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> THEMA: KARTOGRAFIE UND KULTURGÜTERSCHUTZ KGS

> 22.2014 > THÈME: CARTOGRAPHIE ET PROTECTION DES BIENS CULTURELS PBC
> TEMA: CARTOGRAFIA E PROTEZIONE DEI BENI CULTURALI PBC
> THEME: CARTOGRAPHY AND THE PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY PCP

CARTOGRAPHIE ET PROTECTION DES BIENS CULTURELS

CARTOGRAPHY AND THE PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY


CARTOGRAFIA E PROTEZIONE DEI BENI CULTURALI
KARTOGRAFIE UND
KULTURGÜTERSCHUTZ
FORUM NR. 22 / 2014

INHALT
CONTENU Christoph Flury
Editorial: Kartografie und Kulturgüterschutz ..................................... 3
CONTENUTO

CONTENT Beiträge zur Kartografie in der Schweiz


Hans-Uli Feldmann
Streiflichter zur Karten- und Kartografiegeschichte der Schweiz...... 9

Jost Schmid
Hans Conrad Gygers Grenzkarte von 1635 –
erbeutet, verschollen, ersteigert ...................................................................21
TITELBILD |
COUVERTURE | IMMAGINE Hans Laupper
DI COPERTINA | COVER Glarus im Auge der Welt ....................................................................... 27

Nachdem Jos Murer 1560 bereits eine Gilbert Coutaz


Karte des Kantons Zürich erstellt hatte, L'importante collection de cartes historiques
erschien 1576 dieser Holzschnittplan, des Archives cantonales vaudoises. .................................................... 38
der die Stadt Zürich aus der Vogelschau
zeigt. Beeindruckend ist vor allem auch Cornelia Stäheli
die Fülle der Details, welche Einblicke in Der Umzug der Knoepfli-Sammlung nach Frauenfeld...................... 45
das Strassenleben der damaligen Zeit
geben (vgl. kleiner Bildausschnitt). Karl Schmuki
Der St. Galler/Zürcher Globus: ein wertvolles Kunstwerk im Blick-
Après une première carte du canton de punkt des Kulturgüterstreits zwischen Zürich und St. Gallen .......... 53
Zurich en 1560, Jos Murer réalisa en
1576 une gravure sur bois représentant Philippe Müller
une vue à vol d’oiseau du chef-lieu. La Von der UdSSR flächendeckend kartografiert –
profusion des détails faisant revivre la sowjetische Generalstabskarten der Schweiz ..................................... 59
vie des rues de cette époque est fabuleuse
(cf. détail dans l'encadré). Daniela Brandt, Beat Tschanz
Kulturgüterschutz aus der Perspektive des Geoportals geo.admin.ch... 65
Dopo aver disegnato, nel 1560, una
mappa del Canton Zurigo, nel 1576 Jos Rino Büchel
Murer ha realizzato una pianta xilo- Kulturgüterschutzmassnahmen für historische Karten ................... 71
grafica con una veduta a volo d’uccello
della città di Zurigo. La notevole quanti- Christian Häberling, Stefan Arm, Thomas Schulz
tà di dettagli fornisce un’idea della vita Erwerb von kartografischem Wissen in der Schweiz –
che si svolgeva nelle strade a quell’epoca ein Kurzüberblick.................................................................................. 76
(vedi piccolo estratto della pianta).

Having produced a map of the canton of Beiträge aus dem Ausland


Zurich in 1560, Jos Murer went on to Ekkehard Weber
make this xylograph offering a bird’s eye Die Tabula Peutuingeriana – mittelalterliche Kopie einer
view of the city in 1576. The detail is spätrömischen Weltkarte und UNESCO-Weltkulturerbe ................. 82
astounding, affording the modern viewer
an insight into day-to-day life in the Renate Seemann
16 th century (see small detail). Fünf Flurkarten aus dem 18. Jh. aus Mecklenburg-Vorpommern ..... 91

© Zentralbibliothek Zürich. Sally Hopman / National Library of Australia


Sign.: 4_Lb_02_2 Archipelagus Orientalis, sive Asiatici, 1663 ........................................ 97

Service
NIKE: 21. Europäische Tage des Denkmals 2014 .............................. 100
Cartographica Helvetica: Hinweis auf die Fachzeitschrift ............. 102
Impressum / Adressen KGS ............................................................... 103

Seite 2 5.14 2000 860332915


CHRISTOPH FLURY
INHALT VIERFARBIG

EDITORIAL Um das Thema «Kartogra-


fie» entsprechend wirksam
darstellen zu können, durfte
der Inhalt dieses Hefts aus-
nahmsweise vierfarbig ge-
KARTOGRAFIE druckt werden.

UND KULTURGÜTERSCHUTZ Der Fachbereich KGS be-


dankt sich herzlich bei den
zuständigen Stellen, die dies
ermöglicht haben.

Liebe Leserinnen und Leser malerei in der Türkei bezeichnet


(Çatalhöyük, um 6200 v. Chr.)1,
Seit je hatten Menschen das Be- die 1963 im Rahmen von archäo-
dürfnis, sich in ihrer Umgebung logischen Grabungen gefunden
orientieren zu können. Als Fix- wurde. Ein zweites Objekt, das
punkte dienten neben den Him- ich erwähnen möchte, befi ndet
melskörpern stets auch auffällige sich seit 2002 im Landesmuseum
topografische Erscheinungen. Ge- für Vorgeschichte in Halle (D)2.
wässer, Berggipfel oder markante 1999 wurde in Sachsen-Anhalt
Christoph Flury. Einzelbäume wurden in gewis- in einer Steinkammer die «Him-
Stv. Direktor des sen Kulturkreisen aufs Höchste melsscheibe von Nebra» entdeckt
Bundesamtes für verehrt. Später übernahmen Ar- (vgl. Abb. 1). Diese Bronzescheibe
Bevölkerungsschutz chitekturformen wie Kirchtürme aus der Zeit zwischen 1800 und
(BABS). Historiker. oder Hochhäuser richtungswei- 1600 v. Chr., die als bislang ältes-
Als Leiter der sende Funktionen. Und im Gebir- te konkrete Himmelsdarstellung
Abteilung Zivil- ge etwa lenken bis zum heutigen gilt, hat einen Durchmesser von
schutz im BABS Tag zu Türmen aufgeschichtete rund 32 cm und ein Gewicht von
auch zuständig für Steine die Wandernden auf den ca. 2,3 kg. Seit Juni 2013 gehört sie
den Fachbereich richtigen Pfad im unwegsamen zum UNESCO-Register «Memo-
Kulturgüterschutz. Gelände. ry of the World». Rund 80'000 Be-
sucherinnen und Besucher konn-
Auch die Kartografie dient in ers- ten dieses faszinierende Objekt
ter Linie der Orientierung. Als 2006/07 im Rahmen einer Aus-
ältestes entdecktes kartografi- stellung auch im Historischen
sches Dokument wird eine Wand- Museum Basel bewundern.
1
Im Mittelalter nahm die Zahl der
Himmelsscheibe kartografischen Darstellungen
von Nebra, zu. Diese Objekte wurden nicht
frühe Bronzezeit nur immer detailreicher, sondern
ca. 1600 v. Chr.; waren aufgrund ihrer Einmalig-
Foto: © Landesamt keit, Farbvielfalt und Darstel-
für Denkmalpflege lungskraft oft wahre Kunstwer-
und Archäologie ke. Karten sind aber nicht nur
Sachsen-Anhalt, attraktive, farbenstarke Artefak-
Juraj Lipták. te, sondern machen stets auch
Nähere Angaben zu Aussagen zu einem bestimmten
diesem Objekt sind Gebiet. Die Beiträge im vorlie-
zu finden unter: genden Heft geben einen guten
www.lda-lsa.de/ Überblick über die Themenviel-
himmelsscheibe_ falt – von historischer Strassen-
von_nebra/ forschung über Rechtssicherheit,
oder via: http://de. Grenz- und Katastereinteilung,
wikipedia.org/wiki/ militärische Anwendungen bis
Himmelsscheibe_ 1 hin zu regions- und themenspe-
von_ Nebra zifischen Sammlungen.

Seite 3
2 Ausschnitte aus der Gefahrenkarte «Hochwasser» des Abb: © Kartenausschnitte mit
3 Kantons Obwalden in zwei Zeitständen (vor 2005, Abb. 2 Bewilligung des Amtes für Wald
/ 2009, Abb. 3). Gefahrenkarten stellen jeweils nur eine und Landschaft OW, Abteilung
Momentaufnahme dar und müssen deshalb periodisch Naturgefahren.
aktualisiert werden. Ereignisse wie die schweren Hoch-
wasser von 2005/2007 können zu einer veränderten
Risikobeurteilung führen.

Der zurzeit aktuelle Stand der Gefahrenkarte ist unter Gefahrenstufen (Farben)
http://www.gis-daten.ch/index.php?id=51 abruf bar. rot: erhebliche Gefährdung
Der Kanton Obwalden wird in diesem Ausschnitt unter blau: mittlere Gefährdung
anderem aufgrund des Abschlusses eines Hochwasser- gelb: geringe Gefährdung
schutzprojektes (Grosse Melchaa) in diesem Jahr eine schraffiert: Restgefährdung
weitere Aktualisierung vornehmen müssen. weiss: keine Gefahr

Seite 4
4 Eine Mitarbeiterin der Nationalen 5 Beispiel einer im Rahmen der Übung
Alarmzentrale (NAZ) im BABS Odysseus im November 2013
erstellt mit Hilfe der Elektronischen erstellten Lagekarte (Übungsanlage
Lagedarstellung (ELD) Lageberichte war ein KKW-Störfall).
und -karten. Foto: © NAZ, BABS. Foto: © NAZ, BABS.

