgehalts weitgehend als zulässig angesehen, während
bei Übersteigen von drei Bruttomonatsgehältern erhebliche Bedenken geltend
gemacht werden.114 Das BAG hat jedoch bereits deutlich gemacht, dass ein Brutto-
monatsgehalt keineswegs als Höchstgrenze für Vertragsstrafenversprechen anzuse-
hen sei und insbesondere bei der Verletzung von Wettbewerbsverboten typischer-
weise erheblich höhere Schäden drohen als etwa bei der vorzeitigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer.115
90 Aufgrund der Besonderheiten des AGB-Rechts muss aber dafür Sorge getragen
werden, dass die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe in jeder Fallkonstellation,
in der die Vertragsstrafe verwirkt sein soll, angemessen sein muss. Andernfalls ist
die Vereinbarung der Vertragsstrafe insgesamt unwirksam.116 Eine überhöhte Ver-
tragsstrafenabrede kann nicht auf ein zulässiges Maß reduziert werden. Die in § 343
BGB vorgesehene Möglichkeit der Herabsetzung einer überhöhten Vertragsstrafe wird
von den Vorgaben des AGB-Rechts (Verbot der geltungserhaltenden Reduktion) ver-

111 BAG, Urt. v. 25.09.1980 – 3 AZR 133/80.


112 BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03.
113 So LAG Hamm, Urt. v. 03.11.2006 – 7 Sa 1232/06.
114 Siehe etwa Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 941; Schramm, NJW 2008, 1494, 1496.
115 BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07.
116 Vgl. BAG, Urt. v. 25.09.2008 – 8 AZR 717/07.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 311

drängt, zumal die Herabsetzung nach § 343 BGB eine wirksam vereinbarte Vertrags-
strafe voraussetzt.117 Aufgrund dieser Unwägbarkeiten ist bei der Gestaltung einer
Vertragsstrafeklauseln im Zweifel zu raten, den „sicheren Bereich“ von bis zu einem
Bruttomonatsgehalt nicht zu überschreiten, da andernfalls die gesamte Vertrags-
strafenregelung für unwirksam erachtet werden könnte. Ist diese Höhe der Vertrags-
strafe aufgrund der im Fall einer Verletzung des Wettbewerbs drohenden finanziellen
Schäden offensichtlich unzureichend, sollte die Höhe der drohenden Schäden mög-
lichst nachvollziehbar ermittelt und zur Grundlage der Vertragsgestaltung gemacht
werden. Damit sollte es möglich sein, im Streitfall die Gerichte von der Angemessen-
heit der Höhe der Vertragsstrafe zu überzeugen.

c) Mehrfach- und Dauerverstöße


Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Arbeitnehmer sich auch 91
nach einem erstmaligen Verstoß zukünftig wieder an das Verbot hält und sich nicht
etwa durch die einmalige Zahlung einer Vertragsstrafe „freikaufen“ kann. Um dem
Rechnung zu tragen, wird in vergleichbaren Fällen üblicherweise formuliert, dass die
Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ geschuldet ist. Regelungsbe-
darf besteht außerdem bei Dauerverstößen, insbesondere wenn der Arbeitnehmer
durch die Eingehung eines neuen Arbeits- oder Dienstverhältnisses mit einem Kon-
kurrenten oder durch eine dauerhafte selbstständige Tätigkeit gegen das Verbot ver-
stößt. Die Formulierung solcher Regelungen ist aufgrund der strengen (und nach all-
gemeinen Maßstäben des AGB-Rechts überzogenen) Anforderungen des BAG derzeit
nicht rechtssicher zu gestalten.
Das BAG hat eine Vertragsstrafenabrede wegen Verstoßes gegen das Transpa- 92
renzgebot für unwirksam erklärt, weil sie für jeden Fall der Zuwiderhandlung des
Arbeitnehmers gegen ein Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei
durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen vorsah und gleichzeitig bestimmte,
dass im Fall einer dauerhaften Verletzung des Wettbewerbsverbots jeder angebro-
chene Monat als neue Verletzungshandlung gelten sollte. Diese Bestimmung hielt das
BAG für nicht klar und verständlich. Das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
verlange, dass im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und
Pflichten des Vertragspartners so klar und präzise wie möglich beschrieben werden.
Es dürften keine vermeidbaren Unklarheiten und Spielräume verbleiben. Im vorlie-
genden Fall werde nicht erkennbar, wann eine „dauerhafte Verletzung“ vertraglicher
Pflichten vorliege, die zu einer monatlich erneut fällig werdenden Vertragsstrafe

117 Siehe BAG, Urt. v. 04.03.2004 – 8 AZR 196/03; LAG Hamm, Urt. v. 03.11.2006 – 7 Sa 1232/06;
zu Fällen, in denen die Herabsetzung bei vorformulierten Wettbewerbsverboten in Betracht kommt,
ausf. Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 946 ff., Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1; Winter, BB 2010,
2757.

Powietzka
312 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

führe, und wann demgegenüber ein einmaliger Vertragsverstoß gegeben sei, für den
nur eine einmalige Vertragsstrafe verwirkt sein solle. Insbesondere werde nicht deut-
lich, wie der geradezu typische Fall zu behandeln sei, dass der Arbeitnehmer für ein
Konkurrenzunternehmen tätig werde, indem er für dieses Tätigkeiten verrichte oder
diesem Kunden vermittle. Ob dann für jeden Einzelfall des Verstoßes eine Vertrags-
strafe von zwei oder mehr durchschnittlichen Bruttomonatseinkommen verwirkt sei
oder ob sich dies als dauerhafte Verletzung darstelle, so dass für jeden Monat, in dem
ggf. mehrere Vertragsverletzungen begangen würden, nur einmal die Vertragsstrafe
fällig werde, sei unklar. Dieselben Unklarheiten gebe es im Fall einer Beteiligung des
Arbeitnehmers an einem Konkurrenzunternehmen. Auch eine solche Beteiligung
erstrecke sich typischerweise über einen längeren Zeitraum.118
93 Damit hat das BAG die in der Vergangenheit üblichen Standardformulierungen
für nicht ausreichend erklärt. Eine genauere Erläuterung, was – in Abgrenzung zu
einem einmaligen Verstoß – als mehrfache Zuwiderhandlung und was als Dauer-
verstoß anzusehen sein soll, ist daher unabdingbar. Angesichts der vielgestaltigen
möglichen Fallkonstellationen ist es jedoch schwierig, eine für den Arbeitnehmer
verständliche und somit transparente Formulierung zu finden, die alle in Betracht
kommenden Wettbewerbsverstöße abdeckt.119 Eine dauerhafte Verletzung des Wett-
bewerbsverbots wird – wie vom BAG dargelegt – vor allem in den Fällen eines Arbeits-
oder Dienstverhältnisses mit einem Wettbewerber sowie bei einer Beteiligung an
einem Konkurrenzunternehmen gegeben sein. Hier soll die Vertragsstrafe dement-
sprechend für jeden Monat des Verstoßes einmal anfallen. Andere Fälle, in denen
der Arbeitnehmer mehrfach gegen das Verbot verstößt, sind dann im Umkehrschluss
als mehrfache Zuwiderhandlungen einzuordnen, so dass jeder Einzelverstoß erneut
zur Verwirkung der Vertragsstrafe führt. Klargestellt werden sollte außerdem, dass
mehrere Einzelverstöße innerhalb eines dauerhaften Dienst-, Arbeits- oder Gesell-
schafterverhältnisses nur einmal monatlich und nicht für jeden Einzelverstoß eine
Vertragsstrafe auslösen. Empfohlen wird etwa folgende Formulierung:

Klauselmuster120
Besteht die Verletzungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunter-
nehmen oder der Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (z. B. Arbeits-, Dienst-, Handelsver-
treter- oder Beraterverhältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die
Beteiligung oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverstoß). Mehrfache Verlet-
zungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines
Monats. Erfolgen dagegen einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen eines Dauerverstoßes, sind
sie von der für den Dauerverstoß verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst.

118 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – 8 AZR 973/06; siehe dazu Diller, NZA 2008, 574; Schramm, NJW 2008,
1494; Niemann, RdA 2013, 92.
119 Anschaulich zu den damit verbundenen Problemen und Schwierigkeiten Diller, NZA 2008, 547.
120 Siehe Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn. 963.

Powietzka
C. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote 313

Eine solche Formulierung sollte den Anforderungen des BAG wohl standhalten. Eine 94
Garantie, dass die Arbeitsgerichte auch darin noch vermeidbare Unklarheiten entde-
cken und die Vertragsstrafenklausel für unwirksam halten können, gibt es aber nicht.
Eine vollständige Vertragsstrafenregelung im Rahmen einer nachvertraglichen 95
Wettbewerbsabrede wird im Folgenden (unter Ziff. 12) dargestellt.

XII. Vollständiges Klauselmuster

Unter Berücksichtigung dieser Aspekte kann ein nachvertragliches Wettbewerbsver- 96


bot beispielsweise wie folgt formuliert werden:

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses Arbeitsver-
trags weder in selbstständiger, unselbstständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu
werden, das mit dem Arbeitgeber im direkten oder indirekten Wettbewerb steht oder mit einem Wett-
bewerbsunternehmen konzernverbunden ist. In gleicher Weise verpflichtet sich der Arbeitnehmer,
während der Dauer dieses Verbots kein solches Unternehmen zu errichten, zu erwerben oder sich
hieran unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen. Das Wettbewerbsverbot gilt auch zu Gunsten der mit
dem Arbeitgeber konzernverbundenen Unternehmen.
Während der Dauer dieses Wettbewerbsverbots erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung, die für
jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen beträgt.
Auf die Entschädigung ist anderweitiger Verdienst sowie böswillig unterlassener Verdienst nach Maß-
gabe des § 74c HGB anzurechnen. Der Arbeitnehmer hat jeweils zum Monatsende unaufgefordert
schriftlich mitzuteilen, ob und in welcher Höhe er anderweitige Einkünfte bezieht. Auf Verlangen des
Arbeitgebers sind die Angaben zu belegen.
Für jede Handlung, durch die der Arbeitnehmer das Verbot schuldhaft verletzt, hat er eine Vertrags-
strafe in Höhe des letzten durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts zu zahlen. Besteht die Verlet-
zungshandlung in der kapitalmäßigen Beteiligung an einem Wettbewerbsunternehmen oder der
Eingehung eines Dauerschuldverhältnisses (z. B. Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreter- oder Beraterver-
hältnis), wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die kapitalmäßige Beteiligung
oder das Dauerschuldverhältnis besteht, neu verwirkt (Dauerverstoß). Mehrere Verletzungshandlun-
gen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb desselben Monats.
Erfolgen jedoch einzelne Verletzungshandlungen im Rahmen eines Dauerverstoßes, sind sie von der
für den Dauerverstoß verwirkten Vertragsstrafe mit umfasst. Bei Verwirkung mehrerer Vertragsstrafen
ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Vertragsstrafen auf das Sechsfache des letzten durchschnitt-
lichen Bruttomonatsgehalts begrenzt.
Die Geltendmachung von Schäden, die über die verwirkte Vertragsstrafe hinausgehen, bleibt vorbe-
halten, ebenso die Geltendmachung aller sonstigen gesetzlichen Ansprüche und Rechtsfolgen aus
einer Verletzung des Wettbewerbsverbots (z. B. Unterlassungsansprüche, Wegfall des Anspruchs auf
Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes, etc.).
Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 74 ff.

________________ ________________
Arbeitgeber Arbeitnehmer

Powietzka
314 Kapitel 8 Nachvertragliche Pflichten

Der Arbeitnehmer bestätigt, eine von Seiten des Arbeitgebers im Original unterschriebene vollständi-
ge Fassung dieser Vereinbarung erhalten zu haben.

________________
Arbeitnehmer

Powietzka
Kapitel 9
Schlussbestimmungen

A. Z
 ugangsfiktion

I. K
 lauselzweck

Nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB werden empfangsbedürftige Willenserklärungen, die gegen- 1


über einem Abwesenden abgegeben werden, erst wirksam, wenn sie diesem zugegan-
gen sind. Auch im Arbeitsrecht ist der Zugang von Willenserklärungen – speziell
solcher des Arbeitgebers – von großer Bedeutung. Bei Erklärungen des Arbeitgebers
kann nicht nur in Frage stehen, ob diese dem Arbeitnehmer überhaupt zugegangen
sind, oftmals kommt es auch auf den genauen Zeitpunkt des Zugangs an, insbeson-
dere dann, wenn der Zugang innerhalb einer bestimmten Frist zu erfolgen hat (z. B.
bei außerordentlichen Kündigungserklärungen nach § 626 Abs. 2 S. 1 BGB).
Der Zugang ist dann erfolgt, wenn die Willenserklärung so in den Machtbereich 2
des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Mög-
lichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.1 Dabei kann es auch zu
Zugangsstörungen kommen, wie etwa dem Fehlen oder Mängel von Empfangsvor-
richtungen.2 Handelt es sich bei einer solchen Störung um eine Zugangsvereitelung
des Empfängers, muss dieser die Erklärung zu einem früheren Zeitpunkt als zugegan-
gen gegen sich gelten lassen, wenn es ihm nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB
verwehrt ist, sich auf eine Verspätung des Zugangs zu berufen, für die er selbst durch
sein Verhalten die alleinige Ursache gesetzt hat.3 Das gilt nach der Rechtsprechung
auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Adresse angibt, unter der er nicht erreichbar
ist oder wenn ein Empfangsbote die Annahme verweigert und der Empfänger Ein-
fluss auf diese Annahmeverweigerung genommen hat.4 Diese Grundsätze sind ins-
besondere anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer mit dem Zugang einer Arbeitgeber-
Erklärung rechnen musste und der Arbeitgeber alles für einen rechtzeitigen Zugang
Erforderliche und Zumutbare getan hat, wozu auch die Wiederholung eines Zustel-
lungsversuchs gehört, sofern der Erklärende Kenntnis von der fehlgeschlagenen
Zustellung erlangt.5

1 St. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 3.11.1976 – VIII ZR 140/75, Rn 13.
2 Palandt/Ellenberger, § 130 BGB Rn 16 f.
3 BAG, Urt. v. 18.2.1977 – 2 AZR 770/75, Rn 24; BAG, Urt. v. 26.03.2015 – 2 AZR 483/14; ErfK/Müller-
Glöge, § 620 BGB Rn 54.
4 BAG, Urt. v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, Rn 17; BAG, Urt. v. 9.6.2011 – 6 AZR 687/09, Rn 21.
5 BAG, Urt. v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, Rn 15 ff. für den Fall, dass ein schwerbehinderter Arbeit-
nehmer weiß, dass seine Kündigung unmittelbar bevorsteht und der Personalabteilung eine falsche
Adresse mitteilt; BGH, Urt. v. 26.11.1997 – VIII ZR 22/97, Rn 17; Palandt/Ellenberger, § 130 BGB Rn 18.

Powietzka
316 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

3 Die Darlegungs- und Beweislast trägt derjenige, der sich auf den Zugang beruft;
dies gilt auch für die Rechtzeitigkeit des Zugangs.6 Nach diesen Grundsätzen obliegt
es dem Arbeitgeber den (rechtzeitigen) Zugang seiner Erklärung beim Arbeitnehmer
nachzuweisen. Da dies mit Schwierigkeiten z. B. auch durch Übermittlungsrisiken
verbunden sein kann, wäre eine Fiktionsklausel dahingehend für den Arbeitgeber
vorteilhaft, dass er nicht mehr den Beweis des Zugangs führen müsste und mögliche
Zugangshindernisse ausschließen könnte.7

II. Wirksamkeit einer Zugangsfiktionsklausel

4 Zugangsfiktionsklauseln wirken sich auf die Beweislastverteilung aus,8 da grundsätz-


lich der Arbeitgeber für den (rechtzeitigen) Zugang einer von ihm abgegebenen emp-
fangsbedürftigen Willenserklärung darlegungs- und beweispflichtig ist. Gem. § 309
Nr. 12 BGB sind Klauseln in Formulararbeitsverträgen, durch die der Verwender die
Beweislast zum Nachteil seines Vertragspartners verändert, grundsätzlich unwirk-
sam. Dieses Klauselverbot wird jedoch durch § 308 Nr. 6 BGB als lex specialis zu § 309
Nr. 12 BGB entschärft.9 Nach § 308 Nr. 6 BGB – der auch im Arbeitsrecht gilt10 – sind
solche Bestimmungen unwirksam, die vorsehen, dass eine Erklärung des Verwenders
von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt. Von beson-
derer Bedeutung ist eine Erklärung dann, wenn sie für den Empfänger mit nachtei-
ligen Rechtsfolgen (z. B. Kündigung, Abmahnung, Fristsetzung etc.) verbunden ist.11
Daher kann der Zugang von Willenserklärungen ohne besondere Bedeutung fingiert
werden.12 Solche Klauseln sind aber nicht per se wirksam, vielmehr unterliegen sie
einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, wobei in der Regel eine Unangemessenheit
nicht vorliegen wird, da der Gesetzgeber in § 308 Nr. 6 BGB Zugangsfiktionen bewusst
nur für Erklärungen von besonderer Bedeutung für unwirksam erklärt.13 Allerdings
muss der Arbeitgeber auch bei wirksamen Klauseln stets den Beweis der Absendung
führen, da eine anders lautende Regelung gegen § 309 Nr. 12 BGB verstoßen würde.14

6 Palandt/Ellenberger, § 130 BGB Rn 21.


7 Vgl. auch Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 7.
8 Vgl. Rn 3.
9 Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 35; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 971; MüKo-BGB/Wurmnest,
§ 309 Nr. 12 Rn 5.
10 Lakies, Kap. 5 Rn 487; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 101.
11 Hümmerich/Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1700; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 101; MaSiG/Jochums,
Kap. 610 Rn 8.
12 Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 35.
13 Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 14.
14 Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 17.

Powietzka
A. Zugangsfiktion 317

1. K
 onstitutive Zugangsfiktion

Beispiel
– Ein Schreiben des Arbeitgebers gilt drei Tage nach Versendung an die dem Arbeitgeber mitgeteil-
te Anschrift des Arbeitnehmers als zugegangen.
– Ein Schreiben des Arbeitgebers an die dem Arbeitgeber mitgeteilte Anschrift des Arbeitnehmers
gilt am Tag des ersten Zustellungsversuchs als zugegangen.
– Ein Schreiben des Arbeitgebers an die dem Arbeitgeber mitgeteilte Anschrift des Arbeitnehmers
gilt mit dem Datum der Aufgabe zur Post als zugegangen.
– Ein Schreiben des Arbeitgebers, welches in den Briefkasten des Arbeitnehmers eingeworfen
wird, gilt in jedem Falle, unabhängig von der Uhrzeit des Einwurfes, als noch am Tag des Einwur-
fes zugegangen.

Die vorstehenden ersten beiden Klauselbeispiele beinhalten klassische Zugangs- 5


fiktionen, die an unterschiedliche Zeitpunkte anknüpfen und nach § 308 Nr. 6 BGB
unwirksam sind.15 Unwirksam ist auch der im dritten Beispiel enthaltene komplette
Verzicht des Zugangs.16 Das vierte Klauselbeispiel fingiert den Zugangszeitpunkt.
Da die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer eine der beiden
Voraussetzungen eines wirksamen Zugangs ist und der Arbeitgeber nach allgemei-
nen Grundsätzen auch hinsichtlich der Rechtzeitigkeit des Zugangs beweispflichtig
ist,17 ist es sachgerecht auch eine Fiktion des Zeitpunkts des Zugangs gem. § 308 Nr. 6
BGB für unwirksam zu erachten.18 Dies entspricht auch der Rechtsprechung, die eine
Willenserklärung erst am nächsten Tag als zugegangen ansieht, wenn das entspre-
chende Schreiben erst nach den allgemeinen Postzustellungszeiten in den Briefkas-
ten eingeworfen wird.19
Daneben dürfen durch solche Klauseln, die auch für Kündigungen des Arbeitge- 6
bers gelten würden, nicht die gesetzliche Kündigungsfrist und die Frist des § 4 KSchG
verkürzt werden, so dass diese auch in individuell ausgehandelten Arbeitsverträgen
unwirksam sind.20

15 Hümmerich/Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1706, 1708; Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 12, 14.


16 Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 36; Lakies, Kap. 5 Rn 488; a. A. MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 6 Rn
4, der einen Zugangsverzicht jedoch an § 307 BGB unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des
§ 308 Nr. 6 BGB misst, was im Ergebnis jedoch zu keinem anderen Ergebnis führen wird.
17 Vgl. Rn 3.
18 MaSiG/Jochums, Kap. 610 Rn 14; Suckow/Niemann/Striegel/Suckow, Rn 972; a. A. Hümmerich/
Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1710, 1712 und wohl mit Einschränkungen auch Palandt/Grüneberg, § 308 Rn
36.
19 BAG, Urt. v. 8.12.1983 – 2 AZR 337/82; BAG, Urt. v. 16.3.1988 – 7 AZR 587/87, Rn 27.
20 BAG, Urt. v. 13.10.1976 – 5 AZR 638/75, Rn 18; kritisch, aber im Ergebnis wohl bejahend Preis/Preis,
Kap. II Z 10 Rn 13; Hümmerich/Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1708.

Powietzka
318 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

2. D
 eklaratorische Zugangsfiktion
7 Bestimmungen in Formulararbeitsverträgen, die nur die Rechtsfolgen einer
Zugangsvereitelung durch den Arbeitnehmer regeln,21 haben einen rein deklaratori-
schen Charakter, da sie lediglich die geltende Rechtslage widerspiegeln.22

Beispiel
– Hat der Arbeitnehmer eine Änderung seiner Wohnanschrift nicht ordnungsgemäß gemeldet, so
gilt ein Schreiben des Arbeitgebers in dem Zeitpunkt als zugegangen, in dem sie den Arbeitneh-
mer unter der zuletzt angegebenen Anschrift erreicht hätte.

8 Da die Rechtsprechung grundsätzlich die Wiederholung des Zustellungsversuchs


fordert,23 wird aber vertreten, dass das dieses Klauselbeispiel ebenfalls nach § 308
Nr. 6 BGB unwirksam ist,24 so dass auch eine solche Klausel nicht empfehlenswert
erscheint.

3. Tatsachenfiktion
9 Die folgenden Beispiele haben ihren Schwerpunkt im Bereich der Tatsachenfiktion
und fingieren nicht den Zugang als solchen.

Beispiel
– Ein Schreiben des Arbeitgebers gilt dann als zugegangen, wenn es unter Zeugen an die Haustür
des Arbeitnehmers geklebt wurde, sofern dieser keinen Briefkasten oder sonstige Öffnung an
seiner Haustür hat, um den Brief in den Hausflur zu werfen.
– Hat ein Postbote den ortsabwesenden Arbeitnehmer über einen Benachrichtigungszettel im
Briefkasten darüber informiert, dass ein Einschreibebrief zur Abholung bereit liegt, gilt der Ein-
schreibebrief von dem Tag an als zugegangen, an dem der Benachrichtigungszettel eingeworfen
wurde, auch wenn der Brief erst später von dem Arbeitnehmer abgeholt wird.

10 Im ersten Beispiel wird lediglich die äußere Seite der Haustür als „Machtbereich“
des Arbeitnehmers definiert, was grundsätzlich wirksam ist.25

21 Vgl. zur Zugangsvereitelung Rn 2.


22 MaSiG/Jochums, Kap. 610 Rn 10, 16; Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 20, 23.
23 Vgl. Rn 2.
24 MaSiG/Jochums, Kap. 610 Rn 10; Lakies, Kap. 5 Rn 488.
25 Hümmerich/Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1710, 1713.

Powietzka
A. Zugangsfiktion 319

Die zweite Klausel unterliegt als Tatsachenfiktion nur der Inhaltskontrolle des 11
§ 307 BGB. Durch diese Fiktion wird die Frist des § 4 KSchG jedoch stets verkürzt, so
dass hier eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vorliegt.26

4. Zugangsvermutung

Beispiel
– Ein Schreiben des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer gilt diesem als mit dem normalen Postlauf
zugegangen, es sei denn, der Arbeitnehmer weist nach, dass der Zugang tatsächlich nicht oder
zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist.

Eine solche widerlegliche Zugangsvermutung ist ebenfalls nach § 308 Nr. 6 BGB 12
unwirksam, sofern sie auch Erklärungen mit besonderer Bedeutung nicht ausschließt,
obwohl der Wortlaut der Norm diesen Fall nicht direkt erfasst, diese Fälle aber sonst
dem absoluten Beweislaständerungsverbot des § 309 Nr. 12 BGB unterlägen und somit
strenger behandelt werden würden als die stärkere Zugangsfiktion.27

III. Fazit

Wie an den obigen Ausführungen zu erkennen ist, sind Zustellungsfiktionsklauseln 13


nur in einem sehr engen Rahmen in Formulararbeitsverträgen zulässig. Und auch in
Individualarbeitsverträgen darf es im Rahmen von Kündigungen nicht zu einer Ver-
kürzung von Kündigungsfristen oder der Frist des § 4 KSchG kommen.
In einer AGB-Klausel darf zwar zulässigerweise der Zugang von Willenserklä- 14
rungen ohne besondere Bedeutung fingiert werden, wobei auch hier noch eine Klau-
selkontrolle nach § 307 BGB erfolgt.28 Nimmt man in einer vorformulierten Klausel
pauschal „Erklärungen von besonderer Bedeutung“ von der Zugangsfiktion aus,
so ist dies eine unspezifizierte Ausnahme, durch die das Auslegungsrisiko auf den
Arbeitnehmer abgewälzt wird und die diesen im Sinne von § 307 BGB unangemessen
benachteiligt.29
Da unbedeutende Willenserklärungen im Übrigen in der Praxis kaum Zündstoff 15
für Auseinandersetzung bieten werden und deklaratorische Regelungen – soweit

26 Hümmerich/Reufels/Schiefer, § 1 Rn 1710, 1714 mit Hinweis auf die Entscheidung des BAG, Urt. v.
25.4.1996 – 2 AZR 13/95: Die Klagefrist des § 4 KSchG beginnt erst mit Aushändigung des Einschreibens
zu laufen, selbst wenn ein Benachrichtigungszettel in den Briefkasten geworfen wird.
27 MaSiG/Jochums, Kap. 610 Rn 17; Palandt/Grüneberg, § 308 Rn 36; MüKo-BGB/Wurmnest, § 308
Nr. 6 Rn 3.; Suckow/Striegel/Niemann/Suckow, Rn 972.
28 Vgl. Rn 4.
29 MüKo-BGB/Wurmnest, § 308 Nr. 6 BGB Rn 5.

Powietzka
320 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

sie wirksam sind30 – ebenfalls nur die geltende Rechtslage wiedergeben, erscheinen
Zugangsfiktionsklauseln als überflüssig.31 Daher kann von einer Aufnahme in einen
Formulararbeitsvertrag abgesehen werden.
16 In individuell ausgehandelten Arbeitsverträgen müssen Kündigungserklärungen
im Rahmen von Zugangsfiktionsabreden ausdrücklich ausgenommen werden,32 im
Übrigen sprechen die Beweislaständerung und die Rechtssicherheit für die Verein-
barung einer Zugangsfiktion, wobei mit dem Ausschluss der Kündigungserklärungen
auch hier die wohl praxisrelevantesten Fälle ausgenommen sind, so dass auch hier
von der Aufnahme einer entsprechenden Abrede abgesehen werden kann.
17 Stattdessen ist zu empfehlen, wichtige Schreiben durch einen Boten in den Brief-
kasten des Arbeitnehmers einwerfen zu lassen und den Boten anzuweisen, ein ent-
sprechendes Zustellungsprotokoll zu erstellen.33

B. S
 chriftformklausel

I. A
 rten von Schriftformklauseln

18 Die Vertragsparteien sind grundsätzlich darin frei, durch vertragliche Vereinbarung


das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis einer Formvorschrift zu unter-
stellen. Es können verschiedene Arten von sogenannten Schriftformklauseln in den
Arbeitsvertrag aufgenommen werden, die sich in ihrer Ausgestaltung unterscheiden.
19 Die einfache Schriftformklausel regelt, dass Änderungen und Ergänzungen des
Vertrages der Schriftform bedürfen. Weitere Voraussetzungen beinhaltet sie nicht.
Dagegen setzt die doppelte Schriftformklausel zusätzlich voraus, dass auch die
Änderung bzw. Aufhebung der Klausel selbst der Schriftform bedarf.
20 Das Formerfordernis muss sich nicht auf den ganzen Vertrag beziehen. Es lässt
sich z. B. auf Nebenabreden beschränken, so dass insbesondere die formlose Anpas-
sung der Vergütung möglich ist.34
21 Des Weiteren unterscheidet man zwischen der deklaratorischen und der kon-
stitutiven Schriftformklausel. Deklaratorisch ist eine Klausel, wenn sie lediglich
Beweiszwecken dient und nicht die Unwirksamkeit der (mündlich vereinbarten) Ver-
tragsänderung bzw. -ergänzung zur Folge hat. Im Gegensatz dazu ist die Einhaltung
der Schriftform bei einer konstitutiven Schriftformklausel Wirksamkeitsvorausset-

30 Vgl. Rn 7 f.
31 So auch Preis/Preis, Kap. II Z 10 Rn 23, 31.
32 Vgl Rn 6, 13.
33 So auch Moll/Melms, § 10 Rn 201 f.
34 Hümmerich/Boecken/Mestwerdt, § 127 BGB Rn 59; kritisch hierzu Preis/Preis, Kap. II S 30 Rn 5.

Powietzka
B. Schriftformklausel 321

zung. Welche der Klauseln von den Parteien gewollt ist, ist durch Auslegung nach
§§ 133, 157 BGB zu ermitteln.35

II. Aufhebung des Schriftformerfordernisses

1. Individuell vereinbarte Arbeitsverträge


Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann eine einfache Schriftformklausel 22
jederzeit formlos – auch konkludent z. B. durch Vereinbarung einer an sich formbe-
dürftigen Vertragsänderung – aufgehoben werden und zwar auch dann, wenn die
Parteien bei diesem Abschluss nicht an die Schriftform gedacht haben.36 Jedoch liegt
nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei, die
sich auf eine mündlich getroffene Vereinbarung beruft.37 Durch eine einfache Schrift-
formklausel wird daher auch nicht das Entstehen einer betrieblichen Übung abge-
wendet.38 Dagegen verhindert die doppelte Schriftformklausel – zumindest außer-
halb von Formulararbeitsverträgen – die Entstehung einer betrieblichen Übung.39
Dementsprechend ist auch eine mündlich getroffene Vereinbarung bei Bestehen
einer konstitutiven doppelten Schriftformklausel unwirksam (§ 125 S. 2 BGB).40

2. Formulararbeitsverträge
Im Rahmen von Formulararbeitsverträgen, für die die §§ 305 ff. BGB gem. § 310 Abs. 4 23
S. 2 BGB gelten, weicht die Rechtslage bei der einfachen Schriftformklausel nicht
von den bei individuell ausgehandelten Arbeitsverträgen geltenden Grundsätzen
ab.41 Der Vorrang der Individualabrede wurde im AGB-Recht sogar ausdrücklich in
§ 305b BGB kodifiziert. Auch durch eine betriebliche Übung kann das Formerforder-
nis abbedungen werden.42
Unterschiede ergeben sich jedoch bezüglich der doppelten Schriftformklau- 24
sel. Nach dem Urteil des BAG vom 20.5.200843 hängt die Wirksamkeit einer solchen

35 Zur Unterscheidung von deklaratorischer und konstitutiver Schriftformklausel: BAG, Urt. v.


20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 19; Hümmerich/Boecken/Mestwerdt, § 127 BGB Rn 3, 53 f.; Preis/Preis,
Kap. II S 30 Rn 3.
36 BAG, Urt. v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, Rn 36; BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 17; BAG, Urt.
v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn 17.
37 Dazu auch Lakies, Kap. 1 Rn 107.
38 BAG, Urt. v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, Rn 17.
39 BAG, Urt. v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, Rn 37; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 18.
40 BAG Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 19.
41 ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rn 41; BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 504/06, Rn 17; vgl. Rn 22.
42 Lakies, Kap. 1 Rn 114.
43 BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07.

Powietzka
322 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

Klausel von der konkreten Ausgestaltung ab. Eine zu weit formulierte doppelte
Schriftformklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand und ist nach § 307 Abs. 1
S. 1 BGB unwirksam, wenn sie bei dem Arbeitnehmer den Eindruck erweckt, dass eine
mündlich getroffene Abrede entgegen § 305b BGB nach § 125 S. 2 BGB unwirksam sei
und die Klausel den Vertragspartner damit unangemessen benachteiligt.44 Aufgrund
des im AGB-Recht geltenden und sich aus § 306 Abs. 2 BGB ergebenden Verbots
der geltungserhaltenden Reduktion ist eine solche Schriftformklausel insgesamt
unwirksam. Daher kann durch sie auch nicht die Entstehung einer betrieblichen
Übung verhindert werden.45 Die betriebliche Übung als solche ist zwar keine Indi-
vidualvereinbarung, da sie durch die Entstehung einer Vielzahl von Arbeitnehmern
gegenüber ein kollektives Element enthält und daher grundsätzlich nicht § 305b BGB
entgegensteht. Jedoch kennt das AGB-Recht keine Teilunwirksamkeit von Klauseln,
so dass das Schriftformerfordernis insgesamt entfällt. Dessen ungeachtet kann sich
der Arbeitgeber als Verwender eines Formulararbeitsvertrages nicht auf die Unwirk-
samkeit einer Schriftformklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB berufen und bleibt an das
Schriftformerfordernis gebunden.46
25 Um einer Inhaltskontrolle standzuhalten und den Vertragsparteien Rechtsklar-
heit und Beweiserleichterungen zu verschaffen,47 muss die Klausel einen Passus
enthalten, der mündliche Abreden zulässt.48 Durch eine solche Klausel wird die
Entstehung einer betrieblichen Übung verhindert.49 Teilweise wird in der Literatur
vertreten, dass die betriebliche Übung ausdrückliche Erwähnung in der Schriftform-
klausel finden müsse, um einen eventuellen Verstoß gegen das Transparenzgebot
des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu vermeiden.50 Das BAG hat in seinen bisherigen Entschei-
dungen eine solche Ausgestaltung der Schriftformklausel jedoch nicht verlangt.51 Ein
ausdrücklicher Ausschluss von Ansprüchen aus betrieblicher Übung hat lediglich
eine klarstellende Funktion, da diese gerade keine individuelle Vereinbarung dar-
stellt und das Entstehen entsprechender Ansprüche somit durch die Klausel auch
nicht vom Schriftformerfordernis ausgenommen ist.52
26 Die Aufnahme einer einfachen Schriftformklausel, die zwar mündlich verein-
barte Vertragsänderungen und betriebliche Übungen nicht verhindern kann, hat
zumindest eine mahnende Funktion an die Vertragsparteien, dass eine schriftliche

44 BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 39.


45 ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 224.
46 LAG Hamm, Urt. v. 2.7.2013 – 14 Sa 1706/12.
47 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 757.
48 Vgl. dazu auch ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 96; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 759; Lie-
bers/Reiserer, Kap. B.I.1. Rn 55.
49 BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, Rn 18.
50 Bloching/Ortolf, NJW 2009, 3393, 3396 f.; Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 759.
51 Vgl. BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07; BAG, Urt. v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02.
52 Vgl. Rn 24 und Liebers/Reiserer, Kap. B.I.1. Rn 55 f.

Powietzka
B. Schriftformklausel 323

Fixierung der angestrebten Änderung bzw. Ergänzung vorgenommen werden sollte.53


Eine weitergehende rechtliche Bedeutung hat sie jedoch nicht.

3. Vollständigkeitsklauseln
Eine ähnliche Funktion wie die Schriftformklauseln haben sog. Vollständigkeitsklau- 27
seln. Sie stellen fest, dass über die in dem schriftlichen Vertrag (einschließlich der
dort in Bezug genommenen Anlagen) keine weiteren (schriftlichen oder mündlichen)
Nebenabreden bestehen, der schriftlich ausgefertigte Vertrag also die vollständige
Einigung der Parteien wiedergibt. Damit soll zum einen ausgeschlossen werden, dass
sich eine Partei auf während der Vertragsverhandlungen gemachte Angebote oder
Zusagen beruft, die dann jedoch nicht Bestandteil des Arbeitsvertrags wurden. Die
Vollständigkeitsklausel enthält insoweit den Hinweis an den Arbeitnehmer, dass aus
den bisherigen Vertragsgesprächen nur das verbindlich vereinbart sein, was auch
Eingang in die schriftliche Vereinbarung gefunden hat. Zum anderen versucht der
Arbeitgeber sich durch die Vollständigkeitsklausel davor zu schützen, dass der Arbeit-
nehmer später mündliche Nebenabreden behauptet, die man – aus welchen Gründen
auch immer – bewusst nicht in den schriftlichen Vertrag aufgenommen habe, die
aber dennoch gelten sollten. Für die Wirksamkeit solcher Vollständigkeitsklauseln
gilt dasselbe wie für Schriftformklauseln. Gegen eine Individualvereinbarung beste-
hen keine Bedenken. In AGB ist jedoch der Vorrang der Individualabrede zu beachten
(§ 305b BGB). Er gilt unabhängig davon, ob die (ggf. streitige) Individualabrede vor
oder nach Abschluss der vorformulierten Schriftformklausel vereinbart wurde.54 Die
Vollständigkeitsklausel muss daher erkennen lassen, dass individuell getroffene Ver-
einbarungen gleichwohl ihre Wirksamkeit behalten, durch die Vollständigkeitsklau-
sel also nicht beseitigt werden.

4. Tarifverträge
Eine Inhaltskontrolle eines Formulararbeitsvertrages findet dann nicht statt, wenn 28
dieser Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug nimmt.55 Enthält der Tarifvertrag
eine Schriftformklausel, ist diese daher wirksam bzw. kann nach denselben Regeln
aufgehoben werden wie eine individuell vereinbarte Schriftformklausel.56

53 So auch Preis/Preis, Kap. II S 30 Rn 15.


54 Vgl. Lakies, Kap. 1 Rn. 99; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 305b Rn. 5.
55 Hümmerich/Boecken/Mestwerdt, § 127 BGB Rn 65.
56 ErfK/Preis, §§ 125–127 BGB Rn 42; vgl. auch Rn 22 ff.

Powietzka
324 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

5. M
 usterklauseln
29 Es empfehlen sich folgende Musterklauseln:

Klauselmuster
Einfache Schriftformklausel
Schriftformerfordernis
Dieser Vertrag einschließlich der in Bezug genommenen Anlagen enthält die vollständige Vereinba-
rung der Parteien. Weitere Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Ver-
trages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.

Klauselmuster
Doppelte Schriftformklausel
Schriftformerfordernis
Dieser Vertrag einschließlich der in Bezug genommenen Anlagen enthält die vollständige Vereinba-
rung der Parteien. Weitere Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses Ver-
trages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das gilt auch für die Änderung und Ergänzung
dieser Klausel. Von dem Schriftformerfordernis ausgenommen sind individuelle Vertragsabreden.

30 Da in der Literatur teilweise Bedenken hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Trans-
parenzgebotes nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen,57 kann aus Gründen der Rechtssi-
cherheit auch folgende Klausel Verwendung finden:

Klauselmuster
Doppelte Schriftformklausel
Schriftformerfordernis; Ausschluss
betrieblicher Übungen
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das
gilt auch für die Aufhebung, Änderung und Ergänzung dieser Klausel. Von dem Schriftformerfordernis
ausgenommen sind individuelle Vertragsabreden. Das Entstehen eines Anspruchs aufgrund betrieb-
licher Übung ohne schriftliche Bestätigung ist ausgeschlossen.

C. S
 alvatorische Klausel

I. K
 lauselzweck

31 Durch die Aufnahme einer salvatorischen Klausel in einen Arbeitsvertrag soll die Gül-
tigkeit des Vertrages sichergestellt werden, sofern einzelne oder mehrere Bestim-
mungen des Vertrages unwirksam sind oder werden. Das Gesetz sieht in § 139 BGB
vor, dass Teilnichtigkeit grundsätzlich zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags führt.

57 Vgl Rn 25.

Powietzka
C. Salvatorische Klausel 325

Allerdings gilt dieser Grundsatz im Arbeitsrecht nur sehr eingeschränkt, da die bloße
Teilnichtigkeit bei Fortbestand des Arbeitsvertrags nach § 139 Hs. 2 BGB der Regel-
fall ist, insbesondere wenn ein Verstoß gegen arbeitnehmerschützende Normen vor-
liegt und daher anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen
Teil vorgenommen worden wäre.58 Eine salvatorische Klausel soll darüber hinaus
für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestandteile den Vertragsparteien
Schutz vor Rechtsnachteilen bieten.59

II. Klauselarten

Eine salvatorische Klausel kann in ihrem Regelungsgehalt unterschiedlich ausgestal- 32


tet sein. Unabhängig von einer etwaigen Wirksamkeit60 sind folgende Gestaltungs-
möglichkeiten denkbar:61

Beispiel
– Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel. Eine solche Klausel ordnet lediglich die Teilnichtigkeit des
unwirksamen Vertragsbestandteils und die Wirksamkeit des übrigen Vertrages an.62 Sie führt
zum Wegfall der betroffenen Klausel und ist somit die einfachste Gestaltungsmöglichkeit.
– Ersetzungsklausel. Durch eine Ersetzungsklausel soll die unwirksame Vertragsbestimmung
nicht wegfallen, sondern durch eine neue Regelung ersetzt werden. Diese bestimmt sich da-
nach, was dem von den Vertragsparteien wirtschaftlich verfolgten Zweck am nächsten kommt.
Umgesetzt wird eine solche Ersetzung regelmäßig dadurch, dass sich die Vertragsparteien ver-
pflichten, eine wirksame neue Regelung zu vereinbaren.63
– Reduktionsklausel. Dieser Klauseltyp hat ebenfalls nicht den ersatzlosen Wegfall der unwirksa-
men Vertragsregelung zur Folge. Vielmehr soll diese auf ein angemessenes Maß zurückgeführt
werden.64
– Gesetzesverweisende Klausel. In einzelne Vertragsregelungen wird der Zusatz „im Rahmen des
rechtlich Zulässigen“, „soweit gesetzlich zulässig“ oder „sofern gesetzliche Regelungen nicht
entgegenstehen“ aufgenommen. Dadurch soll eine Unwirksamkeit bereits von vornherein ver-
mieden werden.65

58 BAG, Urt. v. 23.1.1990 – 3 AZR 58/88, Rn 38; ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 342; Palandt/Ellenberger, § 139
BGB Rn 3, 18, § 611 BGB Rn 21, 23.
59 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 762.
60 Vgl zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen Rn 33 ff.
61 Zu den verschiedenen Klauseltypen: Lakies, Kap. 5 Rn 387 ff.; Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 9 ff.;
Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2744 ff.
62 Lakies, Kap. 5 Rn 389.
63 Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2746.
64 Lakies, Kap. 5 Rn 391.
65 Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 26.

Powietzka
326 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

III. Wirksamkeit der einzelnen Klauselarten

33 Die Wirksamkeit der verschiedenen Klauseltypen hängt entscheidend davon ab, ob es


sich bei dem zu schließenden Vertrag um einen Formulararbeitsvertrag handelt und
die §§ 305 ff. BGB Anwendung finden oder um einen zwischen den Vertragsparteien
individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag.

1. Formulararbeitsverträge
34 In der Rechtsprechung und Literatur wird die Zulässigkeit einer salvatorischen Klausel
in einem Formulararbeitsvertrag aufgrund der im AGB-Recht geltenden Grundsätze
sehr restriktiv gehandhabt. Von den oben beschriebenen Klauseltypen wird lediglich
die Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel als zulässig erachtet.66
35 Folgende rechtliche Gesichtspunkte sind bei den einzelnen Klauselarten zu
bedenken:
36 – Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel
Dieser Klauseltyp ist zulässig und kann in Formulararbeitsverträgen aufgenommen
werden, da er nur die in § 306 Abs. 1 BGB genannte Rechtsfolge wiedergibt.67 Sofern
eine AGB-Klausel unwirksam ist, berührt dies nicht die Wirksamkeit des übrigen Ver-
trages. Durch die Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel wird von § 139 BGB abgewichen,
wonach Teilnichtigkeit grundsätzlich zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages führt.68
37 – Ersetzungsklausel
Einer solchen Klausel steht § 306 Abs. 2 BGB entgegen, nach dem unwirksame
Vertragsbestandteile durch die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften ersetzt
werden.69 Eine Ersetzungsklausel würde bewirken, dass nicht, wie gesetzlich ange-
ordnet, dispositives Recht gelten würde. Der Verwender der Klausel müsste soweit
nicht das Risiko der Unwirksamkeit eines Vertragsbestandteils tragen.70 Da dies mit
dem wesentlichen Grundgedanken des AGB-Rechts nicht zu vereinbaren ist, handelt
es sich um eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.71
38 Selbst wenn bereits im Vertragstext eine konkrete Ersatzregelung getroffen
wird, bestehen nach der Rechtsprechung „erhebliche Bedenken“ gegen die Zulässig-
keit einer solchen Klausel.72 Richtigerweise können hier keine anderen Grundsätze
gelten als bei einer einfachen und nicht konkret ausgestalteten Ersetzungsklausel, da

66 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 95; Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2745 ff.


67 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 769.
68 Vgl. Rn 31.
69 Lakies, Kap. 5 Rn 389.
70 Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 15.
71 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, Rn 36; BGH, Urt. v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, Rn 21; Hüm-
merich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2753.
72 BGH, Urt. v. 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, Rn 14.

Powietzka
C. Salvatorische Klausel 327

auch hier die Rechtsfolge des § 306 Abs. 2 BGB umgangen und das Risiko der Unwirk-
samkeit eines Vertragsbestandteils nicht vom Klauselverwender getragen wird.73
– Reduktionsklausel 39
Hier greifen dieselben Erwägungen wie bei der Ersetzungsklausel. Wegen der Unver-
einbarkeit mit § 306 Abs. 2 BGB und der damit verbundenen Benachteiligung gem.
§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB ist auch dieser Klauseltyp unwirksam.74 Durch Reduktions-
klauseln soll eine geltungserhaltende Reduktion erreicht werden, die nach AGB-Recht
aber gerade ausgeschlossen ist.75
– Gesetzesverweisende Klausel 40
Die Unzulässigkeit dieser Klauselart, die bereits durch ihren Wortlaut („soweit
gesetzlich zulässig“) eine Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestandteile bzw. des
Vertrages ausschließen will,76 ergibt sich aus dem Verstoß gegen das Transparenz-
gebot.77 Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB muss eine vorformulierte Klausel klar und ver-
ständlich sein. Dazu gehört auch, dass eine Partei ihre Rechte und Pflichten erkennen
kann, diese also klar und durchschaubar sind und rechtsunkundige Vertragspartner
nicht im Unklaren bleiben.78 Daneben würde auch das bei dem Verwender der AGB
liegende Formulierungsrisiko auf die andere Vertragspartei abgewälzt werden, da das
Verwenden einer unzulässigen Klausel risikolos möglich wäre, was den wesentlichen
Grundgedanken des AGB-Rechts (vgl. § 306 Abs. 2 BGB) zuwiderläuft.79

2. Individuell vereinbarte Arbeitsverträge


In Individualarbeitsverträgen bestehen gegen die Zulässigkeit von salvatorischen 41
Klauseln insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Privatautonomie grund-
sätzlich keine Bedenken.80 Enthält ein Arbeitsvertrag neben einseitig gestellten
Klauseln auch individuell ausgehandelte Vereinbarungen, so können an sich in For-
mulararbeitsverträgen unzulässige salvatorische Klauseln im Hinblick auf die Indivi-

73 Vgl. hierzu Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 18 f. mwN zum Streitstand.


74 Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2757.
75 MaSiG/Windeln, Kap. 490 Rn 31, 33.
76 Vgl. die Beispiele in Rn 32.
77 BGH, Urt. v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, Rn 81 f.; vgl. auch Palandt/Grüneberg, § 307 BGB Rn 20, 25 –
wegen der Nichtanwendbarkeit des § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) be-
steht hier nicht zugleich ein Einbeziehungshindernis.
78 Suckow/Striegel/Niemann/Striegel, Rn 774; BGH, Urt. v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, Rn 82.
79 Vgl. auch Rn 37; Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 29 ff. zur Zulässigkeit gesetzesverweisender Klauseln
bei unsicherer Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit einer AGB-Klausel – von einer Verwendung ist
aus Gründen der Rechtssicherheit auch hier abzuraten.
80 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 95.

Powietzka
328 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

dualvereinbarungen wirksam sein. Voraussetzung ist jedoch, dass die salvatorische


Klausel selbst individuell ausgehandelt wurde.81

IV. Fazit

42 Obwohl die in Formulararbeitsverträgen einzig zulässige Gestaltungsmöglichkeit


einer salvatorischen Klausel eine bloße Wiedergabe der bereits gesetzlich geltenden
Regelungen ist, empfiehlt sich eine Aufnahme einer solchen Vertragsklausel den-
noch.82 Durch die Klausel wird deutlich, dass die Wirksamkeit des Vertrages für die
Parteien nicht unbedeutend ist und der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in
Frage gestellt werden soll.83 Daneben hat die Klausel Auswirkungen auf die Darle-
gungs- und Beweislast, da bei Bestehen einer salvatorischen Klausel derjenige dar-
legungs- und beweispflichtig ist, der den ganzen Vertrag im Sinne der §§ 306 Abs. 3,
139 BGB verwerfen lassen will.84
43 In Individualarbeitsverträgen sind alle oben aufgezeigten Gestaltungsmöglich-
keiten zulässig,85 jedoch sind nicht alle auch zweckmäßig. So kann eine gesetzes-
verweisende Klausel nicht die Gewissheit verschaffen, dass die Parteien eine ausrei-
chende Regelung für den Ernstfall getroffen haben, gerade da die Rechtslage oftmals
nicht eindeutig ist.86 Eine Ersetzungsklausel hat zur Folge, dass – sofern eine Neu-
verhandlungspflicht besteht und eine Partei dieser nicht nachkommt – eine gericht-
liche Durchsetzung erforderlich wird, um die Abgabe einer Willenserklärung des
Vertragspartners zu erreichen (§ 894 ZPO). Bei Reduktionsklauseln dagegen ist keine
neue Vereinbarung notwendig, wobei sich im Zweifel schwierig bestimmen lässt, was
gerade noch das zulässige Maß ist.87 Allerdings kann auch eine Ersetzungsklausel
als automatische Ersetzungsklausel so ausgestaltet werden, dass die Parteien nicht
mehr neu über den Vertragsbestandteil verhandeln und nicht auf Ersetzung klagen
müssen.88 Da bei der Ersatzregelung auf den wirtschaftlichen Zweck abgestellt wird,

81 Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2754 f., 2758 f., der in diesem Zusammenhang in der Regel
die Verwendung einer Reduktionsklausel empfiehlt, da aus dieser Ansprüche direkt aus dem Vertrag
geltend gemacht werden können und keine gerichtliche Durchsetzung wie bei der Ersetzungsklausel
notwendig wird; vgl zur Unzulässigkeit in Formulararbeitsverträgen Rn 34 ff.
82 Vgl zur zulässigen Gestaltungsmöglichkeit Rn 36.
83 Vgl. auch Liebers/Reiserer, Kap. B.I.1. Rn 59; MaSiG/Windeln, Kap. 490 Rn 22; Preis/Preis, Kap. II
S 10 Rn 11.
84 BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, Rn 14; BGH, Urt. v. 15.3.2010 – II ZR 4/09, Rn 8; Hümmerich/
Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2751.
85 MaSiG/Windeln, Kap. 490 Rn 5, 14; vgl. zu den Gestaltungsmöglichkeiten Rn 32.
86 Preis/Preis, Kap. II S 10 Rn 34.
87 Vgl zu den Vor-und Nachteilen Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 2755, 2759; MaSiG/Windeln,
Kap. 490 Rn 32.
88 MaSiG/Windeln, Kap. 490 Rn 10.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 329

wird so dann auch der Parteiwille am ehesten Beachtung finden, so dass eine solche
Klausel auch zweckmäßig ist.
Aufgrund der oben dargestellten Grundsätze kann in Formulararbeitsverträgen 44
nur die folgende Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel aufgenommen werden:

Klauselmuster
Salvatorische Klausel
Sollten einzelne oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so wird
hierdurch die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt. Entsprechendes gilt für
den Fall einer Regelungslücke.

Dagegen empfiehlt sich für individuell vereinbarte Arbeitsverträge die nachfol- 45


gende Klausel:89

Klauselmuster
Salvatorische Klausel
Sollten einzelne oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so wird
hierdurch die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt. Die Parteien sind sich da-
rüber einig, dass statt der unwirksamen Bestimmung die wirksame Regelung als vereinbart gilt, die
deren wirtschaftlichen Zweck am nächsten kommt. Entsprechendes gilt für den Fall einer Regelungs-
lücke.

D. R
 echtswahlklausel

I. Bedeutung der Rechtswahl im Arbeitsrecht

Die im Zuge der Globalisierung erfolgte weltweite Vernetzung der Nationen und die 46
dadurch entstehenden internationalen Verflechtungen auch und gerade im Bereich
der Wirtschaft führen zu einer zunehmenden grenzüberschreitenden Tätigkeit von
Unternehmen, die auch den länderübergreifenden Einsatz von Arbeitnehmern mit
sich bringt, so dass es zwangsläufig immer häufiger zu einem Aufeinandertreffen ver-
schiedener Rechtsordnungen kommt. In diesem Kontext stellt sich die Frage, ob in
einen Arbeitsvertrag eine Rechtswahlklausel aufgenommen werden soll, durch die
das auf den Vertrag anzuwendende Recht bestimmt wird.
Sinnvollerweise sollte eine Rechtswahl bei folgenden Sachverhaltskonstellati- 47
onen angedacht werden:90

89 Vgl. Rn 43.
90 Vgl. MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 19.

Powietzka
330 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

– Hauptsitz eines Unternehmens und dessen Niederlassungen befinden sich in ver-


schiedenen Staaten
– Auslandseinsatz eines Mitarbeiters (vorübergehend/dauerhaft)

48 Eine Rechtswahlklausel dient dazu, bei grenzüberschreitenden Sachverhalten


Unklarheiten hinsichtlich der anwendbaren Normen zu vermeiden und den Parteien
größtmögliche Sicherheit zu bieten.91

II. Kollisionsrecht

49 Weist ein Sachverhalt einen Auslandsbezug auf (Kollisionsfall) und ist deshalb die
Geltung verschiedener Rechtsordnungen denkbar, bestimmt sich das anzuwendende
Recht nach dem Internationalen Privatrecht (IPR, vgl. Art 3 EGBGB). Welche Rechts-
norm des IPR letztlich die Kollision auflöst, hängt im Vertragsrecht davon ab, wann
der betreffende Vertrag geschlossen wurde.92 Die für vertragliche Schuldverhält-
nisse maßgebliche Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) gilt nur für nach dem
17.12.2009 erfolgte Vertragsschlüsse (Art. 29, 28 Rom I-VO). Für alle vor diesem Datum
zustande gekommenen Verträge mit Auslandsberührung sind die Art. 27 ff. EGBGB
a. F. maßgeblich.93 Wurden oder werden solche Altverträge nach dem 17.12.2009 geän-
dert, unterfallen auch sie der Rom I-VO, sofern durch die Vertragsänderung eine hin-
reichend gewichtige inhaltliche Neuregelung erfolgt ist.94 Im Ergebnis kommt es im
Rahmen des Internationalen Arbeitsvertragsrechts auf eine Unterscheidung zwischen
den Normen des für Altverträge geltenden EGBGB und denen der Rom I-VO aber nicht
an, da diese im Wesentlichen wortgleich sind und die Rechtslage wenig divergiert.95

91 Liebers/Mastmann, Kap. H.I.1. Rn 43.


92 Vgl. BAG, Urt. v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12; BAG, Urt. v. 26.5.2011 – 8 AZR 37/10, Rn 39; jetzt aber
kritisch BAG, Beschl. v. 25.2.2015 – 5 AZR 962/13 (A), Rn 12, das den EuGH um Klärung der Rechtsfrage
gebeten hat, wie das Merkmal „geschlossen“ unionsrechtlich auszulegen ist.
93 Art. 27 ff. EGBGB a. F. sind am 1.9.1986 in Kraft getreten – diese sollen nach BAG, Urt. v. 29.10.1992 –
2 AZR 267/92, BAG, Urt. v. 11.12.2003 – 2 AZR 627/02 und BAG, Urt. v. 15.2.2005 – 9 AZR 116/04, Rn 32
auch für davor geschlossene (noch laufende) Arbeitsverträge gelten und nicht gem. Art. 220 Abs. 1
EGBGB das bis zum 30.8.1986 bestehende IPR.
94 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 3; hier bleibt jedoch die Entscheidung des EuGH abzu-
warten, der vom BAG zu eben dieser Frage angerufen wurde, siehe BAG, Beschl. v. 25.2.2015 – 5 AZR
962/13, Rn 12.
95 Vgl. auch MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 20; Preis/Preis, Kap. II A 140 Rn 5; im Folgenden wird
deshalb nur auf die Normen der Rom I-VO eingegangen.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 331

Die Rom I-VO bezweckt, dass einheitlich in der gesamten Europäischen Union96 50
im Interesse eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts unabhängig von dem
Staat, in dem sich das Gericht befindet, bei dem ein Anspruch geltend gemacht wird,
dasselbe Recht bestimmt wird.97 In Art. 2 Rom I-VO ist eine universelle Anwendung
der Verordnung vorgesehen, d. h. sie gilt für alle Sachverhalte mit Auslandsberüh-
rung, auch wenn die Kollisionsnormen in die Rechtsordnung eines Nicht-Mitglied-
staates führen sollten.98 Daneben bestehen auch keine persönlichen Anwendungs-
voraussetzungen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob die Vertragsparteien
Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats der EU sind.99
Für Entsendungen bleibt das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) lex specia- 51
lis. In Erwägungsgrund Nr. 34 der Rom I-VO wird ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass die Kollisionsnormen für Individualarbeitsverträge die entsprechenden nationa-
len Entsendegesetze unberührt lassen (vgl. auch Art. 23, 9 Rom I-VO). Daher ist deut-
sches Recht auf bestimmten Sachgebieten (§ 2 AEntG) auf Arbeitsverhältnisse zwi-
schen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinem in Deutschland tätigen
Arbeitnehmer unabhängig von einer etwaigen Rechtswahl zwingend anzuwenden.100

III. Klauselgestaltung

1. Grundsätzliche Tragweite des Arbeitsvertragsstatuts


Nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art 3 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO gilt für Individualarbeitsver- 52
träge der Grundsatz der freien Rechtswahl (Parteiautonomie).101
Der Begriff des Individualarbeitsvertrags ist unter Berücksichtigung der 53
Rechtsprechung des EuGH autonom auszulegen.102 Das wesentliche Merkmal eines
Arbeitsvertrags besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während
einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt,

96 Mit Ausnahme Dänemarks (vgl. Erwägungsgrund Nr. 46 der Rom I-VO i. V. m. Art. 1 Abs. 4 Rom
I-VO), wobei die Gerichte der Mitgliedsstaaten die Rom I-VO nach deren Art. 2 auch auf Sachverhalte
mit Bezug zu Dänemark anwenden, siehe dazu Schneider, NZA 2010, 1380, 1381.
97 Siehe Erwägungsgrund Nr. 6 der Rom I-VO.
98 BeckOK ArbR/Schönbohm VO (EG) 593/2008 Art. 3 Rn 10.
99 LAG Köln, Urt. v. 18.9.2013 – 5 Sa 201/13, Rn 59.
100 Vgl. auch Palandt/Thorn, Art. 8 Rom I Rn 6; HWK/Tillmanns, § 2 AEntG Rn 2; BAG, Urt. v.
14.8.2007 – 9 AZR 167/07, Rn 23; siehe zu den Eingriffsnormen i. S.d Art. 9 Rom I-VO Rn 71 ff.
101 MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn 27; siehe auch Erwägungsgrund Nr. 11 der Rom I-VO, in
dem die freie Rechtswahl als „einer der Ecksteine des Systems der Kollisionsnormen im Bereich der
vertraglichen Schuldverhältnisse“ bezeichnet wird.
102 BeckOK ArbR/Schönbohm VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 1; kritisch zu der bisher bestehenden ver-
tragsautonomen Begriffsbildung MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 8; ebenso HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn
9, der ausführt, dass eine Übertragung der Rechtsprechung zu Art. 45 AEUV zwar nahe liegt, aber
nicht zwingend ist, da es keinen einheitlichen europarechtlichen Arbeitnehmerbegriff gebe.

Powietzka
332 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.103 Ebenso ist auch der Arbeitneh-
merbegriff autonom zu bestimmen. Der EuGH legt dabei einen weiten Maßstab an und
definiert einen Arbeitnehmer i. S. d. Art. 45 AEUV, der die Freizügigkeit der Arbeit-
nehmer in der Europäischen Union gewährleistet, als jede Person, die eine tatsächli-
che und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen
so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich
darstellen.104 Es ist unerheblich, ob der Arbeitnehmer noch Auszubildender, Teil-
zeit- oder Vollzeitbeschäftigter ist.105 Art. 8 Rom I-VO erstreckt sich auch auf Fremd-
geschäftsführer106 einer GmbH, leitende Angestellte und Scheinselbstständige,
sofern sie tatsächlich die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung erfüllen, sowie
auf Heimarbeiter.107 Daneben werden auch nichtige Arbeitsverträge über Art. 12
Abs. 1 lit. e) Rom I-VO und bereits in Vollzug gesetzte unwirksame Arbeitsverhältnisse
einbezogen.108 Arbeitsrechtliche Kollektivvereinbarungen werden dagegen nicht
von Art. 8 Rom I-VO erfasst.109
54 Der Grundsatz der freien Rechtswahl gestattet den Parteien, die auf den betreffen-
den Vertrag anzuwendende Rechtsordnung (Vertragsstatut110) unter Beachtung der
sich aus der Rom I-VO ergebenden Grenzen111 nach ihrem Belieben zu bestimmen. Das
Zustandekommen und die Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung richten sich nach
dem von den Parteien gewählten Recht, Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO.
55 Die gewählte Rechtsordnung muss keinen sachlichen Bezug zur Vertrags-
durchführung aufweisen, kann also auch „neutral“ sein.112 Selbst bei einem reinen
Inlandsfall kann die Geltung eines ausländischen Rechts in den Grenzen des Art. 3
Abs. 3 Rom I-VO vereinbart werden.113 In einem solchen Fall wird der für die Anwend-
barkeit der Rom I-VO nach deren Art. 1 Abs. 1 erforderliche Auslandsbezug durch die
Wahl einer ausländischen Rechtsordnung hergestellt.114 Im Übrigen ergibt sich ein

103 EuGH, Urt. v. 17.7.2008 – C-94/07 – Raccanelli, Rn 33.


104 EuGH, Urt. v. 17.7.2008 – C-94/07 – Raccanelli, Rn 33.
105 MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn 19.
106 EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – Danosa, Rn 40; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.2.2010 –
6 Ta 11/09, Rn 47; Palandt/Thorn, Art. 8 Rom I Rn 3.
107 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 4; MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn 20; Münch-
ArbR/Oetker, § 11 Rn 8, der für Heimarbeiter und Azubis zumindest eine entsprechende Anwendung
des Art. 8 Rom I-VO vorsieht.
108 BeckOK ArbR/Schönbohm, VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 3; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 4.
109 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 9; Palandt/Thorn, Art. 8 Rom I Rn 5.
110 Vgl. Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 2.
111 Vgl. Rn 61 ff.
112 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 5; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeits-
recht, Kap. 1 Rn 865.
113 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 11; MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 21; vgl. zu Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO
Rn 69.
114 HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 10; MüKo-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn 88.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 333

Auslandsbezug aber nicht schon aufgrund einer entsprechenden Gerichtsstandsver-


einbarung115 oder einer Schiedsklausel, die auf einen anderen Staat hinweisen, oder
durch den Ort des Vertragsschlusses.116 Vielmehr muss das Arbeitsverhältnis immer
einen tatsächlichen Bezug zum Ausland aufweisen, welcher – neben einer Rechts-
wahlklausel – durch verschiedene Staatsangehörigkeiten der Parteien, einen Arbeits-
ort oder einen Betriebssitz im Ausland hergestellt werden kann.117
Nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO kann eine Rechtswahl ausdrücklich oder kon- 56
kludent erfolgen. Eine ausdrückliche Regelung liegt immer dann vor, wenn eine
Rechtswahlklausel in den Arbeitsvertrag aufgenommen wird, die einen selbstständi-
gen Verweisungsvertrag darstellt, der vom materiellen Arbeitsvertrag unabhängig ist,
oder wenn auf ein anderes Regelungswerk (anderer Vertrag, Tarifvertrag, Betriebs-
vereinbarung) verwiesen wird, das eine Rechtswahl trifft.118 Neben der Vereinbarung
im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags kann eine Rechtswahl aber auch
nachträglich getroffen werden, z. B. in Form einer Zusatzvereinbarung.119 Auch eine
spätere Abänderung einer einmal getroffenen Rechtswahl ist möglich (Art. 3 Abs. 2
Rom I-VO), welche im Zweifel ex tunc wirkt.120 Sowohl die nachträgliche Vereinba-
rung als auch die spätere Abänderung können bis zum Zeitpunkt der letzten mündli-
chen Verhandlung in der Tatsacheninstanz erfolgen.121 Eine wirksame konkludente
Vereinbarung liegt nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO dann vor, wenn sich eindeutig122
aus den Bestimmungen des Vertrags oder den Umständen des Falls eine solche ergibt.
Es kommt dabei auf den tatsächlichen Parteiwillen an, die bloße Ermittlung eines
hypothetischen Parteiwillens genügt gerade nicht.123 Indizien, die für eine konklu-
dente Rechtswahl sprechen, sind z. B. Gerichtsstandsklauseln124 (Recht des Staates,

115 Siehe auch Erwägungsgrund Nr. 15 der Rom I-VO.


116 MüKo-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn 87; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 20; HWK/
Tillmanns, Rom I-VO Rn 27.
117 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 20; HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 27, die auch die Auf-
fassung vertreten, dass ein Sitz der Konzernmutter im Ausland nicht ausreicht, wenn der rechtlich
selbstständige einstellende Betrieb seinen Sitz im Inland hat.
118 MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 22; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 5; MünchArbR/Oet-
ker, § 11 Rn 14; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 862.
119 Preis/Preis, Kap. II A 140 Rn 6.
120 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 11; HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 15.
121 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 867.
122 Nach Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB a. F. hat die „hinreichende Sicherheit“ ausgereicht; die in der Rom
I-VO vorgenommene Verschärfung war die Folge einer strengeren französischen Sprachfassung, vgl.
hierzu auch Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 1.
123 BGH, Urt. v. 26.7.2004 – VIII ZR 273/03, Rn 29.
124 Siehe Erwägungsgrund Nr. 12 der Rom I-VO; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.7.2013 – 17 Sa
2620/10, Rn 62; mit Hinblick auf Art. 23 VO (EU) 1215/2012 (ehemals Art. 21 EuGVVO) und die darin
enthaltenen hohen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung in Indi-
vidualarbeitsverträgen (siehe Rn 78 ff.) wird die Relevanz im Rahmen der konkludenten Rechtswahl
als gering eingestuft: Deinert, RdA 2009, 144, 149; vgl. auch ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 6;

Powietzka
334 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

in dem das Gericht seinen Sitz hat) oder die Bezugnahme auf einzelne Normen eines
bestimmten materiellen Rechts, insbesondere auf Tarifnormen und Betriebsvereinba-
rungen, sowie die Vereinbarung eines Erfüllungsortes oder das spätere Prozessver-
halten der Parteien (z. B. beiderseitige Behandlung der Sache nach ausländischem
Recht).125 Ebenfalls ein Indiz kann die enge Verknüpfung zweier Rechtsgeschäfte
sein, wonach eine konkludente Vereinbarung zugunsten des Vertragsstatuts des
Hauptvertrags erfolgt.126 Dagegen kommt der Vertragssprache lediglich unterstüt-
zenden Funktion zu.127 Unklarheiten führen zu einer Unwirksamkeit einer entspre-
chenden Abrede, da immer zu erkennen sein muss, welches (fremde) Recht von den
Parteien gewählt wurde.128 Im Falle einer unwirksamen Vereinbarung ist das anzu-
wendende Recht im Wege der objektiven Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom
I-VO zu bestimmen.129
57 Die Rechtswahl kann grundsätzlich formfrei erfolgen.130 Nach Art. 3 Abs. 5 i. V. m.
Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO ist die Einhaltung einer bestimmten Form nur dann erforder-
lich, wenn das zulässigerweise vereinbarte Recht oder das Recht des Ortes des Ver-
tragsschlusses für den Abschluss des Arbeitsvertrags ein Formerfordernis vorsieht.131
Im Übrigen empfiehlt sich eine schriftliche Niederlegung immer zu Beweiszwecken.

2. Teilrechtswahlklausel
58 Die Vertragsparteien sind nicht nur darin frei, ob sie eine Rechtswahl treffen und
welches Recht zur Anwendung gelangen soll, sie können auch die Reichweite der
Rechtswahl bestimmen. Neben der Erstreckung der Rechtswahlklausel auf den
gesamten Vertrag ist auch eine Teilrechtswahl zulässig, so dass eine Kombination
verschiedener Rechtsordnungen denkbar ist.132 Art. 8 Abs. 1 S. 1 Rom I-VO verweist
vollumfänglich auf Art. 3 Rom I-VO, der in Abs. 1 S. 3 eine Teilrechtswahl ausdrücklich

kritisch bzgl. der Indizwirkung unwirksamer Gerichtsstandsklauseln auch MüKo-BGB/Martiny, Art. 8


Rom I-VO Rn 29; Knöfel, RdA 2006, 269, 277.
125 BAG, Urt. v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, Rn 32; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 15; ErfK/Schlachter, E
2009/26/EG Art. 3 Rn 6; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 863; MaSiG/
Maschmann, Kap. A Rn 23; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 8.
126 Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 7 mwN zur Rechtsprechung.
127 Siehe auch BAG, Urt. v. 1.7.2010 – 2 AZR 270/09, Rn 29; Palandt/Thorn, Art. 3 Rom I Rn 7; für eine
Indizwirkung HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 14.
128 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 862; MünchArbR/Oetker, § 11
Rn 14.
129 Schneider, NZA 2010, 1380, 1381; vgl. zur objektiven Anknüpfung auch Rn 64.
130 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 5.
131 MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 22; MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rn 32.
132 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 5; Reiserer, NZA 1994, 673, 675; BAG, Urt. v. 20.4.2004 – 3
AZR 301/03, Rn 16.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 335

zulässt.133 Der Schutz des Arbeitnehmers ist auch bei der nur teilweisen Rechtswahl
durch die Schranke des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO gewährleistet.134 Allerdings darf
eine solche Aufspaltung der Rechtswahl nicht dazu führen, dass es bei der Behand-
lung einzelner Fragen zu Widersprüchen kommt.135 Daher ist eine Rechtswahl, die
sich nur auf bestimmte Teile des Vertrags erstreckt, nur dann sinnvoll, wenn die ver-
schiedenen Teile nicht voneinander abhängen.136 Wird lediglich eine Teilrechtswahl
getroffen, so ist das anwendbare Recht für den Teil, für den keine Rechtswahl vorliegt,
grundsätzlich nach den Regeln der objektiven Anknüpfung gem. Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom
I-VO zu bestimmen, wenn nicht durch die Teilrechtswahl genügend Anhaltspunkte für
eine konkludente Rechtswahl auch für die übrigen Vertragsteile vorliegen.137
In der Vergangenheit beschäftigten sich die Gerichte hauptsächlich im Rahmen 59
von Aktienoptionen und der betrieblichen Altersversorgung mit der Zulässigkeit
von Teilrechtswahlklauseln. Eine Rechtswahl hinsichtlich der betrieblichen Alters-
versorgung, die sich nur auf das in der Regel an das Arbeitsverhältnis anschließende
Versorgungsverhältnis beschränkt, ist möglich, da es sich um eine klar abgrenzbare
Rechtsbeziehung mit eigenständigem Inhalt handelt.138 Bezüglich der Gewährung
von Aktienoptionen („stock options“) durch eine Konzernmutter an die bei einem
ihrer Tochterunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer wird der Optionsvertrag zwar
als vom Arbeitsvertrag selbstständig angesehen,139 jedoch wird eine dahingehende
Teilrechtswahl zumindest bei einer durchaus üblichen gleichzeitigen Vereinbarung
eines Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung eher restriktiv gehandhabt.140

133 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 5.


134 HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 13; zu Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO vgl. Rn 62 ff.
135 Reiserer, NZA 1994, 673, 675; Schneider, NZA 2010, 1380, 1381; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 12.
136 MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 21; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 12; so auch Knöfel, RdA 2006, 269,
277, der die Abspaltbarkeit des betreffenden Teilbereichs sogar als Wirksamkeitsvoraussetzung der
Teilrechtswahl ansieht.
137 MüKO-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn 73; vgl. zur objektiven Anknüpfung Rn 64 und zur kon-
kludenten Rechtswahl Rn 56.
138 BAG, Urt. v. 20.4.2004 – 3 AZR 301/03, Rn 16; BAG, Urt. v. 25.6.2013 – 3 AZR 138/11, Rn 37; zu den
Einzelheiten Höfer/Reinhard/Reich/de Groot/Höfer/de Groot, BetrAVG (im Erscheinen), Kap. 10.
139 BAG, Urt. v. 12.2.2003 – 10 AZR 299/02; Rn 53; Driver-Polke/de Beauregard, BB 2004, 2350, 2350 f;
MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO, Rn 109; a. A. LAG Hessen, Urt. v. 14.08.2000 – 10 Sa 982/99,
Rn 48.
140 LAG Hessen, Urt. v. 14.08.2000 – 10 Sa 982/99, Rn 49 ff. (Unwirksamkeit einer Teilrechtswahl
zugunsten US-amerikanischen Rechts gem. Art. 30 EGBGB a. F.); wegen der jeweiligen Selbstständig-
keit von Arbeits- und Optionsvertrag mit anderer Begründung auch Driver-Polke/de Beauregard, BB
2004, 2350, 2352 f. (Unwirksamkeit der Teilrechtswahl wegen Verstoßes gegen „ordre public“); da-
gegen neigt das BAG, Urt. v. 12.2.2003 – 10 AZR 299/02 wohl zu einer Gültigkeit einer Teilrechtswahl
zugunsten finnischen Rechts; siehe auch Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 233.

Powietzka
336 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

3. A
 GB-Kontrolle
60 Eine Rechtswahlklausel kann auch in vorformulierte Individualarbeitsverträge auf-
genommen werden und so vom Klauselverwender (i. d. R. der Arbeitgeber) einseitig
gestellt werden. Allerdings wird eine solche Klausel dann keiner Inhaltskontrolle
nach §§ 307 ff. BGB unterzogen, da die Regelungen der Rom I-VO vorrangig sind,
diese keine Inhaltskontrolle vorsehen und dem Vertragspartner (i. d. R. der Arbeit-
nehmer) durch die einzuhaltenden Grenzen der Rechtswahlfreiheit ausreichenden
Schutz bieten.141 Es findet lediglich eine Einbeziehungskontrolle gem. §§ 305 Abs. 2,
306 BGB statt, sofern die Parteien deutsches Recht als anzuwendendes Recht gewählt
haben (Art. 3 Abs. 5 i. V. m. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO).142 Aufgrund der Unabhängig-
keit143 des Verweisungsvertrags von dem Arbeitsvertrag ist eine Einbeziehungskont-
rolle auch nicht nach § 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB ausgeschlossen.144

4. Grenzen
61 Die Rechtswahlfreiheit145 der Parteien erfährt durch verschiedene Bestimmungen der
Rom I-VO Einschränkungen. Diese führen allesamt aber nicht zu einer Unwirksamkeit
der vorgenommenen Rechtswahl.146 Vielmehr werden durch die einschränkenden
Normen nur einzelne Vorschriften des objektiven Vertragsstatuts (Art. 8 Abs. 2 bis 4
Rom I-VO) für anwendbar erklärt, so dass im Übrigen das gewählte Recht maßgeblich
bleibt.147

a) Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO


62 Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO regelt, dass dem Arbeitnehmer durch die Rechtswahl der
Schutz bestimmter Bedingungen nicht entzogen werden darf, die gelten würden,
wenn sich das anwendbare Recht nach dem objektiven Vertragsstatut (Art. 8 Abs. 2
bis 4 Rom I-VO) bestimmen würde.

141 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 6; DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeits-


recht, Kap. 1 Rn 869; Deinert, RdA 2009, 144, 149; vgl. zu den Grenzen der Rechtswahlfreiheit Rn 61 ff.
142 Preis/Preis, Kap. II A 140 Rn 15; vgl. auch MüKo-BGB/Wurmnest, § 307 BGB Rn 231 mit dem Hin-
weis, dass sich die Einbeziehung nach Art. 14, 18 CISG richtet, sofern die Anwendung des UN-Kauf-
recht nicht ausgeschlossen ist.
143 Vgl. Rn 56.
144 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 18.
145 Vgl. Rn 52 ff.
146 MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn 35; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 20.
147 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 20; Schneider, NZA 2010, 1380, 1381.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 337

Beispiel
Ein Arbeitnehmer erbringt gewöhnlich seine tatsächliche Arbeitsleistung in Deutschland.148 Der zwi-
schen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag unterfällt daher nach objektiver Anknüpfung deut-
schem Recht (Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO). Der Arbeitsvertrag enthält aber eine wirksame Rechtswahl-
klausel, die spanisches Recht auf das Arbeitsverhältnis für anwendbar erklärt. Dem Arbeitnehmer
darf dann nicht der Schutz des international zwingenden deutschen Rechts entzogen werden, so dass
trotz der Rechtswahl deutsches Recht anzuwenden ist, sofern das spanischen Recht keine oder keine
gleichwertigen arbeitsrechtlichen Schutzbedingungen enthält.149

Die Prüfung des Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO erfolgt in drei Schritten.150 Demnach ist in 63
einem ersten Schritt das objektive Vertragsstatut, das für das betreffende Arbeits-
verhältnis gilt, nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO zu bestimmen. Danach ist zu ermit-
teln, welche Bestimmungen des nach objektiver Anknüpfung geltenden Rechts als
zwingend i. S. d. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO anzusehen sind. In einem dritten Schritt
ist sodann ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen, bei dem die abbedungene und
die gewählte Rechtsordnung einander gegenüber gestellt werden.
Das objektive Vertragsstatut bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO.151 64
Danach ist zunächst das Recht des Ortes der tatsächlichen Arbeitsleistung (lex loci
labori) maßgeblich (Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO), selbst wenn der Arbeitnehmer vorrü-
bergehend an einen anderen Ort entsandt wird (Art. 8 Abs. 2 S. 2 Rom I-VO).152 Ist eine
Bestimmung nach Abs. 2 nicht möglich, so kommt das Recht des Staates zur Anwen-
dung, in dem die Niederlassung liegt, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (Art. 8
Abs. 3 Rom I-VO). Daneben legt Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO das sog. Ausweichstatut153
fest, das gilt, wenn der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem Staat als dem
in den Abs. 2 oder 3 bezeichneten aufweist.
Zwingende Normen i. S. d. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Rom I-VO sind nicht-dispositive 65
Normen, die den Schutz der Arbeitnehmer bezwecken.154 Dies ist neben den arbeits-
rechtlichen Vorschriften auch das im Arbeitsverhältnis maßgebliche zwingende allge-
meine Vertragsrecht.155 Zu den zwingenden Normen zählen auch öffentlich-rechtliche

148 Vgl. zum Recht des gewöhnlichen Arbeitsorts (lex loci labori) Rn 64; MaSiG/Maschmann, Kap.
A Rn 26.
149 Siehe auch BT-Drucks. 10/504, S. 81.
150 Siehe BeckOK ArbR/Schönbohm, VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 12 ff.; BAG, Urt. v. 19.3.2014 – 5 AZR
252/12 (B).
151 Ausführlich hierzu ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 8 ff; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 28 ff.
152 MaSiG/Maschmann, Kap. A Rn 26.
153 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 35.
154 HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 30.
155 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 19; BAG, Urt. v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), Rn 35, das als
Beispiel die Verjährungsregelungen nennt.

Powietzka
338 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

Vorschriften und Tarifverträge, sofern die Vertragsparteien von dem Geltungsbe-


reich eines Tarifvertrags erfasst werden.156
66 Wie genau der erforderliche Günstigkeitsvergleich durchzuführen ist, ist
umstritten. Folgende Möglichkeiten bestehen:157
– Einzelvergleich: Vergleich der jeweiligen konkreten Einzelfrage
– Gesamtvergleich: Vergleich der gesamten Vereinbarung
– Sachgruppenvergleich: Vergleich der Normen, die in einem inneren, sachlichen
Zusammenhang zu einem Teilkomplex stehen (z. B. Gesamtheit der Regelungen
zum Kündigungsschutz).158

67 Ein Gesamtvergleich wird nach herrschender Meinung abgelehnt, da dieser nur wenig
praktikabel ist und den strukturellen Unterschieden der verschiedenen Rechtssys-
teme nicht gerecht wird.159 Überwiegend wird richtigerweise der Sachgruppenver-
gleich für vorzugswürdig gehalten.160 Dadurch soll – anders als bei einem Einzelver-
gleich – eine Zersplitterung des Arbeitsverhältnisses vermieden werden. Ein isolierter
Vergleich der einschlägigen Normen würde nach Art der Rosinentheorie zu einer
ungerechtfertigten Kumulation von Vorteilen führen, wenn verschiedene Ansprüche
zu prüfen sind, die zwar formal getrennt sind, aber funktional zusammenhängen.161
So könnte der betroffene Arbeitnehmer einen Schutzstandard erlangen, der über
demjenigen liegt, den die einschlägigen Rechtsordnungen tatsächlich gewähren.162
68 Bieten die Normen des gewählten Rechts keinen vergleichbaren Schutz, sind die
nach dem objektiven Vertragsstatut maßgeblichen Rechtsnormen anzuwenden.163 Im
Übrigen verbleibt es jedoch bei der Anwendung des gewählten Rechts.164

156 BT-Drucks. 10/504, S. 81; BeckOK BGB/Spickhoff, VO (EG)/2008 Art. 8 Rn 16.


157 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 872; MünchArbR/Oetker, § 11
Rn 25.
158 Vgl. BeckOK ArbR/Schönbohm, VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 15; BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR
741/13, Rn 46.
159 BeckOK BGB/Spickhoff, VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 18; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 26; MüKo-
BGB/Martiny, Art 8 Rom I-VO Rn 42; Reiserer, NZA 1994, 673, 677.
160 BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 741/13, Rn 46; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 26; ErfK/Schlachter, E
2009/26/EG Art. 3 Rn 19; HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 31; Liebers/Mastmann, Kap. H I.1. Rn 43; Preis/
Preis, Kap. II A 140 Rn 9; Schneider, NZA 2010, 1380, 1382.
161 BeckOK BGB/Spickhoff, VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn 18; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 19.
162 BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 741/13, Rn 46.
163 BAG, Urt. v. 10.4.2014 – 2 AZR 741/13, Rn 34.
164 BT-Drucks. 10/504, S. 81; ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 19.

Powietzka
D. Rechtswahlklausel 339

b) Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO


Bei reinen Inlandsfällen165 sieht Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO vor, dass die zwingenden 69
Rechtsvorschriften des Staates, zu dem das betreffende Rechtsverhältnis einzig eine
Verbindung aufweist (Einbettungsstatut166), nicht abbedungen werden können.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die „zwingende Norm“ dem Schutz des betrof-
fenen Arbeitnehmers dient.167 Erfasst werden Gesetzes-, Gewohnheits- und Richter-
recht sowie Tarifnormen, sofern die Parteien tarifgebunden sind.168 Normen, von
denen die Vertragsparteien nur in eine Richtung abweichen dürfen, sind ebenfalls
zwingende Normen i. S. d. Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO.169 Ein Günstigkeitsvergleich zwi-
schen den Normen des gewählten Rechts und den nach Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO zwin-
genden findet nicht statt.170
Dies gilt nach Art. 3 Abs. 4 Rom I-VO auch für Binnenmarktsachverhalte 70
innerhalb der Europäischen Union. Wird in diesen Fällen das Recht eines Nicht-
Mitgliedstaats von den Parteien gewählt, obwohl alle Elemente des Sachverhalts in
der Europäischen Union belegen sind, können die zwingenden Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts nicht abbedungen werden.

c) Art. 9 Rom I-VO


Nach Art 9 Abs. 2 Rom I-VO werden die Eingriffsnormen des Rechts des im Streit- 71
fall angerufenen Gerichts nicht berührt. Art. 9 Rom I-VO ist von deutschen Gerichten
nur dann anzuwenden, wenn auf das betreffende Arbeitsverhältnis deutsches Recht
keine Anwendung findet.171 Dann können abweichend von dem Vertragsstatut Ein-
griffsnormen des deutschen Rechts anwendbar sein.

Beispiel
Das Vertragsstatut unterliegt italienischem Recht – sei es durch eine getroffene Rechtswahl oder auf-
grund objektiver Anknüpfung. Gleichzeitig weist der Sachverhalt aber einen Bezug zum deutschen
Recht auf, z. B. wenn die Arbeit durch den Arbeitnehmer gewöhnlich oder vorübergehend in Deutsch-
land verrichtet wird.

Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO enthält eine Legaldefinition der Eingriffsnormen. Danach 72
ist eine Eingriffsnorm eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung von einem Staat
als entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner

165 Vgl. Rn 55.


166 Vgl. MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 27; HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 27.
167 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 20; vgl. auch MüKo-BGB/Martiny, Art. 3 Rom I-VO Rn 90.
168 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 27; Schneider, NZA 2010, 1380, 1382.
169 MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 27.
170 ErfK/Schlachter, E 2009/26/EG Art. 3 Rn 20; MüKo-BGB/Martiny, Art. 8 Rom I-VO Rn 44.
171 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 953.

Powietzka
340 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

politischen sozialen oder wirtschaftlichen Organisation angesehen wird. Folglich


dienen Eingriffsnormen primär und nicht nur reflexartig dem öffentlichen Gemein-
wohl und zielen nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen ab.172 Sie können
auf Gesetzes- oder Richterrecht beruhen.173
73 Folgende Normen wurden als Eingriffsnormen anerkannt:174

Beispiel
– § 14 Abs. 1 MuSchG; § 3 EFZG; Regelungen über den Kündigungsschutz der Betriebsverfassungs-
organe, bei Massenentlassungen und von Schwerbehinderten, Schwangeren und Müttern; § 15
BEEG; materiell-rechtliche Insolvenzvorschriften; AEntG175
– Nicht dagegen: §§ 1–14 KSchG; § 626 BGB; § 613a BGB; § 2 EFZG; § 8 TzBfG; Vorschriften des
AGG; Lohnwucher-Rechtsprechung nach § 138 BGB

d) Art. 21 Rom I-VO (“ordre public”)


74 Nach Art. 21 Rom I-VO werden Normen ausländischer Rechtsordnungen dann nicht
angewandt, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung („ordre public“)
des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich unvereinbar ist. Art. 21 Rom I-VO
ist eng auszulegen.176 Nach der Rechtsprechung ist in Deutschland eine offensichtli-
che Verletzung wesentlicher Grundsätze deutschen Rechts, welche insbesondere die
Grundrechte darstellen, erforderlich.177 Da ein europäischer Maßstab anzuwenden
ist, gehören auch die Grundfreiheiten des Unionsrechts sowie die Menschenrechte
der EMRK und die Charta der Grundrechte der EU zum Inhalt des „ordre public“.178
Liegt ein Verstoß gegen den deutschen „ordre public“ vor, sind die gegen diesen ver-
stoßenden Vorschriften nicht anzuwenden.179

5. Konsequenzen für die Praxis


75 Für manchen Arbeitgeber, der das Arbeitsrecht seines Landes als sehr strikt bzw.
„arbeitnehmerfreundlich“ empfindet, mag die Rechtswahl zu Gunsten einer anderen
Rechtsordnung – ggf. mit deutlich geringerem Schutzstandard – verlockend erschei-
nen. Angesichts der Grenzen von Rechtswahlklauseln ist davon jedoch dringend abzu-

172 BAG, Urt. v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07; BAG, Urt. v. 3.5.1995 – 5 AZR 15/94, Rn 37; HWK/Tillmanns,
Rom I-VO Rn 35; Deinert, RdA 2009, 144, 150.
173 DLW/Dörner, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, Kap. 1 Rn 953.
174 Siehe zu den Beispielen HWK/Tillmanns, Rom I-VO Rn 36 mwN zur Rechtsprechung.
175 Rn 51.
176 Siehe Erwägungsgrund Nr. 37 der Rom I-VO.
177 BAG, Urt. v. 25.4.2013 – 6 AZR 49/12, Rn 41, 51; vgl. auch Deinert, RdA 2009, 144, 150.
178 MüKo-BGB/Martiny, Art. 21 Rom I-VO Rn 3; MünchArbR/Oetker, § 11 Rn 55.
179 Schneider, NZA 2010, 1380, 1382.

Powietzka
E. Gerichtsstandsvereinbarung 341

raten. In aller Regel kann der Schutzstandard, der sich aus dem Recht des Arbeitsor-
tes ergibt, nicht wirksam abbedungen oder reduziert werden. Die Wahl einer anderen
Rechtsordnung führt in der Praxis lediglich dazu, dass – je nach Durchführung
des Günstigkeitsvergleichs im Einzelfall – die Schutzbestimmungen der gewählten
Rechtsordnung und diejenigen des Rechts des Arbeitsortes kombiniert werden. Dies
führt zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit hinsichtlich des auf einzelne Sachge-
biete anwendbaren Rechts und birgt immer das Risiko, dass sich der Arbeitnehmer
im Sinne der „Rosinentheorie“ stets das für ihn günstigere Recht auswählen kann.
Rechtswahlklauseln erscheinen daher nur in seltenen Ausnahmefällen sinnvoll, 76
z. B. wenn das objektive Vertragsstatut nicht eindeutig zu bestimmen ist. Abgesehen
von diesen Ausnahmefällen sollten Rechtswahlklauseln nur als klarstellende Rege-
lung verwendet werden, die das am Beschäftigungsort ohnehin geltende Recht für
anwendbar erklären.

IV. Klauselmuster

Klauselmuster
Dieser Vertrag unterliegt dem Recht der Bundesrepublik Deutschland.

E. G
 erichtsstandsvereinbarung

I. K
 lauselzweck

Durch eine Gerichtsstandsvereinbarung (sog. Prorogation) wird die Zuständigkeit 77


eines an sich unzuständigen Gerichts vereinbart.180 Aus Sicht eines Arbeitgebers,
der in der Regel seinen durch ein Gerichtsverfahren entstehenden Kosten- und Zeit-
aufwand so gering wie möglich halten möchte, wäre es ideal, wenn das für ihn örtlich
nächstgelegene Arbeitsgericht in dem betreffenden Rechtsstreit zuständig wäre und
er durch eine einheitliche Zuständigkeit das Risiko von divergierenden Entschei-
dungen in vergleichbaren Sachverhalten minimieren könnte.181 Daher erscheinen
Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich sinnvoll.

180 Vgl. Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 1.


181 MaSiG/Göpfert, Kap. 370 Rn 1.

Powietzka
342 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

II. Z
 ulässigkeit

78 Eine Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien hinsichtlich der Zuständigkeit


eines Gerichts kann sowohl die örtliche Zuständigkeit182 als auch den Rechts-
weg183 betreffen, nicht jedoch die sachliche (erstinstanzliche Zuständigkeit des
Arbeitsgerichts – § 8 Abs. 1 ArbGG) oder die funktionelle Zuständigkeit (zuständiger
Spruchkörper innerhalb des zuständigen Arbeitsgerichts – Bestimmung nach dem
Geschäftsverteilungsplan).184

1. Gerichtsstandsklauseln in Inlandsfällen
a) Örtliche Zuständigkeit
79 Ohne entsprechende Vereinbarung bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit eines
Gerichts nach den §§ 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. §§ 12 ff. ZPO.185 Daneben gibt es im
Arbeitsrecht die Besonderheit, dass u. a. für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwi-
schen Arbeitnehmern und Arbeitgebern das Arbeitsgericht zuständig ist, in dessen
Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich
verrichtet hat (Gerichtsstand des gewöhnlichen Arbeitsortes), § 48 Abs. 1a S. 1
ArbGG.186
80 Die Zuständigkeit eines nach diesen gesetzlichen Vorschriften örtlich unzustän-
digen Gerichts kann durch eine Gerichtsstandsvereinbarung begründet werden. Ein
vereinbarter Gerichtsstand kann neben die gesetzlich begründeten Gerichtsstände
treten oder als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart werden, was im Zweifel
anzunehmen ist.187 Die ZPO setzt jedoch enge Grenzen für die Zulässigkeit einer
solchen Vereinbarung. Das Vereinbaren eines bestimmten Gerichtsstands ist nach
§ 38 ZPO, der aufgrund der in § 46 Abs. 2 ArbGG enthaltenen Verweisung auch in den
Verfahren vor den Arbeitsgerichten gilt,188 (nur) in den folgenden Sachverhaltskons-
tellationen zulässig:
– Beide Vertragsparteien sind Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen
Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen (§ 38 Abs. 1 ZPO);

182 Rn 79 ff.
183 Rn 84 ff.
184 Mävers, ArbRAktuell 2010, 87, 87.
185 Ausführlich zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach der ZPO in arbeitsrechtlichen
Streitigkeiten MaSiG/Göpfert, Kap. 370 Rn 2 ff.; Germelmann/Matthes/Prütting/Germelmann, ArbGG,
§ 46 Rn 29 ff.; Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 3.
186 Vgl. ausführlich Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Schmitt, § 48 ArbGG Rn 20 ff.; Natter/Groß/
Pfitzer/Ahmad, ArbGG, § 48 Rn 20 ff.
187 Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 1.
188 BAG, Urt. v. 15.11.1972 – 5 AZR 276/72.

Powietzka
E. Gerichtsstandsvereinbarung 343

– Mindestens eine der Vertragsparteien hat keinen allgemeinen Gerichtsstand im


Inland (§ 38 Abs. 1 ZPO);
– Vereinbarung der Gerichtsstandsvereinbarung erfolgte nach Entstehen der Strei-
tigkeit (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO);
– Die Gerichtsstandsvereinbarung wird für den Fall geschlossen, dass die im Kla-
geweg in Anspruch nehmende Partei nach Vertragsabschluss ihren Wohnsitz
oder gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlegt oder ihr Wohnsitz oder
gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist (§ 38
Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

Da diese Fallgruppen im Arbeitsrecht weitgehend bedeutungslos sind und gerade 81


durch die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in den Arbeitsvertrag die Gerichts-
standsvereinbarung vor dem Entstehen einer Streitigkeit zwischen den Parteien
erfolgt, sind insbesondere Gerichtsstandsklauseln in standardmäßigen Arbeitsverträ-
gen unzulässig.189 Raum für die Vereinbarung eines Gerichtsstands im Arbeitsver-
trag bleibt deshalb nur dann, wenn sie vorsorglich für den Fall getroffen wird, dass
eine Partei ihren Wohnsitz oder Aufenthaltsort ins Ausland verlegt oder die Gefahr
besteht, dass Wohnsitz oder Aufenthaltsort unbekannt werden, oder eine Vertrags-
partei keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat, was ggf. bei der Beschäf-
tigung von ausländischen Mitarbeitern der Fall sein kann. Hat der Arbeitgeber
einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand und der Arbeitnehmer nicht, so kann
nach § 38 Abs. 2 S. 3 ZPO für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem der
Arbeitgeber seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand
begründet ist. Daher kann in einem solchen Fall der Sitz des Arbeitgebers, welcher
nach § 17 Abs. 1 ZPO allgemeiner Gerichtsstand ist, als Gerichtsstand vereinbart
werden und der allgemeine Gerichtstand in der Gerichtsstandsklausel mit aufge-
nommen werden.190 Dies hat zwar bloß deklaratorischen Charakter, soll aber den
Arbeitnehmer auf den Gerichtsstand des Arbeitgebers hinweisen.191
Die strengen Voraussetzungen des § 38 ZPO können auch nicht dadurch umgan- 82
gen werden, dass die Parteien einen Erfüllungsort vereinbaren, so dass nach § 29
Abs. 1 ZPO dieser vereinbarte Ort als besonderer Gerichtstand gelten würde. Prozes-
sual entfaltet eine solche Vereinbarung gem. § 29 Abs. 2 ZPO nur dann eine Wirkung,
wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts
oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.192

189 Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 6, 15; Mävers, ArbRAktuell 2010, 87. 88.


190 Siehe Klauselmuster Rn 87.
191 MaSiG/Göpfert, Kap. 370 Rn 16.
192 Siehe auch Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 19.

Powietzka
344 Kapitel 9 Schlussbestimmungen

83 Eine größere Freiheit haben dagegen Tarifvertragsparteien nach § 48 Abs. 2


ArbGG.193 Wird in einen Tarifvertrag eine Prorogation zulässigerweise aufgenommen
und nimmt ein zwischen nicht tarifgebundenen Parteien geschlossener Arbeits-
vertrag auf den gesamten Tarifvertrag Bezug, so gilt der im Tarifvertrag festgelegte
Gerichtsstand auch zwischen den Arbeitsvertragsparteien, wenn der Tarifvertrag
auch in räumlicher und betrieblich-fachlicher Hinsicht anwendbar ist („Geltungsbe-
reich eines Tarifvertrages“), § 48 Abs. 2 S. 2 ArbGG.194 Allerdings besteht die Möglich-
keit der Prorogation auch hier nicht für Streitigkeiten über das Bestehen oder Nicht-
bestehen eines Arbeitsverhältnisses, was indes im Arbeitsrecht wohl den wichtigsten
Fall darstellen wird.195

b) Rechtswegzuständigkeit
84 Eine Besonderheit enthält § 2 Abs. 4 ArbGG hinsichtlich der Vereinbarung einer
Rechtswegzuständigkeit. Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen
Personen des Privatrechts und Personen, die kraft Gesetzes alleine oder als Mitglie-
der des Vertretungsorgans der juristischen Person zu deren Vertretung berufen sind,
kann abweichend von § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerich-
ten vereinbart werden.196

2. Gerichtsstandsklauseln mit Auslandsbezug


85 Bei Sachverhalten mit Auslandsbezug kann neben einer Rechtswahlklausel197 auch
die Aufnahme einer Gerichtsstandsvereinbarung sinnvoll sein, um Prozesse vor
ausländischen Gerichten zu vermeiden. Die Zulässigkeit einer solchen Gerichts-
standsklausel bestimmt sich in der Europäischen Union nach den Vorschriften der
EuGVVO, die mit Wirkung zum 10.1.2015 neu gefasst wurde.198 Die Art. 20 bis 22
EuGVVO bestimmen die internationale Zuständigkeit für Arbeitsverträge.199 Ein

193 Ausführlich zu den Einzelheiten Natter/Groß/Pfitzer/Ahmad, ArbGG, § 48 Rn 23 ff.


194 Zum „Geltungsbereich eines Tarifvertrages“ auch Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 9.
195 Natter/Groß/Pfitzer/Ahmad, ArbGG, § 48 Rn 25; ArbG Limburg, Beschl. v. 21.04.2008 – 1 Ca
195/06, Rn 4 ff.
196 Siehe hierzu MaSiG/Göpfert, Kap. 370 Rn 12; Mävers, ArbRAktuell 2010, 87, 88.
197 Vgl. Rn 46 ff.
198 VO (EU) Nr. 1215/2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre-
ckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. der europäischen Union v. 20.12.2012,
Nr. L 351/1.
199 Ausführlich noch zur alten Fassung VO (EG) Nr. 44/2001, die in den wesentlichen Teilen jedoch
im Wortlaut nicht von der neuen Fassung abweicht, MaSiG/Göpfert, Kap. 370 Rn 21; Junker, NZA 2005,
199, 199 ff.

Powietzka
E. Gerichtsstandsvereinbarung 345

Abweichen von diesen Normen ist nur unter den engen Voraussetzungen des Art. 23
EuGVVO (Art 21 EuGVVO a. F.) zulässig:
– Die Vereinbarung wird nach Entstehung der Streitigkeit getroffen;
– Die Vereinbarung räumt dem Arbeitnehmer die Befugnis ein, andere als die in
den Art. 20 bis 22 EuGVVO angeführten Gerichte anzurufen.