Im vorliegenden Heft werden je-


doch nicht nur historische Karten
vorgestellt, sondern auch heutzu-
tage in elektronischer Form vor-
liegende Geobasisdaten.

Thematische Karten sind von un-


schätzbarer Bedeutung. Gerade
auch im Bereich des Bevölke-
rungsschutzes sind wir vermehrt
auf solche Grundlagen angewie- 4
sen. So zeigen etwa die Gefahren-
karten auf, welche Gebiete durch
Hochwasser, Lawinen, Rutschun- und Lagezentrum des Bundes. Sie von rund 350 nationalen Geoda-
gen oder Felsstürze bedroht sind steht dabei in engem Kontakt mit tensätzen steht im Geoportal des
(vgl. Abb. 2 und 3, S. 4). Man er- den kantonalen Führungsorga- Bundes nämlich auch das Kultur-
hält dadurch wichtige Entschei- nen und erstellt mit Hilfe der güterschutzinventar zur Verfü-
dungsgrundlagen für ein umfas- Elektronischen Lagedarstellung gung. Die Standorte der rund
sendes Risikomanagement, wenn (ELD) regelmässig Lageberichte 3200 Kulturgüter von nationaler
es darum geht, Massnahmen zur und Lagekarten, welche die Si- Bedeutung werden sowohl in den
Risikoverminderung oder aber tuation und die zu erwartenden militärischen Systemen wie auch
Instrumente für die Notfallpla- Entwicklungen auf nationaler in der ELD der NAZ gespiegelt.
nung vorzusehen. Entscheidend Ebene zusammenfassen (Abb. 4 Zudem kann das KGS-Inventar
sind solche Informationsgrund- und 5). mit anderen Geodaten kombi-
lagen gerade auch im Ereignis- niert werden, liefert zusätzliche
fall. Bei schweren Unwettern etwa Nicht zuletzt profitiert auch der Informationen in Form von Bild-
betreibt die Nationale Alarmzen- Kulturgüterschutz von diesen und Textmaterial (vgl. S. 67 im
trale (NAZ) im BABS das Melde- neuen Möglichkeiten. Als einer vorliegenden KGS Forum) und
trägt so entscheidend dazu bei,
eine breite Bevölkerung zu sensi-
bilisieren – alles im Hinblick da-
rauf, das Verständnis und die
Bereitschaft für den Schutz von
Kulturgütern in der Schweiz auf
allen Ebenen vermehrt zu för-
dern.

ANMERKUNGEN

1 vgl. www.kartografieausbildung.ch/
lehrzeit/kartengeschichte.pdf [S. 2]
2 vgl. z.Bsp. http://de.wikipedia.org/
wiki/Himmelsscheibe_von_ Nebra
oder www.unesco.de/8003.html
5

Seite 5
ÉDITORIAL:

CARTOGRAPHIE ET

PROTECTION DES BIENS CULTURELS

Chers lecteurs, gnage de l'âge du Bronze lors quand il s'agit de développer des
d'une exposition organisée en mesures visant la réduction des
Depuis toujours, les êtres hu- 2006 et 2007 au Musée d'histoire risques ou des instruments de
mains ont eu besoin de s'orienter naturelle de Bâle. planification d'urgence, décisifs
dans leur milieu environnant. lors d'événement. En cas d'in-
Outre les corps célestes, ils utili- A partir du Moyen Âge, les repré- tempéries, la Centrale nationale
saient autrefois des points de re- sentations cartographiques sont d'alarme (CENAL) de l'OFPP gère
père topographiques. Dans cer- de plus en plus nombreuses et le Centre fédéral d'annonce et de
taines cultures, des cours d'eau, détaillées. En raison de leur ca- suivi de la situation. Elle reste en
des montagnes ou des arbres iso- ractère unique, de la richesse de contact étroit avec les organes de
lés étaient vénérés comme des leurs couleurs et de leur pouvoir conduite cantonaux et, au moyen
symboles divins. Plus tard, les expressif, elles sont souvent con- de la présentation électronique
hommes se sont servis de l'archi- sidérées comme de véritables de la situation (PES), élabore en
tecture pour s'orienter sur le ter- œuvres d'art. Mais l'intérêt pour continu des rapports et des cartes
rain, en prenant par exemple les les cartes dépasse la simple appa- qui résument la situation actuelle
clochers ou les grands bâtiments rence, car elles fournissent égale- et les développements prévisibles
comme points de repère. En mon- ment des informations impor- à l'échelon national (cf. ill. 4 et 5,
tagne, les randonneurs se fient tantes sur une région à un mo- p. 6).
toujours aux tours de pierres em- ment donné. Les articles de ce
pilées qui indiquent la voie à «Forum PBC» offrent un aperçu La protection des biens culturels
suivre. des différents aspects de la carto- profite également de ces nou-
graphie: recherche sur les voies velles possibilités. Parmi les 350
L'orientation est aussi l'objectif historiques, sécurité juridique, entrées de géodonnées natio-
principal de la cartographie. Le frontières, cadastres, utilisation nales, le géoportail de la Con-
plus ancien document cartogra- des cartes à des fi ns militaires et fédération recense l'Inventaire
phique connu serait une fresque collections cartographiques spé- PBC. Les emplacements des quel-
qui daterait de 6200 av. J.-C. env., cifiques à une région ou à un que 3200 biens culturels d'impor-
découverte lors de fouilles ar- thème. tance nationale sont reportés tant
chéologiques en 1963 à Çatal- dans les systèmes militaires que
höyük en Turquie. Un autre objet Le présent numéro traite égale- dans la PES. En outre, l'Inventaire
intéressant se trouve depuis 2002 ment des géodonnées actuelle- PBC peut être combiné avec
au Musée de la préhistoire de ment disponibles sous forme d'autres géodonnées et fournit
Halle, en Allemagne. Il s'agit du électronique. Les cartes théma- des informations supplémen-
disque de Nebra, découvert en tiques jouent aujourd'hui un rôle taires sous forme de textes et
1999 lors de fouilles illégales en prépondérant. Les informations d'images (cf. p. 67 de ce Forum
Saxe-Anhalt (cf. ill. 1. p. 3). Ce qu'elles fournissent sont égale- PBC), contribuant ainsi à la sensi-
disque de bronze, d'un diamètre ment très utiles pour le domaine bilisation du grand public. L'ob-
de 32 cm et pesant 2,3 kg, a vrai- de la protection de la population. jectif est de faciliter la compré-
semblablement été réalisé entre Par exemple, les cartes des dan- hension du sujet et de promouvoir
1800 et 1600 av. J.-C. et est consi- gers (cf. ill. 2 et 3, p. 4) montrent la protection des biens culturels
déré comme la plus ancienne re- les zones menacées par les inon- en Suisse à tous les niveaux.
présentation du ciel. Depuis juin dations, les avalanches, les glisse-
2013, il est inscrit au registre «Mé- ments de terrain ou les coulées de Christoph Flury
moire du monde» de l'Unesco. boue. On obtient ainsi de pré-
Environ 80'000 visiteurs ont pu cieuses bases de décision pour la
admirer ce merveilleux témoi- gestion des risques, par exemple

Seite 6
EDITORIALE:

CARTOGRAFIA E

PROTEZIONE DEI BENI CULTURALI

Cari lettori, testimonianza dell'età del bronzo sure di mitigazione dei rischi o
durante un'esposizione organiz- strumenti di pianificazione delle
dalla notte dei tempi l'essere zata nel 2006/2007 presso il Mu- emergenze, decisivi in caso d'e-
umano ha sempre avuto bisogno seo di storia naturale di Basilea vento. Per esempio, in caso di gra-
di orientarsi nell'ambiente che lo (vedi fig. 1, p. 3). ve maltempo la Centrale naziona-
circonda. A questo scopo si è av- le d'allarme (CENAL) dell'UFPP
valso, oltre che dei corpi celesti, Dal Medioevo in poi le rappre- gestisce il Centro federale di no-
di punti di riferimento topografi- sentazioni cartografiche sono di- tifica e di analisi della situazione.
ci. In alcune culture, corsi e spec- ventate sempre più numerose e Essa rimane in stretto contatto
chi d'acqua, montagne oppure dettagliate. Grazie alla loro unici- con gli organi di condotta canto-
alberi isolati erano infatti venera- tà, ricchezza cromatica e forza nali e, servendosi della presenta-
ti come simboli divini. Più tardi, espressiva sono spesso considera- zione elettronica della situazione
per orientarsi sul terreno ci si è te vere e proprie opere d'arte. Ma (PES), redige costantemente rap-
basati su forme architettoniche l'interesse per le mappe va oltre il porti e carte della situazione che
verticali, come campanili o edifi- mero aspetto estetico, poiché for- riassumono la situazione e gli
ci particolarmente alti. In monta- niscono anche informazioni im- sviluppi previsti a livello nazio-
gna gli escursionisti si affidano portanti su una regione in un nale (fig. 4 e 5, p. 5).
tuttora agli ometti (torrette di dato momento storico. Gli artico-
sassi impilati) che segnalano la li del presente numero di «Forum Anche la protezione dei beni cul-
via da seguire. PBC» offrono una panoramica turali approfitta di queste nuove
sulla varietà tematica della carto- possibilità. Tra i 350 record di ge-
Anche la cartografia serve in pri- grafia. Trattano la ricerca sulle odati nazionali, nel geoportale
mo luogo all'orientamento. Si ri- vie storiche, la sicurezza del dirit- della Confederazione è infatti di-
tiene che il più antico documento to, la divisione dei confi ni, l'alle- sponibile anche l'Inventario della
cartografico conosciuto sia un stimento di catasti, l'applicazione protezione dei beni culturali. Le
murale scoperto durante gli scavi militare delle mappe e le collezio- ubicazioni dei circa 3'200 beni
archeologici del 1963 a Çatal- ni cartografiche specifiche a una culturali d'importanza nazionale
höyük in Turchia, datato attorno regione o a un tema. sono riportate sia dai sistemi mi-
al 6200 a. C. Un altro oggetto de- litari, sia dalla PES della CENAL.
gno di nota si trova dal 2002 nel Oltre alle mappe storiche, vengo- Inoltre, l'Inventario PBC può es-
museo della preistoria di Halle, no presentati anche gli attuali sere combinato con altri geodati,
in Germania. Si tratta del cosid- geodati di base disponibili in for- fornisce informazioni supple-
detto «disco di Nebra», rinvenuto ma elettronica. Le carte tematiche mentari sotto forma di testi e im-
nel 1999 da saccheggiatori di tom- assumono oggi un ruolo molto magini (vedi p. 67 di questo Fo-
be in una cavità in pietra sul Mit- importante. Anche nel settore rum PBC) e contribuisce così a
telberg, in Sassonia-Anhalt. Que- della protezione della popolazio- sensibilizzare una larga fascia di
sto disco di bronzo, realizzato ne dipendiamo sempre più da popolazione. Il tutto allo scopo di
presumibilmente tra il 1800 e il informazioni di questo tipo. Le favorire la comprensione del te-
1600 a. C., dal diametro di 32 cm carte dei pericoli mostrano ad ma e promuovere la disponibilità
e dal peso di 2,3 kg, è considerato esempio quali zone sono minac- a proteggere i beni culturali in
la più antica rappresentazione del ciate da inondazioni, valanghe, Svizzera a tutti i livelli.
cielo, e dal giugno del 2013 è scoscendimenti o frane (fig. 2 e 3,
iscritto nel registro «Memory of p. 4). Si ottengono così basi deci- Christoph Flury
the World» dell'UNESCO. Circa sionali importanti per la gestione
80'000 visitatori hanno potuto integrale dei rischi, ad esempio
ammirare questa meravigliosa quando si tratta di elaborare mi-

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EDITORIAL:

CARTOGRAPHY AND THE

PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY

Since time immemorial humans Mapmaking flourished in the with the cantonal command and
have needed to fi nd their way Middle Ages. Many of these car- control committees and generates
around. In the beginning they tographic representations are so regular situation reports and
used the heavens and distinctive highly detailed, expertly drawn maps using its Electronic Situa-
topographical features to guide and beautifully coloured that tion Display (ESD). These docu-
them to their destination. For they rank as works of art. Howev- ments provide an overview of the
some cultures, water courses, er, maps are not only decorative. situation and expected develop-
mountain peaks and lone trees They are also functional objects ments at the national level (Fig-
were the landmarks of choice. that provide information about a ures 4 and 5).
Later, nature gave way to man- given geographical area. This is-
made objects like church towers sue of PCP Forum explores this Last but not least, the Protection
and high-rise buildings. Even to- fascinating and multifaceted sub- of Cultural Property has also
day, hikers still use cairns to nav- ject. The articles touch on re- seized these new opportunities.
igate their way through rugged search of historical roads and The PCP Inventory is one of 350
mountain terrain. routes, legal certainty, boundary national geodata sets available on
and cadastral division, military the federal geoportal. The sys-
The primary purpose which car- applications as well as regional tems used by the Swiss Armed
tography serves is that of a geo- and thematic map collections. Forces as well as the Electronic
graphical guide. The earliest Situation Display of the ESD also
cartographic representation is There are also several articles contain the locations of around
believed to be a wall painting which look at modern mapmak- 3,200 cultural objects of national
(from around 6200 BC), which ing techniques using geobase importance. The PCP Inventory
was uncovered during excava- data and digital technology. The- geodata set can be combined with
tions at the archaeological site of matic maps are of inestimable other geodata sets, offers addi-
Çatalhöyük (Turkey) in 1963. importance and have become key tional information in the shape of
Another stand-out piece is the reference documents for civil images and texts (see p. 67), and
“Nebra sky disk”, which has protection efforts. For example, greatly helps to raise public
been in the safekeeping of the hazards maps show areas are at awareness – all with a view to
Halle State Museum of Prehisto- risk of flooding, avalanches, fostering a greater understand-
ry (Germany) since 2002. This landslides or rockfalls (Figures 2 ing and willingness to protect
bronze disk, measuring 32 cm in and 3). This information provides Switzerland's entire cultural her-
diameter and weighing around a firm basis on which to make itage.
2.3 kg, dates from somewhere comprehensive risk management
between 1800 BC and 1600 BC, decisions on risk reduction meas- Christoph Flury
and was discovered in the moun- ures or contingency planning
tains of Sachsen-Anhalt. It is instruments. These maps serve as
considered to be the world's old- a very useful reference point in
est depiction of the cosmos and emergency situations, such as an
was included on the UNESCO extreme weather event. In Swit-
“Memory of the World” register zerland, the National Emergency
in June 2013. This intriguing ar- Operations Centre (NEOC),
tefact was seen by around 80,000 which is part of the Federal Office
visitors when it was displayed as for Civil Protection (FOCP), acts
part of an exhibition at the Basel as the National Monitoring and
History Museum in 2006/7 (cf. Information Centre (MIC) in
Figure 1). these situations. It liaises closely

Seite 8
HANS-ULI FELDMANN

STREIFLICHTER ZUR KARTEN-


UND KARTOGRAFIEGESCHICHTE
DER SCHWEIZ

In der Geschichte der Kartogra- und in zwei Exemplaren in Wien


fie spiegeln sich die politische respektive in Zürich erhalten.
sowie die kulturelle und wis-
senschaftliche Geschichte eines
Landes. Sie kann deshalb nicht DIE ZEIT
unabhängig davon betrachtet DER HUMANISTEN
werden. Die Entwicklung der
Kartografie in der Schweiz wur- Auf Türsts Karte basieren wie-
de vor allem durch die zeitli- derum die ersten zwei, im Holz-
chen Umstände bestimmt und schnittverfahren gedruckten Kar-
Hans-Uli Feldmann, durch die topografi sche Gliede- ten von Martin Waldseemüller
Kartograf. rung sowie die teilweise beste- (1513) und Lorenz Fries (1522). Bei-
Ehemaliger Leiter hende Unzugänglichkeit des de Karten erschienen in den soge-
der Thematischen Landes beeinflusst. Weil sich nannten Strassburger Ptolemäus-
Kartografie bis zum Ende des 18. Jahrhun- Ausgaben. Eine Verbesserung des
(1984–1997) derts das ganze staatliche Leben Kartenbildes der Schweiz erfolgte
und des Bereichs in den einzelnen Kantonen ab- bereits 1538 mit der Karte «Nova
Kartografie spielte, beschränkte sich auch Rhaetiae […]» von Aegidius Tschu-
(1997–2008) beim die Kartografie auf deren Dar- di aus Glarus im Massstab von ca.
Bundesamt für stellung, wobei sie weitgehend 1:350'000 (Abb. 2, S. 12). Die ersten
Landestopografie auf privater Initiative beruhte. Karten von Türst und Tschudi zei-
swisstopo. Präsi- Erst im 19. Jahrhundert, vor al- gen das wachsende Selbstbewusst-
dent (1996–2005) lem mit dem Übergang vom sein und den Nationalstolz der
und Ehrenmitglied Staatenbund zum Bundesstaat, Schweiz sowie das erwachende
der Schweizeri- wurde die Kartografie eine ge- Bedürfnis nach konkreter An-
schen Gesellschaft samtschweizerische Angelegen- schauung. Im 16. Jahrhundert ent-
für Kartografie. heit. standen auch die ersten Regional-
Chefredaktor der karten: das Wallis von Johann
Fachzeitschrift Die älteste Gesamtkarte der Schalbetter (ca. 1536), Basel von
«Cartographica Schweiz ist die zwischen 1495 Sebastian Münster (1538), das Zür-
Helvetica» (seit und 1497 auf Pergament gezeich- chergebiet von Jos Murer (1566)
1990). nete Karte des Zürcher Stadtarz- und das altbernische Staatsgebiet
tes Konrad Türst (Abb. 1). Sie ist von Thomas Schoepf (1578).
hans-uli.feldmann eine der frühesten Karten eines
@bluewin.ch einzelnen Landes überhaupt, der
Zeit entsprechend südorientiert, DER EINFLUSS
im Massstab von ca. 1:500'000 DES MILITÄRS

Die Kartografie im 17. Jahrhun-


dert ist vor allem unter dem mili-
tärischen Aspekt zu betrachten.
1 S. 10/11: Erste Schweizerkarte von Die grundlegendsten Ereignisse
Konrad Türst, 1495/97, Pergament- waren der Dreissigjährige Krieg,
zeichnung, Abb. auf 75% verkleinert. der die Schweiz unmittelbar nur
© Zentralbibliothek Zürich, Hand- in Graubünden betraf, sowie die
schriftenabteilung, Ms 2 XI 307a. beiden Villmergerkriege.

Seite 9
Seite 10
1

Seite 11
2 unten: Schweizerkarte von Aegidius 3 rechts, S. 13: Kartengemälde des Zür-
Tschudi, 1560, Holzschnitt. Bild- cher Gebiets von Hans Conrad Gyger,
ausschnitt im Originalmassstab. 1664/67, Federzeichnung, Gouache-
© Zentralbibliothek Zürich, Karten- Malerei, Format 226 x 220 cm.
sammlung. © Staatsarchiv Zürich.

Bereits Ende des 16. Jahrhunderts


erschienen die ersten grossen
Weltatlanten, in denen selbst-
verständlich auch Karten der
Schweiz enthalten waren. Grund-
lagen für diese Karten lieferte vor
allem der Zürcher Hans Conrad
Gyger, dessen Schweizerkarten
als Kupferstiche 1635 und 1657
publiziert und rege kopiert wur-
den. Bei den Karten Gygers, mit
einer neuartigen Gebirgsdarstel-
lung in Vogelschauansicht, han-
delt es sich um überdurchschnitt-
lich gute Kompilationen von re-
gionalen Karten. Höhepunkt der
regionalen Kartografie im 17. Jahr-
hundert war Gygers grosse, ost-
orientierte Landtafel des Zürcher
Gebietes (1664/67) im Massstab
von ca. 1:32'000, eine Feder-
zeichnung mit gemaltem, schräg-
schattiertem Relief (Abb. 3; vgl.
auch den Beitrag S. 21–26 in die-
sem Heft). Die auf Messtischauf-
nahmen beruhende Karte von
Gyger war inhaltlich derart ge-
nau, dass sie während langer Zeit
aus Geheimhaltungsgründen
weggesperrt und erst 150 Jahre
später von nachfolgenden Karto-
grafen übertroffen wurde.

DER EINFLUSS DER


NATURWISSENSCHAFTEN

Im 18. Jahrhundert wurde mit der


Zunahme der Schulbildung auch
das kartografische Wissen breiter
gestreut, indem billigere Karten
für ein breiteres Publikum auf
den Markt gebracht wurden.
Ausgehend von Frankreich ge-
wannen die Naturwissenschaf-
ten an Bedeutung. Die Wichtig-

Seite 12
3

keit einer genauen Basismessung, wo die Kartografie am weitesten DIE PIONIERE DER
der darauf basierenden Triangu- entwickelt war, näher stand. AMTLICHEN KARTOGRAFIE
lation und der Höhenmessungen
wurde zur Kenntnis genommen, Die ersten wissenschaftlichen Die fremden Truppen, die in der
eine Einführung scheiterte aber Basismessungen führte der Ham- Folge der Revolutionskriege die
von Staates wegen. Als der Gen- burger Johann Georg Tralles auf Schweiz besetzten, nahmen das
fer Jacques-Barthélemy Micheli der Thuner Allmend (1788), bei Land teilweise kartografisch auf.
du Crest 1735 der Tagsatzung ei- Aarau (1791) und im Grossen Französische Ingenieur-Topogra-
nen Vorschlag zu einer Karte der Moos (1791, 1797) durch. Sein fen kartierten zwischen 1765 und
Schweiz auf trigonometrischer Nachfolger Ferdinand Rudolf 1815 grossmassstäbig beachtliche
Grundlage unterbreitete, fand er Hassler aus Aarau erstellte 1797 Gebiete in der Westschweiz, im
kein Gehör. Neuerungen erfolg- das älteste erhalten gebliebene Jura und entlang des Rheins. Die
ten vor allem in der Westschweiz, Koordinaten- und Höhenver- dabei eingesetzten wissenschaft-
welche dem Einfluss Frankreichs, zeichnis der Schweiz. lichen Methoden waren den hier-

Seite 13
4 Atlas Suisse von Johann Rudolf 4

Meyer, Johann Heinrich Weiss,


Joachim Eugen Müller, 1796–1802.
Ausschnitt aus Blatt 10 im Original-
massstab 1:120'000. © Zentral-
bibliothek Zürich, Kartensammlung,
ZB Kart 500 10.

zulande üblichen überlegen. Die


moderne Kartografie hat somit
die Schweiz von Westen her er-
reicht.

Die Österreicher stellten wäh-


rend des Ersten Koalitionskrieges
(1792–1797) und unmittelbar da-
nach genaue Karten von Teilen
der nordöstlichen Schweiz her. DAS ERSTE AMTLICHE nem ehemaligen Lehrling Hein-
Da diese sogenannten Manu- KARTENWERK: rich Müllhaupt, in Kupfer gesto-
skriptkarten aber der Geheimhal- DIE DUFOURKARTE chen. Von 1845 bis 1865 wurden
tung unterstanden und nicht pu- insgesamt 25 einfarbige Blätter mit
bliziert wurden, beeinflussten sie Während der Grenzbesetzung einer Geländedarstellung in Schat-
die Kartografie in der Schweiz von 1809 liess Oberstquartier- tenschraffen-Manier publiziert.
nur wenig. meister Hans Conrad Finsler in
der Nordostschweiz erstmals eid- Verschiedene Kantone publizier-
Zur gleichen Zeit setzte sich der genössische trigonometrische ten ihre topografischen Aufnah-
Aarauer Seidenbandfabrikant Jo- Messungen durchführen. Daraus men als eigenständige Kantons-
hann Rudolf Meyer zum Ziel, mit resultierte bis 1831 ein Dreiecks- karten. Die Darstellungs- und
eigenen Mitteln ein Relief für die netz über das gesamte Mittelland Reproduktionsmethoden sowie
ganze Schweiz und, auf dessen und über den Jura. Ab 1822 lag die Massstäbe waren dabei ty-
Grundlage, ein topografisches die Oberaufsicht dieser Vermes- pisch föderalistisch – abhängig
Kartenwerk zu erstellen. Er enga- sungsarbeiten bei der Tagsat- auch von der Finanzkraft des je-
gierte dazu den Strassburger In- zung. 1832 fasste man grund- weiligen Kantons – und entspre-
genieur Johann Heinrich Weiss legende Beschlüsse für die Er- chend unterschiedlich:
und den Engelberger Zimmer- stellung des ersten offiziellen
mann und Bergführer Joachim Schweizer Kartenwerkes und der • 1842 Genf 1:25'000 (4 Blätter,
Eugen Müller. Sie schufen ge- spätere General Guillaume-Henri einfarbig, Schraffen, Kupfer-
meinsam zwischen 1796 und 1802 Dufour wurde zum Leiter der stich);
den «Atlas Suisse» mit 16 Blättern Landesvermessung gewählt. Bei
im Massstab 1:120'000, was zu- den Geländeaufnahmen wurde • 1846–1854 St. Gallen 1:25'000
sammengesetzt eine Gesamtkar- der Massstab 1:25'000 für das (16 Blätter, einfarbig, Schraf-
te von ca. 284 x 208 cm Grösse Mittelland und den Jura sowie fen, Lithografie);
ergab. Der zum Teil zweifarbige 1:50'000 in den Alpen bestimmt.
Kupferstich, mit blauen Glet- Für die Publikation der «Topogra- • 1848 Aargau 1:50'000 (4 Blät-
schern auf den Gebirgsblättern, phischen Karte der Schweiz» ent- ter, einfarbig, Schraffen, Kup-
bildete damals eine Weltneuheit schied man sich für den Massstab ferstich);
(Abb. 4). Dieser Atlas diente teil- 1:100'000 (Abb. 5). Die in der Dar-
weise als Vorlage für die schwei- stellung und Qualität unter- • 1850 Zug 1:25'000 (1 Blatt, ein-
zerischen Teile verschiedener schiedlichen Grundlagen wur- farbig, Höhenkurven, Litho-
Kartenwerke in den Nachbarlän- den im Bureau topographique grafie);
dern, zum Beispiel für die «Karte fédéral in Carouge bei Genf ge-
der Schweiz mit angrenzenden prüft, kopiert, in den Endmass- • 1852–1868 Zürich 1:25'000
Ländertheilen» 1:200'000 von Jo- stab verkleinert und von Rinaldo (32 Blätter, vierfarbig, Höhen-
seph Edmund Woerl. Bressanini, zusammen mit sei- kurven, Lithografie);

Seite 14
5 Topographische Karte der Schweiz
1:100'000 (Dufourkarte). Ausschnitt
aus Blatt XXIII, Erstausgabe 1862, im
Originalmassstab. © swisstopo,
Kartensammlung, LT TK 2, 1862.

• 1855 Freiburg 1:50'000 (4 Blät-


ter, einfarbig, Schraffen, Kup-
ferstich);

• 1857 Waadt 1:50'000 (12 Blät-


ter, einfarbig, 2 Versionen:
Schraffen, Höhenkurven,
Kupferstich);

• 1861 Glarus 1:50'000 (1 Blatt,


vierfarbig, Höhenkurven, Re-
lief, Lithografie);

• 1864–1867 Luzern 1:25'000


(10 Blätter, einfarbig, 2 Versio-
nen: Höhenkurven, mit/ohne
Relief, Kupferstich).