Die vor dem Entstehen der Streitigkeit getroffene Vereinbarung kommt lediglich dem 86
Arbeitnehmer im Rahmen seines Aktivprozesses zugute, der Arbeitgeber darf sich
dagegen auf eine solche Klausel nicht berufen, aber eine Widerklage nach Art. 22
Abs. 2 EuGVVO anhängig machen, sofern der Arbeitnehmer vor dem vereinbarten
Gericht Klage erhebt.200 Der vereinbarte Gerichtsstand tritt neben die gesetzlich ein-
schlägigen Gerichtsstände und nicht an deren Stelle.201

III. Klauselmuster

In reinen Inlandsfällen empfiehlt sich nach dem oben Gesagten202 allenfalls die Auf- 87
nahme der folgenden Klausel in den Arbeitsvertrag, wodurch auch die von § 38 Abs. 2
und 3 ZPO geforderte Schriftform203 eingehalten wird.

Klauselmuster
Gerichtsstandsklausel
(1) Allgemeiner Gerichtsstand ist der Sitz der Gesellschaft. Der Sitz befindet sich in […].
(2) Für den Fall, dass der Arbeitnehmer keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hat, ver-
einbaren die Parteien, dass der Gerichtsstand [z. B. Sitz/Niederlassung der Gesellschaft] ist. Verlegt
der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland oder ist sein Wohnsitz
oder gewöhnlicher Aufenthalt zum Zeitpunkt der Klageerhebung unbekannt, ist Gerichtsstand eben-
falls […].

Soweit die EuGVVO Anwendung findet, kann die folgende Klausel in den Arbeitsver- 88
trag aufgenommen werden, die aber lediglich einen ergänzenden Charakter auf-
weist und damit nur dem Arbeitnehmer zugutekommt.204

Klauselmuster
Gerichtsstandsklausel
Gerichtsstand ist […].

200 Mävers, ArbRAktuell 2010, 87, 89; Junker, NZA 2005, 199, 201; Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 33.
201 Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 33.
202 Rn 79 ff.
203 Zum Schriftformerfordernis des § 38 ZPO Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 26, 30, der eine besondere
Hervorhebung in umfangreichen Formulararbeitsverträgen fordert.
204 Rn 86; Preis/Rolfs, Kap. II G 20 Rn 38.

Powietzka
Kapitel 10
Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

A. E
 inführung

Bezugnahmeklauseln spielen im Arbeitsrecht eine immer wichtigere Rolle. Aus dem 1


allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz heraus ist der Arbeit-
geber verpflichtet, seine Beschäftigten gleich zu behandeln. Er hat selbst ein Inter-
esse daran seinen Beschäftigungsverhältnissen einheitliche Arbeitsbedingungen zu
Grunde zu legen, um Ungleichbehandlungen zu vermeiden, die Beschäftigten ange-
messen vergüten zu können, unnötige Streitereien zu vermeiden und die Mitarbeiter
zu motivieren. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, Regelungen durch Bezug-
nahme auf gleiche, für alle geltenden Rahmenbedingungen zu vereinheitlichen.
Als Bezugnahmeobjekte kommen hierbei Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen,
Dienstvereinbarungen, Arbeitsordnungen des Arbeitgebers oder im Bereich
der Kirche die durch arbeitsrechtliche Kommissionen ausgearbeiteten Arbeitsver-
tragsrichtlinien in Betracht. Die Schwierigkeiten in diesem Teilbereich des Rechts
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehen in der Überlappung von individu-
ellem Vertragsrecht mit dem kollektiven Arbeitsrecht, den EU-rechtlichen Implika-
tionen und dem in den letzten Jahren vollzogenen Wandel wesentlicher rechtlicher
Rahmenbedingungen und der Entwicklung des Arbeitsrechts. Zu berücksichtigen ist
hierbei, dass die Auslegungsmaßstäbe von Individualvereinbarungen und kollektiv-
rechtlichen Regelungen grundsätzlich anderer Natur sind und immer nur in ihrem
Anwendungskreis Gültigkeit beanspruchen können. Auch ein durch Bezugnahme in
den Arbeitsvertrag einbezogener Tarifvertrag kann nicht nach dem Parteiwillen der
Arbeitsvertragsparteien nach §§ 133, 157 BGB ausgelegt werden, sondern wird nach
wie vor ausgelegt wie ein Gesetz. Umgekehrt kann eine einzelvertragliche Bezugnah-
meklausel nicht nach kollektivrechtlichen Erwägungen so uminterpretiert werden,
dass im Sinne der Parteien des Kollektivvertrages keine Bevorzugung nicht tarifge-
bundener Arbeitnehmer stattfindet.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Regelungsbefugnis der Parteien des Ein- 2
zelarbeitsvertrages umfassender Natur ist. Kollektivrechtlich besteht eine umfassende
Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien, sofern es sich um Arbeits- und Wirt-
schaftsbedingungen in Bezug auf aktiv Beschäftigte wie auch auf Rentner handelt.
Das Recht der Betriebsparteien hingegen wird durch die Regelungskompetenzen der
Tarifvertragsparteien beschnitten und scheidet nach § 77 Abs. 3 BetrVG bei Sachver-
halten aus, die üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden. Das betriebliche
Mitbestimmungsrecht bezieht sich zunächst einmal nur auf Arbeitnehmer im Sinne
des § 5 Abs. 1 BetrVG, nicht also auf Rentner. Die Regelungskompetenz der Betriebs-
parteien ist zudem gesetzlich auf Regelungen der Betriebsverfassung beschränkt.

Dörring
348 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

B. Gegenstand der Bezugnahme

I. T
 arifverträge

3 Tarifverträge sind auf kollektivrechtlicher Ebene das Gestaltungsmittel, um das


Ziel einer Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen zu erreichen. Die Bindung an
Tarifverträge erfolgt kollektivrechtlich über die beiderseitige Tarifgebundenheit von
Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber kann selbst als Tarifvertragspartei
auftreten oder sich über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an einen
Tarifvertrag binden. Beim Arbeitnehmer vollzieht sich dies über die Mitgliedschaft in
der tarifschließenden Gewerkschaft (§ 3 Abs. 1 TVG).
4 Allerdings befindet sich die Arbeitswelt in einem tiefgreifenden Umbruch.
Waren 1991 noch ca. 11 Mio. Arbeitnehmer in den DGB-Gewerkschaften organisiert,
so waren es 2013 nur noch ca. 6,1 Mio. Arbeitnehmer.1 Der Organisationsgrad ist von
36 % auf 18 % gesunken. Eine ähnlich gelagerte Fluchtbewegung ist auch auf Arbeit-
geberseite zu konstatieren. Überlagert wird dieser Wandel durch die einsetzende
digitale Revolution, die die Arbeitsformen und Arbeitsinhalte einem fundamentalen
Wandel unterzieht.
5 Das übliche Mittel, um Tarifverträge als ordnendes Gestaltungsmittel im Arbeits-
recht einzusetzen, ist in der Praxis nicht mehr die kollektivrechtliche Bindung,
sondern die vertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages im Arbeitsvertrag. Unter-
suchungen in der Vergangenheit gehen davon aus, dass bei 80 bis 90 % der Arbeits-
verträge eine Bezugnahme auf einen Tarifvertrag erfolgt.2
6 Innerhalb der Vertragsgestaltung geht es hierbei um nicht mehr und nicht
weniger als die bestehenden Arbeitsbedingungen für beide Seiten durch Bezugnah-
meklauseln transparent und rechtssicher zu gestalten und zugleich diese Klauseln
so offen für die Zukunft zu fassen, dass durch sie die zukünftigen Änderungen der
Arbeitswelt in rechtlich sicherem Rahmen gehalten werden.
7 Dass dies kein leichtes Unterfangen ist, zeigen die Umbrüche der letzten Jahre.
Nach der Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht zum 1.1.2002 hat der
4. Senat des BAG seine Rechtsprechung zu Bezugnahmeklauseln grundlegend geän-
dert. Hatte der Arbeitgeber den Tarifvertrag, an den er selbst durch Verbandsmitglied-
schaft gebunden war, in allen Arbeitsverträgen auch bei Tarifaußenseitern in Bezug
genommen, so wurde eine solche Klausel vor der Schuldrechtsreform als „Gleichstel-

1 http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/mitgliederzahlen, Stand 31.12.2014. Übersicht aufge-


schlüsselt nach Einzelgewerkschaften des DGB Stand 31.12.2012; Schaub/Treber § 191, Rn 3.
2 Preis: Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsvertrag, 1992, S. 551 ff.; Schliemann, ZTR 2004,
502.

Dörring
B. Gegenstand der Bezugnahme 349

lungsabrede“ ausgelegt.3 War der Arbeitgeber tarifgebunden, so bezwecke er damit


eine Gleichstellung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern
herbei zu führen. Die Änderung der Rechtsprechung war überfällig, konnte allerdings
aus Gründen des Vertrauensschutzes nur durch Beibehaltung der alten Auslegung
als Gleichstellungsabrede für Verträge, die bis zum 31.12.2001 geschlossen worden
waren, umgesetzt werden.
Im Falle des Betriebsübergangs verfolgt der EuGH in drei Leitentscheidungen 8
eine andere Linie als das BAG bezüglich der Wahrung der Besitzstände der von einem
Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer4 und der Auslegung der Reichweite der
negativen Koalitionsfreiheit des Erwerbers in Bezug auf die Bindung des Erwerbers an
dynamische Tarifentwicklungen der Tarifverträge des Veräußerers, die der Erwerber
nicht beeinflussen kann.5

II. Betriebsvereinbarungen

Neben Tarifverträgen als Bezugnahmeobjekte spielen Betriebsvereinbarungen und 9


Dienstvereinbarungen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Eine Bezugnahme auf
eine Betriebsvereinbarung ist bei normalen Arbeitnehmern eigentlich überflüssig
und daher deklaratorischer Natur. Betriebsvereinbarungen gelten für alle Arbeit-
nehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG nach § 77 Abs. 4 BetrVG kraft Gesetzes nor-
mativ.6 Sie können allerdings als Instrument dienen, Regelungen für Arbeitnehmer
auf Beschäftigte auszudehnen, die vom Geltungsbereich einer Betriebsvereinba-
rung nicht umfasst sind, wie leitende Angestellte, Geschäftsführer oder Rentner,
soweit diese von betrieblichen Vergünstigungen erfasst werden sollen. Sinnvoll kann
eine solche Bezugnahme insbesondere bei Leistungen einer betrieblichen Altersver-
sorgung über eine Betriebsvereinbarung sein, wenn solche Regelungen entsprechend
der sich ändernden gesetzlichen Lage und auf dem Markt für die Zukunft gestaltbar
bleiben müssen. Der Arbeitsvertrag als Gestaltungsmittel scheidet hier oft aus, weil
die Vertragsänderungen mit dem Mittel der Änderungsvereinbarung oder Änderungs-
kündigung in einer Vielzahl von Einzelverträgen zu vollziehen wären.7 Eine Bezug-
nahme auf Betriebsvereinbarungen wird auch dann in Betracht kommen, um eine in

3 BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 4 AZR 18/00, NZA 2001, 1318; BAG, Urt. v. 4.08.1999 – 5 AZR 642/98, RdA
2000, 178.
4 EuGH (Große Kammer), Urt. v. 6.9.2011 − C-108/10 (Ivana Scattolon/Ministero dell‘Istruzione,
dell‘Università e della Ricerca), EuZW 2011, 798.
5 EuGH, Urt. v. 9.3.2006 – C 499/04 (Werhof/Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG), NZA 2006, 376;
ablehnend: BAG, Urt. v. 23.9.2009 – 4 AZR 331/08, NZA 2010, 513; EuGH, Urt. v. 18.7. 2013 – C-426/11
(Mark Alemo-Herron u. a./Parkwood Leisure Ltd), EuZW 2013, 747.
6 Rieble/Schul, RdA 2006, 339, 349; Preis, NZA 2010, 261.
7 a. A. Preis, NZA 2010, 361, 366.

Dörring
350 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

einem Betrieb geltende Regelung auf andere betriebsratslose Betriebe eines Unter-
nehmens oder eines Konzerns zu erstrecken.
10 Betriebsvereinbarungen sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer Inhaltskont-
rolle nicht nur ausgenommen, sondern stehen nach Satz 4 der Vorschrift gesetzlichen
Regelungen nach § 307 Abs. 3 BGB gleich. Die Rechtsprechung unterzieht sie bei einer
schuldrechtlichen Inbezugnahme die Betriebsvereinbarungen keiner AGB-Kontrolle.
Da in all diesen Fällen allerdings die Betriebsvereinbarungen nicht in ihrem betrieb-
lichen oder personellen Bereich auf die von ihrer Regelung ohnehin erfassten Arbeit-
nehmer, sondern gerade auf Arbeitnehmer außerhalb dieses Regelungsbereiches aus-
gedehnt werden sollen, greift in diesen Fällen nicht die Richtigkeitsgewähr des § 310
Abs. 4 Satz 1 BGB, so dass hier immer eine AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB durch-
zuführen ist.8 Gleichwohl ist sie ein gerade im Betriebsrentenrecht häufig verwandtes
Gestaltungsmittel.
11 Eine gänzlich andere Variante der Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen in
Fällen, in denen die Betriebsvereinbarung normative Geltung hat, stellen Öffnungs-
klauseln dar. Diese stellen arbeitsvertraglich getroffene Regelungen abänderbar
durch künftig geschlossene Betriebsvereinbarungen und stellen deshalb eine Aufhe-
bung des Günstigkeitsgrundsatzes dar, nach dem individualrechtliche Regelungen
kollektivrechtlichen Regelungen in analoger Anwendung von § 4 Abs. 3 TVG vorge-
hen, solange sie günstiger sind. Vor dem Hintergrund dieses massiven Eingriffes in
das Individualvertragsrecht stellt sich die Frage der Zulässigkeit dieses Gestaltungs-
mittels.

III. Dienstvereinbarungen

12 Die oben gemachten Ausführungen gelten in gleicher Weise für Dienstvereinbarun-


gen im öffentlichen Dienst. Auch hier gelten Dienstvereinbarungen, obwohl nicht
ausdrücklich gesetzlich geregelt, zwingend für alle ihrem Regelungsbereich unter-
worfenen Beschäftigten.9
13 Neben Bezugnahmen auf Dienstvereinbarungen gibt es im öffentlichen Dienst
regelmäßig Bezugnahmen auf beamtenrechtliche Regelungen.

IV. Arbeitsordnungen

14 Bezugnahmeklauseln finden sich ferner im Arbeitsrecht häufig in Verbindung mit


Arbeitsordnungen und anderen vom Arbeitgeber einseitig gestellten Arbeitsbe-

8 Preis, NZA 2010, 361; Rieble/Schul, RdA 339, 348.


9 Schaub/Koch, § 268 Rn 11.

Dörring
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 351

dingungen. Soweit diese dem Arbeitgeber die Befugnis einräumen, einseitig Arbeits-
bedingungen auch zu Lasten des Arbeitnehmers zu ändern, dürften sie regelmäßig
einen Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB darstellen, wenn die Änderungsvereinbarung
dem Arbeitnehmer nicht unter Berücksichtigung seiner Interessen zumutbar ist.10

V. Kirchenrecht

Kirchen gestalten ihre Arbeitsbedingungen abweichend vom allgemeinen Arbeits- 15


recht in der Regel im sogenannten Dritten Weg. Nach herrschender Ansicht erfasst
das Selbstbestimmungsrecht der Kirche aus Art. 4 Abs. 1 und 2 i. V. mit Art. 140 GG
und Art. 137 Abs. 3 WRV auch die individualrechtliche wie kollektivrechtliche Aus-
gestaltung der Arbeitsbedingungen der in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten
Arbeitnehmer. Die Arbeitsbedingungen in der Kirche und der ihr angegliederten
Einrichtungen der Diakonie werden durch paritätisch besetzte Kommissionen in
Arbeitsvertragsrichtlinien geregelt. Diese werden einzelvertraglich in Bezug genom-
men. Unstreitig ist, dass es sich bei diesen Arbeitsvertragsrichtlinien um Allge-
meine Geschäftsbedingungen handelt. Fraglich ist, inwieweit diese Richtlinien einer
Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen oder ähnlich wie Tarifverträge einer
Inhaltskontrolle analog § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entzogen sind.

C. A
 uslegung von Willenserklärungen und anzuwendende
Maßstäbe

Bei dem Großteil der dargestellten Bezugnahmeobjekte, bis auf die einseitig vom 16
Arbeitgeber aufgestellte Arbeitsordnung, handelt es sich um kollektivrechtliche Rege-
lungen. Sowohl Tarifverträge als auch Betriebs- und Dienstvereinbarungen werden
als Kollektivvereinbarungen nicht Teil des Arbeitsverhältnisses, sondern wirken
normativ auf das Arbeitsverhältnis von außen ein (§ 4 Abs. 1 TVG, § 77 Abs. 4 BetrVG;
bei Dienstvereinbarungen öffentlich-rechtlicher Normenvertrag11). Ihr Charakter
wandelt sich, wenn sie nicht normativ auf das Arbeitsverhältnis einwirken, sondern
durch eine Bezugnahme vertraglich oder im Falle eines Betriebsübergangs Inhalt des
Arbeitsverhältnisses werden.

10 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428.


11 Richardi/Dörner/Weber/Weber, § 73, Rn 5, 6.

Dörring
352 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

I. Auslegung von Willenserklärungen

17 Für Individualverträge gilt grundsätzlich ein anderer Auslegungsmaßstab als für nor-
mative kollektivrechtliche Regelungen. Bei Verträgen sind die Willenserklärungen,
die zum Vertragsschluss führen, unter Berücksichtigung aller Begleitumstände des
Einzelfalles bei Vertragsschluss auszulegen.12 Der Vertrag ist auf dieser Grundlage
nach § 157 BGB so auszulegen, wie die Gebote von Treu und Glaube und die Verkehrs-
sitte es erfordern. Folglich gilt hier ein individueller, auf den Einzelfall bezogener
Auslegungsmaßstab.
18 Arbeitsverträge stellen regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die
einer Vielzahl von Verträgen zu Grunde gelegt werden, so dass diese nach ihrem
objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich auszulegen sind. Hierbei sind der
objektivierte Maßstab der Interessen und die Verständnismöglichkeiten der durch-
schnittlich beteiligten Parteien zu Grunde zu legen.13 Anzulegen ist nicht eine indi-
viduelle, sondern eine generalisierende Betrachtungsweise. Abzustellen ist bei der
Auslegung nach § 157 BGB auf die typische Interessenlage der beiden Vertragspar-
teien, nicht auf deren individuelle Interessen.14

II. Auslegung kollektivrechtlicher Vereinbarungen

19 Kollektivrechtliche Vereinbarungen hingegen wirken wie Gesetze von außen auf Ver-
tragsverhältnisse ein und sind folglich wie Gesetze auszulegen. Hierbei ist zunächst
vom Wortlaut der Regelung anhand objektiver Maßstäbe auszugehen.15 Einzube-
ziehen ist, wie die Normunterworfenen den Normtext verstehen müssen.16 Erst in
zweiter Linie findet der Wille der Kollektivparteien Berücksichtigung, wenn mit der
objektiven Begriffsauslegung kein eindeutiges Ergebnis zu erzielen ist.
20 Tarifverträge sind auf Grund der Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien nur
auf Verstöße gegen die Verfassung, höherrangiges Recht oder die guten Sitten zu
überprüfen.17 Auch bei Betriebs- und Dienstvereinbarungen hat der Gesetzgeber hier
eine Gleichstellung mit dem Tarifvertrag bei der Anwendung des AGB-Rechts vorge-
nommen. Man kann Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen daher keiner
allgemeinen Billigkeitskontrolle unterziehen.18 Sie sind vielmehr nur auf Verstöße

12 Palandt/Ellenberger § 133 BGB, Rn 15.


13 Ständige Rechtsprechung BAG, Urt. v. 17.6.2014 – 3 AZR 527/11, AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 52.
14 HWK/Gotthart, § 307 Rn 3; BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022.
15 BAG, Urt. v. 26.3.2013 – 3 AZR 68/11, BeckRS 2013, 69843.
16 BAG, Urt. v. 17.04.2012 – 3 AZR 400/10, BeckRS 2012, 73017.
17 BAG, Urt. v. 6.9.1995 – 5 AZR 174/94, NZA 1996, 437.
18 BAG, Urt. v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 28; ErfK/Preis,
§§ 305 bis 310, Rn. 9.

Dörring
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 353

gegen konkurrierendes Tarifvertragsrecht nach § 77 Abs. 3 i. V. m. § 87 Abs. 1 BetrVG,


Verstöße gegen die Verfassung und höherrangiges Recht oder unzulässige Eingriffe
in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer nach §§ 74, 75 BetrVG zu überprüfen.
Bei Dienstvereinbarungen ist maßgeblich, ob der durch das Personalvertretungsrecht
gesetzte Rahmen eingehalten wurde.
Bei der Auslegung von Kollektivverträgen ergibt sich gerade im Arbeitsrecht ein 21
anderer Blickwinkel. Anders gerichtete Interessen, die zu völlig anderen Resultaten
führen können und deren Aufarbeitung, haben die Rechtsprechung bei der Bezug-
nahme von Tarifverträgen die letzten Jahre maßgeblich beschäftigt. Die Rede ist von
sogenannten „Gleichstellungsabreden“. Mit dem Schuldrechtsreformgesetz wurde
das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Wirkung zum 1.1.2002 auch auf
das Arbeitsrecht erstreckt.
Zuvor wurde eine arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifver- 22
trag in seiner jeweils gültigen Fassung unterschiedlich ausgelegt. Bei einem Arbeitge-
ber, der selbst kollektivrechtlich an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden
war, weil er diesen im Falle eines Haustarifvertrages selbst ausgehandelt oder aber
beim Flächentarifvertrag durch Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband legiti-
miert hatte, war man von einer deklaratorischen Bezugnahme ausgegangen. Zweck
aus Sicht des Arbeitgebers war eine Gleichstellung der nicht in der Gewerkschaft
organisierten Arbeitnehmer mit den gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern.
Wurde hingegen von einem nicht an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitge- 23
ber die gleiche Bezugnahmeklausel in dessen Arbeitsverträgen gewählt, so konnte
eine solche Klausel nur konstitutive Bedeutung haben, weil nur in diesem Fall die
gewünschte Bindungswirkung an den Tarifvertrag zu erzielen war.
Die Interpretation einer solchen Vereinbarung als Gleichstellungsabrede führte 24
allerdings in allen Fällen des Verlustes der Tarifbindung des Arbeitgebers dazu, dass
eine Klausel mit dem Wortlaut „Es gilt der Tarifvertrag des Arbeitgeberverbandes mit
der Gewerkschaft y in seiner jeweils gültigen Fassung.“ nicht mehr als dynamische
Bezugnahmeklausel, sondern als statische Bezugnahmeklausel ausgelegt wurde.
Der Grund lag darin, dass die Rechtsprechung die Klausel von ihrer Zielsetzung als
Gleichstellungsabrede interpretiert hatte und als Rechtsfolge eine Gleichstellung mit
tarifgebundenen Arbeitnehmern verfolgt hatte. Dies führte dazu, dass mit Austritt des
Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband der Tarifvertrag nach § 3 Abs. 3 TVG nur
noch solange fort galt, wie er nicht geändert wurde.19 Das gleiche Resultat konnte ein-
treten, wenn der Arbeitgeber durch Wechsel der Tätigkeit nicht mehr unter den sach-
lichen oder räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages fiel oder der Betrieb im
Falle eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf einen neuen Inhaber überging, der
normativ an den Tarifvertrag des Veräußerers nicht mehr gebunden war. Eine solche

19 BAG, Urt. v. 4.8.1993 – 4 AZR 499/92, NZA 1994, 34; BAG, Urt. v. 25.2.2009 – 4 AZR 986/07, NZA
2009, 1304.

Dörring
354 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

kollektivrechtliche Interpretation stellte die eindeutige und klare individualvertrag-


lich getroffene Vereinbarung auf den Kopf.
25 Der 4.Senat des BAG hat hier richtigerweise mit seinem Urteil vom 14.12.2005 eine
Änderung seiner Rechtsprechung angekündigt und mit seinem Urteil vom 18.07.2007
vollzogen.20 Er hat in beiden Entscheidungen deutlich gemacht, dass Vertragsklau-
seln nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen sind, wie sie die Parteien nach Treu und
Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Bei der Ausle-
gung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist grundsätzlich von einem objektivierten
Empfängerhorizont auszugehen.21 Bei der oben zitierten kleinen dynamischen Bezug-
nahmeklausel ist der Wortlaut eindeutig und klar, sodass es der Einbeziehung weite-
rer Faktoren nicht bedarf.22 Das BAG hat in seinen Entscheidungen hier auch nicht
die Unklarheitenregelung nach § 305c BGB zur Anwendung gebracht,23 sondern fest-
gestellt, dass zur Anwendung der Unklarheitenregelung keinerlei Anlass besteht.24
Das BAG hat klargestellt, dass es entsprechend der zuvor geäußerten Kritik aus der
Literatur einer „Rückbesinnung auf allgemeine Grundsätze der Vertragsauslegung
bedarf“.25 Bei Bezugnahmeklauseln nicht tarifgebundener Arbeitgeber hat sich durch
die Rechtsprechungsänderung nichts geändert. In diesen Fällen wurde die gleiche
Klausel schon immer als konstitutive dynamische Bezugnahme auf den in Bezug
genommenen Tarifvertrag gesehen.26

III. A
 GB-Kontrolle eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer
Dienstvereinbarung?

26 Bei Bezugnahmeklauseln werden rechtstechnisch kollektivrechtliche Regelungen


durch Bezugnahme zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht. Dies führt dazu,
dass es Streitigkeiten darüber gibt, an welchen Maßstäben in Bezug genommene
Kollektivregelungen zu messen sind. Sind sie nach wie vor nach kollektivrechtlichen
oder auf Grund der Bezugnahme nach individualrechtlichen Maßstäben auszulegen?
27 Auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen findet
nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB das AGB-Recht insgesamt keine Anwendung. Einigkeit

20 BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 625/05, NZA
2007, 965; BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR536/04, NZA 2006, 607.
21 BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607, Rn 24, 30.
22 Thüsing/Lambrich, RdA 2002, 193, 198f; Annuß, ZfA 2005, 405, 423; Bayreuther, DB 2007, 166;
Hanau, NZA 2005, 489.
23 Hümmerich/Reufels/Reufels § 1 Rn 1672.
24 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965, Rn 53; a. A. JKOS/Oetker § 6 Rn 200; Grobys/
Panzer/Panzer-Heermeier „Bezugnahmeklausel“, Rn 22.
25 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965, Rn 53.
26 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965, Rn 35; HR/Reufels, § 1, Rn 1693.

Dörring
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 355

besteht zunächst darüber, dass Tarifverträge keiner AGB-Kontrolle zu unterziehen


sind, wenn der Arbeitgeber selbst tarifgebunden ist und die einschlägigen Tarifver-
träge insgesamt in Bezug genommen werden. In diesem Fall geht der Gesetzgeber
davon aus, dass die Regelungen im Tarifvertrag von gleich starken Verhandlungs-
partnern vereinbart wurden. Von dieser Richtigkeitsgewähr sind zunächst nur die
einschlägigen Tarifverträge erfasst, die im Falle einer Tarifbindung der Parteien auch
normative Geltung im Betrieb hätten.27 Würde man hier Tarifverträge einer AGB-
Kontrolle unterziehen, so würde ein Tarifvertrag für nicht tarifgebundene Arbeitneh-
mer nach den für den Arbeitnehmer vorteilhafteren Maßstäben des AGB-Rechts zu
anderen Auslegungen der Tarifvertragsklauseln kommen als für die Arbeitnehmer,
für die der Tarifvertrag wegen einer Gewerkschaftszugehörigkeit normativ gilt.28 Eine
unterschiedliche Auslegung der Tarifverträge für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer
würde zudem eine mittelbare Tarifzensur darstellen.29 Umgekehrt greift die Richtig-
keitsgewähr immer dann nicht, wenn ein Tarifvertrag oder eine Betriebs- oder Dienst-
vereinbarung außerhalb des Bereiches in Bezug genommen wird, für die sie auch nor-
mativ gilt oder bei Tarifverträgen bei beiderseitiger Tarifgebundenheit gelten würde,
da hier nicht die zuständigen Parteien in ihrem zuständigen Regelungsbereich eine
Regelung getroffen haben.

1. Anwendbarkeit des § 305c BGB auf Bezugnahmeklauseln


Bezugnahmeklauseln, mit denen eine bestimmte kollektivrechtliche Regelung in 28
Bezug genommen wird, sind zunächst einmal selbst Allgemeine Geschäftsbedingun-
gen und unterliegen der Kontrolle der §§ 305 ff. BGB. Nach § 305c Abs. 1 BGB werden
überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil.
Generell ist die Inbezugnahme eines Tarifvertrages keine überraschende 29
Klausel, sondern im Arbeitsrecht weitgehend üblich.30 Führt die Bezugnahme selbst
zu Unklarheiten im Hinblick darauf, welcher Tarifvertrag in Bezug genommen wurde,
so geht diese Unklarheit nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Es findet
der für den Arbeitnehmer günstigere Tarifvertrag Anwendung. Die Unklarheiten-
regelung des § 305c Abs. 2 BGB greift allerdings nur dann, wenn die Auslegung der
Klausel zumindest zu zwei vertretbaren Ergebnissen führt und kein Ergebnis einen
klaren Vorrang verdient.31 Bleibt die Klausel unklar, ob ein Tarifvertrag z. B. dyna-
misch oder statisch Anwendung finden soll, so führt die Anwendung des § 305c Abs. 2

27 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154.


28 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Löwisch, § 310 BGB Rn3; Löwisch/Rieble, TVG-Kommentar,
2. Aufl. 2012, § 3 Rn 493.
29 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310 BGB Rn 44.
30 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; BAG, Urt. v. 14.11.2012 – 5 AZR 107/11, BeckRS
2013, 67225 Rn 22; a. A. Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, 305c, Rn 26.
31 BAG, Urt. v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445.

Dörring
356 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

BGB dazu, dass die für den Arbeitnehmer günstigere Variante greift. Dies ist bei Tarif-
verträgen regelmäßig die dynamische Geltung, weil hierdurch künftige Tariferhöhun-
gen mitumfasst werden.32 Ebenso sind Verweise auf Betriebsvereinbarungen deshalb
als dynamisch zu verstehen.33
30 Die Mehrheit der Literatur vertritt allerdings die Ansicht, dass durch die Inbe-
zugnahme eine kollektivrechtliche Regelung, wie etwa ein Tarifvertrag, Teil des
Arbeitsvertrages wird und damit im Zweifel nach individualrechtlichen Maßstäben
auszulegen ist. Der Arbeitgeber hat sich nach dieser Ansicht als Verwender nur das
Abschreiben des Tarifvertrages erspart, übernimmt allerdings als Verwender die Ver-
antwortung für die Formulierung des Tarifvertrages.34 Dem kann nicht gefolgt werden.
Diese Auffassung würde dazu führen, dass Tarifverträge entgegen der gesetzlichen
Vorgabe der Kontrollfreiheit bei Anwendung des AGB-Rechts im Fall einer Bezug-
nahme einer Kontrolle unterzogen werden. „Ein Auslegungsgrundsatz, wonach Tarif-
verträge im Zweifel zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer zu interpretieren wären,
würde die Tarifautonomie verletzen.“35 Unabhängig davon ob ein Tarifvertrag norma-
tiv oder durch vertragliche Bezugnahme gilt, erzeugt er die gleiche Wirkung. Das BAG
hat in einer neueren Entscheidung dies ausdrücklich klargestellt. und festgehalten,
dass das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG zur Beendigung des Arbeits-
verhältnisses keine Anwendung findet, wenn ein einschlägiger Tarifvertrag auf das
Arbeitsverhältnis anwendbar ist, der seinerseits eine Befristung oder eine auflösende
Bedingung vorsieht. Die einem Tarifvertrag zukommende Ausgewogenheit ist auch
dann gegeben, wenn der sonst normativ gültige Tarifvertrag durch vertragliche Inbe-
zugnahme Anwendung findet, zumindest wenn der Tarifvertrag insgesamt Anwen-
dung findet.36 Divergierende Kontrollmaßstäbe individualrechtlicher Art auf in Bezug
genommene Tarifverträge und kollektivrechtlicher Art bei normativ geltenden Tarif-
verträgen sind nicht hinnehmbar. Insofern handelt es sich bei der Entscheidung des
BAG vom 23.7.2014 um keine ergebnisorientierte Abweichung37 des BAG sondern um
die grundsätzliche Auslegung auch in Bezug genommener Kollektivvereinbarungen
nach kollektivrechtlichen Maßstäben.

32 BAG, Urt. v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202.


33 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Löwisch, § 305c Rn 7; LAG Köln, Urt. v. 20.06.2006 – 9 Sa
278/06, Entscheidungsregister NRW.
34 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c, Rn 26.
35 BAG, Urt. v. 15.1.2015 — 6 AZR 650/13, BB 2015, 692; für eine Kontrollfreiheit Däubler/Hjort/Schu-
bert/Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 310 Rn 25.
36 BAG, Urt. v. 3. 9. 2003 – 7 AZR 106/03; NZA 2014, 1341; vergleiche auch EuGH, Urt. v. 11.9.2014 –
C-328/13 (Österreichischer Gewerkschaftsbund/Wirtschaftskammer Österreich – Fachverband Auto-
bus-, Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmungen), NZA 2014 1092.
37 so aber Preis/Greiner II V 40 Rn 60a.

Dörring
C. Auslegung von Willenserklärungen und anzuwendende Maßstäbe 357

2. Anwendbarkeit der Unklarheitenregelung nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB


Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des 31
Vertragspartners des Verwenders, hier also des Arbeitnehmers, ergeben, wenn eine
Klausel unklar formuliert ist. Auch hier ist zunächst unstreitig, dass die Klausel, mit
der eine kollektivrechtliche Regelung in Bezug genommen wird, der AGB-Kontrolle
unterliegt. Werden beispielsweise durch eine Bezugnahmeklausel mehrere Tarifver-
träge gleichzeitig in Bezug genommen, ohne dass einer der Tarifverträge als vorrangig
benannt wird, ergeben sich Zweifel, welcher Tarifvertrag überhaupt benannt sein soll.
Sind diese „Tarifverträge“ noch dazu von einer nicht tariffähigen Gewerkschaft
abgeschlossen worden, so fehlt es an einem Tarifvertrag im Rechtssinne, der mit der
Bezugnahmeklausel in Bezug genommen werden kann. Eine solche Bezugnahme ist
unklar, geht ins Leere und ist daher nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB rechtsunwirksam.38
Streitig ist auch hier, ob ein wirksam in Bezug genommener Tarifvertrag durch 32
die Inbezugnahme nach den Maßstäben von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einer Kontrolle
zu unterziehen ist. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass der Tarifvertrag mit
der Einbeziehung in den Arbeitsvertrag Teil des Arbeitsvertrages geworden sei und
daher die AGB-Regelungen Anwendung finden.39 Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden
die §§ 305 bis 310 BGB aber keine Anwendung auf Tarifverträge. Das Gesetz enthält
keinen Hinweis, dass im Falle einer vertraglichen Inbezugnahme statt einer norma-
tiven Anwendung etwas anderes gelten sollte. Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4
Satz 3 BGB als Rechtsvorschriften Gesetzen gleich, so dass §§ 307 Abs. 1 und 2 und
308, 309 BGB auf Fälle der Inbezugnahme von Tarifverträgen, Betriebsvereinbarun-
gen und Dienstvereinbarungen nicht anwendbar sind. In diesen Fällen führt die
Bezugnahmeklausel jedenfalls, soweit das ganze Tarifwerk in Bezug genommen wird,
zu keiner Abweichung, sondern zur Anwendung gesetzesgleicher Vorschriften, wie
das BAG zutreffend hervorhebt.40 Die Bundesregierung hatte in einer Gegenäußerung
zu einer Stellungnahme des Bundesrates die Auffassung vertreten, dass eine Trans-
parenzkontrolle stattfinde, wenn beide Seiten nicht tarifgebunden seien und einen
Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug nehmen würden.41
Das BAG hat zunächst für den Fall, dass ein Arbeitgeber tarifgebunden ist und 33
durch die Bezugnahmeklausel Tarifaußenseiter arbeitsvertraglich an den Tarifvertrag
binden will, zutreffend entschieden, dass in diesem Fall eine Unklarheitenkontrolle
des in Bezug genommenen Tarifvertrages ausscheide. Dies würde sonst dazu führen,
dass in einem Betrieb einzelne Klauseln eines Tarifvertrages wegen Verstoß gegen

38 BAG, Urt. v. 13. 3. 2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680 (equal pay Entscheidung des BAG zu Tarif-
verträgen der CGZP).
39 Lakies, Kapit. 1, Rn 207; ErfK/Preis §§ 305–310, Rn 15; Stoffels, ZfA, 2009, 861; Ulmer/Brandner/
Hensen/Fuchs, § 310, Rn 162; Däubler/Bonin/Deinert/Deinert, § 310, Rn 58a; Däubler/Hjort/Schubert/
Wolmerath/Boemke/Ulrici, § 310, Rn 24.
40 BAG, Urt. v. 28.06.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049.
41 BT‑Drucks. 14/6857 S. 54.

Dörring
358 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber Arbeitnehmern ohne Tarifbindung unwirksam


wären und im gleichen Betrieb gegenüber Gewerkschaftsmitgliedern wirksam wären.
Es bestünde damit die Gefahr einer mittelbaren Tarifzensur.42
34 Das Gericht hatte damals ausdrücklich nicht den Fall zu entscheiden, wie zu ver-
fahren ist, wenn beide Parteien nicht tarifgebunden sind, aber den sonst sachlich
und örtlich einschlägigen Tarifvertrag in Bezug genommen haben. Auch hier kann
keine Kontrolle des Tarifvertrages auf Unklarheiten erfolgen, wenn sich das Gericht
nicht zum Zensor des Tarifvertrages machen lassen will. Bestehen Unklarheiten, wie
eine Norm eines Tarifvertrages auszulegen ist, so sind diese mit den Maßstäben des
Kollektivrechts zu lösen. Eine andere Vorgehensweise würde dazu führen, dass ein
und derselbe Tarifvertrag unterschiedlich interpretiert würde und auch im gleichen
Arbeitsverhältnis zwischen den gleichen Parteien vor und nach einem Austritt des
Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband unterschiedlich auszulegen wäre.

D. Formen der Inbezugnahme

I. V
 ertragliche Einbeziehung

35 Der Arbeitsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der Einhaltung einer bestimm-
ten Form, sondern kann z. B. jederzeit auch mündlich geschlossen werden oder sogar
konkludent erfolgen.43 Insofern kann auch mündlich eine Bezugnahme auf einen
Tarifvertrag oder einen anderen kollektivrechtlichen Normenvertrag erfolgen.

II. Einbeziehung durch betriebliche Übung

36 Eine Bezugnahme kann auch durch eine betriebliche Übung erfolgen.44 Eine betrieb-
liche Übung kommt dadurch zustande, dass der Arbeitgeber durch mehrmaliges,
mindestens dreimaliges Verhalten dem Arbeitnehmer zu erkennen gibt, dass er
bestimmte Leistungen innerhalb des Arbeitsverhältnisses auf Dauer erbringen will.
Nach der vom BAG vertretenen Vertragstheorie ist in der Leistung des Arbeitgebers
ein Angebot zur entsprechenden Änderung des Arbeitsvertrages zu sehen, das nach
§ 151 BGB durch den Arbeitnehmer auch stillschweigend durch Entgegennahme der

42 BAG, Urt. v. 28.6.2007- 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049.


43 HWK/Henssler Rn 19; BAG, Urt. v. 19.1.1999 – 1 AZR 606/98, NZA 1999, 879.
44 BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 5 AZR 622/03, NZA 2005, 1208; BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 4 AZR 541/03,
BeckRS 2004 30345697; BAG, Urt.v. 17.4.2002 – 5 AZR 89/01, NZA 2002, 1096.

Dörring
D. Formen der Inbezugnahme 359

Leistung angenommen werden kann.45 Es genügt hierbei nicht, wenn einzelne Zah-
lungen auf Grund eines bestimmten Tarifvertrages geleistet werden.46 Der Arbeitge-
ber muss vielmehr durch sein nach außen gerichtetes Verhalten zu erkennen geben,
dass er den Tarifvertrag in Gänze auf alle Arbeitnehmer anwenden will.47 Bei einer
nur fehlerhaften Anwendung eines vermeintlich für den Arbeitgeber geltenden Tarif-
vertrages fehlt das Erklärungsbewusstsein des Arbeitgebers eine zusätzliche Leistung
erbringen zu wollen, zu der er nicht verpflichtet ist.48 Auch aus der Weitergabe von
Tariflohnerhöhungen in der Vergangenheit lässt sich nicht schließen, dass der Arbeit-
geber für die Zukunft in gleicher Weise verfahren will. Insbesondere ein nicht tarifge-
bundener Arbeitgeber will sich zunächst auch nicht an künftige Tariferhöhungen
binden.49 Zweifel sind darüber hinaus gegeben, ob der Arbeitgeber sich auf Dauer an
den in Bezug genommenen Tarifvertrag binden will, oder ob sein nach außen gerich-
tetes Verhalten besagt, dass er den Tarifvertrag anwenden will, in dessen Regelungs-
bereich er von der Branche und den örtlichen Gegebenheiten fällt.50 Aus der Anwen-
dung eines bestimmten Tarifvertrages kann weder beim tarifgebundenen Arbeitgeber,
noch beim tarifungebundenen Arbeitgeber ein Rechtsbindungswille an den durch
betriebliche Übung in Bezug genommenen Tarifvertrag auf Dauer abgeleitet werden.
Der tarifgebundene Arbeitgeber kann sich durch Verbandsaustritt jeweils der Tarifbin-
dung entziehen. Der tarifungebundene Arbeitgeber hat gerade durch seine Nichtbin-
dung deutlich gemacht, dass er sich nicht dauerhaft binden will. Hieraus kann aber
entgegen der Auffassung von Sutschet keine nach außen gerichtete Willenserklärung
gefolgert werden, den jeweils für den Betrieb gültigen Tarifvertrag in Bezug nehmen
zu wollen. Finden in einem Betrieb mehrere verschiedene Tarifverträge Anwendung,
dürfte der Tarifvertrag dann auch schwierig bestimmbar sein.
In diesem Fall kann nur davon ausgegangen werden, dass sich der Arbeitgeber an 37
den angewandten Tarifvertrag in seiner vorliegenden Form binden wollte. Unstrittig
dürfte sein, dass aus der Anwendung eines Tarifvertrages nur der Wille des tarifun-
gebundenen Arbeitgebers ablesbar ist, den Tarifvertrag in seiner aktuellen Fassung
anwenden zu wollen. Eine Verpflichtung, künftige Tarifsteigerungen weiterzugeben,

45 BAG, Urt. v. 21.6.2011 − 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; Vertreter der Vertrauenshaftungstheorie
sehen in dem Verhalten des Arbeitgebers einen Vertrauenstatbestand, der wegen des Verbots wider-
sprüchlichen Verhaltens zu einer schuldrechtlichen Bindung führt(Canaris: Vertrauenshaftung im
deutschen Privatrecht, 1971, 372 ff; Hromodka, NZA 1984, 241, 244; Richardi in MünchArbR, § 12, Rn
19 f.) Vertreter der normativen Geltung gehen von einer normativen Rechtsetzungsbefugnis des Be-
triebsinhabers aus, welche normativ gilt und einseitig unter Wahrung der Billigkeit widerrufbar ist
(RAG, Urt.v. 7.9.1938 – RAG 40/38, RAGE 20, 129; Thüsing, NZA 2005, 718, 721; Bepler, RdA 2004, 226,
236; Bepler, RdA 2005, 323, 328).
46 MaSiG/Holthausen, „Bezugnahmeklausel“ Rn 10.
47 BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 5 AZR 622/03, NZA 2005, 1208, Nr. 4.
48 BAG, Urt. v. 21.1.2003 -3 AZR 35/02, NJOZ 2004, 3328; NZA 2004, 1119; Löwisch/Rieble, § 3, Rn 528.
49 BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 5 AZR 622/03, NZA 2005, 1208.
50 So ausdrücklich Sutschet, NZA 2008, 679, 687.

Dörring
360 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

erfolgt hieraus nicht.51 Dies gilt auch für den tarifgebundenen Arbeitgeber. Ein Teil
der Literatur geht bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber, der mehrere Male hinter-
einander die Tariferhöhungen weitergegeben hat, davon aus, dass hierin ein nach
außen gerichtetes Erklärungsverhalten zu sehen ist, auch in Zukunft Tariferhöhun-
gen weitergeben zu wollen.52 Eine solche Auslegung, dass der Arbeitgeber auf immer
und ewig an einen Arbeitgeberverband und dessen Tarifverträge gebunden sein soll,
würde aber gegen die positive Koalitionsfreiheit der organisierten Arbeitnehmer ver-
stoßen.53 Bei einer Inbezugnahme kollektivrechtlicher Regelungen durch betriebliche
Übung kann der Arbeitgeber nach der Vertragstheorie wie auch nach der Theorie der
Vertrauenshaftung nur an dem durch seine Handlung nach außen an die Arbeitneh-
mer gerichteten Erklärungswillen festgehalten werden, der sich darauf beschränkt,
den zurzeit bestehenden Kollektivvertrag zur Anwendung zu bringen. Daher kann
auch bei der Inbezugnahme eines Tarifvertrages durch betriebliche Übung gefolgert
werden, dass der Arbeitgeber den jeweils für ihn geltenden Tarifvertrag zur Anwen-
dung bringen will und die Klausel als Tarifwechselklausel interpretiert werden.54
38 Wendet der Arbeitgeber den Tarifvertrag in Gänze an, so führt dies auch dazu,
dass tarifvertragliche Ausschlussfristen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung
finden.55 Wurden bestimmte eigenständig geregelte Bereiche nicht angewandt, wie
zum Beispiel Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung, so wurden diese Berei-
che auch nicht durch die betriebliche Übung einbezogen. Der Arbeitgeber ist durch
die Inbezugnahme durch betriebliche Übung nicht an künftige dynamische Entwick-
lungen der Kollektivnorm gebunden, es sei denn er hat vertraglich eine ausdrück­liche
Zusage hinsichtlich der dynamischen Entwicklung getroffen. Er ist an die jeweils gel-
tenden Tarifverträge gebunden.

III. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

39 Der Arbeitgeber ist mittelbar auch an die Werteordnung des Grundgesetzes gebun-
den, hier insbesondere auch an den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1
GG. Der Arbeitgeber ist nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrund-
satz verpflichtet, seine Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage bei der Anwendung
selbst gesetzter Regeln gleich zu behandeln.56 Er verbietet dem Arbeitgeber sowohl

51 BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 5 AZR 622/03, NZA 2005, 1208; BAG, Urt. v. 24.2.2016 – 4 AZR 990/13, BB
2016, 884.
52 JKOS/Oetker, § 6, Rn 217.
53 Sutschet, NZA 2008, 679, 686; Henssler in Festschrift 50 Jahre BAG 2004, 683, 697; Kania, NZA
Sonderbeil. zu Heft 3/20000, 45, 50.
54 So aber Sutschet, NZA 2008, 679, 685.
55 BAG, Urt. v. 19.1.1999 – 1 AZR 606/98, NZA 1999, 879.
56 MüKo/Müller-Glöge, § 611 BGB, Rn 1123.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 361

die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer als auch die sachgrund-


lose Besserstellung, wenn es hierfür keine billigenswerten Gründe gibt.57
Grundsätzlich kann der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch eine 40
Anspruchsgrundlage darstellen, die Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages
auf das Arbeitsverhältnis zu fordern. Dies setzt voraus, dass der Tarifvertrag auf alle
Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer oder einer mit dem betreffenden Arbeitneh-
mer vergleichbaren Gruppe von Arbeitnehmern angewandt wird und der betreffende
Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund von dieser Leistung ausgeschlossen wird.58

E. B
 ezugnahme auf Tarifvertrag

Durch die Inbezugnahme eines Tarifvertrages auf das Arbeitsverhältnis wird der 41
Tarifvertrag schuldrechtlich Teil des Arbeitsvertrages. Er wirkt nicht normativ auf das
Arbeitsverhältnis von außen ein, steht also nicht wie das Gesetz neben dem Arbeits-
vertrag, sondern ist Teil des Arbeitsvertrages. Die Inbezugnahme von Tarifverträgen
verstößt nicht gegen § 5 UrhG.59

I. Deklaratorische oder konstitutive Wirkung?

1. Einleitung
Von einer bloß deklaratorischen Wirkung einer Vereinbarung ist immer dann aus- 42
zugehen, wenn durch die Vereinbarung eine ohnehin geltende Rechtslage wieder-
gegeben wird.60 Konstitutiv hingegen ist eine Klausel, wenn sie rechtsbegründende
Wirkung haben soll. Ob eine Klausel bloß deklaratorisch oder aber konstitutiv wirken
soll, hängt ausschließlich vom Parteiwillen ab und kann in der Regel aus dem mit der
Klausel verfolgten Zweck im Wege der Vertragsauslegung nach § 157 BGB geschlossen
werden. So ist man in der Vergangenheit immer dann von einer rein deklaratorischen
Wirkung einer Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag ausgegangen, wenn der
Tarifvertrag die ohnehin normativ bestehende Bindung von Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer an einen Tarifvertrag durch Verbands- bzw. Gewerkschaftszugehörigkeit wie-
dergegeben hat.

57 Grobys/Panzer/Altenburg „Gleichbehandlungsgrundsatz“ Rn 3; BAG, Urt. v. 14.6.2006 – 5 AZR


584/05, NZA 2007, 221; BAG, Urt. v. 10.12.2008 – 10 AZR 35/08, NZA 2009, 258; BAG, Urt. v. 15.4.2008 – 1
AZR 65/07, NZA 2008, 888; BAG, Urt. v. 03.09.2014 – 5 AZR 6/13, NZA 2015, 222.
58 BAG, Urt. v. 3.11.2004 – 4 AZR 541/03, BeckRS 2004 30345697,Nr. 5.
59 BAG, Urt. v. 11.11.1968 – 1 AZR 16/68, NJW 1969, 861.
60 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1, Rn 1634; Wiedemann/Oetker , § 3, Rn. 347; Hein: Die Auslegung
arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln im Wandel der Rechtsprechung, 2013, S. 16.

Dörring
362 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

43 Bis zum 14.12.2005 ist der 4. Senat des BAG in ständiger Rechtsprechung davon
ausgegangen, dass eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel bei bestehender
Tarifbindung des Arbeitgebers nur den Zweck verfolge, eine eventuell fehlende Tarif-
bindung des Arbeitnehmers zu ersetzen und ihn mit den in der Gewerkschaft orga-
nisierten Arbeitnehmern gleichzustellen.61 Entsprechend ist man bei bereits gewerk-
schaftlich organisierten Arbeitnehmern davon ausgegangen, dass die vertragliche
Inbezugnahme des Tarifvertrages rein deklaratorischer Natur sei.62

2. Konstitutive Wirkung
44 Diese früher vertretene Ansicht wird mittlerweile weder in der Literatur noch in der
Rechtsprechung länger vertreten,63 weil sie zu rechtlich nicht haltbaren, weil völlig
verschiedenen Ergebnissen führt, wenn sich Randbedingungen ändern. Überdies hat
diese Differenzierung nach der geänderten Rechtsprechung des BAG64 keine Grund-
lage mehr. Ist eine der Vertragsparteien oder sind beide Parteien nicht tarifgebun-
den, so müssen die Parteien eine konstitutive Wirkung gewollt haben, weil sonst
die Klausel keine Rechtswirkung entfaltet. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein
fremder Tarifvertrag in Bezug genommen wird, an den die Parteien bei normativer
Bindung nicht gebunden wären, weil sie fachlich oder örtlich nicht in den Wirkungs-
bereich des Tarifvertrages fallen. Sie ist auch dann gegeben, wenn beide Vertrags-
parteien wissen, dass eine Partei nicht tarifgebunden ist oder wenn die Tarifgebun-
denheit nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen war. Hiervon ist regelmäßig
auszugehen, weil die Frage des Arbeitgebers nach der Mitgliedschaft in der Gewerk-
schaft beim Einstellungsgespräch wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Koa-
litionsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 9 Abs. 3 GG, Art 28 EU-GRCh unzulässig
ist.65 Sie ist darauf gerichtet, die Auswahlentscheidung unter den Bewerbern von der
Frage der Gewerkschaftszugehörigkeit abhängig zu machen. Dies stellt bereits eine
nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG unzulässige Maßnahme dar.66 In diesem Fall ist folglich
ebenso davon auszugehen, dass die Parteien die Bezugnahme konstitutiv vereinbart
haben.

61 BAG, Urt. v. 26.9.2001 – 4 AZR 544/00, NZA 2002, 634.


62 BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77, NJW 1980, 1591; Etzel, NZA-Beil. 1/1987, 19, 25; Frieges, DB
1996, 1281, 1282; Heinze, NZA Sonderheft 2011, 75, 76; Schaub ZTR 2000, 259; Schiefer DB 2005, 2134,
2135.
63 BAG, Urt. v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02; NZA 2003, 1207; BAG, Urt. v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA
2008, 364.
64 BAG Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607.
65 Thüsing/Forst, Thüsing, Beschäftigtendatenschutz, § 7, Rn 30; ErfK/Dieterich, Art. 2 GG, Rn 96.
66 BAG, Beschl. v. 28.3.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, 1294.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 363

3. Deklaratorische Wirkung
Das Nachweisgesetz setzt die EU-Richtlinien 91/533/EWG um. Es verpflichtet den 45
Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 NachwG spätestens einen Monat nach dem vereinbarten
Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich
niederzulegen und die Niederschrift dem Arbeitnehmer unterschrieben auszuhändi-
gen. Die wesentlichen Inhalte der Niederschrift sind in § 2 Abs. 1 NachwG aufgelis-
tet und können nach Abs. 3 ersetzt werden durch den Hinweis auf die einschlägigen
Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen und ähnliche Regelungen, die für
das Arbeitsverhältnis gelten oder nach Abs. 4 in einem Arbeitsvertrag niedergelegt
werden. Wesentliche Änderungen hat der Arbeitgeber nach § 3 Satz 1 NachwG eben-
falls durch Niederschrift festzuhalten und unterschrieben innerhalb der Frist von
einem Monat dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Satz 1 gilt nicht bei einer Änderung der
gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und
ähnlichen Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten (§ 3 Satz 2 NachwG).
Das Nachweisgesetz selbst begründet keine Verpflichtung Arbeitsverträge schrift- 46
lich abzuschließen. Arbeitsverträge können grundsätzlich formfrei durch mündliche
Erklärung oder konkludent durch Arbeitsaufnahme und Zahlung einer Vergütung
geschlossen werden. Legt der Arbeitgeber aber die wesentlichen Arbeitsbedingungen
nicht schriftlich nieder, so ist das Verhalten des Arbeitgebers als Beweisvereitelung
anzusehen, da das Nachweisgesetz die erleichterte Beweisführung des Arbeitnehmers
intendiert.67 Es führt zu einer Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr im
Prozess.68 Im Hinblick auf tarifvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen genügt der
Arbeitgeber seiner Hinweispflicht hierauf bereits, wenn er auf den die Ausschluss-
frist beinhaltenden Tarifvertrag hinweist.69 Weist er hierauf nicht hin, so kann dies
zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers nach §§ 286 Abs. 1, 284 Abs. 2, 249
BGB führen.70 Der Arbeitgeber ist also gut beraten, Arbeitsverträge schriftlich abzu-
schließen.
Wird für das Arbeitsverhältnis generell ein bestimmter Tarifvertrag durch Bezug- 47
nahmeklausel zu Grunde gelegt, so empfiehlt es sich gleichwohl bestimmte Festle-
gungen auch im Arbeitsvertrag wiederzugeben, auch wenn sie im Tarifvertrag ent-
halten sind.
Werden bei einer dynamischen Bezugnahme auf einen Tarifvertrag bestimmte 48
tarifvertragliche Leistungen und Gegenleistungen wie Entgelt, Urlaubsdauer, Arbeits-
zeit im Arbeitsvertrag in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geregelten Höhe
wiedergegeben, so handelt es sich, ohne dass weitere Anhaltspunkte im Arbeitsver-

67 Schaub/Linck, § 32, Rn 45; HWK/Kliemt, NachwG, Vorb. Rn. 42; MüKo-BGB/Müller-Glöge § 611,
Rn. 687; ErfK/Preis, NachwG, Einf. Rn. 22.
68 ErfK/Preis, NachwG, Einf. Rn 23.
69 BAG, Urt. v. 23.1.2002 – 4 AZR 56/01, NZA 2002, 800.
70 BAG, Urt. v. 29.5.2002 – 5 AZR 105/01, NZA 2002, 1360.

Dörring
364 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

trag gegeben sind, immer um eine deklaratorische Wiedergabe des Tarifvertrages.


Regelmäßig sollen damit keine vom Tarifvertrag unabhängigen Arbeitsbedingungen
als einzelvertragliche Regelungen neben dem Tarifvertrag mit konstitutiver Wirkung
begründet werden.71 Die Angabe der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen
tariflichen Arbeitszeit im Arbeitsvertrag kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht als
konstitutiv angesehen werden. Erhöht sich die tarifvertraglich festgelegte Arbeitszeit,
so greift diese auch im Arbeitsvertrag auf Grund der dynamischen Bezugnahme auf
den Tarifvertrag.72
49 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Verweis auf kollektive Regelun-
gen oder die Wiedergabe deren Inhalts als bloßer rechtlicher Hinweis und nicht als
Willenserklärung verstanden wird.73
50 Bei der Formulierung eines Arbeitsvertrages mit einer dynamischen Bezugnahme
auf einen Tarifvertrag sollte gleichwohl darauf geachtet werden, den Arbeitsvertrag
so klar zu formulieren, dass der deklaratorische Charakter der Wiedergabe kollektiv-
rechtlicher Regelungen im Vertrag deutlich gemacht wird.

Klauselmuster
Dem Arbeitsvertrag liegen die Tarifverträge der ……Industrie in ihrer jeweiligen Fassung zu Grunde.
Bei der Wiedergabe tariflicher Ansprüche handelt es sich um deklaratorische Angaben, die tarifver-
traglichen Änderungen unterliegen.

51 Üblicherweise werden auch in einem Arbeitsvertrag mit Tarifbindung die folgenden


Punkte im Vertrag genannt:

Checkliste
Art und Ort der Tätigkeit mit Versetzungsvorbehalt
Höhe des tariflichen Entgelts
Arbeitszeit
Beginn des Vertrages
Kündigungsfristen
Urlaubsdauer
Sonderzahlungen
Abtretungsverbot
Nebentätigkeiten

71 BAG, Urt. v. 12.9.2006 – 9 AZR 675/05, NZA 2007, 218; BAG, Urt. v. 28.6.2001 – 6 AZR 114/00, NZA
2002, 331.
72 BAG, Urt. v. 10.7.2013 – 10 AZR 898/11, NZA 2014, 392.
73 BAG, Urt. v. 18.11.2003 – 1 AZR 604/02, NZA 2004, 803; BAG, Urt. v. 12.3.2008 – 10 AZR 256/07,AP
BGB § 611 Nr. 6.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 365

Der Arbeitgeber kann nach § 106 Satz 1 GewO den Arbeitsort im Rahmen des Direk- 52
tionsrechts festlegen. Die Festlegung selbst unterliegt nur einer gerichtlichen Billig-
keitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.74 Der Arbeitgeber sollte bei der Bezeichnung
des Arbeitsortes deutlich machen, dass er sich den Einsatz auch an einem anderen
Ort vorbehält. Mit der Überschrift „Beginn der Tätigkeit“ macht der Arbeitgeber zum
Beispiel deutlich, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers auch an einem anderen Stand-
ort erfolgen kann und der angegeben Arbeitsort nur den Ort der Arbeitsaufnahme
bezeichnet.75

Vertragsmuster
Der Arbeitnehmer kann im Rahmen der vertraglich vereinbarten Tätigkeit im Tätigkeitsgebiet (Ver-
triebsgebiet xy) der Gesellschaft unter Wahrung der Grundsätze billigen Ermessens eingesetzt wer-
den. Der Arbeitsort zu Beginn der Tätigkeit ist … „

Bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages werden beide Parteien auf die gesetzliche 53
Selbstverständlichkeit der Wahrung billigen Ermessens hingewiesen. Ein zu weit
gefasster Tätigkeitsbereich kann dem Arbeitgeber im Falle eines Personalabbaus
Schwierigkeiten dergestalt bereiten, den Kreis der in die Sozialauswahl einzubezie-
henden Mitarbeiter ausdehnen zu müssen oder so weit gefasst zu sein, dass eine
Abgrenzung unklar wird.76 Das BAG hat es in einer umstrittenen Entscheidung für
zulässig erachtet hinsichtlich des Arbeitsortes die umfassende Bestimmungsmög-
lichkeit des Arbeitsortes nach § 106 Abs. 1 GewO in einer Vertragsklausel zu wieder-
holen.77 Eine solche Klausel ist zulässig, da sie keine vom Gesetz abweichende AGB
darstellt. Streitigkeiten über die Billigkeit einer Versetzung sind dann aber häufig vor-
programmiert.
Bei der Höhe des Entgelts, des Urlaubs oder der Arbeitszeit sollte mit den Worten 54
„nach Tarifvertrag … zurzeit“ deutlich gemacht werden, dass sich die Höhe der tarif-
vertraglichen Leistungen und Gegenleistungen mit dem Tarifvertrag ändern kann.

Vertragsmuster
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt nach § 6 TVöD zurzeit 39 Stunden.
Der Mitarbeiter hat tarifvertraglich nach § … des Tarifvertrages … einen Anspruch auf zurzeit 30 Tage
Urlaub.

74 BAG, Urt. v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12, NZA-RR 2014, 181, Rn 19 f; BAG, Urt. v. 26.9.2012 – 10 AZR
311/11, NZA-RR 2013, 403, Rn 18.
75 BAG, Urt. v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12, NZA-RR 2014, 181.
76 Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 1 Rn 616.
77 BAG, Urt. v. 13. 4. 2010 – 9 AZR 36/09, NJOZ 2010, 2625.

Dörring
366 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

55 Bei der Höhe des Entgelts kommt es häufig zu Rechtsstreitigkeiten, ob sich die Par-
teien im Arbeitsvertrag mit der wiedergegebenen Eingruppierung und der Entgelt-
höhe unabhängig von der tarifvertraglich zutreffenden Eingruppierung auf eine
Entgelthöhe nach der angegebenen Entgeltgruppe verständigen wollten. Bei Arbeits-
verträgen innerhalb des öffentlichen Dienstes mit einer Bezugnahme auf Tarifver-
träge des öffentlichen Dienstes gehen die Parteien regelmäßig davon aus, dass der
Nennung der Entgeltgruppe keine konstitutive Wirkung zukommt, sondern sich die
Entgeltgruppe tarifvertraglich aus der Art der zugewiesenen Tätigkeit nach Tarifver-
trag ergibt.78

4. Zulässigkeitsfragen
a) Globalverweisung
56 Wird insgesamt auf den Tarifvertrag verwiesen an den der Arbeitgeber gebunden ist
oder im Falle einer fehlenden Bindung gebunden wäre, so greift die Richtigkeitsver-
mutung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, so dass eine AGB-Kontrolle von Tarifverträgen
auch dann nicht erfolgt, wenn sie durch Bezugnahme zum Inhalt des Arbeitsver-
hältnisses gemacht werden (Rn 30). Es ist keine AGB-Kontrolle durchzuführen. Der
in Bezug genommene Tarifvertrag ist auch entgegen einer teilweise in der Litera-
tur vertretenen Auffassung keiner Unklarheiten- oder Transparenzkontrolle zu
unterziehen (Rn 28 ff.). Wird hingegen auf einen branchenfremden Tarifvertrag ver-
wiesen, so greift diese Richtigkeitsvermutung nicht, da der andere Tarifvertrag vor
dem Hintergrund anderer ökonomischer und betrieblicher Rahmenbedingungen
geschlossen wurde. In diesem Fall ist eine Kontrolle nach dem AGB-Recht in vollem
Umfang durchzuführen.79

b) Teilverweisung
57 Fraglich ist, ob für den Fall, dass nur auf einen bestimmten Teil eines einschlägigen
Tarifvertrages, an den der Arbeitgeber bei normativer Bindung gebunden wäre Bezug
genommen wurde, die Richtigkeitsvermutung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB greift und
der Teilverweis ebenfalls keiner AGB-Kontrolle zu unterziehen ist. Sind Teilverweise
gesetzlich vorgesehen, um tariflich vom Gesetz abweichende Regelungen zuzulassen,
so ist eine solche Bezugnahme gerade gesetzlich erlaubt (z. B. § 622 Abs. 4 Satz 2 BGB,
§ 13 Abs. 1 Satz 2 BUrlG; § 7 Abs. 3 ArbZG, § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG). Die Bezugnahme auf
eine solche Teil- oder Einzelverweisung stellt somit keine vom Gesetz abweichende
Regelung dar, die einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB zu unterziehen wäre.

78 BAG, Urt. v. 16.2.2000 – 4 AZR 62/99, AP Nr. 3 zu § 2 NachwG.


79 Preis/Greiner II V Rn 84.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 367

Bei nicht gesetzlich geregelten Teilverweisungen besteht grundsätzlich die 58


Gefahr, dass der Arbeitgeber die für sich vorteilhaften Regelungen eines Tarifvertra-
ges übernimmt und weniger vorteilhafte Regelungen außen vor lässt.
Ein Teil der Literatur hält Teilverweisungen daher für unzulässig, da nur eine 59
Bezugnahme auf einen gesamten Tarifvertrag gewährleiste, dass ein Ausgleich gegen-
seitiger Interessen stattfinde. Hier sei eine „Angemessenheitskontrolle“ in Gestalt
einer Inhaltskontrolle durchzuführen.80 Die Kritiker gehen zunächst zu Recht davon
aus, dass bei Teilbereichsverweisungen die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber die
ihm günstigen Tarifvertragsregelungen in Bezug nehmen und die ihm ungünstigen
Regelungen nicht in Bezug nehmen wird. Ein solches „Rosinen picken“ wäre unzu-
lässig, weil zunächst nur der Tarifvertrag insgesamt die Richtigkeitsvermutung in
sich trägt. Es stellt allerdings bei der Anwendung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge
nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigende Besonderheiten des Arbeitsrechts
dar, dass Tarifvertragsparteien zu abgrenzbaren Teilbereichen eigenständige Tarif-
verträge oder in Manteltarifverträgen in sich abgrenzbare und abgeschlossene Teil-
regelungen schaffen.
Solche Teilbereichsregelungen tragen ebenfalls die Richtigkeitsgewähr eines 60
Tarifvertrages in sich, wenn nach dem erkennbaren Regelungswillen der Tarifver-
tragsparteien eine in sich vollständige und abgeschlossene Regelung vorgenom-
men wurde. Als Beispiele seien die Tarifverträge zur betrieblichen Altersversorgung
des öffentlichen Dienstes im ATV-K und ATV-B oder tarifvertragliche Regelungen zur
Vergütung und zum Aufwendungsersatz von Mitarbeitern im Außendienst der Ver-
sicherungswirtschaft genannt. Voraussetzung ist, dass im Arbeitsvertrag Teile eines
Tarifvertrags in Bezug genommen werden, die das betroffene Arbeitsverhältnis umfas-
send regeln. In diesem Fall benachteiligt eine solche Klausel den Arbeitnehmer nicht
unangemessen.81 Solche Teilbezugsnahmen sind daher im Arbeitsrecht zulässig.

c) Bezugnahme auf einen branchenfremden Tarifvertrag


Wird ein branchenfremder Tarifvertrag in Bezug genommen, so unterliegt er in vollem 61
Umfang der Kontrolle nach dem AGB-Recht, da für ihn die Richtigkeitsgewähr, die den
Gesetzgeber zur Herausnahme der Tarifverträge aus der AGB-Prüfung in § 310 Abs. 4
Satz 1 BGB veranlasst hat, nicht greift (Rn 25). Die Richtigkeitsgewähr von Tarifverträ-

80 Hümmerich/Boecken/Düwell/Ebeling, § 310 BGB, Rn 26; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB, Rn 18 f.;


HWK/Gotthardt, § 307 BGB, Rn 14; Löwisch/Rieble, § 3, Rn 501; Reinecke, NZA 2000, Beil. 3, 23, 29;
Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361; Diehn, NZA 2004,129; Preis/Greiner II V 40 Rn 25, 88; Lakies, NZA
2004, 569, 572.
81 BAG, Urt. v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, NZA-RR 2009, 593; a. A. BGH, Urt. v. 22.1.2004 – VII ZR
419/02, NJW 2004, 1597; Hümmerich/Boecken/Düwell/Hümmerich, § 310 BGB Rn 22; Diehn, NZA
2004, 129. 131; HWK/Gotthardt § 307 BGB Rn 124; Reinecke, BB 2005, 378; Thüsing, Lambrich, NZA
2002, 1361, 1363 f; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler§ 310 BGB Rn 52; Lakies, Kapit. 1 Rn 219.

Dörring
368 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

gen ist immer daran gebunden, dass die zuständigen sachlich und regional zuständi-
gen Tarifvertragsparteien in ihrem Bereich Regelungen treffen. Nur dann besteht die
Sachkenntnis in diesem Bereich über die zu regelnden Arbeitsbedingungen und eine
Mächtigkeit zur Durchsetzung tarifvertraglicher Regelungen. Bei der Inbezugnahme
branchenfremder Tarifverträge zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages
sind diese Tarifverträge immer einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht zu unter-
ziehen.
62 Wurde zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages der branchenmäßig
und regional einschlägige Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen, so kann
es bei einem Branchenwechsel des Arbeitgebers oder nach einem Betriebsübergang
dazu kommen, dass die arbeitsvertragliche Inbezugnahme nicht mehr den einschlä-
gigen Tarifvertrag in Bezug nimmt. In diesen Fällen ist eine korrigierende ergänzende
Vertragsauslegung auf den jeweils einschlägigen Tarifvertrag nicht möglich. Das BAG
hatte eine solche korrigierende Auslegung in der Vergangenheit vorgenommen, wenn
der alte in Bezug genommene Tarifvertrag und der neu einschlägige Tarifvertrag von
derselben Gewerkschaft geschlossen worden waren.82 Diese Rechtsprechung hat das
BAG ausdrücklich nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform aufgegeben. Soweit vor
dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform sogenannte „Gleichstellungsabreden“
getroffen worden waren, bleiben diese rechtswirksam. Sie führen dazu, dass bei
einem Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers der in Bezug genommene Tarifver-
trag nur noch statisch fortgilt. Bei allen nach dem 31.12.2001 einzelvertraglich verein-
barten dynamischen Bezugnahmen auf einen bestimmten Tarifvertrag ist von einer
konstitutiven Bezugnahme des Tarifvertrages auszugehen, wenn der Arbeitgeber
nicht ausdrücklich seine eigene Tarifgebundenheit zur auflösenden Bedingung der
Vereinbarung gemacht hat.83
63 Im öffentlichen Dienst wurde sehr häufig im Arbeitsvertrag auf den BAT/BMTG-II
in seiner jeweils gültigen Fassung von einem tarifgebundenen Arbeitgeber Bezug
genommen. Der BAT/BMT-G II wurde durch den TVöD abgelöst und der BAT/BMTG-II
seit 2008 nicht mehr fortentwickelt. Hier haben sich für die Parteien die Rahmen-
bedingungen grundlegend seit Abschluss des Arbeitsvertrages in einer Weise verän-
dert, die beide Vertragsparteien damals nicht voraussehen konnten. Das BAG hat die
sich hieraus ergebende Regelungslücke im Wege ergänzender Vertragsauslegung
geschlossen, weil redliche Vertragspartner in diesem Fall eine Nachfolgeregelung zur
Überleitung auf die ablösenden Tarifverträge vereinbart hätten.84

82 BAG, Urt. v. 4.9.1996 – 4 AZR 135/95, NZA 1887, 271.


83 MaSiG/Holthausen, 240, 54; BAG, Urt. v. 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, NZA 2009, 323; BAG, Urt. v.
22.10.2008 – 4 AZR 784/07, NZA 2009, 151.
84 BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 4 AZR 796/08, NZA 2010,1183; vgl. auch Rn 66 ff…

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 369

d) Bezugnahme auf einen nachwirkenden Tarifvertrag


Tritt ein Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus, so endet die Tarifbindung 64
des Arbeitgebers nach § 3 Abs. 3 TVG mit der nächsten Änderung des Tarifvertrages.
Anschließend wirkt der Tarifvertrag nach § 4 Abs. 5 TVG nur noch nach und kann
jederzeit durch andere Abmachungen geändert werden. Ein Tarifvertrag kann auch
dann nur noch nachwirken, wenn er rechtswirksam von einer Seite gekündigt wurde.
Es steht den Parteien frei, einen nur noch nachwirkenden Tarifvertrag arbeitsvertrag-
lich in Bezug zu nehmen.85 Ein solcher nur noch nachwirkender Tarifvertrag unter-
fällt grundsätzlich ebenfalls keiner Inhaltskontrolle nach AGB-Recht, wenn der
Arbeitsvertrag zeitnah an den Nachwirkungszeitpunkt geschlossen wurde oder durch
langwierige Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien nach Beendigung
eines Tarifvertrages kein neuer Tarifvertrag geschlossen wurde. Verweist der nach-
wirkende Tarifvertrag seinerseits auf einen dynamischen Tarifvertrag, so führt dies
allerdings dazu, dass der weiter in Bezug genommene Tarifvertrag ab dem Zeitpunkt
der Nachwirkung des Tarifvertrages ebenfalls nur noch statisch nachwirkt.86
Werden im Falle eines nachwirkenden Tarifvertrages einzelne Bestimmungen 65
des Tarifvertrages durch allgemeine Geschäftsbedingungen geändert, so unterliegen
diese Änderungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Im öffentlichen Dienst ist
diese Situation auf Grund der verfahrenen Tarifauseinandersetzung der Länder einge-
treten. Man hat versucht diese Regelungslücke durch Verweis auf das geltende Beam-
tenrecht zu schließen. Eine Bezugnahme auf gesetzliche Regelungen von Beamten
für vergleichbare Angestellte im öffentlichen Dienst ist in diesem Fall keine unange-
messene Benachteiligung nach § 307 Abs. 2 BGB, weil es sich um keine vom Gesetz
abweichende Regelung handelt.87

e) Bezugnahme auf unwirksame Tarifverträge


Grundsätzlich können auch unwirksame Tarifverträge zum Gegenstand einer Bezug- 66
nahmeklausel gemacht werden. Im Rahmen der Vertragsfreiheit kann auch ein tarif-
rechtlich nichtiger oder unwirksamer Tarifvertrag von den Arbeitsvertragsparteien
verbindlich in Bezug genommen werden.88 Da treibendes Motiv zur Bezugnahme
eines Tarifvertrages in der Regel die fehlende Tarifgebundenheit einer oder beider
Vertragsparteien ist und beide Parteien ein Interesse an kollektivrechtlich wirksamen
Regelungen haben, stellt sich die Frage, ob die Parteien bei Kenntnis der Unwirk-

85 BAG, Urt. v. 5.6.2007 – 9 AZR 241/06, NZA 2007, 1369.


86 BAG, Urt. v. 29.1.2008 – 3 AZR 426/06, NZA 2008,541.
87 BAG, Urt. v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007,1045.
88 BAG, Urt. v. 9.12.2009 – 4 AZR 190/08, NZA 2010, 712, Rn 57; JKOS/Oetker § 6, Rn 245; Däubler/
Lorenz, TVG, § 3, Rn 243; Löwisch/Rieble, § 3 TVG, Rn 454; Grobys/Panzer/Panzer-Heemeier, „Bezug-
nahmeklausel“, Rn 39.

Dörring
370 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

samkeit eines Tarifvertrages diesen in Bezug genommen hätten. Ein nicht wirksamer
Tarifvertrag ist im Zweifel nicht Gegenstand einer Bezugnahmeklausel geworden.89
67 Das BAG hatte zunächst festgestellt, dass die seitens der Gewerkschaft CGZP
abgeschlossenen Tarifverträge mangels Tariffähigkeit der Gewerkschaft unwirksam
sind.90 Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG gilt der Grundsatz, dass Leiharbeitnehmern die
gleichen Arbeitsbedingungen einschließlich des gleichen Arbeitsentgelts zu gewäh-
ren sind, wie den Arbeitnehmern des Entleihers. Von diesem Grundsatz kann nach
§ 10 Abs. 4 Satz 2 AÜG nur durch Tarifvertrag abgewichen werden. Den Parteien
musste es folglich bei der Vereinbarung der Bezugnahme auf die CGZP-Tarifverträge
gerade darauf ankommen, dass die Verträge wirksam sind. Das BAG hatte über die
Wirksamkeit von Ausschlussfristen in diesen Tarifverträgen zu befinden und fest-
gehalten, dass eine Ausschlussfristenregelung in einem unwirksamen CGZP-Tarif-
vertrag nicht kraft Bezugnahme als allgemeine Geschäftsbedingung Bestandteil des
Arbeitsvertrags geworden ist. Es sei zwar zulässig auch normativ rechtsunwirksame
Tarifverträge in Bezug zu nehmen, liegen aber Anhaltspunkt vor, dass man nur einen
rechtswirksamen Tarifvertrag habe in Bezug nehmen wollen, so wurde keine wirk-
same Inbezugnahme vereinbart.91

f) Fragen der ergänzenden Vertragsauslegung


68 Ist der Arbeitgeber selbst nicht tarifgebunden, so kann eine kleine dynamische
Bezugnahmeklausel nicht als Tarifwechselklausel ausgelegt werden, selbst wenn es
nach einer Umstrukturierung oder Veräußerung zur Anwendbarkeit eines anderen
Tarifvertrages nach der Umstrukturierung kommen würde.
69 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt nur bei tarifgebundenen Arbeitge-
bern in Betracht, wenn sich dies aus dem Umstand des Vertragsschlusses ergibt.
70 Einen solchen Sachverhalt hat das BAG in Fällen angenommen, in denen zwi-
schen den Parteien im öffentlichen Dienst bei vorliegender Bindung des Arbeitgebers
an den BAT/BMT-G II vereinbart worden war, dass diese Tarifverträge in ihrer jeweili-
gen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Damit hatten die Parteien
nur eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel vereinbart, keine Tarifwechselklau-
sel. Mit der Überleitung des BAT/BMT-G II in den TVöD war so eine Regelungslücke
entstanden, die vom BAG zutreffend im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung
dahingehend geschlossen wurde, dass die Parteien in Kenntnis dieser zum Zeitpunkt
des Vertragsschlusses nicht absehbaren Entwicklung eine solche Vereinbarung
getroffen hätten.

89 BAG, Urt. v. 15.3.2006 – 4 AZR 75/05, NZA 2006, 690, Rn 26; Löwisch/Rieble, § 3, Rn 454.
90 BAG, Urt. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10, NZA 2011, 289; BAG, Urt. v. 23.5.2912 – 1 ABR 67/11, NZA 2012,
625.
91 BAG, Urt. v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 371

II. Arten der Bezugnahmeklauseln

Je nach den von den Parteien verfolgten Zielen sind unterschiedliche Formen der 71
Bezugnahme möglich. Es kann eine statische, eine kleine dynamische oder eine
große dynamische Bezugnahmeklausel in Betracht kommen. Ferner kann auch eine
sogenannte Gleichstellungsabrede getroffen werden.

1. Statische Bezugnahme
Bei einer statischen Bezugnahme soll ein bestimmter Tarifvertrag nur in seiner 72
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Form in den Arbeitsvertrag ein-
bezogen werden. Damit wird eine künftige Tarifentwicklung gerade ausgeschlossen.
Eine solche Klausel widerspricht normalerweise dem Interesse des Arbeitgebers,
seine Arbeitsbedingungen für künftige Entwicklungen einer sich ändernden Arbeits-
welt offen zu gestalten und alle Arbeitnehmer in sich ändernde Arbeitsbedingungen
mit einzubeziehen und gleich zu behandeln.92 Sie widerspricht normalerweise auch
den Interessen des Arbeitnehmers an künftigen Tarifentwicklungen zu partizipieren.
Sie kann in beiderseitigem Interesse dann ein Mittel der Wahl sein, wenn das Ein-
frieren eines Tarifstandes von den Parteien gerade gewünscht wird, um zum Beispiel
sich abzeichnende negative Entwicklungen im Tarifrecht in Anbetracht einer zeitlich
überschaubaren Dauer des Arbeitsverhältnisses auszuschließen.

Beispiel
Der Manteltarifvertrag der … Industrie Bezirk … in der Fassung vom … und der Entgelttarifvertrag der
… Industrie Bezirk … in der Fassung vom … sind Bestandteile dieses Arbeitsvertrages.

Bei der Formulierung der Klausel ist Vorsicht geboten. Wird auf einen bestimmten 73
Tarifvertrag Bezug genommen ohne den Zusatz „in der jeweils geltenden Fassung“
oder „der Anpassung an sich ändernde Tarifentwicklungen“, so spricht dies dafür,
dass eine statische Bezugnahme gewollt war.93 Wird beispielsweise die Vergütung
nach einer bestimmten Vergütungsgruppe eines Entgelttarifvertrages zugesagt, so
kann diese Zusage als statische oder dynamische Zusage interpretiert werden. In
diesem Fall greift die Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB, so dass die für
den Arbeitnehmer günstigere Alternative, also die dynamische Bezugnahmeklausel,
als vereinbart gilt.94

92 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1, Rn 1625.
93 BAG, Urt. v. 19.9.2007 – 4 AZR 710/06, BeckRS 2008, 50271.
94 BAG, Urt. v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202.

Dörring
372 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

2. Kleine dynamische Bezugnahmeklausel


74 Bei einer kleinen dynamische Bezugnahmeklausel wird auf einen bestimmten Tarif-
vertrag in seiner jeweiligen Fassung Bezug genommen. Die Dynamik beschränkt
sich nur auf das Zeitmoment.95 Für eine große dynamische Bezugnahme bedarf es
in Abgrenzung zu einer kleinen dynamischen Verweisung einer klaren Regelung in
der Bezugnahmeklausel, dass neben dem Zeitmoment auch andere ablösende Tarif-
verträge in Betracht kommen.96 Eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel verstößt
nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Auch im allgemeinen
Zivilrecht ist der Verweis auf Normen Dritter zulässig.97 Im Arbeitsrecht ist es eine
übliche Praxis und somit eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 2
BGB dynamisch auf Tarifverträge zu verweisen, deren zukünftige Entwicklung nicht
klar ist. 98

Klauselmuster
Auf diesen Arbeitsvertrag finden die Tarifverträge der chemischen Industrie … in ihrer jeweils gültigen
Fassung Anwendung.

75 Vor dem Hintergrund der Erfahrungen bei der Umstrukturierung des öffentlichen
Dienstes ist allerdings dringend zu empfehlen eine Klausel zur Tarifsukzession zu
vereinbaren. Im öffentlichen Dienst wurde sehr häufig vereinbart, dass der BAT oder
der BMT-G II in seiner jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung
findet, ohne dass vereinbart worden war, dass die diese Tarifverträge ersetzenden
Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. In diesem Fall tritt
eine Regelungslücke auf, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schlie-
ßen ist.

Klauselmuster
Ergänzung: Im Falle einer Ablösung dieses Tarifvertrages durch einen anderen Tarifvertrag findet
der ablösende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Kommt es zu einer Ablösung durch
mehrere Tarifverträge, so findet der speziellere Tarifvertrag Anwendung, an den die meisten Arbeits-
verhältnisse des Betriebes gebunden sind.

95 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 384/09, NJOZ 2010, 2454; MSG/Holthausen „Bezugnahmeklausel“,
Rn. 20.
96 BAG, Urt. v. 15.4.2008 – 9 AZR 159/07, NZA-RR 2008, 586, Rn 60.
97 BGH, Urt. v. 8.11.2001 – III ZR 14/01, NJW 2002, 507.
98 JKOS/Oetker, § 6, Rn 217; Müller-Glöge, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 611,Rn
73; Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 425, 439 ff; BAG, Urt. v. 15.4. 2008 – 9 AZR 159/07, NZA-RR 2008,
586, Rn 78.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 373

3. Gleichstellungsabrede
Die kleine dynamische Bezugnahmeklausel wurde vom BAG bis zur Ankündigung 76
einer Rechtssprechungsänderung mit Urteil vom 14.12.2005 immer entgegen ihres
Wortlauts als Gleichstellungsabrede ausgelegt, wenn der Arbeitgeber selbst tarifge-
bunden war. In diesem Fall wurde vom BAG als Regelungsziel seitens des Arbeitge-
bers anerkannt, dass es ihm darum gehe, einen Tarifvertrag auf alle Arbeitnehmer
anzuwenden und bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern die fehlende norma-
tive Bindung über die Gewerkschaftszugehörigkeit durch eine vertragliche Bindung
über die Bezugnahmeklausel zu ersetzen.99 Die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers
musste ferner für den Arbeitnehmer erkennbar gewesen sein und damit zum vertrag-
lichen Hintergrund der Vereinbarung geworden sein.100
Diese Auslegung wurde vom BAG selbst auf Fälle einer großen dynamischen 77
Tarifwechselklausel angewandt.101 In allen Fällen, in welchen der Arbeitgeber selbst
nicht tarifgebunden war oder in welchen auf einen Tarifvertrag verwiesen wurde, der
sachlich oder örtlich nicht anwendbar war, konnte die Gleichstellung als Ziel nicht
anerkannt werden. In diesen Fällen wurde eine dynamische Bezugnahmeklausel ent-
sprechend ihres Wortlauts ausgelegt.
Die Auslegung hatte zur Folge, dass bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern 78
immer dann, wenn die Tarifbindung des Arbeitgebers durch Austritt aus dem Arbeit-
geberverband, durch Branchenwechsel des Arbeitgebers oder nach einem Betriebs-
übergang auf einen nicht oder anders tarifgebundenen Arbeitgeber endete, die ihrem
Wortlaut nach dynamische Bezugnahmeklausel eingefroren wurde und nur noch sta-
tisch fortgalt.

a) Änderung der Rechtsprechung


Das BAG kündigte am 14.12.2005 an,102 an dieser Auslegung gegen den Klauselwort- 79
laut nicht länger festhalten zu wollen und hat die Ankündigung erstmals mit der
Entscheidung vom 18.4.2007 vollzogen.103 Das BAG hat damit klargestellt, dass eine
kleine dynamische Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag in seiner jeweiligen
Fassung nach §§ 133, 157 BGB als konstitutive, unbedingte zeitdynamische Verwei-
sung auszulegen ist, egal, ob der Arbeitgebertarifgebunden ist oder nicht. Das BAG
hat erklärt, diese Auslegungsregel für alle Verträge, die nach dem Inkrafttreten des

99 BAG, Urt. v. 21.2.2001 – 4 AZR 18/00, NZA 2001, 1318; BAG, Urt. v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02; NZA
2003, 1207.
100 BAG, Urt. v. 11.12.2013 – 4 AZR 473/12, NZA 2014, 900, Rn 19.
101 BAG, Urt. v. 4.8.1999 – 5 AZR 642/98, NZA 2000, 154.
102 BAG, Urt. v.14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607.
103 BAG, Urt. v. 18.4. 2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 975.

Dörring
374 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1.1.2002 geschlossen wurden, anzuwen-


den.

b) Vertrauensschutz für Verträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen wurden


80 Das BAG wies zutreffend darauf hin, dass mit der Erstreckung des Rechts der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgeset-
zes ein „Paradigmenwechsel“ im Arbeitsrecht stattgefunden hat. Jedem Arbeitge-
ber musste klar sein, dass er als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen seit
diesem Zeitpunkt gehalten war, Inhalte des Arbeitsvertrages so zu formulieren, dass
sie klar und verständlich den beiderseitigen Willen bei Vertragsschluss zum Aus-
druck bringen. Die Kritik an der bisherigen Auslegung einer kleinen dynamischen
Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede wurde von einem erheblichen Teil der
Literatur getragen und ein Teil der Instanzgerichte haben die Rechtsprechung des
BAG abgelehnt.104 Vor diesem Hintergrund hat das BAG einen Vertrauensschutz in
den Fortbestand der bisherigen Rechtsprechung über den 1.1.2002 zu Recht abge-
lehnt.105 Für alle Verträge, die bis zum 1.1.2002 geschlossen wurden, bleibt es bei der
Auslegung als „Gleichstellungsabrede“.
81 Das BAG hatte bereits im Zuge der Rechtsprechungsänderung darauf hingewie-
sen, dass Voraussetzung der Auslegung der Klausel als Gleichstellungsabrede nicht
nur die tatsächliche Tarifbindung des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen
Tarifvertrag war, sondern dass der Arbeitnehmer hiervon Kenntnis haben musste,
damit der damit verfolgte „Gleichstellungszweck“ bewusster Parteiwille beider Seiten
werden konnte.106
82 Ob ein Alt- oder Neuvertrag im Sinne der geänderten BAG-Rechtsprechung vor-
liegt, ist nach Ansicht des BAG nicht nur vom Datum des Vertragsschlusses abhängig.
Wurde ein Vertrag, der vor dem 1.1.2002 geschlossen wurde, nach diesem Zeitpunkt
geändert, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Klausel weitergelten soll,
wenn sie nicht ausdrücklich zum „Gegenstand eines rechtsgeschäftlichen Willensbil-
dungsprozesses“ gemacht worden ist.107
83 Das BAG hat damit die Möglichkeit einer Gleichstellung eines nicht tarifgebunde-
nen Arbeitnehmers mit einem tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen,
sondern nur davon abhängig gemacht, dass dies zwischen den Parteien eindeutig

104 BAG, Urt. v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607, Rn17 mit umfassendem Nachweis.
105 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 975, Rn 54 ff.
106 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 975, Rn 49; ausdrücklich den Empfängerhori-
zont des Arbeitnehmers hervorhebend BAG, Urt. v. 11.12.2013 – 4 AZR 473/12, NZA 2014, 900, Rn19;
a. A. BAG, Urt. v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207.
107 BAG, Urt. v. 19.10.2011 − 4 AZR 811/09, NJOZ 2012, 493; BAG, Urt. v. 16.05.2012 – 4 AZR 290/10,
BeckRS 2012, 74487.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 375

vertraglich vereinbart wird, indem die Tarifbindung des Arbeitgebers an den Tarif-
vertrag zur auflösenden Bedingung der dynamischen Fortgeltung gemacht wird.108

Klauselmuster
Gleichstellungsklausel
Zur Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer finden auf das Arbeitsverhältnis unabhängig von der Ge-
werkschaftszugehörigkeit des Mitarbeiters die jeweils für den Betrieb geltenden Tarifverträge An-
wendung, an die der Arbeitgeber durch Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes normativ gebunden
ist. Bei sich überlappenden Tarifverträgen findet der gesetzlich gültige Tarifvertrag Anwendung, bei
Zweifeln der Tarifvertrag, an den die meisten Arbeitnehmer im Betrieb gebunden sind. Dies ist zurzeit
der Tarifvertrag …vom …Erlischt die normative Tarifbindung des Arbeitgebers, so findet der zuletzt
angewandte Tarifvertrag in seiner zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung, d. h. der Tarif-
vertrag wirkt nach Ablauf der Tarifbindung nach § 4 Abs. 5 TVG nach und nimmt an künftigen Tarifent-
wicklungen des Tarifvertrages nicht mehr teil.
Erläuterung:
Die Klausel bringt deutlich und klar die beabsichtigte Gleichstellung aller Beschäftigten unabhän-
gig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zum Ausdruck und verweist dynamisch auf die geltenden
Tarifverträge, an die der Arbeitgeber normativ auf Grundlage des TVG gebunden ist. Als Rechtsfolge
einer wegfallenden Tarifbindung des Arbeitgebers wird ebenfalls nur auf die statische Fortgeltung der
zuletzt geltenden tarifvertraglichen Regelung verwiesen, die dann nach § 4 Abs. 5 TVG abänderbar ist.
Im Falle der Tarifpluralität wird die gesetzliche Regelung des § 4a TVG übernommen, um im Zweifel
den Tarifvertrag anwendbar werden zu lassen, der für die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse im Betrieb
gilt. Eine solche Klausel würde auch dann Bestand haben, wenn das Tarifeinheitsgesetz aus verfas-
sungsrechtlichen Gründen scheitern würde.

4. G
 roße dynamische Tarifwechselklausel
Unter einer großen dynamischen Tarifwechselklausel versteht man eine Bezugnah- 84
meklausel, die nicht nur zeitlich auf einen sich ändernden Tarifvertrag verweist,
sondern auch den sachlichen, fachlichen und örtlichen Anwendungsbereich an eine
sich ändernde Tarifbindung des Arbeitgebers anpasst. Eine solche Klausel bietet für
den Arbeitgeber die größtmögliche Flexibilität. Sie kann insbesondere bei Unter-
nehmensumstrukturierung das alte Tarifrecht durch ein neues Tarifrecht mit geän-
dertem Branchenbezug ersetzen. Eine solche Klausel kann für den Arbeitnehmer
nicht unproblematisch sein, weil der Inhalt des Arbeitsverhältnisses durch Anwen-
dung eines anderen Tarifrechts tiefgreifend umgestaltet werden kann, ohne dass sich
der Arbeitnehmer hiergegen zur Wehr setzen kann. Erfasst werden hierdurch auch
Fallkonstellationen der Ausgründung, z. B. von Kantinenbetrieben in Krankenhäu-
sern mit zum Teil erheblichen Tarifabsenkungen.

108 BAG, Urt. v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 975, Rn 26; Bepler in Beck’scher Online-Kom-
mentar TVöD, Anh. § 1 Exkurs: Tarifbindung und Tarifgeltung, Rn 27.

Dörring
376 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

85 Auch große dynamische Tarifwechselklauseln werden für zulässig erachtet. Dem


Bestimmtheitsgrundsatz ist zunächst Genüge getan, wenn der Tarifvertrag hin-
sichtlich seiner Bezeichnung sowie des fachlichen und räumlichen Geltungsbereichs
hinreichend bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 NachwG genügt ein in allgemeiner
Form gehaltener Hinweis auf den zunächst anwendbaren Tarifvertrag.109 Auch wenn
einschlägige, für den Betrieb geltende Tarifverträge in Bezug genommen werden, so
sind nur diese als Bezugnahmeobjekte selbst nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer
Inhaltskontrolle nach AGB-Recht befreit. Die Klausel selbst aber kann gegen das
Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen, wegen Verstoßes gegen das
Überraschungsverbot nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam sein oder über § 305c Abs. 2
BGB bei nicht hinreichend klarer Regelung dazu führen, dass ein für den Arbeitneh-
mer günstigerer Tarifvertrag bei einer unklaren Regelung Anwendung findet.

a) Zulässigkeitsfragen
86 Bezugnahmeklauseln auf sich ändernde Tarifverträge oder sich ändernde fachliche
Tarifbindungen sind im Arbeitsrecht allgemein üblich und gehören zu den Beson-
derheiten des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Es liegt in der Natur der
Sache, dass sich die Arbeitsbedingungen ändern können und tarifliche Regelungen
oder Tarifwerke auf die sich ändernden Arbeitsbedingungen reagieren und entspre-
chend geändert werden. Auch große dynamische Bezugnahmeklauseln sind daher
grundsätzlich zulässig.110
87 Der Bestimmtheitsgrundsatz ist auch bei einer solchen Klausel gewahrt, wenn
eindeutig zu ermitteln ist, an welchen Tarifvertrag der Arbeitgeber gebunden ist.
Erklärt der Arbeitgeber die Tarifverträge, an die er gebunden ist, zum Bestandteil des
Arbeitsverhältnisses, so handelt es sich nicht um eine überraschende Klausel i. S. d.
§ 305c Abs. 1 BGB. Sie ist auch nicht intransparent nach § 307 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 1
BGB, da bestimmbar ist, an welche Tarifverträge der Arbeitgeber in Zukunft gebun-
den sein wird. Das BAG verweist hier ausdrücklich darauf, dass es unerheblich ist,
welchen konkreten Inhalt ein Arbeitsvertrag haben wird. Dynamische Verweisungs-
klauseln entsprechen einer im Arbeitsrecht allgemein üblichen Regelungstechnik,
die im Interesse beider Parteien dazu dient das Arbeitsverhältnis offen für künftige
Entwicklungen zu gestalten. Auch eine Verweisung in einem in Bezug genommenen
Tarifvertrag auf einen anderen Tarifvertrag führt nicht zur Intransparenz der Rege-
lung, wenn der Inhalt des Tarifvertrages klar bestimmbar ist. Ein tarifvertraglich in
Bezug genommener anderer Tarifvertrag wird in diesem Fall Teil des verweisenden
Tarifvertrages und gilt nicht als eigenständiger Tarifvertrag fort. Beide Tarifverträge

109 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB, Rn 44; v. Westphalen/Thüsing, Arbeitsverträge,


Rn 193.
110 Preis/Greiner II V 40, Rn 18; BAG, Urt. v. 16.10.2002 – 4 AZR 467/01, NZA 2003, 390.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 377

bilden eine Einheit.111 Verweisen Vertragsparteien auf einen Tarifvertrag, so wird


dieser durch die Tarifvertragsparteien ausgehandelt, die Dritte sind. Ein Verstoß
gegen einen Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB ergibt sich aus der Klausel
somit auch nicht, da nicht der Verwender die Arbeitsbedingungen ändern kann.112
In der Literatur wird dieser Ansatz kritisiert. Eine überraschende Klausel sei 88
zumindest dann gegeben, wenn auf einen fremden Tarifvertrag verwiesen werde113
oder wenn es auf Grund der Tarifwechselklausel zu einer erheblichen Absenkung des
Tarifvertragsniveaus komme, mit dem der Arbeitnehmer nicht rechnen konnte (Tarif-
niveauabsenkung von 40 bis 50 %)114 oder die „schlechterdings nicht vorhersehbar
und zugleich ungewöhnlich belastend“ sind.115
Im erstgenannten Fall ist es durchaus üblich, dass auch fremde Tarifverträge in 89
Bezug genommen werden. Eine solche Klausel kann nur dann überraschend sein,
wenn sie in versteckter Form in dem Vertrag platziert worden ist. Im letztgenann-
ten Fall handelt es sich indes nicht um ein Problem der Vertragsklausel und ihrer
Gestaltung als Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern um den Eintritt veränderter
Verhältnisse, die das gegenseitige Austauschverhältnis insgesamt in Frage stellen.
Von einer Störung der gemeinsamen Geschäftsgrundlage ist auszugehen, wenn das
gegenseitig vertraglich geregelte Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleis-
tung in unzumutbarer Weise gestört ist.116 In diesem Fall ist durch Änderung der
objektiven Rahmenbedingungen eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetre-
ten, die den Arbeitnehmer berechtigt, nach § 313 Abs. 1 BGB eine Vertragsanpassung
auf ein zumutbares Niveau zu verlangen. Es handelt sich aber nicht um eine unklare
Regelung im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB.

Klauselmuster
Auf das Arbeitsverhältnis finden jeweils die fachlich und betrieblich bei normativer Tarifbindung des
Arbeitgebers geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Dies sind zurzeit
die zwischen der Gewerkschaft … und dem Arbeitgeberverband … geschlossene Tarifverträge vom …
Im Falle mehrerer in Betracht kommender Tarifverträge findet der Tarifvertrag Anwendung, an den die
Mehrheit der Arbeitnehmer gebunden ist. Entfällt die Tarifbindung des Arbeitgebers, so gelten die Ta-
rifverträge in der zu diesem Zeitpunkt gültigen Fassung fort und können durch andere Abmachungen
ersetzt werden. Dies gilt im Falle eines Betriebsübergangs auf einen neuen Erwerber ebenso. Ist der
neue Erwerber tarifgebunden, so finden die für ihn geltenden Tarifverträge Anwendung. Bei mehreren
anwendbaren Tarifverträgen ist das jeweils der Tarifvertrag, an den die Mehrheit der Arbeitnehmer
im Betrieb gebunden ist.

111 BAG, Urt. v. 22. 2. 2012 − 4 AZR 8/10, NJOZ 2012, 1507
112 BAG, Urt. v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512, Rn 32 ff; HWK/Henssler, § 3 TVG, Rn 18.
113 Preis/Greiner II V 40 Rn 73.
114 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c BGB, Rn 45a.
115 Stoffels Rn 1133.
116 Palandt/Grüneberg, § 313, Rn 24, 25.