DAS ZWEITE AMTLICHE


KARTENWERK:
DIE SIEGFRIEDKARTE Basis der neuen Kartenserie, der weil sie dazu auf die Hälfte oder
Siegfriedkarte. einen Viertel verkleinert werden
In den ersten beiden Vereins- mussten – die aber höhere Ge-
jahren des 1863 gegründeten Die Erstellung dieses zweiten nauigkeitsansprüche der Publi-
Schweizer Alpen-Clubs (SAC) amtlichen Kartenwerkes – «Topo- kation direkt im Aufnahmemass-
wurden die Arbeiten an der Du- graphischer Atlas der Schweiz» stab 1:25'000 bzw. 1:50'000 nicht
fourkarte abgeschlossen. Schon 1:25'000 (Jura, Mittelland, Südtes- mehr zu befriedigen vermochten.
vorher hatte die Geologische sin) und 1:50'000 (Alpen) – war In diese Gruppe fallen auch je-
Kommission der Naturforschen- 1868 durch zwei Bundesgesetze ne älteren Grundlagen aus den
den Gesellschaft sich dafür ein- beschlossen worden. Bereits 1865 1830er-Jahren, deren Geländefor-
gesetzt, dass die vorhandenen war Oberstleutnant Hermann men mit Schraffen und nicht mit
Grundlagen auch für die alpinen Siegfried zum Nachfolger Du- Höhenkurven dargestellt wurden.
Regionen in den Originalmass- fours ernannt worden, und kurz
stäben flächendeckend publiziert darauf wurde das Stabsbureau Neuere Grundlagen, die den An-
werden sollten. In der Folge spiel- nach Bern übersiedelt. Die Her- forderungen genügten, mussten
te der SAC bei der Fortsetzung ausgabe der Siegfriedkarte ge- hingegen bloss revidiert werden.
der nationalen Kartengeschichte staltete sich als eine schwierige Der Karteninhalt wurde dreifar-
eine bedeutende Rolle. Bereits im Aufgabe. Bei der Bearbeitung der big dargestellt: Situation, Fels,
Gründungsjahr liess er eine erste Grundlagen wurden zwei unter- Beschriftung = schwarz; Gewäs-
«Karte der Tödi-Umgebung» er- schiedliche Verfahren angewen- ser, Gletscher = blau; Höhenkur-
stellen. Danach folgten im Jahres- det: Neuaufnahmen und Revisi- ven = braun. Die insgesamt 462
abstand bis 1900 zahlreiche soge- onen. Zu den ersteren gehörten Blätter im Massstab 1:25'000 wur-
nannte Exkursionskarten (Abb. 6, jene Blätter, die zwar für den Pu- den in Kupfer gestochen, die 142
S. 16), zunächst in eigener Regie blikationsmassstab der Dufour- Blätter 1:50'000 in Stein graviert
und ab 1871 mehrheitlich auf der karte von 1:100'000 genügt hatten, (Abb. 7, S. 16).

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6

Seite 16
6 S. 16, oben: Dritte Excursionskarte 7 S. 16, unten: Topographischer Atlas 8 S. 17, unten: Landeskarte Blatt 1108
des Schweizer Alpen-Clubs für 1865. der Schweiz 1:25'000 (Siegfried- Murgenthal 1:25'000, Ausgabe 2014
Karte der Gebirgsgruppe zwischen karte), Ausschnitt aus dem Blatt mit neuer Kartengrafik, Ausschnitt
Lukmanier & La Greina 1:50'000. 205 Luzern im Originalmassstab, im Originalmassstab. Reproduziert
© swisstopo, Kartensammlung, Format 38 x 33 cm. © swisstopo, mit Bewilligung von swisstopo,
LT K 70 1865 3. Kartensammlung, TA 205 1890. BA14025.

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HISTOIRE DES CARTES

ET DE LA CARTO-

GRAPHIE SUISSES

DAS DRITTE AMTLICHE spektive generalisiert wird und L'histoire de la cartographie re-
KARTENWERK: DIE mit bedeutend weniger interakti- flète celle de la politique, de la
LANDESKARTE VON 1935 vem Aufwand durch die Karto- science et de la culture d'un pays.
grafi n oder den Kartografen be- Le développement de la cartogra-
Noch bevor die Siegfriedkarte arbeitet werden muss. In einer phie en Suisse a été influencé
1926 schweizweit flächendeckend späteren Phase sollen auch die principalement par les diffé-
vorlag, war sie in die Jahre ge- anderen, kleineren Massstäbe da- rentes époques, la topographie et
kommen und es wurde bereits raus abgeleitet werden. l'inaccessibilité relative de cer-
intensiv an ein neues Kartenwerk taines régions du pays. Etant
gedacht. Ab dem Ersten Welt- donné que, jusqu'à la fi n du XVIIIe
krieg erfolgte zunächst die BIBLIOGRAFIE siècle toute la vie publique avait
Einführung der terrestrischen lieu au sein des cantons, la carto-
Fotogrammetrie und Mitte der - DÜRST Arthur; FELDMANN graphie était également limitée à
1920er-Jahre auch die Aerofoto- Hans-Uli; HÖHENER Hans-Peter; cette dimension géographique et
grammetrie, die wesentlich ge- OEHRLI Markus, 1994: Die Ost- était en grande partie basée sur
nauere Messresultate ergaben. schweiz im Bild der frühen Karten- l'initiative privée. Ce n'est qu'au
Zwischen 1903 und 1925 entstan- macher. Cartographica Helvetica, XIXe siècle, en particulier avec le
den insgesamt 35 Probeblätter Sonderheft 6, Murten. passage d'une confédération de
für neue topografische Karten in - HÖHENER Hans-Peter, 1986: cantons à un Etat fédéral, que la
verschiedenen Massstäben. Die Stichworte «Schweiz», «Schweizer cartographie est devenue une
Meinungen gingen dabei weit Kartographie». In: Lexikon zur tâche nationale.
auseinander und der damalige Geschichte der Kartographie, Band
ETH-Professor für Plan- und C/2, S. 723–732. Wien. La plus ancienne carte de Suisse
Kartenzeichen, Eduard Imhof, - FELDMANN Hans-Uli; KREITER a été dessinée sur un parchemin
sprach später vom «siebenjäh- Novit, 2006: Zur Situation der entre 1495 et 1497. Les nouvelles
rigen Landeskartenkrieg». Am amtlichen Kartografie in der techniques de reproduction et
21. Juni 1935 stimmten die eid- Schweiz. In: Kartographische d'impression parues au fil du
genössischen Räte dem «Bundes- Nachrichten 5/2006, S. 243–254. temps, comme la gravure sur
gesetz für die Erstellung neuer Bonn. bois, cuivre et pierre, la lithogra-
Landeskarten» zu. Die noch heu- - GUGERLI David; SPEICH Daniel, phie et l'impression offset, ont
te aktuelle Massstabsreihe, die 2002: Topografien der Nation. permis de publier des cartes plus
im 6-Jahres-Turnus nachgeführt Chronos Verlag, Zürich. rapidement et plus économique-
wird, wurde zu Beginn noch in - RICKENBACHER Martin, 2011: ment. Alors qu'à la fi n du XVIIIe
Kupfer gestochen, ab 1952 auf Napoleons Karten der Schweiz. siècle, les troupes françaises et
masshaltigere Glasplatten gra- hier+jetzt Verlag, Baden. autrichiennes cartographiaient
viert und seit 2000 computer- - RICKENBACHER Martin, 2013: certaines parties de la Suisse en
gestützt gezeichnet. Die Exkursionskarten des Schweizer
Alpen-Club. Cartographica Helve-
Anfangs 2014 ist mit dem Blatt tica, Sonderheft 22, Murten.
Aarau 1:25'000 eine neue Kar-
tografie-Technologie eingeführt 9 p. 19: Détail d'une carte de la région
worden (Abb. 8, S. 17), mit ei- de Zurich peinte par Hans-Conrad
ner datenbankbasierten Karten- Gyger, 1664/67, dessin à la plume,
grundlage (Topografisches Land- gouache (cf. également fig. 3, à la
schaftsmodell), die grafisch halb- p. 13). © Archives cantonales de
automatisch umgewandelt re- Zurich.

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RIFLETTORI PUNTATI

SULLA STORIA DELLE MAPPE

E DELLA CARTOGRAFIA DELLA SVIZZERA

mission secrète, l'Atlas Suisse La storia della cartografia riflette tra il 1495 e il 1497. Le nuove tec-
voyait le jour sur une initiative la storia politica, culturale e niche di riproduzione e stampa
privée entre 1796 et 1802. En 1832, scientifica di un Paese. Lo svilup- subentrate nel corso del tempo,
la Diète décida de réaliser une po della cartografia in Svizzera è quali la xilografia, l'incisione su
première carte officielle de la stato influenzato soprattutto dal- rame, l'incisione su pietra, la lito-
Suisse. Entre 1845 et 1865, les 25 le diverse epoche, dalla topogra- grafia e la stampa offset, hanno
feuilles de la carte Dufour ont été fia e dall'inaccessibilità a deter- permesso di pubblicare in modo
publiées à l'échelle 1:100'000. minate zone del Paese. Siccome più rapido ed economico le map-
fi no alla fi ne del XVIII secolo tut- pe.
A la demande de plusieurs par- ta la vita pubblica si svolgeva
ties, l'élaboration de la deuxième all'interno dei Cantoni, anche la Mentre alla fi ne del XVIII secolo
carte officielle aux échelles cartografia si limitava a questa le truppe francesi e austriache
1:25'000 et 1:50'000, la carte Sieg- dimensione geografica ed era in mappavano zone della Svizzera
fried, a été lancée alors que plu- gran parte basata sull'iniziativa in missione segreta, tra il 1796 e il
sieurs cantons avaient déjà publié privata. Solo nel XIX secolo, so- 1802 è stato creato l'Atlas Suisse
pour leur propre compte des prattutto con il passaggio dalla su base privata. Nel 1832 la Dieta
cartes topographiques de leurs confederazione di Cantoni a uno ha deciso di realizzare una prima
territoires respectifs. Le 21 juin Stato federale, la cartografia è di- mappa ufficiale della Svizzera.
1935, les deux cartes ont été rem- ventata un affare nazionale. Tra il 1845 e il 1865 sono stati pub-
placées par la collection actuelle blicati complessivamente 25 fogli
de cartes nationales disponibles La mappa più antica della Svizze- della cosiddetta «Carta Dufour»
dans différentes échelles. ra è stata disegnata su pergamena in scala 1:100'000.

Dopo che diversi Cantoni aveva-


no già pubblicato per conto pro-
prio i loro rilievi topografici su
mappe cantonali, nel 1868 è stata
avviata, su richiesta di più parti,
la seconda mappa ufficiale, la co-
siddetta carta Siegfried nelle sca-
le 1:25'000 e 1:50'000. Il 21 giugno
1935, le due carte sono state sosti-
tuite dall'attuale raccolta di carte
nazionali in diverse scale.

9 Estratto della mappa della regione


di Zurigo disegnata da Hans Conrad
Gyger tra il 1664 e il 1667; pittura
9 a guazzo (vedi anche fig. 3, pag. 13).
© Archivio cantonale di Zurigo.

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MILESTONES IN THE HISTORY OF MAPS

AND CARTOGRAPHY IN SWITZERLAND

The history of cartography re- In the late 18th century French


flects the political, cultural and and Austrian troops embarked
scientific history of a country. In on a secret mission to map cer-
Switzerland, the development of tain parts of Switzerland. It was
cartography was greatly shaped also during this period (1796–
by prevailing circumstances, as 1802) that the Atlas Suisse began
well as the topography and par- to take shape. It was this private
tial inaccessibility of its territory. enterprise that prompted the Tag-
Until the end of the 18th century satzung (Swiss Diet) in 1832 to
mapmakers in Switzerland fo- commission the first official
cussed their attention on the Swiss map series. Between 1845
handful of cantons where matters and 1865, a total of 25 sheets from
of state were decided. Most of the the 1:100,000 “Dufour map” were
maps drawn during this period published.
were private commissions. How-
ever, the transformation of Swit- A number of cantons began pub-
zerland from a loose alliance of lishing existing topographic sur-
states to a Confederation in the veys as cantonal maps, so work
19th century would see cartogra- began, by popular demand, on a
phy become a national affair. second official map, which be-
came known as the “Siegfried
The earliest map of Switzerland map” (1:25,000 and 1:50,000). On
dates from 1495/97 and was 21 June 1935 both maps were re-
drawn on parchment. Over time placed by the new National Map
new reproduction and printing Series, with scales ranging from
techniques like woodcutting, 1:25,000 to 1:1,000,000
copper and stone engraving, li-
thography and offset printing
made it possible to publish maps
more cheaply and quickly.

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JOST SCHMID

HANS CONRAD GYGERS GRENZ-


KARTE VON 1635 – ERBEUTET,
VERSCHOLLEN, ERSTEIGERT

Im Dezember 2011 konnte die Staatsarchiv Zürich aufbewahr-


Zentralbibliothek Zürich (ZB) tes Werkverzeichnis aus der
an einer Auktion eine kartogra- Hand von Hans Conrad Gyger
fi sche Sensation erwerben. Die- auch in breiteren Kreisen be-
se befand sich im entsprechen- kannt.
den Katalog unerwartet unter
der Rubrik «Gemälde». Hätte
der zuständige Fachreferent DIE KARTE HANDELT VON
nicht zufällig einen wertvollen GRENZSTREITIGKEITEN
Jost Schmid, Jahr- Hinweis aus der Graphischen
gang 1974, stu- Sammlung des Landesmuseums Der Meister bezeichnete darin
dierte Geografie erhalten, wäre der ZB das Ange- seine nun neu entdeckte Karte
und Allgemeine bot beinahe entgangen. mit dem Kurztitel: «Unser Frau-
Geschichte an den wen Winkel». Etwas ausführli-
Universitäten Dabei handelte es sich um eine cher wurde sie 1785 von Gottlieb
Zürich und Vero- bislang als verschollen geglaubte Emanuel von Haller (1735–1786)
na. Seit 2006 Karte zum oberen Teil des Zü- in seiner Bibliothek der Schwei-
Leiter der Abtei- richsees von Hans Conrad Gyger zer-Geschichte beschrieben. Er
lung Karten und (1599–1674), einem der besten zitierte die Karte unter den Be-
Panoramen der Kartografen des 17. Jahrhunderts ständen der Zürcher «Stadt-
Zentralbibliothek (Abb. 1). Seine plastische Gelän- Canzley» als «Conrad Gygers
Zürich und Fach- dedarstellung in senkrechter Grundriss von dem obern Zü-
referent für Geo- Projektion blieb fast 200 Jahre richsee und den Marchen des
grafie, Redaktor lang unübertroffen. Die Karten Frauenwinkels» (HALLER 1785:
bei der Fachzeit- des Glasmalers und Feldmessers 57). Anhand des Originals wis-
schrift Cartogra- gelten heute wie damals unbe- sen wir nun, dass in der Titelkar-
phica Helvetica stritten als Meisterwerke. Dank tusche folgendes vermerkt ist:
sowie Verfasser WYDER (2006: 7 f.) wurde ein im «Eigentlicher Grundriss des Obe-
und Herausgeber ren theils des Zürich Sees mit den
von Publikationen nechst doran ligenden Landt-
zur Karten- und schafften, sambt den Undermar-
Globengeschichte. chen, entzwüschent ermeltem
Zürich See, Und Unser Frauwen-
jost.schmid@ Winckel, zugehörig dem Frstln.
zb.uzh.ch Gotshuss Einsidlen. H. C. Giger1
fecit» (Abb. 2, S. 22). Die hand-
gezeichnete Karte handelt von
Grenzstreitigkeiten zwischen Zü-
1 Im Auftrag der Zürcher Regierung rich und Schwyz. Die Relief-
erstellte Hans Conrad Gyger viele schattierungen sind in zarten
Karten. Die in der Landesvermessung Farben dargestellt, wobei das
fruchtbare Zeit des 17. Jahrhunderts Zürcher Gebiet hellbraun und
fand mit seinen Kunstwerken einen das Gebiet von Schwyz in hellem
Höhepunkt. Radierung von Conrad Graugrün erscheint. Die politi-
Meyer um 1680. Foto: © Zentralbiblio- 1 schen Zugehörigkeiten der Land-
thek Zürich, Graphische Sammlung. schaften wurden so in natürli-

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2

Seite 22
3

2 links, S. 22: Gygers Karte zum oberen chen Farben voneinander unter- gesehen blieb aber das ganze See-
Teil des Zürichsees wurde um 1635 schieden, ohne dass dabei der gebiet bis zur Uferlinie bei Zü-
als Grenzkarte gezeichnet. Sie verblieb Eindruck einer topografischen rich, sodass die Stadt in der
weniger als 200 Jahre in amtlichem Vogelschau gross beeinträchtigt umstrittenen Uferzone den Bau
Besitz und galt dann während mehr worden wäre. Der Gemälde- von Anlage- und Umschlag-
als 200 Jahren als verschollen. charakter macht die ästhetische stellen für Handelsschiffe und
© Zentralbibliothek Zürich, Qualität von Gygers Werk aus, somit den Einzug von Gebühren
Kartensammlung: MK 2006. und er erklärt die Einordnung im und Zöllen verhindern konnte.
oben erwähnten Auktionskata- Von 1635 bis 1643 fanden zwi-
3 oben: Die um 1635 gezeichnete Grenz- log. Umstritten war die Grenze schen Zürich und Schwyz Ver-
karte hielt einen Streit um Fischerei- im Seegebiet zwischen Richters- handlungen über den Grenzver-
rechte und Zollabgaben zwischen wil und der Halbinsel Hurden lauf statt (WYDER 2012: 46). Die
Zürich und Schwyz fest. Die Schwyzer wegen der Handelsschifffahrt vorliegende Grenzkarte ist wohl
wollten die Grenze vom Ufer in den See nach Rapperswil und in den in diesem Zusammenhang ent-
hinaus schieben, um Landungsstellen Obersee sowie wegen den Erträ- standen. Schwyz beanspruchte
bauen und fischen zu dürfen (vgl. die gen der Fischerei. Bis zum Alten das Seegebiet bis zu einer mit fei-
Schrift im See, links von der Insel Zürichkrieg gehörten das linke nen Punkten eingetragenen Gren-
Ufenau, «Deren von Schwyz unbefugte Seeufer inklusive Fischenzen ze, bezeichnet mit «Deren von
Ansprach»). © Zentralbibliothek und Nutzungen bis zur Halbinsel Schwytz unbefugte Ansprach» –
Zürich, Kartensammlung: MK 2006 Hurden zu Zürich. Ausgenom- etwa entsprechend der heutigen
(Ausschnitt). men war dabei der sogenannte Seegrenze (Abb. 3). Nach Zürcher
Frauenwinkel mit den Inseln Auffassung verlief die Grenze von
Ufenau und Lützelau, der dem Bäch bis Freienbach dem Ufer ent-
Kloster Einsiedeln gehörte. 1441 lang, folgte dann den eingezeich-
mussten die Zürcher die beim neten Pfählen von Nr. 1 bis zu Nr.
Frauenwinkel liegenden Höfe mit 13 bis zum heutigen «Dreiländer-
den Dörfern Wollerau, Freien- stein» am Seedamm. Die geführ-
bach und Pfäffikon an Schwyz ten Verhandlungen brachten den
abtreten. Vom Frauenwinkel ab- Schwyzern wenig Erfolg. Wie aus