Dörring
378 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

b) E
 rläuterung
90 Es besteht insoweit Übereinstimmung bei allen Klauselvorschlägen einer großen
dynamischen Tarifwechselklausel, die Tarifverträge, an die der Arbeitgeber gebun-
den ist, dynamisch in Bezug zu nehmen. Ferner sind Regelungen in die Klausel aufzu-
nehmen, die im Falle eines Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers und im Falle
eines Betriebsübergangs greifen.117
91 Angesichts der Neuregelung des Tarifeinheitsgesetzes sollte die Regelung des
§ 4a TVG im Falle einer Tarifpluralität aufgenommen werden. Den Arbeitgeber trifft
keine allgemeine Rechtsberatungspflicht vor Einführung bestimmter Klauseln,
auch wenn diese weitreichende Konsequenzen haben können.118

5. Tarifsukzession
92 In den vergangenen Jahren ist es sehr häufig zu tiefgreifenden Umstrukturierungen
gekommen, die dazu geführt haben, dass bestehende Tarifverträge nicht mehr wei-
tergeführt, sondern durch neue verbands- oder firmenbezogene Tarifverträge abge-
löst worden sind. In der Regel geschieht dies durch die zuvor am Tarifabschluss
beteiligten Tarifvertragsparteien, sodass bei normativer Bindung an den Tarifvertrag
tarifvertraglich eine ablösende Wirkung des alten Tarifvertrags durch den neuen ver-
einbart wird. Schwierig kann sich das Verhältnis gestalten, wenn die Tarifvertrags-
parteien wechseln, z. B. statt eines Arbeitgeberverbandes ein einzelner Arbeitgeber
einen Firmentarifvertrag schließt, wenn im Falle eines Betriebsübergangs ein anderer
Arbeitgeber mit einer anderen Tarifbindung in Erscheinung tritt, wenn auf Seiten der
Arbeitnehmer neue Tarifvertragsparteien neue Tarifverträge schließen oder wenn in
einem Betrieb im Falle der Tarifpluralität mehrere Tarifverträge nebeneinander für
unterschiedliche oder auch gleiche Arbeitnehmergruppen gelten. In den Fällen einer
arbeitsvertraglichen Inbezugnahme von Tarifverträgen sind solche Entwicklungen
von den vertragsschließenden Parteien in der Regel nicht vorhersehbar. Es muss sich
also immer um Fälle des Entstehens einer von den Vertragsparteien nicht planba-
ren Regelungslücke nach Vertragsschluss handeln. Es stellt sich die Frage nach
den Folgen der unterschiedlichen Fallkonstellationen und der rückwirkenden und
zukünftigen Vertragsgestaltung. Fälle der Tarifsukzession unterscheiden sich von
einem Tarifwechsel dadurch, dass eine Tarifsukzession kollektivrechtlich von beiden
Tarifvertragsparteien gemeinsam vollzogen wird.119 Bei einem Tarifwechsel hingegen
entscheidet der Arbeitgeber einseitig z. B. aus dem Arbeitgeberverband auszutreten
oder den Geschäftszweck zu ändern, so dass das Unternehmen einer anderen Branche

117 vergleiche die Vorschläge von Preis/Greiner II V Rn 18; MaSiG/Holthausen, 240 Rn 42; HWK/
Henssler, § 3 TVG, Rn 32b; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 1 Rn 1723.
118 HWK/Gotthard, § 307 BGB, Rn 20; HWK/Henssler, § 3 TVG, Rn 18.
119 Greiner, NZA 2009, 877.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 379

zuzurechnen ist oder durch örtliche Verlagerung räumlich den Anwendungsbereich


des bisherigen Tarifvertrages verlässt. Voraussetzung einer Tarifsukzession ist, dass
die gleichen Tarifvertragsparteien, ihre Rechtsnachfolger oder Mitglieder eines
Arbeitgeberverbandes in Form eines Haustarifvertrages den ursprünglichen Tarifver-
trag durch einen ablösenden Tarifvertrag ersetzen.120
Das BAG lehnt die Anwendung der Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB 93
auf die Tarifsukzession ab, nach der der für den Arbeitnehmer günstigere Tarifvertrag
zur Anwendung kommen müsste, da es hier um keine einseitige Vertragsbestimmung
gehe, sondern um das „zu Ende denken eines Vertrages“, wenn die Parteien bereits
bei Vertragsschluss die Vertragslücke erkannt und nach typisierenden Interessen
geregelt hätten.121 Es sieht außerdem das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB als nicht verletzt an.122 Kommt es in Folge einer Tarifsukzession zu ungeplanten
Regelungslücken, so ist „zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwä-
gung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart
hätten, wenn ihnen eine Unvollständigkeit ihrer Regelung bekannt gewesen wäre“.123

6. Nachfolge auf einen beendeten Tarifvertrag


Die Tarifvertragsparteien haben im Jahr 2000 begonnen die bestehenden Tarifver- 94
träge zunächst im Energie- und Versorgungsbereich durch den TV-V, später im Bereich
des ÖPNV durch die Tarifverträge Nahverkehr (TV-N) und ab 2005 durch den TVöD
bzw. TV-L abzulösen. In vielen alten Arbeitsverträgen war als Bezugnahmeklausel
vereinbart „Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT und diesen ergänzende Verträge
Anwendung“.
Auch wenn eine solche Klausel keine ausdrückliche dynamische Verweisung 95
enthält („in ihrer jeweiligen Fassung“) ist sie als dynamische Klausel auszulegen,
da im Zweifel das Interesse beider Parteien darin besteht Tarifentwicklungen ohne
jeweils neue Verhandlung des Arbeitsvertrages mit zu übernehmen.124 Dies ergibt
sich nach der Schuldrechtsreform auch aus § 305c Abs. 2 BGB, wonach Zweifel bei der
Auslegung zu Lasten des Verwenders auszulegen sind.125
In der Formulierung des Arbeitsvertrages ist die sonst übliche Klausel, dass auch 96
die den BAT ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge in Bezug genommen werden,
nicht enthalten. Die Parteien konnten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht
damit rechnen, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag eines Tages nicht mehr

120 Löwisch/Rieble: TVG Kommentar, 3. Aufl.2012, § 3, Rn 600; Greiner NZA 2009, 877, 880.
121 MüKo/Busche, § 157, Rn 27; Greiner, NZA 2009, 877, 881.
122 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154.
123 BAG, Urt. v. 16.12.2006 – 5 AZR 888/08, NZA 2010, 401; BAG, Urt. v. 25.2.2015 – 5 AZR 481/13, NZA
2015, 943, Rn 18.
124 BAG, Urt. v. 16.8.1988 – 3 AZR 61/87, NZA 1989, 102.
125 BAG, Urt. v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202.

Dörring
380 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

fortgeführt wird. Eine solche nachträglich eingetretene Regelungslücke, die die


Parteien nicht vorhersehen konnten, ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung
zu schließen.126 Bei der Vertragsergänzung muss durch das Gericht für den betroffe-
nen Vertragstyp eine allgemeine Lösung zur Verfügung gestellt werden, die die Par-
teien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als
redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unvollständigkeit ihrer
Regelung bekannt gewesen wäre.127 Die Parteien hätten sich redlicherweise in einem
solchen Fall darauf verständigt einen nachfolgenden Tarifvertrag, der zwischen der
gleichen Gewerkschaft und dem gleichen Arbeitgeberverband oder Arbeitgeber ver-
einbart wurde, als ablösenden Tarifvertrag in Bezug zu nehmen. Auch in Fällen von
Umstrukturierungen und einem ersetzenden Haustarifvertrag mit einem zuvor über
den Arbeitgeberverband tarifgebundenen Arbeitgeber ist davon auszugehen, dass der
ablösende Haustarifvertrag vereinbart worden wäre.128

7. Nachfolge nach Unternehmensrestrukturierung


97 Das BAG hatte im Falle der Postreform II einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem
über eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel aus dem Jahr 1975 der Tarifvertrag
für Arbeiter der Deutschen Bundespost „in der jeweiligen Fassung“ in Bezug genom-
men war. Die Bezugnahme wurde entsprechend der alten BAG-Rechtsprechung als
Gleichstellungsabrede ausgelegt. Dieser Tarifvertrag wurde bei Ausgründung der
Deutschen Telekom AG durch einen Haustarifvertrag der Deutschen Telekom AG
abgelöst. Das BAG hat hier die Klausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung als
Bezugnahme auf diesen ablösenden neuen Tarifvertrag der Deutschen Telekom AG
ausgelegt. Als das Arbeitsverhältnis erneut auf eine Tochtergesellschaft der Deut-
schen Telekom im Wege des Betriebsübergangs überging, hat es konsequenterweise
von einer nochmaligen ergänzenden Vertragsauslegung abgesehen, da der alte
Tarifvertrag der Deutschen Telekom AG weiter gegolten hat und damit keine Rege-
lungslücke entstanden war, die im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung hätte
geschlossen werden müssen.129

126 Palandt/Ellenberger, § 157, Rn 2; Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281; Busche in MüKo, § 157, Rn
27; Greiner, NZA 2009, 877, 881.
127 BAG, Urt. v. 10.11.2010 − 5 AZR 633/09, ZTR 2011, 150, Rn 19; in diesem Sinne schon Fieberg, NZA
2005, 1227, 1228.
128 BAG, Urt. v. 10.7.2013 – 10 AZR 898/11, NJOZ 2013, 1825, Rn 29.
129 BAG, Urt. v. 6.07.2011 – 4 AZR 496/09, BeckRS 2011, 77807; vgl. hierzu Melms/Kentner, NZA 2014,
127, 129.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 381

8. Fälle der Tarifpluralität


Zu unterscheiden sind auf kollektivrechtlicher Ebene zunächst Sachverhalte der Tarif- 98
konkurrenz von Sachverhalten der Tarifpluralität. Finden auf ein Arbeitsverhältnis
verschiedene Tarifverträge kraft beiderseitiger Tarifbindung normativ Anwendung,
so ist eine Tarifkonkurrenz gegeben.130 Diese ist generell nach dem Spezialitäts-
prinzip zu lösen. Danach geht der branchenmäßig speziellere Tarifvertrag dem all-
gemeinen131, der Haustarifvertrag dem Verbandstarifvertrag132 und der regionale
Tarifvertrag dem räumlich ferner liegenden Tarifvertrag vor.133 Tarifpluralität liegt
hingegen vor, wenn in einem Betrieb verschiedene Tarifverträge mit sich überschnei-
denden Geltungsbereichen Anwendung finden.134 In der Vergangenheit hat das BAG
die Auffassung vertreten, dass innerhalb eines Betriebs nur jeweils ein Tarifvertrag
Anwendung finden kann und hat die Fälle der Tarifpluralität in gleicher Weise wie
die der Tarifkonkurrenz gelöst.135 Das BAG hat richtiger Weise diese Rechtsprechung
2010 aufgegeben. Weder aus dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3
GG noch aus dem Tarifvertragsgesetz könne eine rechtlich verbindliche Vorgabe der
betriebseinheitlichen Geltung von Tarifverträgen entnommen werden.136 Nach der
Rechtsprechung des BAG kann es folglich dazu kommen, dass auf ein Arbeitsverhält-
nis verschiedene Tarifverträge Anwendung beanspruchen können. Da auf ein Arbeits-
verhältnis nur ein Tarifvertrag Anwendung finden kann, ist diese Konkurrenzsitua-
tion nach dem oben beschriebenen Spezialitätsprinzip zu lösen. Ergibt sich daraus
eine Konkurrenzsituation, dass durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel ein
anderer Tarifvertrag Anwendung findet als nach der normativen Bindung des Arbeit-
nehmers aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft oder durch Bindung an
einen allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag, so ist dieses Konkurrenzverhältnis
nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen (§ 4 Abs. 3 TVG), nach dem die einzelvertragli-
che Abrede der kollektivrechtlichen Norm vorgeht, soweit sie günstiger ist.137
Im Rahmen der Ablösung des BAT durch den TVöD haben die Tarifvertragspar- 99
teien neben dem TVöD/VKA für bestimmte Berufsgruppen spezielle Regelungen
geschaffen. Bei den sogenannten „Chefarztfällen“ stellt sich die Frage, welche tarif-
vertraglichen Regelungen für diese gelten. Wenn die Vergütung eines außertariflich
eingruppierten Chefarztes auf eine tarifrechtlich nicht einschlägige BAT-Vergütungs-
gruppe verweist, so ist auch hier die durch Wegfall des BAT entstandene Regelungs-

130 BAG, Urt. v. 24.3.2010 – 4 AZR 713/08, ZTR 2010, 462; Löwisch/Rieble § 4 TVG, Rn 115 ff; Henssler,
RdA 2011, 65, 66.
131 BAG, Urt. v. 24.9.1975 – 4 AZR 471/74, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 11.
132 BAG, Urt. v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90, NZA 1991, 736.
133 BAG, Urt. v. 29.11.1978 – 4 AZR 304/77, AP TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 12.
134 Däubler/Zwanziger, § 4, Rn 960.
135 BAG, Urt. v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90, NZA 1991, 736.
136 BAG, Urt. v. 7.7.2010 – 4 AZR 549/08, NZA 2010, 1068.
137 BAG, Urt. v. 12.12.2012 – 4 AZR 328/11, NJOZ 2014, 59.

Dörring
382 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen. Das BAG vertritt die
Ansicht, dass in diesen Fällen die entstandene Regelungslücke durch Verweis auf
die Vergütungsgruppe 15 Ü TVöD zu schließen ist und nicht durch die Vergütungs-
gruppe IV TV-Ärzte/VKA, der ab 1.8.2006 eingeführt wurde.138 Das BAG begründet
dies damit, dass für Chefärzte als außertarifliche Angestellte weder der TVöD noch
der TV-Ärzte tarifvertraglich gilt. Bei der Regelung des Entgelts durch Bezugnahme
auf eine bestimmte Entgeltgruppe der Tarifangestellten sei die zum Überleitungszeit-
punkt zum 1.10.2005 entstandene Vertragslücke nach dem damals in Kraft getretenen
Überleitungstarifvertrag zu schließen, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. der Anlage 1
TVÜ-VKA, § 19 Abs. 2 TVÜ-VKA auf Vergütungsgruppe 15 Ü verweise.139 In einer nach-
folgenden Entscheidung zum gleichen Streitgegenstand bekräftigte das BAG in der
Sache zu Recht seine Entscheidung und setzte sich mit der Kritik auseinander.140 Zum
Zeitpunkt der Überleitung des BAT auf den TVöD gab es noch keinen vom Marburger
Bund geschlossenen TV-Ärzte, sondern nur den TVöD/K. Der Marburger Bund hatte
den BAT zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal gekündigt.141 Verständige Vertrags-
parteien hätten in diesem Fall folglich die Entgeltgruppe des zu diesem Zeitpunkt
ablösenden TVöD als ersetzenden Tarifvertrag gewählt. Mit dem Inkrafttreten des
TV-Ärzte zum 1.8.2006 ist keine weitere Regelungslücke entstanden, die zu schließen
gewesen wäre. Der TV-Ärzte konnte ferner den TVöD/K nicht als speziellerer Tarifver-
trag verdrängen. Beide Tarifverträge sind von der Sachnähe als gleichwertig anzuse-
hen.142 Die Regelung, dass der speziellere Tarifvertrag den sachlich ferner liegenden
Tarifvertrag verdrängt, ist darüber hinaus eine tarifvertragliche Kollisionsregel zur
Sicherung des Vorrangs des spezielleren Haustarifvertrages vor einem Verbandsta-
rifvertrag zur Lösung tarifvertraglicher Konkurrenzprobleme, die auf die Auslegung
einer Bezugnahmeklausel grundsätzlich keine Auswirkungen haben kann.143 Dem-
gegenüber ist hier der Zweck der Bezugnahmeklausel nach dem zwischen den Par-
teien geschlossenen Vertrag maßgeblich.144 Dies gilt auch dann, wenn der TV-Ärzte zu
einer höheren Vergütung als der TVöD führt. Bei der Festlegung welcher Tarifvertrag
nach den Methoden der ergänzenden Vertragsauslegung Anwendung findet, greift
das Günstigkeitsprinzip nicht.145 Als Vertragsmuster ist auf Rn 48 zu verweisen.

138 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 384/09, NJOZ 2010, 2454.


139 BAG, Urt. v. 9.6.2010 – 5 AZR 384/09, NJOZ 2010, 2454, Rn 26; ablehnend polemisierend („Tarifver-
ordnungswillkür“) Löwisch/Rieble: TVG Kommentar, 3. Aufl. 2012, § 3, Rn 605.
140 BAG, Urt. v. 29.6.2011 − 5 AZR 651/09, NZA-RR 2012, 192.
141 Bayreuther, NZA 2009, 835, 836.
142 Bayreuther, NZA 2009, 835.
143 BAG, Urt. v. 29.6.2011 − 5 AZR 651/09, NZA-RR 2012, 192, Rn 23, 27.
144 Seel, öAT 2012, 243, 245; Salamon, ArbRAktuell, 2010, 584.
145 Melms/Kentner, NZA 2014, 127, 134.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 383

Praxistipp
Es wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, das Problem der Tarifpluralität dadurch lö-
sen zu können, dass der Arbeitgeber sich im Falle der Tarifpluralität vertraglich ein Leistungsbestim-
mungsrecht einräumt, welcher Tarifvertrag gelten soll.
„Ist der Arbeitgeber an mehrere einschlägige Tarifverträge gebunden, bestimmt er durch Leistungs-
bestimmung nach § 315 BGB, welches Tarifwerk arbeitsvertraglich gelten soll.“146

Eine solche Klausel ist nicht zu empfehlen. Finden mehrere Tarifverträge nebenei- 100
nander Anwendung, so wird dem Arbeitgeber durch ein einseitiges Leistungsbestim-
mungsrecht die Möglichkeit eingeräumt, die Leistung durch Festlegung des Tarifver-
trages neu zu bestimmen. Eine solche Klausel ist nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie
ist darüber hinaus wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, weil
sie den Angemessenheitsmaßstab nicht konkretisiert und damit die Entwicklung der
Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer unkalkulierbar macht.147 In Anbetracht
der neueren Rechtsprechung des BAG sind Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge so
auszugestalten, dass sie im Falle mehrerer Tarifverträge, die in Bezug genommen sein
könnten, über eine klare Kollisionsregel definieren, welcher Tarifvertrag Anwendung
finden soll.148
Wenig hilfreich sind andere Vorschläge, statt das Problem in der Klauselgestal- 101
tung durch Formulierung der Tarifverträge so zu lösen, dass man in den Tarifverträ-
gen ein „Alles oder Nichts – Prinzip“ festlegt: “Dieser Tarifvertrag gilt nicht für alle
Arbeitnehmer der XY GmbH. Soweit bei der XY GmbH in bereits bestehenden Arbeits-
verhältnissen auf Grund individualrechtlicher Vereinbarung (konstitutive Bezugnah-
meklauseln etc.) das bisherige Tarifrecht oder Teile davon durch diesen Tarifvertrag
und ihn ergänzende Tarifverträge nicht abgelöst werden oder Mitarbeiter sich hierauf
berufen, gelten dieser Tarifvertrag und die ihn ergänzenden Tarifverträge insgesamt
nicht. Für diese Mitarbeiter wird der Rechtszustand zum 31.1.20xx eingefroren, das
heißt, es verbleibt bei den Regelung auf dem Niveau 20xx.“
Mit dem Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes soll die Tarifeinheit im Betrieb 102
durch Gesetz wieder hergestellt werden. § 4a TVG sieht vor, dass im Falle der Tarif-
pluralität der Tarifvertrag Anwendung findet, dem die meisten Arbeitsverhältnisse
im Betrieb unterworfen sind. Das Gesetz dürfte für in der Vergangenheit geschlossene
Bezugnahmeklauseln keinerlei Auswirkung haben. Für zukünftige Vertragsgestaltun-
gen allerdings enthält es mit Abstellung auf das Mehrheitsprinzip eine sinnvolle und
handhabbare Gestaltungsvariante.149 In Anbetracht der starken Zweifel an der Ver-

146 Klebeck, NZA 2006, 15, 20; Löwisch/Rieble, § 3 TVG, Rn 635.


147 Greiner/Preis, NZA 2007, 1071, 1076.
148 BAG, Urt. v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680.
149 Auf das Mehrheitsprinzip schon abstellend Klauselvorschläge von Greiner/Preis, NZA 2007, 1073,
1076.

Dörring
384 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

fassungsmäßigkeit des Gesetzes150 sollte das Mehrheitsprinzip bei der Gestaltung der
Vertragsklausel allerdings sicherheitshalber in die Klausel aufgenommen werden.

9. Differenzierungsklauseln
103 Bei Differenzierungsklauseln wird die Gewährung tarifvertraglicher Leistungsan-
sprüche von der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft abhängig gemacht. Tarifaußen-
seiter sollen von bestimmten Ansprüchen ausgeschlossen werden. Gewerkschaften
verfolgen mit Differenzierungsklauseln das Ziel, die Mitgliedschaft in einer Gewerk-
schaft für den Arbeitnehmer attraktiver zu machen. Für den Arbeitgeber stellt sich die
Frage, wie Bezugnahmeklauseln so gestaltet werden können, dass auch nicht tarif-
gebundene Arbeitnehmer die Leistung beanspruchen können, wenn der Arbeitgeber
die Leistungen gerade allen Arbeitnehmern gewähren will.
104 Zu unterscheiden sind einfache von qualifizierten Differenzierungsklauseln.
Bei einfachen Differenzierungsklauseln wird die Gewährung einer Leistung von der
Mitgliedschaft in der Gewerkschaft ausdrücklich tarifvertraglich abhängig gemacht.
Da das Gesetz selbst die normative Geltung eines Tarifvertrages für den Arbeitneh-
mer nach § 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 TVG von der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft
abhängig macht, sind einfache Differenzierungsklauseln rechtlich zulässig, wenn
sie nicht in den Umfang von Leistung und Gegenleistung eingreifen oder dieses Ver-
hältnis maßgeblich beeinflussen.151 Im Falle einer zulässigen Differenzierungsklausel
können Tarifaußenseiter auch keine Ansprüche aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbe-
handlungsgrundsatz geltend machen, da dieser auf Vereinbarungen zwischen Tarif-
vertragsparteien nicht anwendbar ist, weil solche Vereinbarungen keine strukturelle
Ungleichgewichtigkeit der Verhandlungspartner aufweisen.152
105 Qualifizierte Differenzierungsklauseln verbieten es dem Arbeitgeber eine
tarifliche Leistung an Tarifaußenseiter zu zahlen oder verpflichten ihn im Falle einer
Leistungsgewährung an alle Gewerkschaftsmitglieder in Form einer Spannenklau-
sel einen um eine bestimmte Spanne höheren Anspruch zu gewähren. Diese Klau-
seln stellen einen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der nichtgebundenen
Arbeitnehmer dar, da sie einen Druck ausüben, der Gewerkschaft beizutreten und
sind daher nach Art 9 Abs. 3 Satz 2 GG rechtsunwirksam. Sie stellen außerdem einen
unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers und in dessen Koaliti-
onsfreiheit dar, weil sie ihn de facto verpflichten, seinen sozialen Gegenspieler zu

150 Hölscher, ArbRAktuell 2015, 7; Schliemann, NZA 2014, 1250; Däubler/Bepler, Rn 249, 250; Greiner
sieht das Gesetz als „Brandbeschleuniger“ im Existenzkampf der Gewerkschaften, RdA 2015, 36; Bep-
ler, NZA 2014 891; a. A. Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZA-Beilage 1/2015, 3 ff.; BeckOK-ArbR/Giesen,
§ 4a TVG Rn 9.
151 BAG, Urt. v. 18.3.2009 – 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028; BAG, Urt. v. 22.9.2010 – 4 AZR 117/09, AP
GG Art. 9 Nr. 144; BAG 23.3.2011 – 4 AZR 366/09, NZA 2011, 920.
152 BAG, Urt. v. 21.5.2014 – 4 AZR 50/13, NZA 2015, 115.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 385

stärken.153 Durch die Unwirksamkeit einer einzelnen Klausel wird allerdings der Tarif-
vertrag nicht insgesamt unwirksam, solange der übrige Teil des Tarifvertrages ein in
sich zusammenhängendes Regelungswerk darstellt.154
Wird einzelvertraglich ein Tarifvertrag in Bezug genommen, in dem eine 106
bestimmte Leistung durch eine einfache zulässige Differenzierungsklausel von
der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft abhängig gemacht wird, so ersetzt eine solche
Bezugnahmeklausel nur die fehlende Tarifgebundenheit, nicht die Gewerkschafts-
mitgliedschaft, so dass Tarifaußenseiter keinen Anspruch auf Gewährung dieser Leis-
tung haben.155 Aus der Bezugnahmeklausel ergibt sich kein besonderer Anspruch auf
Gleichbehandlung mit Gewerkschaftsmitgliedern aus dem arbeitsrechtlichen Gleich-
behandlungsgrundsatz.156
Vor diesem Hintergrund ist zu raten, den folgenden Zusatz der Bezugnahmeklau- 107
sel anzufügen:

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer wird so behandelt, als sei er Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft.157

Praxistipp
Ein entsprechender Zusatz zur Bezugnahmeklausel könnte nur durch eine tarifvertragliche Regelung
ausgehebelt werden, die dann allerdings wegen Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG rechtsun-
wirksam wäre.158

10. Fälle des Betriebsübergangs


a) Rahmenbedingungen eines Betriebsübergangs
Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB geht im Falle eines Betriebsübergangs das Arbeitsver- 108
hältnis eines Arbeitnehmers mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Betriebs-
inhaber über. Nach Satz 2 der Vorschrift werden Rechte und Pflichte aus einem Tarif-
vertrag oder einer Betriebsvereinbarung Inhalt des Arbeitsverhältnisses und dürfen

153 BAG, Beschl. v. 29.11.1967 – GS 1/67, NJW 1968, 1903; BAG, Urt. v. 23.3.2011 – 4 AZR 366/09, NZA
2011, 920; Wiedemann, RdA 2007, 65, 67; Bauer/Arnold, NZA 2011, 945; Richardi, NZA 2010, 417; a. A.
wenn der Sondervorteil die Höhe der Gewerkschaftsbeiträge nicht überschreitet Däubler/Hensche, § 1
TVG, Rn 868 ff; Gamillscheg, NZA 2005, 146.
154 BAG, Urt. v. 16.11.2011 – 4 AZR 856/09, NZA-RR 2012, 308.
155 BAG, Urt. v. 18.3.2009 – 4 AZR 64/08, NZA 2009, 1028; BAG 22.9.2010 – 4 AZR 117/09, AP GG Art. 9
Nr. 144; a. A. Lobinger/Hartmann, RdA 2010, 235, 236 ff; Löwisch/Rieble, § 1 TVG, Rn 1864 f.
156 BAG, Urt. v. 22.9.2010 – 4 AZR 117/09, AP GG Art. 9 Nr. 144; Gieseler/Halfen-Kieper, AiB 2010, 75;
a. A. ErfK/Franzen § 1 TVG, Rn 62; Bauer/Arnold, NZA 2011,945, 948; Löwisch/Rieble § 3 TVG, Rn 229;
Hartmann/Lobinger NZA 2010, 421, 422.
157 Bauer/Arnold, NZA 2009, 1169, 1173.
158 Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Krebber, § 1 TVG, Rn 54.

Dörring
386 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

ein Jahr lang nicht zum Nachteil der Arbeitnehmers geändert werden. Dies gilt nach
Satz 3 dann nicht, wenn die Rechte und Pflichten beim neuen Inhaber durch Rechts-
normen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung
geregelt sind. Nach Satz 4 der Vorschrift können vor Ablauf der Jahresfrist nach Satz 2
die Rechte und Pflichten geändert werden, wenn der Tarifvertrag oder die Betriebs-
vereinbarung nicht mehr gilt oder bei fehlender beidseitiger Tarifgebundenheit zwi-
schen dem Arbeitnehmer und dem neuen Inhaber im Geltungsbereich eines anderen
Tarifvertrages dessen Anwendung vereinbart wird.

b) Bezugnahmeklauseln bei einem Betriebsübergang


109 Eine Bezugnahmeklausel führt zunächst dazu, dass auf der einzelvertraglichen
Ebene der in Bezug genommene Tarifvertrag Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit
dem neuen Erwerber wird.159 Er wird nur dann durch einen beim Erwerber geltenden
anderen Tarifvertrag abgelöst, wenn der Arbeitnehmer und der Erwerber tarifrecht-
lich an den beim Erwerber geltenden Tarifvertrag gebunden sind.160 Die Vorschrift
setzt nach ihrem Wortlaut voraus, dass die Arbeitsbedingungen beim Erwerber durch
Tarifvertrag „geregelt“ sein müssen. Eine Regelung durch Tarifvertrag ist nach § 3
Abs. 1 TVG nur im Falle einer beiderseitigen Tarifbindung gegeben. Im Falle eines vor
dem 01.01.2002 abgeschlossenen Arbeitsvertrags ist die Bezugnahme als Gleichstel-
lungsabrede auszulegen.161 Sie wirkt daher bei keiner oder einer anderen Tarifbin-
dung des Erwerbers nur noch statisch fort und wird nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB
Inhalt des Arbeitsverhältnisses beim neuen Erwerber.162 Wurde die Klausel nach dem
01.01.2002 geschlossen, so ist sie als kleine dynamische Bezugnahmeklausel auszule-
gen (z. B. „Es gelten die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Nordbaden in
ihrer jeweils gültigen Fassung.“) und wird nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB dynamisch
vertraglich Teil des Arbeitsverhältnisses zum neuen Erwerber. Der Erwerber tritt in
die Rechtsposition des Veräußerers so ein, als ob er selbst den Arbeitsvertrag mit
Bezugnahmeklausel geschlossen hätte.163
110 Strittig ist, ob eine Bindung des Erwerbers an künftige dynamische Entwicklun-
gen eines Tarifvertrages einen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit des Erwer-
bers darstellt.164 Der Erwerber wird durch den Eintritt in die Rechte und Pflichten aus
dem Arbeitsverhältnis in diesem Fall auf Dauer an die Dynamik eines Tarifvertrages

159 BAG, Urt. v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08, NZA-RR 2010, 530.


160 BAG, Urt. v. 30.8.2000 – 4 AZR 581/99, NZA 2011, 510.
161 BAG, Urt. v. 14.12.2011- 4 AZR 179/10, Entscheidungsveröffentlichung des BAG; BAG, Urt. v.
18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965.
162 BAG, Urt. v. 21.8.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003 442.
163 BAG, Urt. v. 21.10.2009 – 4 AZR 396/08, NZA-RR 2010, 361; BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 4 AZR 100/08,
NZA 2010, 41.
164 BAG, Urt. v. 23.9.2009 – 4 AZR 331/08, NJW 2010, 1831.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 387

gebunden, den er nicht geschlossen und dessen zukünftige Entwicklung er nicht


unmittelbar, allenfalls mittelbar bei einer möglichen und dann auch praktizierten
Mitgliedschaft in dem tarifschließenden Arbeitgeberverband beeinflussen könnte.
Die Bundesregierung hat diesbezüglich im Verfahren „Werhof“ vor dem EuGH die
Auffassung vertreten, dass eine Behinderung der Vertragsfreiheit des Arbeitgebers
vorliege, die einer Enteignung gleichkomme, wenn nach dem Zeitpunkt des Über-
gangs in Kraft tretende Kollektivverträge für Arbeitgeber gälten, die nicht an den Ver-
handlungen teilgenommen haben. Der Grundsatz der Vereinigungsfreiheit umfasse
das Recht des Arbeitgebers, nicht Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberver-
bandes zu sein. Der EuGH hat sich dieser Ansicht angeschlossen und erklärt, dass
der Erwerber im Fall der dynamischen Bezugnahme eines Tarifvertrages nur statisch
an die Rechte und Pflichten aus diesem Tarifvertrag zum Zeitpunkt des Betriebsüber-
gangs gebunden sei. Eine Bindung an eine künftige Dynamik verletze den Erwerber in
seinem Recht auf negative Koalitionsfreiheit aus Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art 12 Abs. 1
EU-GHRCh; Art 6 Abs. 3 i. V. m. Art. 11 EMRK.165
Das BAG hingegen ist im Falle der individualrechtlichen dynamischen Bezug- 111
nahme eines Tarifvertrages immer davon ausgegangen, dass eine solche Klausel
rechtswirksam auch den neuen Erwerber binde. Das BAG sah sich nicht veranlasst
seine Rechtsprechung zu überprüfen oder gar zu ändern. Bei einer individualrechtli-
chen dynamischen Inbezugnahme eines Tarifvertrages gehe es um Vertragsrecht, das
zunächst keinen spezifischen Bezug zum europarechtlich geregelten Betriebsüber-
gangsrecht aufweise. Wenn ein Erwerber aus freiem Willen einen Betrieb erwerbe, so
übernehme er damit im Falle eines Betriebsübergangs freiwillig die mit dem Betrieb
verbundenen Arbeitsverhältnisse und als Verpflichtung aus diesen Arbeitsverhältnis-
sen einzelvertragliche Zusagen auf eine dynamische Bindung an Tarifverträge. Ein
Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit des Erwerbers sei nur dann gegeben, wenn
dieser zu einer Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband gezwungen werde, was
hier nicht der Fall sei.166
Der EuGH hat in einer neueren Entscheidung („Alemo-Herron“) an seiner Recht- 112
sprechung festgehalten und zusätzlich quasi in Entgegnung zur Position des BAG das
Recht der Vertragsfreiheit des Erwerbers aus Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art 16 EU-GRCh
als verletzt angesehen, wenn dieser an Tarifverträge dynamisch gebunden werde,
deren zukünftige Gestaltung er nicht in der Hand habe, wenn er wie in Bereichen des
öffentlichen Dienstes nicht dazu in der Lage sei, Mitglied des tarifschließenden Arbeit-
geberverbandes zu werden.167 Die juristisch geführte Diskussion mutet skurril an. Bei
einer kollektivrechtlichen Bindung an einen Tarifvertrag ist es dem Arbeitgeber jeder-

165 EuGH, Urt. v. 9.3.2006 – C 499/04 (Werhof/Freeway Traffic Systems GmbH & Co. KG), NZA 2006,
376, Rn 19 und 33.
166 BAG, Urt. v. 23.9.2009 – 4 AZR 331/08, NJW 2010, 1831; Thüsing, NZA 2006, 473, 474.
167 EuGH, Urt. v. 18.7.2013 – C-426/11 (Mark Alemo-Herron u. a. / Parkwood Leisure Ltd.).

Dörring
388 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

zeit möglich durch einen Verbandsaustritt eine zukünftige Bindung an einen Tarifver-
trag zu beenden. Eine Unterwerfung unter drittbestimmte tarifliche Regelungswerke
über Individualvertrag oder öffentlich-rechtliche Verpflichtungen im Wege von Lan-
destariftreuegesetzen hingegen wird nicht als Eingriff in die negative Koalitionsfrei-
heit und bei Außerkraftsetzung eigener geschlossener Tarifverträge nicht als Eingriff
in die positive Koalitionsfreiheit angesehen.168 In der Literatur und Rechtsprechung
mehren sich die Stimmen, die Zweifel an der Aufrechterhaltung der Rechtsprechung
des BAG bekunden,169 während einige Instanzgerichte sich der Auffassung des BAG
anschließen.170 Ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit ist entgegen der Auffassung von
BAG und BVerfG nicht erst dann gegeben, wenn statusrechtlich ein Druck in Rich-
tung Ein- oder Austritt in Verbände ausgeübt, sondern bereits dann, wenn in die
Regelungsfreiheit eingegriffen wird, nach Art. 9 Abs. 3 GG Arbeits- und Wirtschafts-
bedingungen frei bestimmen zu können. Nur wenn ein Eingriff in das Grundrecht
zur Kenntnis genommen wird,171 kann in Abwägung der kollidierenden Grundrechte
von Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein
Weg zurück zur Rechtsprechung des BAG zur Gleichstellungsklausel mit einer Siche-
rung des Status quo zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gefunden werden. Diese
bestünde in einer das Grundrecht der Koalitionsfreiheit respektierenden Auslegung
von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.172 Das BAG hat mittlerweile auf die Kritik reagiert und wie
in der Literatur empfohlen die Frage dem EuGH erneut zur Entscheidung vorgelegt. 173

c) G ünstigkeitsprinzip bei einzelvertraglicher Bezugnahme und anderweitiger


normativer Tarifbindung
113 Ist der Arbeitnehmer daneben durch Mitgliedschaft in der Gewerkschaft oder auf-
grund eines für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrages nach § 5 TVG normativ
an einen anderen Tarifvertrag gebunden, so geht nach § 4 Abs. 3 TVG der individual-
rechtlich geltende Tarifvertrag dem normativ geltenden Tarifvertrag vor, wenn dieser
günstiger ist.

168 BAG, Urt. v. 23.9.2009 – 4 AZR 331/08, NJW 2010, 1831; BVerfG, Beschl. v. 11.7.2006 – 1 BvL 4/00,
NZA 2007, 42; in Kritik dieser Entscheidung Rieble, NZA 2007, 1.
169 Lobinger, NZA 2013, 945, 946; HWK/Henssler, § 3, Rn 30c; Grobys/Panzer/Panzer-Heemeier, „Be-
zugnahmeklausel“, Rn 35; Löwisch/Rieble, § 3 TVG, Rn 616 ff; Schiefer/Hartmann, BB 2013, 2614; LAG
Saarland, Urt. v. 9.04.2014 – 2 Sa 143/13 unter 2., BeckRS 2014, 69879; Preis/Sagan/Grau/Hartmann
§ 11 Rn 132 ff; LAG Sachsen, Urt. v. 25.7.2014 – 3 Sa 128/14 unter I b (2).
170 LAG Hessen, Urt. v. 10.12.2013 – 8 Sa 537/13, BeckRS 2014, 68584, Rn 115 ff; LAG Brandenburg,
Urt. v. 3.12.2014 – 24 Sa 1126/14; LAG Sachsen, Urt. v. 24.3.2015 – 1 Sa 541/14; Forst, DB 2013, 1847; Heu-
schmid, AuR 2013, 498; Haußmann, ArbRAktuell, 2013, 469; Willemsen/Grau, NJW 2014,12.
171 In diese Richtung in Kritik der EuGH-Entscheidung Jacobs/Frieling EuZW 2013, 737, 739.
172 In diese Richtung Suschet, RdA 2013, 28, 34; im Ansatz auch Lobinger, NZA 2013, 945, 947.
173 BAG, Beschl. v. 17.6.2015 – 4 AZR 61/14, BB 2015, 1651; Lingemann, ArbRAktuell 2015, 304.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 389

Gerade in Fällen des Betriebsübergangs kann es sehr häufig dazu kommen, dass 114
eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme auf einen anderen Tarifvertrag verweist als
auf den Tarifvertrag, der nach einem Betriebsübergang beim Erwerber normativ für
beide Parteien nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB Geltung beansprucht. Dieser Konflikt
zwischen Tarifvertrag und Individualvertrag wird nach § 4 Abs. 3 TVG dahingehend
gelöst, dass kraft des Günstigkeitsprinzips die für den Arbeitnehmer günstigere Rege-
lung gilt.174
Fraglich ist, ob bei der Inbezugnahme eines gesamten Tarifwerks ein individual- 115
rechtlicher Sachgruppenvergleich oder nur ein Gesamtvergleich des einen Tarifwerks
mit dem anderen Tarifwerk stattfinden kann. Der 4. Senat des BAG verfolgt hierbei in
ständiger Rechtsprechung den Weg des „Sachgruppenvergleichs“.175 Danach sind
unterschiedlich lange Arbeitszeiten mit den jeweils entsprechenden Entgeltbestand-
teilen in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehen, die als Gegenleistung des Arbeit-
gebers für die zu erbringende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anzusehen sind.
Das BAG lehnt damit zum einen eine rein subjektiv auf den Arbeitnehmer abstellende
Betrachtung als auch einen objektiven Gesamtvergleich beider Tarifwerke ab.176 Ver-
glichen werden Regelungsgruppen untereinander, wie z. B. Arbeitszeit und Arbeits-
entgelt, Urlaubsregelungen etc. Das BAG kommt vor diesem Hintergrund letztlich zu
keinen klaren und eindeutigen Ergebnissen und postuliert in Fällen, in denen kein
klares Ergebnis erzielbar ist, den Vorrang des normativ gültigen Tarifvertrags. Dies
wird damit begründet, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag nicht normativ,
sondern nur individualrechtlich gelte. Der Tarifvertrag müsse damit aus prinzipiellen
Gründen nicht mehr als Tarifvertrag ausgelegt werden, sondern so, als ob er als Ein-
zelvertrag abgeschrieben worden sei.177
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Sachgruppenvergleich in dieser Konstella- 116
tion nicht dem individualrechtlichen Regelungswillen der Parteien entspricht. Diese
wollen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme gerade vereinbaren, abweichend
vom normativ geltenden Tarifvertrag einen anderen Tarifvertrag zur Anwendung
zu bringen. Sie wollen damit erreichen, dass ein anderes Tarifwerk im Ganzen zur
Anwendung kommen soll.178 Der Vergleichsmaßstab des Sachgruppenvergleichs
führt je nach Sachgruppe zu unterschiedlichen Ergebnissen. Man kann bei einem
Vergleich zweier Tarifverträge „die Frage der Günstigkeit nicht je nach der Art des
streitigen Anspruchs und des Zeitpunkts der Geltendmachung von Fall zu Fall unter-

174 BAG, Urt. v. 29.8.2007 – 4 AZR 767/06, NZA 2008, 364; a. A. von Hoyningen-Huene, RdA 1974, 147
ff; Müller, NZA 1989, 449, 450.
175 BAG, Urt. v. 12.12.2012 – 4 AZR 328/11, NJOZ 2014, 59; BAG Urt. v. 15.4 2015 – 4 AZR 587/13, NZA
2015, 1274.
176 BeckOK ArbR/Giesen, TVG, § 4, Rn. 31–32.
177 Thüsing/Braun/Forst, 7. Kapitel, Rn 42; Dornbusch/Fischermeier/Löwisch/Bayreuther, S.§ 613a
BGB, Rn 76.
178 Zweifelnd an der Rechtsprechung des 4. Senats Bepler, RdA 2009, 65, 75.

Dörring
390 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

schiedlich beantworten und damit von Fall zu Fall zu unterschiedlichen Auslegungs-


ergebnissen hinsichtlich ein und derselben vertraglichen Bezugnahmeregelung
kommen“,179 wenn z. B. das eine Mal die Entgeltordnung für den Arbeitnehmer güns-
tiger, das andere Mal der Kündigungsschutz ungünstiger geregelt ist.180 Die Ausle-
gung der Bezugnahmeklausel wird in der Regel ergeben, dass das in Bezug genom-
mene Regelungswerk insgesamt angewandt werden soll. Es setzt sich nach § 4 Abs. 3
TVG in diesem Fall gegenüber dem normativ geltenden Tarifvertrag nur dann durch,
wenn er in einem Gesamtvergleich günstiger ist, ansonsten bleibt es beim normativ
anzuwendenden Tarifvertrag.181 Auch der EuGH geht in seiner „Scattolon-Entschei-
dung“ von einem Gesamtvergleich zweier konkurrierender Tarifwerke aus.
117 In dieser Entscheidung ging es neben dem Vergleichsmaßstab zweier konkurrie-
render Tarifwerke um die Frage der Zulässigkeit einer verschlechternden Ablösung
eines Tarifvertrages durch einen anderen Tarifvertrag. Der EUGH urteilte, dass Art. 3
Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG (ab 17.07.2001 Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 01/23/EG) es
den Mitgliedsstaaten verbietet gesetzliche Regelungen zu schaffen, die dazu führen,
„dass diese Arbeitnehmer erhebliche Kürzungen ihres Arbeitsentgelts im Vergleich
zu ihrer Lage unmittelbar vor dem Übergang hinnehmen müssen, weil ihr Dienstal-
ter, das sie beim Veräußerer erreicht haben und das dem Dienstalter entspricht, das
beim Erwerber beschäftigte Arbeitnehmer erreicht haben, bei der Bestimmung ihres
Anfangsgehalts nicht berücksichtigt worden ist.“182 Die Entscheidung findet weder
in der damals geltenden Richtlinie, noch in deren Neufassung eine europarechtliche
Grundlage und ist in sich widersprüchlich formuliert. Sie vermischt darüber hinaus
Fragen der Gewährleistung individualrechtlicher Rechte und Pflichten einerseits
und der Ablösbarkeit kollektivrechtlicher Regelungen durch neue kollektivrechtli-
che Regelungen beim Erwerber andererseits.183 Die Entscheidung selbst ist eine sehr
einzelfallbezogene Entscheidung gegen eine Entgeltkürzung durch Nichtanerken-
nung tatsächlich erbrachter Dienstjahre. Sie würde zu einer nicht zulässigen Aus-
legung von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB contra legem führen.184 Sie ist daher rechtlich
nicht umsetzbar.185 Nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB wird ein Tarifvertrag nicht Inhalt

179 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6AZR 76/07, NZA 2009, 154 Rn 27.
180 Löwisch/Rieble, § 4 TVG, Rn 543; Wiedemann/Oetker, § 3, Rn 291; ErfK/Franzen, § 4; a. A. JKOS/
Jacobs, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl.2013, § 7 E III.d, Rn 211; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c,
Rn. 43; Staudinger/Schlosser, § 305c, Rn. 110.
181 ErfK/Franzen, § 4 TVG, Rn 37; Löwisch/Rieble, § 4 TVG, Rn 543.
182 EuGH, Urt. v. 6.9.2011 − C-108/10 (Ivana Scattolon/Ministero dell‘Istruzione, dell‘Università e
della Ricerca), NZA 2011, 1077, Leitsatz 2.
183 ErfK/Preis § 613a BGB Rn 125; PS/Grau/Hartmann § 11 Rn 123.
184 EuGH, Urt. v. 16.7.2009 –C-12/08, AP Nr. 5 zu Richtlinie 98/59/EG– Mono Car Styling Rn 61.
185 Sittard/Flockenhaus, NZA 2012, Rn 652; Winter, RdA 2013, 36, 38; a. A. Steffan, NZA 2012, 473,
475; offenlassend, weil nicht entscheidungserheblich BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 512/12, NZA-RR
2014, 154, Rn 46; BAG, Urt. v. 22.5.2014 – 8 AZR 1069/12, NZA 2014, 1335.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 391

des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern durch einen beim
Erwerber geltenden Tarifvertrag, an den auch der Arbeitnehmer gebunden ist, abge-
löst. Dies gilt auch, wenn dieser schlechtere Bedingungen enthält als der zuvor beim
Veräußerer geltende Tarifvertrag. Auch wenn die tarifvertraglichen Arbeitsbedingun-
gen zunächst nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden
sind und zu einem späteren Zeitpunkt durch einen Tarifvertrag, an den der Erwerber
gebunden ist, abgelöst werden, findet eine Ablösung der alten Tarifvertragsregelun-
gen durch die neuen beim Erwerber geltenden tarifvertraglichen Regelungen statt, da
die jetzt einzelvertraglich geltenden Regelungen aus ablösbaren tariflichen Reglun-
gen stammen.186
Gilt der Tarifvertrag des Veräußerers nur durch eine Bezugnahmeklausel auf ver- 118
traglicher Ebene, so wird er nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnis-
ses und wirkt damit nicht normativ. Er kann somit auch nicht nach § 613a BGB durch
einen anderen Tarifvertrag, der beim Erwerber gilt, abgelöst werden, auch dann
nicht, wenn der Arbeitnehmer durch Gewerkschaftsbeitritt nachträglich an diesen
Tarifvertrag gebunden sein sollte.187
Wurde beim Veräußerer mit dem Arbeitnehmer eine große dynamische Tarif- 119
wechselklausel vereinbart, so handelt es sich um eine Vereinbarung im Sinne des
§ 613a Abs. 1 Satz 4 BGB. Danach können Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits vor
Ablauf der Jahresfrist nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB die Rechte und Pflichten aus
einem normativ geltenden Tarifvertrag beim Veräußerer ändern, wenn der Tarifver-
trag nicht mehr gilt oder bei fehlender beiderseitiger Tarifbindung im Geltungsbe-
reich eines anderen Tarifvertrags, dessen Anwendung zwischen Inhaber und Arbeit-
nehmer vereinbart wird. Der Abschluss der Vereinbarung muss nicht zeitlich nach
dem Betriebsübergang erfolgen. Er kann bereits vor einem Betriebsübergang getrof-
fen worden sein, wenn durch die Vereinbarung eine Ablösung der transformierten
Tarifnorm auch bezweckt wurde.188

11. Aufhebung oder Abänderung einer Bezugnahmeklausel


Eine Bezugnahmeklausel kann nur durch eine entsprechende Änderung des Arbeits- 120
vertrages aufgehoben oder abgeändert werden. Ihre Änderung muss Gegenstand der
rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Parteien geworden sein.189 Der Ausspruch
einer einseitigen Änderungskündigung durch den Arbeitgeber wäre nur aus betriebs-

186 BAG, Urt. v. 16.5.1995 – 3 AZR 535/94, NZA 1995, 1166.


187 BAG, Urt. v. 30.8.2000 – 4 AZR 581/99, NZA 2001, 510.
188 Thüsing/Braun/Heise, 11. Kapitel, Tarifwechsel, Rn 54; Annuß, ZfA 2005, 405, 455 ff; Jacobs,
NZA-Beil. 2009, 45, 52; HWK/Henssler, § 3 TVG, Rn 30c.
189 Grobys/Panzer/Panzer-Heemeier, „Bezugnahmeklausel“ Rn 24; BAG, Urt. v. 18.11.2009 – 4 AZR
514/08, NZA 2010, 170.

Dörring
392 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

bedingten Gründen nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt und kommt nur dann
in Betracht, wenn sie auf Grundlage eines umfassenden Sanierungskonzepts das
einzige Mittel ist, um eine Entstehung weiterer, betrieblicher nicht mehr auffangbarer
Verluste zu verhindern, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar
zu einer Schließung des Betriebs führen würden.190 Giesen vertritt die Auffassung,
dass der Ausspruch einer betriebsbedingten Änderungskündigung sozial gerechtfer-
tigt sei, wenn durch die Kündigung eine Gleichstellung mit tarifgebundenen Arbeit-
nehmern hergestellt werden soll.191 Dieser Zweck erfüllt die hohen Anforderungen an
den Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung nicht und kommt daher nicht in
Betracht.192

12. Tarifeinheitsgesetz
121 Zum 10.7.2015 ist das Tarifeinheitsgesetz in Kraft getreten. Nach der Neuregelung des
§ 4a Abs. 2 TVG soll in Zukunft nur noch der Tarifvertrag im Betrieb „anwendbar“
sein an den die Mehrheit der Arbeitnehmer gebunden ist. Das Gesetz ist verfas-
sungsrechtlich äußerst umstritten193 und Gegenstand mehrere Klageverfahren vor
dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verletzung
der Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art. 9 Abs. 3 GG für möglich erachtet. Es
hat allerdings mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem
Hintergrund zurückgewiesen, dass es bis Ende 2016 in der Hauptsache entscheiden
wird und die Beschwerdeführer nicht dargelegt haben, dass es bis zu diesem Zeit-

190 BAG, Urt. v. 27.9.2001 – 2 AZR 236/00, NZA 2002, 750; Reiserer/Powietzka, BB 2006, 1109.
191 Giesen, NZA 2006, 625, 631.
192 Möller, NZA 2006, 579; Preis, NZA 2010, 361, 364.
193 für die Verfassungsmäßigkeit Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, § 4a TVG Rn 9; Giesen/Kers-
ten, ZfA 2015, 201; Hufen, NZA 2014, 1237; Kempen, AuR 2011, 51; Papier/Krönke, ZfA 2011, 807; Scholz,
ZfA Sonderdruck aus Heft 4/2010; Scholz/Lingemann/Ruttloff, NZA-Beil. 2015, 3; Waas, AuR 2011, 93;
Bauer, DB 2014, 2715; Hromadka, NZA 2014, 1105; Wolf, SAE 1/2015, III; dagegen Bayreuther, NZA 2013,
1395; Bepler, Verhandlungen des 70. Deutschen Juristentags, 2014, B 95; Däubler, Gutachten zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Tarifeinheitsgesetz, 2015; Däubler/Bepler, H, Rn 249, 250;
Dieterich, AuR 2011, 46 und NZA-Beil. 2011, Seite 84; Di Fabio, Gesetzlich auferlegte Tarifeinheit als
Verfassungsproblem, 2014; Fischer, NZA 2015, 662; Gaul, ArbRB 2015, 15; Greiner, NZA 2010, 743; Grei-
ner, NZA 2015, 769; Konzen/Schliemann, RdA 2015, 1; und Konzen, JZ 2010, 1036; Lehmann, BB 2015,
2229 [2232], BB 2015, 2293, [2303]; ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 68 a; Löwisch, BB Die erste S. 2014,
Nr. 48; Mückl/Koddenbrock, GWR 2015, 6; Preis, Der Preis der Koalitionsfreiheit, 2014; Reichold,
Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit eines von BDA und DGB geplanten „Gesetzes zum Erhalt
der Tarifeinheit“, 2010; Richardi, NZA 2015, 915; Rieble/v. der Ehe, Verfassungsmäßigkeit eines Ge-
setzes zur Regelung der Tarifeinheit, 2010; Schliemann, NZA 2014, 1250; Hölscher, ­ArbRAktuell 2015,
7; Rüthers, ZRP 2015, 2; von Steinau-Steinrück/Reiter, Personalführung 2015, 38 [42]; vgl. auch die
Bedenken des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags WD 6-3000-255/14 – und in der
Rechtsprechung, vgl. BAGE 135, 80 = NZA 2010, 1068 = NJW 2011, 333 Ls. Rn. 54 ff. mwN; NZA 2010, 645
Rn. 75 ff.; dazu Schliemann, FS Hromadka, 2008, S. 359 [362 f.]; ErfK/Franzen, § 4 TVG Rn. 71.

Dörring
E. Bezugnahme auf Tarifvertrag 393

punkt zu so gravierenden und schwer revidierbaren Nachteilen für sie kommen wird,
die eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren unabdingbar machen
würden.194
Sollte das Gesetz die verfassungsrechtliche Prüfung bestehen und in Kraft 122
bleiben, sollte man bei der Inbezugnahme wie oben ausgeführt darauf achten, dass
in der Regel der in Anlehnung an die gesetzliche Regelung normativ geltende Tarif-
vertrag in Bezug genommen wird.
Aus der Gesetzesformulierung, dass Minderheitstarifverträge neben dem Mehr- 123
heitstarifvertrag nicht mehr „anwendbar“ seien wird teilweise gefolgert, dass auch
eine vertragliche Inbezugnahme des Minderheitentarifvertrages unzulässig sei.195
Dem kann nicht gefolgt werden. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich kein
Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber hier direkt in das Grundrecht auf Vertrags-
freiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingreife wollte. Will der Arbeitgeber also entgegen der
Gesetzesintention den Minderheitentarifvertrag weiter in Bezug nehmen, so kann er
dies jederzeit tun.196 Zulässig ist es auch, dass der Arbeitgeber eine tarifvertragliche
Verpflichtung mit der Minderheitsgewerkschaft dergestalt vereinbart allen Arbeitneh-
mern der Minderheitsgewerkschaft über eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklau-
sel einzelvertraglich die Anwendung des tarifrechtlich normativ nicht anwendbaren
Tarifvertrages zuzusagen.197 Eine solche Vereinbarung entfaltet als Durchführungs-
bestimmung zum Tarifvertrag nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Tarif-
vertragsparteien. Sie wirkt nicht normativ und stellt damit auch keine tarifrechtlich
unwirksame Abbedingung oder Umgehung der gesetzlichen Kollisionsregel des § 4a
Abs. 2 TVG dar.198 Der Druck der Minderheitsgewerkschaft auf den Arbeitgeber, eine
solche Regelung zu praktizieren, dürfte sich verstärken. Für Gewerkschaften hat die
Anwendung des von ihnen ausgehandelten Tarifvertrages existentielle Bedeutung,
da kaum Arbeitnehmer Mitglied einer Gewerkschaft bleiben dürften, die keine wirk-
samen Tarifverträge auszuhandeln vermag. Eine solche schuldrechtliche Verpflich-
tung ist auch erstreikbar.199
Neben dem Modell einer vertraglichen Inbezugnahme des Minderheitentarifver- 124
trages kann die Minderheitsgewerkschaft auch auf den Abschluss eines „schuldrecht-
lichen Normenvertrages“ abzielen, welcher ein zulässiges Gestaltungsmittel darstellt,
wenn er nicht als „Tarifvertrag“ bezeichnet wird.200 Das zeitlich nach dem Grundge-

194 BVerfG, Beschl. v. 6.10.2015 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1582/15, 1 BvR 1588/15, NZA 2015, 1271.
195 Fischer, NZA 2015, 665, 666.
196 Greiner, NZA 2015, 769, 775; Däubler/Bepler, F, Rn 176.
197 Greiner, NZA 2015, 669, 775, 778; Richardi NZA 2014, 1233, 1235; Richardi NZA 2015, 915, 916;
Mückl, Koddenbrock, GWR 2015, 6, 10; Däubler/Bepler, F, Rn 176.
198 Greiner, NZA 2015, 669, 775, 778.
199 Däubler/Bepler, Rn 198. Däubler/Däubler, Einl. Rn 872; ErfK/Linsenmeier, Art 9 GG Rn 119; L
­ öwisch/
Rieble, Grundlagen Rn 448 und § 1 Rn 1017; a. A. Greiner NZA 2006, 1274, 1277 und NZA 2015, 769, 777.
200 Lehmann BB 2015, 2229, 2234.

Dörring
394 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

setz in Kraft getretene Tarifvertragsgesetz stellt ein Gestaltungsmittel zur Regelung


der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dar, allerdings nicht das alleinige. Auch die
Erstreikbarkeit solcher Normenverträge ist durch das Grundrecht auf Koalitionsfrei-
heit nach Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt.201
125 Jeder Arbeitgeber muss für sich selbst entscheiden, ob er sich auf Vorstöße der
Minderheitsgewerkschaft einlässt oder dies ablehnt. Auch bei einer bestehenden
Tarifkollission zwischen einem Tarifvertrag einer Mehrheitsgewerkschaft und einem
Tarifvertrag einer Minderheitsgewerkschaft bleiben beide Tarifverträge nebeneinan-
der normativ bestehen, solange nicht durch ein abeitsgerichtliches Beschlussverfah-
ren nach § 2a Abs. 1 r. 6 i. V. m. § 99 ArbGG festgestellt wurde, dass der Minderheiten-
tarifvertrag keine Anwendung findet.202
126 Fälle der Konkurrenz eines tarifvertraglich normativ wirkenden Tarifvertrag nach
dem Tarifeinheitsgesetz und eines einzelvertraglich in Bezug genommenen Tarifver-
trag sind nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen, wonach sich der bei einer Gesamt-
betrachtung günstigere Tarifvertrag durchsetzt (Rn 113). Sie sind nicht darüber zu
regeln, dass der normativ geltende Mehrheitstarifvertrag den arbeitsvertraglich in
Bezug genommenen Tarifvertrag verdrängt und erst nach Beendigung des Mehrheits-
tarifvertrages wieder auflebt.203 Die Verdrängungswirkung zwischen dem von der
Mehrheitsgewerkschaft abgeschlossenem Tarifvertrag und dem Tarifvertrag der Min-
derheitsgewerkschaft beschränkt sich auf die normative Wirkung der Tarifverträge
zueinander.
127 In der Literatur wird davor gewarnt, dass das Tarifeinheitsgesetz zu noch nicht
absehbaren Folgen auf die Auslegung von arbeitsvertraglichen Inbezugnahmeklau-
seln führen könnte.204 Hinsichtlich der Beurteilung eines Minderheitentarifver-
trages im Hinblick auf das AGB-Recht dürften sich keine weiteren Auswirkungen
ergeben. Auch der Tarifvertrag einer Minderheitengewerkschaft ist ein Tarifvertrag,
der als Tarifvertrag nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer AGB-Kontrolle ausgenom-
men ist. Nach zutreffender Rechtsprechung des BAG ist auch ein vertraglich in Bezug
genommener Tarifvertrag keiner AGB-Kontrolle zu unterziehen, wenn es sich um den
sonst fachlich und räumlich anwendbaren Tarifvertag handelt.205 Die Richtigkeitsver-
mutung der durch Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tarifverträge entfällt nicht
dadurch, dass die normative Wirkung als Minderheitstarifvertrag verdrängt wird.

201 Lehmann, BB 2015, 2229, 2234; Löwisch, Tarifeinheit und due Auswirkungen auf das Streikrecht,
DB 2015, 1102 f.
202 BVerG, Beschl. v. 6.10.2015 – 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1582/15, 1 BvR 1588/15, NZA 2015, 1271;Löwisch,
NZA 2015, 1369.
203 So aber Lehmann, BB 2015, 2293, 2298, 1. Beispiel
204 Lehmann, BB 2015, 2295, 2300.
205 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154.

Dörring
F. Betriebsvereinbarung 395

F. B
 etriebsvereinbarung

Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG wirken Betriebsvereinbarungen auf alle Arbeitsverhält- 128
nisse von Arbeitnehmern im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn im Unterschied zu
Tarifverträgen kraft Gesetzes normativ. Vor diesem Hintergrund wird es allgemein
für überflüssig angesehen in Arbeitsverträgen mit normalen Arbeitnehmern Bezug-
nahmeklauseln auf eine oder mehrere Betriebsvereinbarungen abzuschließen.206
Einer Betriebsvereinbarung wird in einer solchen Konstellation nur deklaratorische,
keine konstitutive Bedeutung zukommen.207
Dem kann nicht in dieser Allgemeinheit gefolgt werden. Eine konstitutive Bezug- 129
nahme in einem Arbeitsvertrag kann dann Sinn machen, wenn eine Betriebsverein-
barung betriebsbezogen außerhalb ihres Regelungsbereiches Mitarbeiter anderer
Betriebe, vom personellen Geltungsbereich leitende Angestellte oder über beste-
hende Arbeitsverhältnisse hinaus Rentner erfassen soll.
Zuvor sollte man sich allerdings Gedanken machen, für welchen Zweck und in 130
welcher Form eine Bezugnahme auf eine Betriebsvereinbarung notwendig ist. Wird
eine bestimmte Regelung einer Gesamtbetriebsvereinbarung in einem Arbeitsver-
trag in Bezug genommen und geregelt, dass sich die hieraus ergebende Zahlung vom
Arbeitgeber geleistet wird, so ist eine solche Bezugnahme als konstitutive Verpflich-
tung zur Zahlung der Leistung unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen der
Betriebsvereinbarung zu verstehen.208 Sie entfaltet in diesen Fällen auch noch dann
Wirkung, wenn die Betriebsvereinbarung selbst nicht mehr besteht und kann nur
noch im Wege einer betriebsbedingten Änderungskündigung beendet werden, wofür
die Voraussetzungen in der Regel nicht gegeben sein werden.
Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen unterliegen nicht nach § 310 131
Abs. 4 Satz 1 BGB der AGB-Kontrolle,209 gleichgültig, ob es sich um Betriebsvereinba-
rungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten oder um freiwillige Betriebs-
vereinbarungen nach § 88 BetrVG handelt.210 Die bisherige Überprüfung von Betriebs-
vereinbarungen am Maßstab des § 75 Abs. 1 BetrVG, wonach Personen im Betrieb
nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit zu behandeln sind, bleibt hiervon
ausgenommen.211

206 Grobys/Panzer/Panzer – Heemeier, „Bezugnahmeklausel“, Rn 40.


207 BAG, Urt. v. 24.9.2003 – 10 AZR 34/03, NZA 2003, 149; BAG (10. Senat) , Urt. v. 12.03.2008 – 10 AZR
256/07, AP BGB § 611 Nr. 6.
208 BAG, Urt. v. 24.0.2003 – 10 AZR 34/03, NZA 2004, 149; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1, Rn 2825.
209 BT-Dr 14/6857, S. 54.
210 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310, Rn 32; Annuß, BB 2002, 459; Richardi, NZA 2002, 1059;
Däubler, NZA 2001, 1329, 1334; Thüsing, BB 2002, 2666, 2669; Clemenz/Kreft/Krause/Kreft, § 310, Rn
44; Preis, NZA 2010, 361, 365.
211 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler § 310, Rn 33; BAG, Urt. v. 01.02.2006 – 5 AZR 187/05, NZA 2006,
564, Rn 23 ff.

Dörring
396 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

132 Die AGB-Kontrolle unterbleibt im Falle einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme


allerdings nur dann, wenn Betriebsvereinbarungen sowieso im Betrieb normative
Wirkung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG entfalten. Sie wirken dann ohne eine ausdrück-
liche Vereinbarung, dass sie konstitutiv wirken sollen, nur deklaratorisch. Sie entfal-
len dann allerdings auch, wenn die Betriebsvereinbarung entfällt.212 Sie unterliegen
der vollen AGB-Kontrolle, wenn sie auf Arbeitnehmer außerhalb der Betriebsver-
fassung wie leitende Angestellte oder auf Arbeitnehmer anderer Betriebe über eine
Bezugnahmeklausel Anwendung finden.213 Sie wirken in diesen Fällen aber immer
konstitutiv, weil sie normativ keine Geltung beanspruchen können.214
133 Betriebsvereinbarungen können grundsätzlich den Inhalt des Arbeitsver-
trages nicht verschlechternd ändern, da im Verhältnis von Betriebsvereinbarung
zum Einzelarbeitsvertrag das Günstigkeitsprinzip gilt.215 Das BAG lässt hiervon
Ausnahmen dann zu, wenn durch eine Betriebsvereinbarung bestehende arbeitsver-
tragliche Regelungen insgesamt neu geregelt werden und die Neuregelung bei einem
Gesamtvergleich für alle Arbeitnehmer nicht ungünstiger ist als die zuvor geltenden
arbeitsvertraglichen Ansprüche.216 Vertragliche Ansprüche sind ansonsten nicht
betriebsvereinbarungsoffen, können also nicht durch eine Betriebsvereinbarung
zum Nachteil des Arbeitsnehmers geändert werden, sondern können nur vertraglich
durch Änderungsvereinbarung oder Änderungskündigung geändert werden.217
134 Eine Bezugnahmeklausel, die eine arbeitsvertragliche Regelung für die Zukunft
betriebsvereinbarungsoffen gestalten will, ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung.
Die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung unterliegt keiner AGB-Kontrolle,
wenn sie normativ bereits für den Arbeitnehmer gilt. Die Klausel, mit der die Betriebs-
vereinbarung in Bezug genommen wird, unterliegt allerdings der AGB-Kontrolle.218
In der Regel hat eine Inbezugnahme auf kollektivrechtlich geltende Arbeitsbedin-
gungen, so auch auf eine bestehende Betriebsvereinbarung, keinen überraschenden
Charakter und verstößt nicht gegen § 305c BGB. Sie sollte das Bezugnahmeobjekt klar
bestimmen, ohne Auslegungsspielräume zu eröffnen, weil diese im Zweifel zuguns-
ten des Arbeitnehmers auszulegen sind.219 Wird eine Betriebsvereinbarung in Bezug
genommen, so gilt auch hier der Grundsatz, dass im Zweifel die jeweils aktuelle

212 Preis, NZA 361, 365.


213 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler § 310, Rn 54; Preis, NZA 2010, 361, 365; Rieble/Schulin, RdA
2006, 339, 345.
214 Preis, NZA 2010, 361, 365.
215 BAG, Urt. v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/08, NZA 2009, 1105, Rn 10.
216 BAG (Großer Senat), Beschl. v. 16.9.1986 – GS 1/82 (5. Senat 8.12.1982 5 AZR 316/81), NZA 1987, 168.
217 BAG, Urt. v. 16.11.2011 − 10 AZR 60/11, NZA 2012, 349, Rn 15.
218 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310, Rn 57.
219 Grobys/Panzer/Panzer- Heemeier „Bezugnahmeklausel“, Rn 43; Däubler/Bonin/Deinert/Däub-
ler, § 310, Rn 57.

Dörring
F. Betriebsvereinbarung 397

Betriebsvereinbarung in Bezug genommen wird,220 da diese kollektivrechtlich nach


dem Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“ auch die alte Betriebsvereinbarung
verdrängt.221
Dies gilt allerdings nicht mehr für Rentner. Mit Ausscheiden aus dem Arbeits- 135
verhältnis bleibt die Betriebsvereinbarung, soweit sie Leistungsansprüche auch für
Rentner begründet in der Form bestehen, die sie zum Zeitpunkt des Ausscheidens des
Arbeitnehmers erreicht hatte.222
Eine weitere, sehr viel problematischere Anwendungsvariante der Bezugnah- 136
meklausel, ist eine Öffnungsklausel von einzelvertraglichen Vereinbarungen für
Betriebsvereinbarungen. Eine solche Klausel beseitigt das im Arbeitsverhältnis beste-
hende Günstigkeitsprinzip analog § 4 Abs. 3 TVG, das auch im Verhältnis des Ein-
zelarbeitsvertrags zur Betriebsvereinbarung gilt. Eine Klausel im Arbeitsvertrag, wie
„Die allgemeinen Arbeitsbedingungen und -vergütungen unterliegen den gesetzli-
chen Bestimmungen sowie Betriebsvereinbarungen“ kann als Öffnungsklausel inter-
pretiert werden, das Arbeitsverhältnis durch freiwillige Betriebsvereinbarung ändern
zu können.223 Die Rechtsprechung des BAG hat damals breite Zustimmung erfahren,
dürfte aber den Anforderungen der AGB-Kontrolle nach heutigen Maßstäben der Lite-
ratur kaum genügen,224 der neueren Linie des BAG (Rn 127) aber sehr wohl entspre-
chen.
Die damals geführte Auseinandersetzung ist im Grunde keinesfalls ausgetra- 137
gen. In der Vergangenheit gab es immer wieder Auseinandersetzungen darüber, ob
und wie einzelvertraglich begründete Leistungsansprüche des Arbeitnehmers durch
Betriebsvereinbarungen verschlechternd abgelöst werden können.
Bei Öffnungsklauseln individualrechtlicher Vereinbarungen in Bezug auf 138
Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge handelt es sich um Allgemeine
Geschäftsbedingungen, die dem Bestimmtheits- und Transparenzgebot genügen
müssen. Zweifel bei ihrer Auslegung gehen nach § 305c Abs. 1 Satz 2 BGB zu Lasten
des Arbeitgebers. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers kann
sich auch daraus ergeben, dass eine Klausel nicht klar und verständlich formuliert ist
und zur Unwirksamkeit der Öffnungsklausel führt.
Zulässig ist es, bestimmte arbeitsvertraglich vereinbarte Ansprüche für zukünf- 139
tige Regelungen durch Betriebsvereinbarungen offen zu gestalten.225 Dies kann bei-
spielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Zusage auf

220 Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 35. EL 2014, „Arbeitsver-
träge“, Rn 224.
221 BAG, Urt. v. 30.1.1970 – 3 AZR 44/68, NJW 1970, 1620.
222 BAG, Urt. v. 30.1.1970 – 3 AZR 44/68, NJW 1970, 1620.
223 BAG, Urt. v. 20.11.1987 – 2 AZR 284/86, NZA 1988, 617; Richardi, NZA 1988, 185; Grobys/Panzer/
Panzer Heemeier, „Bezugnahmeklausel“, Rn 41.
224 Preis II O 10, Rn 5 m.w. Nachweis.
225 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310, Rn 55.

Dörring
398 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung macht, ein Dienstfahrzeug auch zur


privaten Nutzung überlässt oder eine leistungsbezogene Vergütung zusagt, sich
allerdings die Möglichkeit offen halten will, bei der Ausweitung der Leistungen auf
bestimmte Mitarbeitergruppen diese Leistungen durch Betriebsvereinbarung abän-
dernd zu vereinheitlichen.
140 Vor diesem Hintergrund besteht weitgehend Einigkeit, dass ein praktisches
Bedürfnis besteht Arbeitsbedingungen auf Grundlage kollektivrechtlicher Regelun-
gen zu vereinheitlichen und die Vereinbarung entsprechender Öffnungsklauseln im
Arbeitsvertrag zulässig ist,226 zumal Betriebsvereinbarungen ihrerseits nach den
Maßstäben des § 75 Abs. 1 und 2 BetrVG einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegen.227
141 Das BAG hat die Diskussion um die Notwendigkeit einer klaren Vereinbarung
einer Öffnungsklausel durch sein Urteil vom 5.3.2013 wiederbelebt. Im Rechtsstreit
ging es darum, dass eine Einstellungsmitteilung keinen Hinweis auf eine Beendigung
des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze enthielt. Eine
Altersgrenze wurde zu einem späteren Zeitpunkt durch eine Gesamtbetriebsvereinba-
rung eingeführt, nach der das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres
endet. Der Arbeitnehmer hat hiergegen geklagt und geltend gemacht, dass das Güns-
tigkeitsprinzip verletzt sei, da arbeitsvertraglich kein Ende des Arbeitsverhältnisses
vereinbart worden sei. Hier war schon fraglich, ob eine Nichtregelung einer Alters-
grenze in eine vertragliche Regelung der Nichtbefristung ausgelegt werden kann. Das
BAG hätte sich also darauf beschränken können, die umfassende Regelungskom-
petenz der Betriebsparteien auch bei der Festlegung von Altersgrenzen zu betonen.
Stattdessen aber stellte das BAG in einem Leitsatz fest, dass die Vertragsparteien
den Arbeitsvertrag so gestalten können, dass er einer künftigen Abänderung durch
Betriebsvereinbarungen unterliege. Eine solche Abrede könne ausdrücklich oder
konkludent erfolgen. Von einer konkludenten Abrede in diese Richtung sei immer
dann auszugehen, wenn man einen vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag
benutze, weil alleine hierdurch beide Vertragsparteien zum Ausdruck hätten bringen
wollen, dass im Betrieb einheitliche Arbeitsbedingungen gelten sollten.228
142 Damit wird die gesetzliche Intention des AGB-Rechts in ihr Gegenteil verkehrt.
Aus dem Umstand, dass der Arbeitgeber einseitig Vertragsrecht setzt, wird gefolgert,
dass der Arbeitnehmer damit einverstanden sei, dass der in § 305b BGB postulierte
Vorrang des Individualrechts vertraglich konkludent abbedungen wird. Wenn eine
Betriebsvereinbarungsoffenheit nur darauf gestützt wird, dass der Arbeitgeber allge-
meine Geschäftsbedingungen verwendet, wird damit gegen die Unklarheitenregel
des § 305c Abs. 2 BGB verstoßen, da bei ungeschriebenen Anpassungsvorbehalten

226 Rieble/Schul, RdA 2006, 339, 340; Preis, II O, Rn 9; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310, Rn


55a; Preis/Ulber, NZA 2014, 6, 10.
227 Preis/Ulber, RdA 2013, 21, 213.
228 BAG, Urt. v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916.

Dörring
F. Betriebsvereinbarung 399

kaum davon gesprochen werden kann, dass die Regelung zweifelsfrei betriebsver-
einbarungsoffen sein soll. Auch das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB
verlangt in seiner Ausprägung als Bestimmtheitsgebot, dass die Voraussetzungen
und der Umfang eines Änderungsrechts deutlich benannt werden, damit der Arbeit-
nehmer erkennen kann, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“.229 Die Entscheidung
wurde daher in der Literatur unterschiedlich aufgenommen. Die Vertreter des Ord-
nungsprinzips sahen sich in ihrer Grundauffassung bestätigt, dass Vertragsbedin-
gungen durch kollektivrechtliche Regelungen abgelöst werden können und glauben,
dass ein grundsätzlicher Kurswechsel des BAG eingeleitet sei.230 Die Entscheidung
des ersten Senats vom 5.3.2013 steht hier im Widerspruch zur Entscheidung des 10.
Senats.231 Dieser hatte darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber, der eine Sonderzah-
lung unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung stellen will, diesen
Vorbehalt ebenso wie einen Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt ausdrücklich
erklären muss, um dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu genügen.
Bringt der Arbeitgeber die „betriebsvereinbarungsoffene“ Gestaltung nicht klar zum
Ausdruck, so kann dies ein durchschnittlich verständiger Arbeitnehmer nicht erken-
nen.232
Der 1. Senat des BAG hat in dieser Auseinandersetzung um die Möglichkeit einer 143
verschlechternden Ablösung einer Individualabrede durch Betriebsvereinbarung ein
unnötiges obiter dictum gefällt, das zur Entscheidung des Sachverhalts überflüssig
war, weil eine Individualabrede als Ablösungsgegenstand eigentlich nicht vorhanden
war. Der Schluss des 1.Senats, dass bei einer Verwendung von Allgemeinen Geschäfts-
bedingungen der Arbeitnehmer immer davon ausgehen kann, dass der Arbeitgeber
die Arbeitsbedingungen vereinheitlichen will und sich daher vorbehält, dies durch
ablösende Betriebsvereinbarungen umzusetzen, verstößt gegen das Auslegungsgebot
des § 305c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.233 Ein
Teil der Stimmen der Literatur schließt sich dieser bewussten Kehrtwende des ersten
Senats an und begrüßt sie.234 Ein anderer Teil geht davon aus, dass der Gesetzgeber
dem Betriebsrat mit der Einräumung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates
wie z. B. über § 87 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 10 BetrVG, zugleich die Wertung verbunden habe,
dass in diesen Angelegenheiten die kollektivrechtliche Regelung durch einzelver-
tragliche Regelung nicht konterkariert werden dürfe, also in diesen Fällen ablösende

229 Krause, JA 2014, 944.


230 Säcker, BB 2013, 2677, 2678; Hromodka, NZA 2013, 1061, 1063; Polloczek, Anmerkung zu AP Be-
trVG 1972 § 77 Nr. 105; Bauer, ArbRAktuell 2013, 155; Linsenmeier, RdA 2014, 336.
231 Linsenmeier, RdA 2014, 336, 343.
232 BAG, Urt. v. 5.8.2009 – 10 AZR 483/08; NZA 2009, 1105.
233 Preis/Ulber, NZA 2014, 6, 10; Krause, JA 2014, 944.
234 Säcker, BB 2013, 2677, 2678; Hromodka, NZA 2013, 1061, 1063; Polloczek, Anmerkung zu AP Be-
trVG 1972 § 77 Nr. 105; Bauer, ArbRAktuell 2013, 155; Linsenmeier, RdA 2014, 336; krit. hinsichtlich der
Begründung HR/Schiefer § 1 Rn 1384.

Dörring
400 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

Betriebsvereinbarungen immer zulässig sein müssen.235 Beide Positionen verkennen,


dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, über eine klarstellende und transparente
Vertragsformulierung von vornherein dafür zu sorgen sich diese Gestaltungsmittel zu
erhalten, wenn er dies wünscht.236
144 Ein Teil der Literaturstimmen, die die Entscheidung des BAG vom 5.3.2013 begrü-
ßen, gehen noch deutlich weiter als das BAG und hält neben allgemeinen Geschäfts-
bedingungen auch einzelvertragliche Regelungen mit kollektivem Bezug wie eine
betriebliche Übung durch eine ablösende Betriebsvereinbarungen für abänderbar.237

Klauselmuster
Später in Kraft tretende Betriebsvereinbarungen (Dienstvereinbarungen), die einzelvertragliche Re-
gelungen dieses Arbeitsvertrages abweichend regeln, gehen den Vereinbarungen dieses Arbeitsver-
trages vor. Dies gilt auch dann, wenn sie ungünstiger für den Arbeitnehmer sind.

Praxistipp
Es ist davor zu warnen Klauselgestaltungen zu wählen, in welchen vereinbart wird, dass auch bereits
bestehende Betriebsvereinbarungen den im Arbeitsvertrag getroffenen einzelvertraglichen Verein-
barungen vorgehen. Soweit diese Einzelvertragsabrede ausgehandelt wurde, hat diese nach § 305b
BGB Vorrang. Der Arbeitgeber kann sich wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire
contra factum proprium) auf entgegenstehende Klauseln nicht berufen.

G. Bezugnahme auf Arbeitsordnungen

145 Der Arbeitgeber verweist in Arbeitsverträgen häufig auf einseitig von ihm erlassene
Arbeitsordnungen, insbesondere, wenn es sich um betriebsratslose Betriebe handelt.
Dies dient der Sicherstellung einheitlicher Arbeitsbedingungen. Wird auf eine
bestimmte Arbeitsordnung verwiesen, die im Betrieb bekannt gemacht wurde, so ist
dies unproblematisch möglich. Eine solche Klausel verstößt regelmäßig nicht gegen
das Überraschungsverbot nach § 305c Abs. 1 BGB und hält einer Transparenzkontrolle
nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB stand, wenn sie entsprechend hervorgehoben im Ver-
tragstext deutlich gemacht wird.
146 Problematisch sind solche Klauseln immer dann, wenn auf die Arbeitsordnung
in der jeweiligen Form verwiesen wird, weil der Arbeitgeber sich in einem solchen
Fall die Möglichkeit verschafft, die Arbeitsordnung ohne jegliche Schranken jederzeit
auch zu Lasten der Arbeitnehmer abändern zu können und das sonst im Privatrecht

235 Krause, JA 2014, 944, 946 Nr. 5.


236 Vergleiche hierzu auch HR/Schiefer, 1, Rn 1252 ff; Preis, II O 10, Rn 3.
237 Hromodka, NZA 2013, 1061, 1064; Hümmerich/Reufels/Schiefer § 1 Rn 1554.

Dörring
H. Jeweiligkeitsklausel 401

grundsätzlich geltende Konsensprinzip außer Kraft gesetzt wird.238 Dieses benachtei-


ligt den Arbeitnehmer unangemessen, wenn nahezu sämtliche Arbeitsbedingungen
einseitig abänderbar sind und keinerlei Gründe für eine Verschlechterung angegeben
werden.239 Solche Klauseln stellen einen Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB dar, da sie
dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel die Möglichkeit geben, die versprochene
Leistung zu ändern, ohne dass die Änderung dem Arbeitnehmer zumutbar sein muss.
Abzustellen ist hierbei nicht auf tatsächliche, sondern auf potentiell mögliche Ände-
rungen.240
Soll daher auf eine einseitig vom Arbeitgeber gestaltete Arbeitsordnung Bezug 147
genommen werden, so ist nur eine statische Bezugnahme möglich.

Klauselmuster
Auf das Arbeitsverhältnis findet die Arbeitsordnung der … GmbH in ihrer Fassung vom … Anwendung,
die dem Vertrag beigefügt ist.

Praxistipp
Sollten Bezugnahmeklauseln auf einseitige Regelungswerke des Arbeitgebers vorhanden sein, so
sollten diese sofort durch Änderungsvereinbarungen auf den oben genannten Inhalt geändert wer-
den. Das BAG hat darauf hingewiesen, dass im Rechtsstreit diese Klauseln keinen Bestand haben
und auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung auf einen rechtlich statischen Inhalt korrigiert
werden können.241

H. J eweiligkeitsklausel

I. E
 inleitung

Jeweiligkeitsklauseln sind im Arbeitsrecht weit verbreitet. Sie dienen in erster Linie 148
dazu, bestimmte Leistungen, die aktiven Arbeitnehmern erbracht werden, in gleicher
Form auch Betriebsrentnern zu erbringen. Sie haben eine besondere Bedeutung im
Betriebsrentenrecht, wenn es darum geht, bestimmte betriebliche Versorgungsord-
nungen für die Zukunft abänderbar gestalten zu können.

238 Preis, NZA 2010, 361, 361; ErfK/Preis, § 305 – 310, Rn 27; Stoffels, Anh. zu § 310, Rn 45; Däubler/
Bonin/Deinert/Deiner, § 305, Rn 45; Preis/Preis, II J 10, Rn 4; Lakies Rn 130.
239 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428.
240 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428, Rn 25.
241 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428.

Dörring
402 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

II. A
 llgemeine Jeweiligkeitsklauseln

149 Werden bestimmte Leistungen über Betriebsvereinbarungen geregelt, so können


auch grundsätzlich ehemalige Arbeitnehmer und deren Angehörige als Leistungsbe-
zieher in die Leistung mit einbezogen werden. Betriebsvereinbarungen können aber
nicht mehr Rechte und Pflichten der aus dem aktiven Arbeitsverhältnis ausgeschiede-
nen Mitarbeiter abändern.242 Die Regelungsbefugnis von Betriebsrat und Arbeitgeber
sind personell nach dem Betriebsverfassungsgesch auf die Arbeitnehmer des Betriebs
nach § 5 Abs. 1 BetrVw begrenzt.
150 Solche Jeweiligkeitsklauseln können nach der Rechtsprechung des BAG auch
konkludent vereinbart werden, indem Leistungen Betriebsrentnern gegenüber in der
Höhe und den Voraussetzungen erbracht werden unter denen sie auch aktiv beschäf-
tigten Arbeitnehmern gewährt werden.243 Werden z. B. Beihilfeleistungen im Krank-
heitsfall auf Grund einer Betriebsvereinbarung erbracht, so können begünstigte,
bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer oder Betriebsrentner nicht damit rechnen,
besser gestellt zu werden als aktiv beschäftigte Arbeitnehmer,244 sie können aber
auch nicht schlechter gestellt werden.245

III. Betriebsrentenrecht

151 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sind immer dann gegeben, wenn aus
Anlass des Arbeitsverhältnisses die in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG genannten biometri-
schen Risiken des Alters, der Invalidität oder der Hinterbliebenenversorgung durch
Leistungen des Arbeitgebers gesichert werden. Hierbei kommt es nicht auf die Zweck-
setzung durch den Arbeitgeber an oder darauf, ob gleiche Leistungen auch an aktive
Arbeitnehmer erbracht werden, sondern darauf, ob die Leistungen Teil der Gesamt-
versorgungsleistung sind.246
152 Betriebsrentenansprüche werden durch einseitige Leistungszusagen des Arbeit-
gebers, durch Verweis auf Versorgungsregelungen Dritter, Betriebsvereinbarungen
oder Tarifverträge geregelt. Systeme der betrieblichen Altersversorgung haben übli-
cherweise eine sehr lange Laufzeit und müssen periodisch an sich ändernde arbeits-,
steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rahmenbedingungen, hinsichtlich der
Leistung an unterschiedliche Bezugsberechtigte (Lebenspartnerschaftsgesetz) und

242 BAG, Urt. v. 10.2.2009 – 3 AZR, 653/07, NZA 2009, 796, Rn 16; Schaub/Vogelsang, § 85 XIII, Rn 356.
243 BAG, Urt. v. 12.12.2006 – 3 AZR 476/05, RdA 2008, 116.
244 BAG, Urt. v. 10.2.2009 – 3 AZR, 653/07, NZA 2009, 796.
245 BAG, Urt. v. 13.5.1997 – 1 AZR 75/97, NZA 1998, 160; BAG, Urt. v. 10.2.2009 – 3 AZR 653/07, NZA
2009, 796.
246 BAG, Urt. v. 18.2.2003 – 3 AZR 81/02, NZA 2004, 98; BAG, Urt. v. 12.12.2006 – 3 AZR 476/05, RdA
2008, 1165.

Dörring
H. Jeweiligkeitsklausel 403

der zu sichernden Risiken (Abschaffung der Berufsunfähigkeitsrente) angepasst


werden. Sie müssen für Beschäftigte und Rentner einheitliche Rahmenbedingungen
gewährleisten und drohen bei fehlender Anpassung zu „versteinern“.247
Die Rechtsprechung geht bislang davon aus, dass Bezugnahmen auf Versor- 153
gungsregelungen auch durch eine betriebliche Übung oder konkludent geschlossen
werden können und im Zweifel eine Jeweiligkeitsklausel mit dem Inhalt umfassen,
dass die Betriebsrentner bei einer Änderung der stillschweigend durch Betriebs-
übung in Bezug genommenen Leistungsordnung auch in der Rentenphase an diese
Änderungen gebunden sind.248 Verweisungen im Arbeitsvertrag auf bestehende Ver-
sorgungsordnungen sind regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie unter-
liegen abgesehen von ihrer Dynamik keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2, 308 und 309 BGB, da sie keine von Rechtsvorschriften abweichende oder
ergänzende Regelungen nach § 307 Abs. 3 BGB enthalten.
In den ausdrücklich oder konkludent vereinbarten Jeweiligkeitsklauseln behält 154
sich der Arbeitgeber regelmäßig das Recht einer künftigen Leistungsänderung vor.
Ein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 BGB liegt nicht vor. Das BAG kommt zu dieser Ansicht
über einen „Kunstgriff“,249 indem es unterstellt, dass eine ausdrücklich oder konklu-
dent vereinbarte Jeweiligkeitsklausel immer nur das Recht des Arbeitgebers umfasst,
dass die Änderungen nach Recht und Billigkeit unter Wahrung des Verhältnismä-
ßigkeitsgrundsatzes und des Vertrauensschutzes vorzunehmen sind.250
Für eine Bindung des Betriebsrentners an eine Versorgungsordnung ist es 155
ausreichend, dass die Jeweiligkeitsklausel in der Gesamtzusage, der betrieblichen
Übung oder der kollektivrechtlichen Regelung enthalten war.251 Sie ist im Regelfall als
dynamische Bezugnahme auszulegen und erstreckt sich auch auf die Rentenphase.252
Jede Jeweiligkeitsklausel als auch Zeitkollisionsregelungen berechtigen die 156
Betriebsparteien nicht zu beliebigen Eingriffen in Besitzstände der Arbeitnehmer.
Bei Eingriffen in bestehende Versorgungsanwartschaften sind die Dreistufenprüfun-
gen nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes
einzuhalten. Danach kann wegen des Vertrauens auf den Inhalt der nach der bisheri-
gen Ordnung erdienten und nach § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 BetrAVG ermittelten Anwart-
schaften nur noch aus zwingenden Gründen eingegriffen werden. Zukünftige Ren-
tensteigerungen, die nicht von der weiteren Betriebszugehörigkeit abhängen, können
nur noch aus triftigen Gründen gekürzt werden. Lediglich künftige, noch nicht ver-

247 Schaub/Vogelsang, § 85 XIII, Rn 325.


248 LAG Düsseldorf, Urt. v. 2.10.1998 – 10 Sa 819/98, BeckRS 1998, 41644; BAG, Urt. v. 12.12.2006 – 3
AZR 75/06, BeckRS 2007, 45488.
249 In diesem Sinn ErfK/Preis, §§ 305 – 310 BGB, Rn 27.
250 BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 3 AZR 431/10, NZA-RR 2013, 651, Rn 31, 32.
251 Schaub/Vogelsang, § 85 XIII, Rn 326; Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, Anhang § 1 BetrAVG, Rn 481.
252 BAG, Urt. v. 18.9.2012 – 3 AZR 431/10, NZA-RR 2013, 651.

Dörring
404 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

diente Anwartschaften können aus sachlich proportionalen Gründen geschmälert


werden.253
157 Eine Inhaltskontrolle gesetzlicher Regelungen ist ebenso wie eine Kontrolle tarif-
vertraglicher Regelungen bei einer Inbezugnahme ausgeschlossen. Bei einer Inbezug-
nahme auf Betriebsvereinbarungen unterliegen diese zwar nach § 310 Abs. 4 Satz 1
BGB keiner AGB-Kontrolle, Änderungen müssen allerdings nach den oben genannten
Kriterien billigem Ermessen entsprechen. Gleiches gilt für vom Arbeitgeber einseitig
gesetzte Versorgungsordnungen oder für Versicherungsordnungen einer vom Arbeit-
geber beauftragten Pensionskasse oder Unterstützungskasse.254

Klauselmuster
Dem Arbeitnehmer werden Ansprüche aus der Versorgungsordnung der … GmbH in ihrer jeweils gül-
tigen Fassung zugesagt. Änderungen der Versorgungsordnung, deren Ergänzung oder Beendigung
durch Betriebsvereinbarung oder Tarifverträge sind im Rahmen der von der Rechtsprechung aner-
kannten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes möglich. Sie gelten für
beide Parteien auch nach Ablösung des Arbeitsverhältnisses fort, soweit rechtswirksame Ansprüche
erworben worden sind.

158 Der Arbeitnehmer hat nach § 1a BetrAVG gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch
darauf, dass künftiges Entgelt in Höhe von bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze
zum Erwerb von Ansprüchen aus einer betrieblichen Altersversorgung im Wege der
Entgeltumwandlung verwendet wird. Der Arbeitgeber kann den Durchführungsweg
einseitig festlegen und hat bei bestehendem Betriebsrat die Mitbestimmungsrechte
des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu achten. Der Arbeitgeber ist nicht
verpflichtet, den Arbeitnehmer auf seinen Anspruch auf Entgeltumwandlung hin-
zuweisen.255 Der Arbeitgeber ist aber zur Anbietung eines Durchführungsweges der
betrieblichen Altersversorgung verpflichtet und sollte den Arbeitnehmer hierauf im
Rahmen seiner Fürsorgepflicht immer hinweisen.

Klauselmuster
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch nach § 1a BetrAVG auf Umwandlung seines Bruttoentgelts in
eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von bis zu 4 % der Beitragsbemessungsgrenze der deut-
schen Rentenversicherung im Wege der Entgeltumwandlung. Die betriebliche Altersversorgung wird
über die … Versicherung (Direktversicherung iSd § 1b Abs. 2 BetrAVG) nach den AGB der Versicherung
durchgeführt. Er kann die Höhe und die Art der Entgeltumwandlung bis zum Ende eines Jahres für das
Folgejahr durch schriftliche Mitteilung gegenüber dem Arbeitgeber festlegen oder ändern.

253 BAG, Urt. v. 12.2.2013 – 3 AZR 414/12, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 61; BAG, Urt. v. 12.2.2013 – 3
AZR 636/10, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 62.
254 Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, Anhang § 1 BetrAVG, Rn 485a und 485b.
255 BAG, Urt. v. 21.1.2014 – 3 AZR 807/11, NJW 2014, 1982.

Dörring
I. Bezugnahme auf Beamtenrecht 405

I. Bezugnahme auf Beamtenrecht

Das Vertragsverhältnis im öffentlichen Dienst orientiert sich sehr häufig an den beam- 159
tenrechtlichen Regelungen. Teilweise haben die Tarifvertragsparteien sich in der Ver-
gangenheit einer eigenständigen Regelung enthalten und auf die jeweiligen beamten-
rechtlichen Regelungen verwiesen. Im Vertragsrecht des öffentlichen Dienstes finden
sich zur Regelung der Höhe der Vergütung256, der Festlegung der Arbeitszeit,257der
Urlaubsdauer, der Höhe des Urlaubsgeldes258 oder der Versorgung259 Verweise
auf entsprechende beamtenrechtliche Regelungen. Die aufgeführten Regelungsge-
genstände betreffen in den aufgeführten Sachverhalten Hauptleistungspflichten im
Arbeitsverhältnis.
Bei diesen Bezugnahmeklauseln handelt es sich regelmäßig um Allgemeine 160
Geschäftsbedingungen, auf welche die § 305 ff. BGB anwendbar sind. Bei einer
Bezugnahme auf Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen
diese keiner Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB nach dem Recht der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen. „Die aus dem Grundsatz der Privatautonomie folgende Kon-
trollsperre greift hier in gleicher Weise wie bei einer Preisbezifferung in allgemeinen
Geschäftsbedingungen, weil auch die vertragliche Festlegung preisbildender Fakto-
ren zum Kernbereich autonomer Vertragsgestaltung zähle und es nicht Aufgabe des
Zivilrichters sein kann, vertraglich festgelegte Bewertungs- und Preisfindungsmaß-
stäbe darauf zu überprüfen, ob sie zu einem „angemessenen“ Preis führen.“260
Verweisungen auf beamtenrechtliche Regelungen sind im öffentlichen Dienst 161
eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB.261 Sie sind weder
überraschend (§ 305c BGB) noch verstoßen sie gegen das Transparenzgebot des § 307
Abs. 1 Satz 2 BGB.262 Auch wenn sie dynamisch auf die entsprechenden Regelungen
des Beamtenrechts verweisen, entsprechen sie der üblichen Regelungstechnik und
dienen den Interessen beider Parteien, da sie das Arbeitsverhältnis auf die Zukunft
ausrichten.263 Bei einer Bezugnahme auf das Versorgungsrecht der Beamten ist es
unerheblich, wenn eine Verweisung auf das Beamtenversorgungsrecht auch weitere
Ausgestaltungen umfasst, die das Hauptleistungsrecht modifizieren. Da die Klauseln
nicht in einen Teil aufgespalten werden können, der die Hauptleistungspflicht regelt

256 BAG, Urt. v. 6.11.2002 – 5 AZR 330/01, NZA 2003, 1148.


257 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45.
258 BAG, Urt. v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045.
259 BAG, Urt. v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZA-RR 2011, 55.
260 BAG, Urt. v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZA-RR 2011, 55, Rn 23; BGH, Urt. v. 16.11.1999 – KZR 12/97,
NJW 2000, 577.
261 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45.
262 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45; BAG, Urt. v. 03.4.2007 – 9 AZR 283/06, NJOZ
23008, 3145; BAG, Urt. v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZA-RR 2011, 55.
263 BAG, Urt. v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45.

Dörring
406 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

und in einen anderen Teil, der diese modifiziert, ist die Bezugnahmeklausel insge-
samt der Inhaltskontrolle entzogen.264 Der Verweis auf die jeweilige Beamtenversor-
gung enthält auch keinen Änderungsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB, da die Höhe der
Versorgung nicht von den Parteien, auch nicht von dem Arbeitgeber, sondern durch
Gesetz geregelt wird.265

J. K
 irchenrecht

I. E
 inleitung

162 Bezugnahmeklauseln spielen im Arbeitsrecht der Kirchen eine herausragende Rolle.


Die Kirchen beschäftigen ca. 1,3 Mio. Arbeitnehmer266 und damit hinter dem öffent-
lichen Dienst die zweitgrößte Anzahl von Arbeitnehmern. Nach Art. 140 GG i. V. m.
Art. 137 Abs. 3 WRV ordnet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten im
Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst, wobei dieses Selbstbestimmungsrecht
durch die vorbehaltlos nach Art. 4 Abs. 1 und 2 GG gewährte korporative Religions-
freiheit ein besonderes Gewicht hat,267 das sich in der Konzeption der „Dienstgemein-
schaft“ zur Verwirklichung des kirchlichen Auftrages durch Wort und Tat wiederspie-
gelt.268
163 Die Kirchen haben als Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 137 Abs. 5
WRV) grundsätzlich drei Wege Mitarbeiter zu beschäftigen. Sie können Mitarbeiter im
Rahmen des Kirchenrechtes einsetzen und Ämter und Vergütung frei regeln (erster
Weg). Sie können Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tarifverträgen (zweiter
Weg) oder aber im sogenannten „dritten Weg“ auf der Grundlage von Arbeitsver-
tragsrichtlinien beschäftigen. Der zweite Weg wird mittlerweile nur noch durch die
nordelbische Landeskirche vertreten.269 Jede Religionsgesellschaft kann im Rahmen
ihrer Selbstbestimmung regeln, ob sie die Arbeitsbedingungen durch den Abschluss
von Tarifverträgen vornimmt und wie sie den Weg gestalterisch umsetzt.270

264 BAG, Urt. v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZA-RR 2011, 55, Rn 27 unter Aufgabe der älteren Recht-
sprechung BAG, Urt. v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, NZA-RR 2010, 68.
265 BAG, Urt. v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, NZA-RR 2011, 55, Rn 28.
266 Focus, 20.11.2014; Schaub/Linck, § 185 II, Rn 6.
267 BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387.
268 Vgl. BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 20013, 448, Rn 99.
269 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 611/11, NZA 2013, 437.
270 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 611/11, NZA 2013, 437, Rn 37 m. w. N.; BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR
179/11, NZA 2013, 448; ErfK/Schmidt, Art 4 GG, Rn 51.