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4 links: Gygers kartografisches Lebenswerk gipfelte in seiner
grossen Landtafel des Zürcher Gebiets von 1667 (vgl. Gesamt-
abbildung S. 13 in diesem Heft). Nach 38 Jahren Arbeit konnte
dieses kartografie-historisch äusserst bedeutsame Dokument
fertig gestellt werden, und es wurde dann als militärisches
Geheimnis gehütet. Die Grenzziehung im oberen Zürichsee
ist noch dieselbe wie vor dem Grenzstreit 30 Jahre zuvor.
© Staatsarchiv Zürich: PLAN A 59 (Ausschnitt).

5 rechts, S. 25: Gygers kartografische Autorität wirkte noch fast


eineinhalb Jahrhunderte nach: Bei einer Wiederaufnahme von
Verhandlungen zwischen Zürich und Schwyz wurde 1776 zur
Darstellung der aktuellen Situation eine Kopie nach dem
Original von 1635 gezeichnet. © Zentralbibliothek Zürich,
Kartensammlung: MK 633.

charakteristischen schwarzen
Ränder links und rechts leicht be-
schnitten hatte. Im Jahr 2010
wollten die einstigen Besitzer die
Karte durch einen Antiquar in
Kommission verkaufen. Dieser
vermerkte in einem entsprechen-
den Vertrag: «Landkarte oberer
Zürichsee, diverse Reparaturstel-
4 len, gemalt nach Gyger Hans
Conrad aus Zürich um 1700, das
heisst kein Original». Der Preis
Gygers grossem Kartengemälde ZUM VERSCHWINDEN UND wurde darin mit 650 Franken ver-
des Zürcher Gebiets im Staats- AUFTAUCHEN DER KARTE anschlagt.3 Über diesen Antiquar
archiv Zürich ersichtlich ist, ver- ist die Karte Ende 2011 zur Auk-
lief 1664 die Grenze weiterhin am Die anschliessende Spur von Gy- tion gelangt, wo sie als Gyger-
Seeufer (Abb. 4). 1776 gaben wei- gers Grenzkarte verliert sich in Original versteigert wurde. Dass
tere Verhandlungen mit Schwyz den Wirren der Helvetischen Re- die Karte ein Zigfaches des ge-
den Zürchern Anlass, zwei Ko- publik. Die Tatsache, dass die nannten Preises einbrachte, er-
pien von Gygers Grenzkarte in Karte in Aarau aus Privatbesitz fuhr die Auftraggeberin erst ein
Auftrag zu geben. Damals befand wieder aufgetaucht ist, lässt eini- halbes Jahr später aus der Zei-
sich die Karte, wie wir von Gott- ge Vermutungen zu: Die im April tung. Entgegen den Angaben des
lieb Emanuel von Haller schon 1798 in Zürich einrückenden Antiquars ist die Karte keines-
wissen, noch in den städtischen französischen Truppen sahen wegs beschädigt, und es gibt
Kanzlei-Räumlichkeiten. So fer- sich beim militärisch interessan- nach einer Überprüfung durch
tigte Junker Gottfried Keller ten Kartenmaterial der unterge- den Gyger-Experten Dr. Samuel
(1736–1797) zwei weitere hand- gangenen Stadtrepublik um und Wyder keinerlei Hinweise auf
schriftliche Karten zum oberen bedienten sich dort auch nach- eine Fälschung oder eine Kopie.
Teil des Zürichsees an, die heute weislich. So gelangten drei von
in der Handschriftenabteilung Zürchern handgezeichnete Kar-
und in der Kartensammlung der ten zum strategisch bedeutenden KARTE IN GUTEM ZUSTAND
Zentralbibliothek Zürich aufbe- Gebiet des heutigen Seedamms
wahrt werden (Abb. 5). Diese Ko- in den Besitz des französischen Nach dieser abenteuerlichen Ge-
pien erklären das feine Bleistift- Generals von Schauenburg (1748– schichte darf man mit Erleichte-
netz auf Gygers Originalkarte, 1831).2 Es wäre also gut möglich, rung feststellen, dass die Frische
das Keller als Kopiergitter anleg- dass sich Gygers Grenzkarte ur- der Farben und der Goldschim-
te. Im Juni 1796 erfolgte schliess- sprünglich bei der Beute befand, mer bei den Grenzsignaturen
lich der Schiedsspruch der Tag- und dass sie dann in Aarau, der kaum Schaden genommen ha-
satzung: Schwyz erhielt einige damaligen Hauptstadt der Hel- ben. Als konservatorische Mass-
Zugeständnisse, die Zürcher Ho- vetischen Republik, bei einem nahme hat die Zentralbibliothek
heit über den See «bis zum Ufer- Funktionär von französischen Zürich die Karte ausgerahmt und
band» blieb aber weiterhin beste- Gnaden in privatem Besitz ver- von der Holztafel abgelöst, um
hen. Die Festlegung der heutigen blieb. In den 1920er-Jahren war einem irreparablen Verzug der
Grenze erfolgte erst später, im die Karte in Aarau gerahmt und Karte durch die thermische Kon-
Staatsvertrag von 1841 (WYDER auf eine Holztafel aufgezogen traktion des Holzes vorzubeu-
2012: 48). worden, wobei man die für Gyger gen. Um sie für die Nachwelt zu

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5

erhalten, wurde sie gescannt, in ANMERKUNGEN Bibliothek am Guisanplatz (BiG)


eine säurefreie Kartonmappe ge- in Bern. Eine der drei erwähnten
legt und in einem abschliessba- 1 Gyger hat auch mit Giger, Geiger Karten zeichnete der Zürcher Arzt
ren Planschrank horizontal ver- und Geyger unterschrieben. «H. C. Johannes Scheuchzer (1684–1738),
sorgt. Damit ist die neuentdeckte Giger fecit» deutet auf ein frühes der jüngere Bruder des berühmten
Karte des Meisterkartografen Werk hin. Ab 1641, als Planzeichner Frühaufklärers und Naturfor-
Hans Conrad Gyger aber nicht der Stadt Zürich, unterzeichnete er schers Johann Jakob Scheuchzer
schon wieder dem öffentlichen seine Zürcherpläne nur noch selten (1672–1733).
Blick entzogen – im Gegenteil: (vgl. WYDER 2012: 49). 3 Vgl. Aargauer Zeitung vom
Bislang wurden von dieser Karte 2 Die Karten befinden sich heute in 24.7.2012.
über 700 Faksimiles vermittelt der Schauenburg-Sammlung in der
und ein hoch aufgelöstes sowie
zoombares Digitalisat auf die
Online-Visualisierungsplattform
«e-manuscripta» geladen. ZENTRALBIBLIOTHEK ZÜRICH (ZB)

Die ZB ist die Kantons-, Stadt- und Universitätsbibliothek von


LITERATUR Zürich. Mit 6,3 Millionen Objekten (Büchern, Zeitschriften,
Handschriften, Mikroformen, Tonträgern und Karten) gehört sie
- HALLER Gottlieb Emanuel, von, zu den grössten Bibliotheken der Schweiz. Die aus über 310'000
1785: Bibliothek der Schweizer- Blättern bestehende Kartensammlung bietet eine Quellenbasis
geschichte, Band 1. In der Haller- zu topografischen Studien weltweit und zurück bis in die An-
schen Buchhandlung, Bern. fänge der Kartografie. Eine halbe Million Menschen pro Jahr
- WYDER Samuel, 2006: Grenz-, besucht die ZB und nutzt ihre vielfältigen Angebote, die auch
Zehnten- und Befestigungspläne des aus kulturellen Anlässen bestehen:
Zürcher Gebiets von Hans Conrad
Gyger (1599–1674). Verlag Carto- Im Rahmen der Festspiele Zürich wird in der ZB am 2. Juli 2014
graphica Helvetica, Murten. um 18:15 Uhr eine Veranstaltung zu Mary Shelley: «Franken-
- WYDER Samuel, 2012: Eine bisher stein oder Der moderne Prometheus» (1818) stattfi nden. Wolf-
unbekannte Karte des oberen Teils gang Beuschel (*1954) liest, begleitet von einem Philips Platten-
des Zürichsees (um 1635) von Hans wechsler (*1955).
Conrad Gyger. In: Cartographica
Helvetica 46/2012, S. 46–49. Verlag Kontaktadresse:
Cartographica Helvetica, Murten. Zentralbibliothek Zürich, Zähringerplatz 6
Tel.: +41 (0)44 2683 100; Web: www.zb.uzh.ch