Dörring
J. Kirchenrecht 407

II. Dritter Weg

Die Kirchen gehen in ihrem Selbstverständnis von einer „Dienstgemeinschaft“ zwi- 164
schen Kirche als Arbeitgeber und den Arbeitnehmern aus. Sie vertreten als Grundge-
danken die gemeinsam getragene Verantwortung aller im kirchlichen Dienst Tätigen,
unabhängig davon, ob sie „als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, leitend oder unter-
geordnet, verkündungsnah oder unterstützend – für den Auftrag der Kirche“ tätig
sind.271 Diese Ansicht tendiert dazu, bestehende Interessengegensätze zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch das Postulat eines gemeinsamen höheren Auf-
trages zu negieren. Gerade im karitativen Bereich der Kirche ist es in Folge der Kos-
teneinsparungen im Gesundheitsbereich zu drastischen Personalkosteneinsparun-
gen gekommen. Die Auseinandersetzungen um die Vergütung im Erziehungsbereich
zeigen sehr deutlich, dass es Interessengegensätze gibt, die nicht zu negieren sind.
Der Wettbewerbsdruck zwischen sozialen und karitativen Einrichtungen hat erheb-
lich zugenommen.272 Die katholische, wie auch die evangelische Kirche schließen
Streiks als Mittel der Durchsetzungen von Forderungen aus. Den Kirchen ist nach
Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV das Selbstverwaltungsrecht im Rahmen der
für alle geltenden Gesetze eingeräumt. Dieses umfasst auch das Recht auf Koaliti-
onsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Eine von der Kirche verfolgte sozialpartnerschaft-
liche Konfliktlösung ohne Streiks ist damit grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Das
Streikrecht der Gewerkschaften ist ausgeschlossen, wenn stattdessen eine Kon-
fliktlösung über einen unparteiischen Schlichter unter organisatorischer Einbindung
der Gewerkschaften in einem fairen auf Ausgleich der Interessen ausgerichteten Ver-
fahren erfolgt und das Verhandlungsergebnis für beide Seiten verbindlich ist, ohne
dass das Ergebnis durch den Arbeitgeber abänderbar ist.273 Einzelne Gewerkschaften
haben gegen die Entscheidungen des BAG wegen des Ausschlusses des Streikrechts
bereits Verfassungsbeschwerde eingelegt.274 In einer Sache wurde die Verfassungsbe-
schwerde als unzulässig abgewiesen. Die Beschwerde führende Gewerkschaft hatte
vor dem BAG Recht erhalten, fühlte sich allerdings durch die Entscheidungsgründe
des BAG275 durch den Ausschluss des Streikrechts im Dritten Weg unter den vom BAG
festgestellten Bedingungen in ihrem Recht auf Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3

271 BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387, Rn 42; Art. 1 Grundordnung des
kirchlichen Dienstes im Rahmen der kirchlichen Arbeitsverhältnisse v. 27.04.2015 der katholischen
Kirche; § 2der Richtlinien der Evangelischen Kirche in Deutschland nach Art. 9 Buchst. B Grundord-
nung v. 1.7.2005.
272 krit. Reichhold NZA 2013, 585, 586; vgl. hierzu Richardi, § 4 II.3., Rn 19.
273 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, Rn 119; in diese Richtung auch Rehm, NZA
2011, 1211.
274 Aktenzeichen 2 BvR 2274/13, 2 BvR 2292/13 (http://www.Bundesverfassungsgericht.de/organisa-
tion; hier unter Verfahren, Entscheidungen 2015)
275 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448.

Dörring
408 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

GG verletzt. Das BVerfG begründete seine Entscheidung zutreffend damit, dass sich
eine Beschwer zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde normalerweise nur
aus dem Tenor der Entscheidung, nicht aus der Urteilsbegründung ergeben könne.
Nur wenn eine angegriffen Vorschrift auf die Rechtstellung des Beschwerdeführers
aktuell unmittelbar einwirke und das Gesetz die Normadressaten mit Blick auf seine
eintretende Wirkung zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwinge
oder in seiner Rechtsstellung in Zukunft treffen wird, sei eine Verfassungsbeschwerde
ausnahmsweise zulässig. Dies wurde vom BVerfG nicht gesehen und auf die umfas-
senden laufenden Änderungen im Kirchenrecht verwiesen. 276
165 Bei den Arbeitsvertragsrichtlinien handelt es sich um kollektivrechtliche Rah-
menbedingungen zur Regelung der Begründung, des Inhalts und der Beendigung
der Arbeitsverhältnisse. Sie werden von paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeit-
gebern zusammengesetzten arbeitsrechtlichen Kommissionen auf der Grundlage
kirchenrechtlicher Regelungen in Kraft gesetzt.277 Unstrittig ist, dass es sich bei den
Arbeitsvertragsrichtlinien um keine Tarifverträge handelt, da sie nicht auf dem im
Tarifvertragsgesetz vorgegebenen Weg zwischen Koalitionen vereinbart werden.
166 Die Arbeitsvertragsrichtlinien entfalten somit auch keine normative Wirkung
wie Tarifverträge278, ihnen kann auch kirchenrechtlich keine normative Wirkung ver-
liehen werden.279 Sie können daher nur durch eine Inbezugnahme zur Grundlage
des Arbeitsverhältnisses werden. Da sie nur über die Inbezugnahme rechtswirksam
werden, wirken sie immer konstitutiv.280

III. Geltungsbereich

167 Die Selbstverwaltungsgarantie kommt nicht nur der verfassten Kirche und deren
selbständigen Teilen zugute, sondern allen Einrichtungen der Kirche, unabhängig von
der Rechtsform, in der sie betrieben werden. Auch von der Kirche getragene karita-
tive oder erzieherische Einrichtungen sind hiervon erfasst281 und werden deshalb
nach § 118 Abs. 2 BetrVG (§ 130 BetrVG für die verfasste Kirche als Körperschaft des
öffentlichen Rechts) auch aus dem Anwendungsbereich des Betriebsverfassungsge-
setzes und nach § 112 BPersVG bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Regelun-

276 BVerfG, Beschl. v. 15.7.2015 – 2 BvR 2292/13, NZA 2015, 1117, 1118, 1121 Rn 75 ff.
277 Schaub/Linck, § 185 II., Rn 7; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 14 Rn 4, 13.
278 BAG, Urt. v. 19.4.2012 – 6 AZR 677/10, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 69.
279 BAG, Urt. v. 16.2.2012 − 6 AZR 573/10, NZA 2012, 1054, Rn 17; BAG, Urt. v. 24.6.2014 – 1 AZR 1044/12,
BeckRS 2014, 73230; a. A. Richardi, § 15, Rn 68 ff.
280 BAG, Urt. v. 22.2.2012 – 4 AZR 24/10, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 109.
281 BVerfG, Beschl. v. 25.3.1980 – 2 BvR 208/76, NJW 1980, 1895; BVerfG, Beschl. v. 4.6.1985 – 2 BvR
1703/83, 2 BvR 1718/83, 2 BvR 856/84, NJW 1986,367; BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA
2014, 1387, Rn 92.

Dörring
J. Kirchenrecht 409

gen aus dem Anwendungsbereich der Personalvertretungsgesetze ausgeklammert.282


Die Kirche muss hierbei allerdings einen tatsächlich herrschenden Einfluss auf die
jeweilige Einrichtung ausüben. Ob eine Einrichtung karitative oder erzieherische
Zwecke erfüllt, bestimmt sich nach dem Selbstverständnis der Kirche. Staatliche
Gerichte können nur überprüfen, ob die angegebene Zwecksetzung verfolgt wird.283
Es muss aber eine institutionelle Verbindung zwischen der Religionsgemeinschaft
und der Einrichtung gegeben sein, auf deren Grundlage die Religionsgemeinschaft
über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeiten verfügt. Nur hierdurch ist auf Dauer
eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit ihren Vorstel-
lungen gewährleistet.284 Die bloße Mitgliedschaft in einer Einrichtung, z. B. in karita-
tiven Einrichtungen, ist nicht ausreichend.285

IV. Einbeziehungskontrolle der Bezugnahme nach §§ 305 ff. BGB

Die Inbezugnahme der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) erfolgt in der Regel durch 168
eine dynamische Verweisung wie folgt:

Klauselmuster
Für die Rechte und Pflichten gegenüber der Stiftung … gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) in
Anstalten und Einrichtungen, die dem Diakonischen Werk – Innere Mission und Hilfswerk – der evan-
gelischen Kirche in Deutschland angeschlossen sind, in der jeweiligen Fassung.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung von BGH 169


und BAG ihrem objektiven Sinn und typischen Erklärungsgehalt nach so auszule-
gen, wie sie redliche und verständige Vertragspartner unter Abwägung der norma-
lerweise tangierten Geschäftskreise zu verstehen haben.286 Mit einer Inbezugnahme
von Arbeitsvertragsrichtlinien einer Kirche erfassen solche Verweisungen auch deren
Änderungen und Ersetzungen, die auf Grund des entsprechenden Kirchengesetzes
nach Maßgabe eines Arbeitsrechtsregelungsgesetzes durch den Beschluss einer pari-
tätisch besetzten Kommission konstituiert worden sind und die dazu gehörigen Ver-
fahrensvorschriften.287

282 Ausführlich hierzu Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 3 II.3,. Rn 8 ff.


283 BAG, Beschl. v. 23.10.2002 – 7 ABR 59/01, NZA 2004, 334.
284 BAG, Beschl. v. 5.12.2007 – 7 ABR 72/06, NZA 2008, 653; Reichold, NZA 2009, 1377, 1378.
285 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, Rn 91.
286 BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, BKR 2014, 415, Rn 34; BAG, Urt. v. 17.6.2014 – 3 AZR 527/11,
AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 52, Rn 24.
287 BAG, Urt. v. 18.9.2009 – 4 AZR 493/08, NJOZ 2010, 1303; BAG, Urt. v. 16.2.2012 − 6 AZR 573/10, NZA
2012, 1054; BAG, Urt. v. 28. 6. 2012 − 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440.

Dörring
410 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

1. AGB-Kontrolle der Inbezugnahme kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien


170 Bei der Inbezugnahme kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien ist unstrittig, dass die
Verweisungsklausel selbst eine Allgemeine Geschäftsbedingung nach §§ 305 ff. BGB
darstellt und insoweit einer AGB-Kontrolle unterliegt. Arbeitsvertragliche Bezugnah-
meklauseln werden vom kirchlichen Arbeitgeber als Vertragsbedingungen eingeführt,
um die Arbeitsvertragsrichtlinien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses zu machen.
171 Sie sind nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner
entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise benach-
teiligen. Eine solche Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auch
daraus ergeben, dass eine solche Bestimmung nicht klar verständlich ist. Werden
Arbeitsvertragsrichtlinien in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug genommen, so ergibt
sich aus der Dynamik keine Unklarheit. Dynamische Klauseln sind im Arbeitsrecht
gerade die typische Form der Inbezugnahme und tragen der Zukunftsgerichtetheit
des Arbeitsverhältnisses Rechnung.288 Arbeitnehmer sind nach § 3 Satz 2 NachwG
über Änderungen eines in Bezug genommenen Tarifvertrages nicht zu unterrichten.
Bei Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen handelt es sich um „ähnliche Regelungen“
i. S. d. § 3 Satz 2 NachwG, die von der Nachweispflicht erfasst sind.289
172 Eine Verweisung auf Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen ist auch nicht über-
raschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB oder unklar nach § 305c Abs. 2 BGB. Ein
Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber schließt,
hat davon auszugehen, dass sein Vertragspartner das spezifisch kirchlich-diakoni-
sche Arbeitsvertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeits-
verhältnisses macht.290

2. AGB-Kontrolle der Arbeitsvertragsrichtlinien


173 Strittig ist, ob die Arbeitsvertragsrichtlinien, die von paritätischen unabhängigen
Kommissionen der Kirchen erarbeitet wurden, als Allgemeine Geschäftsbedingungen
einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB zu unterziehen sind. Das BAG ging in der
Vergangenheit davon aus, dass es sich nicht um Allgemeine Geschäftsbedingun-
gen des Verwenders handelt und begründet dies damit, dass es sich bei der Arbeits-
rechtlichen Kommission, die die Arbeitsvertragsrichtlinien verabschiedet, um einen
vom Arbeitgeber unabhängigen „Dritten“ im Sinne des § 317 BGB handele, dem man
das Leistungsbestimmungsrecht zur Festsetzung von Leistung und Gegenleistung

288 BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154, Rn 31; BAG, Urt. v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07,
NZA-RR 2010, 7; BAG, Urt. v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; Wiedemann/Oetker, § 3 TVG, Rn
294; Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 305c, Rn 44; Schaub/Linck, § 32, Rn 47a; Thüsing/Lambrich,
NZA 2002, 1361, 1364; Diehn, NZA 2004, 129, 134 f.
289 BAG, Urt. v. 14.1.2004 – 4 AZR 10/03, NJOZ 2004, 3643, III.
290 BAG, Urt. v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, NJOZ 2009, 1303, Rn 21b.

Dörring
J. Kirchenrecht 411

übertragen habe. Die Arbeitsvertragsrichtlinien seien somit keine vom Verwender,


sondern von einem unabhängigen Dritten zu Grunde gelegten Vertragsbedingungen,
auf die das AGB Recht keine Anwendung finden könne.291
Hierbei wurde verkannt, dass das Zustandekommen der Arbeitsvertragsricht- 174
linien nichts über deren Rechtsqualität aussagt. Um vom Verwender gestellte All-
gemeine Geschäftsbedingungen handelt es sich auch, wenn ein Tarifvertrag oder
Regelungswerke externer Dritter in Bezug genommen werden.292 Fraglich ist, ob es
sich bei der Arbeitsrechtlichen Kommission um einen „Dritten“ im Sinne des § 317
BGB handelt. § 317 BGB unterwirft das Leistungsbestimmungsrecht durch einen
Dritten nur einer Billigkeitskontrolle, weil man hier davon ausgeht, dass ein von
den Parteien unabhängiger Dritter entscheidet. Dies ist bei der Arbeitsrechtlichen
Kommission eben nicht der Fall. Diese setzt sich aus Vertretern beider Parteien
zusammen. „Die Bestimmung der Leistung erfolgt also hier nicht im Vertrauen auf
die Redlichkeit eines Dritten und dessen ausgewogenem Urteil, sondern im Vertrauen
auf die Ausgewogenheit des Verhandlungsprozesses.“293 Eine Leistungsbestimmung
durch einen Dritten liegt zudem nur dann vor, wenn der Dritte an Stelle der Parteien
im Einzelfall entscheiden soll. Die vertragliche Bezugnahme auf eine bereits getrof-
fene Entscheidung eines Dritten ist dagegen keine Leistungsbestimmung durch einen
Dritten i. S. d. § 317 BGB.294
Das BAG hat daher seiner Logik folgend die in Bezug genommenen Arbeitsver- 175
tragsrichtlinien keiner Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB, sondern einer Billigkeits-
kontrolle nach § 319 BGB unterzogen. Dies führt statt zu einer Rechtskontrolle zu
einer einzelfallbezogenen Billigkeitskontrolle. Ein solcher Maßstab kann auf kollek-
tivrechtliche Regelungen im Arbeitsrecht prinzipiell keine Anwendung finden, weil
man unter Zugrundelegung der unterschiedlichen Interessen der Parteien in jedem
Einzelfall zu unterschiedlichen Auslegungen der gleichen Arbeitsvertragsrichtlinien
gelangen würde. Diese sind aber als Kollektivregelungen wie Gesetze und Tarifver-
träge auszulegen295 und gerade darauf angelegt, einheitliche Arbeitsbedingungen zu
gewährleisten.
Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass auf Grund der verfassungsrecht- 176
lichen Selbstbestimmungsgarantie nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV das
Beteiligungsmodell der Kirchen für die Arbeitnehmer über den „Dritten Weg“ auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei.

291 zuletzt BAG, Urt. v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 1275, Rn 39 ff; BAG, Urt. v. 10.12.2008 – 4
AZR 801/07, NZA-RR 2009, 7 Rn 58 ff; BAG, Urt. v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, NJOZ 2010,1303 Rn 37.
292 von Hoyningen-Huene/van Endern, Anm. zu AP § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 2c.
293 Thüsing, Anmerkung zu BAG, Urt. v. 17.04.1996 – 10 AZR 558/95, AP BGB § 611 Kirchendienst
Nr. 24, III.1.; Hoyningen-Huene/van Endern, Anm. zu AP § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 4a.
294 Staudinger, Rieble, § 317 BGB, Rn 31; Soergel/Wolf, § 317 BGB, Rn 5.
295 BAG, Urt. v. 24.6.2014 – 1 AZR 1044/12, Rn 19.

Dörring
412 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

177 Anders als Tarifverträge sind die Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen als
Bezugnahmeobjekte nicht nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer Inhaltskontrolle
nach den §§ 307 ff BGB kraft Gesetzes ausgenommen. In der Vergangenheit hat das
BAG die Auffassung vertreten, dass eine Inhaltskontrolle in Bezug genommener
Arbeitsvertragsrichtlinien dann unterbleiben kann, wenn die Arbeitsvertragsricht-
linien tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit deren
wesentlichen Inhalt übernehmen.296 Dies wurde von einem Teil der Literatur darauf
gestützt, dass bei der Prüfung, ob die Arbeitsvertragsrichtlinien angemessen nach
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind, diese als arbeitsrechtliche Besonderheit nach § 310 Abs. 4
Satz 2 BGB als angemessene Regelung anerkannt wurden.297 Ein anderer Teil der Lite-
ratur begründete dies mit der Selbstverwaltungsgarantie der Religionsgemeinschaf-
ten nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV und über den Gleichbehandlungs-
grundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG mit einer erweiternden Auslegung von § 310 Abs. 4
Satz 1 BGB.298 Diese Ansicht ist abzulehnen, da dem Gesetzgeber sehr wohl bewusst
war, dass es die Arbeitsvertragsrichtlinien als kollektivrechtliche Reglungen eigener
Art gibt und er bewusst davon Abstand genommen hat, sie wie Tarifverträge von einer
Inhaltskontrolle nach dem AGB – Recht auszunehmen.299 Der Gesetzgeber hat auch
bewusst bei bestimmten arbeitsrechtlichen Regelungen den Tarifvertragsparteien die
Möglichkeit einer Änderung gegeben, welche den paritätischen Kommissionen der
Kirchen nicht eingeräumt wird.300
178 Das BAG hat mittlerweile mit der Entscheidung des 6. Senats vom 22.7.2010 eine
Kehrtwendung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung vollzogen und ein Stück
weit auf die Kritik aus der Literatur reagiert. Es vertritt nunmehr die Auffassung, dass
die Arbeitsvertragsrichtlinien als Allgemeine Geschäftsbedingungen vom Arbeitge-
ber in den Vertrag eingeführt werden und damit grundsätzlich einer Inhaltskontrolle
nach §§ 307 ff. BGB zu unterziehen sind. Bei dieser Kontrolle sei als arbeitsrechtliche
Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien im Verfahren
des Dritten Weges durch eine vom Arbeitgeber unabhängige paritätisch besetzte Kom-
mission geschaffen wurden. Sie seien unabhängig davon, ob sie ähnliche Regelungen

296 BAG, Urt. v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872, Rn 23; BAG, Urt. v. 19.11.2009 – 6 AZR
561/08, NZA 2010, 583, Rn 11; Hümmerich/Reufels/Reufels § 1 Rn 180; HWK/Gotthardt, § 310 BGB Rn
18.
297 Däubler/Bonin/Deinert/Däubler, § 310 BGB, Rn 41; Deinert, ZTR 2005, 461, 476; HWK/Gottwald,
§ 310 BGB, Rn18; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn 123.
298 Hoyningen-Huene, FS Richardi, 909, 923; Müller Vorbehr, NZA 2002,301, 304; Ritter, NZA 2005,
447, 448 f.; von Tilling, NZA 2007, 78, 79; Richardi, § 15, Rn 14, Rn 44.
299 Däubler, NZA 2001, 1329, 1334; Hümmerich/Reufels/Reufels § 1 Rn 180; BT-Drucks. 14/7052, 189.
300 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 710/07, NZA 2009, 1377; Kritik, Rn 44. Däubler, NZA 2001, 1329,
1334; Hümmerich/Reufels/Reufels § 1 Rn180; BT-Drucks an dieser Entscheidung Joussen, RdA 2010,
182, 187 ff; Thüsing, BB 2009, 1928; zur Uneinheitlichkeit zu Kirchenrechtsklauseln insgesamt Richar-
di, § 8, Rn 12 ff.

Dörring
J. Kirchenrecht 413

wie Tarifverträge des öffentlichen Dienstes enthielten, nur darauf zu überprüfen, ob


sie gegen die Verfassung, höherrangiges Recht oder die guten Sitten verstoßen.301
Der 6. Senat hat in seiner Entscheidung allerdings deutlich gemacht, dass er, wie 179
der 4. Senat in seiner Entscheidung vom 10.12.2008 vom Grundsatz ausgeht, dass
Verträge die Vertragsparteien grundsätzlich binden (pacta sunt servanda) und durch
dynamische Klauseln Änderungsvorbehalte eingeführt werden, die immer dann einer
strengen Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB unterliegen, wenn sich der Arbeitgeber ein
einseitiges Änderungsrecht vorbehält.302 Die Klauseln enthalten ein Recht zur Ände-
rung des Vertrages, indem sie die Dynamik mit den Worten „in ihrer jeweils gültigen
Fassung“ zu Grunde legen.
Eine solche Möglichkeit der einseitigen Leistungsänderung durch den Ver- 180
wender einer allgemeinen Geschäftsbedingung ist nach § 308 Nr. 4 BGB rechtsunwirk-
sam, wenn der Arbeitgeber sich hierdurch das Recht vorbehält eine von ihm verspro-
chene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung
der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitge-
bers für den Arbeitnehmer zumutbar ist.
Entsprechende Änderungsvorbehalte in Klauseln führen nicht erst dann zu deren 181
Unwirksamkeit, wenn sie im Einzelfall zur Anwendung kommen, sondern bereits
dann, wenn sie dem Verwender, in diesem Fall dem kirchlichen Arbeitgeber, die
Möglichkeit einer einseitigen Änderung einräumen.303 Eine Klausel, die nicht nur die
von der Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossenen Arbeitsvertragsrichtlinien in
Bezug nimmt, sondern darüber hinaus durch die Inbezugnahme auch deren Verfah-
rensregelung mitumfasst, dürfte „dann zu weit gefasst und damit insgesamt unwirk-
sam sein“, wenn sie der Kirche über ein Letztentscheidungsrecht der Synode (evange-
lische Kirche) oder ein Letztentscheidungsrecht des Bischofs einräumt, Änderungen
in Kraft zu setzen.304 Eine solche Klausel ist sprachlich nicht teilbar und damit ins-
gesamt unwirksam. Der Senat verweist hier auf eine Entscheidung des 10. Senats zu
einem entsprechenden Änderungsvorbehalt außerhalb des Kirchenrechts, in welcher
der 10. Senat darauf aufmerksam gemacht hat, dass in Fällen, in denen der Verwender
nach der Novellierung des Schuldrechts die Unwirksamkeit seiner Klausel erkennen
musste und nicht durch Vertragsänderung reagiert hat, regelmäßig eine Anpassung
der Klausel im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung unzulässig sein dürfte.305
Die Kompetenz zur gesetzlichen Regelung von kollektivem Kirchenarbeitsrecht 182
und damit auch die Inkraftsetzung von Arbeitsvertragsrichtlinien steht den verfass-

301 BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55.
302 BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 17 ff; Preis, NZA 2010,
361, 362.
303 BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 18.
304 BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 18.
305 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428 Orientierungssatz 2.

Dörring
414 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

ten Kirchen als solchen zu, im katholischen Bereich dem jeweiligen Diözesanbischof,
im evangelischen Bereich der zuständigen Synode.306 Im Bereich der evangelischen
Kirche ist in § 3 des Arbeitsrechtsregelungsgesetzes der Evangelischen Kirche in
Deutschland (Arbeitsrechtsregelungsgesetz – ARRG-EKD) vom 10.11.1988 i. d. F.
vom 12.11.2014 geregelt, dass die Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission,
in Fällen der Anrufung des Schiedsausschusses dessen Entscheidung nach § 12 Abs. 6
ARRG-EKD verbindlich sind. Kirchenrechtlich besteht in diesem Fall keine Möglichkeit
der Synode, den Beschluss der Arbeitsrechtlichen Kommission oder des Schiedsaus-
schusses nicht umzusetzen. Teilweise haben sich aber im Bereich der evangelischen
Kirche die Träger satzungsrechtlich das Recht vorbehalten, zwischen verschiedenen
anwendbaren Arbeitsvertragsrichtlinien auszuwählen, welche sie anwenden. Ein
solches Optionsrecht verlagert die Entscheidung über die anwendbaren Arbeitsver-
tragsrichtlinien dann nicht mehr an eine unparteiische Arbeitsrechtskommission,
sondern an den Arbeitgeber und ist mit dem „Dritten Weg“ nicht vereinbar.307 Solche
Klauseln sind wegen des Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB rechtsunwirksam.
183 Die katholische Kirche hat die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungs-
gerichts vom 22.10.2014 zum Anlass genommen, die Grundrechtsordnung des kirch-
lichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (VVD Beschl. v. 27.4.2015)
und die Rahmenordnung für die Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsver-
tragsrechts (Rahmen-KODA-Ordnung) zu novellieren (VVD Beschl. v. 24.11.2014).308
Die Rahmen-KODA-Ordnung sieht in § 20 nach wie vor ein Letztentscheidungsrecht
des Bischofs vor, wenn ein Schlichtungsverfahren zu keinem Ergebnis geführt hat.
184 Richardi vertritt die Auffassung, dass entgegen der Ansicht des BAG von einem
„Zustimmungsverweigerungsrecht“ der Kirche auszugehen sei. Dieses könne die
Wirksamkeit der Bezugnahmeklausel nicht berühren, weil es im Falle der Ablehnung
einer Änderung beim bisherigen Vertragsinhalt bleibe.309 Dem kann nicht gefolgt
werden. Durch ein Letztentscheidungsrecht wird die Parität der Arbeitsrechtsrah-
menkommission ausgehebelt, da Entscheidungen bei drohender Kassation nicht oder
nicht in dieser Form getroffen werden können. Die Rechtsprechung hat völlig zu Recht
die Unabhängigkeit der Mitglieder der Arbeitsrechtskommission und die paritätische
Besetzung der Kommission zum Fundament der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit
des „Dritten Weges“ der Kirchen gemacht.310 Da das Streikrecht als Mittel der Kon-
fliktlösung im Dritten Weg ausgeschlossen werden kann, fordert die Rechtsprechung,

306 Dütz, NZA 2008, 1383, 1395; Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn 16 f.
307 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2012, 448, Rn 119.
308 Abrufbar unter http://www.dbk.de/ueber-uns/vdd/dokumente-vdd/; http://www.ekir.de/www/
ueber-uns/arbeitsrecht-die-wichtigsten-rechtsgrundlagen-9656.php.
309 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn 18.
310 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, Leitsatz, Rn 117; BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1
AZR 611/11, NZA 2013, 437, Orientierungssatz 2, Rn 56; ErfK/Schmidt, Art 4 GG, Rn 52; Deinert, ZTR
2005, 461, 466 ff.

Dörring
J. Kirchenrecht 415

dass durch die Ausgestaltung des Verhandlungsweges ein Konfliktlösungsmechanis-


mus geschaffen werden muss, der einen fairen Ausgleich der unterschiedlichen Inte-
ressen durch Verhandlungen garantiert. Dazu muss der Verhandlungsweg „darauf
angelegt sein, die strukturelle Verhandlungsschwäche der Dienstnehmer auszuglei-
chen. Paritätische Besetzungsregeln genügen hierfür allein nicht. Vielmehr bedarf
es weiterer Instrumente, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und
die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern.“311 Letztentscheidungsrechte
des Arbeitgebers entziehen dem „Dritten Weg“ seine rechtliche Grundlage. Es muss
sichergestellt sein, dass im Streitfall eine unabhängige paritätisch besetzte Schlich-
tungskommission entscheidet und deren Entscheidung als verbindlich anerkannt
wird.312
Daher kann auch nicht der Entscheidung des BAG gefolgt werden, in welcher 185
das BAG die Auffassung vertritt, dass im Falle der Rechtsunwirksamkeit der Verwei-
sungsklausel auf die Arbeitsvertragsrichtlinien durch den Wegfall der Klausel eine
Vertragslücke auftreten würde, die dann im Wege der ergänzenden Vertragsausle-
gung dahingehend zu schließen sei, dass die Parteien bei Kenntnis der Lücke die
bestehenden Arbeitsvertragsrichtlinien für den Arbeitsvertrag als verbindlich geregelt
hätten.313 Das BAG geht davon aus, dass ein Beschluss der Arbeitsrechtskommission
in der Vergangenheit ordnungsgemäß zu Stande gekommen sei, wenn die Synode
oder der Bischof von ihrem Letztentscheidungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.
Hiergegen hat der 6. Senat in seiner Entscheidung vom 22.7.2010 zutreffend darauf
hingewiesen, dass es bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit einer Klausel nicht
darauf ankommt, ob im Einzelfall eine für den Arbeitnehmer nicht zumutbare Ände-
rung des Arbeitsvertrages eingetreten ist, sondern ob die Klausel selbst die Möglich-
keit eines Änderungsvorbehaltes durch den Arbeitgeber hat.314 Die Kirchen haben die
Möglichkeit durch die Änderung der Rahmen-KODA-Ordnung oder des Kirchengeset-
zes klarzustellen, dass die Arbeitsrechtliche Kommission und im Falle der Nichteini-
gung eine Schlichtungsstelle verbindlich entscheidet.
Zusammenfassend kann der durch den 6. Senat eingeleiteten Rechtsprechungs- 186
änderung mit den notwendigen Klarstellungen zur verfahrensrechtlichen Ausgestal-
tung des „Dritten Wegs“ durch die Urteile des BAG vom 20.11.2012 gefolgt werden.
Auf der Rechtsfolgenseite führt eine gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoßende Klausel, 187
dass der Arbeitnehmer sich jederzeit auf die Unwirksamkeit der Klausel als Verwen-
der berufen kann. Dies folgt aus dem Zweck des AGB-Rechts den Verbraucher vor den

311 BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2012, 448, Leitsatz, Rn 117.
312 ErfK/Schmidt, Art 4 GG, Rn 55; BAG, Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 611/11, NZA 2013, 437, Rn 60; BAG,
Urt. v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448, Leitsatz, Rn 119; Krause, JA 2013, 944; Joussen, Anm.
AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 179 II.2., III.2.c); ders. bereits NZA 2007, 730, 733 ff mit dem Vorschlag
der Zwangsschlichtung im Streitfall.
313 BAG, Urt. v. 28. 6. 2012 − 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440, Rn 43 ff.
314 BAG, Urt. v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 55, Rn 18.

Dörring
416 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

Gefahren der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den


Verwender zu schützen.315 Hieraus ergibt sich, dass der Verwender sich nicht auf die
Unwirksamkeit seiner eigenen Klausel berufen kann.316 Das BAG hat in Bezug auf die
Unwirksamkeit der Klausel wegen des durch die Kirche vorbehaltenen Letztentschei-
dungsrechts noch nicht ausdrücklich entschieden, ob es an seiner früheren Recht-
sprechung festhalten will. Sollte die Klausel unwirksam sein, so sei die eintretende
Regelungslücke durch ergänzende Vertragsauslegung dahingehend zu schließen sei,
dass nur solche Änderungen von der Unwirksamkeit erfasst würden, die nicht durch
alleinigen Beschluss der paritätisch besetzten Kommission herbeigeführt wurden.317
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die Argumentation des BAG wider-
legt sich selbst, wenn man sie vom Ansatz her umgekehrt formuliert: Unwirksam
sind nur solche Änderungen, die durch das Letztentscheidungsrecht des Bischoffs
herbeigeführt werden. Der Bischoff jedoch kann eigenständig ohne die Kommission
keine Arbeitsvertragsrichtlinien in Kraft setzen, sondern umgekehrt nur von der
Kommission beschlossene Änderungen nicht in Kraft setzen.318 Er kann folglich nicht
gestalten, sondern nur verhindern. Hieraus zu schließen, dass der Bischoff keine Ver-
tragsänderung nach § 308 Nr. 4 BGB selbst in die Wege leiten kann, ist verfehlt.319 Ein
Vetorecht zur Blockade notwendiger Änderungen versetzt den einen Teil in eine Posi-
tion von der anderen Seite Entgegenkommen verlangen zu können und hebelt damit
paritätische Entscheidungen aus. Hieraus ergibt sich, dass es gerade auch in diesem
Fall bei der BAG und BGH vertretene Grundsatzposition zu verbleiben hat, wonach
sich der Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen kann, nicht jedoch
der Arbeitgeber als Verwender.
188 Bei Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirche handelt es sich um Allgemeine
Geschäftsbedingungen. Als arbeitsrechtliche Besonderheit nach § 310 Abs. 4 Satz 3
BGB ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren des Dritten Weges mit paritätischer
Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission und Weisungsungebundenheit
ihrer Mitglieder gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interes-
sen durchsetzen kann, wenn diese ordnungsgemäß zu Stande gekommen sind. Die
Arbeitsvertragsrichtlinien sind ordnungsgemäß zu Stande gekommen, wenn es
sich beim Verwender um eine Kirche oder einen dem Selbstverwaltungsrecht der
Kirche unterfallenden Rechtsträger handelt. Die Arbeitsrechtlichen Kommissionen
müssen paritätisch besetzt sein. Vertreter der Gewerkschaften sind organisato-

315 Stoffels, Rn 601


316 Schaub/Linck, § 35 Rn 51a; MüKo-BGB/Basedow, § 306 Rn. 19; Ermann/Roloff, § 306 Rn 16; BAG,
Urt. v. 27. 10. 2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257; BGH, Urt.v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568; a. A.
Staudinger/Coester § 306 Rn. 20c;
317 BAG, Urt. v. 28. 6. 2012 − 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440, Rn 41 ff; ebenso Richardi, Arbeitsrecht in
der Kirche, § 15 Rn 18.
318 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn 18.
319 Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, § 15 Rn 18.

Dörring
J. Kirchenrecht 417

risch in die Kommission mit einzubinden. Das Verfahren muss jederzeit von jeder
Seite einberufen werden können. Im Falle einer Nichteinigung muss ein Schlich-
tungsverfahren vorgesehen werden. Die Schlichtungsstelle muss von einem Vorsit-
zenden geleitet werden, dessen Bestellungsverfahren seine Unabhängigkeit und
Neutralität gewährleistet. Die Beschlüsse der Kommission oder der Schlichtungs-
stelle müssen für beide Seiten verbindlich sein. Ein Letztentscheidungsrecht
zur Umsetzung dieser Beschlüsse muss ausgeschlossen sein. Die auf diesem Weg
beschlossenen Arbeitsvertragsrichtlinien sind nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen
die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten
verstoßen.
Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, unterliegen die in Bezug genommenen 189
Arbeitsvertragsrichtlinien einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB. Für die Vergan-
genheit sollte Vertrauensschutz dahingehend gewährt werden, dass Bezugnahmen
auf die bestehenden Arbeitsvertragsrichtlinien als rechtswirksam angesehen werden.
Für die Formulierung künftig abzuschließender Arbeitsverträge kann es bei einem
Letztentscheidungsrecht der Schiedsstelle bei Satz 1 des Formulierungsvorschlages
verbleiben, wenn satzungsrechtlich oder kirchengesetzlich verbindlich die Koppelung
an Arbeitsvertragsrichtlinien nur an die Entscheidung der zuständigen Kommission
vereinbart wurden. Ist dies nicht gegeben, sollte den hier formulierten rechtlichen
Bedenken Rechnung getragen werden, indem auf die bestehenden Arbeitsvertrags-
richtlinien verwiesen wird und künftige Änderungen vom Vorliegen der gesetzlichen
Voraussetzung des § 308 Nr. 4 BGB und deren Feststellung durch das Schiedsgericht
der Arbeitsrechtskommission mit beschlussfähiger Mehrheit der Stimmen abhängig
gemacht wird.

Klauselmuster
Für das Dienstverhältnis gelten die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deut-
schen Caritasverbandes“/der Diakonie (AVR) in ihrer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen
Fassung. Dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die AVR gegeben.
Änderungen der AVR gelten bei einem Letztentscheidungsrecht des Bischofs, wenn die Änderung der
Leistungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den Arbeitnehmer zumutbar
war. Sie ist zumutbar, wenn im Streitfall die Schiedskommission der Arbeitsrechtskommission dies
mit beschlussfähiger Mehrheit festgestellt hat.

3. Betriebsübergang und Ausgliederung


Auch nach einem Betriebsübergang oder einer Ausgliederung eines Rechtsträ- 190
gers aus dem Trägerkreis, der institutionell von der Anwendung einer bestimmten
kirchenrechtlichen Regelung erfasst wird, wird die einzelvertragliche Bindung an

Dörring
418 Kapitel 10 Bezugnahmeklauseln im Arbeitsrecht

das kirchliche Regelungswerk nicht aufgehoben.320 Wechselt eine Einrichtung aus


dem Bereich der verfassten Kirche in die Diakonie, so führt dies nicht dazu, dass
die inhaltlich anders ausgestalteten Arbeitsvertragsrichtlinien der Diakonie eo ipso
Geltung beanspruchen könnten. Die Arbeitsvertragsrichtlinien wirken nur über die
einzelvertragliche Bezugnahme. Im vorliegenden Fall also bleibt es dabei, dass die
Arbeitsvertragsrichtlinien der verfassten Kirche nach einem Wechsel der Einrichtung
in die Diakonie weiterhin gelten.321 Im streitbefangenen Fall wurde auf die Arbeitsver-
tragsrichtlinien mit der folgenden Klausel Bezug genommen: “Für das Dienstverhält-
nis gelten das Gemeinsame Mitarbeitergesetz vom 14.3.1978 und die Dienstvertrags-
ordnung vom 16.05.1983 in der jeweils geltenden Fassung.“ Das BAG geht zutreffend
davon aus, dass es sich bei Arbeitsvertragsrichtlinien der Kirchen funktional um
Kollektivrechtsvereinbarungen handelt, die einzelvertraglich in Bezug genommen
werden. Diese sind, weil sie kollektive Geltung beanspruchen, wie Tarifverträge aus-
zulegen. „Danach ist vom Wortlaut der kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen auszuge-
hen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften.
Der wirkliche Wille der kirchlichen Normgeber und damit der von ihnen beabsich-
tigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den
kirchlichen Vorschriften Niederschlag gefunden haben. Schließlich ist auch auf den
systematischen Zusammenhang abzustellen“. Bezugnahmeklauseln auf die Bestim-
mungen des kirchlichen Arbeitsrechts sind grundsätzlich darauf ausgerichtet, dem
„kirchlichen Arbeitsrecht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis umfassend Geltung“
zu verschaffen.“322
191 Wurde in einem Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Träger bewusst der Tarif-
vertrag des öffentlichen Dienstes (BAT) dynamisch in Bezug genommen und nicht
die kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien, so ist die durch die Überleitung des BAT
auf den TVöD entstandene Tarifvertragslücke im Wege der ergänzenden Vertragsaus-
legung zu schließen. In diesem Fall hätten die Parteien den Nachfolgetarifvertrag
zum BAT, den TVöD, in Bezug genommen, auch wenn der Arbeitgeber satzungsrecht-
lich verpflichtet ist, die kirchenrechtlichen Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden.323
Werden von Kirchengemeinden Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in Bezug
genommen, so führt eine Inbezugnahme des BAT nicht dazu, dass auch ergänzende
Tarifverträge, wie der TV ATZ des öffentlichen Dienstes automatisch ebenfalls mit in
Bezug genommen werden. Sie werden nur dann Inhalt des Arbeitsvertrages, wenn
Ihre Inbezugnahme ausdrücklich vereinbart wird.

320 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, NZA 2012, 1054.


321 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, NZA 2012, 1054, Orientierungssatz 4.
322 BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, NZA 2012, 1054, Rn 21, Rn 29.
323 BAG, Urt. v. 12.12.2012 – 4 AZR 65/11, ArbRAktuell 2013, 368.

Dörring
Kapitel 11
Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH
und AG

A. D
 er GmbH-Geschäftsführer-Vertrag

I. Die Stellung des GmbH-Geschäftsführers in der Gesellschaft

1. Doppelstellung des Geschäftsführers


Der Geschäftsführer einer GmbH steht in einer Doppelstellung: Er ist zum einen 1
Organ der Gesellschaft und damit als deren Vertreter befugt, die Gesellschaft nach
außen im gesamten Rechts- und Geschäftsverkehr zu vertreten. Der Geschäftsfüh-
rer wird daneben aber regelmäßig auch als Angestellter der Gesellschaft im Rahmen
eines Dienstverhältnisses zur GmbH tätig.1 Die Anstellung behandelt also das schuld-
rechtliche Vertragsverhältnis zwischen GmbH und Geschäftsführer.

a) Geschäftsführer als Handlungsorgan


Der Geschäftsführer ist das ausführende Organ, mit welchem die Gesellschaft nach 2
außen hin tätig wird. Er vertritt die Gesellschaft im gesamten Rechts- und Geschäfts-
verkehr und wird Dienstherr der Arbeitnehmer der GmbH. Er schließt die Verträge
mit den Kunden und Lieferanten und nimmt die Rechte der Gesellschaft gegenüber
Behörden wahr, während er andererseits als gesetzlicher Vertreter der GmbH auch
deren Pflichten zu erfüllen hat, insbesondere die steuerlichen Pflichten gegenüber
dem Fiskus. Diese umfassende Vertretungsbefugnis kann nach außen, gegenüber
Dritten, weder durch Gesellschaftsvertrag noch durch Vereinbarung zwischen GmbH
und Geschäftsführer beschränkt werden.
Die Bestellung des Geschäftsführers erfolgt regelmäßig durch Beschluss der 3
Gesellschafterversammlung und wird wirksam mit Zugang der Bestellungserklärung
an den berufenen Geschäftsführer sowie dessen Annahme. Ab diesem Zeitpunkt
kann der Geschäftsführer nach außen als gesetzlicher Vertreter für die GmbH tätig

1 Zur heute herrschenden Trennungstheorie vgl. zuletzt etwa BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06 –
NZA 2008, 168; BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02 – NJW 2003, 351; BGH, Urt. v. 26.6.1995 – II ZR
109/94 – ZIP 1995, 1334; BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 182/79 – NJW 1981, 757; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II
ZR 161/79 – NJW 1980, 2415; BGH, Urt. v. 7.12.1961 – II ZR 117/60 – BGHZ 36, 142; BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II
ZR 126/52 – BGHZ 10, 187; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 12 ff.; sowie zu deren Fol-
gen Seibt, NJW-Spezial 2004, 123; Grobys, NJW-Spezial 2005, 513; a. A. Einheitstheorie: Hachenburg/
Schilling, § 35 GmbHG Rn 40, jeweils m. w. N.

Reiserer/Polczynski
420 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

werden. Die gesetzlich vorgeschriebene Eintragung in das Handelsregister hat nur


deklaratorische Wirkung.

b) Geschäftsführer als Angestellter der GmbH


4 Die Anstellung des Geschäftsführers betrifft dagegen das Innenverhältnis, also das
der Geschäftsführung zugrunde liegende Vertragsverhältnis des Geschäftsführers zur
GmbH. Während die Bestellung zum gesetzlichen Organ der Gesellschaft nach den
Regeln des GmbH-Rechts erfolgt, unterliegt die Anstellung des Geschäftsführers den
Bestimmungen des Schuldrechts. Im Normalfall ist eine entgeltliche Dienstleistung
gegeben, deren Tätigkeits- und Vergütungsbedingungen im Rahmen eines zwischen
der Gesellschaft und dem Geschäftsführer zu schließenden Anstellungsvertrages
geregelt werden.

2. Der GmbH-Geschäftsführer – ein Arbeitnehmer?


5 Während die Rechte und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers als Organ der Gesell-
schaft im Gesellschaftsrecht im Wesentlichen gesetzlich bestimmt sind, fehlen ent-
sprechende Regelungen des Gesetzgebers zur rechtlichen Einordnung der internen
Rechtsbeziehung des Geschäftsführers zur GmbH, dem Anstellungsverhältnis. Insbe-
sondere hat der Gesetzgeber bisher keine Aussage getroffen, ob der angestellte GmbH-
Geschäftsführer als Arbeitnehmer i. S. d. arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften
anzusehen ist. Nur vereinzelt und einseitig befassen sich Normen des Arbeitsrechts
mit dem Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers. So hat der Gesetzgeber
den GmbH-Geschäftsführer an einigen Stellen von der Geltung arbeitsrechtlicher
Schutzvorschriften ausgeschlossen. Dies gilt für §§ 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, 14 Abs. 1
Nr. 1 und 17 Abs. 5 Nr. 1 KSchG2, 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sowie 1 Abs. 3 Nr. 1 VermBG.
Die Klärung der Frage nach der allgemeinen arbeitsrechtlichen Stellung des GmbH-
Geschäftsführers ist im Übrigen damit bisher der Rechtsprechung und dem wissen-
schaftlichen Schrifttum3 vorbehalten.
6 Gedanklicher Ansatzpunkt für die Befürworter der Arbeitnehmereigenschaft
zumindest des Fremdgeschäftsführers sowie des von den Gesellschaftern abhängi-
gen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers war bisher regelmäßig das Argu-
ment, dass sich die persönliche Lage und die soziale Stellung des Geschäftsführers
nicht allzu deutlich von der eines leitenden Angestellten unterscheidet.4 Auch wurde

2 Zur Anwendung allgemeiner Kündigungsschutzvorschriften auf Anstellungsverträge mit Geschäfts-


führern vgl. Rn 186 ff.
3 Vgl. etwa Schulze/Hintzen, ARbRAktuell 2012, 263; Schrader/Hilgenstock, ArbRAktuell 2011, 370;
Schrader, DB 2005, 1457.
4 Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 263, 264.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 421

immer wieder der Vergleich mit dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht heran-
gezogen, um die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers, der keine oder nur
wenig Anteile an der Gesellschaft hat, zu begründen.
In der Rechtsprechung des BGH galt es dagegen bisher als eindeutig, dass das 7
Dienstverhältnis des Geschäftsführers kein Arbeitsverhältnis ist.5 Aus arbeitsrecht-
licher Sicht steht vielmehr der Geschäftsführer für die GmbH selbst und nimmt als
oberste Leitungsmacht Arbeitgeberfunktionen wahr.
Erstmalig hat das BAG in einem Urteil vom 26.5.19996 – bestätigt in einer neueren 8
Entscheidung vom 25.10.20077 – ausdrücklich festgestellt, dass das Dienstverhältnis
eines GmbH-Geschäftsführers auch ein Arbeitsverhältnis sein kann. Dies beurteile
sich insbesondere danach, ob der Geschäftsführer „arbeitsbegleitende oder verfah-
rensorientierte Weisungen“ erhalte. Auf den Umfang der Vertretungsmacht soll es
nach Meinung des BAG dagegen nicht ankommen. Damit hat der Senat für den Anstel-
lungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers erstmals auf Kriterien zurückgegriffen, die
bisher nur zur Beurteilung freier Mitarbeiterverhältnisse herangezogen worden sind.8
In einer weiteren Entscheidung vom 23.1.20039 hat der BGH einer differenzieren- 9
den Betrachtungsweise bei der Anwendung der arbeits- und sozialrechtlichen Rege-
lungen auf Geschäftsführer einer GmbH soweit zugestimmt, als ihr die Einschätzung
zugrunde liegt, dass der Geschäftsführer sich typischerweise in einer Doppelrolle
befinde und es maßgeblich von dem Umfang seiner Beteiligung an dem Unterneh-
men, der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sowie dem Inhalt des Anstel-
lungsvertrages abhängt, ob seine Rolle als „konkreter Prinzipal“10 oder als arbeit-
nehmerähnliche Person im Vordergrund stehe.
Zur Frage des Arbeitnehmerstatus hat sich schließlich auch der EuGH in 10
einer neueren Entscheidung vom 11.11.2010 geäußert.11 In dem der Entscheidung

5 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 120/83 – NJW
1984, 2528; BGH, Urt. v. 11.5.1981 – II ZR 126/80 – NJW 1981, 2748; BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52 –
NJW 1953, 1465; Reiserer, EWiR 2003, 1171; Hümmerich, NJW 1995, 1177, 1178; für den stellvertretenden
Geschäftsführer: BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 – NZA 1999, 987; für den Geschäftsführer einer
Vor-GmbH: BAG, Beschl. v. 13.5.1996 – 5 AZB 27/95 – NJW 1996, 2678; für den Geschäftsführer, dessen
Bestellung unterblieben ist: BAG, Beschl. v. 25.6.1997 – 5 AZB 41/96 – GmbHR 1997, 837; sowie die aus-
führliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen bei Hueck, ZfA 1985, 25.
6 BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 – NZA 1999, 987; kritisch hierzu Reiserer, DStR 2000, 31, 32;
a. A.: BGH, Urt. v. 10.1.2000 – II ZR 251/98 – NZA 2000, 376; LAG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2001 – 12 Sa
1761/00 – LAGE § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 43; OLG Frankfurt, Urt. v. 6.6.2005 – 18 U 140/04,
n. v.
7 BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06 – NZA 2008, 168.
8 Ausführlich hierzu Reiserer, DStR 2000, 31; zu den allgemeinen Abgrenzungskriterien zwischen
Dienst- und Arbeitsverhältnis Reiserer, BB 1998, 1258; dies., BB 2000, 94.
9 BGH, Urt. v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02 – NZA 2003, 439.
10 Vgl. RGZ 120, 300, 303.
11 EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 – Danosa; dazu Anm. Reiserer, DB 2011, 2262.

Reiserer/Polczynski
422 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die ordentliche Kündigung einer GmbH-


Geschäftsführerin, die sich auf besonderen Kündigungsschutz wegen bestehender
Schwangerschaft stützte. Mit dem Urteil vom 11.11.2010 hat der EuGH den Schutz vor
schwangerschaftsbedingter Diskriminierung auf die Vertretungsorgane von Kapital-
gesellschaften ausgedehnt und diese gleichzeitig bei hinreichender Weisungsabhän-
gigkeit dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unterstellt.12
11 Für die Praxis könnte die Rechtsprechung des BGH vom 23.1.200313 und vor allem
die Danosa-Entscheidung des EuGH14 gravierende Folgen haben. Ähnlich wie bei der
Beauftragung von freien Mitarbeitern muss die Gesellschaft in Zukunft auch im Ver-
hältnis zu ihrem Geschäftsführer darauf achten, dass die Vertragsgestaltung keine
arbeitsrechtlichen Weisungsmöglichkeiten enthält. Zahlreiche Abgrenzungskrite-
rien, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind, um die persönliche Abhän-
gigkeit festzustellen und um damit zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern
zu unterscheiden, werden nun auch für den GmbH-Geschäftsführer wichtig werden:
Besteht eine Pflicht zum regelmäßigen Erscheinen am Arbeitsort? Gibt es zeitliche
Vorgaben? Unterliegt die Urlaubsgestaltung engen Grenzen? Kann der Geschäftsfüh-
rer die übertragenen Aufgaben im Wesentlichen eigenverantwortlich erfüllen? Dabei
ist zu beachten, dass neben der reinen Vertragsgestaltung auch die tatsächliche Ver-
tragsabwicklung, also die Handhabung der Zusammenarbeit in der Praxis, eine wich-
tige Rolle spielt.

3. Der GmbH-Geschäftsführer im Sozialversicherungssystem


12 Parallel zu der Rechtsprechung des BAG verläuft auch die Rechtsprechung des BSG,
das im Versicherungs- und Beitragsrecht der Sozialversicherung bei Fremdgeschäfts-
führern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung annimmt.15 Denn der
Fremdgeschäftsführer ist an der GmbH nicht beteiligt und hat daher auch keinen Ein-
fluss auf die Entscheidungsfindung der Gesellschafterversammlung. Ähnlich wie ein
Arbeitnehmer befindet er sich – zumindest teilweise – in einem Abhängigkeitsver-
hältnis zu der Gesellschaft. Eine Ausnahme hiervon hat das BSG in der Vergangenheit
allenfalls für den Fall des Geschäftsführers einer sog. Familien-GmbH angenommen
werden. Die familiäre Verbundenheit zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer
kann im Einzelfall dazu führen, dass die Geschäftsführertätigkeit überwiegend durch
familiäre Rücksichtnahmen geprägt wird und es an der Ausübung einer Direktion

12 Vgl. Schulze/Hintzen, ArbRAktuell 2012, 263; Oberthür, NZA 2011, 253.


13 BGH, Urt. v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02 – NZA 2003, 439.
14 EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 – Danosa.
15 Vgl. BSG, Urt. v. 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R – GmbHR 2004, 494; BSG, Urt. v. 18.12.2001 – B 12 KR
10/01 R – GmbHR 2002, 324 m. w. N.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 423

durch die Gesellschafter völlig mangelt.16 Die Beschäftigung des Geschäftsführers


unterliegt in diesem Fall mangels Weisungsabhängigkeit gegenüber der Gesellschaft
nicht der Sozialversicherungspflicht. Freilich wird der Verzicht der Gesellschafter auf
die Ausübung ihres Direktionsrechts nur solange Bestand haben, wie das Einverneh-
men der Familienmitglieder gewahrt bleibt. In zwei neueren Urteilen hat das BSG
daher für die Beurteilung eines Weisungsverhältnisses zwischen Geschäftsführer und
Gesellschaft auf die rechtlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen und die sich
daraus ergebende Rechtsmacht der Gesellschafter abgestellt.17
Dagegen liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in der Regel nicht vor, 13
wenn es sich um einen Geschäftsführer mit einer Gesellschaftsbeteiligung von min-
destens 50 % handelt. Eine Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschaftsver-
sammlung ist dann regelmäßig nicht anzunehmen. Gleiches gilt für einen Geschäfts-
führer, der zwar Minderheitsgesellschafter ist, dem jedoch eine sog. Sperrminorität
eingeräumt wurde, so dass er ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaftsver-
sammlung blockieren kann.18 Die Sperrminorität darf sich dabei aber nicht nur auf
wichtige Entscheidungen beschränken, sondern muss sich insbesondere auch auf
Fragen der Geschäftsführerstellung inkl. des Anstellungsvertrages beziehen.19
In den übrigen Fällen muss jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des 14
Einzelfalls geprüft werden, ob es sich bei dem Anstellungsverhältnis zwischen
Geschäftsführer und Gesellschaft um ein abhängiges und somit sozialversicherungs-
pflichtiges Beschäftigungsverhältnis handelt.

4. Der GmbH-Geschäftsführer – ein Verbraucher?


Unabhängig von der Debatte um die Arbeitnehmerstellung des GmbH-Geschäftsfüh- 15
rers wird die Frage der Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB und damit die Frage,
ob bei Abschluss des Geschäftsführervertrages die §§ 305 bis 310 BGB anwendbar
sind, diskutiert.20 Die Rechtsprechung bejaht die Verbrauchereigenschaft des
Geschäftsführers grundsätzlich dann, wenn der Geschäftsführer bei Abschluss des
Anstellungsvertrages nicht zugleich als Gesellschafter über zumindest eine
Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.21
Hintergrund dieser Auffassung ist, die gesellschaftsinterne Weisungsgebundenheit
des GmbH-Geschäftsführers sowie der Umstand, dass der Geschäftsführer seine

16 BSG, Urt. v. 8.12.1987 – 7 RAr 25/86 – BB 1989, 72.


17 BSG, 29.8.2012 – B 12 KR 25/10 R – BB 2013, 894; BSG, 29.8.2012 – B 12 R 14/10 R – USK 2012, 182.
18 BSG, Urt. v. 9.2.1995 – 7 RAr 76/94 – EzA § 100 AFG Nr. 1.
19 Siehe hierzu Reiserer, BB 2010, 2085 ff.
20 Ausführlich Hümmerich, NZA 2006, 709.
21 BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NJW 2010, 2827.

Reiserer/Polczynski
424 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft ausübt, so dass diese nicht
als selbständig i. S. d. § 13 BGB angesehen werden kann.22

II. Der Anstellungsvertrag

1. Rechtsnatur des Anstellungsvertrages


16 Der Anstellungsvertrag des gegen Vergütung tätig werdenden Geschäftsführers einer
GmbH ist ein auf Dienstleistungen gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675,
611 BGB), auf welchen die §§ 611 ff. BGB Anwendung finden23. Um einen Arbeitsver-
trag handelt es sich dagegen regelmäßig nicht24.

2. Zustandekommen des Anstellungsvertrages


a) Abschluss durch die Gesellschafter
17 Wie jeder schuldrechtliche Vertrag erfordert auch der Geschäftsführer-Anstellungs-
vertrag das Vorliegen zweier übereinstimmend Willenserklärungen. Allein der Bestel-
lungsakt des Geschäftsführers führt nicht automatisch auch zum Abschluss eines
Anstellungsvertrages.
18 Vertragsparteien sind auf der einen Seite der für sich selbst handelnde Geschäfts-
führer und auf der anderen Seite die Gesellschaft als juristische Person. Zwar wird die
Gesellschaft in der Regel durch einen oder auch mehrere Geschäftsführer vertreten
(§ 35 Abs. 1 GmbHG); dies gilt jedoch nicht im Verhältnis zwischen dem Geschäfts-
führer und der Gesellschaft. Nach § 46 Nr. 5 GmbHG sind für die Bestellung eines
Geschäftsführers die Gesellschafter zuständig. Als sog. Annexkompetenz verleiht
diese Norm der Gesellschafterversammlung in der Regel aber auch die Zuständigkeit
zum Abschluss des Anstellungsvertrages.25.
19 Nach interner Beschlussfassung betrauen allerdings regelmäßig die Gesellschaf-
ter einen einzelnen Gesellschafter oder einen weiteren Geschäftsführer mit der Unter-
zeichnung des Anstellungsvertrages26. Der Ausführende tritt dann als Vertreter der
Gesellschafter auf, wobei ihm von den Gesellschaftern auch ein gewisser Entschei-
dungsspielraum eingeräumt werden kann, soweit bereits ein Beschluss über das
Grundsätzliche des Anstellungsvertrages vorliegt27.

22 BAG, Urt. v. 19.5.2010, – 5 AZR 253/09 – NJW 2010, 2827.


23 Ganz herrschende Meinung, vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 172 m. w. N.
24 Vgl. Rn 5 ff.
25 BGH, Urt. v. 9.10.1989 – II ZR 16/89 – BB 1989, 2209; Grobys/Panzer/Kelber Geschäftsführer Rn 36.
26 Zur Haftung des nicht vertretungsberechtigten Gesellschafters nach § 179 BGB: BGH, Urt. v.
9.10.1989 – II ZR 16/89 – BB 1989, 2209.
27 BGH, Urt. v. 1.2.1968 – II ZR 212/65 – WM 1968, 570.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 425

Zulässig ist es auch, dass der Gesellschaftsvertrag die interne Zuständigkeit zum 20
Abschluss des Anstellungsvertrages von der Gesellschaftsversammlung auf einen
eingerichteten fakultativen Aufsichtsrat i. S. d. § 52 GmbHG überträgt28. Dabei reicht
es regelmäßig aus, wenn der Gesellschaftsvertrag die Zuständigkeit zur Bestellung
des Geschäftsführers auf das Gremium überträgt, da die Befugnis zum Abschluss
des Anstellungsvertrages hiervon mit erfasst wird. In diesem Fall ruht die Zustän-
digkeit der Gesellschafter und lebt erst dann wieder auf, falls das Gremium nicht
mehr besteht oder jedenfalls handlungsunfähig wird.

b) Vertragsänderung und Vertragsaufhebung


Soweit nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag keine anderweitige Zuständigkeit 21
bestimmt ist, sind die Gesellschafter auch für Änderungen des Dienstvertrages
eines Geschäftsführers sowie für dessen vertragliche Aufhebung zuständig.29 Auch
Regelungen, die mit einer Abänderung des Anstellungsvertrages verbunden sein
können, wie die vorzeitige Beurlaubung und ein Hausverbot, werden von dieser
Zuständigkeit erfasst30.
Die ältere Rechtsprechung des BGH, wonach für Vertragsänderungen, die nicht 22
unmittelbar mit Begründung oder Beendigung des Organverhältnisses verbunden
sind, die anderen Mitgeschäftsführer zuständig sind, hat der BGH zwischenzeitlich
ganz aufgegeben.31 Damit haben es die Geschäftsführer nicht länger in der Hand, sich
gegenseitig die Gehälter zu erhöhen oder ein Ruhegehalt zuzusagen. Allerdings bleibt
es der Gesellschafterversammlung unbenommen, den Mitgeschäftsführer durch ein-
fachen Gesellschafterbeschluss (§ 47 Abs. 1 GmbHG) zur Abänderung des Vertrages
oder zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu ermächtigen.

c) Die mitbestimmte GmbH


Beschäftigt die GmbH in der Regel mehr als 2000 Mitarbeiter und unterliegt sie 23
damit dem MitbestG, so ist der Aufsichtsrat neben der Bestellung (§ 31 MitbestG) auch
zum Abschluss des Anstellungsvertrages zuständig. Gleiches gilt für die Änderung
der Anstellungsbedingungen sowie den Abschluss eines Aufhebungsvertrages32.

28 Grobys/Panzer/Kelber Geschäftsführer Rn 37.


29 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 169/90 – BB 1991, 927; OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13.2.1992 – 5
U 173/90 – GmbHR 1993, 156; abgrenzend: OLG München, Beschl. v. 14.11.2011 – 7 U 2881/11 – GWR
2012, 155.
30 BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 240/85 – BB 1987, 503; bestätigt durch BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR
282/98 – BB 2000, 1751; vgl. hierzu etwa Gröwoldt, DB 1996, 752; Haase, GmbHR 2000, 877.
31 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 169/90 – BB 1991, 927.
32 BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83 – BB 1984, 9; OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 8.11.1994 – 5 U
269/93 – BB 1995, 2440.

Reiserer/Polczynski
426 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

d) S
 teuerliche Hinweise
24 Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für die Änderung des Gesellschaf-
ter-Geschäftsführer-Dienstvertrages hat auch steuerliche Konsequenzen. Denn
nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 16.5.199433 ist eine zivil-
rechtlich nicht wirksame Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer,
z. B. über Gehaltserhöhungen und Pensionszusagen, jedenfalls bei Gesellschafter-
Geschäftsführern auch steuerrechtlich nicht anzuerkennen, so dass die veränderten
Gehaltszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen wären. Dies
gilt für alle ab dem 1.1.1986 gezahlten Bezüge.

3. Form des Anstellungsvertrages


25 Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers bedarf keiner Form. Er kann
durch konkludentes Handeln, mündliche Abreden oder schriftliche Vereinba-
rung zustande kommen. Wie beim Arbeitsvertrag empfiehlt es sich aber auch beim
Geschäftsführerdienstvertrag, aus Beweisgründen die Regelungen der Vereinbarung
schriftlich festzulegen.
26 Daneben sprechen beim Geschäftsführerdienstvertrag aber v. a. auch steuerli-
che Gründe für die Schriftform des Vertrages.34 Zwar ist die Schriftform auch beim
beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer keine Voraussetzung für die Aner-
kennung von Verträgen mit der GmbH. Aus Nachweisgründen ist es jedoch ratsam,
Verträge und insbesondere auch Vertragsänderungen schriftlich niederzulegen.
Denn bleiben bei mündlichen Vereinbarungen Zweifel darüber, was von Anfang an
vereinbart wurde, gehen diese Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich auf das münd-
lich Vereinbarte beruft.

4. Fehlerhafter Anstellungsvertrag
27 Leidet der Anstellungsvertrag an einem rechtlichen Mangel, wie z. B. der fehlenden
Befugnis des für die Gesellschaft handelnden Vertretungsorgans zum Abschluss eines
Anstellungsvertrages, so spricht man von einem sog. faktischen oder fehlerhaften
Anstellungsverhältnis. Bis zur tatsächlichen Aufnahme der Geschäftsführertätig-
keit kann der Mangel ohne besondere Einschränkungen geltend gemacht werden; ab
diesem Zeitpunkt nur noch mit Wirkung ex tunc.35

33 OFD Köln, Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen v. 16.5.1994 – IV B7–S 2742–14/94 –
NZA 1995, 20.
34 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 168; Grobys/Panzer/Kelber Geschäftsführer
Rn 41.
35 BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 GmbHG Rn 142.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 427

Die Rechtsprechung löst diesen Fall unter Heranziehung der im Arbeitsrecht wur- 28
zelnden Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis.36 Danach ist der Vertrag
trotz dessen, dass der Arbeitnehmer ohne Rechtsgrundlage tätig geworden ist, für die
Vergangenheit als voll wirksam zu behandeln.37 Der Arbeitnehmer hat also Anspruch
auf Arbeits- und Krankenvergütung sowie Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvor-
schriften. Einer praktisch schwer realisierbaren Rückabwicklung nach Bereiche-
rungsrecht (§§ 812 ff. BGB) bedarf es hier somit nicht. Diese Grundsätze, die nicht in
erster Linie der besonderen Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter Rechnung
tragen, sondern vielmehr auf die erhöhte Bestandsfestigkeit aller vollzogener Dauer-
schuldverhältnisse abstellen, gelten auch für das fehlerhafte Anstellungsverhältnis
des Geschäftsführers der GmbH.38
Hat also der Geschäftsführer seine Tätigkeit auf Grundlage des geltungslosen 29
Anstellungsvertrages aufgenommen und geschah dies mit Wissen des für den
Vertragsabschluss zuständigen Organs, ist diese Vereinbarung für die Dauer der
Geschäftsführertätigkeit so zu behandeln, als wäre sie mit allen Rechten und Pflich-
ten wirksam.39 Das Organmitglied, das seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH
bereits aufgenommen hat, hat somit einen Anspruch auf die vereinbarten Bezüge
und nicht nur auf die Vergütung in angemessener Höhe. Eine Rückabwicklung nach
Bereicherungsrecht kommt stattdessen nicht in Betracht. Nur wenn der Fehler des
Anstellungsvertrages bereits vor Dienstbeginn offenkundig wird und der fehler-
hafte Anstellungsvertrag somit gar nicht (so) zur Ausführung kommt, kann sich die
Gesellschaft auf den Vertragsmangel berufen und der Geschäftsführer aus dem feh-
lerhaften Anstellungsvertrag keine Rechte herleiten.

5. S
 chadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers wegen Abberufung und/
oder Nichtbestellung
Der Abschluss eines Anstellungsvertrags stellt eine Ergänzung zu der Bestellung zum 30
Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG dar.
Denn der Anstellungsvertrag kommt nicht schon automatisch mit der Bestellung und
der Zustimmung durch den designierten Geschäftsführer zustande.40 Zwar ergeben

36 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – BB 2000, 1751.


37 Grundlegend: BAG, Urt. v. 15.11.1957 – 1 AZR 189/57 – BAGE 5, 58; vgl. auch die ausführliche Dar-
stellung zum faktischen Geschäftsführer von Weimar, GmbHR 1997, 473 und GmbHR 1997, 538.
38 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – BB 2000, 1751 (GmbH-Geschäftsführer); BGH, Urt. v.
16.1.1995 – II ZR 290/93 – BB 1995, 536 (Geschäftsführer einer KG); BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62 –
NJW 1964, 1367 (Vorstandsmitglied einer AG); BGH, Urt. v. 21.1.1991 – II ZR 144/90 – NJW 1991, 1727
(Vorstandsmitglied eines eingetragenen Vereins); vgl. auch BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6
GmbHG Rn. 142.
39 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – BB 2000, 1751.
40 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 166.

Reiserer/Polczynski
428 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

sich bereits aus der Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH eine ganze Fülle von
Rechten und Pflichten für diesen. Eine Regelung zur Vergütung des Geschäftsführers
und damit zusammenhängender Fragen wird allein durch die Bestellung allerdings
nicht getroffen.
31 Schließt die Gesellschaft mit dem designierten Geschäftsführer zunächst nur
einen Anstellungsvertrag, so ergibt sich hieraus noch kein klagbarer Anspruch
auch auf Bestellung zum Geschäftsführer.41 Unter Umständen kann der vermeint-
liche Geschäftsführer aber zu einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages
oder zur Geltendmachung von Schadensersatz gegenüber der Gesellschaft berechtigt
sein. 42
32 In einem vom BAG entschiedenen Fall43 sah der Dienstvertrag eines neuen desi-
gnierten Geschäftsführers zunächst eine halbjährige Einarbeitungszeit vor. Erst nach
deren Ablauf sollte eine Bestellung zum Geschäftsführer vorgenommen werden, was
ebenfalls in dem Anstellungsvertrag geregelt wurde. Entsprechend sollte auch die
Vergütung ab dem Zeitpunkt der Bestellung zum Geschäftsführer staffelweise steigen.
Die Gesellschaft entschied sich jedoch anders und sah zu dem vertraglich genann-
ten Zeitpunkt (und auch darüber hinaus) von einer Bestellung zum Geschäftsführer
sowie der staffelweisen Erhöhung der Vergütung ab. Der designierte Geschäftsfüh-
rer kündigte nach erfolgloser Abmahnung den Anstellungsvertrag außerordentlich
nach § 626 Abs. 1 BGB und machte die ihm entgangene und entgehende Vergütung als
Schadensersatz bei fristloser Kündigung nach § 628 Abs. 2 BGB geltend.
33 Das BAG hat die außerordentliche Kündigung des designierten Geschäftsführers
als berechtigt und wirksam angesehen. Sowohl die unterbliebene Bestellung als
auch die Vorenthaltung eines Teils der Dienstbezüge stellten insoweit einen an
sich geeigneten, wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Das BAG
bejahte ferner ein schuldhaftes Verhalten der Gesellschaft und sprach dem desig-
nierten Geschäftsführer die vertragliche Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist als Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB zu.
34 Dagegen verneinte der BGH – nur einige Wochen nach der oben genannten Ent-
scheidung des BAG – den geltend gemachten Schadensersatz des Geschäftsführers
einer GmbH aus § 628 Abs. 2 BGB, nachdem dessen Bestellung zum Geschäftsführer
mit sofortiger Wirkung nach § 38 Abs. 1 GmbHG durch die Gesellschafterversamm-
lung widerrufen wurde und der Geschäftsführer daraufhin seinen Anstellungsvertrag
fristlos kündigte.44 Die Abberufung als Geschäftsführer der Gesellschaft stellt
nach Ansicht des BGH, wenn der sofortige Widerruf nicht nach § 38 Abs. 2 GmbHG im
Gesellschaftsvertrag beschränkt ist, kein vertragswidriges Verhalten der Gesell-

41 Wicke, GmbHG, Anhang § 6 GmbHG Rn 10.


42 BAG, Urt. v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 – NZA 2002, 1323; Wicke, GmbHG, Anhang § 6 Rn 10.
43 BAG, Urt. v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 – NZA 2002, 1323.
44 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NZG 2003, 84.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 429

schaft im Sinne des § 628 Abs. 2 BGB dar. Insoweit machte die Gesellschaft lediglich
von ihrem gesetzlich eingeräumten Recht Gebrauch.
Tatsächlich widersprechen sich die Urteile des BGH und des BAG. Sieht der Gesell- 35
schaftsvertrag keine Beschränkung der Zulässigkeit des Widerrufs nach § 38 Abs. 2
GmbHG auf den Fall vor, dass nur wichtige Gründe denselben notwendig machen
können, so ist ein Widerruf nach § 38 Abs. 1 GmbHG zu jeder Zeit möglich. Dann
aber kann die Abberufung des Geschäftsführers auch kein Auflösungsverschulden
im Sinne des § 628 Abs. 2 BGB darstellen. Der Rechtsprechung des BGH ist daher zuzu-
stimmen, wenn sie dem Geschäftsführer einen Schadensersatzanspruch wegen der
fristlosen Kündigung aus § 628 Abs. 2 BGB im Ergebnis nicht zuspricht.
Mit diesen Grundsätzen lässt sich dagegen das Urteil des BAG, welches die Nicht- 36
bestellung zum Geschäftsführer als ein vertragswidriges Verhalten im Sinne des
§ 628 Abs. 2 BGB ansieht, nicht in Einklang bringen. Ebenso wie die Vornahme der
Abberufung des Geschäftsführers steht nach der Grundkonzeption des GmbHG auch
die Nichtvornahme der Bestellung zum Geschäftsführer der Gesellschafterversamm-
lung – zumindest bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs oder der Verwerflichkeit –
frei.45 Insoweit kann von einem Auflösungsverschulden der Gesellschaft auch bei
Nichtvornahme der Bestellung keine Rede sein.

6. Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten


Das BAG hatte sich in der Vergangenheit in stetiger Regelmäßigkeit mit der Frage zu 37
beschäftigen, ob einem zum GmbH-Geschäftsführer aufgestiegenen Arbeitnehmer
für die Geltendmachung seiner Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag gegen die
Gesellschaft der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten freisteht.46 Dass dies nicht völlig
unproblematisch möglich ist, zeigt sich an der Regelung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG.
Danach gelten Personen in Betrieben einer juristischen Person, die kraft Gesetzes,
Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglied eines Vertretungsorgans
zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer. Der
GmbH-Geschäftsführer, der die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG gerichtlich
und außergerichtlich vertritt, fällt insoweit auch unter die unwiderleglich gesetz-
liche Vermutung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG. Somit bleibt dem GmbH-Geschäftsführer
bei einem Rechtsstreit mit der GmbH der Weg zu den Arbeitsgerichten grundsätzlich
versperrt, da es sich gerade nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen
Arbeitnehmern und Arbeitgebern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG handelt.
Die Einschränkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift allerdings nur soweit, wie die 38
dort geregelte gesetzliche Vermutung auch reicht.47 Denn Sinn und Zweck der Vor-

45 So auch: Bauer/Diller/Krets, DB 2003, 2687 ff.


46 Etwa BAG, Beschl. v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12 mit Anm. Arnold, FD-ArbR 2013, 343396.
47 So auch Stagat, NZA 2015, 193, 194.

Reiserer/Polczynski
430 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

schrift ist es, „Hausstreitigkeiten im Arbeitgeberlager“ vor den Arbeitsgerich-


ten zu vermeiden.48 Bei den in § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG genannten Personen handelt
es sich um Vertreter juristischer Personen und Personengesamtheiten, die für diese
eine Arbeitgeberfunktion wahrnehmen. Sie sind letztlich der „personifizierte
Arbeitgeber“.49
39 In der Rechtsprechung galt daher bislang, dass sich die gesetzliche Vermutung
des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auf alle Ansprüche des GmbH-Geschäftsführers, die ihren
Entstehungsgrund im Anstellungsverhältnis haben, bezieht und insoweit bei ent-
sprechenden Streitigkeiten zwischen Geschäftsführer und GmbH die ordentlichen
Gerichte zuständig sind, nicht die Arbeitsgerichte.50
40 Dies galt ohne Rücksicht darauf, ob wegen der Besonderheiten des Einzelfal-
les das Rechtsverhältnis zwischen Geschäftsführer und GmbH ausnahmsweise als
Arbeitsverhältnis angesehen werden musste. Auch dann, wenn der Organvertreter
an sich wegen wirtschaftlicher Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person
angesehen wurde, konnte er mit seiner Klage nicht vor die Arbeitsgerichte ziehen.
Den Höhepunkt der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes hierzu bildete der
Beschluss des 5. Senats vom 6.5.1999, in dem der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
auch für den Fall ausgeschlossen wurde, dass der Geschäftsführer einer GmbH gegen
die Kündigung seines Anstellungsverhältnisses Klage erhoben hat, obwohl er im Zeit-
punkt der Klageerhebung als Geschäftsführer bereits abberufen war.51 Damit stellte
das BAG auch den abberufenen Geschäftsführer in das „Lager“ des Arbeitgebers.52
41 Seit dem Jahr 2011 hat die Antwort auf die Frage der Reichweite der gesetzlichen
Vermutung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG durch die Rechtsprechung des BAG nach und
nach eine Änderung erfahren. Dies kann nicht zuletzt auf den Wechsel der Zuständig-
keit für Fragen des Arbeitnehmerstatus vom 5. Senat zum 10. Senat des BAG in den
Jahren 2011 bis 2013 zurückgeführt werden.
42 Nach neuerer Rechtsprechung des BAG soll unter bestimmten Voraussetzungen
die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht (mehr) greifen und damit der Rechtsweg
zu den Arbeitsgerichten bei Streitigkeiten zwischen Geschäftsführer und GmbH
geebnet sein. Dies kann sich etwa dann ergeben, wenn dem Rechtsstreit zwischen
dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der
Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechts-
beziehung zugrunde liegt.53 Das soll beispielsweise der Fall sein, wenn der in der
Zwischenzeit abberufene Geschäftsführer Ansprüche aus einem auch während der

48 Natter/Gross/Perschke, § 5 ArbGG Rn 40.


49 BAG, Beschl. v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02; Natter/Gross/Perschke, § 5 ArbGG Rn 40; Stagat, NZA
2015, 193,194.
50 BAG, Beschl. v. 20.5.1998 – 5 AZB 3/98 – NZA 1998, 1247.
51 BAG, Beschl. v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98 – NZA 1999, 839.
52 Vgl. Stagat, NZA 2015, 193, 194.
53 BAG, Beschl. v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10 – NZA 2011, 874.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 431

Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach seiner Abberu-


fung als Organmitglied geltend macht. Zwar läge der Bestellung einer Person zum
Geschäftsführer eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als Geschäftsfüh-
rer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und die grundsätzlich zu einer Aufhebung eines
vorgeschalteten Arbeitsvertrages führt. Dies sei aber keinesfalls zwingend. Die Bestel-
lung zum Geschäftsführer könne zum einen auf einem Arbeitsvertrag beruhen; zum
anderen bliebe der Arbeitsvertrag aber auch dann bestehen, wenn der Arbeitnehmer
aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt wird, da
eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsvertrages die Einhaltung der Schrift-
form nach § 623 BGB voraussetze.54
Ende des Jahres 2014 hat das BAG seine Rechtsprechung zur Rechtswegzustän- 43
digkeit bei Streitigkeiten zwischen Geschäftsführer und GmbH weiter fortentwickelt.55
Nach der bis dahin geltenden Rechtsprechung mussten die Voraussetzung für 44
das Eingreifen der Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG im Zeitpunkt der Zustellung der
von dem Geschäftsführer erhobenen Klage vorliegen. War der Geschäftsführer bis
zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam abberufen worden, so blieb der Rechtsweg
zu den Arbeitsgerichten durch § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG gesperrt. Der noch amtierende
Geschäftsführer musste seinen Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten austra-
gen.56
Nun hat das BAG entschieden, dass nicht mehr die Organstellung des (noch) 45
bestellten Geschäftsführers im Zeitpunkt der Klageerhebung entscheidender
Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Rechtswegs sei. Vielmehr komme es für
das Eingreifen der Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG auf den Zeitpunkt einer rechts-
kräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit an. Werde ein zum
Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch bestellter Geschäftsführer
vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen,
begründe dies in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte für
Arbeitssachen.57 Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer bis zu diesem Zeitpunkt
wirksam sein Amt niederlegt.58 Sowohl die Abberufung als Geschäftsführer als
auch die Amtsniederlegung lassen sich zu jedem späterem Zeitpunkt sicher feststel-
len. Dagegen würde – so das BAG – das ausschließliche Abstellen auf den Zeitpunkt
der Klageerhebung die Möglichkeit der Manipulation eröffnen. Denn käme es allein
auf diesen Zeitpunkt an, hätten es die Gesellschafter nach einer Kündigung in der

54 BAG, Beschl. v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10 – NZA 2011, 874; so auch: BAG, Beschl. v. 23.8.2011 – 10
AZB 51/10 – DB 2011, 2386; BAG, Beschl. v. 26.10.2012 – 10 AZB 60/12 – DB 2012, 2699; BAG, Beschl. v.
4.2.2013 – 10 AZB 78/12 – DB 2013, 521; BAG, Beschl. v. 15.11.2013 – 10 AZB 28/13 – GmbHR 2014, 137.
55 BAG, Beschl. v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14; BAG, Beschl. v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 – GmbHR 2015,
27.
56 BAG, Beschl. v. 15.11.2013 – 10 AZB 28/13 (Rn 23 m. w. N.) – GmbHR 2014, 137.
57 BAG, Beschl. v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 – GmbHR 2015, 27.
58 BAG, Beschl. v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14.

Reiserer/Polczynski
432 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Hand, durch ein Hinausschieben der Abberufungsentscheidung eine Zuständigkeit


der Arbeitsgerichte auch in den Fällen auszuschließen, in denen unzweifelhaft ein
Arbeitsverhältnis vorliegt, so der 10. Senat des BAG.59
46 Es ist zu erwarten, dass die Rechtsprechungsänderung dazu führen wird, dass
Rechtsstreitigkeiten zwischen Geschäftsführern und den jeweiligen Anstellungsge-
sellschaften zu Fragen des Anstellungsverhältnisses, insbesondere auch solche in
Bezug auf die Wirksamkeit von Kündigungen des Anstellungsvertrags, in Zukunft
wieder vermehrt vor den Arbeitsgerichten geführt werden. Auch wenn durch die neue
Rechtsprechung die materiellen Rechtsfragen, wie die Frage, ob zwischen Geschäfts-
führer und GmbH ein Arbeitsverhältnis vorliegt oder ob Kündigungsschutz nach dem
Kündigungsschutzgesetz besteht, nicht direkt betroffen sind, werden die Arbeitsge-
richte im Einzelfall zu prüfen haben, ob dem betroffenen (ehemaligen) Geschäftsfüh-
rer arbeitsrechtliche Schutzvorschriften zugutekommen. Dies wäre zumindest dann
der Fall, wenn der Geschäftsführer im Prozess darlegen kann, dass er trotz seiner
Organstellung in ein enges Korsett von Gesellschafter- oder Aufsichtsratsweisungen
eingebunden war.60

III. Einzelne Anstellungsvertragsklauseln

1. Dienstleistung
a) Aufgaben und Pflichten des Geschäftsführers
47 Aufgrund immer komplexer werdender wirtschaftlicher Zusammenhänge und
rechtlicher Anforderungen sind Geschäftsführer einem erheblichem Haftungsrisiko
ausgesetzt.61 Bei der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit ist zwischen Innen- und
Außenhaftung zu unterscheiden. Daneben besteht die Gefahr der Verletzung
strafrechtlicher Pflichten sowie die der Abberufung und Kündigung des Anstel-
lungsverhältnisses.
48 Trotz der erheblichen Haftungsgefahren werden Geschäftsführer in der Praxis
mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass das Gesetz den Umfang ihrer Pflichten nicht
abschließend regelt. Dies macht eine verallgemeinernde Pflichtenaufstellung beson-
ders schwierig. Neben gesetzlichen Pflichten ergeben sich nämlich Pflichten in der
Regel auch aus der Satzung, Gesellschafterbeschlüssen, dem Anstellungsvertrag,
der Treuepflicht und der konkreten Geschäftsleitungsaufgabe.62 Die Pflichten

59 BAG, Beschl. v. 3.12.2014 – 10 AZB 98/14; BAG, Beschl. v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 – GmbHR 2015,
27; sehr kritisch zu der Ausweitung des Zuständigkeitsbereichs der Arbeitsgerichte Geck/Fiedler, BB
2015, 1077 ff.
60 Siehe Rn 5 ff., 186 ff.
61 Vgl. Schneider/Ihlas, DB 1994, 1123.
62 BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 GmbHG Rn 44; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 433

können daher in Bezug auf jede Gesellschaft und jeden Geschäftsführer anders aus-
gestaltet sein. Dennoch sollen im Folgenden zumindest einige wesentliche Pflichten
der Geschäftsführer dargestellt werden.

aa) § 43 GmbHG als zentrale Vorschrift


§ 43 GmbHG regelt als zentrale Vorschrift die grundlegenden Pflichten der 49
Geschäftsführer sowie die Verantwortung und Haftung gegenüber der Gesell-
schaft. Die Vorschrift enthält allerdings nur den Grundtatbestand der organschaftli-
chen Haftung.63 Ihr Regelungsgehalt ist umstritten. Teilweise wird vertreten, Umfang
und Inhalt der Geschäftsführungspflichten ließen sich direkt aus Abs. 1 entnehmen64,
teilweise wird jedoch Abs. 1 lediglich als Maßstab zur Prüfung der ordnungsgemäßen
Erfüllung anderweitig begründeter Pflichten angesehen.65
Unstreitig ist, dass § 43 GmbHG nicht die Verletzung von Pflichten aus dem 50
Anstellungsvertrag behandelt.66 Der BGH vertritt die Auffassung, die Vorschrift ver-
dränge als lex specialis die Verletzung von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag.67
In der Literatur wird allerdings zum Teil die Ansicht vertreten, beide Anspruchs-
grundlagen stünden nebeneinander und würden sich ergänzen.68 Eine Unterschei-
dung von organschaftlichen Pflichten und Pflichten aus dem Anstellungsvertrag ist
u. a. deshalb von Relevanz, da die Verletzung organschaftlicher Pflichten gemäß § 43
Abs. 4 GmbHG einer 5-jährigen Verjährung unterliegt, während für die Verjährung
von Pflichten aus dem Anstellungsvertrag die 3-jährige Verjährungsfrist aus § 195 BGB
gilt.
Aufgrund der angesprochenen unterschiedlichen Quellen der Geschäftsführer- 51
pflichten und ihrer individuellen Ausgestaltung ist es nicht nur schwierig, eine Auf-
stellung der Pflichten vorzunehmen. Ebenso schwierig ist eine Einteilung der Pflich-
ten in allgemeine Bereiche. In der Vergangenheit haben zahlreiche Autoren versucht,
entsprechende Einteilungen vorzunehmen.69 Eine praktikable Grundlage bietet eine
Einteilung in die Bereiche Legalitätspflichten, Leitungs- und Organisationspflich-
ten und Loyalitätspflichten. Diese Bereiche sollen im Folgenden näher dargestellt

63 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 1; Schaub, DStR 1992, 985 f.


64 Grünwald, S. 38; Hübner, S. 8.
65 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 21 ff.
66 Vgl. BGH, Urt. v. 9.12.1996 – II ZR 240/95 – NJW 1997, 741, 742.
67 BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87 – DB 1989, 1335; BGH, Urt. v. 10.2.1992 – II ZR 23/91 – DB 1992,
830; so auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 GmbHG Rn 4; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 43
GmbHG Rn 2.
68 BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 GmbHG Rn 6; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 18
m. w. N.
69 Vgl. Abeltshauser, S. 60; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992, 69 ff.; Wissmann, S. 4; Lutter, GmbHR
2000, 301.

Reiserer/Polczynski
434 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

werden. Dabei sei angemerkt, dass zahlreiche einzelne Pflichten mehreren Katego-
rien zugeordnet werden können. Überschneidungen sind jedoch nicht zu vermeiden.

bb) Legalitätspflichten/Sorgfaltspflichten
52 Der umfassende Bereich der „Legalitätspflichten“ beinhaltet Pflichten der Geschäfts-
führer aus verschiedenartigen Rechtsquellen. Geschäftsführer haben, allgemein aus-
gedrückt, die Pflicht, für die Rechtmäßigkeit der internen Organisations- und
Entscheidungsprozesse sowie des Geschäftsverhaltens nach außen zu sorgen.70
Nicht jedes rechtswidriges Verhalten der Gesellschaft stellt allerdings zwingend eine
Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers dar.71 Entscheidend ist stets, ob der einzelne
Geschäftsführer Pflichten verletzt hat. Zu den Legalitätspflichten im Einzelnen:
53 Geschäftsführer sind zur Beachtung der Rechtsordnung verpflichtet. Sie ver-
letzen ihre entsprechenden Pflichten selbst dann, wenn sie im Innenverhältnis die
Interessen der Gesellschaft fördern wollen. Pflichtverletzungen liegen daher bei-
spielsweise auch dann vor, wenn zu Gunsten der Gesellschaft Wettbewerbsverstöße
(z. B. Preis- und Gebietsabsprachen), Bestechungen, umweltrechtliche Verstöße oder
Steuermanipulationen begangen werden.72
54 Im Rahmen der Beachtung der Rechtsordnung haben Geschäftsführer insbeson-
dere Vorschriften aus dem GmbHG zu beachten:
– Die Geschäftsführer haben eine Pflicht zur Eintragung der Gesellschaft in das
Handelsregister nach § 7 GmbHG unter Berücksichtigung der in § 8 GmbHG
genannten Inhalte der Anmeldung. Besondere Haftungsgefahr besteht nach § 9a
Abs. 1 GmbHG im Zusammenhang mit der nach § 8 Abs. 2 GmbHG abzugebenden
Versicherung, dass die vorgesehenen Geld- und Sacheinlagen bewirkt seien und
endgültig der Gesellschaft zur freien Verfügung stünden.73 § 57 Abs. 4 GmbHG
erstreckt diese Gründungshaftung auch auf Kapitalerhöhungen.
– Im Zusammenhang mit der Kapitalaufbringung und -sicherung enthält § 43
Abs. 3 GmbHG besondere Pflichten zur Kapitalerhaltung. Nach § 43 Abs. 3 S. 1 1.
Alt. GmbHG sind Geschäftsführer zum Ersatz verpflichtet, wenn sie den Bestim-
mungen des § 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stamm-
kapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft tätigen. Die Vorschrift enthält
damit ein Verbot verdeckter Gewinnausschüttungen.74 Besondere Vorsicht ist
für Geschäftsführer auch bei der Akquisitionsfinanzierung und beim sog. “Cash-

70 Vgl. Scholz/Schneider, § 43 Rn 95 ff.


71 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 51 ff.
72 BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 GmbHG Rn 48.
73 Schaub, DStR 1992, 1021, 1022; Felix, DStZ 1987, 455, 459.
74 Schaub, DStR 1992, 987; BeckOK GmbHG/Heidinger, § 30 GmbHG, Rn 5; die Regelungen zum Ge-
sellschafterdarlehen hat der Gesetzgeber dagegen im MoMiG in das Insolvenzrecht verlagert, dazu
BeckOK GmbHG/Heidinger, § 30 GmbHG, Rn 153.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 435

Pooling”, einem internen Liquidationsausgleich, geboten.75 Nach § 43 Abs. 3 S. 1


2. Alt. GmbHG kann beim Verstoß gegen § 33 GmbHG auch der Erwerb eigener
Geschäftsanteile durch die Gesellschaft zu Ersatzansprüchen führen.
– Nach § 41 GmbHG sind die Geschäftsführer für die ordentliche Buchführung
verantwortlich. Buchführungsvorschriften finden sich z. B. im HGB, der AO, dem
StGB oder ergeben sich aus allgemeinen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buch-
führung.76
– § 49 GmbHG enthält eine Pflicht der Geschäftsführer zur Einberufung der
Gesellschafterversammlung. Eine Einberufung muss sowohl in den in § 49
Abs. 3 GmbHG ausdrücklich genannten Fällen als auch nach § 49 Abs. 2 GmbHG
dann erfolgen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint.

Geschäftsführer unterliegen des Weiteren grundsätzlich dem Verbot des Selbst- 55


kontrahierens aus § 181 BGB. Dies bedeutet, dass sie an sich keine Geschäfte im
Namen der Gesellschaft mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten vor-
nehmen dürfen, es sein denn, das Rechtsgeschäft dient ausschließlich der Erfüllung
einer Verbindlichkeit oder ist gestattet. In der Praxis werden Geschäftsführer häufig
im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter von dem Verbot des
Selbstkontrahierens befreit.77
Während auf die Buchführungspflicht bereits eingegangen wurde, bestehen auch 56
zahlreiche gesetzliche Pflichten, insbesondere Prüfungs- und Publizitätspflichten,
im Zusammenhang mit der Abschlussprüfung. Die Geschäftsführer müssen nach
§ 320 Abs. 1 HGB den Jahresabschluss, sofern dieser zu prüfen ist, unverzüglich nach
dessen Aufstellung dem Abschlussprüfer vorlegen und nach § 320 Abs. 2 HGB auf Ver-
langen weitere Erläuterungen und Nachweise erbringen. Wurde kein Abschlussprü-
fer gewählt, haben die Geschäftsführer nach § 318 Abs. 4 S. 1 HGB einen Antrag auf
gerichtliche Bestellung eines Abschlussprüfers zu stellen. Eine entsprechende Pflicht
trifft sie nach § 318 Abs. 4 S. 2 HGB auch, falls eine Prüfung durch einen gewählten
Abschlussprüfer nicht erfolgen kann. Aus § 325 HGB sind die Geschäftsführer zur
Offenlegung des Jahresabschlusses verpflichtet. Geschäftsführer müssen auch für
die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der Gesellschaft sorgen, insbe-
sondere für die Abführung von Lohn-, Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer.78
Sie haften persönlich und unbeschränkt nach §§ 34, 69 AO, wenn sie steuerrechtliche
Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzen.79 Die einzuhaltenden steuerrecht-
lichen Pflichten sind in diversen Vorschriften, z. B. in § 140 AO (Buchführungspflicht),

75 BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II RZ 171/010 – ZIP 2004, 264 – Novemberurteil.


76 Espey/von Bitter, S. 41.
77 Vgl. BGH, Urt. v. 6.10.1960 – II ZR 150/58 – BGHZ 33, 189, 192.
78 Sudhoff, S. 147.
79 Vgl. Müller, GmbHR 1984, 45, 46 f.; Mösbauer, GmbHR 1986, 270; Buyer, GmbHR 1987, 276.

Reiserer/Polczynski
436 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

§ 137 AO (Meldepflicht), §§ 90, 91, 93, 137, 200 AO (Auskunftspflichten) und §§ 149, 150
AO (Steuererklärungen), normiert.
57 Im Rahmen der Pflicht zur Beachtung der Rechtsordnung kommt auch eine straf-
rechtliche Verantwortung der Geschäftsführer aus diversen Quellen, z. B. dem
GmbHG, dem Außenwirtschaftsrecht, dem Kartellrecht, dem Umweltstrafrecht, dem
Bilanzrecht oder dem Steuerstrafrecht, in Betracht.
– So ahndet beispielsweise § 82 GmbHG falsche Angaben bei der Gründung und
im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen. Nach § 84
GmbHG kann eine Strafbarkeit im Falle der Nichtanzeige eines Verlustes in
Höhe der Hälfte des Stammkapitals, nach § 15a InsO für den Fall der fehlenden
Insolvenzantragsstellung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in
Betracht kommen. Die Verletzung von Geheimhaltungspflichten kann nach
§ 85 GmbHG bestraft werden. Die §§ 331 ff. HGB enthalten Regelungen auf dem
Gebiet des Bilanzstrafrechts. Geschäftsführer können darüber hinaus die Tat-
bestände des Betruges, § 263 StGB, und der Untreue, § 266 StGB, erfüllen. Die
Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung kann
nach § 266a StGB geahndet werden, Verletzungen von Buchführungspflichten
nach § 283b StGB.
– Im Bereich des Umweltstrafrechts kommt eine strafrechtliche Verantwortung
der Geschäftsführer aus den §§ 324 ff. StGB wegen Gewässerverunreinigung, Luft-
verunreinigung, gesundheitsschädlichem Lärm, umweltgefährdender Abfallbe-
seitigung, unerlaubtem Betreten von Anlagen oder Giftgefährdung in Betracht.
– Eine strafrechtliche Verantwortung kann sich auch aus dem Außenwirtschafts-
gesetz, der Außenwirtschaftsverordnung oder dem Kriegswaffenkontrollgesetz
ergeben.
– Steuerstraftaten, wie z. B. Steuerhinterziehung, Bannbruch oder Steuerhehle-
rei, können von den Geschäftsführern ebenfalls verwirklicht werden.

58 Die Geschäftsführer sind auch für die Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen


Vorschriften verantwortlich. Hervorzuheben sind insbesondere die Vermeidung
unwahrer oder zur Irreführung bestimmter Werbung (§ 4 UWG) und des Verrats von
Geschäftsgeheimnissen (§§ 17 ff. UWG). Geschäftsführer haften allerdings nur, wenn
sie als „Störer, als „geistiger Initiator“, des Verstoßes anzusehen sind oder durch eine
sonstige Handlung die Rechtsverletzung verursacht haben.80
59 Geschäftsführer müssen darüber hinaus für die Einhaltung diverser weite-
rer Vorschriften, insbesondere öffentlich-rechtlicher Vorschriften, sorgen. Hierzu
zählen u. a. Regelungen des Umweltschutzes, der Versicherungs- oder Bankaufsicht,
des BDSG, des ArbZ oder des Urheberrechts.

80 OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 22.12.1983 – 6 U 137/83 – DB 1984, 447; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43
GmbHG Rn 339 ff.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 437

Zu den Legalitätspflichten gehört auch die Pflicht zur Geschäftsführung nach 60


dem neuesten Stand der Rechtsprechung.81 Die Beachtung aktueller Gerichtsent-
scheidungen ist nicht unproblematisch, zumal vielen Geschäftsführern nicht einmal
die für die Geschäftsführung einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bekannt
sind.
In und vor einer Krise der Gesellschaft müssen Geschäftsführer gesteigerte 61
Pflichten, die sich zum Teil aus dem Gesellschaftsrecht und zum Teil aus dem Insol-
venzrecht ergeben, erfüllen.82
Ein Insolvenzverfahren kann bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), drohender Zah- 62
lungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) eröffnet werden. Liegt
einer dieser sog. „Eröffnungsgründe“ vor, bestehen besondere insolvenzrechtli-
che Pflichten der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft und gegenwärtigen
oder potentiellen Gläubigern. Intern müssen die Gesellschafter umgehend über die
Insolvenzverfahrensreife informiert werden.83 Bei drohender Zahlungsunfähigkeit
müssen die Vorteile einer außergerichtlichen mit der einen gerichtlichen Sanierung
verglichen werden. Im Übrigen muss bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit
ein Insolvenzantrag gestellt werden. Es ist umstritten, welche konkreten, aus dem
Insolvenzrecht folgenden verfahrensrechtlichen Pflichten die Geschäftsführer nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben.84 Streitig ist beispielsweise, wem gegen-
über Informations- und Auskunftspflichten erfüllt werden müssen.85
In und vor einer Krise treten neben die genannten insolvenzrechtlichen Pflichten 63
zahlreiche gesellschaftsrechtliche Pflichten der Geschäftsführer. Die gesellschafts-
rechtlichen Pflichten knüpfen dabei insbesondere an die Eröffnungsgründe der Zah-
lungsunfähigkeit und Überschuldung an. Auf den Eröffnungsgrund der drohenden
Zahlungsunfähigkeit wird in gesellschaftsrechtlichen Vorschriften in der Regel kein
Bezug genommen.
Zu den krisenbezogenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten zählt die Pflicht 64
zum rechtzeitigen Erkennen von und Reagieren auf Krisen. Hierzu müssen die
Geschäftsführer das unternehmerische Umfeld, z. B. Lieferanten, Konkurrenten und
Geldgeber, permanent beobachten.86 Liegen Zahlungsunfähigkeit oder Überschul-
dung vor, sind die Geschäftsführer u. a. zur Einberufung der Gesellschafterver-
sammlung verpflichtet. Eine Einberufungspflicht ergibt sich entweder explizit aus
dem Gesellschafts- oder Anstellungsvertrag, aus einer unmittelbaren Weisung oder
zumindest aus § 49 GmbHG. Bei Vorliegen des Eröffnungsgrundes der drohenden

81 Vgl. Clausen, GmbHR 1987, 37 ff.


82 Vgl. Uhlenbrock, GmbHR 1999, 313 ff.; Uhlenbrock, GmbHR 1999, 390 ff.
83 Götker, Rn 354 ff. und 364 ff.
84 Vgl. Götker, Rn 774 ff.
85 Vgl. Götker, Rn 917 ff.
86 Scholz/Schneider, § 43 Rn 89.

Reiserer/Polczynski
438 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Zahlungsunfähigkeit ist im Falle einer angestrebten gerichtlichen Sanierung eine


Gesellschafterversammlung einzuberufen.87 Nach § 15a Abs. 1 S. 1 InsO haben die
Geschäftsführer bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag
zu stellen. § 64 S. 1 GmbHG normiert dabei eine ausdrückliche zivilrechtliche Haftung
der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft.
65 Auf zahlreiche weitere gesetzlich normierte Pflichten, wie beispielsweise die
Anzeigepflicht bei Verlust von mehr als der Hälfte des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3
GmbHG), das Auszahlungsverbot zur Verhinderung einer Unterdeckung (§ 30 GmbHG)
oder das Rückgewährverbot in Bezug auf eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarle-
hen wurde bereits eingegangen.88
66 Im Rahmen der Legalitätspflichten sind die Geschäftsführer auch verpflich-
tet, den Gesellschaftsvertrag, eine etwaige Geschäftsordnung, Gesellschafterbe-
schlüsse und wirksame Weisungen zu befolgen.89 Die Geschäftsführer müssen
besonders darauf achten, die in den genannten Rechtsquellen enthaltenen Zustim-
mungserfordernisse einzuhalten.
67 Eine Pflicht zur Befolgung von Weisungen besteht, obwohl das GmbHG keine
§ 83 Abs. 2 AktG entsprechende Vorschrift enthält. Die Geschäftsführer haben wirk-
samen Weisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie sie für wirtschaftlich oder
unternehmerisch falsch oder unzweckmäßig halten. Sie können aber, unter gewissen
Umständen müssen sie sogar90, ihre Bedenken hinsichtlich der Zweckmäßigkeit der
Maßnahme dem zuständigen Organ mitteilen. Weisungen müssen allerdings nicht
befolgt werden, wenn kein ordnungsgemäßer Gesellschafterbeschluss vorliegt oder
die Weisungen von einem Beirat, Aufsichtsrat oder einzelnen Gesellschaftern erteilt
wurden. Ebenso wenig besteht eine Pflicht zur Befolgung von Weisungen, wenn
sich die Geschäftsführer durch die Befolgung schadensersatzpflichtig oder strafbar
machen würden.
68 Einen immens wichtigen Teil der Legalitätspflichten stellt die Pflicht zur Befol-
gung der Regelungen des Anstellungsvertrages dar. Die konkreten Pflichten sind
dabei abhängig von der individuellen Ausgestaltung des Vertrages und können in der
Praxis erheblich variieren. Da, wie bereits dargestellt, nach wohl zutreffender Ansicht
die organschaftlichen Pflichten lex specialis zu den anstellungsvertraglichen Pflich-
ten sind, sind Letztere insbesondere dann von Bedeutung, wenn sie über die aus der
Organstellung folgenden Pflichten hinausgehen. Auf einzelne mögliche arbeitsver-

87 Götker, Rn 361.
88 Siehe oben Rn 54.
89 BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 GmbHG Rn 79 ff.; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG
Rn 119; a. A. Ziemons, S. 33.
90 ThürOLG Jena, Urt. v. 1.9.1998 – 5 U 1816/97; NZG 1999, 121; a. A. BFH, Urt. .v. 14.9.1994 – I R 6/94 –
GmbHR 1995, 234.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 439

tragliche Pflichten wird im Rahmen der folgenden Ausführungen noch eingegangen


werden.

cc) Leitungs- und Organisationspflichten


Zu den unter der Kategorie der „Leitungs- und Organisationspflichten“ zusammen- 69
fassbaren Pflichten der Geschäftsführer zählen zahlreiche Pflichten, die an sich unter
die generelle Pflicht zur Unternehmensleitung eingeordnet werden könnten. Auf-
grund des besonderen Regelungsgehaltes wird aber in den folgenden Ausführungen
zahlreichen Ausprägungen der Unternehmensleitungspflicht eigener „Pflichtcharak-
ter“ zugesprochen. Die Leitungs- und Organisationspflichten im Einzelnen:
Zentraler Bestandteil der Leitungs- und Organisationspflichten der Geschäftsfüh- 70
rer ist die Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung unter Einhaltung bestimm-
ter Sorgfaltsmaßstäbe und betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse. Geschäftsführer
sind grundsätzlich für die Organisation und Abwicklung der Tagesgeschäfte
sowie die Umsetzung der Unternehmenspolitik verantwortlich. Aus der Natur der
Sache ergeben sich diverse Einschränkungen der Unternehmensleitungspflicht. Die
Geschäftsführer dürfen beispielsweise keine willkürlichen Änderungen langjährig
verfolgter und etablierter Geschäftspolitik vornehmen.91
Ausflüsse der Pflicht zur Unternehmensleitung sind die Pflichten zur Leitung 71
nach den sog. „Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensführung“92 und
zur Berücksichtigung bewährter betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse.93
§ 43 Abs. 1 GmbH verlangt pauschal die Einhaltung der Sorgfalt eines ordent- 72
lichen Geschäftsmannes. Es handelt sich hierbei um einen objektiven Mindest-
standard, der durch subjektive Kenntnisse der Geschäftsführer erweitert, nicht aber
verringert werden kann.94 Rechtsprechung und Literatur verstehen den einzuhalten-
den Sorgfaltsmaßstab in Erweiterung von § 43 Abs. 1 GmbHG als die Sorgfalt eines
„Geschäftsmannes in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger, treuhän-
derischer Verwaltung fremder Vermögensinteressen“.95 Weitere Konkretisierungen
erfolgen durch verkehrskreis-, transaktions- und unternehmensbezogene Bestim-
mung des Sorgfaltsmaßstabes.96 Trotz dieser Bestimmungsversuche besteht in Bezug
auf den konkret einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstab weiterhin erhebliche Rechtsun-
sicherheit. Strittig ist dabei u. a., inwieweit Geschäftsführer einen der gerichtlichen

91 BGH, Urt. v. 25.2.1991 – II ZR 76/90 – GmbHR 1991, 197.


92 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 19.
93 Abeltshauser, S. 151.
94 Abeltshauser, S. 219.
95 OLG Koblenz, Urt. v. 10.6.1991 – 6 U 1650/89 – GmbHR 1991, 416.
96 Ansatzweise in BGH, Urt. v. 10.11.1986 – II ZR 140/85 – AG 1987, 126; Abeltshauser, S. 171; Espey/
von Bitter, S. 19.

Reiserer/Polczynski
440 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Kontrolle entzogenen Entscheidungsspielraum haben.97 Noch größere Probleme


gibt es in der Praxis bei der Beurteilung der Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs im
Zusammenhang mit sozialbezogenen Leistungen und Risikogeschäften.98 Bei der
Frage, wann die Grenzen verantwortungsbewussten und unternehmerischen Han-
delns überschritten sind, orientiert sich die Rechtsprechung des BGH an der im ame-
rikanischen Recht entwickelten Business Judgement Rule. Dieser für den Vorstand
der Aktiengesellschaft in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG normierte Grundsatz besagt, dass ein
Geschäftsführer dann pflichtgemäß handelt, wenn er bei einer unternehmerischen
Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener
Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Dieser Grundsatz findet nach
herrschender Auffassung auch für den GmbH-Geschäftsführer Anwendung.99
73 Die arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Haftungsbegrenzung von Arbeit-
nehmern finden auf Geschäftsführer grundsätzlich keine Anwendung.100 Etwas
anderes kann allerdings dann gelten, wenn ein Schaden bei einer Tätigkeit eines
Geschäftsführers aufgetreten ist, die außerhalb seines typischen Aufgabengebietes
als Geschäftsführer liegt. Typisches Beispiel ist ein Verkehrsunfall bei einer dienst-
lich veranlassten Autofahrt. Da der Geschäftsführer bei dieser Tätigkeit mit einem
Arbeitnehmer vergleichbar ist, spricht vieles dafür, dass ihm in solchen Fällen das
arbeitsrechtliche Haftungsprivileg zugutekommt.101
74 Die Geschäftsführer schulden der Gesellschaft grundsätzlich ihre gesamte
Arbeitskraft. Da die Arbeitsschutzbestimmungen des ArbZG nicht auf Geschäftsfüh-
rer anwendbar sind, vgl. § 2 Abs. 2 ArbZG, unterliegen weder die Lage noch die Höchst-
dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit gesetzlichen Beschränkungen.
Die Bestimmung von Dauer und Lage der Arbeitszeiten obliegen grundsätzlich den
Geschäftsführern in eigener Verantwortung, es sei denn, der Anstellungsvertrag
enthält ausdrückliche Regelungen. Im Übrigen ergeben sich Grenzen insbesondere
aus gesellschaftsbezogenen Notwendigkeiten. Gegebenenfalls müssen Geschäftsfüh-
rer trotz vorgesehener urlaubsbedingter oder sonstiger Abwesenheit der Gesellschaft
zur Verfügung stehen.
75 Soweit die Unternehmensziele nicht durch die Gesellschafter bestimmt werden
oder falls sich tatsächliche Gegebenheiten ändern, gehört zu den Pflichten der

97 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 50 ff. m. w. N.


98 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 23; Ebenroth/Lange, GmbHR 1992,
69, 72.
99 BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 Rn 105; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn 8 ff.;
Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rn 22.
100 BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 112/72 – WM 1975, 467, 468; OLG Koblenz, Urt. v. 24.9.2007 – 12 U
1437/04 – NZG 2008,280; Lutter, GmbHR 2000, 301.
101 Vgl. Rn 97; Offengelassen von OLG Koblenz, Urt. v. 14.5.1998 – 5 U 1639/97 – DB 1999, 522; siehe
auch Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 27 ff. zum Haftungsmaßstab beim Geschäftsfüh-
rer.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 441

Geschäftsführer auch die Bestimmung der Unternehmensziele. Hierbei haben sie


sich nach dem Unternehmensgegenstand zu richten.102
Im Rahmen der Leitungs- und Organisationspflichten sind die Geschäftsfüh- 76
rer, wie bereits bei den Pflichten in und vor einer Krise erwähnt, zur permanenten
Beobachtung der Unternehmenssituation und der Finanzlage verpflichtet.103 Es
müssen u. a. Liquidität, Schuldenstand und das unternehmerische Umfeld, wie z. B.
Lieferanten, Konkurrenten und Geldgeber, beobachtet werden. Im Zusammenhang
mit Krisen ist diese Pflicht von besonderer Bedeutung.
Die Geschäftsführer müssen des Weiteren den Bestand der Gesellschaft wahren 77
und eine hinreichende finanzielle Ausstattung sicherstellen. Leistungen der
GmbH sollten z. B. nur dann unter Wert verkauft werden, wenn dadurch Vorteile für
das Unternehmen zu erwarten sind. Gleiches gilt beim Verzicht auf Ansprüche oder
dem Anerkenntnis von Ansprüchen Dritter.104 Zu dem Pflichtenkreis gehört zudem
der effektive Schutz der Gesellschaft vor existenzgefährdenden Eingriffen.
Im Rahmen der Unternehmensleitung sind Geschäftsführer zu einer voraus- 78
schauenden Planung verpflichtet. Neben kurzfristigen müssen auch mittel- und
langfristige Interessen berücksichtigen werden.105 Die Geschäftsführer müssen ein
Budget aufstellen.
Eine weitere Pflicht der Geschäftsführer ist die ordnungsgemäße Organisation 79
der Gesellschaft. Die interne Organisationsstruktur muss Rechtmäßigkeit und Effi-
zienz des Handelns der Gesellschaft sicherstellen. Die Pflicht der Geschäftsführer
betrifft dabei insbesondere die Organisation der Betriebs- und Leitungsabläufe. Die
Geschäftsführer müssen dabei u. a. dafür sorgen, dass ein Informationsfluss zwi-
schen einzelnen Abteilungen und Hierarchieebenen geschaffen und gewährleistet
wird. Daneben müssen angemessene Kontrollmöglichkeiten eingerichtet und ggf.
Konsequenzen in Form der Änderung von Strukturen, Abläufen oder gar des Aus-
spruchs von Sanktionen gezogen werden.106
Die Geschäftsführer sind verpflichtet, Delegationseinschränkungen zu beach- 80
ten. Eine Übertragung von originären Aufgaben der Geschäftsführer ist nur unter
gewissen Voraussetzungen und nur in Bezug auf bestimmte Pflichten möglich.107 Eine
Delegation von Aufgaben aus dem Kernbereich ist untersagt. Im Delegationsfalle
treffen die Geschäftsführer im Übrigen umfangreiche Auswahl-, Organisations-,
Informations- und Überwachungspflichten.108

102 Vgl. Ziemons, S. 12 ff.


103 Tillmann/Winter, GmbH-Praktikum, S. 365.
104 Vgl. Scholz/Schneider, § 43 Rn 109.
105 Vgl. Scholz/Schneider, § 43 Rn 84 zu den Grundregeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung.
106 Vgl. Scholz/Schneider, § 43 Rn 89, 95 ff.
107 Grünwald, S. 181 ff.
108 Abeltshauser, S. 226.

Reiserer/Polczynski
442 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

81 Die Geschäftsführer müssen kollegial zusammenarbeiten und dürfen nicht in


eine etwaige Ressortverteilung eingreifen.109 Neben der kollegialen Zusammenar-
beit mit Geschäftsführern sind diese auch zur ordentlichen Zusammenarbeit mit den
anderen Gesellschaftsorganen, wie z. B. der Gesellschafterversammlung, dem Auf-
sichts- oder Beirat, verpflichtet.110 Der Gesellschafterversammlung sollte beispiels-
weise regelmäßig über aktuelle Vorgänge, wesentliche Vorgänge und künftige Ent-
wicklungen Bericht erstatten werden.111
82 Da die Geschäftsführer der Gesellschaft in der Regel ihre gesamte Arbeitskraft
zur Verfügung stellen müssen, verbleibt oft nur wenig Raum für Nebentätigkeiten.
Besteht dennoch entsprechende zeitliche Verfügbarkeit, dürfen Nebentätigkeiten nur
ausgeübt werden, wenn sie außerhalb des Unternehmensgegenstandes liegen.112
83 In den Anstellungsverträgen kann ein ausdrückliches Nebentätigkeitsverbot
vereinbart werden.113 Dieses kann u. a. auch die Veröffentlichung von Publikationen
oder die Übernahme von Ehrenämtern umfassen.

dd) Loyalitätspflichten
84 Die unter dem Begriff der „Loyalitätspflichten“ zusammengefassten Pflichten dienen
insbesondere der Vermeidung von Handlungen der Geschäftsführer, die auf Kosten
der Gesellschaft und des Allgemeinwohls vorgenommen werden würden. Geschäfts-
führer müssen in sämtlichen Angelegenheiten grundsätzlich zunächst das Wohl der
Gesellschaft verfolgen und eigene wirtschaftliche Ziele oder Vorteile ausblenden
bzw. unterordnen.114 Gesetzliche Normierungen von Loyalitätspflichten finden sich
beispielsweise in den §§ 35 Abs. 3, 43 Abs. 3, 43a, 47 Abs. 4 GmbHG oder § 181 BGB.
Abgesehen davon gibt es zahlreiche gesetzlich nicht geregelte Ausprägungen der
Loyalitätspflichten. Zu den Loyalitätspflichten im Einzelnen:
85 Praxisrelevanteste Ausprägung der Loyalitätspflichten ist ein umfassendes Wett-
bewerbsverbot der Geschäftsführer.115 Das Wettbewerbsverbot ist gesetzlich nicht
geregelt, leitet sich aber aus der gegenüber der Gesellschaft bestehenden allgemeinen

109 Zur Bedeutung, Einführung und den Folgen einer Ressortverteilung vgl. Reiserer/Heß-Emmerich/
Peters, S. 58 ff.
110 Scholz/Schneider, § 43 Rn 140 ff.
111 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 143; Hommelhoff, ZIP 1983, 383, 388 ff.
112 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 41, 49.
113 Siehe unten Rn 175 f.
114 Vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87 – AG 1989, 354; BGH, Urt. v. 17.12.1985 – VI ZR 244/84 – BB
1986, 485; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84 – DB 1986, 214.
115 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 153 ff.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 443

Treue- und Loyalitätspflicht her.116 Die Geschäftsführer dürfen ihre Befugnisse nicht
zu eigennützigen oder gesellschaftsfremden Zwecken missbrauchen.117 Ihnen ist es
untersagt, im eigenen oder fremden Namen im Geschäftsbereich der Gesellschaft
tätig zu werden.118 Das weitreichende Wettbewerbsverbot verbietet dabei u. a. die Mit-
wirkung als Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder in leitender Position in einem
anderen Unternehmen desselben Geschäftszweiges. Grundsätzlich erlaubt sind aller-
dings z. B. Minderheitsbeteiligung an Kapitalgesellschaften, Kommanditbeteiligun-
gen und stille Beteiligungen.119
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass sich das Wettbewerbsverbot vollum- 86
fänglich auf den in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstand erstreckt.
Zum Teil wird allerdings nur auf den Bereich der tatsächlichen Unternehmenstä-
tigkeit abgestellt.120
Im Falle der Verletzung des Wettbewerbsverbots kann die Gesellschaft Unter- 87
lassung verlangen. Der Gesellschaft stehen darüber hinaus die Rechte aus § 113
HGB analog zu.121 Sie kann Schadensersatz verlangen oder verlangen, dass der
Geschäftsführer die Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft eingegangen gelten
lässt. Obwohl diese Pflicht zur Gewinnherausgabe oft irreführend als „Eintritts-
recht“ bezeichnet wird, muss der Geschäftsführer lediglich das aus dem Geschäft
tatsächlich Erlangte herausgeben. Die Vertragsparteien im Außenverhältnis bleiben
unverändert.122
Das Wettbewerbsverbot gilt grundsätzlich nur während der Stellung als 88
Geschäftsführer.123 Nach Beendigung der Geschäftsführerstellung wirkt es in Form
einer Unterlassungspflicht insoweit fort, als dass Geschäftsführer Verträge nicht an
sich ziehen dürfen.124
Im Anstellungsvertrag lässt sich auch ein nachvertragliches Wettbewerbsver- 89
bot vereinbaren.125 Dieses ist nicht an die Voraussetzungen der §§ 74 ff. HGB, auch

116 St. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87 – BB 1989, 1637; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR
246/84 – DB 1986, 214; BGH, Urt. v. 21.2.1983 – II ZR 183/82 – GmbHR 1983, 300; BGH, Urt. v. 11.10.1976 –
II ZR 104/75 – GmbHR 1977, 43.
117 Scholz/Schneider, § 43 Rn 151.
118 BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84 – DB 1986, 214.
119 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 165.
120 Vgl. BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 242/82 – DB 1984, 495; BGH, Urt. v. 21.2.1978 – KZR 6/77 – DB
1978, 833; RG, Urt. v. 19.12.1924 – RGZ 109, 355; Scholz/Schneider, § 43 Rn 163.
121 Vgl. Scholz/Schneider, § 43 Rn 168
122 BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 242/82 – DB 1984, 495.
123 Von der Osten, GmbHR 1989, 450, 453 ff.; Salfeld, 182 ff.
124 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW 1984, 2366; BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75 – DB
1977, 158.
125 Siehe unten Rn 246 ff.

Reiserer/Polczynski
444 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

nicht analog, gebunden.126 Die Wertungsmaßstäbe der §§ 74 ff. HGB sind allerdings
jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern zumindest mittelbar zu berücksichtigen.127
Anderenfalls kann das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach § 138 BGB wegen
Sittenwidrigkeit nichtig sein.128
90 Geschäftsführer unterliegen des Weiteren dem Verbot der privaten Wahrneh-
mung von Geschäftschancen.129 Umstritten ist, ob es sich um einen reinen Bestand-
teil des Wettbewerbsverbots oder eine eigenständige Pflicht handelt.130
91 Geschäftsführer dürfen darüber hinaus auch keine Gesellschaftsressourcen zu
eigenen, unternehmensfremden Zwecken nutzen.131 In Betracht kämen u. a. das
Ausnutzen von Insiderinformationen, Annahme von Schmiergeldern, Inanspruch-
nahme von Darlehen oder verdeckte Gewinnausschüttungen.132
92 Als weitere Ausprägung der Loyalitätspflichten haben Geschäftsführer eine
umfangreiche Verschwiegenheitspflicht.133 Sie müssen über vertrauliche Angaben
und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen bewahren.134

ee) Befreiungsmöglichkeiten
93 Der Gesellschaftsvertrag kann zu Gunsten der Geschäftsführer umfangreiche Befrei-
ungen von Pflichten enthalten. Er kann beispielsweise, wie bereits erwähnt, vom
Verbot des Selbstkontrahierens aus § 181 BGB135 oder von gesetzlich nicht geregelten
Loyalitätspflichten, bspw. dem Wettbewerbsverbot, befreien.136
94 Von besonderer Bedeutung sind von Pflichten befreiende Gesellschafterbe-
schlüsse. Durch Gesellschafterbeschluss kann u. a. vom Verbot des Selbstkontrahie-
rens aus § 181 BGB entbunden werden.137 Im Einzelfall können Geschäftsführer durch
Gesellschafterbeschluss auch vom Wettbewerbsverbot befreit werden. Handelt es sich
um einen Gesellschafter-Geschäftsführer, ist eine Befreiung allerdings nur bei ent-
sprechender Öffnungsklausel im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbe-

126 St. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89 – BB 1991, 1640; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR
229/83 – NJW 1984, 2366; BSG, Urt. v. 9.8.1990 – 11 RAr 119/88 – NZA 1991, 159.
127 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW 1984, 2366; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U
73/92 – NJW-RR 1994, 35; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87 – GmbHR 1988, 344.
128 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW 1984, 2366.
129 Siehe unten Rn 165 f.
130 Vgl. BGH, Urt. v. 21.2.1983 – II ZR 183/82 – WM 1983, 498; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84 –
WM 1985, 1443; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 GmbHG Rn 201; Weisser, S. 125 ff.; Polley, S. 161 ff.
131 Siehe unten Rn 167; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 199 f.
132 Vgl. BGH, Urt. v. 8.5.1967 – II ZR 126/65 – GmbHR 1968, 141; Abeltshauser, S. 355.
133 Siehe unten Rn 168 ff.
134 Espey/von Bitter, S. 43.
135 BGH, Urt. v. 6.10.1960 – II ZR 215/58 – BB 1960, 1179.
136 Vgl. Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 185 ff.; BeckOK GmbHG/Wilhelmi § 13 Rn 212 ff.
137 BGH, Urt. v. 6.10.1960 – II ZR 215/58 – BB 1960, 1179.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 445

schluss mit satzungsändernder Mehrheit möglich.138 Die Gesellschafterversammlung


kann auch der privaten Nutzung von Geschäftschancen139 oder der privaten Nutzung
von Gesellschaftsressourcen durch Geschäftsführer zustimmen.140 Von der allgemei-
nen Verschwiegenheitspflicht können Geschäftsführer ebenfalls durch Gesellschaf-
terbeschluss befreit werden.
Geschäftsführerverhalten kann zudem durch Weisungen der Gesellschafter 95
autorisiert werden. Dies ist insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Geschäfts-
führer wirksamen Weisungen ohnehin Folge leisten müssen, nachvollziehbar.
Im Falle von Pflichtverstößen mehrerer Geschäftsführer haften diese der 96
Gesellschaft grundsätzlich als Gesamtschuldner, § 43 Abs. 2 GmbHG. Jeder Geschäfts-
führer ist allerdings nur für eigenes Verschulden verantwortlich.141
Bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten als Unternehmensleiter kann sich der 97
Geschäftsführer grundsätzlich nicht auf die von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich, die im Verhältnis zwi-
schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bei Pflichtverletzungen in Zusammenhang mit
betrieblich veranlassten Tätigkeiten angewendet werden, berufen.142 Vielmehr hat
der Geschäftsführer der Gesellschaft den entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies
wird damit begründet, dass dem Geschäftsführer ein weiter Ermessensspielraum bei
der Wahrnehmung unternehmensleitender Aufgaben, der Betriebsorganisation und
der Überwachung zusteht. Er ist damit nicht in dem gleichen Maße schutzbedürftig
wie ein Arbeitnehmer. Steht die Pflichtverletzung allerdings nicht im Zusammenhang
mit der Unternehmensleitung (bspw. Unfall mit dem Dienstwagen bei einer geschäft-
lich veranlassten Fahrt) und fällt sie damit nicht in den üblichen Verantwortungsbe-
reich des Geschäftsführers, so kann auch er sich ausnahmsweise auf die Grundsätze
der Haftungsmilderung berufen.143
Die Möglichkeit vertraglicher Haftungsbeschränkungen ist äußerst umstrit- 98
ten. Sowohl in der Gesetzesbegründung als auch von Teilen der Literatur wird eine

138 Vgl. BeckOK GmbHG/Wilhelmi § 13 Rn 212 ff.; Abeltshauser, S. 366; Schießl, GmbHR 1988, 53, 55;
Timm, GmbHR 1981, 177, 182.
139 BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87 – WM 1989, 1335.
140 BGH, Urt. v. 14.12.1959 – II ZR 187/57 – BB 1960, 18; BGH, Urt. v. 15.10.1973 – II ZR 149/71 – GmbHR
1974, 132.
141 Liegt bei einer mehrgliedrigen Geschäftsführung eine Ressortverteilung vor, entbindet dies die
jeweils anderen Geschäftsführer nicht von ihrer Gesamtverantwortung. Vielmehr ist jeder Geschäfts-
führer in Bezug auf solche Bereiche, die nicht in seiner direkten Verantwortung stehen, zur Überwa-
chung und Information berechtigt und verpflichtet. Vgl. BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons § 43 Rn 220 ff.
142 Ganz h. M., vgl. nur BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 112/72 – WM 1975, 467; BGH, Urt. v. 25.6.2001 –
II ZR 38/99 – ZIP 2001, 1458; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 43 Rn 6; Hümmerich/Boe-
cken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 27 ff. zum Haftungsmaßstab beim Geschäftsführer; Scholz/Schneider,
GmbHG, § 43 Rn 256.
143 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 43 Rn 6; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 257; a. A.
BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons § 43 Rn 295.2.

Reiserer/Polczynski
446 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

entsprechende Beschränkungsmöglichkeit verneint. Vermehrt wird jedoch die Mög-


lichkeit einer vertraglichen Haftungsbeschränkung angenommen.144

ff) Klauselmuster: Aufgaben und Pflichten des Geschäftsführers


99 Das folgende Klauselmuster dient der Kodifizierung der Aufgaben und Pflichten des
Geschäftsführers gegenüber der anstellenden Gesellschaft.
100 Abs. 1 des Klauselmusters beinhaltet den Grundsatz, dass die Gesamtverant-
wortung über die Gesellschaft in den Händen der Geschäftsleitung liegt.145
101 Die in Abs. 2 aufgeführten Pflichten obliegen dem Geschäftsführer bereits von
Gesetzes wegen. Die Nennung dieser Pflichten erfolgt daher lediglich deklaratorisch.
102 Gleiches gilt auch für die Bestimmung in Abs. 3 des Klauselmusters. Der Geschäfts-
führer ist als Organ der Gesellschaft der personifizierte Arbeitgeber, der den Arbeit-
nehmern der Gesellschaft als Ansprechpartner bei Fragen zu ihrem Arbeitsverhältnis
zur Verfügung steht. Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass der Geschäftsfüh-
rer in der Regel sozialversicherungspflichtig ist146 und seine Bezüge dem Lohnsteuer-
recht unterliegen.147
103 Abs. 4 des Klauselmusters enthält die elementare Pflicht des Geschäftsfüh-
rers zur Aufstellung des Jahresabschlusses zu Beginn des Handelsgewerbes und
am Schluss eines jeden Geschäftsjahres (§§ 242 Abs. 1 S. 1, 264 HGB i. V. m. §§ 41
GmbHG).148 Die Geschäftsführer dürfen zur Erstellung des Jahresabschlusses auch
Hilfspersonen einschalten; allerdings handelt es sich bei der Aufstellungspflicht um
eine persönliche Pflicht der gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft. Die Unterzeich-
nung des Jahresabschlusses erfolgt daher durch alle Geschäftsführer und ist Teil der
Aufstellung (§ 245 HGB).149
104 Nach § 51a GmbHG haben die Gesellschafter gegen den Geschäftsführer ein indi-
viduelles Auskunfts- und Einsichtsrecht. Abs. 5 des Klauselmusters verpflichtet
den Geschäftsführer darüber hinaus zu einer monatlichen Berichterstattung an die
Gesellschafter.

144 Streitstand ausführlich dargestellt von Lohr, NZG 2000, 1204; vgl. Espey/von Bitter, S. 33 u. 39;
Heisse, S. 121; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 258 ff. m. w. N.
145 Siehe oben Rn 49 ff.; 52 ff.; 69 ff.
146 Siehe oben Rn 12 ff.
147 Beck´sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon/Rauh, Geschäftsführer Rn 1.
148 Siehe nur BeckOK HGB/Poll/Ruppelt, § 242 HGB Rn 5 f.; Wicke, GmbHG, § 41 Rn 7.
149 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Gros, § 264 Rn 19.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 447

Klauselmuster
Aufgaben und Pflichten
(1) Dem Geschäftsführer obliegt die Leitung und Überwachung der Gesellschaft im Ganzen.
(2) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines
ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft wahr-
zunehmen und die ihm nach Gesetz, Satzung, einer etwaigen Geschäftsführungsordnung in ihrer je-
weils gültigen Fassung sowie diesem Vertrag obliegenden Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Er hat
den Weisungen der Gesellschafterversammlung Folge zu leisten.
(3) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und
sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
(4) Der Geschäftsführer hat die steuerlichen Interessen der Gesellschaft zu wahren. Er ist verpflichtet,
innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres die Bilanz und und die Gewinn- und Ver-
lustrechnung sowie den Anhang für das abgelaufene Geschäftsjahr unter Beachtung der handels- und
steuerrechtlichen Bilanzierungsregeln aufzustellen und diese nebst einem von ihm zu erstattenden
Geschäftsbericht jedem Gesellschafter unverzüglich zu übersenden. Die Pflichten nach § 42a GmbHG
bleiben hiervon unberührt. Mit der Übersendung des Jahresabschlusses und des Geschäftsberichts
hat der Geschäftsführer ferner eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, in der über die Fest-
stellung des Jahresabschlusses und des Gewinns sowie die Gewinnverwendung Beschluss zu fassen
ist. Die Einberufung der Gesellschafterversammlung hat schriftlich und rechtszeitig, mindestens aber
14 Tage vor der beabsichtigten Gesellschafterversammlung, zu erfolgen.
(5) Der Geschäftsführer hat die Gesellschafter außerdem monatlich über den Geschäftsverlauf, ins-
besondere den Umsatz, die Kosten, den Personalstand, den Auftragsbestand und etwaige außerge-
wöhnliche Geschäftsvorfälle schriftlich zu unterrichten.

b) G eschäftsführung und Vertretung


aa) Allgemeine Ausführungen
Der Geschäftsführer führt im Innenverhältnis die Geschäfte der Gesellschaft und 105
vertritt sie nach außen. Ist durch den Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart
und hat die Gesellschaft mehrere Geschäftsführer, so gilt grundsätzlich Gesamtge-
schäftsführung und Gesamtvertretung. Die Vertretungsbefugnis kann aber durch
die Satzung erweitert bzw. beschränkt werden. So ist etwa die Vereinbarung einer Ein-
zelvertretung, einer Vertretung durch bspw. nur zwei von mehreren Geschäftsführern
(modifizierte Gesamtvertretung) oder einer gemischten oder unechten Gesamt-
vertretung, bestehend aus einer Vertretung durch einen oder mehrere Geschäftsfüh-
rer in Verbindung mit einem oder mehreren Prokuristen durchaus üblich. Die unechte
Gesamtvertretung ist jedoch dann unzulässig, wenn die Geschäftsleitung lediglich
aus einem Geschäftsführer besteht. Die Gestaltung ist nur zulässig, wenn entweder
mehrere Geschäftsführer zur Gesamtvertretung berechtigt sind oder daneben eine
gemischte Gesamtvertretung eines oder mehrerer Geschäftsführer in Gemeinschaft
mit einem oder mehreren Prokuristen zugelassen wird (vgl. § 125 Abs. 3 HGB).150

150 BeckOK HGB/Klimke, § 125 HGB Rn 33; Windbichler, § 22 Rn 10.

Reiserer/Polczynski
448 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

106 Ist dagegen gegenüber der Gesellschaft eine Willenserklärung abzugeben, so


genügt bereits die Abgabe nur an einen einzelnen von mehreren Vertretern der Gesell-
schaft (Passivvertretung, vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG).
107 Im Außenverhältnis gegenüber Dritten kann die Vertretungsmacht der
Geschäftsführer nicht beschränkt werden. Entsprechende Vereinbarungen entfalten
keine rechtliche Wirkung (§ 37 Abs. 2 GmbHG).151
108 Im Innenverhältnis unterliegen die Geschäftsführer neben gesetzlichen
Beschränkungen auch denjenigen des Gesellschaftsvertrags und der Beschlüsse
der Gesellschafterversammlung, die Weisungen in Angelegenheiten der Geschäfts-
führung enthalten können (vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG).152 Bei besonders wichtigen und
einschneidenden Entscheidungen ist ein Einholen der Zustimmung der Gesellschaf-
terversammlung vor dem Abschluss des Rechtsgeschäfts üblich. Einzelheiten zum
Verhältnis zwischen mehreren Geschäftsführern und der Gesellschaft können ferner
in einer Geschäftsführungsordnung geregelt werden. Somit können sich Einschrän-
kungen der Geschäftsführungsbefugnis auch aus der Geschäftsführungsordnung in
ihrer jeweils gültigen Fassung ergeben.

bb) Klauselmuster: Geschäftsführung und Vertretung


109 Der Abschluss des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages sollte mit der organschaft-
lichen Bestellung zum Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversamm-
lung zeitlich möglichst gleichlaufen.153 Abs. 1 des Klauselmusters benennt daher zur
Klarstellung den Zeitpunkt der Bestellung zum Geschäftsführer der Gesellschaft.

Praxistipp
Geschäftsführer-Dienstvertrag parallel zum Geschäftsführer-Bestellungsbeschluss
Eine Möglichkeit ist es den Geschäftsführer-Dienstvertrag erst dann abzuschließen, wenn die Ge-
sellschafterversammlung über die Bestellung einer Person zum Geschäftsführer bereits Beschluss
gefasst hat.
Alternativ kann der Anstellungsvertrag auch schon vor Beschlussfassung der Gesellschafterver-
sammlung von dem designierten Geschäftsführer unterschrieben werden. Die Gegenzeichnung durch
die Gesellschafter sollte dann aber erst nach dem Beschluss erfolgen.154

151 Zur Reichweite und Grenzen der unbeschränkten Organvertretungsmacht Fleischer, NZG 2005,
529.
152 Siehe oben Rn 66 f.
153 Zu etwaigen Schadensersatzansprüchen des designierten Geschäftsführers bei unterbliebener
Bestellung zum Geschäftsführer BAG, Urt. v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 – NZA 2002, 1323; siehe dazu
Rn 30 ff.
154 Zur Geschäftsführerbestellung unter auflösender Bedingung BGH, Urt. v. 24.10.2005 – II ZR
55/04 – NJW-RR 2006, 182.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 449

Denkbar ist schließlich auch der Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrags unter der aufschie-
benden Bedingung der Bestellung zum Geschäftsführer. Die Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) ist in die-
sem Fall in den Vertrag mitaufzunehmen.

Abs. 2 des Klauselmusters beinhaltet Bestimmungen zur Einzelvertretungsbefugnis 110


des Geschäftsführers bzw. die Vereinbarung einer gemischten Gesamtvertretung.155
Durch den Anstellungsvertrag kann dem Geschäftsführer bereits ein bestimm- 111
tes Geschäftsfeld (bspw. Vertrieb, Einkauf, Finanzen o. ä.) zugewiesen und durch
eine Auflistung der dazugehörenden Geschäftsbereiche konkretisiert werden. Eine
solche Regelung, wie sie hier auch in Abs. 3 des Klauselmusters enthalten ist, berech-
tigt und verpflichtet den Geschäftsführer das ihm zugewiesene Geschäftsfeld eigen-
verantwortlich zu leiten. Will die Gesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt die Zuwei-
sung des Geschäftsfeldes ändern oder auch die einzelnen Geschäftsbereiche ändern,
so bedarf dies einer Vorbehaltsregelung.
Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist grundsätzlich durch das Verbot 112
des Selbstkontrahierens aus § 181 BGB beschränkt. Abs. 4 des Klauselmusters regelt
daher eine Ausnahme von dem Verbot. Hierbei handelt es sich um einen wesentli-
chen Eingriff in die Vertretungsregeln, so dass eine Eintragung der Befreiung von
den Beschränkungen des § 181 BGB im Handelsregister erforderlich ist.156

Klauselmuster
Geschäftsführung und Vertretung
(1) Der Geschäftsführer wird mit Wirkung ab dem …… als Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.
(2) Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des
Gesellschaftsvertrags, einer etwaigen Geschäftsführungsordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung und
der von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen allein zu vertreten und die Gesellschaft
allein zu führen. Sofern weitere Geschäftsführer bestellt werden, so wird die Gesellschaft durch zwei
Geschäftsführer oder einen Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten.
(3) Der Geschäftsführer ist nach Maßgabe dieses Vertrags für das Geschäftsgebiet …… zuständig und
verantwortlich. Im Einzelnen umfasst das Geschäftsgebiet die Geschäftsbereiche:
……
Die Gesellschaft behält sich vor, die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit zu erweitern, zu vermin-
dern und auch abzuändern.
(4) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

155 Siehe Rn 105.


156 BGH, Beschl. v. 28.2.1983 – II ZB 8/82 – NJW 1983, 1676; OLG Hamm, Beschl. v. 27.4.1998 – 15 W
79/98 – GmbHR 1998, 682; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.12.1996 – 10 U 8/96 – GmbHR 1997, 349; Baum-
bach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn 133.

Reiserer/Polczynski
450 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

cc) G
 enehmigungsbedürftige Geschäfte
113 § 37 Abs. 2 GmbHG erlaubt eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem
Geschäftsführer, wonach für die Vornahme einzelner Rechtsgeschäfte die Zustim-
mung der Gesellschafter erforderlich ist – auch wenn diese Einschränkung der
Geschäftsführungsbefugnis gegenüber dritten Personen keine rechtliche Wirkung
entfaltet. Eine entsprechende Regelung ist grundsätzlich sowohl als Bestandteil
der Satzung oder des Anstellungsvertrags möglich. Folgendes muss aber beachtet
werden:

Fettnapf
Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis
In der Satzung: Die Satzung kann festlegen, dass der Geschäftsführer vor der Vornahme bestimmter
außergewöhnlicher Rechtsgeschäfte die Zustimmung der Gesellschafter einholt.157
Im Anstellungsvertrag: Der Anstellungsvertrag kann ebenfalls eine Auflistung besonders außerge-
wöhnlicher Rechtsgeschäfte beinhalten, zu deren Vornahme der Geschäftsführer die Zustimmung der
Gesellschafter benötigt. Im Falle einer Divergenz zwischen dem Zustimmungskatalog der Satzung
und demjenigen des Anstellungsvertrages gilt der Vorrang der in der Satzung vereinbarten Regelung
gegenüber derjenigen im Anstellungsvertrag.158
Enthält der Anstellungsvertrag von der Satzung abweichende Regelungen und lag die Divergenz be-
reits bei Abschluss des Anstellungsvertrages vor, so ist die von der Satzung abweichende Bestim-
mung unwirksam.159
Ist die Divergenz dagegen erst nach Abschluss des Anstellungsvertrages entstanden, so wird die
vertragliche Bestimmung nicht ohne weiteres unwirksam. Dennoch gilt der oben genannte Grund-
satz, wonach der Satzung grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Anstellungsvertrag einzuräumen
ist. Stellen die Regelungen der Satzung allerdings eine Beschränkung des Kernbereichs der dem
Geschäftsführer vertraglich eingeräumten Befugnisse dar, so steht diesem grundsätzlich das Recht
zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB zu. In diesem Rahmen kann der Geschäftsführer
zudem einen Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB verlangen.160
Bestimmungen des Anstellungsvertrages müssen aber nicht unbedingt immer eine Divergenz zu den
Regelungen der Satzung darstellen. Möglich ist auch, dass dem Geschäftsführer zusätzliche Bin-
dungen auferlegt werden, wie bspw. Zustimmungsvorbehalte bzgl. einzelner Rechtsgeschäfte oder
Informationspflichten gegenüber den Gesellschaftern. Entsprechende Einschränkungen enthalten
keine statutarische Wirkung, können aber bei Verletzung einen wichtigen Grund zur Abberufung als
Geschäftsführer darstellen (§ 38 GmbHG).161

157 BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 37 Rn 14.


158 Zur Nachrangigkeit des Anstellungsverhältnisses gegenüber der statutarischen Ausgestaltung
des Organverhältnisses BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09 – NZG 2010, 827; Der Vorrang der Satzungs-
regelungen gegenüber den Bestimmungen des Anstellungsvertrages spiegelt aber auch die h. M. der
Lit. wieder, vgl. MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 GmbHG Rn 274 m. w. N.
159 MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 Rn 275; Die Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung hat in der Regel
eine Teil-Nichtigkeit (§ 139 BGB) zur Folge. An die Stelle der nichtigen vertraglichen Regelung tritt die
in der Satzung enthaltene entsprechende Bestimmung.
160 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.12.1992 – 26 U 54/92 – GmbHR 1993, 288; MüKoGmbHG/Jaeger, § 35 Rn 275.
161 Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn 67.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 451

dd) Klauselmuster: Genehmigungsbedürftige Geschäfte


Das nachfolgende Klauselmuster stellt eine Einschränkung der Geschäftsführungs- 114
befugnis des Geschäftsführers für die Vornahme außergewöhnlicher Rechtsgeschäfte
dar.
Abs. 1 des Musters bezieht sich auf die Geschäftsführungsbefugnis in Bezug auf 115
solche Rechtsgeschäfte, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Der
Geschäftsführer unterliegt allerdings den Beschränkungen der Satzung, einer etwai-
gen Geschäftsführungsordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung, solchen Beschrän-
kungen, die von Weisungen aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses ausgehen,
sowie Beschränkungen des Anstellungsvertrages selbst.
Für Rechtsgeschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewer- 116
bes der Gesellschaft hinausgehen, beinhaltet Abs. 2 des Klauselmusters einen
Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafterversammlung162 sowie einen Vorbehalt
der Gesellschaft, die Auflistung zu einem späteren Zeitpunkt zu erweitern oder zu
beschränken.163

Klauselmuster
Genehmigungsbedürftige Geschäfte
(1) Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst die Vornahme aller Maßnahmen, die Gegenstand des ge-
wöhnlichen Geschäftsbetriebs der Gesellschaft sind, soweit nicht eine anderweitige Regelung durch
Satzung, eine etwaige Geschäftsführungsordnung in ihrer jeweils gültigen Fassung, durch Gesell-
schafterbeschluss oder nach diesem Vertrag getroffen wurde.
(2) Für Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hin-
ausgehen, bedarf der Geschäftsführer der ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung der
Gesellschafterversammlung. Dies gilt insbesondere für folgende Rechtsgeschäfte:
a) Erwerb, Veräußerung, Belastung oder sonstige Verfügung über Grundstücke und grundstücksglei-
che Rechte sowie die Verpflichtung zur Vornahme derartiger Rechtsgeschäfte;
b) Veräußerung und Stilllegung des Betriebes der Gesellschaft oder wesentlicher Teile hiervon;
c) Erwerb anderer Unternehmen sowie der Erwerb, die Änderung oder Aufhebung von – auch stillen –
Beteiligungen der Gesellschaft einschließlich des Erwerbs von Geschäftsanteilen der Gesellschaft
sowie der Abtretung eigener Geschäftsanteile der Gesellschaft; ferner die Stimmabgabe in Beteili-
gungsgesellschaften;
d) Errichtung und Schließung von Zweigniederlassungen; ferner Gründung, Veräußerung und Auflö-
sung von Tochtergesellschaften;

162 Bei Divergenz zwischen der vertraglichen Regelung und Bestimmungen der Satzung ist hier der
Grundsatz des Vorrangs der Satzungsregelungen gegenüber der im Anstellungsvertrag getroffenen
Bestimmungen zu beachten. Hierzu siehe Rn 113.
163 Durch den Anstellungsvertrag kann die Geschäftsführungsbefugnis im Vergleich zu Bestimmun-
gen in der Satzung zusätzlich eingeschränkt werden. Aus Sicht der Gesellschaft sollte hier aber beach-
tet werden, dass der Kernbereich der Geschäftsführungsbefugnisse nicht eingeschränkt wird, da dies
u. U. ein außerordentliches Kündigungsrecht des Geschäftsführers nach § 626 BGB sowie mögliche
Schadenersatzansprüche aus § 628 Abs. 2 BGB nach sich ziehen kann. Siehe Rn 216 f.

Reiserer/Polczynski
452 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

e) Anschaffungen, Investitionen, einschließlich der Vornahme von baulichen Maßnahmen, wenn die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten …… EUR im Einzelfall oder …… EUR im Geschäftsjahr über-
steigen;
f) Übernahme von Bürgschaften und Garantien sowie Übernahme von Wechselverbindlichkeiten jeder
Art;
g) Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten oder Sicherheitsleistungen jeder Art, die …… EUR
übersteigen;
h) Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Verträgen, die die Gesellschaft im Einzelfall mit mehr als
…… EUR jährlich belasten;
i) Einstellung, Beförderung oder Entlassung von Arbeitnehmern, deren Vergütung …… EUR brutto jähr-
lich übersteigt;
j) Erteilung von Prokura und Generalvollmachten;
k) Erteilung und Erhöhung von Pensionszusagen sowie die Einführung und Änderung eines Systems
der betrieblichen Altersversorgung;
l) Abschluss, Änderung oder Aufhebung von Lizenzverträgen der Gesellschaft;
Die Gesellschaft ist berechtigt, durch Satzung, eine etwaige Geschäftsführungsordnung in ihrer je-
weils gültigen Fassung oder/und durch Beschluss der Gesellschafterversammlung die vorstehende
Auflistung zu erweitert oder einzuschränken.

2. B
 efristung
117 Der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers unterliegt keinerlei Beschrän-
kungen bezüglich einer Befristung. Die einschränkenden Bestimmungen des TzBfG
kommen für den GmbH-Geschäftsführer nicht zur Anwendung.164 Auch der mehrfa-
che Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrages mit demselben Geschäftsführer
ist möglich.
118 In der Praxis spielen Befristungsabreden für Anstellungsverträge von GmbH-
Geschäftsführern eine große Rolle. Da der Geschäftsführer sich nicht auf den allge-
meinen Kündigungsschutz des Kündigungsschutzgesetzes berufen kann165, versu-
chen Geschäftsführer gerne, durch die Vereinbarung einer Befristungsabrede ohne
vorzeitige Kündigungsmöglichkeit (Festlaufzeit) einen jedenfalls zeitlich beschränk-
ten Bestandsschutz zu erreichen.166

3. Vergütung
119 Der Geschäftsführer der GmbH erbringt seine Leistung in der Regel nur gegen Ver-
gütung, deren Höhe im Anstellungsvertrag festgelegt wird. Über das übliche Monats-
gehalt hinaus werden oft Sondervereinbarungen wie Gewinn- oder Umsatztantiemen,

164 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 25.7.2002 – III ZR 207/01 – NJW 2002, 3104; Baumbach/Hueck/Zöll-
ner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 35; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn 175; kritisch Busch/Schön-
höft, DB 2007, 2650.
165 Siehe Rn 186 ff.
166 Klauselmuster zur Befristungsabrede mit Kündigungsregelung, s. Rn 223 ff.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 453

private Nutzung von Fahrzeugen, Zuschüsse zu Versicherungen o. Ä. vorgesehen. In


der Festsetzung der Gehälter sind die Vertragspartner grundsätzlich frei. Die in § 87
AktG für Bezüge von Vorstandsmitgliedern festgelegten Grundsätze gelten im GmbH-
Recht nicht.167 Davon wird auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Angemes-
senheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) auszugehen sein.168
Kommt die Gesellschaft mit der Annahme der Dienste in Verzug, kann der 120
Geschäftsführer die vereinbarte Vergütung gem. § 615 S. 1 BGB gleichwohl verlangen.
Dabei setzt ein wörtliches Angebot der Dienste, bevor die Gesellschaft eine Kündi-
gung ausgesprochen hat, diese nur in Annahmeverzug, wenn das wörtliche Angebot
nach Ausspruch der Kündigung wiederholt wird (§ 295 BGB). Andernfalls entfällt der
Vergütungsanspruch.169 Die Gesellschaft befindet sich auch in Annahmeverzug,
wenn sie den Geschäftsführer nach Ausspruch der Kündigung von weiterer Tätigkeit
freistellt und der Geschäftsführer gegen den Ausspruch der Kündigung Widerspruch
eingelegt hat.170

a) Vergütungsformen
aa) Feste und variable Vergütung
In der Praxis finden sich in Anstellungsverträgen mit GmbH-Geschäftsführern sehr 121
häufig Vergütungsvereinbarungen, die neben festen auch variable Vergütungsbe-
standteile beinhalten.171 Die Vorteile einer derartigen Regelung sind mannigfaltig
ebenso wie ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Durch die Koppelung der Bezüge an Leis-
tungen oder Erfolge wird der Anreiz des Bezugsberechtigten, zu derartigen Erfolgen
beizutragen, erhöht, da eine höhere Leistung unmittelbar eine höhere Vergütung zur

167 OLG Frankfurt, Urt. v. 22.12.2004 – 13 U 177/02 – GmbHR 2005, 550, 554 für die einfache GmbH.
168 Das VorstAG führte Änderungen des AktG herbei und betrifft vornehmlich die Ausgestaltung
der Vergütung von Mitgliedern eines AG-Vorstandes. Diskutiert wird jedoch auch, ob die Regelungen
auf die GmbH anzuwenden sind, was aufgrund der im Vergleich zu AG-Vorständen stärkeren Wei-
sungsgebundenheit von GmbH-Geschäftsführern gegenüber der Gesellschaft wohl abzulehnen ist,
vgl. Thiele/Rüden, DB 2009, Heft 41, S. 1 (Editorial) zur Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des
§ 93 Abs. 2 Satz 3 AktG auf GmbH-Geschäftsführer. Gegen die Anwendbarkeit des § 87 AktG auf die
GmbH spricht auch, dass der neu eingeführte § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich nur börsennotier-
te Gesellschaften in Bezug nimmt, vgl. Deilmann/Otte, GWR 2009, 261 und BT-Drs. 16/13433, S. 10;
ablehnend auch Feddersen/von Cube NJW 2010, 576, 577 f.; Lunk/Stolz NZA 2010, 121, 126 ff.; Auch
die Anwendbarkeit auf die Führungsebene unterhalb des Vorstandes wird diskutiert, aber zu Recht
ebenfalls abgelehnt, vgl. Krienke/Schnell, NZA 2010, 135 ff.
169 BGH, Urt. v. 20.1.1988 – IVa ZR 128/86 – BB 1988, 935.
170 BGH, Urt. v. 9.10.2000 – II ZR 75/99 – BB 2000, 2434; BGH, Urt. v. 9.3.1987 – II ZR 132/86 – BB
1987, 848.
171 Entsprechende Ausgestaltungen sind aber auch in Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern anzu-
treffen; siehe Kap. 4 Rn 232 ff.; MaSiG/Reiserer, Bonus- und Sonderzahlungen sowie Zielvereinbarung
(im Erscheinen); Reiserer, NZA-Beil. 2010, 39; Reiserer, NZA 2007, 1249.

Reiserer/Polczynski
454 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Folge hat. Der Gesellschaft wird auf diesem Wege die Möglichkeit eingeräumt, ihren
Geschäftsführer einen Teil der Unternehmenschancen und Risiken persönlich mittra-
gen zu lassen. So orientiert sich bei einem Erfolgsbezug der Vergütung deren Höhe im
Einzelnen automatisch an dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens und stellt
damit ein Instrument der Entgeltflexibilisierung dar. Hinzu kommt, dass eine vom
Unternehmenserfolg abhängige Vergütung, insbesondere bei Fremdgeschäftsfüh-
rern, die Identifikation mit dem Unternehmen verstärken kann.
122 Allgemeinhin kann zwischen leistungs- und erfolgsbezogenen variablen Vergü-
tungsbestandteilen unterschieden werden. Während sich eine leistungsbezogene
Vergütung dadurch auszeichnet, dass die Vergütung an die individuelle Leistung
des Bezugsberechtigten anknüpft,172 steht bei der erfolgsbezogenen Vergütung der
durch den Bezugsberechtigten erreichte Erfolg, d. h. in der Regel die wirtschaftliche
Situation des Unternehmens, im Vordergrund.173 Im Rahmen eines Anstellungsver-
trags mit einem GmbH-Geschäftsführer wird üblicherweise eine erfolgsbasierende
Vergütung als variabler Vergütungsbestandteil vereinbart.
123 Eine weitere in der Praxis häufig anzutreffende Form der variablen Vergütung
im weitesten Sinne und als Abgrenzung zu einem festen Vergütungsbestandteil stellt
außerdem die Überlassung eines Dienstwagens174, zum Teil auch zur privaten Ver-
wendung sowie die Zahlung von Beiträgen zur betrieblichen oder privaten Altersver-
sorgung175 dar.
124 Im Folgenden werden die in Anstellungsverträgen mit GmbH-Geschäftsführern
gängigen Gestaltungsmöglichkeiten variabler Vergütungsbestandteile erläutert sowie
entsprechende Klauselmuster vorgeschlagen.

bb) Zielvereinbarung
125 Eine Zielvereinbarung stellt eine vertragliche Absprache zwischen Vergütungsberech-
tigten und –verpflichteten über bestimmte zu erreichende betriebliche Ziele dar.176
Als Instrument der Mitarbeiterführung und –motivation finden Zielvereinbarungen
in den letzten Jahren zunehmend Eingang in die Vergütungsabreden von Arbeitsver-
trägen mit Arbeitnehmern. Auf diese Weise räumen Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern
die Möglichkeit ein, einen Teil der Unternehmenschancen und Risiken mitzutragen.
Denn regelmäßig werden Umsatz- und/oder Gewinnzahlen des Unternehmens
als Teilziele im Rahmen der Zielvereinbarung aufgenommen (Erfolgsbezug), so dass

172 Beispiele einer leistungsbezogenen Vergütung: Akkordlohn, Prämienlohn.


173 Beispiele einer erfolgsbezogenen Vergütung: Provision, Tantieme, durch Zielvereinbarung
erreichte Zahlungen (Boni).
174 Siehe Rn 148 ff.
175 Siehe Rn 154 f.
176 siehe Kap. 4 Rn 232 ff.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 455

der Arbeitgeber im Zuge wirtschaftlicher Schwierigkeiten mit einer automatischen


Senkung der variablen Vergütungsbestandteile rechnen kann und auf diese Weise der
Gefahr, von den Lohnkosten erdrückt zu werden, entgegensteuert.177
In der Praxis besonders verbreitet und üblich ist die Aufnahme von Zielvereinba- 126
rungen in Verträgen mit leitenden Angestellten, Geschäftsführern und Vorständen.
Die Anknüpfungspunkte von Zielvereinbarungen sind so vielfältig wie die 127
Aufgaben des leitenden Angestellten, GmbH-Geschäftsführers oder Vorstands. Das
können etwa der innerhalb eines bestimmten Zeitraums (meist innerhalb eines
Jahres) zu erreichende Marktanteil, die Anzahl der Reklamationen, die Einführung
eines neuen Produkts, die Erreichung bestimmter Kostenquoten oder die Mitarbei-
terzufriedenheit sein. Häufig wird unterschieden zwischen so genannten „harten“,
sprich durch Zahlen verifizierbaren, Zielen, wie Umsatz und/oder Gewinn des Unter-
nehmens oder eines Unternehmensteils und so genannten „weichen“ Zielen, wie Per-
sonalführungskompetenz, Kundenzufriedenheit oder Teamgeist, d h. Leistungskrite-
rien, die einer individuellen Bewertung zugänglich sind.
Rechtsgrundlage einer Zielvereinbarung, welche die Voraussetzungen für den 128
Erhalt der zusätzlichen variablen Vergütung regelt, ist im Regelfall § 611 BGB in Ver-
bindung mit dem Anstellungsvertrag oder eine ihn ergänzende Zusatzvereinbarung.
Zielvereinbarungen unterliegen dem Grundsatz der freien Entgeltvereinbarung und
müssen lediglich dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 iVm § 307 Abs. 3 S. 2
BGB entsprechen. Eine äußerste Grenze ziehen die §§ 134, 138 BGB. Danach dürfen
Zielvereinbarungen nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen und müssen die Sitten-
widrigkeitsschranke beachten.178
Entgeltbezogene Zielvereinbarungen erfolgen in der Regel in einem dreistufigen 129
Verfahren:

Checkliste
Stufen der Zielvereinbarung179
1. Stufe: Rahmenvereinbarung
Die Rahmenvereinbarung regelt:
– dass überhaupt eine zielabhängige Vergütung gezahlt werden soll;
– die tatsächlichen Rahmenbedingungen der zusätzlichen Vergütung, d. h. unter welchen Voraus-
setzungen die Zielerreichung festgestellt wird und welche Boni gezahlt werden, sofern die Ziele
erreicht wurden;
– das Verfahren zur Bestimmung der innerhalb eines konkreten Zeitraums zu erreichenden Ziele.
2. Stufe: Konkrete Zielvereinbarung
In der konkreten Zielvereinbarung, die meist jährlich neu verhandelt wird, werden die zu erreichen-
den Ziele definiert und festgelegt.

177 Reiserer, NZA-Beil. 2010, 39, 41; Reiserer, NJW 2008, 609.
178 Allgemein zu Zielvereinbarungen: MaSiG/Reiserer, Zielvereinbarung (im Erscheinen); zu den
Grenzen von Zielvereinbarungen: de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich, DB 2012, 2792, 2795.
179 Küttner/Griese, Personalbuch, Zielvereinbarung Rn 4.

Reiserer/Polczynski
456 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

3. Stufe: Feststellungsverfahren
Auf der letzten Stufe erfolgt schließlich die Ermittlung des Grades der individuellen Zielerreichung
und der entsprechenden konkreten Höhe der auszuzahlenden Boni.

cc) B
 onus
130 Eine gesetzliche Definition des Begriffs „Bonus“ existiert nicht. Allgemein kann als
Bonus ein zusätzlicher, in aller Regel variabler Vergütungsbestandteil bezeichnet
werden, der üblicherweise pro Kalender- oder Geschäftsjahr gezahlt wird und neben
eine vertraglich vereinbarte Festvergütung tritt.180
131 Ob überhaupt, unter welchen Voraussetzungen oder in welcher Höhe ein Bonus
gezahlt wird, kann bereits im Rahmen des Anstellungsvertrags geregelt werden; übli-
cherweise ist die Bonusregelung aber wesentlicher Teil einer Zielvereinbarung.181
132 Die generelle Regelung einer (geschäfts- oder kalender-)jährlichen Bonuszahlung
erfolgt in der Regel als Teil der Ziele-Rahmenvereinbarung. In der konkreten Zielfest-
setzung werden anschließend die zu erreichenden „harten“, sprich durch Zahlen veri-
fizierbaren, Ziele, wie Umsatz und/oder Gewinn des Unternehmens oder eines Unter-
nehmensteils bzw. so genannte „weiche“ Ziele, wie Personalführungskompetenz,
Kundenzufriedenheit oder Teamgeist, d h. Leistungskriterien, die einer individuellen
Bewertung zugänglich sind, (in der Regel jährlich neu) festgelegt. Die Auszahlung des
Bonus als sog. monetärer Leistungsanreiz182 knüpft an die Erreichung dieser Ziele an.
133 Denkbar sind aber auch Bonuszahlungen, die die Gesellschaft aufgrund Provi-
sions-183 oder Tantiemenvereinbarungen184 oder aufgrund Vereinbarungen über die
Übertragung von Geschäftsanteilen und Aktienoptionen185 leistet.
134 Entsprechende Vereinbarungen über flexible Bonuszahlungen werden bei der
GmbH zwischen der Gesellschafterversammlung bzw. dem mitbestimmungsrechtlich
einzurichtenden Aufsichtsrat und dem Geschäftsführer getroffen.186

dd) Prämie, Provision und Gratifikation


135 Neben dem Bonus, der dem Geschäftsführer in der Regel nach Erfüllung eines oder
mehrerer Ziele der Zielvereinbarung zufließt, stellen auch Prämien- und Provisions-
zahlungen sowie Gratifikationen gebräuchliche Formen von variablen Vergütungsbe-
standteilen bzw. zusätzlichen Sonderzahlungen dar.

180 Vgl. Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1441; Lindemann/Simon BB 2002, 1807.


181 Zur Zielvereinbarung siehe Rn 125 ff.
182 de Beauregard/Schwimmbeck/Gleich DB 2012, 2792.
183 Siehe Rn 137.
184 Siehe Rn 139 ff.
185 Siehe Rn 309 (zu den Bezügen des AG-Vorstands).
186 Grobys/Panzer/Kelber, Geschäftsführer Rn 36; Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1441.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 457

Eine Prämie ist eine auf einen konkreten Erfolg bzw. eine konkrete Leistung 136
bezogene Vergütungsform. Erreicht der Geschäftsführer in einem Projekt ein für die
Gesellschaft besonders zufriedenstellendes Ergebnis, wie z. B. den erfolgreichen
Verkauf eines Tochterunternehmens, kann die Gesellschaft dies mit einer Prämie
als Sonderzuwendung belohnen. Stets erforderlich für eine Prämienzahlung ist
eine Vereinbarung über die Gewährung der Prämie für eine bestimmte Leistung des
Geschäftsführers („Normalleistung“). Das Verhältnis zwischen der vom Geschäfts-
führer messbar erbrachten Leistung und der vereinbarten „Normalleistung“ bildet
dann die Berechnungsgrundlage für die Höhe der Prämienzahlung.187
Dagegen sind Provisionen aus dem Recht des Handelsvertreters bekannt und in 137
den §§ 87–87c HGB geregelt. Die Provision ist eine in Prozent ausgedrückte Beteili-
gung des Provisionsberechtigten an dem Wert eines Geschäfts, deren Abschluss auf
dessen Tätigkeit zurückzuführen ist. Die Grundlage der Zahlung bildet in der Regel
eine (im Anstellungsvertrag vereinbarte) Provisionszusage, die ggf. für Vertriebsge-
schäftsführer zur Anwendung kommt.
Gratifikationen stellen eine weitere neben das Fixgehalt tretende Sondervergü- 138
tung dar, die bei besonderen Gelegenheiten oder zu bestimmten Terminen ausgezahlt
wird (z. B. Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt, Jubiläen). Ein Anspruch des Geschäfts-
führers kann entweder durch eine entsprechende Vereinbarung im Anstellungsver-
trag oder aufgrund mehrfacher vorbehaltslos gewährter Zahlungen der Gesellschaft
begründet werden.188

ee) Tantieme
Weiterer monetärer Leistungsanreiz kann für den Geschäftsführer eine Bonuszahlung 139
aufgrund der Vereinbarung einer Tantieme sein. Im Regelfall werden im Anstellungs-
vertrag gewinnabhängige Tantiemen vereinbart.
Als Bemessungsgrundlage der Gewinntantieme sollte der handelsrechtliche 140
oder steuerrechtliche Jahresüberschuss mit bestimmten Modifikationen zugrunde
gelegt werden. Abzuraten ist von mehrdeutigen, unbestimmten Begriffen, wie z. B.
„Jahresgewinn“, „Bilanzgewinn“, „Gewinn gem. GoB“ o. Ä. als Bemessungsgrundla-
ge.189

187 Küttner/Griese, Personalbuch, Leistungsorientierte Vergütung Rn 3; de Beauregard/Schwimm-


beck/Gleich DB 2012, 2792, 2793.
188 Zur Problematik der Koppelung von Gratifikationen mit einem Freiwilligkeits- bzw. Widerrufs-
vorbehalt vgl. Bauer/Heimann, NZA-Beil. 2014, 114; Domke/Nikolaus, DB 2015, 1352; Küttner/Griese,
Personalbuch, Freiwillige Leistung, Rn 2 ff.; Liebers/Reiserer, FB ArbR, B Rn 183 ff., 186 ff.; Salamon,
NZA 2014, 465.
189 Zu Auslegungsproblemen bzgl. der Bemessungsgrundlage „Gewinn vor Steuern“ in einem Vor-
standsanstellungsvertrag vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.2009 – 39 O 92/08 – BB 2010, 789 m. Anm.
Weppner.

Reiserer/Polczynski
458 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Praxistipp
Vereinbarung einer Gewinntantieme
Zu achten ist auf eine möglichst präzise Definition der Bemessungsgrundlage und der einzelnen Be-
zugsparameter für die Gewinntantieme, um im Streitfall Probleme bei der Tantiemenberechnung zu
vermeiden.

141 Umsatztantiemen sind grundsätzlich unüblich.190 Sie werden daher in der Regel
nicht anerkannt und insbesondere von der höchstrichterlichen Finanzgerichtsbarkeit
für Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften als verdeckte Gewinn-
ausschüttungen beurteilt.191
142 Rohgewinn-Tantiemen sind anzuerkennen, wenn sie wegen der berücksichtig-
ten Aufwendungen und der konkreten Kostenstruktur eher einer Gewinn-Tantieme
als einer Umsatztantieme gleichkommen.192 Vereinbarungen, die allein in einer
erfolgsabhängigen Vergütung bestehen (Nur-Tantieme oder Nur-Rohgewinntanti-
eme), werden bei Gesellschaftern mit einer Gesellschafterbeteiligung in der Regel in
eine verdeckte Gewinnausschüttung umqualifiziert. In Ausnahmesituationen (Grün-
dungsphase, vorübergehende wirtschaftliche Schwierigkeiten, Tätigkeit in stark risi-
kobehafteten Geschäftszweigen) kann eine zeitlich begrenzte Regelung allerdings
ganz oder teilweise anzuerkennen sein.193
143 Tantiemen dürfen sich wirtschaftlich nicht als verdeckte Gewinnausschüttungen
darstellen oder gar zu einer Gewinnabsaugung führen. Der BFH hat in seiner Recht-
sprechung daher Grundregeln für die Beurteilung der Angemessenheit einer
Gewinntantiemenvereinbarung mit Gesellschafter-Geschäftsführern aufgestellt,194
die von der Finanzverwaltung übernommen wurden.195 Zum einen soll in der Regel
eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, soweit die Tantiemen sämtlicher

190 Sie sind zwar grundsätzlich denkbar, sollten aber möglichst vermieden werden, weil sie oftmals
nicht dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens dienen werden. Hintergrund ist, dass die Ver-
einbarung einer Umsatztantieme die Gefahr birgt, dass der Geschäftsführer Geschäfte zur Steigerung
des Umsatzes der Gesellschaft abschließt, diese aber nicht unbedingt auch dem wirtschaftlichen
Wohle der Gesellschaft dienen. Siehe hierzu Hümmerich/Reufels/Mengel, § 1 Rn 1497.
191 Zu Ausnahmefällen: BFH, Urt. v. 19.2.1999 – I R 105–107/97 – BB 1999, 885; z. B. in einer Auf-
bau- oder Umbauphase des Unternehmens, bei ausschließlicher Vertriebszuständigkeit, zeitlicher
Befristung und höhenmäßiger Begrenzung; BFH, Beschl. v. 12.10.2010 – I B 70/10 – n. v.; BFH, Beschl.
v. 17.9.2014 – I B 192/13 – n. v.; vgl. auch Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 2 Rn 159; Abgrenzung zur
Gratifikation: BFH, Urt. v. 5.6.2002 – I R 69/01 – BB 2002, 2321.
192 BFH, Beschl. v. 26.1.1999 – I B 119/98 – BB 1999, 571; problematisch beispielsweise im Dienstleis-
tungsgeschäft.
193 Zu den Grundsätzen bei der Anerkennung von Tantiemenzusagen: BMF v. 1.2.2002 – BStBl I
2002, 219 – BeckVerw 031464; OFD Hannover, Verfüg. v. 16.4.2002 – S 2742 – 175 – StH 231 – BeckVerw
075263.
194 BFH, Beschl. v. 6.5.2004 – I B 223/03 – n. v.; BFH, Urt. v. 4.6.2003 – I R 24/02 – BB 2003, 2210; BFH,
Urt. v. 5.10.1994 – I R 50/94 – BB 1995, 966.
195 BMF, Schreiben v. 1.2.2002 – BMF IV A 2 – S 2742 – 4/02 – BStBl I S. 219 – BeckVerw 031464.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 459

Gesellschafter-Geschäftsführer insgesamt 50 % des handelsrechtlichen Jahresüber-


schusses, vor Abzug der Gewinntantiemen und der ertragsabhängigen Steuern, über-
steigen (sog. Halbteilungsgrundsatz).
Zum anderen dürfen nach Auffassung der Finanzverwaltung die Jahresgesamtbe- 144
züge in der Regel höchstens zu 25 % aus einem erfolgsabhängigen Bestandteil beste-
hen (Relation Festgehalt zu variablem Gehalt 75:25). Die Rechtsprechung hat den
Grundsatz einer 75:25-Relation inzwischen dahingehend relativiert, dass bei ihrer
Überschreitung nicht zwangsläufig eine verdeckte Gewinnausschüttung anzuneh-
men ist, wenn die Gesamtvergütung des Geschäftsführers insgesamt angemessen
ist.196
In begründeten Fällen, wie beispielsweise bei starken Ertragsschwankungen, 145
kann ein höherer variabler Vergütungsanteil gerechtfertigt sein. Sofern bei Abschluss
des Anstellungsvertrages sprunghafte Gewinnanstiege im Raum stehen, ist es jedoch
geboten, die Tantieme auf einen Höchstbetrag zu deckeln, damit die Gesamtaus-
stattung insgesamt die Angemessenheitsgrenze nicht überschreiten kann. Sofern die
Gesamtvergütung die Angemessenheitsgrenze überschreitet, weil eine Deckelung
nicht oder nicht in der erforderlichen Höhe vereinbart wurde, führt dies zu einer ver-
deckten Gewinnausschüttung in Höhe des die Angemessenheitsgrenze übersteigen-
den Betrages.197
Für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrages empfiehlt 146
sich eine Regelung zu den Auswirkungen auf die Höhe der Tantiemenzahlung. Zuläs-
sig ist beispielsweise eine Vereinbarung, dass sich die Höhe der Tantieme nach dem
Gewinn richtet, der zum Zeitpunkt der Beendigung aufgelaufen ist. Auf diese Weise
wird sichergestellt, dass der Geschäftsführer eine erfolgsabhängige Vergütung nur
für diejenigen Gewinne erhält, auf welche er durch seinen Arbeitseinsatz (zumindest
­theoretisch) persönlich Einfluss genommen haben kann.

ff) Klauselmuster: Bezüge des Geschäftsführers


Das nachfolgende Klauselmuster enthält eine Vergütungsregelung mit festen und 147
variablen Vergütungsbestandteilen:

Klauselmuster
Bezüge des Geschäftsführers
(1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Jahresgehalt in Höhe von EUR [Betrag]. Die
Vergütung wird in 12 monatlichen Teilbeträgen zum jeweiligen Monatsende auf ein vom Geschäftsfüh-
rer zu benennendes Konto bargeldlos ausgezahlt.

196 BFH, Urt. v. 27.2.2003 – I R 46/01 – BB 2003, 1990; BFH, Urt. v. 27.2.2003 – I R 80, 81/01 – GmbHR
2003, 988; BFH, Urt. v. 4.6.2003 – I R 24/02 – BB 2003, 2210.
197 Vgl. etwa Sächsisches FG, Urt. 14.11.2013 – 6 K 701/12 – DstRE 2014, 544.

Reiserer/Polczynski
460 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

(2) Der Geschäftsführer erhält einen jährlichen Erfolgsbonus, dessen Höhe sich nach seinen persön-
lichen Aufgaben und Leistungen sowie der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft bemisst. Die Par-
teien werden in einer gesonderten schriftlichen Rahmenvereinbarung über eine Zielvereinbarung die
Einzelheiten zur Begründung des Erfolgsbonus` regeln.198
(3) Als Anerkennung für besondere Leistungen, die sich auf die Gesellschaft signifikant und nach-
haltig vorteilhaft auswirken und die bei Abschluss des Anstellungsvertrags nicht absehbar waren,
erhält der Geschäftsführer eine Sondervergütung. Die Höhe der Sondervergütung bemisst sich nach
dem erzielten wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteil und wird von der Gesellschafterversammlung
in Abhängigkeit zur finanziellen Situation der Gesellschaft und unter Berücksichtigung der Angemes-
senheit der Gesamtbezüge des Geschäftsführers bestimmt. Die Sondervergütung beträgt jährlich
höchstens EUR [Betrag].199
(4) Der Geschäftsführer erhält zudem eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von EUR [Betrag]. Die Gra-
tifikation wird mit dem letzten Gehalt des Jahres gezahlt.
(5) Des Weiteren erhält der Geschäftsführer eine ergebnisabhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe
von [Betrag] % des Jahresabschlusses der Handelsbilanz vor Verrechnung mit Verlustvorträgen und
vor Abzug der Körperschafts- und Gewerbesteuer. Die Bemessungsgrundlage für die Tantieme ist
nicht um Gewinnanteile stiller Gesellschafter, um die Tantieme selbst und um andere gewinnabhän-
gige Aufwendungen der Gesellschaft zu kürzen. Die Tantieme wird innerhalb eines Monats nach der
Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Sie beträgt jährlich höchstens EUR [Betrag].
(6) Scheidet der Geschäftsführer während der Dauer des Geschäftsjahres aus den Diensten der Ge-
sellschaft aus, so hat er einen zeitanteiligen Anspruch auf die vorstehenden Bezüge.

b) Dienstwagenüberlassung (mit Klauselmuster)


148 Neben dem Grundgehalt sowie weiteren Sondervergütungen wird dem Geschäfts-
führer einer GmbH in der Praxis häufig auch ein Dienstwagen überlassen, der in der
Regel auch für private Zwecke genutzt werden darf. Bei der privaten Nutzung eines
betrieblichen Fahrzeugs durch einen Geschäftsführer, der zugleich auch Gesell-
schafter der GmbH ist, ist stets zu prüfen, ob die Dienstwagenüberlassung nicht
eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob
die Privatnutzung des Firmenwagens durch den Gesellschafter-Geschäftsführer eine
verdeckte Gewinnausschüttung oder ein geldwerter Vorteil (und damit Vergütung)
ist, ist die zwischen ihm und der Gesellschaft diesbezüglich getroffene Regelung im
Anstellungsvertrag bzw. in einer zusätzlichen Vereinbarung.
149 Lässt der Anstellungsvertrag die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs
ausdrücklich zu, so liegt nach der Ansicht des BFH ein lohnsteuerlich geldwer-
ter Vorteil und keine verdeckte Gewinnausschüttung vor.200 Dies soll selbst dann

198 Muster einer Rahmenvereinbarung über eine Zielvereinbarung in Liebers/Reiserer, B Rn


199 ff. und Muster einer konkreten Zielfestsetzung in Liebers/Reiserer, B Rn 218 ff.
199 Im Wesentlichen nach Haas/Ohlendorf, S. 107 f.
200 BFH, Beschl. v. 21.10.2009 – VI B 26/09 – n. v.; BFH, Beschl. v. 23.4.2009 – VI B 118/08 – DB 2009,
1442.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 461

gelten, wenn es sich bei dem Geschäftsführer um den beherrschenden Gesellschafter-


Geschäftsführer der GmbH handelt.201
Problematischer sind in der Praxis die Fälle, in denen dem Gesellschafter- 150
Geschäftsführer entweder die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs im Anstel-
lungsvertrag ausdrücklich verboten wird oder diesbezüglich keine ausdrückliche
Regelung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer vorliegt, der Gesell-
schafter-Geschäftsführer den Dienstwagen aber (trotzdem) für private Zwecke nutzt.
Bei einer nachhaltigen „vertragswidrigen“ privaten Nutzung des Dienstwagens liege
der Schluss nahe, dass die Nutzungsbeschränkung bzw. das –verbot nicht ernstlich
vereinbart wurde und damit als verdeckte Gewinnausschüttung zu bewerten sei.202
Ist im Anstellungsvertrag keine anderweitige Regelung enthalten, darf der 151
Geschäftsführer den Dienstwagen bis zur rechtlichen Beendigung des Anstel-
lungsverhältnisses nutzen, d. h. bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung bis
zum Ablauf der Kündigungsfrist.203 Ist der Geschäftsführer nach dem Anstellungs-
vertrag berechtigt, den Dienstwagen auch privat zu nutzen, gilt dies auch im Fall der
einseitigen Freistellung durch die Gesellschaft für die Dauer der Kündigungsfrist.
Entzieht die Gesellschaft dem Geschäftsführer gleichwohl den Pkw, ist sie zum 152
Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch den Nutzungsausfall dem Geschäfts-
führer entsteht und hat diesem außerdem die Kosten für die Miete eines vergleich-
baren Wagens zu ersetzen.204 Um diese Rechtsfolge auszuschließen, bedarf es einer
vertraglichen Vereinbarung, wonach die Gesellschaft im Fall der einseitigen Frei-
stellung des Geschäftsführers berechtigt ist, den Dienstwagen zurückzunehmen,
ohne dem Geschäftsführer hierfür einen finanziellen Ausgleich zu schulden.205
Als Vorlage für eine Dienstwagenklausel kann das nachfolgende Klauselmuster 153
herangezogen werden:

Klauselmuster
Dienstwagen
(1) Die Gesellschaft wird dem Geschäftsführer einen Dienstwagen folgender Kategorie zur Verfügung
stellen:
…. [Spezifizierung durch Kategorie, Marke, Typ, ggf. preisliche Obergrenze in €].
(2) Der Dienstwagen wird dem Geschäftsführer für die dienstliche Nutzung zur Verfügung gestellt.
Daneben wird ihm die Nutzung zu privaten Zwecken gestattet.

201 In dem vom BFH am 23.4.2009 entschiedenen Fall hielt der Gesellschafter-Geschäftsführer eine
Beteiligung von 65 % an der GmbH, vgl. BFH, Urt. v. 23.4.2009 – VI R 81/06 – DB 2009, 1571.
202 BFH, Urt. v. 11.2.2010 – VI R 43/09 – DB 2010, 762; zur Vertiefung vgl. Foerster, SteuK 2010, 228.
203 Zur Kündigungsfrist des Anstellungsverhältnisses s. Rn 181 f.
204 BGH, Urt. v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10 – NJW 2012, 1756; BGH, Urt. v. 25.2.1991 – II ZR 76/90 – NJW
1991, 1681.
205 Solche vertraglichen Vereinbarungen sind anders als bei Arbeitnehmern für Geschäftsführer zu-
lässig, vgl. Kap. 4 Rn 190 f.

Reiserer/Polczynski
462 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

(3) Die Kosten für die erforderlichen Wartungs-, Inspektions- oder Reparaturarbeiten trägt die Gesell-
schaft. Die Durchführung von Reparaturarbeiten bedarf jedoch – mit Ausnahme von Notreparaturen,
welche die Verkehrstauglichkeit erhalten sollen – der Zustimmung der Gesellschaft.
(4) Der Geschäftsführer wird darauf hingewiesen, dass die Nutzung zu privaten Zwecken einen geld-
werten Vorteil darstellt und daher wie übriges Einkommen ordnungsgemäß zu versteuern ist.
(5) Die Gesellschaft behält sich vor, sowohl die dienstliche Nutzung als auch die eingeräumte Mög-
lichkeit der Nutzung zu privaten Zwecken mit einer Frist von zwei Wochen zu widerrufen. Ein Widerruf
kommt jedoch nur aus folgenden Gründen in Betracht:
a) Wenn der Geschäftsführer den Dienstwagen vertragswidrig nutzt;
b) Wenn dem Geschäftsführer die Fahrerlaubnis für die Dauer von mindestens drei Monaten entzogen
wird;
c) Wenn der Anstellungsvertrag gekündigt wird und die Gesellschaft den Geschäftsführer danach be-
rechtigterweise von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung freistellt;
d) Wenn seitens des Unternehmens aus wirtschaftlichen Gründen eine Veranlassung dafür besteht,
die Dienstwagennutzung zu widerrufen, ein solcher Grund ist insbesondere anzunehmen, wenn ….
[z. B., wenn der Jahresumsatz unter …. € fällt o. ä.].

c) B
 etriebliche Altersversorgung
154 Einigen sich Gesellschaft und Geschäftsführer auf die Zusage einer betrieblichen
Altersversorgung206, so ist die Zahlung entsprechender Beiträge bzw. Zuschüsse durch
die Gesellschaft als Vergütungsbestandteil zu werten. Zur Regelung der betrieblichen
Altersvorsorge vereinbaren die Parteien in der Regel einen gesonderten Pensionsver-
trag. Als Leistungsarten kommen die direkte Pensionszusage in Form eines Ruhege-
haltes oder Hinterbliebenenversorgung sowie eine Direktversicherung in Betracht.207
155 Haben die Parteien grundsätzlich die Absicht gefasst, Regelungen zu einer
betrieblichen Altersversorgung zu treffen, kann folgende Absichtsklausel in den
Anstellungsvertrag aufgenommen werden:

Klauselmuster
Betriebliche Altersversorgung
Die Parteien werden in einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung die Einzelheiten zur Begrün-
dung einer betrieblichen Altersversorgung regeln.

d) Spesen und Aufwendungsersatz


156 Ein Anspruch des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft auf Ersatz erforderlicher
Aufwendungen besteht dem Grunde nach bereits nach § 670 BGB. Eine vertragliche

206 Zur betrieblichen Altersversorgung beim GmbH-Geschäftsführer Hümmerich/Boecken/Spirolke/


Reiserer, § 4 Rn 106 ff.
207 Für Einzelheiten bei der Gestaltung eines Pensionsvertrags siehe Reiserer.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 463

Regelung empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit dennoch, da sich die
steuerlichen Höchstsätze z. B. bei Spesen für Verpflegung ändern können.

Klauselmuster
Spesen und Aufwendungsersatz
(1) Spesen und sonstige Aufwendungen des Geschäftsführers, die im Rahmen ordnungsgemäßer Er-
füllung dieses Vertrages für die Gesellschaft aufzubringen waren, werden dem Geschäftsführer von
Gesellschaft erstattet. Die Erstattung erfolgt, soweit nicht nachfolgend anderes geregelt ist, entweder
gegen Einzelnachweis oder pauschal gemäß den jeweils steuerlich zulässigen Höchstsätzen.
(2) Für Geschäftsreisen, die im Interesse der Gesellschaft erforderlich sind, kann der Geschäftsführer
den von der Gesellschaft, bereitgestellten Dienstwagen, soweit erforderlich, auch einen Mietwagen,
die Bahn oder das Flugzeug benutzen. Bei Fahrten mit der Bahn werden Fahrten der ersten Klasse
erstattet, bei Nutzung des Flugzeugs Tickets der Economy-Klasse und der Business-Klasse für Flüge
über sechs Stunden Dauer. Die Anmietung eines Mietwagens kann in der Größenordnung des Dienst-
wagens erfolgen.
(3) Erforderliche Hotelkosten werden von der Gesellschaft gegen Nachweis erstattet. Die Erstattung
von Verpflegungskosten erfolgt pauschal nach den steuerlich anerkannten Höchstsätzen.
(4) Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer zu dienstlichen Zwecken ein mobiles Telefon zur Ver-
fügung, dessen Modell und finanzielle Konditionen von der Gesellschaft gewählt werden. Die private
Nutzung des Handys ist im angemessenen Umfang gestattet.

e) Ü berstunden
Der GmbH-Geschäftsführer schuldet der Gesellschaft grundsätzlich seine gesamte 157
Arbeitskraft. Weil die Arbeitszeitschutzbestimmungen des ArbZG für den Geschäfts-
führer nicht anwendbar sind (§ 2 Abs. 2 ArbZG), unterliegt weder die Lage der Arbeits-
zeit noch die Höchstdauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit gesetzlichen
Beschränkungen.
Gesonderte Überstundenvergütungen bzw. Zuschläge für Sonn- und Feiertagsar- 158
beit sowie für jede weitere Mehrarbeit aufgrund eines besonderen Arbeitseinsatzes
an einen Gesellschafter-Geschäftsführer stuft die Rechtsprechung des BFH nahezu
ausnahmslos als verdeckte Gewinnausschüttung ein.208 Denn entsprechende Ver-
einbarungen entsprechen grundsätzlich nicht dem, was ein ordentlicher und gewis-
senhafter Geschäftsleiter einer GmbH mit einem Fremdgeschäftsführer vereinbaren
würde.

208 BFH, Urt. v. 27.3.2012 – VIII R 27/09 – HFR 2012, 743; BFH, Urt. v. 14.7.2004 – I R 24/04 – GmbHR
2005, 109; BFH, Urt. v. 19.7.2001 – I B 14/00 – n.V.; BFH, Urt. v. 27.3.2001 – I R 40/00 – DB 2001, 1752;
BFH, Urt. v. 8.4.1997 – I R 66/96 – n. V.; BFH, Urt. v. 19.3.1997 – I R 75/96 – BB 1997, 1571; ausnahmswei-
se keine verdeckte Gewinnausschüttung BFH, Urt. v. 3.8.2005 – I R 7/05 – GmbHR 2005, 1632; vgl. auch
Gosch, Körperschaftssteuergesetz, § 8 Rn 1300, 1301.

Reiserer/Polczynski
464 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

159 Das nachfolgende Klauselmuster entspricht daher der gängigen Praxis, dass
sämtliche Mehr-, Sonntags- und Feiertagsarbeit des Geschäftsführers mit dessen
festen Jahresgehalt als abgegolten gilt.

Klauselmuster
Arbeitszeit
Der Geschäftsführer ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Er stellt sein ganzes Wissen
und Können uneingeschränkt der Gesellschaft zur Verfügung. Ein Anspruch auf Vergütung von Über-
stunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht nicht.

f) Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall
160 Wird der Geschäftsführer ohne sein Verschulden „für eine verhältnismäßig nicht
erhebliche Zeit“ an seiner Dienstleistung gehindert, verliert er dadurch nicht den
Anspruch auf die vereinbarte Vergütung.209 Dies ergab sich bisher aus § 616 Abs. 1
BGB a. F. (der jetzige § 616 BGB n. F.), der nach ganz h. M. auch für den Geschäftsfüh-
rer galt, der nicht oder nicht wesentlich an der Gesellschaft beteiligt ist.210 Wann eine
solche „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ vorliegt, ist gesetzlich nicht geregelt.
Die Sechs-Wochen-Frist, von der § 3 Abs. 1 EFZG für alle Arbeitnehmer für den Krank-
heitsfall ausgeht, findet keine direkte Anwendung auf die GmbH-Geschäftsführer.211
Die Dauer des Gehaltsfortzahlungsanspruchs ist demnach beim Geschäftsführer
in jedem Fall einzeln zu prüfen, wobei die Sechs-Wochen-Frist des EFZG von Vielen
als Anhaltspunkt herangezogen wird.212
161 Um etwaige Streitigkeiten über die Dauer der Vergütungsfortzahlung zu vermei-
den, ist daher die Aufnahme einer entsprechenden Vereinbarung in den Anstel-
lungsvertrag zu empfehlen. Häufig wird dabei zusätzlich zu der Sechs-Wochen-Frist
vereinbart, dass daneben noch für einen weiteren Zeitraum nach Ablauf dieser Frist
ein Zuschuss zu den Leistungen der bestehenden Krankenversicherung an den
Geschäftsführer auszuzahlen ist.

Klauselmuster
Gehaltsfortzahlung bei Krankheit
(1) Wird der Geschäftsführer in der Ausübung seiner Tätigkeit durch Krankheit oder andere durch ihn
nicht verschuldete Gründe verhindert, erhält er für 6 Wochen sein Grundgehalt gemäß § … [Vergü-
tung] weiter.
(2) Dauert die Arbeitsunfähigkeit gemäß des vorstehenden Abs. 1 über die vorgesehene Dauer von
6 Wochen hinaus an, so erhält der Geschäftsführer ab Beginn der 7. Woche der Dienstunfähigkeit

209 Vgl. zur Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall auch Haase, GmbHR 2005, 1260.
210 Statt Vieler Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 114.
211 ErfK/Reinhard, § 1 EFZG Rn 2.
212 Vgl. Bauer, DB 1979, 2178, 2179 m. w. N.; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 114 m. w. N.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 465

und für die Dauer von 36 Monaten ab Beginn der Dienstunfähigkeit einen Zuschuss zum Kranken-
geld. Die Höhe des Zuschusses berechnet sich aus der Differenz zwischen dem monatlichen Netto-
Gehalt gemäß § … [Vergütung] und dem Krankengeld, das der Geschäftsführer vom Träger seiner
Krankenversicherung erhält. Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft den Nachweis der Höhe sei-
nes Krankengeldes zu erbringen. Als Netto-Gehalt gilt das Brutto-Gehalt, vermindert um die von dem
Geschäftsführer abzuführenden gesetzlichen Abzüge; Sozialversicherungsbeiträge sind gesetzliche
Abzüge in diesem Sinne, unabhängig davon, ob die Beiträge vom Geschäftsführer selbst oder der
Gesellschaft abgeführt werden.

g) R eduzierung/Erhöhung
Anders als im Arbeitsverhältnis ist die vertragliche Vergütungsregelung im Dienst- 162
verhältnis des GmbH-Geschäftsführers nicht immer starr. Ausnahmsweise kann die
Gesellschaft einseitig von ihrem Geschäftsführer verlangen, bei wesentlicher Ver-
schlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Gehaltsreduzierung zuzu-
stimmen. Für die schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sowie für den
Umstand, dass die Weitergewährung der Bezüge in der bisher gewährten Höhe für
die Gesellschaft zu einer groben Unbilligkeit führt, trägt allerdings die Gesellschaft
die Beweislast. Diese Rücksichtnahmepflicht, die sich für das Vorstandsmitglied
einer Aktiengesellschaft aus § 87 Abs. 2 AktG ergibt, begründet die Rechtsprechung
für den GmbH-Geschäftsführer mit der ihm obliegenden Treuepflicht.213 Auf die
Frage, inwieweit der Geschäftsführer durch seine geschäftsführenden Maßnahmen
die schlechte wirtschaftliche Situation der Gesellschaft (mit-)zuverantworten hat,
kommt es dabei nicht an.
Ein Anspruch des Geschäftsführers auf Erhöhung der vertraglich vereinbarten 163
Bezüge kommt dagegen nur in Ausnahmefällen in Betracht, und zwar in der Regel
nur bei unbefristeten Anstellungsverträgen.214 Diskutiert wird dies für Fremdge-
schäftsführer etwa bei völlig unerwartetem Wirtschaftswachstum der Gesellschaft,
insbesondere wenn der Teil der erfolgsabhängigen Vergütung vertraglich sehr gering
festgelegt wurde. Gerichtliche Entscheidungen liegen zu diesem Fragenkomplex –
soweit ersichtlich – nicht vor. Denn wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen
unter der Geschäftsführung eines Geschäftsführers so wesentlich verbessern, dass an
eine Gehaltsanpassung zu denken wäre, einigen sich die Parteien in der Regel ohne
Zwang auf eine entsprechende Gehaltssteigerung.

213 BGH, Urt. v. 15.6.1992 – II ZR 88/91 – BB 1992, 1583; OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 16.4.2003 – 5 U
12/03 – GmbHR 2004, 423 f., das § 87 AktG analog anwendet; ausführlich hierzu Scholz/Schneider/
Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn 369.
214 Scholz/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn 368

Reiserer/Polczynski
466 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

h) V
 erjährung
164 Der Anspruch des Geschäftsführers auf Zahlung der Vergütung verjährt gemäß § 195
BGB in drei Jahren.215 Hiervon sind neben dem Gehaltsanspruch auch alle Ansprü-
che erfasst, die ein Entgelt für geleistete Dienste darstellen, wie etwa der Anspruch
auf Provision, Gewinnanteile, Karenzentschädigung, Urlaubsabgeltung, Ruhegehalt
o. Ä.

4. Nebenpflichten
a) Treuepflicht
165 Der Geschäftsführer hat bei der Ausübung seiner Tätigkeit sowohl gegenüber der
Gesellschaft als auch den jeweiligen Gesellschaftern Treuepflichten zu beachten.
Stets wird hierbei das Problem der Interessenkollision im Vordergrund stehen. So
soll der Geschäftsführer durch sein Tun den Erfolg seiner aktiven Förderpflicht nicht
gefährden, das Vertrauen der Mitgesellschafter/Mitgeschäftsführer nicht enttäuschen
oder missbrauchen und aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer keine persönlichen
wirtschaftlichen Vorteile ziehen.216
166 Geschäftsführer dürfen der Gesellschaft angebotene Geschäftschancen nicht
selbst wahrnehmen oder auf eigene Rechnung selbst oder durch Angehörige oder
Gesellschaften, an denen sie oder Angehörige beteiligt sind, verwerten.217 Von einer
Geschäftschance spricht man u. a., wenn ein Gesellschafterbeschluss gefasst wurde,
eine geschäftliche Möglichkeit tatsächlicher oder rechtsgeschäftlicher Natur wahrzu-
nehmen, die Gesellschaft ein Interesse an der Wahrnehmung geäußert hat, sie bereits
in Vertragsverhandlungen eingetreten ist, sie ein Angebot zur Wahrnehmung des
Geschäfts erhalten hat oder gegebenenfalls sogar schon dann, wenn sich lediglich
die Möglichkeit der Wahrnehmung eröffnet hat.218 Das Verbot endet nicht automa-
tisch mit der Beendigung der Geschäftsführerstellung. Auch im Anschluss dürfen
Geschäftsführer keine bereits zuvor bekannten Geschäftschancen an sich ziehen.219
167 Darüber hinaus dürfen Geschäftsführer auch keine Gesellschaftsressourcen zu
eigenen, unternehmensfremden Zwecken nutzen.220 In Betracht kämen u. a. das
Ausnutzen von Insiderinformationen, Annahme von Schmiergeldern, Inanspruch-
nahme von Darlehen oder verdeckte Gewinnausschüttungen.

215 Statt Vieler BeckOK GmbHG, Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn 126; für den Beginn der Verjährungsfrist
gilt § 199 BGB.
216 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 152.
217 BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR 246/84 – WM 1985, 1443; BGH, Urt. v. 21.2.1983 – II ZR 183/82 – WM
1983, 498; OLG Koblenz, Urt. v. 31.5.2012 – 6 U 350/12 – BeckRS 2012, 11480.
218 BGH, Urt. v. 8.5.1967 – II ZR 126/65 – GmbHR 1968, 141; vgl. Kap. 8 Rn 23 (entsprechend für Ar-
beitnehmer).
219 BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75 – DB 1977, 158.
220 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 200.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 467

b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen


Als weitere Ausprägung der Nebenpflicht des Geschäftsführers zur Loyalität gegen- 168
über der Gesellschaft hat derselbe umfangreiche Verschwiegenheitspflichten zu
beachten.221 Über vertrauliche Angaben und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse hat
der Geschäftsführer Stillschweigen zu bewahren. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit
besteht grundsätzlich nicht gegenüber der Gesellschafterversammlung, einzel-
nen Gesellschaftern, dem Aufsichtsrat oder Beirat. Denn diese sind ihrerseits
zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eine Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber den
genannten Gruppen besteht allerdings dann, wenn Missbrauch zu gesellschaftsfrem-
den Zwecken zu befürchten ist. Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Ver-
schwiegenheitspflicht insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen.
Gegebenenfalls ist in solchen Fällen vor einer Offenlegung von Informationen an
Dritte ein Gesellschafterbeschluss einzuholen.222
Während der Dauer des Vertragsverhältnisses ergibt sich die Pflicht zur 169
Geheimhaltung bereits aus der Treuepflicht bzw. nach anderer Ansicht (auch) aus
der Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung des Geschäftsführers.223 Die Verschwie-
genheitspflicht des Geschäftsführers wirkt jedoch – auch ohne gesonderte Vereinba-
rung – über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus.224
§ 85 GmbHG stellt den Geschäftsführer unter Strafe, der ein Geheimnis der 170
Gesellschaft, insbesondere ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner
Eigenschaft als Geschäftsführer bekannt geworden ist, unbefugt offenbart. Nicht
übersehen werden darf allerdings, dass eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht
nur schwer nachzuweisen ist.

c) Wettbewerbsverbot (während des Anstellungsverhältnisses)225


Während des laufenden Anstellungsverhältnisses besteht für den GmbH- 171
Geschäftsführer die vertragliche Nebenpflicht, mit der Gesellschaft nicht in Wettbe-
werb zu treten. Dieses Wettbewerbsverbot für den GmbH-Geschäftsführer wird aus
der dem Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft obliegenden Treuepflicht abge-
leitet. § 60 HGB, der ein Wettbewerbsverbot für Handlungsgehilfen normiert, ist auf

221 Zu den Grenzen der Verschwiegenheitspflicht BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 Rn 203 ff.


m. w. N.
222 Zur Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführers i.Z.m. der Durchführung von Due Dilligences
vgl. Lutter, ZIP 1997, 613, 615; Ziegler, DStR 2000, 249, 251f; Oppenländer, GmbHR 2000, 535, 539.
223 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 994; BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 Rn 187 m. w. N.;
zur Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers mit Klauselmuster, vgl. Kap. 5 Rn 111 ff.
224 Zur (auch nachvertraglichen) Verschwiegenheitspflicht des Geschäftsführers mit Klauselmus-
ter vgl. Rn 252 f.; zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers mit Klausel-
muster vgl. Kap. 8 Rn 23 ff.
225 Zum Wettbewerbsverbot im Konzern, Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 139 f.

Reiserer/Polczynski
468 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

den GmbH-Geschäftsführer wegen seiner Organstellung nicht unmittelbar anwend-


bar.226
172 Der Umfang des Wettbewerbsverbots wird von der herrschenden Meinung
sehr weit gefasst. Unzulässig ist sowohl die Tätigkeit als konkurrierender Unterneh-
mer, als Geschäftsführer eines konkurrierenden Unternehmens sowie in abhängiger
Stellung als leitender Angestellter. Umstritten ist allerdings, ob für das Wettbewerbs-
verbot nur der tatsächliche Tätigkeitsbereich der Gesellschaft maßgeblich ist,227 oder
auch der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Unternehmensgegenstand, unabhängig
davon, ob die Gesellschaft diesen Gegenstand (schon) voll ausfüllt.228
173 Der Geschäftsführer kann von dem Wettbewerbsverbot befreit werden. Ob hierfür
eine Klausel im Gesellschaftsvertrag erforderlich oder ob für den Dispens ein ein-
facher Gesellschafterbeschluss ausreichend ist, ist streitig.229 Weitgehend Einigkeit
besteht allerdings über die Möglichkeit der Befreiung durch Gesellschafterbe-
schluss, wenn der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Ermächtigung für die
Gesellschafterversammlung vorsieht. Letztlich sind die Folgen der unterschiedlichen
Ansichten hierzu für die Praxis heute aber kaum noch relevant, da die steuerrechtli-
che Behandlung der konkurrierenden Tätigkeit des Geschäftsführers durch die Recht-
sprechung des BFH unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung in
den Vordergrund gerückt ist.230
174 Für ein Wettbewerbsverbot während der Dauer des Anstellungsvertrages
empfiehlt sich folgendes der Klarstellung dienendes Klauselmuster:

Klauselmuster
Wettbewerbsverbot
Für die Dauer dieses Anstellungsvertrages ist es dem Geschäftsführer nicht gestattet, in einem Un-
ternehmen tätig zu sein, welches mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht,
und zwar weder selbständig noch unselbständig, es zu beraten oder in irgendeiner Form zu unterstüt-
zen, ein solches Unternehmen zu errichten oder sich an solchen Unternehmen zu beteiligen, und zwar
weder unmittelbar noch mittelbar, weder gelegentlich noch gewerbsmäßig.

226 St. Rspr., BGH, Urt. v. 12.6.1989 – II ZR 334/87 – BB 1989, 1637; BGH, Urt. v. 23.9.1985 – II ZR
246/84 – BB 1986, 90; BeckOK HGB/Wetzel, § 60 Rn 4; zum Inhalt des vertraglichen Wettbewerbsver-
bots BGH, Urt. v. 17.2.1997 – II ZR 278/95 – BB 1997, 1913.
227 So BGH, Urt. v. 5.12.1983 – II ZR 242/82 – DB 1984, 495.
228 So Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 163; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn 42.
229 Vgl. zum Dispens auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn 43.
230 Vgl. BFH, Urt. v. 18.12.1996 – I R 26/95 – NJW 1997, 1804; BFH, Urt. v. 30.8.1995 – I R 155/94 – NJW
1996, 950, wonach der Alleingesellschafter einer GmbH solange keinem gesetzlichen Wettbewerbsver-
bot unterliegt, als er der GmbH kein Vermögen entzieht, das zur Deckung des Stammkapitals benötigt
wird.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 469

d) N ebentätigkeit
Da der Geschäftsführer anders als ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft der Gesell- 175
schaft voll zur Verfügung stellen muss, verbleibt oft nur wenig Raum für Nebentä-
tigkeiten. Soweit diese mit seinen Aufgaben als Geschäftsführer vereinbar sind, darf
aber auch der GmbH-Geschäftsführer außerhalb des Unternehmensgegenstandes
tätig werden. Anders als im Arbeitsvertrag kann im Anstellungsvertrag des GmbH-
Geschäftsführers aber ein absolutes Nebentätigkeitsverbot aufgenommen werden.231
Dieses Nebentätigkeitsverbot kann auch die Veröffentlichung von Publikationen
sowie die Übernahme von Ehrenämtern umfassen. Werden durch die Nebentätig-
keit des Geschäftsführers aber weder die Tätigkeit als Geschäftsführer noch sonstige
berechtigte Interessen der Gesellschaft beeinträchtigt, so steht dem Geschäftsführer
auch bei einem absoluten Nebentätigkeitsverbot ein Anspruch gegen die Gesellschaft
zu, die Nebentätigkeit zu genehmigen.232
Aus diesem Grund empfiehlt sich folgendes Klauselmuster: 176

Klauselmuster
Nebentätigkeitsverbot
Die Aufnahme einer Nebentätigkeit, gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, bedarf der vorherigen
schriftlichen Zustimmung der Gesellschaft. Gleiches gilt für Veröffentlichungen und Vorträge, wel-
che den Tätigkeitsbereich der Gesellschaft betreffen. Dies gilt auch für die Übernahme von Ämtern in
Aufsichtsgremien anderer Unternehmen und Ehrenämtern in Organisationen, wobei die zur Übernah-
me eines Amtes erteilte Zustimmung unter Beachtung etwaiger vom Geschäftsführer zu beachtender
Kündigungsfristen jederzeit widerruflich ist.

5. Kündigung des Anstellungsverhältnisses


a) Zuständigkeit
Nach § 46 Nr. 5 GmbHG sind für die Bestellung eines Geschäftsführers die Gesell- 177
schafter zuständig.233 Diese Zuständigkeit erstreckt sich in der Regel auch auf den
Abschluss des Anstellungsvertrages und gilt als actus contrarius auch für die Kün-
digung (sog. Annexkompetenz).234 Dies gilt sowohl für die ordentliche als auch für
die fristlose außerordentliche Kündigung.235 Die gesetzliche Vertretungsbefugnis der

231 Vgl. Nebentätigkeit des Arbeitnehmers mit Klauselmuster Kap. 5 Rn 1 ff.


232 Hümmerich/Reufels/Borgmann, § 2 Rn 303.
233 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 169/90 – BB 1991, 927; zu den Besonderheiten bei der GmbH & Co.
KG vgl. BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93 – DB 1995, 1169; vgl. auch Reiserer, DB 2006, 1787; zur
anwaltlichen Vertretung von Geschäftsführern bei Abberufung und Kündigung vgl. Reiserer/Peters,
DB 2008, 167.
234 So auch Lieder, NZG, 2015, 569, 570; Harbarth, BB 2015, 707.
235 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – BB 2000, 1751 m. Anm. v. Günther, EWiR 2001, 119; BGH,
Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93 – BB 1995, 1102; BGH, Urt. v. 17.3.1980 – II ZR 178/79 – BB 1980, 1177;

Reiserer/Polczynski
470 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Geschäftsführer greift insoweit nicht.236 Die Gesellschafter entscheiden, soweit in


dem Gesellschaftsvertrag keine anders lautende Bestimmung enthalten ist, nach § 47
Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit. Dabei kann der betroffene Gesellschafter-
Geschäftsführer, ebenso wie bei seiner Anstellung, mitstimmen,237 es sei denn,
er soll aus wichtigem Grund entlassen werden.238 Wird der Geschäftsführer von der
Beschlussfassung ausgeschlossen, kann er den Gesellschafterbeschluss wirksam
anfechten, wenn die Vorenthaltung des Stimmrechts für das Ergebnis ursächlich
war.239 Nach interner Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung betrauen
regelmäßig die Gesellschafter einen einzelnen Gesellschafter oder einen Mitge-
schäftsführer mit dem Ausspruch der Kündigungserklärung.240 Der Ausführende
handelt dabei als Bevollmächtigter der Gesellschaft, nicht aber als deren Organ.
Die Gesellschafter haben dann eine Ermächtigung ausgesprochen, den von ihnen
gefassten Beschluss auszuführen. Fehlt ein wirksamer Gesellschafterbeschluss, ist
die Kündigung des Anstellungsvertrages unwirksam. Eine rückwirkende Genehmi-
gung durch die Gesellschafter, wenn ein Beschluss fehlte, ist nicht möglich.241 Ledig-
lich wenn das Anstellungsverhältnis nach der Abberufung noch als Arbeitsverhältnis
fortgeführt worden ist, ist für die Kündigung der neue Geschäftsführer zuständig.242
178 Zulässig ist es zudem, dass der Gesellschaftsvertrag die interne Zuständigkeit
für den Ausspruch der Kündigung des Anstellungsvertrages von den Gesellschaftern
auf einen eingerichteten fakultativen Aufsichtsrat überträgt.243 In diesem Fall ruht
die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung und lebt erst wieder auf, falls das
Gremium nicht mehr besteht oder jedenfalls handlungsunfähig wird.244
179 In diesem Zusammenhang ist für den Fall der Umdeutung einer außerordentli-
chen Kündigung eines Dienstverhältnisses in eine ordentliche Kündigung zu beach-

Anschluss OLG Hamm, Urt. v. 1.2.2006 – 8 U 46/05 – NZG 2006, 430; OLG Köln, Urt. v. 21.2.1990 – 13 U
195/89 – GmbHR 1991, 156; ausführlich zu Kündigung und Abberufung Lunk, ZIP 1999, 1777.
236 BGH, Urt. v. 9.10.1989 – II ZR 16/89 – BB 1989, 2209 m. Anm. v. Schlechtriem, EWiR 1990, 17.
237 BGH, Urt. v. 29.9.1955 – II ZR 225/54 – BGHZ 18, 205; BGH, Urt. v. 20.12.1982 – II ZR 110/82 – BGHZ
86, 177, 181; BGH, Urt. v. 28.1.1985 – II ZR 79/84 – GmbHR 1985, 256.
238 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 120/83 – NJW 1984, 2528; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.4.1994 – 2 U
303/93 – GmbHR 1995, 228; Gehrlein, BB 1996, 2257; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 481.
239 BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 240/85 – WM 1987, 71 m. Anm. v. Riegger, EWiR 1987, 53.
240 Vgl. BGH, Urt. v. 1.2.1968 – II ZR 212/65 – WM 1968, 570; OLG Köln, Urt. v. 21.2.1990 – 13 U 195/89 –
GmbHR 1991, 156.
241 OLG Köln, Urt. v. 21.2.1990 – 13 U 195/89 – GmbHR 1991, 156; Scholz/Schneider/Hohenstatt,
GmbHG, § 35 Rn 428.
242 BGH, Urt. v. 27.3.1995 – II ZR 140/93 – BB 1995, 1102; BGH, Urt. v. 13.2.1984 – II ZR 2/83 – WM 1984,
532.
243 So zuletzt BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – DB 2001, 2438 zur (prozessualen) Vertretung der
Gesellschaft mit fakultativem Aufsichtsrat gegenüber ausgeschiedenen Geschäftsführern vgl. BGH,
Urt. v. 5.3.1990 – II ZR 86/89 – BB 1990, 729; BGH, Urt. v. 24.11.2003 – II ZR 127/01 – BB 2004, 126.
244 Scholz/Schneider, GmbHG, § 52 Rn 12.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 471

ten, dass nach der Rechtsprechung des BGH eine Umdeutung nur dann vorgenom-
men werden kann, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass die ordentliche
Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in seiner
Erklärung für den Empfänger erkennbar zum Ausdruck kommt.245 Da die Kündigung
des Dienstvertrages eines Geschäftsführers in den ausschließlichen Zuständigkeits-
bereich der Gesellschafterversammlung fällt, ist es erforderlich, dass der Beschluss
der Gesellschafter ihren Willen zum Ausdruck bringt, es solle nicht nur eine fristlose,
sondern auch eine fristgemäße Kündigung ausgesprochen werden. Dieser Wille muss
sich darüber hinaus aus der dem Empfänger der Kündigungserklärung gegenüber
abgegebenen Erklärung ergeben.
Kündigt der Geschäftsführer, so kann er die Erklärung sowohl an einen Mit- 180
geschäftsführer, auch wenn Gesamtvertretungsbefugnis besteht,246 als auch an die
Gesellschafter richten.

b) Kündigungsfrist
Ist im Anstellungsvertrag eine bestimmte Kündigungsfrist nicht geregelt247 und beste- 181
hen feste Bezüge, die nach Monaten bemessen sind, so finden die Kündigungs-
fristen des § 622 BGB Anwendung.248 Nach ihrem Wortlaut ist diese Vorschrift
zwar nicht unmittelbar auf den GmbH-Geschäftsführer anwendbar, da sie lediglich
für Arbeitnehmer gilt. Dessen ungeachtet gebietet es die Interessenlage, auch dem
Geschäftsführer, der seine Arbeitskraft der Gesellschaft für eine Anzahl von Jahren
zur Verfügung gestellt hat, mit zunehmender Betriebszugehörigkeit steigende Kün-
digungsfristen zu gewähren.249 Dies gilt allerdings nur für den Fremdgeschäfts-
führer sowie für den nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, die
sich beide darauf eingestellt haben, die Geschäftsführertätigkeit auch beruflich aus-
zuüben und für ihren Lebensunterhalt ein Gehalt zu beziehen.250 Das OLG Düssel-
dorf hat die entsprechende Anwendung des § 622 BGB auf Anstellungsverträge von
GmbH-Geschäftsführern primär von der Frage abhängig gemacht, ob der betreffende
Geschäftsführer zumindest den wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft in den Dienst
der Gesellschaft gestellt und auch nicht durch eine Mehrheitsbeteiligung an der

245 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 8.9.1997 – II ZR 165/96 – NJW 1998, 76; BGH 14.2.2000 – II ZR 285/97 – BB
2000, 631; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 146.
246 Einhellige Ansicht, vgl. bereits BGH, Urt. v. 19.1.1961 – II ZR 217/58 – GmbHR 1961, 48; Scholz/
Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn 430, 313.
247 Klauselmuster zur Vertragsdauer und Beendigung eines unbefristeten Anstellungsvertrages
vgl. Rn 222.
248 Str., so aber hM, vgl. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 122 ff.
249 So auch Bauer/Gragert, ZIP 1997, 2177, 2180; a. A. Hümmerich, NJW 1995, 1177.
250 Zu § 622 BGB a. F. vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1981 – II ZR 92/80 – BB 1981, 752 betr. Fremdgeschäftsfüh-
rer; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 120/83 – NJW 1984, 2528 betr. Gesellschafter-Geschäftsführer.

Reiserer/Polczynski
472 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Gesellschaft auf diese beherrschenden Einfluss ausgeübt hat.251 Somit verbleibt es


lediglich für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer bei den kurzen
Kündigungsfristen des § 621 BGB.252
182 Der Geschäftsführeranstellungsvertrag kann – ebenso wie ein Arbeitsvertrag253 –
grundsätzlich bereits vor dem vereinbarten Dienstantritt gekündigt werden, wenn
keine abweichende Vereinbarung vorliegt.254 Eine solche liegt nicht schon stets bei
einem Geschäftsführerdienstvertrag vor, zumindest dann nicht, wenn eine Probezeit
vereinbart ist.255

c) Schriftform
183 Seit 1.5.2000 gilt für die Kündigung und die einvernehmliche Aufhebung von
Arbeitsverhältnissen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB.256 Soweit der GmbH-
Geschäftsführer in einem Arbeitsverhältnis steht, findet die Vorschrift daher Anwen-
dung.257 Es ist bisher umstritten, ob diese Schriftformklausel auch für die Kündigung
und die einvernehmliche Aufhebung des Dienstverhältnisses von GmbH-Geschäfts-
führern und AG-Vorständen gilt.258 Teilweise wird vertreten, dass sich jedenfalls bei
Fremdgeschäftsführern eine Anwendung des § 623 BGB aus den gleichen Erwägun-
gen rechtfertigt, die auch zur entsprechenden Anwendung der Kündigungsfristen
des § 622 BGB geführt haben.259 Hiergegen sprechen allerdings die Gesichtspunkte
der grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung. Gleichwohl
bleiben bis zur höchstrichterlichen Klärung Unwägbarkeiten, die nur durch die Ein-
haltung der Schriftform ausgeschlossen werden können.260 Im Übrigen empfiehlt sich
die Schriftform der Kündigung bereits aus Beweisgründen.261

251 OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.10.2003 – I-17 U 35/03 – NZG 2004, 478.
252 BGH, Urt. v. 9.3.1987 – II ZR 132/86 – BB 1987, 848; OLG Hamm, Urt. v. 27.1.1992 – 8 U 200/91 –
NJW-RR 1993, 493.
253 BAG, Urt. v. 25.3.2004 – 2 AZR 324/03 – NJW 2004, 3444 f.
254 KG Berlin, Beschl. v. 13.7.2009 – 23 U 50/09 –, GmbHR 2010, 37.
255 KG Berlin, Beschl. v. 13.7.2009 – 23 U 50/09 – GmbHR 2010, 37.
256 Zum Schriftformerfordernis bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses vgl. Kap. 6 Rn 132 ff.
257 BeckOK BGB/Fuchs, § 623 BGB Rn 2; MüKo-BGB/Henssler, § 623 Rn 6.
258 BeckOK ArbeitsR/Gotthardt, § 623 BGB Rn 2.
259 KR/Spilger, § 623 BGB Rn 41; a. A. Zimmer, BB 2003, 1175; MüKo-BGB/Henssler, § 623 Rn 6.
260 So auch Löw, BuW 2004, 78.
261 So auch Moll/Moll/Grobys, § 80 Rn 64.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 473

d) F reistellung
Der GmbH-Geschäftsführer kann jederzeit von seinen vertraglichen Dienstpflichten 184
freigestellt werden.262 Eine Einschränkung gilt nur dann, wenn der Widerruf der
Bestellung im Geschäftsführerdienstvertrag auf wichtige Gründe beschränkt wurde
(§ 38 Abs. 2 GmbHG). In diesem Fall ist es allerdings auch ausreichend, wenn die
Gesellschaft billigenswerte Gründe hat, die in der Regel dann bejaht werden, wenn
die Suspendierung dem Zweck dienen soll, vorliegende Tatsachen oder Vorwürfe auf
ihre Tragweite bzw. eine etwa erforderliche Abberufung zu überprüfen. Des Vorlie-
gens eines wichtigen Grundes bedarf es für die Suspendierung dagegen regelmäßig
nicht.263
Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich dennoch die Aufnahme einer 185
Freistellungsklausel in den Anstellungsvertrag.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
Im Fall der Kündigung behält sich die Gesellschaft das Recht vor, den Geschäftsführer bis zum Ablauf
der Kündigungsfrist von der Verpflichtung zur Dienstleistung freizustellen; etwaige noch offene Ur-
laubsansprüche sind in diesem Fall auf den Freistellungszeitraum anzurechnen.

e) Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz


aa) Ausschluss des Kündigungsschutzgesetzes
Der allgemeine Kündigungsschutz des KSchG greift nicht ein in Betrieben einer juristi- 186
schen Person für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der Gesell-
schaft berufen ist, § 14 Abs. 1 KSchG. Geschäftsführer einer GmbH, gleichgültig, ob
Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer, Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer
oder Fremdgeschäftsführer, sind zur Vertretung der GmbH berufen und unterfallen
somit grundsätzlich nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz des KSchG.264
Im Anstellungsvertrag kann jedoch die Geltung der materiellen Regeln des 187
Kündigungsschutzgesetzes zugunsten des Geschäftsführers vereinbart werden.265 In
einer solchen privatautonomen Vereinbarung liegt nach einer neueren Entscheidung

262 A. A. Beckmann, NZA 2004, 1131, 1134 f., der stets das Vorliegen eines sachlichen Grundes für
erforderlich hält, ähnlich Wicke, GmbHG, Anhang § 6 Rn 15, der die Möglichkeit einer Freistellung
von einer Regelung im Anstellungsvertrag oder dem Bestehen eines schützenswerten Interesses der
Gesellschaft abhängig macht; zur Freistellung von Arbeitnehmer vgl. Kap. 6 Rn 183 ff.
263 LG Köln, Urt. v. 9.9.1997 – 3 O 406/97– GmbHR 1997, 1104; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 88 f.
264 Einhellige Ansicht, BAG, Urt. v. 17.1.2002 – 2 AZR 719/00 – NZA 2002, 854 m. Anm. v. Reiserer, AP
Nr. 8 zu § 14 KSchG 1969; vgl. i.Ü. statt vieler ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn 3.
265 BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09 –, DB 2010, 1518 m. Anm. v. Diller, NZG 2011, 254.

Reiserer/Polczynski
474 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

des BGH266 zwar eine Einschränkung der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung
des Anstellungsvertrages, die jedoch die Bestellungs- und Abberufungsfreiheit der
Gesellschafterversammlung hinsichtlich der davon zu trennenden Organstellung nur
mittelbar berühre und daher zulässig sei. Darin sei keine Beeinträchtigung der Funk-
tionsfähigkeit der Gesellschaft zu sehen. Zur Begründung wird u. a. die Vorschrift des
§ 38 GmbHG angeführt, die weitere Einschränkungen der Abberufbarkeit zulässt. § 1
KSchG enthalte einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, von welchem nicht
zu Lasten von Arbeitnehmern abgewichen werden könne; eine privatautonome Aus-
dehnung des Kündigungsschutzes über den gesetzlich geregelten Anwendungsbe-
reich hinaus sei aber zulässig.
188 Das nachfolgende Klauselmuster dient als Beispiel für die Einbeziehung der
materiellen Regeln des KSchG zugunsten des Geschäftsführers:

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(…) …
(…) Für die Kündigung gelten im Übrigen zugunsten des Geschäftsführers die Bestimmungen des
deutschen Kündigungsschutzrechts für Arbeitnehmer. Das Recht zur fristlosen Kündigung des Vertra-
ges aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.

bb) Arbeitsverhältnis neben Anstellungsvertrag


189 Nach der Rechtsprechung des BAG gibt es neben der oben beschriebenen Vereinbar-
keit zum KSchG im Wesentlichen zwei Situationen, in denen ausnahmsweise auch die
Kündigung des Geschäftsführers an den Kriterien des KSchG zu messen ist.
190 Der weniger häufig auftretende Fall liegt vor, wenn zwischen der Person des
Geschäftsführers und der Gesellschaft zwei Rechtsverhältnisse bestehen – ein Anstel-
lungsverhältnis und ein davon abgrenzbares Arbeitsverhältnis. Da der Geschäfts-
führer in diesem Fall neben der Organstellung auch in einem Angestelltenverhältnis
zu der Gesellschaft steht, z. B. als angestellter Architekt einer Baugesellschaft, deren
Geschäftsführer er gleichzeitig ist, wäre in diesem Fall die Kündigung des Architekten
nur wirksam, wenn sie nicht nach § 1 KSchG sozialwidrig ist.
191 Die für die Praxis wichtigere Ausnahme lag nach der früheren Rechtsprechung
des BAG dann vor, wenn ein bis dahin im Angestelltenverhältnis tätiger Mitarbei-
ter der Gesellschaft einen innerbetrieblichen Aufstieg zum Geschäftsführer
machte.267 Denn nach der früher gefestigten Rechtsprechung des BAG sollte das
KSchG auch bei der ordentlichen Kündigung eines Geschäftsführers anwendbar sein,

266 BGH, Urt. v. 10.5.2010 – II ZR 70/09 – DB 2010, 1518; auch zur Behandlung und Auslegung eines
Auflösungsantrages nach §§ 14 Abs. 2 S. 2, 9 Abs. 1 S. 2 KSchG in solchen Fällen.
267 Vgl. hierzu Schrader/Straube, GmbHR 2005, 904.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 475

wenn der Geschäftsführer vor seiner Bestellung in einem Arbeitsverhältnis zur Gesell-
schaft gestanden hatte und sich durch seine Bestellung zum Organ die Vertragsbedin-
gungen nicht wesentlich geändert hatten. Wurde in diesem Fall das Arbeitsverhältnis
nicht ausdrücklich aufgehoben, ging das BAG davon aus, dass das frühere Arbeits-
verhältnis während der Geschäftsführertätigkeit lediglich ruhte, also sachlich fort-
bestand, und nach Abberufung des Geschäftsführers ohne besondere Vereinbarung
wieder auflebte.268
Das BAG hat diese Grundsätze, die mit der besonderen Schutzbedürftigkeit des 192
Geschäftsführers begründet wurden, in den 90er-Jahren aufgegeben. Zunächst hat
der zeitweise zuständige Fünfte Senat in seiner Entscheidung vom 28.9.1995269 fest-
gestellt, dass im Zweifel mit der Geschäftsführerbestellung das bisherige Arbeits-
verhältnis aufgehoben werde. Auch die folgenden Entscheidungen des Zweiten
Senats führten weiter von der bisherigen Theorie vom „ruhenden Arbeitsverhältnis“
weg. Heute geht das BAG grundsätzlich davon aus, dass mit dem Abschluss eines
schriftlichen270 Geschäftsführerdienstvertrages das bisherige Arbeitsverhältnis im
Zweifel einvernehmlich beendet wird; es bestehe eine dahingehende tatsächliche
Vermutung.271 In der Entscheidung vom 5.6.2008272 betont das BAG zugleich, dass
der neue Vertrag die ausschließliche Grundlage der rechtlichen Beziehungen der Par-
teien darstellt, sofern nichts anderes vereinbart ist; die im Rahmen des bisherigen
Arbeitsverhältnisses vereinbarten Rechte und Pflichten würden durch den schriftli-
chen Geschäftsführerdienstvertrag konkludent aufgehoben.
Nach den Entscheidungen des BAG vom 19.7.2007273 gilt dies auch nach dem 193
Inkrafttreten der gesetzlichen Schriftform nach § 623 BGB für Aufhebungsverträge.
Durch den schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag wird das Schriftformerforder-
nis nach §§ 623, 126 BGB für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gewahrt.274 Der
Warnfunktion des § 623 BGB werde dadurch Genüge getan, dass dem Arbeitnehmer
durch die schriftliche Vertragsurkunde des Geschäftsführerdienstvertrages hinrei-
chend deutlich vor Augen geführt werde, dass die vertraglichen Beziehungen zu

268 BAG, Urt. v. 9.5.1985 – 2 AZR 330/84 – BB 1985, 1474; BAG, Urt. v. 27.6.1985 – 2 AZR 425/84 – DB
1986, 2132; BAG, Urt. v. 12.3.1987 – 2 AZR 336/86 – DB 1987, 2659; ausführlich hierzu Reiserer, DB 1994,
1822; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 92 f.
269 BAG, Beschl. v. 28.9.1995 – 5 AZB 4/95 – ZIP 1996, 146.
270 Anders bei fehlender Schriftform infolge nur konkludenter Erweiterung des Arbeitsverhältnis-
ses, vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 26.1.2009 – 6 Ta 174/09 – NZA-RR 2009, 277.
271 BAG, Urt. v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06 – BB 2009, 612.
272 BAG, Urt. v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06 – BB 2009, 612.
273 BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06 – DB 2007, 2093; BAG, Urt. v. 19.7.2007– 6 AZR 875/06 – NJW-
Spezial 2007, 484.
274 Etwas anderes gilt dann, wenn der Geschäftsführerdienstvertrag nur konkludent oder mündlich
abgeschlossen wird, so LAG Niedersachsen, Beschl. v. 5.3.2007 – 17 Ta 618/06 – NZA-RR 2007, 522;
ebenso Lembke, BB 2008, 393.

Reiserer/Polczynski
476 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

seinem Arbeitgeber nunmehr auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt werden.275 In
der Entscheidung vom 25.10.2007276 betont das BAG darüber hinaus für das Bestehen
des sog. „ruhenden Arbeitsverhältnisses“ die besondere Darlegungs- und Beweis-
last des Geschäftsführers. Behauptet ein gekündigter Geschäftsführer, es hätten zwei
Schuldverhältnisse bestanden, nämlich ein Geschäftsführerdienstverhältnis und ein
ruhendes Arbeitsverhältnis, hat er nach Auffassung des BAG die Tatsachen darzu-
legen, aus denen sich diese Verdopplung der Rechtsverhältnisse anlässlich seiner
Geschäftsführerbestellung ergeben soll.277

f) Besonderer Kündigungsschutz
aa) Mutterschutz/Elternzeit
194 Auf den besonderen Kündigungsschutz nach dem MuSchG kann sich nach der
Danosa-Entscheidung des EuGH278 eine (Fremd-)Geschäftsführerin berufen, wenn
sie dem unionsrechtlichem Arbeitnehmerbegriff unterfällt, d. h. Weisungen der
Gesellschaft unterworfen ist. Hintergrund hierfür ist, dass die maßgebliche Richtlinie
92/85/EWG bezüglich der Definition des Arbeitnehmerbegriffs an unionsrechtlichen
Vorstellungen anknüpft, während den meisten anderen arbeitsrechtlichen Richtli-
nien der Arbeitnehmerbegriff des jeweiligen Mitgliedsstaates zugrunde liegt.279
195 Liegen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffes
dagegen nicht vor, so gilt die bisher ganz überwiegende Meinung fort, dass der
besondere Kündigungsschutz des MuSchG280 sowie des BEEG für die Geschäfts-
führerin bzw. den Geschäftsführer der GmbH keine Anwendung findet.

bb) Schwerbehinderung
196 Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer lässt sich nicht
auf Organmitglieder übertragen.281 Das Bundessozialgericht hat diese Regel insoweit

275 BAG, Urt. v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06 – DB 2007, 2093, 2095.


276 BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06 – DB 2008, 355.
277 Zur Frage des Wiederauflebens eine Arbeitsverhältnisses nach Verlust der Organstellung und zur
Rolle des „ruhenden Arbeitsverhältnisses“ in der Praxis vgl. Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer,
§ 4 Rn 82 f.; zur Rechtsprechungsänderung für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten und etwaigen
Folgen für die Anwendung des Kündigungsschutzes vgl. Rn 37 ff.
278 EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 – Danosa; dazu Anm. Reiserer, DB 2011, 2262;
vgl. Rn 10 f.
279 Moll/Reiserer, § 6 Rn 67.
280 Statt vieler Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 178; Hohenstatt/Naber, NZA 2014,
637, 638; vgl. auch Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 84 f.; Reiserer/Heß-Emmerich/Pe-
ters, S. 95 f.
281 BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76 – BB 1978, 520; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2012 – I-6 U
47/12 – GmbHR 2012, 1347; OLG Hamm, Urt. v. 2.6.1986 – 8 U 298/85 – GmbHR 1987, 307; LG Siegen, Urt.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 477

relativiert, als ein schwerbehinderter Fremdgeschäftsführer einer Kommanditge-


sellschaft und ihrer Komplementär-GmbH jedenfalls dann nicht auf einem Arbeits-
platz im Sinne des damaligen § 7 Abs. 1 SchwbG beschäftigt werde, wenn ihm durch
den Anstellungsvertrag eine für arbeitgebergleiche Personen charakteristische
Selbstständigkeit eingeräumt sei.282 Auch das OLG Düsseldorf283 knüpft in einer
neueren Entscheidung an das Maß der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers
im Verhältnis zur Gesellschaft an. Liegt nach dem Inhalt des Geschäftsführer-Dienst-
vertrages und nach den Regelungen in der Geschäftsordnung der Gesellschaft ein
freier Dienstvertrag vor und fehlt es somit am Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im
Sinne des § 85 SGB IX, so kann sich der Geschäftsführer ungeachtet seiner nachgewie-
senen Schwerbehinderteneigenschaft nicht auf den besonderen Kündigungsschutz
des § 85 SGB IX berufen.

g) Außerordentliche Kündigung der Gesellschaft


aa) Wichtiger Grund
Die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 BGB setzt voraus, dass 197
ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt. Dabei ist der „wichtige Grund“ zur
Abberufung nach § 38 Abs. 2 GmbHG nicht notwendig auch ein wichtiger Grund für
die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages.284 Vielmehr hat eine
gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der sofortigen Abberufung aus wich-
tigem Grund auch dann keine Rechtskraftwirkung für die fristlose Kündigung des
Anstellungsverhältnisses, wenn die Beendigung beider Rechtsverhältnisse gemein-
sam ausgesprochen und auf denselben Grund gestützt wird.285
Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Geschäftsführerdienstvertra- 198
ges setzt voraus, dass dem Geschäftsführer eine schwere Pflichtverletzung zur Last
gelegt wird und der Gesellschaft die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zu einem
ordentlichen Ablauf der Kündigungsfrist bei Abwägung aller Umstände, insbeson-
dere auch der beiderseitigen Interessen und des eigenen Verhaltens des Diensther-

v. 24.9.1985 – 6 O 106/85 – ZIP 1985, 1282; a. A. LG München I, Urt. v. 18.12.1991 – 3 O 6702/91 – n. v.;
zur Anrechenbarkeit des Geschäftsführers auf die Pflichtplatzzahl für Schwerbehinderte vgl. BVerwG,
Urt. v. 26.9.2002, NZA 2003, 1094.
282 BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 – 5 C 53/01 – NZA 2003, 1094.
283 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2012 – I-6 U 47/12 – GmbHR 2012, 1347.
284 BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76 – BB 1978, 520; Janzen, NZG 2003, 468, 469 (zu Vorstandsmit-
gliedern); zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund bei Verletzung der Buchfüh-
rungspflichten sowie bei unheilbarem Zerwürfnis mit einem Mitgeschäftsführer vgl. BGH, Beschl. v.
12.01.2009 – II ZR 27/08 – BB 2009, 801.
285 BGH, Beschl. v. 28.5.1990 – II ZR 245/89 – GmbHR 1990, 345; zur außerordentlichen Kündigung
generell Reiserer, BB 2002, 1199; Reiserer, DB 2006, 1787, 1788 ff.; vgl. FG München, Urt. v. 18.3.2005 –
8 K 4814/04 – n. v.

Reiserer/Polczynski
478 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

ren, nicht mehr zugemutet werden kann.286 Vorvertragliche Gründe, also Vorgänge,
die der Gesellschafterversammlung bereits bei der Bestellung bzw. bei Abschluss des
Anstellungsvertrages bekannt waren, rechtfertigen grundsätzlich keine fristlose Kün-
digung. Das gilt selbst dann, wenn ein möglicherweise wegen Mehrheitsmissbrauchs
rechtswidriger, aber nicht erfolgreich angefochtener Gesellschafterbeschluss über
den Abschluss des Anstellungsvertrages vorliegt.287
199 Das Recht zur Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund ist
unabdingbar. Es darf weder ganz beseitigt noch dadurch beschränkt werden, dass
die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung vertraglich auf wenige Gründe
reduziert oder durch eine Abfindungsregel unzulässig eingeschränkt wird.288
200 Die Angabe des Kündigungsgrundes ist zur Wirksamkeit der Kündigung nicht
erforderlich. Auf Verlangen des Geschäftsführers muss die Gesellschaft nach § 626
Abs. 2 S. 3 BGB aber den Kündigungsgrund schriftlich mitteilen. Aus der Kündigungs-
erklärung muss zudem hervorgehen, dass das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund
ohne Bindung an die vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen
beendet werden soll.289
201 Die Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund tragen, trägt die
Gesellschaft. Beruft sich der Geschäftsführer auf Umstände, die sein Verhalten recht-
fertigen sollen, hat die Gesellschaft diese zu widerlegen und hierfür den Beweis zu
führen.290
202 Als wichtige Gründe kommen grundsätzlich nur solche Umstände in Betracht,
die in der Person des Geschäftsführers liegen. Dies sind meist Pflichtverletzungen
des Geschäftsführers wie Treuepflichtverletzungen oder strafbare Handlungen. In
Einzelfällen können aber auch objektive Umstände wie etwa die dauernde Arbeits-
unfähigkeit des Geschäftsführers wegen Krankheit eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigen, ohne dass es hier eines Verschuldens des Geschäftsführers bedürfte.291
203 Als wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung bisher u. a. anerkannt:

286 BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87 – BB 1988, 88; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.12.2007 – II ZR
289/06 – BB 2008, 955 m. Anm. v. Reiserer.
287 BGH, Urt. v. 12.7.1993 – II ZR 65/92 – BB 1993, 1681; m. Anm. v. Goette, DStR 1993, 1457.
288 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – NZA 2000, 945; Fortführung BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR
239/06 – NZG 2008, 471 zur vertraglichen Ausschlussmöglichkeit einer außerordentlichen Kündigung
eines Arbeitnehmers vgl. Kap. 6 Rn 141 f., 143 ff.
289 OLG Frankfurt, Urt. v. 19.1.1988 – 5 U 3/86 – GmbHR 1989, 254, 256.
290 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 353/00 – GmbHR 2003, 33; LAG Köln, Urt. v. 21.4.2004 – 8 (13) Sa
136/03 – LAGReport 2005, 63; OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06 – AG 2007, 361; BAG, Urt. v.
19.12.1991 – 2 AZR 367/91 – n. v.; BAG, Urt. v. 6.8.1987 – 2 AZR 226/87 – NJW 1988, 438.
291 OLG Zweibrücken, Urt. v. 5.6.2003 – 4 U 117/02 – GmbHR 2003, 1206, 1207; vgl. auch Branden-
burgisches OLG, Urt. v. 9.5.2007 – 7 U 84/06 – n. v.; zur Weigerung über eine schwere Erkrankung
Auskunft zu geben.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 479

Beispiel
– Eigenmächtige Entnahme vom Konto der Gesellschaft zur Sicherung etwaiger künftiger Ansprü-
che gegen die Gesellschaft;292
– Verletzung der Auskunftspflicht gegenüber Gesellschaftern;293
– Verletzung der Pflicht zur Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft;294
– Beharrliche Nichtbefolgung von Gesellschafterweisungen;295
– Tiefgreifendes, die weitere Zusammenarbeit unmöglich machendes, auch nach außen zum Aus-
druck kommendes Zerwürfnis unter den Geschäftsführern, zu dem der Betroffene durch sein Ver-
halten mit beigetragen haben muss;296
– Stetige Widersetzung gegen die Interessen der Gesellschaft;297
– Illoyales Verhalten gegenüber dem Alleingesellschafter;298
– Begründeter Verdacht, auf betrügerische Weise Subventionen erschlichen zu haben;299
– Begründeter Verdacht einer (auch außerdienstlichen) strafbaren Handlung;300
– Überschreitung der Geschäftsführerbefugnis;301
– Unberechtigte Amtsniederlegung;302
– Verfolgung eigennütziger Interessen zum Nachteil der Gesellschaft;303
– Wettbewerb zur Gesellschaft, Verschweigen von Eigengeschäften;304

292 BGH, Urt. v. 26.6.1995 – II ZR 109/94 – BB 1995, 1844; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1995 – 2 U 97/94 –
GmbHR 1996, 290.
293 BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94 – BB 1995, 975; bestätigt durch BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II ZR
243/11 – NZG 2012, 940; OLG Hamm, Urt. v. 6.3.1996 – 8 U 154/93 – GmbHR 1996, 939; OLG München,
Urt. v. 23.2.1994 – 7 U 5904/93 – BB 1994, 735; OLG Frankfurt, Urt. v. 24.11.1992 – 5 U 67/90 – DB 1993,
2324.
294 BGH, Urt. v. 20.2.1995 – II ZR 9/94 – BB 1995, 975; bestätigt durch BGH, Urt. v. 19.6.2012 – II
ZR 243/11 – NZG 2012, 940; BGH, Urt. v. 8.12.1994 – II ZR 9/94 – WM 1995, 709; OLG Bremen, Urt. v.
20.3.1997 – 2 U 110/96 – GmbHR 1998, 536.
295 OLG Frankfurt, Urt. v. 7.2.1997 – 24 U 88/95 – GmbHR 1997, 346, auch bei für die Gesellschaft
wirtschaftlich nachteiligen, aber rechtmäßigen Weisungen.
296 BGH, Urt. v. 17.10.1983 – II ZR 31/83 – WM 1984, 29; OLG Brandenburg, Urt. v. 5.12.2007 – 7 U
86/07 – n. v.; BGH, Beschl. v. 12.1.2009 – II ZR 27/08 – NZG 2009, 386; für die zweigliedrige Gesell-
schaft LG Hamburg, Urt. v. 17.5.2013 – 412 HKO 73/12 – GWR 2013, 295; LG Karlsruhe, Urt. v. 29.4.1998 –
O 120/96 KfH I – DB 1998, 1225; m. Anm. v. Morawietz, GmbHR 2000, 637; OLG Naumburg, Urt. v.
25.1.1996 – 2 U 31/95 – GmbHR 1996, 935; LG Karlsruhe, Urt. v. 29.4.1998, GmbHR 1998, 1225; m. Anm.
v. Wolf, GmbHR 1998, 1163.
297 BGH, Urt. v. 8.5.1967 – II ZR 126/65, BB 1967, 731.
298 BGH, Urt. v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, BB 2000, 844.
299 BGH, Urt. v. 2.7.1984 – I ZR 16/84 – WM 1984, 1187.
300 BGH, Urt. v. 9.1.1967 – II ZR 226/64 – WM 1967, 251; OLG Celle, Urt. v. 5.5.2003 – 9 U 111/02 –
GmbHR 2003, 773; LAG Berlin, Urt. v. 30.6.1997 – 9 Sa 43/97 – GmbHR 1997, 839.
301 OLG Stuttgart, Urt. v. 27.2.1979 – 12 U 171/77 – WM 1979, 1296; einschränkend BGH, Urt. v.
25.2.1991 – II ZR 76/90 – GmbHR 1991, 197.
302 BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79 – BB 1980, 1397; OLG Celle, Urt. v. 31.8.1994 – 9 U 118/93 –
GmbHR 1995, 728; OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03 – NZG 2004, 475.
303 BGH, Urt. v. 19.11.1990 – II ZR 88/89 – WM 1991, 97; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1995 – 2 U 97/94 –
GmbHR 1996, 290.
304 OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.7.1988 – 10 U 157/87 – GmbHR 1988, 484.

Reiserer/Polczynski
480 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

– Überschreiten der Kreditlinie;305


– Veranlassung von (vorzeitigen) Tantiemenauszahlungen/Bonusauszahlungen;306
– Schuldhafte Insolvenzverschleppung;307
– Unterlassene Unterrichtung der anderen Vorstandsmitglieder über als privater Anleger erlangte
Kenntnis hinsichtlich der finanziellen Schieflage eines Fonds sowie über Beanstandungen eines
Steuerberaters durch ressortmäßig für den Fondsvertrieb zuständiges Vorstandsmitglied eines
Kreditinstituts.308
– Gefährdung der Vermögenslage der Gesellschaft;309
– Fehlerhafte Spesenabrechnung;310
– Vorsätzliche Falschabrechnung zu erstattender Auslagen, auch wenn diese nur einen geringfü-
gigen Betrag betreffen;311
– Nichtumsetzung von Gesellschafterbeschlüssen;312
– Eingriff in die Zuständigkeit eines Mitgeschäftsführers;313
– Verletzung der Berichtspflichten gegenüber den Gesellschaftern;314
– Sexuelle Belästigung von Mitarbeitern;315
– Rechtswidriges Herunterladen von Hackersoftware.316

204 Nicht als wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung bisher anerkannt:

Beispiel
– Vertrauensentzug durch die Gesellschafterversammlung, wenn dem Geschäftsführer nur Ge-
ringfügigkeiten und weder schuldhaftes Verhalten317 noch missbräuchliche Ausnutzung der Er-
werbschancen der Gesellschaft318 vorgeworfen werden können;

305 BGH, Urt. v. 3.12.1973 – II ZR 85/70 – BB 1974, 252.


306 OLG Hamm, Urt. v. 24.6.1994 – 25 U 149/90 – GmbHR 1995, 732; BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR
234/91 – NJW 1993, 463; OLG München, Urt. v. 9.7.2014 – 7 U 3407/13 – ZAP EN-Nr 872/2014.
307 BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 18/03 – NZG 2005, 714.
308 KG Berlin, Urt. v. 11.3.2005 – 14 U 137/03 – AG 2005, 737 (zum Vorstandsmitglied eines Kreditin-
stituts).
309 BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – GmbHR 2001, 1158, 1159; OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 8
U 61/09 – GmbHR 2010, 477.
310 KG Berlin, Urt. v. 10.11.2000 – 14 U 9587/99 – NZG 2001, 325; a. A. nachgehend BGH, Urt. v.
28.10.2002 – II ZR 353/00 – NJW 2003, 431; OLG Köln, Urt. v. 26.11.1993 – 19 U 93/93 – DB 1994, 471
(zum Vorstandsmitglied einer eingetragenen Genossenschaft); LAG Köln, Urt. v. 21.4.2004 – 8 (13) Sa
136/03 – LAGReport 2005, 63; Diller, GmbHR 2006, 333.
311 OLG Celle, Urt. v. 27.1.2010 – 9 U 38/09 – GmbHR 2010, 365.
312 OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03 – GmbHR 2004, 425.
313 LG Berlin, Urt. v. 10.11.2003 – 95 O 139/02 – GmbHR 2004, 741.
314 KG Berlin, Urt. v. 18.6.1999 – 14 U 8940/97 – NZG 2000, 101.
315 OLG Hamm, Urt. v. 1.3.2007 – 27 U 137/06 – GmbHR 2007, 823 m. Anm. v. Haase, GmbHR 2007,
824.
316 OLG Celle, Urt. v. 27.1.2010 – 9 U 38/09 – GmbHR 2010, 365.
317 BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – WM 1989, 1246; BGH, Urt. v. 13.2.1995 – II ZR 225/93 – BB
1995, 688.
318 BGH, Urt. v. 13.2.1995 – II ZR 225/93 – BB 1995, 688.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 481

– Laufende gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Bundeskartellamt wegen angeblicher Betei-


ligung an verbotenen Preisabsprachen, wenn das Anstellungsverhältnis wegen einer Befristung
ohnehin bald ausläuft und die Gesellschaft keinen besonderen wirtschaftlichen Nachteil darle-
gen kann;319
– Der nicht verheimlichte Bezug eines zusätzlichen Bonus, der bisher zwar nicht durch Gesell-
schafterbeschluss bewilligt worden ist, dem Geschäftsführer aber auch im Vorjahr eingeräumt
worden war;320
– Unkorrekte Spesenabrechnungen bei unklarer Regelung im Geschäftsführerdienstvertrag;321
– (Konkurrenz-)Tätigkeit des bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellten Geschäftsführers,
die nicht über das bloße „Ideenstadium“ hinausgelangt ist und lediglich als bloße Vorberei-
tungshandlung anzusehen ist;322
– Erstattenlassen von der GmbH offen ausgewiesener Spesen, welche die Alleingesellschafterin –
im Gegensatz zum Geschäftsführer – nach den einschlägigen Bestimmungen des Geschäftsfüh-
reranstellungsvertrages nicht für erstattungsfähig hält;323
– Die auf geschäftspolitischen Gründen beruhende Entscheidung einer Muttergesellschaft, den
Betrieb ihrer Tochtergesellschaft einzustellen;324
– Die Insolvenz stellt als solche keinen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung dar
(§ 113 InsO);325
– Die Nichtangabe weiterer Verdienste während der fortlaufenden Anstellungszeit, sofern der Ge-
schäftsführer von seinen Dienstpflichten freigestellt ist;326
– Die Weiterbenutzung des Dienstwagens nach Kündigung, wenn dieser nicht an die Organstel-
lung gebunden, sondern Teil der Vergütung ist;327
– Die Vornahme risikoreicher Geschäfte, sofern damit der unternehmerische Ermessensspielraum
im Einzelfall nicht überschritten ist;328
– Veräußerung eines Grundstücks bzw. von Anteilen an einer anderen Gesellschaft unter Verstoß
gegen die satzungsmäßige Zustimmungsvorbehalte bei einem entsprechenden Willen der Ge-
sellschafter und Eilbedürftigkeit;329
– Geringfügige private Anschaffungen des Geschäftsführers auf Kosten der Gesellschaft, wenn
diese bereits fast sechs Jahre zurückliegen.330

319 BGH, Urt. v. 27.10.1986 – II ZR 74/85 – NJW 1987, 1889.


320 BGH, Urt. v. 9.1.1992 – II ZR 234/91 – WM 1992, 2142.
321 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 353/00 – NJW 2003, 431.
322 OLG Celle, Urt. v. 9.2.2005 – 9 U 178/04 – GmbHR 2005, 541 m. krit. Anm. Moll.
323 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 353/00 – NJW 2003, 431.
324 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 353/00 – NJW 2003, 431.
325 OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.4.2000 – 16 U 109/99 – NZG 2000, 1044; vgl. zur Betriebseinstellung bei
drohender Insolvenz auch BGH, Urt. v. 21.4.1975 – II ZR 2/73 – WM 1975, 761 einerseits und BGH, Urt. v.
7.10.2004 – I ZR 18/02 – ZIP 2005, 534 andererseits.
326 BGH, Urt. v. 18.12.2000 – II ZR 171/99 – DStR 2001, 1312 m. Anm. Goette.
327 BGH, Urt. v. 18.12.2000 – II ZR 171/99 – DStR 2001, 1312 m. Anm. Goette.
328 OLG Naumburg, Urt. v. 16.11.2004 – 9 U 206/01 – GmbHR 2005, 757; OLG Düsseldorf, Urt. v.
29.1.2015 – I-10 U 5/14 – n. v. (für den Vorstand einer Sparkasse).
329 BGH, Urt. v. 10.12.2007 – II ZR 289/06 – BB 2008, 955 m. Anm. Reiserer.
330 OLG München, Urt. v. 29.7.2015 – 7 U 39/15 – n. v.; anders dagegen: LG München, Urt. v. 19.2.2015 –
5 HKO 830/13 – ZIP 2015, 1537 (zum AG-Vorstand).

Reiserer/Polczynski
482 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

bb) V
 ertraglich vereinbarte Kündigungsgründe
205 Die vertragliche Vereinbarung von Gründen, die eine außerordentliche Kündigung
rechtfertigen sollen, ist im Geschäftsführerdienstvertrag – anders als bei Arbeits-
verhältnissen331 – grundsätzlich zulässig. Die Wirksamkeit der außerordentlichen
Kündigung hängt dann nicht noch von einer Interessenabwägung ab, ob der kün-
digenden Gesellschaft ein Festhalten am Vertrag zuzumuten ist. Um aber durch die
Vereinbarung außerordentlicher Kündigungsgründe nicht die Mindestkündigungs-
fristen des § 622 BGB zu umgehen, führt die Kündigung zwar zu einer Beendigung
des Anstellungsverhältnisses, aber nur unter Einhaltung der zwingenden Fristen
des § 622 BGB.332 Ein Kündigungsgrund, der nur kraft Vereinbarung einen wichtigen
Grund darstellt, aber nicht die gesetzlichen Anforderungen des wichtigen Grundes
des § 626 Abs. 1 BGB erfüllt, rechtfertigt deshalb zwar die Auflösung des Anstellungs-
verhältnisses, jedoch nur unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen.
206 Bei der Aufnahme wichtiger Gründe in den Anstellungsvertrag, die eine außeror-
dentliche Kündigung rechtfertigen sollen, ist darauf zu achten, dass diese möglichst
konkret formuliert werden.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
Der Vertrag kann jederzeit aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger Grund, der die Ge-
sellschaft zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, liegt insbesondere vor,
wenn:
a) der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt;
b) die Gesellschaft liquidiert wird;
c) [weiterer konkret formulierter wichtiger Grund].

cc) A
 bmahnungspflicht
207 Im Arbeitsrecht gilt seit langem der Grundsatz, dass die verhaltensbedingte Kündi-
gung eines Arbeitnehmers, gleich ob als ordentliche Kündigung oder als außeror-
dentliche Kündigung nach § 626 BGB ausgesprochen, grundsätzlich der vorherigen
Abmahnung bedarf.333 Ob eine solche Abmahnungspflicht auch für die Kündigung
des GmbH-Geschäftsführers wegen Verletzung der im Dienstvertrag niedergelegten
Pflichten besteht, ist umstritten. Bei der ordentlichen Kündigung des Geschäftsfüh-
rers spielt diese Fragestellung regelmäßig keine Rolle. Denn die ordentliche Kündi-

331 Vgl. Kap. 6 Rn 146 ff.


332 BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – BB 1989, 1577 (zu Vorstandsverträgen); Anschluss OLG
Hamm, Urt. v. 20.11.2006 – 8 U 217/05 – GmbHR 2007, 442; vgl. auch Reiserer/Heß-Emmerich/Peters,
S. 103 f.; zur Möglichkeit der Koppelung zwischen Abberufung und Kündigung vgl. Rn 238 ff.
333 St. Rspr. seit BAG, Urt. v. 18.1.1968 – 2 AZR 45/67 – EzA § 124a GewO Nr. 7; KR/Fischermeier, § 626
BGB Rn 256 m. w. N.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 483

gung kann wegen der fehlenden Anwendbarkeit des KSchG (§ 14 Abs. 1 KSchG) stets
unter Beachtung der vereinbarten vertraglichen Kündigungsfrist ausgesprochen
werden. Eine verhaltensbedingte Kündigung, die in Anlehnung an die Grundsätze
des § 1 KSchG eines vorwerfbaren Sachverhaltes bedarf, ist im Fall der Kündigung des
Dienstvertrages des GmbH-Geschäftsführers nicht anzutreffen.334
In einer Entscheidung vom 10.9.2001 hat der Zweite Senat des BGH sein Urteil vom 208
14.2.2000 bestätigt, wonach die außerordentliche Kündigung des GmbH-Geschäfts-
führers wegen Verletzung der im Dienstvertrag niedergelegten Pflichten grund-
sätzlich nicht der vorherigen Abmahnung durch die Gesellschafterversammlung
bedarf.335 Da der Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft ist, sondern im
Innenverhältnis Arbeitgeberfunktionen erfüllt, bedarf es nach Auffassung des BGH
erst recht keiner Hinweise der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrates,
dass er sich an die Gesetze, an die Satzung und an die in seinem Dienstvertrag nieder-
gelegten Pflichten zu halten hat. Vielmehr hat er sich, so der BGH, ohne Abmahnung
und von sich aus im Rahmen seines Pflichtenkreises dem Standard eines ordentli-
chen Geschäftsmannes entsprechend zu verhalten. Nach der Einführung des § 314
Abs. 2 BGB im Rahmen der Schuldrechtsreform, wonach Pflichtverletzungen, die
einen wichtigen Grund darstellen, regelmäßig nur zur Fristsetzung zum Zwecke der
Abhilfe und zur Abmahnung, nicht dagegen gleich zum Ausspruch der fristlosen
Kündigung berechtigen, wird zum Teil vertreten, dass nun auch von der Notwen-
digkeit einer Abmahnung bei Geschäftsführern auszugehen sei. Da diese Vorschrift
keine arbeitsrechtliche Sonderregel, sondern Ausformung des allgemeinen Grundsat-
zes des mildesten Mittels ist, wird sie generell auch auf den Anstellungsvertrag des
GmbH-Geschäftsführers anzuwenden sein.336

dd) Kündigungserklärungsfrist
Das außerordentliche Kündigungsrecht geht verloren, wenn die Kündigungserklä- 209
rung nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB dem Geschäfts-
führer zugeht. Für die Wahrung der Kündigungserklärungsfrist kommt es auf den
fristgerechten Zugang der Kündigungserklärung bei dem Kündigungsempfänger an.
Dabei trägt die Gesellschaft für den fristgerechten Zugang im Streitfall die Beweislast.

334 Zur ordentlichen Kündigung des GmbH-Geschäftsführers vgl. Reiserer, DB 1994, 1822; Reiserer,
DB 2006, 1787; Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 85 ff.
335 BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – ZIP 2001, 1957; BGH, Urt. v. 14.2.2000 – II ZR 218/98 –
GmbHR 2000, 431; Anschluss OLG Hamm, Urt. v. 25.11.2009 – 8 U 61/09 – GmbHR 2010, 477.
336 Ausführlich hierzu Schneider, GmbHR 2003, 1; Teigelkötter, GmbHR 2001, 1160; befürwortend
auch Koch, ZIP 2005, 1621; Schuhmacher-Mohr, DB 2002, 1606; a. A. Trappehl/Scheuer, DB 2005, 1276;
vgl. auch Scholz/Schneider/Hohenstatt, § 35 Rn 462 ff. m.w.N; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6
Rn 166.

Reiserer/Polczynski
484 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

210 Nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beginnt die Zwei-Wochen-Frist mit dem Zeitpunkt,
in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsa-
chen Kenntnis erlangt. Die in der Rechtsprechung des BGH gestellten Anforderungen
an eine sichere und umfassende positive Kenntnis der maßgeblichen Gründe sind
noch nicht erfüllt, wenn tatsächliche Grundlagen des wichtigen Grundes noch auf-
klärungsbedürftig sind.337 Dabei ist positive und sichere Kenntnis der Tatsachen erfor-
derlich, die den wichtigen Grund ausmachen; bloßes Kennenmüssen genügt nicht.338
Insbesondere reicht nicht bereits der Verdacht unlauterer Machenschaften. Der
Gesellschafterversammlung muss der Kündigungssachverhalt bekannt sein, so dass
ihr eine Entscheidung möglich ist, ob das Anstellungsverhältnis vorzeitig beendet
werden soll.339
211 Umstritten war bisher, auf wessen Kenntnis es für die Kündigung des Geschäfts-
führers ankommt. Nach der gesetzlichen Regelung des § 626 Abs. 2 BGB kommt es auf
die Kenntnis derjenigen Person an, der im konkreten Fall das Recht zur Kündigung
zusteht. Obwohl für die Kündigung des Geschäftsführers grundsätzlich die Gesell-
schafterversammlung zuständig ist, erachten einige Stimmen in der einschlägigen
Literatur bereits die Kenntnis eines Gesellschafters340 oder jedenfalls die Kenntnis
einer zur Einberufung der Gesellschafterversammlung berechtigten Minderheit von
Gesellschaftern341 für ausreichend.
212 Richtigerweise bedarf es für den Fristbeginn aber der Kenntnis aller Gesell-
schafter von den Kündigungstatsachen.342 Dabei genügt nicht bereits die außerhalb
der Gesellschafterversammlung, sondern erst die nach dem Zusammentritt erlangte
Kenntnis.343 Auch brauchen sich die für die Kündigung des Anstellungsvertrages
zuständigen Gesellschafter die Kenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden344 oder eines

337 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96 – BB 1998, 1808; BGH, Urt. v. 11.3.1998 – 2 AZR 287/97 –
GmbHR 1998, 931; BGH, Urt. v. 26.2.1996 – II ZR 114/95 – NJW 1996, 1403; BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR
14/00 – ZIP 2001, 1957.
338 BGH, Urt. v. 9.4.2013 – II ZR 273/11 – NZG 2013, 615.
339 Ausführlich Lüders, BB 1990, 790; zur Möglichkeit des Nachschiebens von Gründen vgl. BGH,
Urt. v. 1.12.2003 – II ZR 161/02 – GmbHR 2004, 182.
340 Densch/Kahlo, DB 1983, 813.
341 Wiesner, BB 1981, 1533.
342 BGH, Urt. v. 15.6.1998, BB 1998, 1608; bestätigt durch BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – ZIP
2001, 1957; BGH, Urt. v. 9.4.2013 – II ZR 273/11 – NZG 2013, 615; so auch Harbarth, BB 2015, 707, 708.
343 So BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – ZIP 2001, 1957; OLG Koblenz, Urt. v. 31.5.2012 – 6 U
350/12 – DVP 2013, 43; BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96, BB 1998, 1808 in Abweichung von der
bisherigen Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 2.6.1996 – II ZR 101/96 – DStR 1997, 1338; strittig ist, ob diese Grund-
sätze auch für kleinere Gesellschaften gelten, vgl. Jaeger, S. 200; zur alleinstimmberechtigten Mitge-
sellschafterin BGH, Urt. v. 2.6.1997 – II ZR 101/96 – GmbHR 1997, 998; ausführlich und kritisch hierzu
auch Slabschi, ZIP 1999, 391; Reiserer, BB 2002, 1199; vgl. auch BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn,
§ 6 Rn 163 m. w. N.
344 BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – ZIP 2001, 1957.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 485

Mitgeschäftsführers von dem Kündigungssachverhalt nicht zurechnen zu lassen.345


Die Kenntnis der einberufungsberechtigten Gesellschafter begründet die Pflicht zur
Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung.346
Ist der zu kündigende Geschäftsführer der einzige Geschäftsführer der Gesell- 213
schaft und verweigert er die Einberufung der Gesellschafterversammlung, so darf
der einberufungsberechtigte Gesellschafter die dreiwöchige Wartefrist des § 50 Abs. 3
GmbHG verstreichen lassen, unabhängig von der Kündigungserklärungsfrist nach
§ 626 Abs. 2 BGB.347 Wenn die Satzung für außerordentliche Gesellschafterversamm-
lungen eine längere Einberufungsfrist vorsieht, die Gesellschafterversammlung also
nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zusammentreten kann, verlängert sich
die Kündigungserklärungsfrist um den Lauf der Ladungsfrist.348
Die dargestellten Grundsätze gelten entsprechend, wenn ein fakultativer Auf- 214
sichtsrat für die Kündigung zuständig ist. Auch in diesem Fall beginnt die Kündi-
gungserklärungsfrist erst mit Kenntnis aller Aufsichtsratsmitglieder von dem Kündi-
gungssachverhalt.349
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer kann an einem Beschluss, der die Frage 215
betrifft, ob gegen ihn eine Maßnahme aus wichtigem Grund ergriffen werden soll,
nicht mitwirken. Dieser Ausschluss betrifft sowohl die Abberufung aus wichtigem
Grund als auch die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages.350 Etwas anderes
gilt lediglich dann, wenn sich alle Gesellschafter einig waren, die Kündigung des
Anstellungsverhältnisses solle stets nur mit Zustimmung des betroffenen Gesell-
schafters erfolgen. An eine solche schuldrechtliche Vereinbarung außerhalb des
Gesellschaftsvertrages sind die Gesellschafter im Fall des Kündigungsausspruches
gebunden.351

h) Außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers


Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die fristlose Kündigung durch den 216
Geschäftsführer erfordert eine schwerwiegende Vertragsverletzung durch die

345 BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR 234/91 – BB 1992, 2453.


346 Vgl. OLG München, Urt. v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04 – AG 2005, 776 zum gleich gelagerten Fall der
Kenntnis des Aufsichtsratsvorsitzenden einer AG.
347 Scholz/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn 497 f.
348 BGH, Urt. v. 17.3.1980 – II ZR 178/79 – DB 1980, 1686.
349 BAG, Urt. v. 5.5.1977 – 2 AZR 297/76 – DB 1978, 353; Scholz/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35
Rn 496, 427; a. A. OLG Stuttgart, Urt. v. 27.2.1979 – 12 U 171/77 – WM 1979, 1296, 1302: ausreichend ist
bereits die Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds, es sei denn, dass das Mitglied mit dem Geschäfts-
führer zusammenwirkt.
350 BGH, Urt. v. 27.10.1987 – II ZR 74/85 – NJW 1987, 1889; OLG München, Urt. v. 29.3.2012 – 23 U
4344/11 – n. v.
351 BGH, Urt. v. 27.10.1987 – II ZR 74/85 – NJW 1987, 1889, 1890.

Reiserer/Polczynski
486 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Gesellschaft, die dem Geschäftsführer bei Abwägung aller Umstände die weitere
Tätigkeit für die Gesellschaft bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht
zumutbar macht.
217 Als wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung bisher anerkannt:

Beispiel
– Ungerechtfertigte fristlose Kündigung durch die Gesellschaft, wobei der Geschäftsführer hier
auch Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB geltend machen kann;352
– Abberufung als Organ der Gesellschaft;353
– Beschränkung vertraglich eingeräumter Kompetenzen durch nachträgliche Satzungsände‑
rung;354
– Willkürliche Verweigerung der Entlastung oder das rechtswidrige Vorenthalten von Dienst­
bezügen;355
– Weisungen an den Geschäftsführer zu gesetzeswidrigem Handeln durch die Gesellschafter­
versammlung;356
– Unberechtigte und in beleidigender Form erhobene Vorwürfe durch einen Mitgeschäftsführer,
auch wenn sich die Gesellschafterversammlung dieses Verhalten nicht zu Eigen macht;357
– vertragswidrig nicht erfolgte Bestellung zum Geschäftsführer.358

218 Dagegen besteht Übereinstimmung, dass eine wirtschaftliche Krise des Unterneh-
mens für sich keinen Grund für eine fristlose Kündigung durch den Geschäftsführer
begründet, es sei denn, dass dem Geschäftsführer die erforderliche Unterstützung
der Gesellschafterversammlung versagt wird und der Geschäftsführer dadurch in
nicht absehbare Haftungsrisiken gerät.359

352 St. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 1.12.1993 – VIII ZR 129/92 – WM 1994, 387.
353 Scholz/Schneider/Hohenstatt, GmbHG, § 35 Rn 482 m. w. N., aber der Widerruf der Bestellung
stellt kein vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft i. S. d. § 628 Abs. 2 BGB dar, BGH, Urt. v.
28.10.2002 – II ZR 146/02 – NJW 2003, 351; a. A. BAG, Urt. v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 – NZA 2002, 1323;
zum Schadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers wegen Abberufung und/oder Nichtbestel-
lung vgl. Rn 30 ff.
354 OLG Frankfurt, Urt. v. 17.12.1992 – 26 U 54/92 – GmbHR 1993, 288 m. Anm. v. Jasper.
355 BGH, Urt. v. 20.5.1985 – II ZR 165/84 – WM 1985, 1200; so auch OLG Köln, Beschl. v. 29.3.1996 – 16
W 20/96 – DB 1996, 1177; BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87 – WM 1988, 165.
356 H.M., vgl. Jaeger, S. 199.
357 BGH, Urt. v. 9.3.1992 – II ZR 102/91 – WM 1992, 733.
358 BAG, Urt. v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01 – GmbHR 2003, 105.
359 BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79 – NJW 1980, 2415.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 487

6. Beendigung des Anstellungsvertrages


a) Beendigungsgründe
aa) Tod des Geschäftsführers
Stirbt der Geschäftsführer, so endet sein Anstellungsverhältnis. Die Rechte und 219
Pflichten daraus gehen nicht auf die Erben über. Dies ergibt sich aus § 613 BGB, der
den zur Dienstleistung Verpflichteten dazu verpflichtet, die Dienste persönlich zu
leisten.
Der Anspruch auf rückständige Gehaltszahlungen ist allerdings vererbbar. 220
Häufig findet sich auch in den Anstellungsverträgen eine Klausel, wonach im Falle
des Todes des Geschäftsführers das Festgehalt für eine bestimmte Zeit an die Hin-
terbliebenen weiterbezahlt wird. In diesem Fall empfiehlt es sich, auch eine Rege-
lung mitaufzunehmen, wonach die Zahlung an das von dem Geschäftsführer für die
Zahlung seiner Vergütung benannte Konto erfolgt und mit dieser Zahlung alle Vergü-
tungsansprüche der Erben aus dem Anstellungsvertrag des Geschäftsführers erledigt
sind.

Klauselmuster
Vergütung360
(1) …

(6) Im Falle des Todes des Geschäftsführers werden die Bezüge nach [§ … Abs. …] an seine Erben,
soweit er einen Ehepartner, eingetragenen Lebenspartner oder Erben erster Ordnung hinterlässt,
als Gesamtgläubiger, für den Sterbemonat und die drei darauf folgenden Monate fortbezahlt. Die
Zahlung erfolgt auf das von dem Geschäftsführer für die Zahlung seiner Vergütung benannte Konto.
Mit dieser Zahlung wird die Gesellschaft in jedem Fall von ihrer Verpflichtung zur Leistung dieser
Zahlungen frei, selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt von Erben des Geschäftsführers derartige
Ansprüche an sie herangetragen würden.

bb) Z eitablauf/Vertragsdauer
Ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag kann sowohl auf unbestimmte Zeit als auch 221
befristet geschlossen werden.361

Unbefristeter Geschäftsführer-Anstellungsvertrag
Soll der Anstellungsvertrag mit dem Geschäftsführer für eine unbestimmte Zeit ein- 222
gegangen werden, empfiehlt sich eine eigenständige vertragliche Regelung zu den
ordentlichen Kündigungsfristen. Denn in Ermangelung einer vertraglichen Regelung
könnte Unsicherheit entstehen, ob die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 621

360 Vgl. Klauselmuster zur Regelung der Vergütung des Geschäftsführers, Rn 147.
361 Zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses vgl. Kap. 6 Rn 2 ff.

Reiserer/Polczynski
488 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

BGB oder § 622 BGB anzuwenden sind.362 Die Vereinbarung einer langen Kündigungs-
frist (z. B. 12 Monate zum Ende des Jahres) schützt beide Vertragsparteien vor einem
kurzfristigen Wechsel.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(unbefristet)
Das Dienstverhältnis beginnt am [Datum] und wird auf unbestimmte Dauer geschlossen. Der Vertrag
kann von jeder Partei mit einer Frist von [Anzahl] Monaten zum Ende eines Kalenderjahres/Kalender-
halbjahres/Quartals/Monats gekündigt werden.

Befristeter Geschäftsführer-Anstellungsvertrag
223 Das Anstellungsverhältnis kann aber auch mit einer zeitlichen Befristung versehen
werden.363 In diesem Fall endet es mit dem Ablauf der Zeit, für welches es eingegan-
gen worden ist, ohne dass es hierfür einer Kündigung bedarf. Möglich, jedoch keines-
falls zwingend, ist die Vereinbarung einer Option über eine Vertragsverlängerung.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(befristet und ohne Verlängerungsoption)
Das Dienstverhältnis beginnt am [Datum] und wird für die Dauer von [Anzahl] Jahren geschlossen. Mit
Ablauf der Vertragsdauer endet der Vertrag, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(befristet und mit Verlängerungsoption)
(1) Das Dienstverhältnis beginnt am [Datum] und wird für die Dauer von zunächst [Anzahl] Jahren
geschlossen.
(2) Die Vertragsparteien verpflichten sich, [Anzahl] Monat(e) vor Ende der vertraglich vereinbarten
Laufzeit über einer Verlängerung des Vertragsverhältnisses zu verhandeln.
alternativ:
(2) Die Gesellschafterversammlung verpflichtet sich, jeweils im ersten Quartal des letzten Jahres der
Bestellung zum Geschäftsführer über eine Verlängerung des Vertragsverhältnisses zu beschließen.
Die Gesellschaft wird den Geschäftsführer unverzüglich, spätestens jedoch bis zum [Tag, Monat] des
letzten Jahres der Bestellung, über ihre Entscheidung, ob und für welchen Zeitraum eine Verlänge-
rung des Vertragsverhältnisses beabsichtigt ist, in Kenntnis setzen. Der Geschäftsführer hat der Ge-
sellschaft anschließend innerhalb von zwei Wochen mitzuteilen, ob er der Verlängerung zustimmt.
Wird die Bestellung zum Geschäftsführer verlängert, so verlängert sich auch der Anstellungsvertrag
automatisch um die Dauer der Verlängerung der Geschäftsführerbestellung. Eine Veränderung des
Anstellungsvertrages zum Nachteil des Geschäftsführers scheidet für den Fall der Vertragsverlänge-
rung aus.364

362 Zur Kündigungsfrist vgl. Rn 181 f.


363 Siehe Rn 117 f.
364 Klauselmuster angelehnt an den Klauseltyp B 5 bei Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 564.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 489

Zu Missverständnissen führt dagegen eine Regelung, wonach sich der – an sich 224
befristete – Anstellungsvertrag automatisch verlängert, wenn nicht eine der Vertrags-
parteien das Vertragsverhältnis vor Ablauf der vertraglichen Laufzeit kündigt bzw.
mitteilt, dass sie einer Verlängerung nicht zustimmen wird:

Fettnapf
Vertragsdauer und Beendigung
(„befristet“ und mit Verlängerungsbedingung)
(1) Das Dienstverhältnis beginnt am [Datum] und wird für die Dauer von zunächst [Anzahl] Jahren
geschlossen.
(2) Das Vertragsverhältnis verlängert sich um weitere [Anzahl] Jahre/Monate, wenn es nicht mit einer
Frist von [Anzahl] Monaten zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit des Vertrages, von einer
Vertragspartei gekündigt wird.
oder auch:
(2) Das Vertragsverhältnis verlängert sich um weitere [Anzahl] Jahre/Monate, wenn nicht eine Ver-
tragspartei mit einer Frist von [Anzahl] Monaten zum Ende der vertraglich vereinbarten Laufzeit mit-
teilt, dass sie den Vertrag nicht verlängern will.

In der ersten Alternative würde das Vertragsverhältnis – trotz der vertraglich verein- 225
barten Befristung – nicht automatisch durch Zeitablauf enden. Vielmehr würde
sich der Anstellungsvertrag schon dann verlängern, wenn er nur nicht von einer Ver-
tragspartei außerordentlich gekündigt wird. Insofern könnte diese Klausel zu einem
Verständnis des Anstellungsvertrages als ein unbefristetes(!) Vertragsverhältnis mit
lediglich einer (außerordentlichen) Kündigungsmöglichkeit zum Ende der vertrag-
lichen Laufzeit führen. Auch im zweiten Fall kann es zu einer nicht beabsichtigten
Bindung der Parteien an den Anstellungsvertrag kommen, falls die Vertragsparteien
die Erklärung der Nichtverlängerung des Vertragsverhältnisses versäumen.

cc) Vertragsaufhebung/Abfindungsvereinbarung
Das Anstellungsverhältnis kann jederzeit im gegenseitigen Einvernehmen durch 226
Abschluss eines Aufhebungsvertrages beendet werden. Hierbei gelten die gleichen
Zuständigkeitsregelungen wie für den Ausspruch der Kündigung.365 Zuständig ist
daher auf Seiten der Gesellschaft grundsätzlich die Gesellschafterversammlung.366

365 Siehe Rn 177 ff.


366 BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 169/90 – BB 1991, 927; OLG Hamm, Urt. v. 18.6.1990 – 8 U 146/89 –
GmbHR 1991, 466; zum schwebend unwirksamen Aufhebungsvertrag OLG Frankfurt, Urt. v. 8.11.1994 –
5 U 269/93 – BB 1995, 2440.

Reiserer/Polczynski
490 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

227 Der steuerliche Freibetrag für Abfindungen nach § 3 Nr. 9 EStG ist zum 1.1.2006
entfallen;367 die Übergangsregelung ist ausgelaufen. Erhalten bleibt die ermäßigte
Besteuerung gem. §§ 24, 34 EStG (sog. Fünftelregelung).368
228 Üblicherweise werden Abfindungsvereinbarungen in Rahmen des Aufhebungs-
vertrages getroffen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, eine Abfindungsklausel
bereits bei Vertragsschluss in den Anstellungsvertrag mit aufzunehmen.369
229 Folgendes Klauselmuster dient als Beispiel für eine Abfindungsabrede im
Rahmen eines Anstellungsvertrages und kann etwa Bestandteil einer Klausel zur Ver-
tragsdauer des Anstellungsverhältnisses sein:

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(…) Für den Fall der ordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft verpflich-
tet sich die Gesellschaft, dem Geschäftsführer für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in
Höhe von [Anzahl] Bruttomonatsgehalt/-gehältern pro vollem Jahr der Beschäftigung zu zahlen. Die
Abfindung ist mit rechtskräftiger Beendigung des Dienstverhältnisses zur Zahlung fällig.

dd) V
 ertragliche Altersgrenzen
230 Zu einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses können, bei vertraglicher Ver-
einbarung im Rahmen eines befristeten Anstellungsvertrages370, auch der vorzei-
tige Altersrentenbezug als frühester Beendigungszeitpunkt sowie das Erreichen der
Altersgrenze als spätester Beendigungszeitpunkt führen.371
231 Entgegen einer allgemeinen Meinung endet ein Anstellungsverhältnis grundsätz-
lich nicht „automatisch“ mit Erreichen eines bestimmten Alters, der sog. Regelalters-
grenze nach § 35 SGB VI. Vielmehr bedarf es zur Beendigung des Anstellungsvertra-
ges aus diesem Grund grundsätzlich eines Beendigungsaktes, also einer Kündigung
oder eines Aufhebungsvertrages. Um dies zu umgehen, werden meist in den Anstel-
lungsverträgen Klauseln aufgenommen, wonach das Anstellungsverhältnis bei
Erreichen einer bestimmten Altersgrenze automatisch endet. Solche Klauseln
sind bei Anstellungsverträgen von GmbH-Geschäftsführern grundsätzlich zulässig.372

367 Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm v. 22.12.2005, BGBl I 2005, 3682.
368 Hierzu Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 273.
369 Eine sehr ausführliche und differenzierende Darstellung zu Abfindungsklauseln im Anstellungs-
vertrag mit einem GmbH-Geschäftsführer Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 253 ff.
370 Vgl. Rn 223 ff.
371 Zu Altersgrenzen in Arbeitsverträgen vgl. Kap. 6 Rn 98 ff.
372 So auch Bauer/von Medem, NZA 2012, 945, 952.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 491

Vorzeitiger Altersrentenbezug
Nach § 36 S. 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente für langjährig 232
Versicherte, wenn sie zum einen das 67. Lebensjahr vollendet und zum anderen die
Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres ist die
vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente möglich (§ 36 S. 2 GB VI).
Gemäß § 41 S. 2 SGB VI gilt ein Arbeitsverhältnis, das eine Regelung enthält, die 233
eine Beendigung des Vertragsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu
einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelalters-
grenze eine Rente wegen Alters beantragen kann, dem Arbeitnehmer gegenüber als
auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen. D. h. im Falle einer entspre-
chenden Regelung wird das Arbeitsverhältnis erst mit dem Erreichen der Regel-
altersgrenze beendet. Dies gilt nur ausnahmsweise dann nicht, wenn die Vereinba-
rung innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen oder von
dem Arbeitnehmer innerhalb der letzten drei Jahre vor diesem Zeitpunkt bestätigt
worden ist.
Ob diese Maßstäbe auch für den Geschäftsführer einer GmbH gelten, ist bislang 234
nicht gerichtlich geklärt, muss aber zumindest differenzierend betrachtet werden.
Denkbar erscheint eine entsprechende Anwendung des § 41 S. 2 SGB VI zumindest
für den abhängigen Fremd- bzw. Minderheitsgeschäftsführer, da sich dieser –
ähnlich wie ein Arbeitnehmer – in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis zur
Gesellschaft befindet.373 Für den nicht-abhängigen Geschäftsführer dürfte dagegen
eine Regelung, wonach der Anstellungsvertrag frühestens mit der Vollendung des
Lebensjahres enden kann, in dem die Voraussetzungen für den vorzeitigen Bezug der
Altersrente für langjährig Versicherte vorliegen, zulässig sein.

Erreichen der Regelaltersgrenze


Nach § 35 S. 2 SGB VI wird die Regelaltersgrenze mit Vollendung des 67. Lebensjah- 235
res erreicht. Das nachfolgende Klauselmuster bestimmt, dass der Anstellungsvertrag
spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze automatisch beendet wird.374

373 Siehe auch Rn 12 ff.


374 Eine Regelung, die ein Vertragsverhältnis nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze automa-
tisch beendet, ist jedenfalls auch in einem Arbeitsverhältnis zulässig. Bei der Abwägung des Fort-
setzungsinteresses des Arbeitnehmers mit dem Beendigungsinteresse des Arbeitgebers ist letzterem
der Vorrang einzuräumen, da der Arbeitnehmer nach Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf
Bezug einer gesetzlichen Altersrente hat, vgl. Kap. 6 Rn 110 f. Statt vieler Küttner/Kreitner, 2015, Al-
tersgrenze Rn 7.

Reiserer/Polczynski
492 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung
(1) …375
(2) Im Übrigen endet das Anstellungsverhältnis
a) frühestens mit Ablauf des Monats, in dem der Geschäftsführer das Lebensjahr vollendet hat, das
Voraussetzung für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente für langjährig Versicherte ist;
das ist derzeit das 63. Lebensjahr;
b) spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Geschäftsführer die gesetzliche Regelaltersgrenze
erreicht; das ist derzeit das 67. Lebensjahr.

b) K eine Beendigungsgründe
aa) Abberufung/Amtsniederlegung des Geschäftsführers
236 Die Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung376 kann durch die Gesell-
schaft jederzeit und ohne besondere Gründe erfolgen und führt nicht automatisch zur
Beendigung des Anstellungsvertrages.377 Das Gleiche gilt für die Amtsniederlegung
durch den Geschäftsführer.378 Vielmehr bedarf es neben der Beendigung der Organ-
stellung stets einer gesonderten Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrages.379
237 Umgekehrt kann in der Kündigung oder Nichtverlängerung des Anstellungs-
verhältnisses ein konkludenter Widerruf der Bestellung zu sehen sein; zwingend
ist dies jedoch, insbesondere bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, nicht.380
238 Diese Trennung der Beendigung der Organstellung von der Beendigung des
Anstellungsverhältnisses entspricht meist nicht den Interessen der Gesellschaft, die
in der dem Geschäftsführer eingeräumten Stellung des Geschäftsführers als Vertre-
tungsorgan der Gesellschaft einerseits und als deren Angestellter andererseits eine
Einheit sehen möchte. Aus diesem Grund findet sich in den Geschäftsführeranstel-
lungsverträgen häufig eine vertragliche Koppelung von Abberufung und Kündi-
gung (sog. Koppelungsklausel).

375 Vgl. Klauselmuster eines befristeten Anstellungsvertrages in Rn 223.


376 Zur Abberufung vgl. Arens, sj 2005, Nr. 9, 43; zur anwaltlichen Vertretung von Geschäftsführern
bei Abberufung und Kündigung vgl. Reiserer/Peters, DB 2008, 167.
377 BGH, Urt. v. 28.10.2002 – II ZR 146/02 – NJW 2003, 351; hierzu Bauer/Diller/Krets, DB 2003, 2687;
zum Schadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers wegen Abberufung und/oder Nichtbestel-
lung s. Rn 30 ff.
378 BGH, Urt. v. 8.2.1993 – II ZR 58/92 – NJW 1993, 1198; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – II ZR 161/79 – NJW
1980, 2415; vertiefend zur Amtsniederlegung des Geschäftsführers, Reiserer/Heß-Emmerich/Peters,
S. 82 f.
379 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 38 Rn 5 ff.; Janzen, NZG 2003, 468.
380 Vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 182/79 – NJW 1981, 757; (zu Vorstandsmitgliedern); vgl. OLG
Frankfurt, Urt. v. 18.2.1994 – 10 U 16/93 – GmbHR 1994, 549; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack,
GmbHG, § 38 Rn 96.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 493

Die rechtliche Zulässigkeit der vertraglichen Verknüpfung von Abberufung 239


und Kündigung ist grundsätzlich anerkannt381 und kann auch für den Fall der Amts-
niederlegung durch den Geschäftsführer vereinbart werden. Die Koppelung kann
in der Weise erfolgen, dass die Abberufung des Geschäftsführers zugleich auch die
Wirkung einer Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages zum nächst
zulässigen Zeitpunkt beinhaltet.382 Da für die ordentliche Kündigung des Anstellungs-
vertrages die Fristen des § 622 BGB gelten383 und die Vertragsparteien nicht ohne wei-
teres bestimmte Gründe als „wichtige Gründe“ i. S. d. § 626 BGB vereinbaren können,
lässt der BGH derartige Koppelungsklauseln nur mit der Maßgabe gelten, dass die
Kündigung nicht sofort wirkt, sondern nur mit einer § 622 BGB entsprechenden
Frist.384 Zum anderen kann das Anstellungsverhältnis unter die auflösende Bedin-
gung der Abberufung vom Amt gestellt werden,385 wobei auch hier beachtet werden
muss, dass im Hinblick auf die gesetzliche Mindestkündigungsfrist das Anstellungs-
verhältnis erst nach Ablauf der Frist des § 622 BGB endet.386
Bei befristeten Verträgen ist außerdem zu beachten, dass der BGH eine Koppe- 240
lungsklausel als Regelung der außerordentlichen Kündigung versteht387, soweit
sich nicht aus dem jeweiligen Vertrag etwas anderes ergibt. Sofern in einem solchen
Fall kein wichtiger Grund i. S. d. § 626 BGB vorliegt, wird das Anstellungsverhältnis
durch die Kündigung nicht wirksam beendet.388 Gerade auch bei befristeten Ver-
trägen empfiehlt sich daher für den Fall der Beendigung des Amtsverhältnisses ein
ordentliches Sonderkündigungsrecht zu vereinbaren.389

381 BGH, Urt. v. 21.6.1999 – II ZR 27/98 – NZG 1999, 1215; BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – NJW
1989, 2683; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.6.1999 – 6 U 144/97 – GmbHR 2000, 378; OLG Köln, Urt. v.
6.12.1999 – 16 U 94/98 – GmbHR 2000, 432 m. Anm. v. Gitter, NZG 2000, 552; zur Bestellung des Ge-
schäftsführers unter einer auflösenden Bedingung vgl. BGH, Urt. v. 24.10.2005 – II ZR 55/04 – BB
2006, 14; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 209 ff.; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/
Kuhn, § 6 Rn 145; Moll/Moll/Grobys, § 80 Rn 50 ff; kritisch zur Vereinbarkeit von Koppelungsklauseln
mit dem AGB-Recht, Graf von Westphalen, BB 2015, 834.
382 Formulierungsbeispiele bei Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809; Lohr, NZG 2001, 826.
383 Zur Kündigungsfrist vgl. Rn 181 f.
384 BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – NJW 1989, 2683; Anschluss OLG Hamm, Urt. v. 20.11.2006 –
8 U 217/05 – GmbHR 2007, 442; Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809; Flatten, GmbHR 2000, 922; Lohr,
ZNotP 2003, 162; Graf von Westphalen, BB 2015, 834.
385 Formulierungsbeispiele bei Bauer/Diller, GmbHR 1998, 809; Flatten, GmbHR 2000, 922.
386 BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88 – NJW 1989, 2683.
387 Zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages Hümme-
rich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4Rn 179 ff.
388 Moll/Moll/Grobys, § 80 Rn 53.
389 Formulierungsbeispiel bei Lohr, NZG 2001, 826; kritisch zu Koppelungsklauseln in befristeten
Geschäftsführerverträgen Grobys/Glanz, NJW-Spezial 2007, 129.

Reiserer/Polczynski
494 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

241 Das nachfolgende Koppelungsklausel-Muster390 regelt die Auswirkungen der


Abberufung des Geschäftsführers durch Beschluss der Gesellschafterversammlung
auf das Bestehen des Anstellungsverhältnisses. Dabei erfolgt eine Differenzierung
zwischen einer nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit möglichen Abberufung und einer
Abberufung aus wichtigem Grund. Für den Fall der Amtsniederlegung durch den
Geschäftsführer regelt die Klausel, dass diese die Wirkung einer ordentlichen Kündi-
gung des Anstellungsverhältnisses zum nächst möglichen Zeitpunkt hat.

Klauselmuster
Vertragsdauer und Beendigung391
(…) Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann die Bestellung zum Geschäftsführer jeder-
zeit widerrufen werden. Die Abberufung gilt zugleich als ordentliche Kündigung des Anstellungsver-
hältnisses zum nächst zulässigen Zeitpunkt, ohne dass es eines Ausspruchs einer Kündigung durch
die Gesellschaft bedarf. Erfolgt die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund, welcher
nicht zugleich einen wichtigen Grund nach § 626 BGB für die außerordentliche fristlose Kündigung
des Anstellungsvertrages darstellt, so endet das Anstellungsverhältnis erst mit Ablauf der gesetzli-
chen Kündigungsfrist ab Ende der Organstellung. Verlängert sich nach § 622 Abs. 2 BGB die Kündi-
gungsfrist für die Gesellschaft, so gilt dies auch für die Kündigung durch den Geschäftsführer. Satz 2
gilt entsprechend für den Fall der Niederlegung des Amtes durch den Geschäftsführer.

bb) Auflösung der Gesellschaft


242 Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers wird durch den Beschluss über die Auf-
lösung der Gesellschaft nicht berührt, sondern besteht fort.392 In der Regel übernimmt
der bisherige Geschäftsführer das Amt des Liquidators.393 Auch stellt die Auflösung
der Gesellschaft in der Regel keinen Grund zur fristlosen Kündigung des Geschäfts-
führeranstellungsvertrages dar. Dieser kann jeweils nur unter Einhaltung der ordent-
lichen Kündigungsfrist gekündigt werden.

cc) Eröffnung des Insolvenzverfahrens


243 Das Anstellungsverhältnis wird auch nicht „automatisch“ durch die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens beendet.394 Es kann jedoch gem. § 113 S. 1, 2 InsO vom Insolven-
zverwalter und vom Geschäftsführer ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertrags-
dauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung

390 Die Koppelungsklausel ist in der Regel Teil einer Regelung zur Vertragsdauer und Beendigung
des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages.
391 Im Wesentlichen nach BeckOFV/Tomcic, 2.3.2 Geschäftsführervertrag (ausführlich), § 16 Abs. 3.
392 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG § 35 Rn 214; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6
Rn 118.
393 BeckOK GmbHG/Lorscheider, § 66 Rn 8; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 118.
394 Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rn 118.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 495

gekündigt werden, und zwar mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende, sofern
nicht eine kürzere vertragliche Frist maßgeblich ist. Stellt der Geschäftsführer nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Arbeitskraft weiterhin zum Zwecke der
Betriebsfortführung zur Verfügung, so mutiert er dadurch nicht zum Arbeitnehmer
des Insolvenzverwalters und eröffnet sich nicht auf diese Weise den Schutz des Kün-
digungsschutzgesetzes.395

c) Folgen eines Betriebsübergangs


Die Arbeitnehmerschutzvorschriften des § 613a BGB für den Fall des Übergangs 244
eines Betriebes auf einen neuen Arbeitgeber finden nach nahezu einhelliger Ansicht
auf das Dienstverhältnis eines Organmitglieds und damit auch für den GmbH-
Geschäftsführer (bislang) keine Anwendung.396 Dies gilt unabhängig davon, ob der
Geschäftsführer gleichzeitig Anteile an der GmbH gehalten hat oder ob er ausschließ-
lich als Fremdgeschäftsführer tätig war.397 Das Dienstverhältnis des GmbH-Geschäfts-
führers geht somit im Fall des Betriebsüberganges nicht auf den neuen Erwerber über.
Ob diese Auffassung auch nach der Entscheidung des EuGH v. 9.7.2015398 aufrecht
erhalten bleibt, ist abzuwarten. Denn nach dem Urteil des EuGH ist ein Mitglied der
Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft, das seine Tätigkeit nach Weisung
und Aufsicht eines anderen Organs der Gesellschaft ausübt, als Gegenleistung für
seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und selbst keine Anteile an dieser Gesellschaft
besitzt, bei der Berechnung der Anzahl der Arbeitnehmer im Sinne der Massenent-
lassungsrichtlinie RL 98/59/EG des Rates v. 20.7.1998 mitzuberücksichtigen. Damit
unterstellt der EuGH nunmehr jedenfalls den Fremdgeschäftsführer dem Begriff des
Arbeitnehmers im Sinne der Massenentlassungsrichtlinie. Welche Auswirkungen die
Entscheidung des EuGH auf die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Schutzvor-
schrift bei Betriebsübergang (§ 613a BGB), die ebenfalls auf einer europäischen Richt-
linie fußt,399 auf Fremdgeschäftsführer hat, ist derzeit noch nicht absehbar. Feststeht
jedoch, dass der EuGH den Fremd-Geschäftsführer immer häufiger dem unionsrecht-
lichen Arbeitnehmerbegriff unterstellt.400

395 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.9.2008 – 10 Sa 162/08 – NZG 2009, 195 ff.
396 BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01 – NJW 2003, 2473 m. Anm. v. Wank, EWiR 2003, 621; OLG
Hamm, Urt. v. 18.6.1990 – 8 U 146/89 – GmbHR 1991, 466.
397 Dagegen differenzierend MüKo-BGB/Müller-Glöge, § 613a Rn 82.
398 EuGH, Urt. v. 9.7.2015 – C-229/14 – NZA 2015, 861
399 Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Wahrung von
Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben und Betriebsteilen RL
77/187/EWG des Rates v. 14.2.1977.
400 So auch EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 – Danosa; hierzu Anm. Reiserer, BD
2011, 2262; vgl. Rn 10 f.

Reiserer/Polczynski
496 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

245 In den vergangen Jahren haben sog. Change of Control – Klauseln immer öfters
Eingang in Anstellungsverträge von Führungskräften und Organmitgliedern gefun-
den. Ziel solcher Klauseln ist es, Führungskräfte, Geschäftsführer und Vorstände
auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten an die Gesellschaft zu binden bzw. sie für
sich zu gewinnen. Im Falle eines Kontrollwechsels der Gesellschaft durch Änderun-
gen in der Gesellschafter- oder Aktionärsstruktur sollen dem Geschäftsführer oder
Vorstand bestimmte Leistungen zukommen, die ihn finanziell absichern sollen.401
Gängig in diesem Zusammenhang sind aber auch Regelungen, die dem Geschäfts-
führer für den Fall eines Gesellschafterwechsels ein vertragliches Sonderkündigungs-
recht in Verbindung mit einem Abfindungsanspruch einräumen.402

7. N
 achvertragliche Pflichten
a) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot403
246 Ohne eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag ist der GmbH-Geschäfts-
führer nach Beendigung seiner Amtszeit und Ausscheiden aus seinem Dienstverhält-
nis404 keinem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterworfen.405 Zwar hat der
Geschäftsführer auch nach seinem Ausscheiden gewisse Treuepflichten; aus ihnen
folgt jedoch kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Weder hat er weiterhin
die künftige Geschäftstätigkeit zu fördern noch ist er generell gehalten, durch eigene
geschäftliche Zurückhaltung wirtschaftliche Nachteile der GmbH zu vermeiden. Nur
ausnahmsweise lässt sich ein Wettbewerbsverbot für den Geschäftsführer aus seiner
Treuepflicht zur Gesellschaft herleiten, wenn der ehemalige Geschäftsführer Verträge,
welche die Gesellschaft während seiner Amtszeit geschlossen hat, an sich zieht.406

401 Muster einer Change of Control – Klausel bei Schaub/Schrader/Straube/Vogelsang/Schrader/


Klages, A. Individualarbeitsrecht, Rn 383; Klauselmuster bei gesellschaftsrechtlichen Veränderun-
gen durch Umwandlung oder Umstrukturierung, vgl. Rn 356 ff. (zum AG-Vorstands-Anstellungsver-
trag).
402 Vgl. Moll/Moll/Grobys, § 80 Rn 54; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 599 ff. mit Muster einer
Change of Control – Klausel.
403 Zum nachträglichen Wettbewerbsverbot im Konzern, Reiserer/Heß-Emmerich/Peters, S. 139 f.
404 Gilt nicht, solange die Rechtswirksamkeit der Kündigung noch nicht feststeht und ein Rechts-
streit hierüber anhängig ist, BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87 – BB 1988, 88; unklar hierzu BGH, Urt.
v. 18.12.2001 – II ZR 171/99 – DStR 2001, 1312 m. Anm. v. Goette; a. A. OLG Frankfurt, Urt. v. 5.11.1999 –
10 U 257/98 – AG 2000, 518.
405 BGH, Urt. v. 9.3.1987 – II ZR 215/86 – GmbHR 1987, 302; OLG Frankfurt, Urt. v. 13.5.1997 – 11 U
(Kart) 68/96 – GmbHR 1998, 376; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87 – GmbHR 1988, 344; ver-
tiefend zur zeitlichen Reichweite des Wettbewerbsverbots vgl. BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43
Rn 166 m. w. N.
406 BGH, Urt. v. 11.10.1976 – II ZR 104/75, GmbHR 1977, 43; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW
1984, 2366; vgl. auch Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 173.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 497

Rechtsgrundlage für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann aber eine 247


vertragliche Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag oder im Anstellungsvertrag
sein. Dabei gelten für den GmbH-Geschäftsführer – anders als für Arbeitsverhält-
nisse – die §§ 74 ff. HGB nach überwiegender Ansicht nicht.407
Dennoch herrscht allseitiges Einvernehmen darüber, dass v. a. auch für den 248
Fremdgeschäftsführer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht völlig frei ver-
einbart werden darf, sondern dass im Interesse der verfassungsrechtlichen Freiheiten
aus Art. 2 und Art. 12 GG enge Grenzen gezogen sind und die Wertungsmaßstäbe
der §§ 74 ff. HGB jedenfalls mittelbar auch beim Fremdgeschäftsführer sowie beim
Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer zu beachten sind.408 Auch nachvertragli-
che Wettbewerbsverbote eines Organs sind demnach nur zulässig, wenn sie einerseits
dem Schutz eines berechtigten Interesses der Gesellschaft dienen und andererseits
nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung
des Geschäftsführers nicht unnötig erschweren. Andernfalls ist die Wettbewerbsklau-
sel nach § 138 BGB nichtig. Im Einzelfall bedarf es somit einer sorgfältigen Abwägung,
inwieweit möglicherweise ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot den ehemaligen
Geschäftsführer übermäßig benachteiligt und somit den Wertungskriterien des § 138
BGB widerspricht.409
Im Einzelnen hat die Rechtsprechung hierzu folgende Kriterien entwickelt: 249

Checkliste
– Für die zeitliche Begrenzung orientiert sich der BGH an der Zwei-Jahres-Frist des § 74a Abs. 1
HGB als Obergrenze.410
– Der räumliche und gegenständliche Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots darf nur entspre-
chend der berechtigten Interessen der Gesellschaft festgelegt werden.411

407 BGH, Urt. v. 15.4.1991 – II ZR 214/89, – BB 1991, 1640; OLG München, Urt. v. 19.11.2008 – 7 U
1882/08 – n. v.; auch bei sog. Fremdgeschäftsführern, BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – BB 1984,
1381; hierzu Sina, DB 1985, 902; Heidenhain, NZG 2002, 605; BSG, Urt. v. 9.8.1990 – 11 Rar 119/88 – NZA
1991, 159; a. A. LG Frankfurt, Urt. v. 20.4.1994 – 3/8 O 150/93 – GmbHR 1994, 803; zur Vereinbarung
eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots im Arbeitsverhältnis vgl. Kap. 8 Rn 286 ff.
408 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – BB 1984, 1381; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.1.1993 – 16 U 73/92 –
NJW-RR 1994, 35; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87 – GmbHR 1988, 344; OLG Nürnberg, Urt. v.
25.11.2009 – 12 U 681/09 – GmbHR 2010, 141; bejahend auch für den Alleingesellschafter-Geschäfts-
führer: OLG München, Urt. v. 22.1.1997 – 7 U 4756/96 – BB 1997, 1015; zuletzt BGH, Urt. v. 20.1.2015 – II
ZR 369/13 – DStR 2015, 838 zu Kundenschutzklauseln zwischen GmbH und Gesellschaftern; Baum-
bach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 197 m. w. N.; vgl. auch Goette in: FS für Wiedemann,
S. 873, der eine Karenzentschädigung entsprechend § 74 Abs. 2 HGB verlangt.
409 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 198.
410 BGH, Urt. v. 18.7.2005 – II ZR 159/03 – NJW 2005, 3062; BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6
Rn 101.
411 BeckOK GmbHG/Wisskirchen/Kuhn, § 6 Rn 100.

Reiserer/Polczynski
498 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

– Obwohl nach feststehender Rechtsprechung des BGH beim Organvertreter grundsätzlich keine
Karenzentschädigung festgelegt werden muss,412 ist fraglich, ob der völlige Verzicht auf eine
finanzielle Kompensation jedenfalls an den ehemaligen Fremdgeschäftsführer zur Nichtigkeit
der Wettbewerbsklausel führt.413 Ausnahmsweise kann die finanzielle Kompensation (jedenfalls
beim Gesellschafter-Geschäftsführer) auch in einer einmaligen Abfindung bestehen.414 Für die
Höhe der Entschädigung ist generell die Bestimmung des § 74 Abs. 2 HGB maßgeblich.415 Aller-
dings ist in bestimmten Ausnahmefällen auch eine Reduzierung entsprechend dem Umfang des
Wettbewerbsverbotes denkbar.

250 Insgesamt bleibt somit festzuhalten, dass zwar die strengen Regeln der §§ 74 ff. HGB
auf das Wettbewerbsverbot eines GmbH-Geschäftsführers nicht unmittelbar ange-
wendet werden. Dennoch empfiehlt sich jedenfalls eine Orientierung an den Maßstä-
ben der §§ 74 ff. HGB, um damit das Risiko der Unwirksamkeit oder Unverbindlichkeit
der Wettbewerbsklausel zu minimieren.416

Praxistipp
Entsprechend der Regelung des § 75a HGB kann sich die Gesellschaft bis zum Ablauf der Organstel-
lung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses jederzeit durch einen einseitigen Verzicht von
der Wettbewerbsvereinbarung lösen.417 Die in § 75a HGB vorgesehene einjährige Entschädigungs-
pflicht besteht hierbei für die Gesellschaft nicht.418 Wird im Anstellungsvertrag allerdings auf die
§§ 74 ff. HGB verwiesen, befreit ein zugleich mit der Kündigung des Anstellungsvertrages ausgespro-
chener Verzicht auf das Wettbewerbsverbot die Gesellschaft erst mit Ablauf eines Jahres gem. § 75a
HGB von ihrer Entschädigungspflicht.419 Nach Beendigung der Geschäftsführerstellung ist auch bei
Organvertretern ein einseitiger Verzicht der Gesellschaft und der Wegfall der vereinbarten Karenzent-
schädigung nicht mehr möglich.420

412 Vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 11/07 – WM 2008, 1226; BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR
229/83 – BB 1984, 1381; BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00 – NZG 2002, 475; OLG München, Urt. v.
19.11.2008 – 7 U 1882/08 – n. v.
413 BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 – NJW 1990, 1469; OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U
142/87 – GmbHR 1988, 344,.
414 OLG Hamm, Urt. v. 11.1.1988 – 8 U 142/87 – GmbHR 1988, 344.
415 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rn 183; steuerliche Hinweise zur Konkurrenztätigkeit des Gesell-
schafter-Geschäftsführers, vgl. Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 38 ff.
416 Weiterführende Hinweise bei Henssler, RdA 1992, 289; Thüsing, NZG 2004, 9: Menke, NJW 2009,
636; Fröhlich, GmbH-StB 2014, 59; Müller, GmbHR 2014, 964, jeweils mit umfangreichen Nachw. aus
der Rspr.
417 Zum Verzicht des Arbeitgebers vgl. Kap. 8 Rn 67 ff.
418 BGH, Urt. v. 4.3.2002 – II ZR 77/00 – NZG 2002, 475; BGH, Urt. v. 17.2.1992 – II ZR 140/91 – BB 1992,
723, m. Anm. v. Jäger, DStR 1995, 724 und v. Hoyningen-Huene, EWiR 2002, 521; OLG Düsseldorf, Urt. v.
22.8.1996 – 6 U 150/95 – BB 1996, 2377; ebenso Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 35 Rn 203;
a. A. noch OLG Hamm, Urt. v. 18.3.1991 – 8 U 277/90 – GmbHR 1991, 367, wo § 75a HGB sogar für den
Gesellschafter-Geschäftsführer entsprechend angewandt wurde.
419 BGH, Urt. v.25.6.1990 – II ZR 119/89 – ZIP 1990, 1196.
420 Grüll/Janert, S. 92 f.; a. A. offenbar OLG München, Urt. v. 28.7.2010 – 7 U 2417/10 – ArbR 2010, 458.
Ausführlich zur Thematik Roth/Altmeppen, § 6 Rn 88; Scholz/Schneider, § 43 Rn 183.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 499

Das folgende Klauselmuster eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots orientiert 251


sich an den Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB:

Klauselmuster
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
(1) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung dieses
Dienstverhältnisses weder eine Tätigkeit, noch eine Stellung, noch eine Beteiligung bei einem Un-
ternehmen im selben Geschäftszweig anzunehmen und/oder ein solches Unternehmen zu beraten,
soweit ein solches Konkurrenzunternehmen seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat.
(2) Für die Dauer des Wettbewerbsverbots erhält der Geschäftsführer als Entschädigung monatlich
nachträglich die Hälfte der von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen monatlichen Grundvergü-
tung, deren Höhe sich aus dem Durchschnitt der vor Beendigung des Dienstverhältnisses liegenden
drei Geschäftsjahre errechnet.
(3) Der Geschäftsführer muss sich auf die Entschädigung gem. Abs. 2 anrechnen lassen, was er wäh-
rend des Zeitraumes, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner
Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Unter den anzurechnenden Verdienst fällt
auch etwaiges vom Geschäftsführer bezogenes Arbeitslosengeld.
(4) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, während der Dauer des Wettbewerbsverbots der Gesell-
schaft die Höhe seines Erwerbs auf Verlangen, in jedem Fall unaufgefordert am Schluss eines jeden
Kalendervierteljahres nachzuweisen.
(5) Der Geschäftsführer ist weiterhin verpflichtet, der Gesellschaft auf Verlangen schriftlich den neu-
en Dienstberechtigten/Vertragspartner zu benennen.
(6) Die Gesellschaft kann vor Beendigung des Anstellungsvertrages auf die Einhaltung des nachver-
traglichen Wettbewerbsverbots durch einseitige Erklärung gegenüber dem Geschäftsführer verzich-
ten. In diesem Fall endet die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung gem. Abs. 2 mit Ablauf
von sechs Monaten nach Zugang der Verzichtserklärung.421
(7) Endet der Anstellungsvertrag aufgrund des Eintritts des Geschäftsführers in den vorzeitigen oder
endgültigen Ruhestand, so treten die Vereinbarungen zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot
nicht in Kraft.

b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen


Die Pflicht des Geschäftsführers zur Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen ergibt 252
sich für die Dauer des Anstellungsverhältnisses aus der Treuepflicht des Geschäfts-
führers gegenüber der Gesellschaft bzw. nach anderer Ansicht (auch) aus der Pflicht
zur sorgfältigen Geschäftsführung.422 Auch ohne eine entsprechende Vereinbarung
wirkt die Verschwiegenheitspflicht nach der Beendigung des Anstellungsvertrages

421 Entsprechende Verkürzung der Frist in § 75a HGB wird von Jaeger, S. 81 für zulässig angesehen,
wenn sie die Frist zur ordentlichen Kündigung nicht unterschreitet.
422 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 994; BeckOK GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 Rn 187 m. w. N.;
zur Verschwiegenheitspflicht während der Dauer des Anstellungsverhältnisses vgl. Rn 168 ff.

Reiserer/Polczynski
500 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

fort.423 Im Einzelfall kann eine konkretere Ausprägung der nachvertraglichen Ver-


schwiegenheitspflicht im Anstellungsvertrag dennoch sinnvoll sein. Eine entspre-
chende Klausel sollte jedoch nicht so weit gefasst sein, dass sie einem nachvertragli-
chen Wettbewerbsverbot entspräche, da dieses unter Umständen ohne Zahlung einer
ausreichenden Karenzentschädigung unwirksam ist.424
253 Das nachfolgende Klauselmuster enthält im ersten Absatz eine Regelung der Ver-
schwiegenheitspflicht des Geschäftsführers während der Dauer des Anstellungsver-
hältnisses sowie für die Zeit danach. In Absatz zwei der Klausel wird der Gesellschaft
für die Zeit der (jederzeit möglichen) Freistellung425 des Geschäftsführers sowie nach
der Beendigung des Anstellungsverhältnisses ein ausdrückliches Auskunftsrecht
zu den Vorgängen, die seine Tätigkeit betreffen, eingeräumt. Dies ist notwendig, da
in der Regel nur so eine Überprüfung der Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht
während einer Freistellungsphase bzw. nach Vertragsbeendigung möglich sein wird.

Klauselmuster
Verschwiegenheits- und Auskunftspflicht
(1) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, über alle ihm im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis ge-
langenden geschäftlichen Angelegenheiten und Vorkommnisse, die ihrer Natur nach vertraulich und
schutzwürdig sind, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der Gesellschaft und mit der
Gesellschaft verbundener Unternehmen, Stillschweigen gegenüber Dritten zu bewahren, es sei denn,
der Geschäftsführer ist aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder gerichtlicher Anordnung zur Offen-
barung verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch für die Regelungen dieses Vertrages sowie
für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis.
(2) Der Geschäftsführer hat der Gesellschaft während der Freistellung und auch nach Beendigung
dieses Vertrages Auskunft über Vorgänge, die seine Tätigkeit betreffen, zu erteilen.

8. R
 ückgabe von Arbeitsmitteln
254 Während der Freistellungsphase, spätestens jedoch nach Beendigung des Anstel-
lungsverhältnisses besteht das berechtigte Interesse der Gesellschaft, in ihrem Eigen-
tum stehende Unterlagen und Arbeitsmittel, wie bspw. Akten, Geschäfts-Laptop, etc.,
zurückzuerhalten. Fällt das Recht zum Besitz (§ 985 BGB) weg, so kann die Gesell-
schaft Unterlagen, Arbeitsmittel und Ähnliches bereits nach dem sachenrechtlichen
Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) vom Geschäftsführer herausverlangen.426 Durch
Aufnahme einer Rückgabeklausel in den Anstellungsvertrag, wird zusätzlich ein

423 BGH, Urt. v. 26.3.1984 – II ZR 229/83 – NJW 1984, 2366; OLG Koblenz, Beschl. v. 5.3.1987 – 6 W
38/87 – DB 1987, 480; OLG Hamm, Urt. v. 7.11.1984 – 8 U 8/84 – GmbHR 1985, 158; statt vieler BeckOK
GmbHG/Haas/Ziemons, § 43 Rn 208 m. w. N.
424 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 995; zur Pflicht einer Karenzentschädigung bei nachvertrag-
lichem Wettbewerbsverbot, vgl. Rn 248 f.
425 Zur Freistellung des Geschäftsführers vgl. Rn 184 f.
426 Vgl. entsprechend im Arbeitsverhältnis Kap. 8 Rn 1 f.

Reiserer/Polczynski
A. Der GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 501

schuldrechtlicher Anspruch begründet. Die Vereinbarung eines Ausschluss von


Zurückbehaltungsrechten ist, sofern der Geschäftsführer unmittelbarer Besitzer ist,
z. B. bei einem auch zu privaten Nutzung überlassenen Notebook, wegen der Rege-
lung in § 309 Nr. 2 BGB nicht zulässig. Soweit der Geschäftsführer nur als Besitzdiener
anzusehen ist, hat ein vertraglicher Ausschluss eines Zurückbehaltungsrechts ledig-
lich klarstellende Funktion.427

Klauselmuster
Rückgabe von Arbeitsmitteln
(1) Der Geschäftsführer hat mit der Freistellung, spätestens jedoch mit Beendigung dieses Vertrages,
alle in seinem Besitz befindlichen, die Gesellschaft betreffenden Unterlagen, Urkunden, Aufzeich-
nungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Durchschriften, Abschriften oder Kopien ohne
Rücksicht auf den Adressaten unaufgefordert herauszugeben.
(2) Dieselbe Verpflichtung des Geschäftsführers besteht für sämtliche Sachen und Gegenstände, die
im Eigentum der Gesellschaft stehen, wie beispielsweise Dienstwagen, Laptop, Mobiltelefon, Schlüs-
sel und Ähnliches.
(3) Dem Geschäftsführer steht an diesen Gegenständen kein Zurückbehaltungsrecht zu.

9. S
 chlussbestimmungen
Empfehlenswerte Schlussbestimmungen sind etwa die Klarstellung des Schicksals 255
eines etwaigen vor der Bestellung zum Geschäftsführer vorliegenden Arbeitsvertra-
ges, des Nichtbestehens von Nebenabreden, die Aufnahme eines Schriftformer-
fordernisses428 sowie einer salvatorische Klausel429 für den Fall, dass eine Bestim-
mung des Anstellungsvertrages unwirksam sein sollte.

Klauselmuster
Schlussbestimmungen
(1) Der bisher zwischen den Parteien bestehende Arbeitsvertrag vom [Datum] wird aufgehoben.430
(2) Dieser Vertrag einschließlich der in Bezug genommenen Anlagen enthält die vollständige Verein-
barung der Parteien. Weitere Nebenabreden bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen dieses
Vertrages bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das gilt auch für die Änderung und Ergän-
zung dieser Klausel. Von dem Schriftformerfordernis ausgenommen sind individuelle Vertragsabre-
den.

427 Vgl. entsprechend im Arbeitsverhältnis Kap. 8 Rn 8 und allgemein zu Zurückbehaltungsrechten


im Arbeitsverhältnis Kap. 3 Rn 84 ff.
428 Zur Schriftformklausel mit Klauselmuster, siehe Kap. 9 Rn 18 ff.
429 Zur salvatorischen Klausel mit Klauselmuster, siehe Kap. 9 Rn 31 ff.
430 Die Regelung ist nach aktueller Rspr. nicht mehr zwingend notwendig, sondern dient lediglich
der Klarstellung, vgl. BAG, Urt. v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06 – BB 2009, 612; dazu und vertiefend zum
innerbetrieblichen Aufstieg zum Geschäftsführer vgl. Rn 191 f.

Reiserer/Polczynski
502 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

(3) Sollten einzelne oder mehrere Bestimmungen dieses Vertrages unwirksam sein oder werden, so
wird hierdurch die Gültigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt. Entsprechendes gilt
für den Fall einer Regelungslücke.

B. D
 er AG-Vorstands-Vertrag

I. Grundsatz des Gleichlaufs zum GmbH-Geschäftsführer

1. Doppelstellung des Vorstands


256 Wie der Geschäftsführer einer GmbH ist auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft
Vertretungsorgan einer juristischen Person. Neben den organschaftlichen Akt der
Bestellung zum Mitglied des Vorstandes, in der Regel durch den Aufsichtsrat (§ 84
Abs. 1 Satz 1 AktG), tritt – wie beim GmbH-Geschäftsführer – der Anstellungsvertrag
zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft, der die vertragliche
Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied regelt.

2. Der AG-Vorstand – ein Arbeitnehmer?


257 Wie der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers ist auch der Anstellungsver-
trag des Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft kein Arbeitsvertrag, sondern
ein Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611,
675 BGB). Die Mitglieder des Vorstandes bilden gemeinsam die Geschäftsleitung
der Aktiengesellschaft und übernehmen – ebenfalls wie der Geschäftsführer der
GmbH – damit gegenüber den Arbeitnehmern der Aktiengesellschaft Arbeitgeber-
funktionen. Eine Qualifizierung des Vorstandsmitgliedes als Arbeitnehmer scheidet
daher wie im Recht des GmbH-Geschäftsführers – auch unter der Berücksichtigung
der Danosa-Entscheidung des EuGH431 – grundsätzlich aus.432 Für den Vorstand
einer Aktiengesellschaft wird diese im Recht der Kapitalgesellschaft vorherrschende
Auffassung noch von § 76 Abs. 1 AktG gestützt, da angesichts der dort dem Vorstand
zugewiesenen autonomen Leitungsbefugnis und der damit verbundenen Wei-
sungsunabhängigkeit auch insoweit eine Qualifizierung des Vorstandsmitgliedes
als Arbeitnehmer ausscheidet. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zum GmbH-

431 EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 – Danosa; dazu Anm. Reiserer, DB 2011, 2262;
Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 28.
432 St. Rspr. des BGH, z. B. BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52 – BGHZ 10, 187; BGH, Urt. v. 16.12.1953 –
II ZR 41/53 – BGHZ 12, 1; und ganz h. M. Schaub/Vogelsang, § 14 Rn 2 ff.; Hümmerich/Reufels/Reufels,
§ 3 Rn 28, jeweils m. w. N.; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 AktG Rn 35; Henssler, RdA 1992, 289; für
Vorstandsmitglieder konzernabhängiger Aktiengesellschaften: Martens in: FS für Hilger und Stumpf,
S. 437; Säcker, BB 1979, 1321.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 503

Geschäftsführer, der wegen der Regelung in § 37 GmbHG den Weisungen der Gesell-
schafter unterworfen ist.433

3. Der AG-Vorstand – ein Verbraucher?


Nach § 13 BGB ist ein Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu 258
Zwecken abschließt, die weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruf-
lichen Tätigkeit zugerechnet werden können. In der Literatur wird die Einordnung
des AG-Vorstands als Verbraucher weitestgehend abgelehnt, handelt es sich bei
einem Anstellungsvertrag doch um einen „Dienstvertrag des selbständig Tätigen“.434
Dagegen vertritt der BGH jedenfalls beim Geschäftsführer einer GmbH die Auffas-
sung, dass dieser als Verbraucher i. S. d. § 13 BGB anzusehen sei.435 Die dort aufge-
führten Argumente dürften auf den AG-Vorstand ebenfalls zutreffen.436

4. Analogien zum Arbeitsrecht


Unabhängig von der Verneinung der Arbeitnehmerstellung für Mitglieder des Vor- 259
standes einer Aktiengesellschaft besteht weitgehend Übereinstimmung, dass ein-
zelne Schutznormen des Arbeitsrechtes für die Mitglieder des Vorstandes zur
Anwendung kommen müssen. Wie Geschäftsführer einer GmbH sind auch Vor-
standsmitglieder der Aktiengesellschaft jedenfalls faktisch gegenüber der Gesell-
schaft in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, da der Anstellungsvertrag regelmäßig
die (finanzielle) Grundlage ihrer Existenz darstellt.437 Auch auf die Mitglieder des AG-
Vorstandes sind daher eine Reihe arbeitsrechtlicher Vorschriften und arbeitsrecht-
licher Grundsätze entsprechend anzuwenden. Die Herleitung dieses Schutzbedürf-
nisses für Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft als auch die Ausprägung der
analogen Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften im Einzelnen orientiert sich
dabei ganz maßgeblich an den Grundsätzen im Recht des GmbH-Geschäftsführers.

433 Siehe auch Wicke, GmbHG, § 37 Rn 4.


434 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337; Bauer/von Medem, NZA 2014, 238, 241.
435 BAG, Urt. v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09 – NJW 2010, 2827; zum GmbH-Geschäftsführer vgl. auch
Rn 15.
436 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 57.
437 KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 37.

Reiserer/Polczynski
504 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Beispiel
Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Vorschriften auf AG-Vorstände:
– Die Grundsätze zur Haftungsbeschränkung bei innerbetrieblichem Schadensausgleich finden
keine Anwendung auf Vorstandsmitglieder;438
– Wird der Betrieb der Aktiengesellschaft oder ein abgrenzbarer Betriebsteil auf einen Dritten nach
§ 613a BGB übertragen, geht das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitgliedes nicht nach
§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Erwerber über;439
– Für die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses gilt, sofern nichts anderes verein-
bart ist, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH zum Geschäftsführer der GmbH nach
ganz herrschender Meinung die Regelung des § 622 Abs. 1 BGB entsprechend.440 Unter Berück-
sichtigung der gesamten Tätigkeit des Vorstandsmitgliedes für das Unternehmen, ggf. auch aus
früherer Tätigkeit als Arbeitnehmer, verlängern sich die Fristen für die Kündigung des Anstel-
lungsvertrages des Vorstandsmitgliedes durch die Gesellschaft entsprechend § 622 Abs. 2 BGB.
Abweichende Vereinbarungen im Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes sind entspre-
chend § 622 Abs. 5 BGB unwirksam. Praktisch dürfte dies aufgrund der obligatorischen Befris-
tung des Vorstands-Anstellungsvertrages, der in der Regel einen Ausschluss der ordentlichen
Kündigung enthalten wird, nur eine geringer Rolle spielen;441
– Weder der allgemeine Kündigungsschutz nach den gesetzlichen Bestimmungen des KSchG (§ 14
Abs. 1 Nr. 1 KSchG)442, noch der besondere Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX für schwerbe-
hinderte Menschen443 oder die Kündigungsschutzbestimmungen des MuSchG444 und des BEEG
finden auf Vorstandsmitglieder Anwendung;
– Obwohl die gesetzlichen Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes nicht für Vorstandsmitglieder
gelten, steht jedem Vorstandsmitglied in angemessenem Umfang Erholungsurlaub unter Ent-
geltfortzahlung zu;445

438 BGH, Urt. v. 27.2.1975 – II ZR 112/72 – WM 1975, 467 (für Geschäftsführer einer Genossenschafts-
bank); Henze/Born/Drescher, S. 127; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 29; Schmidt/Schantz, NZS
2014, 5 (für den Vorstand einer gesetzl. Krankenversicherung); vgl. im Übrigen die Ausführungen zum
Haftungsmaßstab beim GmbH-Geschäftsführer in Rn 97 und Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer,
§ 4 Rn 27 ff.
439 Vgl. Rn 358; Henssler, RdA 1992, 289, 297; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 29 m. w. N.; vgl.
BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01 – DB 2003, 942 (zum GmbH-Geschäftsführer).
440 Vgl. Rn 181 f.; 327; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 24; KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 38;
Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 6; vgl. auch Grobys, NJW-Spezial 2005, 513.
441 Klauselmuster zum Ausschluss der ordentlichen Kündigung in Rn 328 f.
442 Vgl. zur gleichen Problematik beim GmbH-Geschäftsführer Rn 186 ff.; Ob beim Vorstand – wie
beim GmbH-Geschäftsführer (vgl. Rn 187) – die Möglichkeit der Einbeziehung der materiellen Regeln
des Kündigungsschutzgesetzes in den Anstellungsvertrag besteht, ist in der Rechtsprechung bislang
ungeklärt. Verneinend: Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 33; Hüffer/Koch, § 84 Rn 24.
443 Vgl. zur gleichen Problematik beim GmbH-Geschäftsführer Rn 196.
444 Vgl. zur gleichen Problematik beim GmbH-Geschäftsführer Rn 194 f., auch unter der Berücksich-
tigung der Danosa-Rechtsprechung des EuGH: EuGH, Urt. v. 11.11.2010 – C-232/09 – NZA 2011, 143 –
Danosa; dazu Anm. Reiserer, DB 2011, 2262; kritisch zur Übertragung der Danosa-Entscheidung auf
den im Gegensatz zum GmbH-Geschäftsführer weisungsunabhängigen Vorstand einer AG vgl. Gro-
bys/Panzer/Kelber, Vorstand, Rn 14.
445 KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn 87; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 53.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 505

– Schließlich kann sich das Vorstandsmitglied unter ganz engen Voraussetzungen auch auf den
aus dem Arbeitsrecht abgeleiteten Gleichbehandlungsgrundsatz446 – allerdings nur im Verhält-
nis zu anderen Vorstandsmitgliedern – sowie auf den gleichfalls aus dem Arbeitsrecht abgeleite-
ten Grundsatz der betrieblichen Übung berufen.447

II. Der Anstellungsvertrag: Besonderheiten für den AG-Vorstand

1. Zustandekommen des Anstellungsvertrages


a) Zuständigkeit des Aufsichtsrates
Der Aufsichtsrat ist gem. § 84 Abs. 1 AktG zwingend für die Bestellung des Vorstands- 260
mitgliedes zuständig. Gem. § 84 Abs. 1 S. 5 AktG gelten für den Anstellungsvertrag
die Regelungen über die Bestellung in § 84 Abs. 1 S. 1 bis 4 AktG sinngemäß mit der
Folge, dass auch für die Entscheidung über den Abschluss und den Inhalt des Anstel-
lungsvertrages zwingend der Aufsichtsrat als Vertreter der Aktiengesellschaft nach
§ 112 AktG zuständig ist.448 Abweichende Regelungen in der Satzung der Aktiengesell-
schaft etwa in Form von Zustimmungsvorbehalten für die Hauptversammlung sind
unzulässig.449 Aufsichtsratsbeschlüsse können nicht stillschweigend gefasst werden,
es bedarf vielmehr eines ausdrücklichen Beschlusses. Liegt jedoch ein ausdrücklich
gefasster Beschluss vor, so kann seine Auslegung dazu führen, dass ein über den aus-
drücklichen Beschlusswortlaut hinausgehender Erklärungsgehalt zu berücksichtigen
ist.450
Die Entscheidung über den Abschluss und den Inhalt des Anstellungsvertra- 261
ges konnte allerdings bisher, anders als die Aufgabe der Bestellung und Wiederbe-
stellung, an einen Ausschuss, in der Regel an den Personalausschuss, delegiert
werden. Dies ergibt sich aus § 107 Abs. 3 S. 3 AktG, der § 84 Abs. 1 S. 5 AktG nicht
erwähnt.451
Durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), 262
das am 5.8.2009 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber jedoch den Katalog der nicht

446 BGH, Urt. v. 18.12.1954 – II ZR 281/53 – BB 1955, 166; zur Anwendbarkeit des AGG auf Vorstands-
mitglieder KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 35.
447 Zu weiteren Erwägungen und Einzelheiten im Zusammenhang mit Analogien zum Arbeitsrecht
vgl. die Ausführungen zum GmbH-Geschäftsführer Rn 5 ff.
448 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 84 AktG, Rn 35.
449 BGH, Urt. v. 6.4.1964 – II ZR 75/62 – NJW 1964, 1367; KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn 48; Hüm-
merich/Boecken/Düwell/Pusch, § 84 AktG, Rn 35, wonach ein von einem unzuständigen Organ der AG
geschlossener Anstellungsvertrag nach § 134 BGB nichtig ist.
450 BGH, Urt. v. 17.12.2001 – II ZR 288/99 – ZIP 2002, 216.
451 BGH, Urt. v. 23.10.1975 – II ZR 90/73 – BB 1975, 1502; vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1991 – II ZR 87/90 – ZIP
1991, 869; ausführlich zu dem beschränkten Wirkungskreis des Personalausschusses Hüffer/Koch
§ 84 AktG, Rn 15 und § 107 AktG, Rn 28 m. w. N.

Reiserer/Polczynski
506 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

(endgültig) auf Ausschüsse übertragbaren Angelegenheiten in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG


um § 87 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 AktG erweitert, sodass künftig die Beschlussfas-
sung über die Festsetzung und Herabsetzung der Gesamtbezüge durch das Auf-
sichtsratsplenum erfolgen muss.452 Da die Vergütungsvereinbarung ein wesentlicher
Bestandteil des Anstellungsvertrages ist, dürfte künftig das Aufsichtsratsplenum
die Entscheidung über Abschluss und Änderung des Anstellungsvertrages selbst zu
treffen haben.453 Der (Personal-)Ausschuss kann daher nur noch vorbereitend tätig
sein.454 Nach neuerer Rechtsprechung des BGH fällt der Abschluss des die Vergütung
eines Vorstandsmitglieds betreffenden Vertrags auch dann in die Zuständigkeit des
Aufsichtsrats, wenn er von der Aktiengesellschaft nicht mit dem Vorstandsmitglied
selbst, sondern einem Dritten abgeschlossen wird und mit dem Dritten eine Vergü-
tung für die Vorstandstätigkeit vereinbart wird.455

b) Vertragsänderung, Vertragsaufhebung
263 Eine Änderung des Inhalts des Anstellungsvertrags oder dessen Aufhebung ist
durch die Parteien jederzeit einvernehmlich möglich.456 Wie auch beim Abschluss
des Anstellungsvertrages handelt für die Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat (§ 112
AktG). Über Fragen der Vorstandsvergütung wird der Aufsichtsrat nach Einführung
des VorstAG selbst zu entscheiden haben, da eine Übertragung der Entscheidung an
einen (Personal-)Ausschuss hier nicht zulässig ist.457

2. Form des Anstellungsvertrages


264 Der Anstellungsvertrag zwischen Aktiengesellschaft und dem Mitglied des Vor-
standes bedarf keiner Form.458 Obwohl damit generell auch der mündliche Anstel-
lungsvertrag wirksam ist, empfiehlt sich aus Gründen der Rechtssicherheit stets eine
schriftliche Fixierung.

452 Vertiefend zum am 5.8.2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergü-
tung (VorstAG), s. Rn 299 ff.
453 KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 48.
454 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 84 AktG, Rn 36; Lingemann, BB 2009, 1918, 1922.
455 BGH, Urt. v. 28.4.2015 – II ZR 63/14 – NZG 2015, 792 m. Anm. v. Hippeli, jurisPR-HaGesR 7/2015
Anm. 2.
456 Haas/Ohlendorf, S. 26.
457 Siehe Rn 261 f.
458 Haas/Ohlendorf, S. 16; BGH, Urt. v. 27.1.1997– II ZR 213/95 – GmbHR 1997, 547 (für Geschäftsführer
einer GmbH).

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 507

3. Rechtsweg
Bei Streitigkeiten zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft aus 265
dem Anstellungsvertrag sind die ordentlichen Gerichte zuständig. Die Zuständig-
keit der Arbeitsgerichte scheitert an § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, wonach Personen in Betrie-
ben einer juristischen Person, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags
allein oder als Mitglied eines Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristi-
schen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten.
Dass die neuere Rechtsprechung des BAG zur Zuständigkeit der Arbeitsgerichte 266
bei Klagen des GmbH-Geschäftsführers auch auf den Vorstand einer Aktiengesell-
schaft zu übertragen ist, ist wegen der Regelung in § 76 Abs. 1 AktG (Arbeitgeberfunk-
tion) nicht zu erwarten459.

III. Einzelne Anstellungsvertragsklauseln

1. Dienstleistung
a) Pflicht zur Leitung der Gesellschaft
Gemäß § 76 Abs. 1 AktG obliegt dem Vorstand als Kollegialorgan die Leitung der 267
Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Der Begriff der Unternehmensleitung ist
dabei umfassend im Sinne einer generalklauselartigen ausschließlichen Allzu-
ständigkeit des Vorstands zu verstehen.
Seine Pflicht zur Geschäftsleitung und -führung hat der Vorstand mit der Sorgfalt 268
eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu erfüllen, §§ 76 Abs. 1,
93 Abs. 1 S. 1 AktG. Dabei hat er vor allem die Interessen der Gesellschaft zu wahren.
Dazu zählen die Wahrung des Interesses der Aktionäre an der Erhaltung des Grund-
kapitals sowie die gewinnorientierte Verwendung ihres Kapitalbeitrags, wobei eine
Rechtspflicht zur „Gewinnmaximierung“ im Interesse der Aktionäre nicht existiert.460
Bei seinen Entscheidungen muss der Vorstand neben den Aktionärsinteressen auch
die Interessen der Arbeitnehmer der Gesellschaft sowie diejenigen der Allgemeinheit
berücksichtigen.
Aus der Verwaltung des ihnen anvertrauten Vermögens bzw. eines Geschäftsbe- 269
reichs folgt eine besondere, organschaftliche Treuepflicht. Danach hat der Vor-
stand die Unternehmensinteressen in jedweder Weise wahrzunehmen und es zu
unterlassen, die Gesellschaft zu schädigen.461 Weitere Ausflüsse der Treuepflicht
sind die Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG)462, das Wettbewerbsver-

459 Etwa BAG, Beschl. v. 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 – GmbHR 2015, 27; BAG, Beschl. v. 3.12.2014 – 10
AZB 98/14; vgl. hierzu und zur Entwicklung der Rechtsprechung Rn 37 ff., 45 f.
460 Windbichler, § 27 Rn 22.
461 MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn 107.
462 Siehe Rn 310 ff.

Reiserer/Polczynski
508 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

bot während der Dauer des Anstellungsverhältnisses (§ 88 AktG)463 und das Verbot,
Geschäftschancen, die der Gesellschaft zustehen, für sich oder nahe stehende Perso-
nen wahrzunehmen.464
270 Das Gesetz überträgt dem Vorstand die Befugnis zur Geschäftsleitung ausschließ-
lich, zwingend und grundsätzlich umfassend. Daraus folgt, dass den Vertragspar-
teien bei der Gestaltung des Anstellungsvertrages diesbezüglich kein wesentli-
cher Spielraum eingeräumt ist.465

Beispiel
– Änderungen betreffend die Willensbildung innerhalb des Vorstandes, z. B. statt der gesetzlich
vorgesehenen Gesamtgeschäftsführung mit Einstimmigkeitserfordernis gem. § 77 Abs. 1 Satz 1
AktG etwa Gesamtgeschäftsführung mit mehrheitlicher Willensbildung466, können nach § 77
Abs. 1 Satz 2 AktG nur durch eine Satzung oder Geschäftsordnung des Vorstandes geregelt wer-
den. Zu beachten ist hierbei die in § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG subsidiäre Erlasskompetenz für eine
Geschäftsordnung des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat.467 Dagegen entfalten Regelungen
zur Willensbildung innerhalb des Vorstands, die lediglich Bestandteil eines Anstellungsvertra-
ges sind, für die Aktiengesellschaft keine bindende Wirkung. Es sollte vielmehr von entspre-
chenden Vereinbarungen abgesehen werden, weil sie auf der Seite des Vorstands bei Nichterfül-
lung zu Kündigungsrechten und Schadenersatzansprüchen führen können.468
– Zur Frage der Verteilung der Geschäftsführungsaufgaben gilt das Vorstehende entsprechend.469
– Gestaltungsspielraum besteht allenfalls für die Frage der beabsichtigten Ressortzuweisung, wo-
bei dem Aufsichtsrat hier das Letztbestimmungsrecht zusteht.470 Der Anstellungsvertrag kann
vorsehen, dass einem Vorstandsmitglied ein bestimmtes Ressort zugewiesen wird und er nicht
zur Übernahme eines anderen Ressorts verpflichtet ist. Zwar kann der Aufsichtsrat trotz der ver-
traglichen Regelung eine anderslautende Geschäftsordnung erlassen. In diesem Fall wäre der
Vorstand allerdings berechtigt, sein Amt niederzulegen, den Anstellungsvertrag aus wichtigem
Grund außerordentlich zu kündigen sowie als Rechtsfolge der außerordentlichen Kündigung et-
waige Schadenersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB geltend zu machen.471

b) Rechtsquellen und Leitlinien der Geschäftsführung


271 Die Pflichten des Vorstands, die sich aus seiner Organstellung ergeben, bedürfen im
Eigentlichen nicht einer ausdrücklichen Konkretisierung im Anstellungsvertrag, da
sie nicht zur Disposition der Parteien stehen.472 Durch die Aufnahme der gesetzli-

463 Siehe Rn 314 ff.


464 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 93 AktG, Rn 6 f; MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn 107.
465 Haas/Ohlendorf, S. 97.
466 Weitere Regelungsmöglichkeiten im Überblick, vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn 10.
467 Vertiefend zur Geschäftsordnung Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn 19 ff.
468 Haas/Ohlendorf, S. 98.
469 Haas/Ohlendorf, S. 98.
470 Hüffer/Koch, § 84 Rn 15; KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 48.
471 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 31.
472 Haas/Ohlendorf, S. 98.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 509

chen Organpflichten in den Anstellungsvertrag werden sie jedoch auch zu vertrag-


lichen Pflichten.473
Erweitert werden können die Pflichten des Vorstandmitglieds zudem dadurch, 272
dass der Anstellungsvertrag z. B. ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot474
oder konkretisierte Verschwiegenheitspflichten475 beinhaltet476 oder den Vorstand
verpflichtet, die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex
(DCGK)477 in seiner jeweils gültigen Fassung sowie unternehmenseigene Handlungs-
empfehlungen und Compliance-Richtlinien478 zu beachten.479
Ein Verweis auf die jeweils gültige Fassung des DCGK als Bestandteil des Anstel- 273
lungsvertrages ist insbesondere für börsennotierte Gesellschaften von großer
Bedeutung. Empfehlenswert ist eine Bezugnahme auf den DCGK aber auch bei nicht
börsennotierten Gesellschaften für den Fall eines geplanten Börsengangs sowie als
Grundlage zur Verhinderung von Interessenkonflikten zwischen Vorstand und Auf-
sichtsrat, deren Verhältnis zueinander Teil des Regelwerks ist.480

c) Geschäftsführung und Vertretung


aa) Geschäftsführung
§ 77 Abs. 1 S. 1 AktG sieht für den Fall eines mehrköpfigen Vorstands vor, dass sämt- 274
liche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsleitung befugt sind
(Gesamtgeschäftsführung mit Einstimmigkeitserfordernis). Abweichende
Bestimmungen, die in der Praxis den Regelfall darstellen, sind nur durch Satzung
oder Geschäftsordnung des Vorstands im Rahmen der Bestimmungen nach § 77 Abs. 1
S. 2, Abs. 2 AktG zulässig.
Im Gegensatz zur Vertretungsmacht kann die Geschäftsführungsbefugnis des Vor- 275
standes durch Satzung, Aufsichtsrat und die Hauptversammlung eingeschränkt
werden (§ 82 Abs. 2 AktG).
Beschränkungen können sich ferner aus einer Geschäftsordnung des Vorstan- 276
des oder des Aufsichtsrates, insbesondere aus einer darin enthaltenen Regelung

473 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 28; MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn 104.


474 Siehe Rn 360.
475 Siehe Rn 310 ff., 361.
476 Weitere Pflichten, die sich aus dem Anstellungsvertrag ergeben können: Verbot von Veröffent-
lichungen in Bild und/oder Ton ohne Genehmigung der Gesellschaft, Verbot der Vornahme von Bör-
sen- und Spekulationsgeschäften etc. vgl. auch MüKo AktG/Spindler, § 84 Rn 105 m. w. Bsp.
477 Zum Begriff vgl. Kap. 3 Rn 290 ff.
478 Zum Begriff und der Pflicht des Vorstands einer AG, ein Compliance-System zu implementieren
und zu überwachen vgl. Ziff. 4.1.3. DCGK sowie Bürkle, BB 2005, 565; Kort, NZG 2008, 81; U. H. Rei-
chert/Ott, NZG 2014, 241; Schneider, ZIP 2003, 645; Hüffer/Koch, § 76 AktG, Rn 11 ff. m. w. N.
479 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 28.
480 So auch Haas/Ohlendorf, S. 100; vgl. Klauselmuster zu den Aufgaben und Pflichten des Vor-
standsmitglieds mit Verweis auf den DCGK in Rn 284.

Reiserer/Polczynski
510 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

zur Ressortverteilung ergeben, die der Vorstand selbst oder der Aufsichtsrat erlassen
hat.481 Eine entsprechende Aufnahme der Ressortzuweisung kann auch – ausdrück-
lich oder durch Verweisung – in den Anstellungsvertrag aufgenommen werden. Die
Regelung ist zwar lediglich deklaratorisch, kann den Vorstand aber im Falle einer
späteren Änderung der Geschäftsordnung durch den Aufsichtsrat zur Niederlegung
seines Amtes und zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages aus
wichtigem Grund sowie zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach
§ 628 Abs. 2 BGB berechtigen.482

bb) Vertretungsmacht/Vertretungsbefugnis
277 Der Vorstand vertritt die Aktiengesellschaft gerichtlich und außergerichtlich (§ 78
Abs. 1 AktG). Nach § 82 Abs. 1 AktG ist seine Vertretungsmacht unbeschränkt und
unbeschränkbar.483 Parallel zu den Regelungen zur Geschäftsführungsbefugnis gilt
bei einem mehrköpfigen Vorstand als Grundregel die Gesamtvertretung, d. h. sämt-
liche Vorstandsmitglieder sind nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft
befugt (§ 78 Abs. 2 S. 1 AktG). Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft
abzugeben – passive Vertretung – so genügt gemäß § 78 Abs. 2 S. 2 AktG die Abgabe
gegenüber einem Vorstandsmitglied.
278 Die Satzung oder der Aufsichtsrat kann, was in der Praxis der Regelfall ist, vom
gesetzlichen Leitbild der Gesamtvertretung abweichende Bestimmungen treffen,
die gemäß § 81 AktG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind. Häufig
finden sich Vertretungsregelungen, wonach die Gesellschaft durch zwei Vorstands-
mitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied und einen Prokuristen vertreten wird
bzw. dem Vorstandsvorsitzenden Einzelvertretungsbefugnis eingeräumt wird (vgl.
§ 78 Abs. 3 AktG).484
279 Eine Aufnahme entsprechender Vertretungsbestimmungen in den Anstellungs-
vertrag führt nicht zu einer Bindung des Aufsichtsrats, stattdessen aber zu Rechtsun-
sicherheit und ist daher nicht zu empfehlen. Parallel zur Aufnahme einer Regelung
zur Geschäftsführungsbefugnis würde auch die Aufnahme einer Vertretungsregelung
in den Anstellungsvertrag das Risiko etwaiger Kündigungs- und Schadensersatz-
ansprüche des Vorstandmitglieds in sich tragen.485 Eine vertragliche Regelung zur
Vertretung der Gesellschaft sollte sich daher auf einen Verweis auf die gesetzlichen

481 Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn 13; MüKo AktG/Spindler, § 82 Rn 43.


482 Siehe Rn 216 f. (zur außerordentlichen Kündigung des GmbH-Geschäftsführers); Moll/Moll/Eck-
hoff, § 81 Rn 31.
483 Hüffer/Koch, AktG, § 78 Rn 5; zu den wenigen Ausnahmefällen vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 78 Rn
8 ff.; Windbichler, § 27 Rn 18.
484 Windbichler, § 27 Rn 19.
485 Haas/Ohlendorf, S. 101; Zur Problematik einer vertraglichen Regelung der Geschäftsführungsbe-
fugnis siehe Rn 276.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 511

Vorschriften sowie das jederzeitige Recht des Aufsichtsrats, die Vertretungsregelun-


gen zu Gunsten oder zu Lasten des Vorstandmitglieds zu ändern, beschränken. Der
Änderungsvorbehalt dient dem Zweck, Rechtsstreitigkeiten wegen der Änderung von
Vertretungsregelungen zu vermeiden.486

d) Arbeitgeberfunktion des Vorstands


Als Vertreter der Gesellschaft ist der Vorstand zur Wahrnehmung der Arbeitgeber- 280
pflichten im arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Sinne zuständig.487 Im
Rahmen einer ordnungsgemäßen und sorgfältigen Auswahl kann er diese Pflichten
aber auf Mitarbeiter delegieren.

e) Ü bernahme von Mandaten und ehrenamtlichen Funktionen im Interesse der


Gesellschaft
Dem Unternehmensinteresse kann es im Einzelfall dienlich sein, wenn der Vorstand 281
Mandate in mit der Aktiengesellschaft verbundenen Unternehmen übernimmt. Die
Aufnahme eines entsprechenden Aufforderungsrechts der Gesellschaft zur Über-
nahme eines solchen Amtes in den Anstellungsvertrag mit dem Vorstand stellt klar,
dass er auch in diesem Fall die Interessen der Aktiengesellschaft vertritt.488
Spiegelbildlich ist es erforderlich eine Regelung in den Anstellungsvertrag auf- 282
zunehmen, wonach der Vorstand spätestens mit der Beendigung seines Mandats
verpflichtet ist, die ihm durch die Aktiengesellschaft zugeteilten Mandate, sofern
rechtlich zulässig, niederzulegen bzw. auf dritte, von der Aktiengesellschaft zu
benennende, Personen, zu übergeben.
Erhält der Vorstand für seine zusätzlichen Tätigkeiten eine gesonderte Vergü- 283
tung, so ist eine Regelung sinnvoll, ob diese auf seine Vorstandsvergütung angerech-
net wird. Jedenfalls ist der Vorstand (auch ungeschrieben) verpflichtet, Bezüge, die er
neben dem regulären Vorstandsgehalt von Dritter Seite erhält, der Aktiengesellschaft,
in der Regel dem Vorsitzenden des Aufsichtsrate der Gesellschaft, zu berichten.489

486 Haas/Ohlendorf, S. 101.


487 Haas/Ohlendorf, S. 102; Moll/Moll/Eckhoff, AktG, § 81 Rn 4; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 14 m.w N.
488 MüKo-AktG/Spindler, § 84 Rn 105; Haas/Ohlendorf, S. 102.
489 Zu alledem Haas/Ohlendorf, S. 102 f.

Reiserer/Polczynski
512 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

f) Klauselmuster: Aufgaben und Pflichten; Vertretung


284 Es empfiehlt sich folgendes Klauselmuster:

Klauselmuster
Aufgaben und Pflichten; Vertretung490
1. Das Vorstandsmitglied führt in Gemeinschaft mit den anderen Mitgliedern des Vorstands die Ge-
schäfte der Aktiengesellschaft unter Beachtung des jeweils gültigen Geschäftsverteilungsplans für
den Vorstand der Gesellschaft.
2. Das Vorstandsmitglied hat sein Amt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Ge-
schäftsleiters zu führen und bei seiner Tätigkeit die Gesetze, die Satzung der Aktiengesellschaft, eine
vom Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft erlassene Geschäftsordnung einschließlich Geschäftsver-
teilungsplan für den Vorstand, die Beschlüsse des Aufsichtsrats sowie der Hauptversammlung und
diesen Anstellungsvertrag sowie den Deutschen Corporate Governance Kodex, sämtlich in der jeweils
gültigen Fassung, zu beachten.
3. Das Vorstandsmitglied vertritt die Aktiengesellschaft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmun-
gen gerichtlich und außergerichtlich. Die Vertretungsbefugnisse des Vorstandsmitglieds richten sich
nach der Satzung der Aktiengesellschaft/der Geschäftsordnung für den Vorstand, die jederzeit geän-
dert werden kann.
4. Das Vorstandsmitglied nimmt die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers im Sinne der arbeits-
und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
5. Das Vorstandsmitglied ist verpflichtet auf Wunsch des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft Organ-
stellungen (Vorstand/Geschäftsführer) in mit der Aktiengesellschaft verbundenen Unternehmen,
Aufsichtsratsmandate oder Mandate in einem vergleichbaren Kontrollgremium sowie ehrenamtliche
Funktionen in Verbänden, denen die Aktiengesellschaft angehört, zu übernehmen. Auf jederzeitige
Aufforderung der Aktiengesellschaft, spätestens jedoch mit der Beendigung dieses Anstellungsver-
trages, hat das Vorstandsmitglied diese Ämter, sofern rechtlich zulässig, niederzulegen bzw. auf drit-
te, von der Aktiengesellschaft zu benennende, Personen, zu übergeben.

2. Vertragsdauer und Befristung


a) Befristungshöchstdauer
285 Der Anstellungsvertrag kann befristet werden, wobei die Obergrenze gem. § 84
Abs. 1 Satz 1, Satz 5 AktG bei fünf Jahren liegt.491 Die gesetzlichen Beschränkun-
gen im Recht der befristeten Arbeitsverträge nach §§ 14 ff. TzBfG finden auf den
Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft insoweit keine
Anwendung.492 Wird ein Vertrag entgegen den gesetzlichen Bestimmungen für länger
als fünf Jahre oder unbefristet abgeschlossen, so reduziert sich die Befristung auf
die gesetzliche Höchstdauer und berührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen
nicht.493

490 Im Wesentlichen nach Haas/Ohlendorf, S. 90 f.


491 Haas/Ohlendorf, S. 16; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 20; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 25.
492 Haas/Ohlendorf, S. 16; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 5.
493 BAG, Urt. v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08 – NZA 2009, 1205.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 513

b) Mindestvertragsdauer des Anstellungsvertrages


Obwohl eine entsprechende Vorschrift des Gesetzgebers zur Mindestdauer des 286
Anstellungsvertrages fehlt, darf die Dauer des Anstellungsvertrages nicht zu kurz
gewählt werden. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe liegt die Mindestdauer von
Bestellung und Anstellungsvertrag bei einem Jahr.494
Anders als beim GmbH-Geschäftsführer kann der Anstellungsvertrag des AG-Vor- 287
standsmitgliedes nicht auf Probe abgeschlossen werden.495

c) Verlängerungsklausel
Eine Verlängerungsklausel, nach der sich der Anstellungsvertrag jeweils für die 288
Dauer der Wiederbestellung, verlängert, ist nach § 84 Abs. 1 S. 5 AktG zulässig,
sofern der Fünfjahreszeitraum nicht überschritten wird.496 Fehlt eine solche Klausel
im Anstellungsvertrag, so ist für die Verlängerung ein Aufsichtsratsbeschluss erfor-
derlich, der gem. § 84 Abs. 1 S. 3 AktG frühestens ein Jahr vor Ablauf des Anstellungs-
vertrages wirksam gefasst werden kann. Wird der Anstellungsvertrag ohne aus-
drückliche Regelung praktisch weitergeführt, verlängert sich der Anstellungsvertrag
automatisch, soweit die Höchstdauer von fünf Jahren aus § 84 Abs. 1 S. 1, und 5 AktG
nicht überschritten wird.497 Keine unzulässige Umgehung des Verbots in § 84 Abs. 1
S. 3 AktG soll nach der Rechtsprechung des BGH dagegen die einvernehmliche Aufhe-
bung der Bestellung verbunden mit der Wiederbestellung als Vorstandsmitglied für
fünf Jahre früher als ein Jahr vor Ablauf der ursprünglichen Bestellung sein.498

494 OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.7.1973 – 8 U 74/73 – BB 1973, 1088; so auch Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn
25; Grobys/Littger, BB 2002, 2292, 2294; entsprechend zur Mindestdauer der Bestellung: Hüffer/Koch,
AktG, § 84 Rn 7.
495 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 25.
496 Haas/Ohlendorf, S. 16; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 6, 20; Moll/Moll/Eckhoff, AktG, § 81 Rn 26.
497 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 26; Hüffer/Koch, § 84 Rn 6; Vereinbarungen bei Bestellung, die eine
automatische Verlängerung der Amtszeit über die Höchstdauer von fünf Jahren vorsehen, sind nach
§ 134 BGB nichtig, vgl. BGH, Urt. v. 11.7.1953 – II ZR 126/52 – BGHZ 10, 187; zur Problematik von Verträ-
gen zwischen Vorstand und Allein- oder Mehrheitsaktionär, die eine Wiederbestellung vorsehen, s.
Niewarra, BB 1998, 1961.
498 BGH, Urt. v. 17.7.2012 – II ZR 55/11 – NZG 2012, 1027; anders dagegen noch die Vorinstanz: OLG
Zweibrücken, Urt. v. 3.2.2011 – 4 U 76/10 – NZG 2011, 433; zu den Gestaltungsmöglichkeiten bei
vorzeitiger Wiederbestellung von Vorstandsmitgliedern vgl. Fleischer DB 2011, 861.

Reiserer/Polczynski
514 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

d) K
 oppelungsklauseln
289 Koppelungsklauseln, wonach die Beendigung des Anstellungsverhältnisses an den
Widerruf der Organbestellung gekoppelt ist, sind – wie auch beim GmbH-Geschäfts-
führer499 – grundsätzlich zulässig.500

e) Klauselmuster zur Befristung des Anstellungsvertrages


290 Unter formalen Gesichtspunkten ist das Bestehen der Organstellung durch Bestellung
zum Vorstand der Aktiengesellschaft und das als Dienstvertrag zu bewertende Anstel-
lungsverhältnis zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft voneinander
getrennt zu beurteilen (sog. Doppelstellung des Vorstands). Die Parteien werden
dennoch beide Rechtsverhältnisse vertraglich miteinander verknüpfen wollen. Dazu
sind grundsätzlich folgende Wege gangbar:

aa) A ufsichtsratsbeschluss über die Bestellung zum Vorstandsmitglied und


anschließender Abschluss des Anstellungsvertrages
291 Die Vertragsparteien können den Anstellungsvertrag zeitlich nach dem Beschluss
des Aufsichtsrates über die Bestellung zum Vorstandsmitglied schließen.
292 Die Verknüpfung von Bestellung zum Vorstandsmitglied und Anstellungsvertrag
betrifft das Anstellungsverhältnis als Ganzes. Sie ist dem vertraglichen Regelwerk
daher als Präambel vorangestellt. Hierfür empfiehlt sich folgendes Klauselmuster:

Klauselmuster
Präambel501
Herr/Frau [Name, Vorname] ist durch Beschluss des Aufsichtsrates der Aktiengesellschaft vom [Da‑
tum] für den Zeitraum vom [Datum] bis zum [Datum] zum Mitglied des Vorstands der Aktiengesell-
schaft bestellt worden. Dieser Anstellungsvertrag regelt das der Bestellung zugrundeliegende Dienst-
verhältnis abschließend.

bb) U
 nbedingter Abschluss des Anstellungsvertrages und anschließender
Aufsichtsratsbeschluss über die Bestellung zum Vorstandsmitglied
293 Der unbedingte Abschluss eines Anstellungsvertrages vor einem Beschluss über
die Bestellung zum Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft begegnet hingegen

499 Siehe Rn 238 ff.


500 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 27; kritisch zur Vereinbarkeit von Koppelungsklauseln mit dem AGB-
Recht, Graf von Westphalen, BB 2015, 834.
501 Im Wesentlichen nach Haas/Ohlendorf, S. 93.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 515

rechtlichen Bedenken. Eine solche Vorgehensweise würde den Aufsichtsrat in seiner


Beschlussfassung – zumindest faktisch – binden.502

cc) A
 nstellungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der Bestellung zum
Vorstandsmitglied
Der Anstellungsvertrag kann ferner unter den Vorbehalt der Bestellung zum Vor- 294
standsmitglied gestellt werden. In diesem Fall tritt er erst mit Wirksamwerden der
Bestellung503 in Kraft. Die Bestellung kann auch erst zu einem bestimmten zukünf-
tigen Termin erfolgen, an dem die Tätigkeit des Vorstandsmitglieds als Organ der
Gesellschaft beginnen soll.504
Es empfiehlt sich folgendes Klauselmuster: 295

Klauselmuster
Präambel505
Herr/Frau [Name, Vorname] wird für den Zeitraum vom [Datum] bis zum [Datum] zum Mitglied des Vor-
stands der Aktiengesellschaft bestellt werden. Dieser Anstellungsvertrag regelt das der Bestellung
zugrundeliegende Dienstverhältnis abschließend vorbehaltlich der Bestellung.

dd) A
 ufsichtsratsbeschluss über die Bestellung zum Vorstand unter der
aufschiebenden Bedingung des Abschlusses eines Anstellungsvertrages
Denkbar ist auch eine Bestellung des Vorstandsmitglieds unter der aufschieben- 296
den Bedingung des Abschlusses eines Anstellungsvertrages.506 Das heißt, erst mit
Abschluss des Anstellungsvertrages (Eintritt der Bedingung) wird die Bestellung zum
Organ der Gesellschaft wirksam. In diesem Fall ist der Vorbehalt in dem obigen Klau-
selmuster („vorbehaltlich der Bestellung“)507 ersatzlos zu streichen.

3. Vergütung
a) Allgemeines
Anders als im GmbH-Recht für den GmbH-Geschäftsführer bestanden für die Bemes- 297
sung von Vorstandsvergütungen bereits bei Einführung des Aktiengesetzes ausdrück-

502 Haas/Ohlendorf, S. 92.


503 Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 4.
504 Analog § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG sollte der Zeitpunkt nicht später als ein Jahr nach der Bestellung
gewählt werden, Haas/Ohlendorf, S. 91.
505 Im Wesentlichen nach Haas/Ohlendorf, S. 90.
506 Diese Gestaltungsmöglichkeit wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt, vgl. Haas/Ohlen-
dorf, S. 92 m. w. N. Vorzugswürdig ist daher die erste Gestaltungsalternative unter der Rn 292.
507 Rn 295.

Reiserer/Polczynski
516 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

liche gesetzliche Regelungen. Gem. § 87 Abs. 1 S. 1 AktG a. F. hatte der Aufsichtsrat


„bei der Festsetzung der Gesamtbezüge (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsent-
schädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen und Nebenleistungen jeder Art) des
einzelnen Vorstandsmitgliedes dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge in einem ange-
messenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesell-
schaft stehen.“508 Dies galt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und
Leistungen verwandter Art (§ 87 Abs. 1 S. 2 AktG a. F.).
298 Im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise gerieten als überhöht bzw. unan-
gemessen empfundene Vorstandsvergütungen und Managergehälter, insbesondere
im Bankenwesen, massiv in die öffentliche Kritik. Als eine nicht unwesentliche
Ursache der Krise wurden Vergütungssysteme angesehen, die durch Ausrichtung am
kurzfristigen Unternehmenserfolg zur Eingehung unverantwortlicher Risiken verlei-
teten und dadurch Fehlanreize schafften.509 Als Ergebnis der Diskussion sind neue
gesetzliche Regelungen in Kraft getreten, die solchen „fehlleitenden“ Vergütungsins-
trumenten entgegenwirken sollen.
299 Ziel des am 5.8.2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Angemessenheit der
Vorstandsvergütung (VorstAG)510 ist es, auf Vergütungssysteme für Vorstandsmit-
glieder hinzuwirken, die Anreize für eine nachhaltige und langfristig ausgerichtete
Unternehmensführung setzen.511 Zudem sollen die Vorstandsbezüge transparenter
werden für Aktionäre und die Öffentlichkeit sowie die Verantwortung des Aufsichts-
rates bei der Ausgestaltung der Vergütungssysteme gestärkt werden.512
300 Das VorstAG hat § 87 Abs. 1 S. 1 AktG erweitert und bestimmt nun ausdrücklich,
dass der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge neben den bereits bisher
zu berücksichtigenden Kriterien (Aufgaben des Vorstandsmitglieds und Lage der
Gesellschaft) auch dafür Sorge zu tragen hat, dass die Vergütung in einem angemes-
senen Verhältnis zur Leistung des Vorstandsmitglieds steht und die „übliche Ver-
gütung“ nicht ohne besondere Gründe überschritten wird. Schon vor den Änderun-
gen durch das VorstAG empfahl der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK)
die Berücksichtigung des Kriteriums der Leistung.513 In die Aufzählung der möglichen

508 Vgl. hierzu OLG München, Urt. v. 7.5.2008 – 7 U 5618/07 – ZIP 2008, 1237.
509 BT-Drs. 16/12278 v. 17.03.2009, S. 1; vgl. auch Kap. 4 Rn 282 ff.
510 Ausführlich zu den Neuregelungen und Auswirkungen des VorstAG vgl. Lingemann, BB 2009,
1918; Deilmann/Otte, GWR 2009, 261; Jahn, GWR 2009, 135; Krienke/Schnell, NZA 2010, 135; Fleischer,
NZG 2009, 801.
511 BT-Drs. 16/12278 v. 17.3.2009, S. 1; vgl. auch Kap. 4 Rn 282 ff.
512 BT-Drs. 16/12278 v. 17.3.2009, S. 1. Dem entspricht es, dass nunmehr nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG
die Aufgaben nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 AktG, also insbesondere die Festsetzung und
Herabsetzung der Gesamtbezüge, durch den Aufsichtsrat selbst erfolgen muss und nicht mehr
(endgültig) auf den Personalausschuss übertragen werden kann. Letzterer kann daher nur noch vor-
bereitend tätig werden, vgl. Rn 261 f. sowie Lingemann, BB 2009, 1918, 1922.
513 Ziffer 4.2.2 Deutscher Corporate Governance Kodex i. d. F. vom 26.5.2010; vgl. auch Kap. 4 Rn
290 ff.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 517

Vergütungsbestandteile in § 87 Abs. 1 S. 1 AktG wurden ergänzend „anreizorientierte


Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder
Art“ aufgenommen. § 116 S. 3 AktG n. F. hebt (deklaratorisch) die Haftung des Auf-
sichtsrates bei Festsetzung einer unangemessenen Vergütung hervor.
Der neu eingefügte § 87 Abs. 1 S. 2 AktG greift die genannte gesetzgeberische Inten- 301
tion auf und bestimmt, dass die Vergütungsstruktur bei börsennotierten Gesellschaf-
ten auf eine „nachhaltige Unternehmensentwicklung“ auszurichten ist. Variable
Vergütungsbestandteile sollen nach § 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 AktG n. F. eine „mehrjährige
Bemessungsgrundlage“ haben. Das Ziel soll sein, langfristige Verhaltensanreize
zu schaffen. Verhindert werden sollen solche Vergütungsinstrumente, bei denen die
Bemessung von Gratifikationen und Boni nur auf Grundlage eines bestimmten Stich-
tages erfolgt, wodurch die Begünstigten zu einer „Aufblähung“ der maßgeblichen
Parameter zu diesem Zeitpunkt verleitet werden, aber nachfolgende Verschlechterun-
gen keine Auswirkungen auf die Vergütung haben.514 Auch zukünftig können variable
Vergütungsbestandteile vereinbart werden, solange sie im Ergebnis langfristige Ver-
haltensanreize setzen; wird diesem Erfordernis Genüge getan, ist auch eine Mischung
aus kurzfristigen und langfristigen Anreizen zulässig.515 Zudem soll der Aufsichtsrat
für außerordentliche Entwicklungen eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren,
§ 87 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 AktG. Die Neuregelungen des VorstAG lassen einige Änderungen
bzw. Neuausrichtungen für Vorstandsvergütungssysteme erwarten.516
Eine weitere Neuerung durch das VorstAG enthält § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, wonach 302
Aktienoptionen künftig erstmalig nach vier Jahren (bisher: zwei Jahre) ausgeübt
werden können.
Daneben trat am 27.7.2010 das Gesetz über die aufsichtsrechtlichen Anforde- 303
rungen an die Vergütungssysteme von Instituten und Versicherungsunterneh-
men in Kraft, das neben die Regelungen des VorstAG tritt und sich rechtsformun-
abhängig an Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute wendet.517 Auch hier ist das
Ziel, Bonuszahlungen zu begrenzen und die Vergütungssysteme am langfristigen
Unternehmenserfolg auszurichten. Die Einzelheiten werden durch Rechtsverordnung
geregelt.518
Hinzuweisen ist auch darauf, dass § 93 Abs. 2 S. 3 AktG n. F. nun bei sog. D&O- 304
Versicherungen einen zwingenden „Selbstbehalt von mindestens 10 % des Scha-
dens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung
des Vorstandsmitglieds“ vorsieht. Die damit verbundene Gefahr einer persönlichen

514 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/12278 v. 17.3.2009, S. 5.


515 Vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/13433, S. 10.
516 Ausführlich zu den Neuregelungen unter Berücksichtigung rechtlicher und betriebswirtschaftli-
cher Aspekte vgl. Maschmann/Suchan/Winter, S. 53 ff.
517 Vgl. Kap. 4 Rn 294 ff. zu den zwingenden Regeln für die Finanz- und Versicherungsbranche.
518 Zu den Neuregelungen vgl. Müller-Bonanni/Mehrens, NZA 2010, 792; Mosch/Rosenau, NJW-Spe-
zial 2010, 498.

Reiserer/Polczynski
518 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

(Mit-)Haftung des Vorstandsmitglieds soll verhaltenssteuernd wirken und Manage-


mentfehlern entgegensteuern.519

b) Betriebliche Altersversorgung
aa) Geltung des Betriebsrentengesetzes
305 Vorstandsmitglieder erhalten neben ihren regelmäßigen und variablen Bezügen
meist auch eine Pensionszusage, die sich regelmäßig auf eine Altersrente, eine Invali-
ditätsrente sowie eine Hinterbliebenenversorgung bezieht. Solche Ruhegeldverein-
barungen mit Vorstandsmitgliedern fallen gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG regelmäßig
in den Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes. Eine Ausnahme gilt nur
dann, wenn das Vorstandsmitglied als Mehrheitsaktionär oder wegen seiner beson-
deren unternehmensleitenden Funktion als Unternehmer einzustufen ist.520 Die
Bestimmungen des BetrAVG sind bei ihrer generellen Anwendbarkeit zwingend und
können wie im Bereich der Arbeitnehmerzusagen auch für Vorstandsmitglieder nicht
vertraglich abbedungen werden.521 Dieser Grundsatz gilt v. a. auch für die gesetzlich
zwingenden Unverfallbarkeitsregelungen nach § 1b BetrAVG.522

bb) Insolvenzschutz
306 Laufende Ruhegeldansprüche und unverfallbare Anwartschaften sind nach § 7
BetrAVG insolvenzgesichert. Die Insolvenzsicherung ist nach § 7 Abs. 3 BetrAVG für
laufende Rentenleistungen auf das Dreifache der im Zeitpunkt der ersten Fälligkeit
maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gem. § 18 SGB IV begrenzt. Die Sicherungs-
höchstgrenze beträgt demnach in den alten Bundesländern für 2015 3 x 2.835 EUR =
8.505 EUR bzw. in den neuen Bundesländern 3 x 2.415 EUR = 7.245 EUR. Diese gesetz-
liche Insolvenzsicherung gilt auch für Vorstandsmitglieder, die nach § 17 Abs. 1 Satz 2
BetrAVG in den Anwendungsbereich des Betriebsrentengesetzes fallen. Vorstandsmit-
glieder, die wegen einer Unternehmerstellung nicht in den Anwendungsbereich des
Betriebsrentengesetzes fallen,523 haben keinen gesetzlichen Insolvenzschutz für ihre

519 Thiele/von Rüden, DB 2009, Heft 41, S. 1 (Editorial).


520 BGH, Urt. v. 9.6.1980 – II ZR 255/78 – BB 1980, 1215 (für GmbH-Geschäftsführer); BGH, Urt. v.
14.7.1980 – II ZR 224/79 – WM 1980, 1114; ausführlich hierzu Ahrendt/Förster/Rössler, GmbHR 1980,
229; vgl. ErfK/Steinmeyer, § 17 BetrAVG, Rn 9, 10 ff.; Blomeyer/Rolfs/Otto/Rolfs, BetriebsrentenG, § 17
BetrAVG, Rn 81 ff.; Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449.
521 Näheres vgl. KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn 71; Braunert, NZA 1988, 832; Thüsing/Granetzy,
NZG 2010, 449; OLG Oldenburg, Urt. v. 18.3.1988 – 6 U 118/87 – EWiR 1989, 113 m. Anm. v. Gravenhorst;
a. A. LG Köln, Urt. v. 20.3.1985 – 24 O 271/84 – DB 1985, 1580.
522 Zu einzelnen gesetzlichen Bestimmungen des BetrAVG vgl. Hümmerich/Boecken/Spirolke/Rei-
serer, § 4 Rn 114 ff.
523 Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 118.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 519

Pensionszusagen. In diesen Fällen und für die Rentenleistung, die über die Siche-
rungshöchstgrenze nach § 7 Abs. 3 BetrAVG hinausgeht, ist aus Sicht des Vorstands-
mitgliedes eine vertragliche Absicherung erforderlich. In Betracht kommt hier v. a.
der Abschluss einer Rückdeckungsversicherung mit Einräumung eines erstrangigen
Pfandrechtes zugunsten des Vorstandsmitgliedes.524

c) Reduzierung der Vergütung


Der Aufsichtsrat war schon nach § 87 Abs. 2 Satz 1 AktG a. F. berechtigt, die Bezüge 307
des Vorstandsmitgliedes angemessen herabzusetzen, wenn nach der Festsetzung
der Vorstandsbezüge eine so wesentliche Verschlechterung in den Verhältnissen
der Gesellschaft eintrat, dass eine Weitergewährung der vereinbarten Bezüge eine
schwere Unbilligkeit für die Gesellschaft darstellen würde. Eine schwere Unbil-
ligkeit lag für die Gesellschafter regelmäßig vor, wenn an die Aktionäre keine Divi-
dende mehr ausgeschüttet wurde, und sei es auch nur aufgrund der Veräußerung von
Gegenständen aus dem Anlagevermögen der Gesellschaft.525 Die Herabsetzung der
Bezüge war nur für die Zukunft möglich und erfolgte regelmäßig befristet. Sobald sich
die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft wieder nachhaltig besserte, hatte das Vor-
standsmitglied Anspruch auf Wiederherstellung der vertraglich vereinbarten Bezüge.
Da die Herabsetzung der Bezüge auf Gründe gestützt wurde, die betrieblicher und
nicht persönlicher Natur sind, konnte sie bezüglich der einzelnen Vorstandsmitglie-
der nur unter gleichen Bedingungen erfolgen.
Das VorstAG verringerte nun die Anforderungen an eine nachträgliche Herabset- 308
zung der Vorstandsvergütung bei einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft.
Nach § 87 Abs. 2 AktG n. F. soll der Aufsichtsrat oder im Falle des § 85 Abs. 3 AktG das
Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabset-
zen, wenn sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so verschlechtert,
dass die Weitergewährung der Bezüge nach Absatz 1 unbillig für die Gesellschaft
wäre. Die Verschlechterung der Lage muss daher nicht mehr „wesentlich“ und die
Weitergewährung der Bezüge nicht mehr „schwer“ unbillig sein.526 Zudem wurde aus
dem bisherigen Recht des Aufsichtsrates zur Herabsetzung der Bezüge („Kann-Vor-
schrift“) eine „Soll-Vorschrift“, sodass der Aufsichtsrat künftig nur noch bei Vorliegen
besonderer Umstände von der Herabsetzungen absehen darf.527 Nach der Neurege-
lung können nun auch Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwand-

524 Vgl. hierzu Hümmerich/Boecken/Spirolke/Reiserer, § 4 Rn 125 f. sowie näher Reiserer/Heß-Em-


merich/Peters, S. 122 ff.
525 Vgl. Weisner/Kölling, NZG 2003, 465.
526 Zu Einzelheiten und den neuen Anforderungen vgl. Lingemann, BB 2009, 1918, 1920 ff.
527 BT-Drs. 16/13433, S. 10.

Reiserer/Polczynski
520 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

ter Art noch in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft herabge-
setzt werden, § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG.

d) Klauselmuster: Bezüge des Vorstandmitglieds


309 Wie beim GmbH-Geschäftsführer sind auch bei AG-Vorständen Bezüge mit festen und
variablen Vergütungsbestandteilen üblich. Entsprechend kann für die Vergütung des
Vorstands das Klauselmuster zu den Bezügen des Geschäftsführers herangezogen
werden.528 Im Folgenden soll daher nur auf Spezifika der Vorstandsvergütung einge-
gangen werden.

Klauselmuster
Bezüge des Vorstandsmitglieds
(1–4) …529
(5)
[Für nicht börsennotierte Aktiengesellschaft:]
Des Weiteren erhält der Vorstand eine ergebnisabhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von [Be‑
trag] % des in der Bilanz ausgewiesenen Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Akti-
engesellschaft im Sinne des § 275 HGB. Die Tantieme wird innerhalb eines Monats nach der Feststel-
lung des Jahresabschlusses fällig. Sie beträgt jährlich höchstens EUR [Betrag]. 530
[Für börsennotierte Aktiengesellschaft:]
Des Weiteren erhält der Vorstand eine ergebnisabhängige Vergütung (Tantieme) in Höhe von [Be‑
trag] % des in der Bilanz ausgewiesenen Ergebnisses der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Ak-
tiengesellschaft im Sinne des § 275 HGB. Der Anspruch auf Zahlung der Tantieme setzt ein positives
Ergebnis der Geschäftstätigkeit im Sinne des § 275 HGB in den beiden Folgejahren voraus. In diesem
Fall entsteht der Anspruch auf die Tantieme mit Schluss des dritten Geschäftsjahres und wird mit der
Feststellung des Jahresabschlusses des dritten Geschäftsjahres fällig. Die Tantieme beträgt jährlich
höchstens EUR [Betrag].531
(6) Das Vorstandsmitglied nimmt an dem Aktienoptionsprogramm für Vorstandsmitglieder der Aktien-
gesellschaft vom [Datum] teil. Der Umfang der zuzuteilenden Aktienoptionen liegt im freien Ermessen
der Aktiengesellschaft.532

528 Rn 147.
529 Entsprechend dem Klauselmuster für die Bezüge des Geschäftsführers in Rn 147. Die Höhe der
Sondervergütung wegen besonderer Leistungen bestimmt beim AG-Vorstand der Aufsichtsrat (beim
GmbH-Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung).
530 Im Wesentlich nach Haas/Ohlendorf, S. 108.
531 Im Wesentlich nach Haas/Ohlendorf, S. 108. Gegenüber der Regelung für nicht börsennotierte
Aktiengesellschaften trägt die Klausel dem Gebot der Nachhaltigkeit und der mehrjährigen Bemes-
sungsgrundlage Rechnung. Die Tantieme soll also nur bei einer nachhaltig positiven Entwicklung des
Unternehmens gezahlt werden, vgl. Haas/Ohlendorf, S. 120.
532 Haas/Ohlendorf, S. 109 mit Erläuterungen auf S. 121 und mit Muster eines Aktienoptionspro-
gramms auf S. 251 ff.; Aktienoptionsprogramme gewinnen als Form der variablen Vergütung immer
mehr an Bedeutung. Hier wird auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen, etwa Liebers/Mauro-
schat, D Rn 1 ff.; Bosse/Massmann.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 521

(7) Der Aufsichtsrat wird regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, die Gesamtbezüge des
Vorstandsmitglieds unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Aktiengesellschaft, der in-
dividuellen Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds und der allgemeinen Geldentwertung
prüfen und ggf. die Gesamtbezüge nach billigem Ermessen anpassen. Der Aufsichtsrat ist berechtigt,
unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 AktG die Bezüge durch einseitige Erklärung herabzuset-
zen.533
(8) Scheidet das Vorstandsmitglied während der Dauer des Geschäftsjahres aus den Diensten der
Aktiengesellschaft aus, so hat er einen zeitanteiligen Anspruch auf die vorstehenden Bezüge.

4. N ebenpflichten
a) Pflicht zur Verschwiegenheit
Das AktienG nennt an einigen Stellen Nebenpflichten des Vorstands, die der Gesetz- 310
geber als besonders wesentlich erachtet hat.534 Hierzu zählt die Pflicht des Vorstands,
über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Aktiengesellschaft, insbesondere
über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm durch seine Tätigkeit im Vor-
stand bekanntgeworden sind, Stillschweigen zu bewahren (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG).
Nur in wenigen Ausnahmefällen, z. B. innerhalb des Vorstands selbst, gegenüber
Aufsichtsratsmitgliedern oder Abschlussprüfern, die im Umfang ihres Auskunfts-
rechts nach § 320 Abs. 2 HGB vom Vorstand bestimmte Aufklärungen und Nachweise
verlangen können, gilt die Pflicht zur Verschwiegenheit nicht.535 Nach § 93 Abs. 1
Satz 4 AktG findet die Pflicht zur Verschwiegenheit gegenüber einer nach § 342b HGB
anerkannten Prüfstelle für Rechnungslegung, soweit diese eine Prüfung der Gesell-
schaft vornimmt, keine Anwendung.
Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann nach § 93 Abs. 2 AktG zu 311
einer Schadensersatzhaftung des Vorstands gegenüber der Aktiengesellschaft, bei
einer unbefugten Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen sogar zu
einer Strafbarkeit nach § 404 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 AktG führen.
Die Pflicht zur Verschwiegenheit des Vorstands gilt, auch ohne eine ausdrück- 312
liche Regelung, über die Dauer der Organstellung bzw. des Anstellungsvertrages
hinaus.536 Die gesetzlich normierte Pflicht kann ferner weder durch Satzung, Anstel-
lungsvertrag oder eine Geschäftsordnung des Vorstands verschärft, gemildert oder
gar abbedungen werden, so dass die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in
einen Anstellungsvertrag stets nur deklaratorischer Natur sein kann.537 Dennoch
kann eine Verschwiegenheitsklausel im Anstellungsvertrag aus Sicht der Aktien-

533 Vgl. Haas/Ohlendorf, S. 109.


534 Etwa § 88 AktG (dazu Rn 314 ff.) oder § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG.
535 Vgl. auch Hüffer/Koch, AktG, § 93 Rn 31 m. w. N.
536 Vgl. zur nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht Rn 361; Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn
484; Fleischer, WM 2003, 1045.
537 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 506.

Reiserer/Polczynski
522 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

gesellschaft sinnvoll sein, wenn sie die vom Gesetz nicht näher definierten Begriffe
„Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ konkretisiert.
313 Zur Regelung der Verschwiegenheitspflicht des Vorstands kann das Klauselmus-
ter zur Verschwiegenheitspflicht des GmbH-Geschäftsführers entsprechend herange-
zogen werden.

Klauselmuster
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
(1) …538
(2) Die Verschwiegenheitspflicht umfasst insbesondere den Kreis der Vertragspartner der Aktienge-
sellschaft, die mit ihnen gemachten Geschäfte und Umsätze, die strategischen Planungen der Aktien-
gesellschaft sowie Umsatz- und Ergebnisziele.539

b) Wettbewerbsverbot (während des Anstellungsverhältnisses)


314 Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen nach § 88 AktG für die
Dauer ihrer Bestellung einem Wettbewerbsverbot. So dürfen Vorstandsmitglie-
der nach § 88 Abs. 1 S. 1 AktG kein Handelsgewerbe im Geschäftszweig der Gesell-
schaft betreiben, auch wenn dies der Gesellschaft keine Konkurrenz macht. Das
Wettbewerbsverbot bezieht sich darüber hinaus auch auf die sonstige Teilnahme am
geschäftlichen Verkehr, die nicht nur zur Befriedigung eigener privater Bedürfnisse
erfolgt, also nicht lediglich persönlichen Charakter hat.
315 Nach § 88 Abs. 1 S. 2 AktG dürfen Vorstandsmitglieder ferner nicht Mitglied des
Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer
anderen Handelsgesellschaft sein, auch wenn es sich dabei nicht um ein Konkur-
renzunternehmen, sondern z. B. um ein konzernverbundenes Unternehmen handelt.
Nicht verboten ist dagegen die Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat eines anderen Unter-
nehmens sowie die Beteiligung an einer anderen Gesellschaft als stiller Gesellschaf-
ter, als Kommanditist und als lediglich kapitalmäßig beteiligter Aktionär oder Gesell-
schafter einer GmbH.540 Der Aufsichtsrat kann durch Beschluss eine Einwilligung
zu bestimmten Geschäften im Vorhinein erteilen.541
316 Bei Verstoß gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot steht der Gesellschaft
nach § 88 Abs. 2 S. 1 AktG ein Schadensersatzanspruch zu, welcher nach § 88 Abs. 3
AktG allerdings kurzen Verjährungsfristen unterliegt. So verjährt der Schadenser-
satzanspruch in drei Monaten seit dem Zeitpunkt, indem die übrigen Vorstandsmit-
glieder und die Aufsichtsratsmitglieder von der zum Schadensersatz verpflichtenden

538 Vgl. Klauselmuster zur Verschwiegenheitspflicht des GmbH-Geschäftsführers in 252 f. (Abs. 1


des Klauselmusters).
539 Vgl. Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 505.
540 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 93 ff.
541 Zur Nebentätigkeit des Vorstands Rn 321 f.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 523

Handlung Kenntnis erlangen oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssten. Ohne
Rücksicht auf die Kenntnisse der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder verjähren
die Ansprüche der Gesellschaft nach § 88 Abs. 3 S. 2 AktG spätestens in fünf Jahren
seit Entstehung des Anspruchs. Der Schadensersatzanspruch gibt der Gesellschaft die
Möglichkeit, den aus dem Geschäft erzielten Gewinn herauszuverlangen, § 88 Abs. 2
S. 2 AktG. Die Verpflichtung zur Fortzahlung der vereinbarten Bezüge wird durch den
Verstoß eines Vorstandsmitgliedes gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot dagegen
generell nicht berührt.542
Für ein Wettbewerbsverbot während der Dauer des Anstellungsvertrages emp- 317
fiehlt sich folgendes, der Klarstellung dienendes, Klauselmuster:

Klauselmuster
Wettbewerbsverbot
(1) Während der Dauer dieses Anstellungsvertrages gilt das Wettbewerbsverbot des § 88 AktG.
(2) …543
(3) Das Wettbewerbsverbot umfasst nicht den Erwerb börsennotierter Aktien, Options- oder Wandel-
anleihen, soweit der Erwerb nicht mehr als 1 % des Kapitals der betreffenden Unternehmen über-
steigt.544
(4) Bestehen Zweifel über den Umfang des Wettbewerbsverbots, so hat das Vorstandsmitglied mit
dem Aufsichtsrat eine schriftliche Klärung herbeizuführen.545

c) T
 reuepflicht
Aus der organschaftlichen Treuepflicht folgt, dass sich der Vorstand als Treuhän- 318
der des ihm anvertrauten Vermögens und Geschäftsbereichs der Aktiengesellschaft546
bei der ihm durch das Gesetz (§ 76 Abs. 1 AktG) zugewiesenen Geschäftsleitungsauf-
gabe am Wohl der Aktiengesellschaft orientiert und nicht eigene wirtschaftliche
Nutzen verfolgt.547 In diesem Sinne ist er bei der Wahrnehmung der Aufgaben in
seinem Geschäftsbereich dazu verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit zu achten und Gesellschaftsressourcen nicht zu verschwenden.548
Neben dem gesetzlich konkretisierten Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG als 319
Ausfluss der organschaftlichen Treuepflicht, ist jedes Vorstandsmitglied zur absolu-
ten und unabdingbaren Loyalität gegenüber der Aktiengesellschaft verpflichtet. Zur

542 BGH, Urt. v. 19.10.1987 – II ZR 97/87 – AG 1988, 75 (für GmbH-Geschäftsführer).


543 Entsprechend dem Klauselmuster zum vertraglichen Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäfts-
führers in Rn 171 ff.
544 Vgl. Haas/Ohlendorf, S. 141, 144.
545 Vgl. Haas/Ohlendorf, S. 142, 145.
546 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 93 Rn 4.
547 MüKo AktG/Spindler, § 84 Rn 107; zur organschaftlichen Treuepflicht der Geschäftsleiter im Akti-
en- und GmbH-Recht, Fleischer, WM 2003, 1045.
548 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 93 Rn 8.

Reiserer/Polczynski
524 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Loyalitätspflicht zählt auch, dass der Vorstand (öffentliche) missbilligende Äußerun-


gen über die Aktiengesellschaft, andere Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder oder
Mitarbeiter zu unterlassen hat.549
320 Zur Treuepflicht des Vorstands gehört ferner das Verbot, Geschäftschancen der
Aktiengesellschaft selbst oder durch Angehörige oder Gesellschaften, an denen sie
oder Angehörige beteiligt sind, wahrzunehmen sowie gesellschaftliche Ressour-
cen oder Dienste im eigenen privaten Interesse zu nutzen, ohne dafür eine konkrete
Gegenleistung zu erbringen.550

d) Nebentätigkeit
321 Eine Nebentätigkeit des Vorstandsmitglieds stellt stets einen Eingriff in die absolute
und unabdingbare Loyalitätspflicht gegenüber der Aktiengesellschaft dar.551 Die
Wahrnehmung bedarf deshalb einer ausdrücklichen Einwilligung, d. h. der vorhe-
rigen Zustimmung nach § 183 BGB, des Aufsichtsrates, etwa in Form einer geson-
derten Nebentätigkeitsvereinbarung, die jedoch auch Teil des Vorstands-Anstellungs-
vertrages sein kann.552 Eine entsprechende Bestimmung enthält Ziff. 4.3.4 des DCGK,
wonach Vorstandsmitglieder Nebentätigkeiten, insbesondere Aufsichtsratsmandate
außerhalb des Unternehmens, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen
sollen. Eine generelle Einwilligung ohne Konkretisierung auf die bestimmte Art des
Geschäftes ist unwirksam (§ 88 Abs. 1 Satz 3 AktG). Eine nachträgliche Genehmigung
durch den Aufsichtsrat ist dagegen bedeutungslos, da dieser nach § 93 Abs. 4 Satz 2
AktG nicht über die nach § 88 Abs. 2 Satz 1 AktG entstandenen Schadensersatzansprü-
che der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied verfügen kann.553
322 Zur Regelung des Nebentätigkeitsverbots des Vorstands kann das Klauselmus-
ter aus dem Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers entsprechend herange-
zogen werden.554

5. Kündigung des Anstellungsverhältnisses


a) Zuständigkeit
323 Da der AG-Vorstand einerseits aufgrund seiner Bestellung Vertretungsorgan der
Aktiengesellschaft ist, andererseits aber auf Grundlage eines Anstellungsvertra-

549 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 93 Rn 5.
550 Zur entsprechenden Pflicht des GmbH-Geschäftsführers Rn 165 ff.; siehe auch Hümmerich/Boe-
cken/Düwell/Pusch, § 93 Rn 6 f.
551 Zur Loyalitätspflicht Rn 319.
552 Hümmerich/Boecken/Düwell/Pusch, § 93 Rn 5.
553 KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 88 Rn 17; MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 93 ff.
554 Entsprechend dem Klauselmuster zum Nebentätigkeitsverbot des GmbH-Geschäftsführers in
Rn 175 f.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 525

ges in einem Dienstverhältnis mit der Gesellschaft steht (sog. Doppelstellung des
Vorstands)555, führt ein Widerruf seiner Bestellung, der wegen § 84 Abs. 3 S. 1 AktG nur
aus wichtigem Grund erfolgen darf, nicht zwangsläufig auch zum Ende des Anstel-
lungsvertrages.556 Der Vergütungsanspruch aus dem Anstellungsvertrag besteht
somit auch nach Widerruf der Bestellung oder Amtsniederlegung grundsätzlich fort,
solange der Anstellungsvertrag nicht – zumindest konkludent – gekündigt wird.557
Zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten sollte der Beschluss des Aufsichts-
rates daher nicht nur den Widerruf der Bestellung, sondern auch die Kündigung
des Anstellungsvertrages umfassen. Wenn sich der Beschluss des Aufsichtsrates
nur auf den Widerruf der Bestellung bezieht, kann allerdings durch Auslegung ermit-
telt werden, dass die gesamte Rechtsbeziehung zu dem Vorstandsmitglied beendet
werden soll.558
Der Ausspruch der Kündigung obliegt wie der entsprechende Beschluss dem 324
Aufsichtsrat, kann aber einem seiner Mitglieder, einem anderen Vorstand oder
einem (Personal-)Ausschuss übertragen werden.559 Dabei ist allerdings zu beach-
ten, dass der Personalausschuss erst kündigen darf, wenn der Aufsichtsrat über den
Widerruf der Bestellung durch Beschluss entschieden hat.560 Eines besonderen Aus-
spruchs der Kündigung bedarf es nicht, wenn der zu Kündigende bei der Beschluss-
fassung anwesend ist.561

555 Vgl. Rn 54.


556 Vgl. auch Rn 351 ff. zur Abberufung und Kündigung von Vorstandsmitgliedern vgl. Grumann/
Gillmann, DB 2003, 770; Janzen, NZG 2003, 468; zur anwaltlichen Vertretung von Vorständen bei Ab-
berufung und Kündigung vgl. Reiserer/Peters, DB 2008, 167; zur Möglichkeit des Einsatzes von Koppe-
lungsklauseln vgl. Rn 289 und Rn 238 ff. (zu Koppelungsklauseln für GmbH-Geschäftsführer).
557 BGH, Urt. v. 23.10.1995 – II ZR 130/94 – NJW-RR 1996, 156 (für GmbH-Geschäftsführer); m. Anm.
v. Seitz, WiB 1996, 117 vgl. Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 66.
558 Vgl. BGH, Urt. v. 11.5.1981 – II ZR 126/80 – WM 1981, 759; BGH, Urt. v. 29.3.1973 – II ZR 20/71 – WM
1973, 639 (bei Genossenschaft); KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 106; dies gilt trotz des allge-
meinen Grundsatzes, dass Aufsichtsratsbeschlüsse ausdrücklich ergehen müssen.
559 Arg.: Delegationsverbot in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG verweist nicht auf § 84 Abs. 3 S. 5 AktG, vgl. Hüf-
fer/Koch, AktG, § 84 AktG Rn 48; Haas/Ohlendorf, S. 18; BGH, Urt. v. 24.2.1954 – II ZR 63/53 – BGHZ 12,
327; BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 239/06 – AG 2008, 894; Janzen, NZG 2003, 468, 472 f.
560 BGH, Urt. v. 14.11.1983 – II ZR 33/83 – BB 1984, 9 (für Aufsichtsratsmitglied einer GmbH); m.
Anm. v. Oldenburg, DB 1984, 1813; BGH, Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 102/81 – NJW 1982, 1528; BGH, Urt. v.
24.11.1980 – II ZR 182/79 – WM 1981, 30; BGH, Urt. v. 21.9.1981 – II ZR 104/80 – WM 1981, 1200; vgl. auch
Janzen, NZG 2003, 468, 472; Haas/Ohlendorf, S. 18 m. w. N.
561 BGH, Urt. v. 22.9.1969 – II ZR 144/68 – WM 1969, 1280 (für GmbH-Geschäftsführer vor Geltung des
§ 623 BGB).

Reiserer/Polczynski
526 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

b) O rdentliche Kündigung
aa) Vorheriger Widerruf der Bestellung
325 Wegen der Vorgaben des Gesetzgebers nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG ist die ordentliche
Kündigung des Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft regelmäßig nur zuläs-
sig, wenn zuvor oder gleichzeitig die Bestellung als Organ der Gesellschaft (aus
wichtigem Grund) widerrufen wird.562 Dieser Grundsatz gilt auch, wenn in befriste-
ten Anstellungsverträgen das Recht zur ordentlichen Kündigung vertraglich begrün-
det wird oder, wenn die Kündigung bereits vor Amtsbeginn ausgesprochen werden
soll.563
326 Zulässig ist es, dem Vorstandsmitglied im Anstellungsvertrag ein ordentliches
Kündigungsrecht unabhängig von dem Widerruf der Bestellung einzuräumen.564

bb) Kündigungsfrist
327 In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Geschäftsführer565 gelten
für die ordentliche Kündigung des Vorstands-Anstellungsvertrages, soweit ein
ordentliches Kündigungsrecht vereinbart wurde, die Kündigungsfristen in § 622 BGB
entsprechend.566

cc) Klauselmuster zur ordentlichen Kündigung


(1) Ausschluss der ordentlichen Kündigung
328 Dem in der Praxis überwiegend anzutreffenden Fall entspricht ein ausdrücklicher
oder, falls eine entsprechende Regelung nicht in den Anstellungsvertrag aufgenom-
men wurde, zumindest konkludenter Ausschluss der ordentlichen Kündigung des
Anstellungsverhältnisses für die Dauer der Organstellung. Die Parteien wollen in der
Regel an der festen Vertragslaufzeit für die Dauer der Bestellung festhalten. Liegt ein
wichtiger Grund vor, der den Aufsichtsrat gem. § 84 Abs. 3 AktG zum Widerruf der
Organstellung des Vorstandsmitglieds berechtigt, so stellt dieser oft, wenn auch nicht
zwingend, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungs-
vertrages nach § 626 BGB dar.

562 Str., vgl. Haas/Ohlendorf, S. 19; Lücke/Schaub/Lücke, § 2 Rn 270. Zur Wirksamkeit einer Vereinba-
rung im Anstellungsvertrag über die Weiterführung des Anstellungsverhältnisses als Arbeitsverhält-
nis nach Beendigung der Organstellung vgl. BAG, Urt. v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08 – NZA 2009, 1205
m. Anm. v. Barth, BB 2010, 128.
563 MünchGesR IV/Wiesner, § 21 Rn 84; Krieger, S. 181 f.; zu Kündigungsklauseln in Vorstandsverträ-
gen Steinbeck/Menke, DStR 2003, 940; Grobys/Littger, BB 2002, 2292.
564 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 21; Haas/Ohlendorf, S. 18 f.
565 Vgl. Rn 181 ff.
566 Haas/Ohlendorf, S. 19, 164 m. w. N.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 527

Zur Regelung eines Ausschlusses der ordentlichen Kündigung während der Dauer 329
der Organstellung kann folgendes Klauselmuster empfohlen werden:

Klauselmuster
Kündigung
Während der Laufzeit des Anstellungsvertrages ist die ordentliche Kündigung des Vertrages ausge-
schlossen. Hiervon unberührt bleibt das Recht jeder Vertragspartei zur außerordentlichen Kündigung
dieses Vertrages.

(2) Beidseitige ordentliche Kündigung


Besteht zwischen den Parteien ausnahmsweise doch ein Interesse hinsichtlich der 330
Regelung einer ordentlichen beidseitigen Kündigungsmöglichkeit, ist dies zwar
grundsätzlich möglich – jedoch nur zulässig, wenn zuvor oder gleichzeitig die Bestel-
lung zum Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft widerrufen wird.567 Vor Abberu-
fung oder sonstigen Beendigung der Organstellung wäre eine ordentliche Kündigung
des Anstellungsvertrages nicht mit der von § 84 Abs. 3 S. 1 AktG geschützte Unabhän-
gigkeit des Vorstands zu vereinbaren. Nach dieser Regelung kann der Aufsichtsrat
das Vorstandsamt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen. Dieser
Grundsatz würde unterlaufen werden, wenn der Aufsichtsrat durch eine ordentliche
Kündigung des Anstellungsvertrages die wirtschaftliche Grundlage der Vorstandstä-
tigkeit entziehen könnte.568 Eine beidseitige Kündigungsmöglichkeit kann somit wie
folgt ausgestaltet werden:

Klauselmuster
Kündigung
Der Anstellungsvertrag kann von beiden Vertragsparteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von
[Anzahl] Monaten zum Ende eines Monats ordentlich gekündigt werden. Das Kündigungsrecht der
Gesellschaft setzt voraus, dass die Bestellung zum Mitglied des Vorstandes zuvor oder gleichzeitig
widerrufen wird. Das Kündigungsrecht des Vorstandsmitglieds setzt voraus, dass das Vorstandsmit-
glied zum Beendigungszeitpunkt des Anstellungsverhältnisses gleichzeitig sein Amt als Mitglied des
Vorstands der Aktiengesellschaft niederlegt.

(3) Einseitige ordentliche Kündigung durch die Aktiengesellschaft


Entsprechend der Regelung in § 622 Abs. 6 BGB ist eine einseitige ordentliche Kündi- 331
gungsmöglichkeit der Aktiengesellschaft nicht zulässig. Hiernach gilt der Grundsatz,

567 BGH, Urt. v. 16.12.1953 – II ZR 41/53; s. auch MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 120; Moll/Moll/
Eckhoff, § 81 Rn 68.
568 Schüppen/Schaub/Schüppen/Schaub, § 22 Rn 155; MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 120.

Reiserer/Polczynski
528 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

wonach für die Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstberechtigten


keine günstigeren Regeln gelten dürfen als für die Kündigung durch den Dienstver-
pflichteten.569

(4) Einseitige ordentliche Kündigung durch das Vorstandsmitglied


332 Möglich ist jedoch die Vereinbarung eines einseitigen ordentlichen Kündigungsrechts
für das Vorstandsmitglied bei gleichzeitiger Amtsniederlegung. Die einseitige Nieder-
legung seines Amtes kann das Vorstandsmitglied grundsätzlich jederzeit durch eine
formlose Erklärung gegenüber dem Aufsichtsrat vornehmen.570 Richtigerweise bedarf
es hierzu keines wichtigen Grundes, da es einen Zwang zur Amtsführung nicht gibt.571
Die Grenze des Rechtsmissbrauchs ist aber überschritten, wenn der Vorstand sein
Amt zur Unzeit niederlegt und die Aktiengesellschaft hierdurch handlungsunfähig
wird.572
333 Räumt der Aufsichtsrat dem Vorstand ein einseitiges ordentliches Kündigungs-
recht ein, so sollte er darauf achten, die Kündigungsfrist nicht zu kurz zu bemes-
sen. Hierdurch verbleibt der Aktiengesellschaft ausreichend Zeit für die Suche eines
geeigneten Nachfolgers.573
334 Folgendes Klauselmuster kann hierfür empfohlen werden:

Klauselmuster
Kündigung
Der Anstellungsvertrag kann von dem Vorstandsmitglied unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von
[Anzahl] Monaten zum Ende eines Monats ordentlich gekündigt werden. Das Kündigungsrecht setzt
voraus, dass das Vorstandsmitglied zum Beendigungszeitpunkt des Anstellungsverhältnisses gleich-
zeitig sein Amt als Mitglied des Vorstands der Aktiengesellschaft niederlegt.

c) A
 ußerordentliche Kündigung
335 Die außerordentliche Kündigung des Vorstandmitglieds richtet sich ausschließlich
nach § 626 BGB. Das Kündigungsrecht darf weder ausgeschlossen noch auf bestimmte
Gründe beschränkt oder durch die Vereinbarung einer Abfindungszahlung für den Fall

569 Vgl. Haas/Ohlendorf, S. 163.


570 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 61.
571 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 61; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 45.
572 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 15.6.1999 – 3Z BR 35/99 – NJW-RR 2000, 179; KG Berlin, Beschl. v.
1.11.2000 – 23 W 3250/00 – GmbHR 2001, 147; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2000 – 3 Wx 393/00 –
FGPrax 2001, 82 ( jeweils zum GmbH-Geschäftsführer).
573 Haas/Ohlendorf, S. 164.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 529

der Kündigung des Anstellungsvertrages aus wichtigem Grund erschwert werden.574


Entsprechende Klauseln sind gemäß §§ 626 Abs. 1, 134 BGB nichtig.575

aa) Wichtiger Grund


Der Anstellungsvertrag kann von beiden Vertragsparteien unter Beachtung der 336
Bestimmung des § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden. Ein wichtiger
Grund ist nur dann zu bejahen, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer für eine
Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter
Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Anstellungsvertrages bis
zu seiner ordentlichen Beendigung nicht zumutbar ist.
Die Beweislast für die Tatsachen, die den wichtigen Grund tragen, trägt die 337
Aktiengesellschaft. Beruft sich das Vorstandsmitglied auf Umstände, die sein Ver-
halten rechtfertigen sollen, hat die Gesellschaft diese zu widerlegen und hierfür den
Beweis zu führen.576 Die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 S. 2 AktG findet bei einer
außerordentlichen Kündigung aufgrund schuldhafter Pflichtverletzung keine ent-
sprechende Anwendung.577
Ein wichtiger Grund, der nach § 84 Abs. 3 S. 1 AktG den Widerruf der Bestellung 338
rechtfertigt, reicht regelmäßig noch nicht zur Kündigung des Anstellungsvertrages
nach § 626 BGB.578 Allerdings können die Vertragsparteien bei Abschluss des Anstel-
lungsvertrages einvernehmlich außerordentliche Kündigungsgründe vertrag-
lich vereinbaren, die dann eine außerordentliche Kündigung – allerdings unter
Beachtung der gesetzlich zwingenden Fristen nach § 622 BGB – rechtfertigen. Ferner
ist es zulässig, den Anstellungsvertrag durch eine Gleichlaufklausel (oder auch
Koppelungsklausel)579 mit der Organbestellung bzw. dem Widerruf der Bestellung
in der Form zu verknüpfen, dass im Fall des Widerrufs der Bestellung auch der Anstel-
lungsvertrag automatisch endet. Auch in diesem Fall führt die Gleichlaufklausel aller-
dings nur zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungs-
fristen nach § 622 BGB.580

574 BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 282/98 – NJW 2000, 2983 (zum GmbH-Geschäftsführer); Moll/Moll/
Eckhoff, § 81 Rn 65.
575 Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 51.
576 OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06 – AG 2007, 361.
577 OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06 – AG 2007, 361.
578 Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 66.
579 Vgl. Rn 289 und Rn 238 ff. (zum GmbH-Geschäftsführer).
580 Ausführlich zu den Regelungskompetenzen der Vertragsparteien im Zusammenhang mit der
außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB und den entsprechenden Nachweisen aus der Rspr.
siehe die gleichlaufenden Ausführungen mit Klauselmuster zum GmbH-Geschäftsführer in Rn 205 f.;
Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 66; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 52.

Reiserer/Polczynski
530 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

339 Wenn die Gesellschaft den Anstellungsvertrag unter Missachtung der Vorgaben
des § 626 BGB unberechtigterweise gekündigt hat, bleibt der Vergütungsanspruch
des Vorstandsmitgliedes bestehen. In diesem Fall ist das Gehalt gem. § 615 S. 1 BGB
aus Annahmeverzug fortzuzahlen, wobei für die Begründung des Annahmeverzuges
gem. § 295 BGB ein wörtliches Angebot des gekündigten Vorstandsmitgliedes genügt,
insbesondere, wenn die Gesellschaft trotz des Streits über die Wirksamkeit der Kün-
digung bereits einen anderen Vorstand bestellt hat.581 Ein solches wörtliches Angebot
kann nach der Rechtsprechung auch in der Klage auf Gehaltsfortzahlung gesehen
werden.582
340 Wichtige, von der Rechtsprechung anerkannte Gründe zur außerordentli-
chen Kündigung sind:

Beispiel
– Unberechtigte Amtsniederlegung;583
– Aufstellung irreführender oder gar falscher Bilanzen und voreilige Ausschüttung einer garantier-
ten Dividende vor Deckungseingang;584
– Überschreitung einer Kreditlinie;585
– Eingehen risikoreicher Rechtsgeschäfte ohne tragfähigen Grund;586
– Verbotener Wettbewerb und Inanspruchnahme von Betriebsmitteln oder Geschäftspersonal für
persönliche Zwecke;587
– Erstattenlassen privater Ausgaben auf Kosten der Aktiengesellschaft oder Buchung privater Aus-
gaben auf Geschäftskonten der Aktiengesellschaft;588
– Bilanz- und Warenlagermanipulation;589
– Mangelnde Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat;590
– Wirtschaftlicher Niedergang des Betriebs mit Fehlen einer sinnvollen Beschäftigungsmöglich‑
keit;591

581 BGH, Urt. v. 28.10.1996 – II ZR 14/96 –, NJW-RR 1997, 537 (für GmbH-Geschäftsführer).
582 BGH, Urt. v. 28.10.1996 – II ZR 14/96 – NJW-RR 1997, 537 (für GmbH-Geschäftsführer).
583 OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03 – NZG 2004, 475 (für GmbH-Geschäftsführer); OLG Celle,
Urt. v. 31.8.1994 – 9 U 118/93 – GmbHR 1995, 728 (für GmbH-Geschäftsführer); Moll/Moll/Eckhoff, § 81
Rn 66; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 44 f., 52.
584 BGH, Urt. v. 21.9.1970 – II ZR 13/69 – WM 1970, 1394.
585 BGH, Urt. v. 3.12.1973 – II ZR 85/70 – WM 1974, 131 (für Geschäftsführer einer eG); vgl. OLG Olden-
burg, Urt. v. 28.6.2001 – 1 U 132/00 – n. v. (für Vorstand einer Genossenschaft).
586 LG Duisburg, Urt. v. 26.9.2013 – 21 O 130/11 – Der Konzern 2014, 40.
587 BGH, Beschl. v. 19.6.1995 – II ZR 228/94 – DStR 1995, 1359 m. Anm. v.Goette; OLG Düsseldorf, Urt.
v. 24.2.2012 – I-16 U 177/10 – AG 2012, 511.
588 LG München, Urt. v. 19.2.2015 – 5 HKO 830/13 – ZIP 2015, 1537.
589 OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.2.1991 – 16 U 130/90 – WM 1992, 14 (für GmbH-Geschäftsführer).
590 OLG München, 14.3.2012 – 7 U 681/11 – AG 2012, 753; BGH, Beschl. v. 19.6.1995 – II ZR 228/94 –
DStR 1995, 1359 m. Anm. v. Goette; BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55 – WM 1956, 631; vgl. auch OLG
Oldenburg, Urt. v. 28.6.2001 – 1 U 132/00 – n. v. (für Vorstand einer Genossenschaft).
591 BGH, Urt. v. 21.4.1975 – II ZR 2/73 – WM 1975, 761 (für GmbH-Geschäftsführer); vgl. aber auch BGH,
Urt. v. 7.10.2004 – I ZR 18/02 – ZIP 2005, 534.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 531

– Weigerung des aus der Organstellung Ausgeschiedenen, bei längerer Vertragsdauer seine Tätig-
keit als Vertretungsorgan nach Wegfall von Hinderungsgründen wiederaufzunehmen oder unter
zumutbaren anderen Bedingungen weiterzuarbeiten oder beharrliches Unterlassen von Bemü-
hungen um eine Neueinstellung;592
– Verdacht einer Verfehlung, wenn wegen des darauf beruhenden Vertrauensverlustes eine Fort-
setzung des Dienstverhältnisses für die Gesellschaft unzumutbar ist;593
– Schaffung der Voraussetzungen einer Schmiergeldzahlung und Manipulation von Buchhaltungs-
unterlagen zugunsten des Vorstandsmitglieds sowie Annahme von Schmiergeldern;594
– Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach andauernder, erheblicher privater Verschul-
dung des Vorstandsmitglieds und vergeblicher Versuche einer Konsolidierung;595
– Der Formwechsel gem. §§ 190 ff. UmwG sowie die Verschmelzung stellen für die Gesellschaft
regelmäßig keinen wichtigen Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrages des Vorstands-
mitgliedes dar.596

Keine Voraussetzung der außerordentlichen Kündigung ist die vorherige Abmah- 341
nung.597 Ebenso bedarf es vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung keiner
vorherigen Anhörung des Vorstandmitglieds, es sei denn die Kündigung soll auf
einen bloßen Verdacht gestützt werden.598

bb) Kündigungserklärungsfrist
Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages 342
nur innerhalb einer Kündigungserklärungsfrist von zwei Wochen seit Kenntnis
vom wichtigen Grund erfolgen. Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit der Information
sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollek-
tiven Willensbildung bzw., wenn die Entscheidung über die Kündigung einem Aus-
schuss übertragen wurde, mit der Information dessen Mitglieder.599 Weder genügt die

592 BGH, Urt. v. 9.2.1978 – II ZR 189/76 – WM 1978, 319 (für GmbH-Geschäftsführer); BGH, Urt. v.
14.7.1966 – II ZR 212/64 – WM 1966, 968.
593 BGH, Urt. v. 13.7.1956 – VI ZR 88/55 – LM Nr. 8 zu § 626 BGB.
594 OLG München, Urt. v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06 – AG 2007, 361.
595 OLG Köln, Urt. v. 20.9.2007 – 18 U 248/05 – n. v.
596 KölnKomm/Zöllner, § 365 AktG Rn 6, § 372 AktG Rn 6; a. A. Schmidt/Lutter/Decher, AktG, § 202
Rn 14; zu weiteren Beispielen, in denen ein wichtiger Grund zur Kündigung anerkannt oder nicht
anerkannt wurde, vgl. die gleichlaufenden Entscheidungen der Gerichte zum GmbH-Geschäftsführer,
Rn 203 f.
597 BGH, Urt. v. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – NZG 2002, 46; BGH. Urt. v. 14.2.2000 – II ZR 218/98 – NZG
2000, 546 (jeweils für GmbH-Geschäftsführer); BGH, Beschl. v. 2.7.2007 – II ZR 71/06 – NZG 2007, 674;
kritisch zur grundsätzlichen Entbehrlichkeit der Abmahnung bei der außerordentlichen Kündigung
von Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft nach der Schuldrechtsmodernisierung, Koch, ZIP
2005, 1621.
598 OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07 – AG 2008, 166; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 66.
599 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96 – ZIP 1998, 1269; Anschluss: OLG München, Urt. v. 25.3.2009 –
7 U 4835/08 – NZG 2009, 665; BGH, Urt. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – NJW-RR 2002, 173 (jeweils für GmbH-

Reiserer/Polczynski
532 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

außerhalb einer Aufsichtsratssitzung erlangte Kenntnis600, noch die Kenntnis eines


anderen Gesellschaftsorganes, welches nicht zur Kündigung des Anstellungsvertra-
ges berechtigt ist, oder gar einzelner seiner Mitglieder, also beispielsweise einzelner
Vorstandsmitglieder.601 Soweit jedoch ein einberufungsberechtigtes Mitglied Kennt-
nis erlangt, darf es die Einberufung des Aufsichtsrats nicht unangemessen verzögern.
Ansonsten muss sich die Gesellschaft so behandeln lassen, als wäre die Aufsichts-
ratssitzung mit der billigerweise zumutbaren Beschleunigung einberufen worden.602

d) Freistellung
aa) Einseitige Freistellung
343 Im Anstellungsvertrag wird der Aktiengesellschaft i. d. R. die Möglichkeit zur einsei-
tigen Freistellung des Vorstandsmitglieds nach erfolgtem Widerruf der Bestellung
eingeräumt. Hiergegen bestehen keine Bedenken.
344 Problematisch ist dagegen die Vereinbarung einer Freistellungsbefugnis im
Vorfeld eines (beabsichtigten) Widerrufs der Bestellung, die auch als Suspendierung
oder Beurlaubung bezeichnet wird. Eine gesetzliche Regelung hierzu gibt es nicht.
Dennoch besteht hierfür jedenfalls dann ein praktisches Bedürfnis, wenn der Ver-
dacht eines wichtigen Grundes für eine Abberufung vorliegt und die Freistellung zum
Zwecke der ungehinderten Erforschung des Sachverhalts vorübergehend erfolgt.603
Die Einzelheiten zu dieser einseitigen Freistellung ohne vorherigen Widerruf der
Bestellung sind in Rechtsprechung und Literatur umstritten604
345 Für die Entscheidung über eine einseitige Freistellung des Vorstandsmitglieds
ist der Aufsichtsrat zuständig. Die Entscheidung kann entsprechend der Regelung
in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG nicht auf einen Personalausschuss übertragen werden.605

Geschäftsführer); vgl. Janzen, NZG 2003, 468; MüKo BGB/Henssler, § 626 Rn 303; zu Fristproblemen
bei der außerordentlichen Kündigung von Vorstandsmitgliedern Schumacher-Mohr, ZIP 2002, 2245.
600 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96 – ZIP 1998, 1269; Anschluss: OLG München, Urt. v. 25.3.2009 –
7 U 4835/08 – NZG 2009, 665.
601 BGH, Urt. v. 15.6.1998 – II ZR 318/96 – ZIP 1998, 1269; Anschluss: OLG München, Urt. v. 25.3.2009 –
7 U 4835/08 – NZG 2009, 665; BGH, Urt. 10.9.2001 – II ZR 14/00 – NJW-RR 2002, 173 (jeweils für GmbH-
Geschäftsführer); BGH, Urt. v. 26.2.1996 – II ZR 114/95 – NJW 1996, 1403; BGH, Urt. v. 9.11.1992 – II ZR
234/91 – NJW 1993, 463; OLG Köln, Urt. v. 26.11.1993 – 19 U 93/93 – DB 1994, 471 (für Geschäftsführer
einer eG); KölnKomm/Mertens/Cahn, § 84 Rn 175 ff.; MüHB-GesR IV/Wiesner, § 21 Rn 80; vgl. im Üb-
rigen die gleichlaufenden ausführlichen Ausführungen zum GmbH-Geschäftsführer oben Rn 211 ff.
602 OLG München, Urt. v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04 – AG 2005, 776 zur Kenntnis des Aufsichtsratsvor-
sitzenden.
603 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 20 Rn. 73.
604 LG München I, Beschl. v. 27.6.1985 – 5 HKO 9397/85 – AG 1986, 142; OLG München, Urt. v.
17.09.1985 – 7 W 1933/85 – AG 1986, 234; KG Berlin, Urt. v. 8.7.1983 – 14 U 256/83 – AG 1984, 24; vgl.
auch MüHB-GesR IV/Wiesner, § 20 Rn 73; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 63; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 43.
605 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 20 Rn 75.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 533

Die Aktiengesellschaft hat zudem den vorläufigen Charakter der Suspendierung zu


beachten. Eine zeitlich nicht angemessene oder nicht erforderliche Suspendierung
des Vorstandsmitglieds ist aufgrund der Unabhängigkeit des Vorstands unwirksam,
mit der Folge, dass das Vorstandmitglied den auferlegten Beschränkungen seiner
Befugnisse nicht mehr unterliegt. Insofern empfiehlt sich der Rechtssicherheit wegen
lediglich der Ausspruch einer zeitlich befristeten Suspendierung.606

bb) Einvernehmliche Freistellung


Ist das Vorstandsmitglied absehbar für eine längere Zeit zwingend daran gehin- 346
dert, seine organschaftlichen Pflichten auszuüben, etwa wegen einer schwerwie-
genden Erkrankung, ist seine einvernehmliche Freistellung grundsätzlich jeder-
zeit möglich. Dadurch wird das Vorstandsmitglied für einen befristeten Zeitraum
von seiner Geschäftsführungs- und Vertretungspflicht entbunden, ohne dass er aus
seinem Amt als Mitglied des Vorstandes ausscheiden muss. Voraussetzung hierfür ist,
dass seine Organmitgliedschaft auch während der Zeit der Freistellung im Interesse
der Aktiengesellschaft liegt.607

6. Beendigung des Anstellungsverhältnisses


a) Beendigungsgründe
aa) Tod des Vorstandmitglieds
Verstirbt das Vorstandsmitglied während der Laufzeit des Anstellungsverhältnis- 347
ses ist, wie auch beim GmbH-Geschäftsführer, eine Regelung hinsichtlich der Fort-
zahlung seiner Bezüge an unterhaltsberechtigte Familienangehörige in der Praxis
üblich. Die Ausführungen sowie das Klauselmuster zur Regelung der Fortzahlung
der Bezüge im Todesfall des GmbH-Geschäftsführers gelten für den AG-Vorstands-
Vertrag entsprechend.608

bb) Zeitablauf/Vertragsdauer
Der Anstellungsvertrag endet grundsätzlich nach dem Ablauf von fünf Jahren. Paral- 348
lel zur in § 84 Abs. 1 S. 1 AktG geregelten Höchstdauer der Bestellung zum Mitglied des
Vorstand von fünf Jahren beträgt auch die gesetzliche Höchstdauer für den Anstel-
lungsvertrag nach § 84 Abs. 1 S. 5 i. V. m. S. 1 AktG fünf Jahre.609 Eine Mindestdauer
des Anstellungsvertrages sieht das Gesetz nicht vor. Die Parteien können Verlänge-

606 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 20 Rn 74.


607 MüHB-GesR IV/Wiesner, § 20 Rn 77.
608 Vgl. Rn 219 f.
609 Siehe Rn 285; Haas/Ohlendorf, S. 16; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 20; Moll/Moll/Eckhoff, § 81 Rn 25.

Reiserer/Polczynski
534 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

rungsklauseln oder – jeweils für die Dauer einer Wiederbestellung zum Mitglied des
Vorstands – Koppelungsklauseln vereinbaren.610

cc) Vertragsaufhebung/Abfindungsvereinbarung
349 Der Anstellungsvertrag kann jederzeit durch einvernehmliche Vereinbarung zwi-
schen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied aufgehoben werden. Der Aufhe-
bungsvertrag kann auf Seiten der Gesellschaft vom Personalausschuss abgeschlos-
sen werden. Allerdings ist wie bei der Kündigung611 durch die Aktiengesellschaft zu
beachten, dass der Personalausschuss durch den verfrühten Abschluss eines Auf-
hebungsvertrages der ihm nicht zustehenden Entscheidung über den Widerruf der
Bestellung nicht vorgreifen darf.612
350 Wird der Anstellungsvertrag durch Aufhebungsvertrag vorzeitig beendet, verein-
baren die Parteien häufig Abfindungszahlungen der Aktiengesellschaft an das Vor-
standsmitglied. Die Abfindungsabrede kann entweder im Rahmen der Aufhebungs-
vereinbarung oder bereits im Anstellungsvertrag getroffen werden.613

b) Keine Beendigungsgründe
aa) Abberufung/Amtsniederlegung des Vorstandsmitglieds
351 Die Abberufung des Vorstandsmitglieds regelt § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG. Anders als
beim GmbH-Geschäftsführer darf der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmit-
glied nur widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Entsprechend der in der
Literatur und Rechtsprechung vorherrschenden Trennungstheorie führt die Beendi-
gung der Organstellung nicht zwingend auch zur Beendigung des Anstellungsvertra-
ges.614 Vielmehr verweist § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG in Bezug auf den Anstellungsvertrag
auf die allgemeinen Vorschriften, mithin die §§ 611 ff. BGB. Dennoch kann auch im
Widerruf die schlüssige Erklärung einer außerordentlichen Kündigung des Anstel-
lungsvertrages liegen.615

610 Zur Vertragsdauer und Befristung des Anstellungsvertrag (mit Klauselmuster) sowie der Mög-
lichkeit des Einsatzes von Verlängerungs- und Koppelungsklauseln vgl. Rn 289 ff.
611 Vgl. Rn 323 f.
612 Vgl. Rn 263; BGH, Urt. v. 24.11.1980 – II ZR 182/79 – WM 1981, 30; ausführlich MüHB-GesR IV/
Wiesner, § 21 Rn 127; Bauer, DB 1992, 1413, 1415.
613 Vgl. Klauselmuster zum GmbH-Geschäftsführer, dass hier entsprechend herangezogen werden
kann Rn 229.
614 Zur Trennungstheorie statt Vieler vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 2, 32 m. w. N.
615 Vgl. Rn 323; BGH, Urt. v. 24.2.1954 – II ZR 88/53 – NJW 1954, 799; BGH, Urt. v. 26.10.1955 – VI ZR
90/54 – NJW 1955, 1917; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 32; zu den Voraussetzungen einer außerordentli-
chen Kündigung s. Rn 335 ff.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 535

Das Vorstandsmitglied kann seinerseits durch eine einseitige Erklärung gegen- 352
über der Aktiengesellschaft vertreten durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) sein Amt
als Organ der Aktiengesellschaft niederlegen.616 Ob für die Amtsniederlegung ein
wichtiger Grund erforderlich ist, ist umstritten, wird von der herrschenden Auffas-
sung jedoch abgelehnt, da das Vorstandmitglied zur Amtsführung sinnvollerweise
nicht gezwungen werden kann.617 Wie die Abberufung des Vorstandsmitglieds führt
auch dessen Amtsniederlegung nicht automatisch zu einer Beendigung des Anstel-
lungsvertrages (Trennungstheorie618). Möglich ist die Vereinbarung eines einseitigen
ordentlichen Kündigungsrechts des Vorstandsmitglieds bei gleichzeitiger Amtsnie-
derlegung.619 Eine unberechtigte Amtsniederlegung, etwa zur Unzeit620, kann aber
einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhält-
nisses darstellen.621

bb) Auflösung/Insolvenz der Aktiengesellschaft


Die Auflösung der Gesellschaft nach § 262 AktG führt ebenso wenig wie die Eröffnung 353
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft automatisch zur Been-
digung des Vorstandsvertrages.622
Im Fall der Insolvenz kann der Insolvenzverwalter das Anstellungsverhältnis 354
nach § 113 InsO, der nach § 87 Abs. 3 AktG auch für Vorstandsmitglieder gilt, kündi-
gen.623

cc) Eintritt eines gesetzlichen Unfähigkeitsgrundes


§ 76 Abs. 3 AktG enthält eine Aufzählung von Mindestanforderungen und Bestellungs- 355
hindernissen in Bezug auf das Amt des Vorstandsmitglieds. So kann nach § 76 Abs. 3
Satz 1 AktG Mitglied des Vorstands nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfä-
hige Person sein. Ein Bestellungshindernis liegt vor, wenn die als Vorstandmitglied in

616 Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 44.


617 Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 44.
618 Zur Trennungstheorie statt Vieler vgl. Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 2, 32 m. w. N.
619 Vgl. Rn 332 ff. mit Klauselmuster.
620 Vgl. BayObLG, Beschl. v. 15.6.1999 – 3Z BR 35/99 – NJW-RR 2000, 179; KG Berlin, Beschl. v.
1.11.2000 – 23 W 3250/00 – GmbHR 2001, 147; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2000 – 3 Wx 393/00 –
FGPrax 2001, 82 (zum GmbH-Geschäftsführer).
621 OLG Celle, Urt. v. 4.2.2004 – 9 U 203/03 – NZG 2004, 475 (für GmbH-Geschäftsführer); OLG Celle,
Urt. v. 31.8.1994 – 9 U 118/93 – GmbHR 1995, 728 (für GmbH-Geschäftsführer); Moll/Moll/Eckhoff, § 81
Rn 66; Hüffer/Koch, AktG, § 84 Rn 44 f., 52; zu den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündi-
gung s. Rn 335 ff.
622 OLG Nürnberg, Urt. v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89 – BB 1991, 1512.
623 BGH, Urt. v. 25.6.1979 – II ZR 219/78 – BB 1980, 66; (für GmbH-Geschäftsführer); OLG Nürnberg,
Urt. v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89 – BB 1991, 1512; KölnKomm/Mertens/Cahn, AktG, § 84 Rn 186.

Reiserer/Polczynski
536 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

Betracht kommenden Person als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensange-
legenheiten unter einem Einwilligungsvorbehalt steht (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AktG),
ein Gericht oder eine Behörde gegen sie ein den Unternehmensgegenstand betreffen-
des Berufs- oder Gewerbeverbot verhängt hat (§ 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AktG) oder sie
wegen vorsätzlicher Begehung einer der Katalogstraftaten verurteilt wurde (§ 76 Abs. 3
Satz 2 Nr. 3 AktG). Das Vorliegen eines der genannten Ausschlussgründe während
der Amtszeit des Vorstandsmitglieds beendet seine Bestellung, ohne dass es hierfür
einer ausdrücklichen Abberufung bedarf.624 Der Wegfall der Bestellung führt nicht
zwingend auch zu einer automatischen Beendigung des Anstellungsverhältnis-
ses. Anders verhält es sich nur, wenn das Bestehen des Anstellungsvertrags an die
Bestellung zum Vorstandsmitglied mittels einer Koppelungsklausel verbunden ist.

c) G
 esellschaftsrechtliche Veränderungen in der Aktiengesellschaft/
Betriebsübergang
356 Eine gesetzliche Regelung der Auswirkungen gesellschaftsrechtlicher Veränderun-
gen in der Aktiengesellschaft auf den Vorstandsanstellungsvertrag existiert nicht.
Ein Regelungsbedürfnis im Interesse beider Parteien – des Vorstandsmitglieds
und der Aktiengesellschaft – besteht jedoch insbesondere in den folgenden beiden
Konstellationen:625

Beispiel
– Die Aktiengesellschaft geht (z. B. durch Verschmelzung gem. §§ 2 ff. UmwG) in einem anderen
Rechtsträger auf.
– Gesellschaftsrechtlich betrachtet verliert die Aktiengesellschaft dadurch ihre Rechtspersönlich-
keit mit der Folge, dass auch die Organstellung des Vorstandsmitglieds dauerhaft entfällt.
– Denkbar ist aber auch die Situation, dass die Aktiengesellschaft ihr operatives Geschäft, entwe-
der ganz oder auch nur teilweise, auf einen anderen Rechtsträger verlagert.
– In dieser Konstellation besteht die Rechtspersönlichkeit der veräußernden Aktiengesellschaft
mitsamt den jeweiligen Organpositionen zwar fort. Allerdings reduziert sich mit dem Wegfall des
operativen Geschäfts der Aktiengesellschaft gleichzeitig auch das tatsächliche Aufgabengebiet
des Vorstandsmitglieds.

357 Eine unmittelbare Auswirkung auf den Anstellungsvertrag haben die genannten
gesellschaftsrechtlichen Veränderungen nicht. Insbesondere führen sie nicht zu
einer automatischen Beendigung des Anstellungsverhältnisses.626 Rechtsstreitigkei-
ten zwischen dem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft sind hier dennoch
nicht selten. Der Vorstand ist einerseits nicht dazu verpflichtet, Aufgaben und Tätig-

624 Spindler/Stilz/Fleischer, § 76 AktG Rn 140.


625 Siehe hierzu auch Haas/Ohlendorf, S. 174.
626 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 257 (zum GmbH-Geschäftsführer).

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 537

keiten unterhalb der Stellung als Vertretungsorgan der Gesellschaft zu übernehmen.


Andererseits hat er gegenüber der Gesellschaft auch keinen Anspruch auf Wiederbe-
stellung als Organ. Einem solchen Verlangen würde bereits die Kompetenzregelung
in § 84 Abs. 1 AktG entgegenstehen, wonach nur der Aufsichtsrat die Befugnis zur
Bestellung zum Mitglied des Vorstands innehält. Dem Vorstand steht in diesem Fall
ein außerordentliches Kündigungsrecht zu.627
Die Arbeitnehmerschutzvorschrift des § 613a BGB, die für den Fall des Über- 358
gangs eines Betriebs auf einen neuen Arbeitgeber das Schicksal der bestehenden
Arbeitsverhältnisse beim veräußernden Unternehmen regelt, findet nach nahezu
einhelliger Ansicht auf das Dienstverhältnis eines Organmitglieds und damit
auch für den AG-Vorstand keine Anwendung.628 Ein Recht zur außerordentlichen
Kündigung des neuen Rechtsträgers oder auch des Vorstandmitglieds besteht nicht
unbedingt, sondern bedarf einer Interessenabwägung im Einzelfall.629
Möglich und empfehlenswert ist daher zum einen eine Regelung der Vorge- 359
hensweise bei gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der Aktiengesellschaft
sowie die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts bezüglich des
Anstellungsverhältnisses. Dazu eignet sich folgendes Klauselmuster:

Klauselmuster
Vertragsdauer, Kündigung
(1) …630
(…) Erlischt bzw. entfällt das Amt des Vorstandsmitglieds als Vorstand aufgrund oder in Folge einer
Umwandlungs- und/oder Umstrukturierungsmaßnahme, hat die Aktiengesellschaft bzw. bei deren
rechtlichem Wegfall das aufnehmende Unternehmen das Wahlrecht, dem Vorstandsmitglied eine
Organstellung oder eine Leitungsposition zu vergleichbaren wirtschaftlichen Bedingungen bei einem
der beteiligten Unternehmen zuzuweisen oder diesen Anstellungsvertrag mit einer Frist von [Anzahl]
Monaten zum Monatsende zu kündigen. 631
Ergänzungsoption:
(…) Das Vorstandsmitglied ist in diesen Fällen berechtigt, diesen Anstellungsvertrag innerhalb von
[Anzahl] Wochen nach Zugang der Erklärung der Aktiengesellschaft mit einer Frist von [Anzahl]
Woche(n) zum Monatsende zu kündigen und als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes
eine Abfindung in Höhe von [Anzahl] % der durch die gegenüber dem Beendigungszeitpunkt gemäß
[§ …] vorfristigen Beendigung des Vorstandsanstellungsverhältnisses nicht mehr zur Entstehung und
Auszahlung gelangenden Entgelte zu verlangen. Eine solche vorfristige Beendigung liegt im Interesse

627 Grobys/Panzer/Kelber, Vorstand Rn 76.


628 BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01 – NJW 2003, 2473 m. Anm. v. Wank, EWiR 2003, 621; OLG
Hamm, Urt. v. 18.6.1990 – 8 U 146/89 – GmbHR 1991, 466 (jeweils zum GmbH-Geschäftsführer); Haas/
Ohlendorf, S. 174.
629 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rn 257 (zum GmbH-Geschäftsführer).
630 Regelungsmöglichkeiten zur Vertragsdauer in Rn 348, 289 ff. oder zur Kündigung des Anstel-
lungsvertrages in Rn 328 ff., 221 ff.
631 Nach Haas/Ohlendorf, S. 160.

Reiserer/Polczynski
538 Kapitel 11 Geschäftsführer- und Vorstandsverträge bei GmbH und AG

der Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat ist berechtigt, unter den Voraussetzungen des § 87 Abs. 2
AktG die Abfindung durch einseitige Erklärung herabzusetzen.632

7. N
 achvertragliche Pflichten
a) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
360 Das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 88 AktG endet mit der Beendigung der
Organstellung. Rechtsgrundlage für ein Wettbewerbsverbot nach diesem Zeitpunkt
kann nur die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes sein. Solche
nachvertraglichen Wettbewerbsverbote mit Vorstandsmitgliedern sind generell
zulässig. Obwohl die Schutzbestimmungen der §§ 74 ff. HGB hier nicht unmittelbar
Anwendung finden, sind nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes
die Wertmaßstäbe, die für Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern gelten, über § 138
BGB im Grundsatz auch bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Vorstands-
mitgliedern zu beachten. Dies gilt insbesondere für die Dauer des nachvertraglichen
Wettbewerbsverbotes.633

b) Verschwiegenheitspflicht/Pflicht zur Geheimhaltung von Betriebsgeheimnissen


361 Die gesetzlich in § 93 Abs. 1 S. 3 AktG normierte Verschwiegenheitspflicht634 des Vor-
standsmitglieds gilt nach dem Ende seiner Organstellung bzw. nach Beendigung des
Anstellungsvertrags fort.635

8. Schlussbestimmungen
a) Rückgabe von Arbeitsmitteln/Rückzahlung von Vorschüssen und Darlehen
362 Wie der GmbH-Geschäftsführer ist auch das AG-Vorstandsmitglied nach Beendigung
seines Anstellungsverhältnisses verpflichtet, Unterlagen und Arbeitsmittel, wie
bspw. Akten, Geschäfts-Laptop, etc, die im Eigentum der Aktiengesellschaft stehen,

632 Nach Haas/Ohlendorf, S. 160.


633 KölnKomm/Mertens/Cahn, ArbG, § 88 Rn 34 f.; allgemein zum nachvertraglichen Wettbewerbs-
verbot im Anstellungsvertrag mit AG-Vorständen, Haas/Ohlendorf, S. 182 ff.; vgl. im Übrigen die nähe-
ren Ausführungen und Fundstellen im Recht des GmbH-Geschäftsführers, insbesondere mit Check-
liste zu den Kriterien eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sowie mit Klauselmuster, vgl. Rn
246 ff.
634 Zur Verschwiegenheitspflicht des AG-Vorstands während der Dauer des Anstellungsverhältnis-
ses, vgl. Rn 310.
635 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 3 Rn 97; Hüffer/Koch, ArbG, § 93 Rn 31; vgl. Klauselmuster in Rn
252 f. zur Verschwiegenheitspflicht des GmbH-Geschäftsführers, das hier entsprechend herangezogen
werden kann, sowie das Klauselmuster für eine Konkretisierung der Verschwiegenheitspflicht in Rn
313. § 1 S. 2 des Klauselmusters (Rn 253) stellt das Fortbestehen der Verschwiegenheitspflicht über die
Dauer des Anstellungsverhältnisses hinaus klar.

Reiserer/Polczynski
B. Der AG-Vorstands-Vertrag 539

dieser zurückzugeben. Trotz des gesetzlichen Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB


empfiehlt sich die Aufnahme einer entsprechenden Rückgabeklausel bzw. – im Fall
eines von der Aktiengesellschaft gewährten Vorschusses oder Darlehens – einer Fäl-
ligkeitsklausel in den Anstellungsvertrag.636

b) Weitere Schlussbestimmungen
In der Praxis übliche und empfehlenswerte Schlussbestimmungen sind Klauseln zur 363
Klarstellung des Schicksals eines anderweitigen vor der Bestellung zum Vorstands-
mitglied bestehenden Arbeitsverhältnisses, zur Klarstellung des Nichtbestehens von
Nebenabreden, eine Schriftformklausel637 sowie eine salvatorische Klausel638, für
den Fall, dass eine Bestimmung des Anstellungsvertrages unwirksam sein sollte.639

636 Die Ausführungen und das Klauselmuster in Rn 254 für die Rückgabe von Arbeitsmitteln bzw.
Rückzahlung von Vorschüssen oder Darlehen zum GmbH-Geschäftsführer können hier entsprechend
herangezogen werden.
637 Zur Schriftformklausel mit Klauselmuster, siehe dort.
638 Zur salvatorischen Klausel mit Klauselmuster, siehe dort.
639 Hier kann das Klauselmuster zu den Schlussbestimmungen des GmbH-Geschäftsführer-Anstel-
lungsvertrags in Rn 255 entsprechend angewendet werden.

Reiserer/Polczynski
Stichwortverzeichnis
Die fetten Zahlen verweisen auf die Kapitel, die mageren Zahlen verweisen auf die Randnummern.

A ––Freistellung 11 343 ff.


Abberufung des GF 11 30 ff. ––Gesamtvertretung 11 277
Abfindungen ––Geschäftsführung 11 274
––Anstellungsvertrag 11 350 ––Handlungsorgan 11 271
––InstV 4 158 ––Insolvenz 11 306
Abrufarbeit 3 89 ff. ––Kündigung 11 323 ff.
––Ankündigungsfrist 3 108 ––Kündigung, außerordentliche 11 335 ff.
––Ausgleichzeitraum 3 103 ––Kündigung, ordentliche 11 325 ff.
––Bandbreitenregelung 3 90 ––Kündigungserklärungsfrist 11 342
––Betriebsrat 3 114 ––Kündigungsfristen 11 327
––blue-pencil-Test 3 111 ––Kündigungsgründe 11 340
––Dauer des Bezugszeitraums 3 104 ––Leitung der Gesellschaft 11 267
––fester Arbeitsumfang 3 90 ––Muster 11 284
––Gestaltungsgrenzen 3 99 ff. ––nachvertragliches Wettbewerbsverbot 11 360
––Grenzen der Festlegung 3 107 ff. ––Nebenpflichten 11 310 ff.
––kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit ​ ––Nebentätigkeiten 11 321
3 103 ––Reduzierung der Vergütung 11 207
––konkrete Sachgründe 3 102 ––Tod des 11 347
––Mindestarbeitszeit 3 97 ––Treuepflicht 11 269, 11 318
––Mindestdauer der täglichen Arbeitszeit ​ ––Verbraucher 11 258
3 110 ff. ––Vergütung 11 297 ff.
––Mitbestimmung 3 114 ––Verschwiegenheitspflicht 11 310 ff., 11 361
––Muster 3 114 ––Vertretung 11 277
––Nachweispflicht 3 98 ––Wettbewerbsverbot 11 314
––tarifvertragliche Regelung 3 113 ––wichtiger Grund 11 336 ff.
––Transparenzgebot 3 96 AG-Vorstands-Vertrag 11 256 ff., s. a.
––TzBfG 3 92 ff. Anstellungsvertrag
––Überstunden 3 106 AGB
––Vollzeitkräfte 3 92 ––Altersgrenze 6 109
––Zeitarbeitnehmer 3 94 ––Altverträge 2 110
Abwesenheitsassistenten 5 177 ––Anscheinsbeweis 2 11
AG-Vorstand ––Arbeitsvertragsrichtlinien 10 168 ff., 10 173,
––Aktienoptionen 11 302 10 188 f.
––Analogien zum Arbeitsrecht 11 259 ––Aufrechterhaltung des Vertrags 2 107
––Anstellungsvertrag 11 260 ff., s. a. dort ––Auslegung von 2 14 ff., s. a. Auslegung
––Arbeitgeberfunktion 11 280 ––Auslegungsgrundsätze 2 14 f.
––Arbeitnehmer 11 257 ––Ausschlussfristen 4 36
––betriebliche Altersversorgung 11 305 ––betriebliche Übung 2 5
––Betriebsgeheimnisse 11 310 ff., 11 361 ––Beweislast 2 11
––Betriebsrentengesetz 11 305 ––Bezugnahmeklauseln 10 26 ff., 10 134 ff.
––D&O-Versicherungen 11 304 ––blue-pencil-test 2 112
––Dienstleistung 11 267 ff. ––Darlegungslast 2 11
––Doppelstellung 11 256 ––Einbeziehungskontrolle 2 35
––ehrenamtliche Funktionen 11 281 ––Formulararbeitsvertrag 2 4 ff., s.a dort


542 Stichwortverzeichnis

––geltungserhaltende Reduktion 2 109 ––Tarifverträge 6 107


––Individualabrede 2 12 f., s. dort Altersrente
––Individualverfahren 2 25 ––Anstellungsvertrag 11 232 ff.
––Inhaltskontrolle s. dort ––Muster 11 235
––Klauselverbote 2 97 ff., s. a. dort Altverträge 2 110
––Kurzarbeit 3 74 Änderungsvorbehalt 4 94
––Nachweisgesetz 2 35 Angemessenheitskontrolle 3 18
––Rechtsfolgen AGB-widriger Klauseln 2 107 ff. Angestellter 11 4
––Rechtswahlklausel 9 60 Ankündigungsfrist
––Schriftformklauseln 9 23 ff. ––Abrufarbeit 3 108
––Stellen der Vertragsbedingungen 2 7 ff., 2 30 ––Kurzarbeit 3 79
––Teilunwirksamkeit 2 112 Annexkompetenz 11 18
––überraschende Klauseln 2 42 ff., s. a. dort Anpassungsfortbildung 7 2
––Umstandskontrolle 2 34 Anscheinsbeweis 2 11
––unzumutbare Härte 2 108 Anschlussverbot 6 53
––Verbandsklageverfahren 2 23 Anstellungsvertrag 11 16 ff.
––Versetzungsklauseln 3 6 ––Abberufung des AG-Vorstands 11 351
––Vertragsänderungsangebot 2 111 ––Abberufung des GF 11 236 ff.
––Vertragsbedingungen 2 7 ff., s. a. dort ––Abfindung 11 350
––Verwendungsabsicht 2 6 ––Abfindungsvereinbarung 11 228
––Vielzahl von Verträgen 2 6 ––AG-Vorstand 11 260 ff.
––von Dritten 2 6, 2 30 ––Altersgrenze 11 230 ff.
––vorformulierte Vertragsbedingungen 2 5 ––Altersrente 11 232 ff.
––Zugangsfiktion 9 14 ––Amtsniederlegung 11 352
AGB-Gesetz 2 2 ––Amtsniederlegung des GF 11 236 ff.
––Formulararbeitsvertrag 2 3 ––Annexkompetenz 11 18
––Schutzniveau 2 2 ––Aufgaben/Pflichten des GF 11 47 ff.
Agentur für Arbeit 3 80 ––aufschiebende Bedingung 11 296
Aktienoptionen 4 3 ––Aufsichtsrat 11 20, 11 260
All-Klauseln 5 137, 8 19 ––Aufsichtsratsbeschluss 11 291
Altersbefristung 6 69 ff. ––Beendigung 11 219 ff., 11 347 ff.
Altersgrenze 6 104 ff. ––befristeter 11 223
––65 6 114 f. ––Befristung 11 117, 11 290
––AGB 6 109 ––Befristungshöchstdauer 11 285
––Anstellungsvertrag 11 230 ff. ––betriebliche Altersversorgung (Muster) ​
––auflösende Bedingung 6 105 11 154 ff.
––Befristung 6 105 ––Betriebsübergang 11 356
––Betriebsvereinbarungen 6 107 ––Bezüge (Muster) 11 147
––EuGH 6 113 ––Bonus 11 130 ff.
––finanzielle Absicherung 6 108 ––Change of Control – Klauseln 11 245
––Form 6 106 ––Dienstleistung 11 47 ff.
––Gemeinschaftsrecht 6 112 ––Dienstwagen 11 148 ff.
––Klauseltypen 6 114 ff. ––Dienstwagen (Muster) 11 153
––Muster 6 122 ––fehlerhafter 11 27
––Regelaltersgrenze 6 116 f. ––Form 11 25, 11 264
––Rentenversicherung 6 107 ––Gesellschafter 11 17
––RL 2000/78/EG 6 112 ––gesellschaftsrechtliche Veränderungen 11 356
––RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 6 114 ––gesetzlicher Unfähigkeitsgrund 11 355
––selbständige 6 118 ff. ––GmbH-Geschäftsführer 11 16 ff., s. a. dort


Stichwortverzeichnis 543

––Gratifikationen 11 138 ––Zurückbehaltungsrechte 8 7 f.


––Grundsätze zum fehlerhaften Arbeitsleistung 3 1 ff.
Arbeitsverhältnis 11 28 ––Abrufarbeit 3 89 ff., s. a. dort
––Herausgabe 11 362 ff. ––Arbeitszeitkonten 3 115 ff., s. a. dort
––Höchstdauer 11 348 ––Direktionsrecht 3 1 ff.
––Insolvenz 11 243, 11 354 ––Flexibilisierung 3 3 f.
––Koppelungsklausel 11 238 ––Kurzarbeit 3 69 ff., s. a. dort
––Koppelungsklauseln 11 289 ––Überstunden 3 49 ff., s. a. dort
––Kündigungsschutz 11 186 ff. ––Versetzungsklauseln 3 5 ff., s. a. dort
––Legalitätspflichten des GF 11 52 ff. ––Vertragsstrafe 3 23 ff., s. a. dort
––Leitungs-/Organisationspflichten des ––Zurückbehaltungsrecht 3 84 ff., s. a. dort
GF 11 69 ff. Arbeitsordnungen 10 14, 10 145 ff.
––Mindestvertragsdauer 11 286 Arbeitspapiere 3 86
––Mitbestimmung 11 23 Arbeitsrecht
––Prämie 11 136 ––Besonderheiten 2 36 ff., s. a. dort
––Provision 11 137 ––Verbandsklageverfahren 2 24
––Rechtsnatur 11 16 Arbeitsrechtsregelungsgesetz 10 182
––Rechtsweg 11 37 ff., 11 265 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 5 45
––Schlussbestimmungen 11 255, 11 362 ff. Arbeitsverhältnis
––Selbstkontrahieren 11 55 ––Altersgrenze 6 104 ff., s. a. dort
––Steuerrecht 11 24 ––Beendigung 6 1 ff., s. a. Altersgrenze, s. a.
––Tantieme 11 139 ff. Befristung, s. a. Erwerbsminderung, s. a.
––Tod des GF 11 219 Kündigung
––unbefristeter 11 222 ––Beendigung des befristeten 6 80 ff.
––variable Vergütung 11 121 ––Befristung 6 2 ff., s. a. dort
––Vergütung 11 119 ––Freistellungsklauseln bei einem
––Vergütung (Muster) 11 147 gekündigten 6 197 ff.
––Verlängerungsklausel 11 288 ––Freistellungsklauseln bei einem
––Vertragsänderung 11 21, 11 263 ungekündigten 6 193 ff.
––Vertragsaufhebung 11 21, 11 226, 11 263, ––Freistellungsvorbehalt 6 191 ff.
11 349 ––Kündigung 6 131 ff., s. a. dort
––Vorbehalt der Bestellung 11 294 ––nachvertragliche Pflichten 8 1 ff., s. a. dort
––Vorstandsvergütung 11 262 ––nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​
––Zielvereinbarung 11 125 8 10 ff., s. a. dort
––Zustandekommen 11 17 ff. ––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 23 ff.,
Antidiskriminierung (Muster) 5 103 s. a. dort
Antrittsprämie 4 158 Arbeitsverhinderung 5 34 ff.
Arbeit auf Abruf s. Abrufarbeit ––Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 5 45
Arbeitgeber ––aus sonstigen, persönlichen Gründen 5 36
––Vergütungsschuldner 4 3 ––Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 5 39 ff.
Arbeitnehmer ––Entgeltfortzahlungsdauer 5 41 ff.
––AG-Vorstand 11 257 ––Mitteilungspflichten 5 44
––Befristung 6 36 ff. ––Muster 5 45
––EuGH 9 53 ––wegen Krankheit 5 37 ff.
––Formulararbeitsvertrag 2 3 Arbeitsvertragsrichtlinien
––GmbH-Geschäftsführer 11 5 ––AGB 10 168 ff., 10 173, 10 188 f.
––Individualarbeitsverträge 9 53 ––arbeitsrechtliche Kommission 10 182
Arbeitsergebnisse ––Arbeitsrechtsregelungsgesetz 10 182
––Herausgabe 8 5 ––Billigkeitskontrolle 10 174 f.


544 Stichwortverzeichnis

––einseitige Leistungsänderung 10 180 ––geltungserhaltende Reduktion 2 19


––Inbezugnahme 10 168 ––gespaltene Lösung 2 17
––Inhaltskontrolle 10 177 ––restriktive 2 18
––katholische Kirche 10 183 ––Transparenzgebot 2 18
––Kirchenrecht 10 165 ff. ––Unklarheitenregelung 2 16
––Muster 10 168, 10 189 ––unzumutbare Härte 2 19
––paritätische Besetzungsregeln 10 184 ––Vertragswille 2 15
––Streikrecht 10 184 ––Vertragswortlaut 2 15
Arbeitszeit Auslegungsgrundsätze 2 14 f.
––Arbeitszeitkonten 3 128, s. a. dort Ausschlussfristen
––GmbH-Geschäftsführer 11 74 ––AGB 4 36
––Mindestlohn 4 112 ––einseitige 4 30
Arbeitszeitkonten 3 115 ff. ––einstufige 4 32 ff.
––Abbau von 3 135 ––Muster 4 34 f.
––Arbeitszeit 3 128 ––Urlaub 5 81
––Arten 3 115 ––Vergütung 4 28 ff.
––Ausgleichszeitraum 3 126 ––zweiseitige 4 31 ff.
––Begriff 3 116 ––zweistufige 4 35
––Betriebsrat 3 138 Ausschlussklauseln 4 38
––Fälligkeitsregelungen 3 122 Ausübungskontrolle 3 21
––Festlegung der Arbeitszeit 3 133 Ausweichstatut 9 64
––Flexi-I-Gesetz 3 117 Auszubildende 8 26
––Flexi-II-Gesetz 3 117 automatische Weiterleitung 5 177
––Führen von 3 130 ff.
––Mindestlohngesetz 3 122 ff. B
––Mitbestimmung 3 138 B2C-Vertrag 2 27
––Muster 3 138 Bandbreitenregelung 3 90
––Vergütung 3 137 BDSG 5 104
––Wirksamkeitsanforderungen 3 127 ff. Beamtenrecht 10 159 ff.
––Zeitarbeitnehmer 3 119 ff. Befristung 6 2 ff.
––Zulässigkeit 3 118 ––Altersbefristung 6 69 ff.
Aufrechnung der Vergütung 4 25 ff. ––Altersgrenze 6 105
Aufsichtsrat 11 20, 11 260 ––Anstellungsvertrag 11 117, 11 290
Aufstiegsfortbildung 7 2 ––außergerichtlicher Vergleich 6 47
Aus-/Fortbildungskosten 4 59 ––Befristungsketten 6 24
Ausgleichszeitraum ––Eigenart der Arbeitsleistung 6 26 ff.
––Abrufarbeit 3 103 ––Entfristungsklage 6 99 ff.
––Arbeitszeitkonten 3 126 ––Erprobung 6 30
Ausgliederung 10 190 ––Form 6 74 ff.
Aushandeln der Vertragsbedingungen 2 8 ––Fortsetzung trotz 6 95 ff.
Aushändigung ––Fußball 6 29
––Empfangsbekenntnis 8 31 ––gerichtlicher Vergleich 6 45
––Muster 8 30 ––im Anschluss an Ausbildung/Studium 6 16 ff.
––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 30 ––kalendermäßige 6 7
Aushilfen, Kündigungsfristen 6 166 ff. ––Kündigung 6 80, 6 88 ff.
Auslegung ––Kunstfreiheit 6 27
––arbeitnehmerfeindlichste 2 17 ––Muster 6 103
––arbeitnehmerfreundlichste 2 17 ––Parlamentsfraktion 6 28
––ergänzende 2 19 ––Probearbeitsverhältnis 6 31


Stichwortverzeichnis 545

––professioneller Sport 6 29 ––Klauselverbote 2 40


––Prognose 6 11, 6 22 ––rechtliche 2 38
––Projektbefristung 6 10 ––Rechtsfolge 2 41
––Prozessvergleich 6 46 ––tatsächliche 2 39
––Rundfunkfreiheit 6 26 ––Transparenzgebot 2 89
––Sachgrund 6 6, 6 8 ff. ––Vertragsstrafe 3 33
––sachgrundlose 6 6, 6 49 ff., s. a. Befristung, Bestimmtheitsgrundsatz
sachgrundlose ––große dynamische Tarifwechselklausel 10 85,
––Schriftform 6 5 10 87
––soziale Belange des Arbeitnehmers 6 40 ––Transparenzgebot 2 86
––Sport 6 29 betriebliche Übung
––TzBfG 6 3 ––AGB 2 5
––Überbrückungsfunktion 6 38 ––Bezugnahmeklauseln 10 36 ff.
––Verbesserung der Vermittlungschancen 6 18 ––Individualabrede 2 20
––Vertretung anderer Arbeitnehmer 6 20 ff. ––Kommunikationseinrichtungen 5 151
––Vertretungsbedarf s. dort ––Schriftformklauseln 9 22
––vorgegebene Haushaltsmittel 6 43 Betriebsgeheimnisse 5 113 ff.
––vorübergehender Bedarf 6 10 ff. ––AG-Vorstand 11 361
––vorübergehender Personalbedarf s. ––All-Klauseln 5 137
Vertretungsbedarf ––aus besonderer Stellung 5 121
––Wunsch des Arbeitnehmers 6 36 ff. ––Begriff 5 122 f.
––Wunsch des Arbeitnehmers (Muster) 6 36 ––berechtigtes wirtschaftliches Interesse 5 127
––Zweck 6 82 ––Datengeheimnis 5 120
––Zweckbefristung 6 7 ––Diensterfindungen 5 119
––Zweckerreichung 6 80, 6 83 ––Geheimhaltungswille 5 126
Befristung, sachgrundlose 6 49 ff. ––GmbH-Geschäftsführer 11 252
––Abdingbarkeit 6 58 ff. ––konzernweite Verschwiegenheitsklausel ​
––Formulierung 6 59 5 138
––Tarifverträge 6 60 ff. ––Muster 5 140
––allgemeine 6 51 ff. ––nachvertragliche Geheimhaltung 5 125
––anderer Betrieb 6 54 ––nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​
––Anschlussverbot 6 53 8 17
––Befristungsketten 6 52 ––Rechtsfolgen eines Verstoßes 5 133 ff.
––Betriebsübernahme 6 66 ––vertragliche Regelungen 5 124 f.
––Beweislast 6 63 ––Vertragsgestaltung 5 136 ff.
––Darlegungslast 6 63 ––Vertragsstrafe 5 140
––derselbe Arbeitgeber 6 54 ––vertrauliche Angaben 5 132
––Fragerecht des AG 6 64 ––Wettbewerbsrecht 5 117 f.
––lückenloser Anschluss 6 55 ––Whistleblowing 5 128 ff.
––Neugründung 6 65 Betriebsrat
––Umwandlung 6 66 ––Abrufarbeit 3 114
––Vertragsarbeitgeber 6 54 ––Arbeitszeitkonten 3 138
––Vertragsverlängerung 6 55 ––Fortbildungsklauseln 7 11
––Vorbeschäftigungsverbot 6 52 ––Kurzarbeit 3 73
Befristungsketten 6 24 ––Vergütung 4 7
––Befristung, sachgrundlose 6 52 ––Versetzungsklauseln 3 22
––Vertretungsbedarf 6 24 Betriebsrentenrecht 10 151 ff., 11 305
Berufsfreiheit 5 3 Betriebsrentner 10 148
Besonderheiten des Arbeitsrechts 2 36 ff. Betriebsübergang


546 Stichwortverzeichnis

––Alemo-Herron-Fall 10 112 ––Tarifpluralität 10 98 ff.


––Anstellungsvertrag 11 244, 11 356 ––Tarifsukzession 10 92 f.
––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 108 ff. ––Teilverweisung 10 57
––Bezugnahmeklauseln 10 109 ff. ––unwirksamer Tarifvertrag 10 66
––Gesamtvergleich 10 115 ––Zulässigkeit 10 56 ff.
––Günstigkeitsprinzip 10 113 Bezugnahmeklauseln 10 1 ff.
––Kirchenrecht 10 190 ––AGB 10 26 ff., 10 134 ff.
––Sachgruppenvergleich 10 115 ––Arbeitsordnungen 10 14, 10 145 ff.
––Scattolon-Fall 10 116 ––Arbeitsordnungen (Muster) 10 145 ff.
––Werhof-Fall 10 110 ––Auslegung kollektivrechtlicher
Betriebsübernahme 6 66 Vereinbarungen 10 19 ff.
Betriebsvereinbarungen ––Auslegung von Willenserklärungen 10 17
––Altersgrenze 6 107 ––Beamtenrecht 10 159 ff.
––Bezugnahmeklauseln 10 9 ff., 10 128 ff. ––Betriebsübergang 10 109 ff.
––Günstigkeitsprinzip 10 133, 10 136 ––Betriebsvereinbarungen 10 9 ff., 10 128 ff.
Beweislast ––Betriebsvereinbarungen (Muster) 10 144
––abgestufte 2 11, 2 33 ––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 41 ff.,
––AGB 2 11 s. a. dort
––Befristung, sachgrundlose 6 63 ––Dienstvereinbarungen 10 12 f.
––Einflussnehmen 2 33 ––Einbeziehung durch betriebliche Übung ​
––Individualabrede 2 21 10 36 ff.
––Rückzahlungsklauseln 7 40 ––Formen der Inbezugnahme 10 35 ff.
––salvatorische Klausel 9 42 ––Gegenstand der Bezugnahme 10 3 ff.
––überraschende Klauseln 2 55 ff. ––Gleichbehandlungsgrundsatz 10 39 f.
––Vertragsbedingungen 2 31 ––Gleichstellungsabreden 10 21 ff., s. a. dort
––Zugang 9 3 ––Kirchenrecht 10 15, 10 162 ff., s. a. dort
Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 41 ff. ––Öffnungsklauseln 10 138 ff.
––Abänderung 10 120 ––statische 10 24
––Aufhebung 10 120 ––Tarifverträge 10 2 ff.
––Betriebsübergang 10 108 ff., s. a. dort ––Transparenzgebot 10 142
––branchenfremder Tarifvertrag 10 61 ––überraschende Klauseln 10 28 ff.
––deklaratorische Wirkung 10 42, 10 45 ff. ––Unklarheitenregel 10 142
––Differenzierungsklauseln 10 103 ff. ––Unklarheitenregelung 10 31 ff.
––dynamische 10 48 ff. ––vertragliche Einbeziehung 10 35
––ergänzende Vertragsauslegung 10 68 Billigkeitskontrolle 10 174 f.
––Gleichstellungsabreden 10 61, 10 76 ff. Bindungsdauer 7 23 ff.
––Globalverweisung 10 56 ––ergänzende Vertragsauslegung 7 28
––große dynamische Tarifwechselklausel ​ ––Faustformel 7 24
10 84 ff., s. a. dort ––geltungserhaltende Reduktion 7 27
––kleine dynamische (Muster) 10 74 f. ––Höchstgrenze 7 25
––konstitutive Wirkung 10 44 ––Qualität der erworbenen Qualifikation 7 25
––Muster 10 50 ff. ––Transparenzgebot 7 30
––Nachfolge auf beendeten Tarifvertrag 10 94 ff. Bindungsklausel 4 95 f.
––Nachfolge nach blue-pencil-test
Unternehmensrestrukturierung 10 97 ––Abrufarbeit 3 111
––Nachweisgesetz 10 45 ––AGB 2 112
––nachwirkender Tarifvertrag 10 64 ––Konzernversetzungsklausel 3 20
––statische 10 72 Bonus 11 130 ff.
––Tarifeinheitsgesetz 10 121 ff. Business Judgement Rule 11 72


Stichwortverzeichnis 547

C ––einfache zulässige 10 106


Car Allowance 4 55 ––Muster 10 107
Change of Control – Klauseln 11 245 ––qualifizierte 10 105
Checkliste Direktionsrecht 3 1 ff.
––Fortbildungsklauseln 7 9 ––echte Direktionsrechtserweiterung 3 10, 3 14
––nachvertragliches Wettbewerbsverbot des ––Fortbildungsklauseln 7 5
GF 11 249 ––Grenze 3 2
––Rückzahlungsklauseln 7 41 ––Überstunden 3 51
––Zielvereinbarung 11 129 ––unechte Direktionsrechtserweiterung 3 9
Compliance-Richtlinie 5 95 Doppelstellung
––AG-Vorstand 11 256
D ––GmbH-Geschäftsführer 11 1
D&O-Versicherungen 11 304 Drittbedingungen 2 30
Darlegungslast
––abgestufte 2 11, 2 33 E
––AGB 2 11 E-Mail s. Kommunikationseinrichtungen
––Befristung, sachgrundlose 6 63 Einbettungsstatut 9 69
––Einflussnehmen 2 33 Einbeziehungskontrolle 2 35
––Individualabrede 2 21 Einflussnehmen
––Rückzahlungsklauseln 7 40 ––Beweislast 2 33
––überraschende Klauseln 2 55 ff. ––Darlegungslast 2 33
––Vertragsbedingungen 2 31 ––Vertragsbedingungen 2 33
Datengeheimnis 5 104 ff. Eingriffsnormen 9 71 ff.
––Aufnahme der Tätigkeit 5 106 Einmalbedingungen
––BDSG 5 104 ––Individualabrede 2 22
––Betriebsgeheimnisse 5 120 ––Vertragsbedingungen 2 22, 2 32
––Muster 5 109 Entfristungsklage 6 99 ff.
––Vertragsgestaltung 5 108 Entgeltfortzahlung
Datenschutzerklärung 5 110 ff. ––Dauer 5 41 ff.
––Muster 5 112 ––Einheit des Versicherungsfalls 5 43
deklaratorische Klauseln 2 94 ––im Krankheitsfall 5 39 ff.
Delegationseinschränkungen 11 80 Entgeltumwandlung (Muster) 10 158
Deutscher Corporate Governance Kodex ​ Entsendungen 9 51
4 136 ff. Erfahrungswissen 8 16
Dienstgemeinschaft 10 164 Ermessen bei Karenzentschädigung 8 62
Dienstleistung Ermessensregelung bei variabler Vergütung ​
––AG-Vorstand 11 267 ff. 4 100 ff.
––GmbH-Geschäftsführer 11 47 ff. Ersetzungsklausel 9 32
Dienstvereinbarungen 10 12 f. ––Formulararbeitsverträge 9 37
Dienstwagen 4 42 ff. Erwerbsminderung 6 123 ff.
––Car Allowance 4 55 ––auflösende Bedingung 6 124
––Haftung für Beschädigung 4 48 ––Erwerbsminderungsrente 6 126
––Muster 4 55 ––Muster 6 128
––Privatnutzung 4 45 EuGH
––Sozialversicherung 4 54 ––Altersgrenze 6 113
––Steuer 4 49 ff. ––GmbH-Geschäftsführer 11 10
Differenzierungsklauseln
––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 103 ff. F
––einfache 10 104 Fax s. Kommunikationseinrichtungen


548 Stichwortverzeichnis

Fehlzeiten 5 63 ff. Fragerecht bei Befristung 6 64


Firmeneigentum Freistellung
––Begriff 8 1 ––AG-Vorstand 11 343 ff.
––Besitzrecht 8 3 ––einseitige 11 343 ff.
––Herausgabe 8 1 ff., s. a. dort ––einvernehmliche 11 346
––nachvertragliche Pflichten 8 1 ff. ––GmbH-Geschäftsführer 11 184
––Zurückbehaltungsrechte 8 7 f. Freistellungsabrede 5 83 ff.
Flexi-I-Gesetz 3 117 Freistellungsvorbehalt
Flexi-II-Gesetz 3 117 ––Arbeitsverhältnis 6 191 ff.
Flexibilisierung der Arbeitsleistung 3 3 f. ––bei einem gekündigten Arbeitsverhältnis ​
Form 6 197 ff.
––Altersgrenze 6 106 ––bei einem ungekündigten Arbeitsverhältnis ​
––Anstellungsvertrag 11 25, 11 264 6 193 ff.
––Befristung 6 74 ff. Freiwilligkeitsvorbehalte bei variabler
––Kündigung 6 140 ff. Vergütung 4 65 ff., 4 85 ff.
––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 27 ff. Fußball 6 29
––Rechtswahlklausel 9 57
––Rückzahlungsklauseln 7 20 G
––Schriftformklauseln 9 18 ff., s. a. dort Geheimhaltung s. Betriebsgeheimnisse
––überraschende Klauseln 2 52 geldwerter Vorteil 7 21
––Vertragsstrafe 3 31 Gelegenheitsgeschenke 5 99 f.
Formulararbeitsverträge geltungserhaltende Reduktion
––AGB 2 4 ff., s. a. dort ––AGB 2 109
––Auslegung von AGB 2 14 ff., s. a. AGB ––Auslegung 2 19
––Ersetzungsklausel 9 37 ––Bindungsdauer 7 27
––gesetzesverweisende Klausel 9 40 ––Schriftformklauseln 9 24
––Reduktionsklausel 9 39 ––Vertragsstrafe 3 48
––salvatorische Klausel 9 34 ff. Gemeinschaftsrecht zur Altersgrenze 6 112
––Schriftformklauseln 9 23 Gerichtsstandsklauseln 9 77 ff.
––Schutz der Arbeitnehmer 2 3 ––ausländische Mitarbeiter 9 81
––Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel 9 36 ––Auslandsbezug 9 85
––Vertragsstrafe 3 32 ff. ––Inlandsfall 9 79 ff.
Fortbildungsklauseln 7 1 ff. ––Muster 9 87 f.
––Anpassungsfortbildung 7 2 ––örtliche Zuständigkeit 9 79
––Aufstiegsfortbildung 7 2 ––Rechtswegzuständigkeit 9 84
––Betriebsrat 7 11 ––Tarifvertragsparteien 9 83
––Checkliste 7 9 ––Zulässigkeit 9 78 ff.
––Direktionsrecht 7 5 Gesamtvergleich bei Betriebsübergang 10 115
––Fortbildungskosten 7 15, s. a. Geschäftsunterlagen
Rückzahlungsklauseln ––Herausgabe 8 5
––Fortbildungspflicht 7 6 ––Zurückbehaltungsrechte 8 7 f.
––Inhalt 7 7 ff. Geschenke 5 94 ff.
––Mitbestimmung 7 11 ––Compliance-Richtlinie 5 95
––Muster 7 5, 7 14 ––Gelegenheitsgeschenke 5 99 f.
––Rückzahlungsklauseln s. dort ––Muster 5 100
––Rückzahlungsverpflichtung 7 8 ––Strafrecht 5 98
––Sozialrecht 7 12 ––vertragliche Regelungen 5 99 f.
––Steuerrecht 7 13 Gesellschafter und Anstellungsvertrag 11 17
––Werbungskosten 7 13 gesetzesverweisende Klausel 9 40


Stichwortverzeichnis 549

gespaltene Lösung 2 17 ––Insolvenz 11 62


Gewinntantieme 11 140 ––Interessenkollision 11 165
Gleichbehandlungsgrundsatz ––Krankheit 11 160
––Bezugnahmeklauseln 10 39 f. ––Kündigung 11 177 ff.
––Überstunden 3 52 ––Kündigungserklärungsfrist 11 209 ff.
Gleichbehandlungsklauseln 6 177 ff. ––Kündigungsform 11 183
Gleichstellungsabreden ––Kündigungsfristen 11 181 f.
––Änderung der Rechtsprechung 10 79 ff. ––Kündigungsschutz 11 186 ff.
––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 61, 10 76 ff. ––Legalitätspflichten 11 66 ff.
––Bezugnahmeklauseln 10 21 ff. ––Leitungs-/Organisationspflichten 11 69 ff.
––Muster 10 83 ––Loyalitätspflichten 11 84 ff.
––Vertrauensschutz 10 80 ff. ––Mutterschutz 11 194
Gleichwertigkeitsgarantie 3 15 ––nachvertragliches Wettbewerbsverbot 11 246
Globalverweisung 10 56 ––Nebenpflichten 11 165 ff.
GmbH-Geschäftsführer 11 1 ff. ––Nebentätigkeit 11 175
––Abberufung 11 30 ff. ––Nichtbestellung 11 30 ff.
––Abmahnungspflicht 11 207 f. ––Planung 11 78
––Angestellter 11 4 ––Rechtsweg 11 37 ff.
––Anstellungsvertrag 11 16 ff., s. a. dort ––Ressortverteilung 11 81
––Arbeitnehmer 11 5 ––Schadensersatz 11 30, 11 30 ff.
––Arbeitsverhältnis 11 8, 11 189 ff. ––Schwerbehinderung 11 196
––Arbeitszeit 11 74 ––Selbstkontrahieren 11 55
––Arbeitszeit (Muster) 11 159 ––Sorgfalt eines ordentlichen
––Aufgaben/Pflichten 11 47 ff. Geschäftsmannes 11 72
––Aufgaben/Pflichten (Muster) 11 99 ff. ––Sozialversicherung 11 12
––Auskunftsrecht 11 253 ––Sperrminorität 11 13
––außerordentliche Kündigung 11 197 ff., ––Strafrecht 11 57
11 216 ff. ––Treuepflicht 11 165 ff.
––BAG 11 8 ––Überstunden 11 157
––Befreiungen von Pflichten 11 93 ff. ––Unternehmensziele 11 75
––Bestellung 11 3 ––Verbraucher 11 15
––Betriebsgeheimnisse 11 252 ––vereinbarte Kündigungsgründe 11 205 ff.
––Bezüge (Muster) 11 147 ––Vergütung (Muster) 11 147
––Business Judgement Rule 11 72 ––Verschwiegenheitspflicht 11 92, 11 168 ff.,
––Delegationseinschränkungen 11 80 11 252
––Dienstwagen 11 148 ff. ––Vertretung 11 105 ff.
––Dienstwagen (Muster) 11 153 ––Vertretung (Muster) 11 105 ff., 11 109 ff.
––Doppelstellung 11 1 ––Wettbewerbsrecht 11 58
––EuGH 11 10 ––Wettbewerbsverbot 11 85 ff., 11 171 ff.
––Freistellung 11 184 ––wichtiger Grund 11 197 ff., 11 217 ff.
––Gehaltserhöhung 11 163 GmbH-Geschäftsführer-Vertrag 11 1 ff., s. a.
––Gehaltsreduzierung 11 162 Anstellungsvertrag
––genehmigungsbedürftige Geschäfte 11 114 ff. ––GmbH-Geschäftsführer s. dort
––gesetzlicher Vertreter 11 2 ––Rechtsweg 11 37 ff.
––Haftungsbegrenzung 11 73 Gratifikationen 11 138
––Haftungsmilderung 11 97 große dynamische Tarifwechselklausel 10 84 ff.
––Handlungsorgan 11 2 ––Begriff 10 84
––Herausgabe 11 254 ––Bestimmtheitsgrundsatz 10 85, 10 87
––innerbetrieblicher Aufstieg 11 191 ––Muster 10 89


550 Stichwortverzeichnis

––Rechtsberatungspflicht 10 91 ––Leistungsbeschreibungen 2 95
––Störung der Geschäftsgrundlage 10 89 ––nachteilige Abweichungen 2 63 ff.
––Zulässigkeit 10 86 ff. ––Natur des Vertrages 2 70 f.
Grundsätze zum fehlerhaften ––normausfüllende Klauseln 2 94
Arbeitsverhältnis 11 28 ––Preisabreden 2 95
Günstigkeitsprinzip ––Rechtsgrundsätze 2 92
––Betriebsübergang 10 113 ––Regelbeispiele 2 62 ff.
––Betriebsvereinbarungen 10 133, 10 136 ––Schranken der 2 91 ff.
––Tarifeinheitsgesetz 10 126 ––Transparenzgebot 2 60
––unangemessene Benachteiligung 2 74 ff.,
H s. a. dort
Halbteilungsgrundsatz 11 143 ––Vergleichsrecht 2 64 ff.
Halteprämien 4 158 ––Verhältnis der Sondertatbestände 2 73
Handlungsorgan ––Vertragszweckgefährdung 2 72
––AG-Vorstand 11 271 ––Zweckmäßigkeitserwägungen 2 67
––GmbH-Geschäftsführer 11 2 Inlandsfall
Haustarifvertrag 10 98 ––Gerichtsstandsklauseln 9 79 ff.
Herausgabe ––Rechtswahlklausel 9 55
––Anstellungsvertrag 11 362 ff. ––Rom I-VO 9 69
––Arbeitsergebnisse 8 5 Insolvenz
––Arbeitsmittel auch zur privaten Nutzung 8 3 ––AG-Vorstand 11 306
––Besitzrecht 8 3 ––Anstellungsvertrag 11 243, 11 354
––Firmeneigentum 8 1 ff. ––GmbH-Geschäftsführer 11 62
––Geschäftsunterlagen 8 5 InstV 4 141 ff.
––GmbH-Geschäftsführer 11 254 ––Abfindungen 4 158
––Herausgabeanspruch 8 2 ––Antrittsprämie 4 158
––Muster 8 9 ––Anwendungsbereich 4 142 ff.
––Zurückbehaltungsrechte 8 7 f. ––besondere Institute 4 159 ff.
Höchstarbeitszeiten 5 9 ––Bonuspool 4 149 ff.
––Halteprämien 4 158
I ––Konzernbonus 4 158
Individualabrede ––Risk Taker 4 160
––AGB 2 12 f. ––Vergütung 4 152 ff.
––Begriff 2 20 ––Vergütungsparameter 4 146 ff.
––betriebliche Übung 2 20 ––Zulagen 4 158
––Beweislast 2 21 internationales Privatrecht 9 49
––Darlegungslast 2 21 Internet s. Kommunikationseinrichtungen
––Einmalbedingungen 2 22
––Vertragsbedingungen 2 7 J
––Zurückbehaltungsrecht 3 88 Jeweiligkeitsklausel 10 148 ff.
Individualarbeitsverträge ––allgemeine 10 149
––Arbeitnehmer 9 53 ––Betriebsrentenrecht 10 151 ff.
––EuGH 9 53 ––Betriebsrentner 10 148
––Rechtswahlklausel 9 53 ––Entgeltumwandlung 10 158
––salvatorische Klausel 9 41 ––künftige Leistungsänderung 10 154
Individualverfahren 2 25 ––Muster 10 157
Inhaltskontrolle 2 59 ff. ––Versorgungsordnung 10 155
––Arbeitsvertragsrichtlinien 10 177
––deklaratorische Klauseln 2 94


Stichwortverzeichnis 551

K ––Ausschluss (Muster) 5 147


Kantenbänder-Fall 8 17 ––betriebliche Übung 5 151
KAPOVAZ 3 103 ––Erlaubnis 5 150 ff.
Karenzentschädigung 8 53 ff. ––Erlaubnis (Muster) 5 153
––abstrakte Betrachtung 8 60 ––Rechtsfolgen bei rechtswidriger
––Anrechnung anderweitigen Verdienstes 8 63 Überwachung 5 173
––Ausgestaltung 8 56 ff. ––Rechtsfolgen bei unzulässiger
––Ermessen des AG 8 62 Privatnutzung 5 174
––gesetzliche Regelung 8 53 ––Schadensersatzansprüche 5 175
––Transparenzgebot 8 55 ––verhaltensbedingte Kündigung 5 174
––Unklarheitenregel 8 61 Konkurrenz bei Nebentätigkeiten 5 5
––Unverbindlichkeit 8 60 Konzernbonus 4 158
––Vereinbarung 8 54 Konzernversetzungsklausel 3 18 ff.
––Vergütungsbestandteile 8 57 ––Angemessenheitskontrolle 3 18
––wechselnde Bezüge 8 59 ––blue-pencil-Test 3 20
––Zusage 8 54 ––Transparenzengebot 3 20
––Zusage (Muster) 8 65 ––Transparenzkontrolle 3 18
KHS-Schulte-Entscheidung 5 72 Koppelungsklausel
Kirchenrecht ––Anstellungsvertrag 11 238
––Arbeitsvertragsrichtlinien 10 165 ff., s. a. dort ––Muster 11 241
––Ausgliederung 10 190 Kundenschutz-Fall 8 15
––Betriebsübergang 10 190 Kündigung 6 131 ff.
––Bezugnahmeklauseln 10 15, 10 162 ff. ––AG-Vorstand 11 323 ff.
––Dienstgemeinschaft 10 164 ––außerordentliche 6 148 ff., s. a. Kündigung,
––Dritter Weg 10 164 ff. außerordentliche
––Selbstverwaltungsgarantie 10 167 ––Befristung 6 80, 6 88 ff.
––Streikrecht 10 164 ––Form 6 140 ff.
Klauselmuster s. Muster ––GmbH-Geschäftsführer 11 177 ff.
Klauselverbote 2 97 ff. ––Grundkündigungsfrist 6 164
––mit Wertungsmöglichkeit 2 99 ff. ––Kündigungserklärungsfrist 6 150
––ohne Wertungsmöglichkeit 2 104 ff. ––Kündigungsfristen 6 164 ff., s.a dort
––Rücktrittsvorbehalt in Vorvertrag 2 100 ––Kündigungsgründe 6 143 ff.
––Zurückbehaltungsrecht 3 87 ––Kündigungsgründe (Muster) 6 146 f.
Kleinbetriebe 6 169 f. ––Namensunterschrift 6 141
Kollisionsrecht 9 49 ff. ––ordentliche 6 158 ff., s. a. Kündigung,
Kommunikationseinrichtungen 5 141 ff. ordentliche
––Abwesenheitsassistenten 5 177 ––Probezeit 6 180 ff.
––Abwesenheitsassistenten (Muster) 5 178 ––vertragliche Umdeutungsklauseln 6 133 ff.,
––automatische Weiterleitung 5 177 s. a. dort
––betriebsfremde Daten (Muster) 5 179 ––vor Dienstantritt 6 183 ff.
––Fernmeldegeheimnis 5 161 ––Wirksamkeitsvoraussetzung 6 142
––Kontrolle 5 154 ff. Kündigung, außerordentliche 6 148 ff.
––Kontrolle bei Erlaubnis 5 164 ff. ––AG-Vorstand 11 335 ff.
––Kontrolle bei Verbot 5 157 ff. ––Entfall der Abmahnung 6 157
––Kontrolle mit Einwilligung 5 169 ––GmbH-Geschäftsführer 11 197 ff., 11 216 ff.
––Kontrolle, rechtssichere 5 171 ––Grundsatz der Unabdingbarkeit 6 149 ff.
––Muster 5 180 ––Kündigungserklärungsfrist 6 150
––private Nutzung 5 142 ff. ––materieller Kündigungsschutz 6 148
––Ausschluss 5 146 ff. ––unzulässige Beschränkung 6 152


552 Stichwortverzeichnis

––unzulässige Erweiterung 6 155 ––Muster 3 83


––unzulässige Kündigungserschwerungen 6 153 ––Rechtsfolgen 3 82 f.
––vertragliche Einschränkung 6 151 ––Vorratsvereinbarungen 3 70
––vertragliche Erweiterung 6 154 ff. ––Wirksamkeitsanforderungen 3 74 ff.
––vertraglicher Ausschluss 6 149
Kündigung, ordentliche 6 158 ff. L
––AG-Vorstand 11 325 ff. Legalitätspflichten 11 52 ff.
––beidseitige 11 330 Leistungsbeschreibungen 2 95
––beidseitiger Ausschluss 6 160 f. Lohnsteuer 4 14
––beidseitiger Ausschluss (Muster) 6 160 Loyalitätspflichten 11 84 ff.
––einseitige 11 331 ff. Lückentext 2 8
––einseitiger Ausschluss 6 162
––einseitiger Ausschluss (Muster) 6 162 M
––Vereinbarung eines günstigeren Schutzes Mandantenschutzklauseln
(Muster) 6 163 ––allgemeine 8 76 f.
––vertraglicher Ausschluss 6 159 ff. ––beschränkte 8 72 ff.
Kündigungserklärungsfrist ––Muster 8 73
––GmbH-Geschäftsführer 11 209 ––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 71 ff.
––Kündigung, außerordentliche 6 150 Mandantenübernahmeklauseln 8 78 ff.
Kündigungsfristen 6 164 ff. Mehrarbeit 3 49
––AG-Vorstand 11 327 Mehrurlaub
––Aushilfen 6 166 ff. ––Abgeltungsausschluss 5 78 ff.
––Berechnung der Beschäftigungszeiten ​ ––Muster 5 56
6 174 ff. ––ruhendes Arbeitsverhältnis 5 66
––einzelvertragliche Verlängerung 6 171 ff. ––Verfallklauselmuster 5 77
––gesetzliche Regelungen 6 164 ff. Mindestarbeitszeit bei Abrufarbeit 3 97
––Gleichbehandlungsklauseln 6 177 ff. Mindestlohn 4 110 ff.
––Gleichstellungsabrede (Muster) 6 179 ––anderslautende Vereinbarungen 4 121 f.
––GmbH-Geschäftsführer 11 181 f. ––Anwendungsbereich 4 111
––Grundkündigungsfrist 6 164 ––Arbeitszeit 4 112
––Kleinbetriebe 6 169 f. ––außerhalb des Mindestlohngesetzes 4 125 f.
––Kündigung vor Dienstantritt 6 187 ff. ––Sachleistungen 4 118 ff.
––Probezeit 6 181 ––Sittenwidrigkeit 4 123 f.
––verlängerte 6 165, 6 171 ff. ––Zulagen 4 114 ff.
Kündigungsschutz ––Zuschläge 4 114 ff.
––Anstellungsvertrag 11 186 ff. Mindestlohngesetz 3 122 ff.
––Erhöhung 6 163 Mitbestimmung
––GmbH-Geschäftsführer 11 186 ff. ––Abrufarbeit 3 114
––Kündigung, außerordentliche 6 148 ––Anstellungsvertrag 11 23
––vertragliche Umdeutungsklauseln 6 135 ––Arbeitszeitkonten 3 138
Kunstfreiheit 6 27 ––Fortbildungsklauseln 7 11
Kurzarbeit 3 69 ff. ––Kurzarbeit 3 73
––AGB 3 74 ––Vergütung 4 7
––Agentur für Arbeit 3 80 ––Versetzungsklauseln 3 22
––Angemessenheit 3 78 Mitteilungspflichten bei Arbeitsverhinderung ​
––Ankündigungsfrist 3 79 5 44
––Begriff 3 69 modifizierte Referenzperiode 5 70
––Betriebsrat 3 73
––Mitbestimmung 3 73


Stichwortverzeichnis 553

Muster ––GmbH-Geschäftsführer und Vertretung ​


––Abdingbarkeit der sachgrundlosen 11 109 ff.
Befristung 6 58 ––große dynamische Tarifwechselklausel 10 89
––Abfindungsvereinbarung 11 229 ––Herausgabe 8 9
––Abrufarbeit 3 114 ––Herausgabe durch GF 11 254
––Abwesenheitsassistenten EDV 5 178 ––Jeweiligkeitsklausel 10 157
––AG-Vorstand 11 284 ––Karenzentschädigung 8 65
––Altersgrenze 6 122 ––Kommunikationseinrichtungen 5 180
––Altersrente 11 235 ––konzernbezogene Wettbewerbsverbote 8 48
––Anstellungsvertrag, befristeter 11 223 ––Koppelungsklausel 11 241
––Anstellungsvertrag, unbefristeter 11 222 ––Kündigung AG-Vorstand 11 359
––Antidiskriminierung 5 103 ––Kündigung bei Aushilfen 6 168
––Arbeitsverhinderung 5 45 ––Kündigung in der Probezeit 6 182
––Arbeitsvertragsrichtlinien 10 168, 10 189 ––Kündigung nach Beschäftigungszeiten 6 174
––Arbeitszeit des GF 11 159 ––Kündigung vor Dienstantritt 6 186
––Arbeitszeitkonten 3 138 ––Kündigungsausschluss, beidseitiger 6 160
––Aufgaben/Pflichten des GF 11 99 ff. ––Kündigungsausschluss, einseitiger 6 162
––Auskunftspflicht des GF 11 253 ––Kündigungsfrist vor Dienstantritt 6 190
––Ausschlussfristen 4 34 f. ––Kündigungsfristen, verlängerte 6 173
––Befristung 6 103 ––Kündigungsgründe 6 146 f.
––Befristung auf Wunsch des Arbeitnehmers ​ ––Kündigungsgründe des GF 11 206
6 36 ––Kündigungsschutzerhöhung 6 163
––betriebsfremde Daten 5 179 ––Kurzarbeit 3 83
––Betriebsgeheimnisse 5 140 ––Mandantenschutzklauseln 8 73
––Bezüge des AG-Vorstand 11 309 ––Mehrurlaub 5 56
––Bezüge des GF 11 147 ––nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​
––Bezugnahme auf Arbeitsordnungen 10 147 8 21
––Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen ​ ––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 40,
10 144 8 96
––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 50 ff. ––nachvertragliches Wettbewerbsverbot des
––Datengeheimnis 5 109 GF 11 251
––Datenschutzerklärung 5 112 ––Nebentätigkeiten 5 15 f.
––Dienstwagen 4 55 ––Nebentätigkeitsverbot des GF 11 176
––Dienstwagen des GF 11 147 ––Nutzungsausschluss private
––Differenzierungsklauseln 10 107 Kommunikation 5 147
––Entgeltumwandlung 10 158 ––Nutzungserlaubnis private Kommunikation ​
––Erwerbsminderung 6 128 5 147
––feste Bonusklauseln 4 74 ff. ––Rechtswahlklausel 9 76
––Fortbildungsklauseln 7 5, 7 14 ––Rückzahlungsklauseln 7 42 f.
––Freistellung des GF 11 185 ––salvatorische Klausel 9 44 f.
––Freistellungsrecht bei gekündigten ––Schlussbestimmungen 11 255
Arbeitsverhältnis 6 202 ––Schriftformklauseln 9 29 f.
––Freistellungsrecht bei ungekündigten ––Tarifverträge 10 50 ff.
Arbeitsverhältnis 6 196 ––Tod des GF 11 220
––genehmigungsbedürftige Geschäfte 11 114 ff. ––Überstunden 3 68
––Gerichtsstandsklauseln 9 87 f. ––Urlaubsgeld 5 89
––Geschenke 5 100 ––Urlaubsquotelung 5 62
––Gleichstellungsabrede 6 179 ––Verschwiegenheitspflicht des GF 11 253
––Gleichstellungsabreden 10 83 ––Versetzungsklauseln 3 22


554 Stichwortverzeichnis

––vertragliche Umdeutungsklauseln 6 138 ––konzernbezogene 8 45 ff.


––Vertragsdauer AG-Vorstand 11 359 ––Mandantenschutzklauseln 8 71 ff., s. a. dort
––Vertragsstrafe 3 48 ––Mandantenübernahmeklauseln 8 78 ff.
––Verzicht auf nachvertragliche ––Muster 8 40
Wettbewerbsverbote 8 68 ––Muster (vollständig) 8 96
––Wettbewerbsverbot 5 33 ––nachträgliche 8 25
––Wettbewerbsverbot AG-Vorstand 11 317 ––Nichtigkeit 8 33
––Wettbewerbsverbot GF 11 174 ––Schadensersatz 8 82
––Zurückbehaltungsrecht 3 88 ––Schriftform 8 29
––Zweckbefristung 6 83 ––tätigkeitsbezogene 8 36
Mutterschutz 11 194 ––überraschende Klauseln 8 28
––unternehmensbezogene 8 37
N ––Unverbindlichkeit 8 34, 8 60
nachvertragliche Pflichten 8 1 ff. ––Vertragsstrafe 8 82 ff.
––Firmeneigentum 8 1 ff. ––Höhe 8 87 ff.
––Herausgabe 8 1 ff. ––Mehrfach-/Dauerverstöße 8 91 ff.
nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​ ––Zulässigkeit 8 84 ff.
8 10 ff. ––Verzicht des AG 8 67 ff.
––Abwägung 8 12, 8 14 ––Wettbewerbsfreiheit 8 23
––Abwägungskriterien 8 18 ff. Nachweisgesetz 10 45
––All-Klauseln 8 19 ––AGB 2 35
––BAG 8 13 ff. Nachweispflicht bei Abrufarbeit 3 98
––Betriebsgeheimnisse 8 17 Nebenabreden
––eigene Berufsausübung 8 15 ––Schriftformklauseln 9 20
––Erfahrungswissen 8 16 ––Vollständigkeitsklauseln 9 27
––Geschäftsvorgänge 8 17 Nebenpflichten 5 1 ff.
––Kantenbänder-Fall 8 17 ––AG-Vorstand 11 310 ff.
––Kundennamen 8 15 ––Antidiskriminierung 5 101 ff.
––Kundenschutz-Fall 8 15 ––Arbeitsverhinderung 5 34 ff., s. a. dort
––Muster 8 21 ––Begünstigungen s. Geschenke
––rechtliche Ausgangslage 8 11 ––Betriebsgeheimnisse 5 113 ff., s. a. dort
––Rechtsprechung des BAG 8 13 ff. ––Datengeheimnis 5 104 ff., s. a. dort
––Rezeptur 8 14 ––Datenschutzerklärung 5 110 ff.
––Thrombosol-Fall 8 14 ––Geschenke 5 94 ff., s. a. dort
––Titandioxid-Fall 8 16 ––GmbH-Geschäftsführer 11 165 ff.
––Vertragsstrafe 8 22 ––Kommunikationseinrichtungen 5 141 ff.,
nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 23 ff. s. a. dort
––AG-Vorstand 11 360 ––nachvertragliche Pflichten 8 1 ff., s. a. dort
––Arten 8 36 ff. ––nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​
––Aushändigung 8 30 8 10 ff., s. a. dort
––Auszubildende 8 26 ––nachvertragliche Wettbewerbsverbote ​
––bedingte 8 49 ff. 8 23 ff., s. a. dort
––berechtigtes geschäftliches Interesse des ––Nebentätigkeiten 5 1 ff., s. a. dort
AG 8 41 ff. ––Urlaub 5 46 ff., s. a. dort
––Form 8 27 ff. ––Wettbewerbsverbot 5 18 ff., s. a. dort
––gesetzliche Beschränkungen 8 24 f. Nebentätigkeiten 5 1 ff.
––GmbH-Geschäftsführer 11 246 ––AG-Vorstand 11 321
––im Arbeitsvertrag 8 28 ––Begriff 5 2
––Karenzentschädigung 8 53 ff., s. a. dort ––Berufsfreiheit 5 3


Stichwortverzeichnis 555

––Einwilligung 5 15 ––überraschende Klauseln 2 58


––Höchstarbeitszeiten 5 9 Rechtsgrundsätze der Inhaltskontrolle 2 92
––Konkurrenz 5 5 Rechtswahlklausel 9 46 ff.
––Muster 5 15 f. ––AGB 9 60
––Rechtsfolgen eines Verstoßes 5 14 ––ausdrückliche Regelung 9 56
––Überwachungspflichten des AG 5 9 ––Bedeutung der Rechtswahl 9 46
––Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 5 4, 5 15 ––Entsendungen 9 51
––Vertragsgestaltung 5 10 ––Form 9 57
––Vertragsstrafe 5 8 ––Grenzen der Rechtswahl 9 61 ff.
––Wettbewerbsverbot 5 6 ––Individualarbeitsverträge 9 53
––Widerrufsvorbehalt 5 16 ––Inlandsfall 9 55
Nettolohnabrede 4 10 ff. ––internationales Privatrecht 9 49
Neugründung und Befristung 6 65 ––Kollisionsfall 9 49
Nichtbestellung GF 11 30 ff. ––Kollisionsrecht 9 49 ff.
Nichtigkeit ––konkludente Regelung 9 56
––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 33 ––Muster 9 76
––salvatorische Klausel 9 31 ––Rom I-VO 9 49, 9 61 ff., s. a. dort
normausfüllende Klauseln 2 94 ––Teilrechtswahlklausel 9 58
––Tragweite des Arbeitsvertragsstatuts 9 52
O ––Vertragsstatut 9 54
Öffnungsklauseln 10 138 ff. Rechtsweg für Anstellungsvertrag 11 265
ordre public 9 74 Rechtswegzuständigkeit 9 84
Reduktionsklausel 9 32
P ––Formulararbeitsverträge 9 39
Parlamentsfraktion 6 28 regulierte Vergütung 4 109 ff.
Personalausschuss 11 261 ––Deutscher Corporate Governance Kodex ​
Pfändung der Vergütung 4 19 ff. 4 136 ff.
Prämie 11 136 ––Finanz-/Versicherungsbranche 4 140 ff.,
Preisabreden 2 95 s. a. InstV
Probearbeitsverhältnis ––InstV 4 141 ff., s. a. dort
––Befristung 6 31 ––Mindestlohn 4 110 ff., s. a. dort
––Vertrauensschutz 6 34 ––VorstAG 4 128 ff.
––Zeitraum 6 33 ––Vorstände einer AG 4 128 ff.
Probezeit Rentenversicherung 6 107
––Kündigung 6 180 ff. Ressortverteilung in GmbH 11 81
––Kündigungsfristen 6 181 Risk Taker 4 160
Projektbefristung 6 10 RL 2000/78/EG 6 112
Prorogation 9 77 ff. Rohgewinn-Tantieme 11 142
Provision Rom I-VO
––GmbH-Geschäftsführer 11 137 ––Ausweichstatut 9 64
––Vergütung 4 56 ff. ––Binnenmarktsachverhalte 9 70
Prozessvergleich über Befristung 6 46 ––Einbettungsstatut 9 69
Prüfungsmaßstab für überraschende Klauseln ​ ––Eingriffsnormen 9 71 ff.
2 48 ––Günstigkeitsvergleich 9 66 ff.
––Inlandsfall 9 69
R ––objektives Vertragsstatut 9 63
Rechtsfolgen ––ordre public 9 74
––AGB-widrige Klauseln 2 107 ff. ––Rechtswahlklausel 9 49, 9 61 ff.
––Kurzarbeit 3 82 f. ––Sachgruppenvergleich 9 67


556 Stichwortverzeichnis

Rückzahlungsklauseln 7 15 ff. ––Zugangsfiktion s. dort


––Auslöser der Rückzahlungspflichtt 7 31 ff. Schriftformklauseln 9 18 ff.
––Beweislast 7 40 ––AGB 9 23 ff.
––Bezifferung des Rückzahlungsbetrages 7 37 f. ––Aufhebung in Formulararbeitsverträgen 9 23
––Bindungsdauer 7 23 ff., s. a. dort ––Aufhebung in Individualverträgen 9 22
––Checkliste 7 41 ––betriebliche Übung 9 22
––Darlegungslast 7 40 ––deklaratorische 9 21
––Form 7 20 ––doppelte 9 19
––Fortbildungskosten 7 15 ff. ––einfache 9 19
––geldwerter Vorteil 7 21 ––geltungserhaltende Reduktion 9 24
––gesetzliche Verbote 7 17 ––konstitutive 9 21
––Klauselgestaltung 7 16 ff. ––Muster 9 29 f.
––Muster 7 42 f. ––Nebenabreden 9 20
––Reduzierung des Rückzahlungsbetrages 7 39 ––Tarifverträge 9 28
––Urlaubsgeld 5 93 ––Transparenzgebot 9 25
––Zeitpunkt 7 19 Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 2 1
ruhendes Arbeitsverhältnis Schuldrechtsreform 2 2
––Mehrurlaub 5 66 Schultz-Hoff-Entscheidung 5 72
––Urlaub 5 63 ff. Schutzniveau 2 2
––variable Vergütung 4 105 Selbstkontrahieren 11 55
Rundfunkfreiheit 6 26 selbstständige Strafversprechen 3 26
RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 6 114 Sittenwidrigkeit 4 123 f.
Sozialrecht 7 12
S Sozialversicherung 11 12
Sachgruppenvergleich 10 115 Sozialversicherungsabgaben 4 15
Sachleistungen 4 118 ff. Sperrminorität 11 13
salvatorische Klausel 9 31 ff. Spezialitätsprinzip 10 98
––Arten 9 32 Sport 6 29
––Beweislast 9 42 Steuerrecht
––Ersetzungsklausel 9 32 ––Anstellungsvertrag 11 24
––Formulararbeitsverträge 9 34 ff. ––Fortbildungsklauseln 7 13
––gesetzesverweisende Klausel 9 32 Stichtagsklauseln 4 65 ff.
––Individualarbeitsverträge 9 41 Stichtagsregelung 4 97 ff.
––Muster 9 44 f. Strafrecht 11 57
––Nichtigkeit 9 31 Streikrecht
––Reduktionsklausel 9 32 ––Arbeitsvertragsrichtlinien 10 184
––Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel 9 32 ––Kirchenrecht 10 164
Schadensersatz
––GmbH-Geschäftsführer 11 30 ff. T
––Kommunikationseinrichtungen 5 175 Tantieme 4 74
––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 82 ––Angemessenheitsgrenze 11 145
Schlussbestimmungen 9 1 ff. ––Anstellungsvertrag 11 139 ff.
––Anstellungsvertrag 11 255, 11 362 ff. ––Gewinntantieme 11 140
––Gerichtsstandsklauseln s. dort ––Halbteilungsgrundsatz 11 143
––Muster 11 255 ––Nur-Tantieme 11 142
––Rechtswahlklausel s. dort ––Rohgewinn-Tantieme 11 142
––salvatorische Klausel s. dort ––Umsatztantieme 11 141
––Schriftformklauseln s. dort ––verdeckte Gewinnausschüttung 11 143
––Vollständigkeitsklauseln 9 27 ––vorzeitige Beendigung 11 146


Stichwortverzeichnis 557

Tarifeinheitsgesetz ––Versetzungsklauseln 3 11
––Bezugnahme auf Tarifvertrag 10 121 ff. ––Verständlichkeitsgebot 2 84 f.
––Günstigkeitsprinzip 10 126 ––Vertragsstrafe 3 45
––Mehrheit der Arbeitnehmer 10 121 Transparenzkontrolle
––Minderheitentarifvertrag 10 127 ––Konzernversetzungsklausel 3 18
Tarifkonkurrenz 10 98 ––Umstandskontrolle 2 34
Tarifpluralität 10 98 ff. ––unangemessene Benachteiligung 2 78 ff.
Tarifsukzession 10 92 f. Treu und Glauben 2 80
Tarifverträge Treuepflicht
––Abrufarbeit 3 113 ––AG-Vorstand 11 269, 11 318
––Altersgrenze 6 107 ––GmbH-Geschäftsführer 11 165 ff.
––Befristung, sachgrundlose 6 60 ff. TzBfG 6 3, s. a. Befristung
––Begriff 10 3 ––Abrufarbeit 3 92 ff.
––Bezugnahme auf Tarifvertrag s. dort
––Bezugnahmeklauseln 10 2 ff. U
––Gerichtsstandsklauseln 9 83 überraschende Klauseln 2 42 ff.
––Organisationsgrad 10 4 ––Abweichung von Vertragserwartungen 2 45 ff.
––Schriftformklauseln 9 28 ––berechtigte Vertragserwartungen 2 49
––Tarifpluralität 10 98 ff. ––Beweislast 2 55 ff.
Tatsachenfiktion 9 9 ff. ––Bezugnahmeklauseln 10 28 ff.
Täuschungsverbot 2 87 ––Darlegungslast 2 55 ff.
Teilnichtigkeits-/Erhaltungsklausel 9 32 ––eindeutiger Hinweis 2 54
––Formulararbeitsverträge 9 36 ––entschiedene Anwendungsfälle 2 52
Teilrechtswahlklausel 9 58 ––Form 2 52
Teilunwirksamkeit von AGB 2 112 ––generelle Umstände 2 50 ff.
Teilverweisung 10 57 ––individuelle Umstände 2 53
Telefon s. Kommunikationseinrichtungen ––Inhalt 2 51
Thrombosol-Fall 8 14 ––nachvertragliche Wettbewerbsverbote 8 28
Titandioxid-Fall 8 16 ––negative Einbeziehungsvoraussetzung 2 42
Transfergesellschaft 4 5 ––Prüfungsmaßstab 2 48
Transparenzgebot ––Rechtsfolgen 2 58
––Abrufarbeit 3 96 ––Übertölpelungseffekt 2 47
––Auslegung 2 18 ––unerwartete Stelle 2 52
––Besonderheiten im Arbeitsrecht 2 89 ––Vertragsstrafe 3 34 ff.
––Bestimmtheitsgebot 2 86 ––Vertrauensschutz 2 43
––Beurteilungsmaßstab 2 82 Überstunden 3 49 ff.
––Bezugnahmeklauseln 10 142 ––Abrufarbeit 3 106
––Bindungsdauer 7 30 ––Anordnung 3 51 ff.
––Durchsetzung bestehender Rechte 2 81 ––Ausgleich von 3 59 ff.
––Einzelausprägungen 2 83 ff. ––Ausgleichsanspruch 3 67
––Inhaltskontrolle 2 60 ––Begriff 3 49
––irreführende Klauseln 2 87 ––betriebliche Erfordernisse 3 57
––Karenzentschädigung 8 55 ––Direktionsrecht 3 51
––Konzernversetzungsklausel 3 20 ––Gleichbehandlungsgrundsatz 3 52
––Schriftformklauseln 9 25 ––GmbH-Geschäftsführer 11 157
––Täuschungsverbot 2 87 ––Grenze 3 58
––Treu und Glauben 2 80 ––Muster 3 68
––unangemessene Benachteiligung 2 79 ––Notfälle 3 51
––variable Vergütung 4 61 ff. ––objektive Vergütungserwartung 3 61


558 Stichwortverzeichnis

––pauschale Vergütung 3 64 ff. Urlaubsgeld 5 89 ff.


––pauschale Vergütung, Höchstgrenzen 3 66 ––Muster 5 89
––Vergütung 3 60 ff. ––Rückzahlungsklausel 5 93
––Wirksamkeitsanforderungen der Anordnung ​ ––Stichtagsregelungen 5 90
3 54 ff. ––Verfallsklausel 5 92
Übertölpelungseffekt 2 47 ––Widerrufsvorbehalt 5 91
Umsatztantieme 11 141
Umstandskontrolle V
––AGB 2 34 variable Vergütung 4 60 ff.
––Transparenzkontrolle 2 34 ––Bindungsklausel 4 95 f.
Umwandlung 6 66 ––Entziehung erdienten Lohns 4 65 ff.
unangemessene Benachteiligung ––Ermessensregelung 4 100 ff.
––BAG 2 77 ––feste Bonusklauseln 4 74 ff.
––Beispiele 2 77 ––feste Bonusklauseln (Muster) 4 74 ff.
––BGH 2 76 ––Freiwilligkeitsvorbehalte 4 65 ff., 4 85 ff.
––Gesamtabwägung 2 75 ––Krankheit 4 106 ff.
––Höhe der Vertragsstrafe 3 40 ff. ––ruhendes Arbeitsverhältnis 4 105
––Inhaltskontrolle 2 74 ff. ––Stichtagsklauseln 4 65 ff.
––Transparenzgebot 2 79 ––Stichtagsregelung 4 97 ff.
––Transparenzkontrolle 2 78 ff. ––Tantieme 4 74
––Versetzungsklauseln 3 14 ––Transparenzgebot 4 61 ff.
––Vertragsstrafe 3 37 ff. ––Widerrufsvorbehalt 4 90 ff.
Unklarheitenregelung ––Zielvereinbarungen 4 80 ff.
––Auslegung 2 16 Verbandsklageverfahren
––Bezugnahmeklauseln 10 31 ff., 10 142 ––AGB 2 23
Unterlassung 2 23 ––Arbeitsrecht 2 24
Unternehmer ––Unterlassung 2 23
––private Zwecke 2 28 ––Verbraucherverbände 2 23
––Verbraucherverträge 2 28 ––Widerruf 2 23
unzumutbare Härte 2 108 Verbandstarifvertrag 10 98
Urlaub 5 46 ff. Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 5 4, 5 15
––anderweitige Erwerbstätigkeit 5 68 Verbraucher
––Ausgleichstätigkeiten 5 68 ––GmbH-Geschäftsführer 11 15
––Ausschlussfristen 5 81 ––Verbraucherverträge 2 27
––Einzelvergleich 5 46 Verbraucherverbände 2 23
––Fehlzeiten 5 63 ff. Verbraucherverträge
––Freistellungsabrede 5 83 ff. ––Arbeitsverträge als 2 27
––KHS-Schulte-Entscheidung 5 72 ––B2C-Vertrag 2 27
––Mehrurlaub 5 56 ––Unternehmer 2 28
––modifizierte Referenzperiode 5 70 ––Verbraucherbegriff 2 27
––Quotelung 5 60 ff. ––Vertragsbedingungen 2 10
––Quotelung (Muster) 5 62 verdeckte Gewinnausschüttung 11 143
––ruhendes Arbeitsverhältnis 5 63 ff. Verfallsklausel 5 92
––Schultz-Hoff-Entscheidung 5 72 Vergleichsrecht 2 64 ff.
––Staffelung 5 50 ff. Vergütung 4 1 ff.
––Übertragung des Urlaubs 5 54 ––AG als Schuldner 4 3
––überzahltes Urlaubsentgelt 5 86 ff. ––AG-Vorstand 11 297 ff.
––Urlaubsentgelt 5 70 ––Aktienoptionen 4 3
––Urlaubsgeld 5 89 ff., s. a. dort ––Anstellungsvertrag 11 119


Stichwortverzeichnis 559

––Arbeitszeitkonten 3 137 ––Wirksamkeitsanforderungen 3 6 ff.


––Arten 4 42 ff. ––Zulässigkeit 3 7
––Aufrechnung 4 25 ff. Verständlichkeitsgebot
––Aus-/Fortbildungskosten 4 59 ––Beispiele 2 85
––Ausschlussfristen 4 28 ff., s. a. dort ––Transparenzgebot 2 84 f.
––Ausschlussklauseln 4 38 vertragliche Umdeutungsklauseln 6 133 ff.
––Begriff 4 1 ––Antrag 6 136
––Betriebsrat 4 7 ––Ausschluss 6 137
––Car Allowance 4 55 ––Muster 6 138
––Dienstwagen 4 42 ff., s. a. dort ––Sonderkündigungsschutzrechte 6 135
––gerichtliche Durchsetzung 4 40 ––Umdeutung von Amts wegen 6 136
––InstV 4 152 ff. ––Wille des Kündigenden 6 134
––Karenzentschädigung 8 57 Vertragsänderung 11 263
––Kollision von Regelungen 4 8 f. Vertragsänderungsangebot 2 111
––Leistungen Dritter 4 3 Vertragsarbeitgeber 6 54
––Lohnsteuer 4 14 Vertragsaufhebung 11 263
––Mitbestimmung 4 7 Vertragsbedingungen
––Nettolohnabrede 4 10 ff. ––Aushandeln 2 8
––ohne Arbeitsleistung 4 6 ––Beweislast 2 31
––Pfändung 4 19 ff. ––Darlegungslast 2 31
––Provision 4 56 ff. ––Drittbedingungen 2 30
––Rechtsquellen 4 1 ––Einflussnehmen 2 33
––regulierte s. regulierte Vergütung ––Einmalbedingungen 2 22, 2 32
––Sozialversicherungsabgaben 4 15 ––einzelne Klauseln 2 9
––steuer-/abgabenfreie Lohnbestandteile 4 17 ––fingiertes Stellen 2 30
––Transfergesellschaft 4 5 ––gründliche Erörterung 2 8
––Überstunden 3 60 ff. ––Individualabrede 2 7
––variable s. variable Vergütung ––Lückentext 2 8
––Verjährung 4 39 ––Nachweisgesetz 2 35
Verjährung der Vergütung 4 39 ––Stellen der 2 7 f., 2 30
Verschwiegenheitspflicht ––unterschiedliche Angebotsalternativen 2 8
––AG-Vorstand 11 310 ff., 11 361 ––Verbraucherverträge 2 10
––GmbH-Geschäftsführer 11 92, 11 168 ff., 11 252 ––vorformulierte 2 5
Versetzungsklauseln 3 5 ff. Vertragsstatut 9 54
––AGB 3 6 Vertragsstrafe
––AGB-rechtlicher Prüfungsumfang 3 8 ff. ––Arbeitsleistung 3 23 ff.
––Ausübungskontrolle 3 21 ––Begriff 3 25
––Betriebsrat 3 22 ––Besonderheiten des Arbeitsrechts 3 33
––echte Direktionsrechtserweiterung 3 10, 3 14 ––Betriebsgeheimnisse 5 140
––geringwertige Tätigkeiten 3 14 ––Form 3 31
––Gleichwertigkeitsgarantie 3 15 ––Formulararbeitsverträge 3 32 ff.
––höherwertige Tätigkeiten 3 17 ––geltungserhaltende Reduktion 3 48
––Konzernversetzungsklausel 3 18 ff., s. a. dort ––gesetzliche Verbote 3 28 ff.
––Mitbestimmung 3 22 ––Höhe der 3 40 ff.
––Muster 3 22 ––Muster 3 48
––örtliche Beschränkung 3 16 ––nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ​
––Transparenzgebot 3 11 8 22
––unangemessene Benachteiligung 3 14 ––nachvertragliches Wettbewerbsverbot 3 31,
––unechte Direktionsrechtserweiterung 3 9 8 82 ff.


560 Stichwortverzeichnis

––Nebentätigkeiten 5 8 ––Vorbereitungsmaßnahmen 5 24
––selbstständige Strafversprechen 3 26 ––Widerrufsvorbehalt 5 30
––Sicherungsfunktion 3 24 Whistleblowing 5 128 ff.
––Transparenzgebot 3 45 Widerruf 2 23
––überraschende Klausel 3 34 ff. Widerrufsvorbehalt
––unangemessene Benachteiligung 3 37 ff. ––Nebentätigkeiten 5 16
––Verschuldenserfordernis 3 47 ––Urlaubsgeld 5 91
––verschuldensunabhängige 3 43 ––variable Vergütung 4 90 ff.
––Wirksamkeitsanforderungen 3 27 ff. ––Wettbewerbsverbot 5 30
––Zulässigkeit 3 33 Willenserklärungen 9 1 ff.
Vertragszweckgefährdung
––Inhaltskontrolle 2 72 Z
Vertrauensschutz Zeitarbeitnehmer
––überraschende Klauseln 2 43 ––Abrufarbeit 3 94
Vertretung ––Arbeitszeitkonten 3 119 ff.
––AG-Vorstand 11 277 Zielvereinbarung
––GmbH-Geschäftsführer 11 105 ff. ––Anknüpfungspunkte 11 127
Vertretungsbedarf ––Anstellungsvertrag 11 125 ff.
––Befristungsketten 6 24 ––Checkliste 11 129
––kausaler Zusammenhang 6 25 ––Rechtsgrundlage 11 128
––Prognose 6 22 ––variable Vergütung 4 80 ff.
––Stammkraft 6 23 Zugang 9 2
––vorübergehender 6 20 Zugangsfiktion 9 1 ff.
Verwendungsabsicht 2 6 ––AGB 9 14
Vielzahl von Verträgen 2 6 ––deklaratorische 9 7
Vollständigkeitsklauseln 9 27 ––konstitutive 9 5
Vollzeitkräfte 3 92 ––Tatsachenfiktion 9 9 ff.
Vorbeschäftigungsverbot 6 52 ––Willenserklärungen 9 1 ff.
vorformulierte Vertragsbedingungen 2 5 ––Wirksamkeit 9 4 ff.
Vorratsvereinbarungen 3 70 ––Zugang 9 2
VorstAG 4 128 ff. ––Zugangsvereitelung 9 2
––AG-Vorstand 11 299 ––Zugangsvermutung 9 12
Zulagen
W ––InstV 4 158
Werbungskosten 7 13 ––Mindestlohn 4 114 ff.
Wettbewerbsfreiheit 8 23 Zulässigkeit
Wettbewerbsrecht ––Arbeitszeitkonten 3 118
––Betriebsgeheimnisse 5 117 f. ––Versetzungsklauseln 3 7
––GmbH-Geschäftsführer 11 58 ––Vertragsstrafe 3 33
Wettbewerbsverbot 5 18 ff. Zurückbehaltungsrecht 3 84 ff.
––AG-Vorstand 11 314 ––Arbeitsmittel 3 86
––GmbH-Geschäftsführer 11 85 ff., 11 171 ff. ––Arbeitspapiere 3 86
––Kündigung 5 32 ––Beendigung des Arbeitsverhältnisses 3 85
––Muster 5 33, 11 174 ––Herausgabe 8 7 f.
––nachvertragliches 5 21, 8 23 ff. ––Individualabrede 3 88
––Nebentätigkeiten 5 6 ––Klauselverbot 3 87
––Rechtsfolgen eines Verstoßes 5 31 ––Muster 3 88
––vertragliches 5 19 ff. ––Vertragsgestaltung 3 87
––Vertragsstrafe 3 31 Zuschläge 4 114 ff.


Stichwortverzeichnis 561

Zweck 6 82 Zweckerreichung 6 80, 6 83


Zweckbefristung 6 7 Zweckmäßigkeitserwägungen 2 67
––Muster 6 83

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