Seite 25
LA CARTE FRONTIÈRE LA MAPPA CONFINARIA HANS CONRAD GYGER'S

DE HANS CONRAD GYGER DI HANS CONRAD GYGER MAP OF 1635 – STOLEN,

DEL 1635 LOST, AUCTIONED

En décembre 2011, la Bibliothèque Nel dicembre 2011, la Biblioteca In December 2011 Zurich Central
centrale de Zurich a acheté aux centrale di Zurigo ha acquistato Library auctioned off a hand-
enchères une vieille carte de 1635 all'asta una vecchia mappa rite- drawn map by master cartogra-
dessinée à la main par le car- nuta ormai smarrita, che è stata pher Hans Conrad Gyger (1599–
tographe Hans Conrad Gyger disegnata a mano dal cartografo 1674), which was long believed to
(1599–1674) et que l'on croyait éga- Hans Conrad Gyger (1599–1674). have been lost forever. Due to its
rée. Au vu de sa grande qualité Vista la sua elevata qualità esteti- superlative aesthetic quality, the
esthétique, elle a été classée à la ca, è stata inserita nel catalogo map appeared in the fi ne art sec-
rubrique «Peintures» dans le ca- d'asta sotto la voce «Dipinti». tion of the auction catalogue.
talogue de vente aux enchères.
La mappa, che mostra la parte su- The map shows the upper part of
La carte, qui représente la partie periore del lago di Zurigo, risale Lake Zurich and was drawn up
supérieure du lac de Zurich, re- all'epoca della disputa per il con- in response to boundary disputes
monte au différend concernant la fi ne tra Zurigo e Svitto. Le contro- between the cantons of Zurich
frontière entre Zurich et Schwyz. versie vertevano in particolare and Schwyz, which centred on
Les litiges portaient en particu- sui diritti di pesca e sul diritto di fishing rights and the collection
lier sur les droits de pêche, de le- riscuotere tasse e dazi doganali of tolls and duties at landing stag-
ver des impôts et de douane aux nei luoghi di sbarco. es.
débarcadères.
La Biblioteca centrale di Zurigo It was widely known that Zurich
La Bibliothèque centrale de Zu- custodiva già da tempo due copie Central Library had two hand-
rich possédait depuis longtemps disegnate di questa mappa, risa- drawn copies of the map which
deux copies dessinées à la main lenti al XVII secolo. L'ultimo in- were made in the 18th century. As
de cette carte datant du XVIIIe dizio della mappa originale di for Gyger's masterpiece, the last
siècle. La carte originale de Gyger Gyger figurava in una bibliogra- trace of its existence was found in
est mentionnée pour la dernière fia di Emanuel Gottlieb von Hal- a bibliography by Gottlieb Ema-
fois dans une bibliographie ler (1735–1786), ma poi è sparita, nuel von Haller (1735–1786). The
d'Emanuel Gottlieb von Haller probabilmente come bottino du- map subsequently vanished –
(1735–1786) avant de disparaître, rante le ostilità della Repubblica probably as plunder – during the
probablement comme butin pen- elvetica. turbulent times of the Helvetic
dant les troubles qui secouèrent Republic.
la République helvétique. La mappa confi naria è riapparsa
più di duecento anni dopo per ri- Over 200 years later, the map
La carte frontière est réapparue passare da mano privata in mano re-surfaced when the private
plus de deux cents ans plus tard, pubblica. Il ritrovamento è stato owner handed it back to the au-
lorsqu'elle repassa de mains pri- possibile grazie una felice coinci- thorities. In fact, this turn of
vées en mains publiques. Une denza: l'incontro tra un antiqua- events was the result of a happy
heureuse coïncidence est à l'ori- rio dubbioso e un esperto appas- coincidence, a shady antiques
gine de sa réapparition: la ren- sionato di Gyger. Nonostante la dealer and a Gyger expert with a
contre entre un antiquaire sua storia movimentata, la mappa keen eye. Despite its eventful his-
douteux et un expert passionné è sorprendentemente ben conser- tory the map has survived in re-
de Gyger. Malgré son histoire vata e i suoi delicati colori sono markably good condition and its
mouvementée, la carte est éton- rimasti pressoché intatti. delicate colouring has faded little
namment bien conservée et ses over time.
couleurs délicates sont pratique-
ment intactes.

Seite 26
HANS LAUPPER

GLARUS
IM AUGE DER WELT
AUSSERGEWÖHNLICH VIELE UND GROSSE KARTOGRAFISCHE WERKE

IN EINEM KLEINEN KANTON

Wer weiss schon, dass der gros- So publizierte er nicht nur 1510
se Humanist Heinrich Loreti die älteste Zirkumpolarkarte
(1488–1563) aus Mollis (GL) im (Abb. 1), nördliche Hemisphäre,
Jahre 1547 unter dem Pseudo- sondern 1527 auch eine schemati-
nym «Glarean» das Lehrbuch sche Darstellung des Weltalls
«Dodekachordon» der zwölf nach ptolemäischer Auffassung
Tonarten publizierte? Daraus mit konzentrischen Zonen, den
gingen später die Tongeschlech- Bahnen der Planeten und Gestir-
ter Dur und Moll hervor, die bis ne aus Globussegmenten mit Gla-
Dr. Hans Laupper, heute die westliche Musik be- rus im Mittelpunkt.2
ehemaliger Lan- stimmen.1 Das Wissen dieses
desarchivar und grossen Gelehrten war breit ge-
Landesbibliothekar fächert. Der Bogen spannte sich AEGIDIUS TSCHUDI ALS
des Kantons Gla- von der Dichtkunst über die NACHFOLGER GLAREANS
rus, Mitglied des Musik bis hin zur mathemati-
Schweizerischen schen Geografie. Von seinem Wissen profitierte
Komitees für Kul- später auch sein Schüler Aegidius
turgüterschutz von Tschudi (1505–1572), der nach ei-
2001–2008, Prä- genen Aussagen schon im Alter
sident der Arbeits- von neunzehn Jahren die Schweiz
gruppe «Erdbeben- in alle Richtungen durchquerte,
gefährdung von «etliche Alpgebirg» im Wallis, in
Kulturgütern», der Zentralschweiz und in Grau-
2002–2004. Wurde bünden bestieg und jene dabei
2007 vom Glarner eifrig skizzierte. So entstand 1528
Regierungsrat mit die erste, die ganze heutige
dem Glarner Kul- Schweiz umfassende Karte, wel-
turpreis ausge- che Sebastian Münster (1489–
zeichnet. 1552) zehn Jahre später veröf-
fentlichte.3 Sämtliche Exemplare
hans.laupper@ dieser Karte sind leider verloren
bluewin.ch gegangen. 1560 erschien eine
zweite Auflage, herausgegeben
von Konrad Wolfhart von Ruf-
fach, gedruckt bei Michael Isen-
rings Erben, in Basel (vgl. hierzu
Abb. 2, S. 12 in diesem Heft). Von
dieser Karte ist nur gerade ein
einziges Exemplar – wahrschein-
1 Glareans lich aus der Ammerbachschen
Zirkumpolar- Sammlung – in der Universitäts-
karte von bibliothek Basel erhalten geblie-
1510. Aus: ben. Sie ist nach Süden orientiert,
WINTELER hat einen mittleren Massstab von
Bd. 1, 1952: 1 1: 350'000 und zeichnet sich durch
240. ihren grossen Namensreichtum

Seite 27
2

aus. Alte Völker werden vermerkt Karte bildete mehr als ein Jahr- matischen Signaturen auf Pausen
und der deutschen Bezeichnung hundert lang die Grundlage für nachgezeichnet (vgl. Abb. 2).7 Der
bedeutender Ortschaften ist auch andere Schweizerkarten. Sie ver- begnadete Kartograf schuf darü-
analog der lateinische Name bei- zeichnet im Glarnerland erstmals ber hinaus auch noch das Muster-
gefügt.4 Gebirgs- und Seenamen, u. a. beispiel für den ersten Faszikel
Glärnisch, Klöntaler- und Walen- des Schweizerischen Kartenkata-
Ein unbekannter Künstler hat see.5 logs «Die topographischen Kar-
Tschudis Vorgaben von 1528 auf ten des Kantons Glarus (1950)»,
neun Holztafeln übertragen. In Aegidius Tschudi hat übrigens die «Bibliographie der Gesamt-
Reihen oder Gruppen angeord- auch Karten von fast allen da- karten der Schweiz von Anfang
nete Bergumrisse stellen das Ter- mals bekannten Ländern ge- bis 1802» (1957) sowie die nur in
rain dar, die rechts schattiert sind zeichnet. Die ausländischen Ge- Maschinenschrift verfügbare
(vgl. Abb. 2, S. 12). Entfernungen biete hat er freilich nur nach Fortsetzung «Gesamtkarten der
und Richtungen hat Tschudi von griechischen, römischen und Schweiz seit 1803».8
Auge geschätzt. Ein Gradnetz späteren Vorlagen kompiliert
fehlt. Im Mittelpunkt der Karte bzw. kopiert. Ein Teil dieses kar- Blumers Bibliografie ist die erste
steht der St. Gotthard, der in der tografischen Fundus, der rund Gesamtbibliografie eines Landes
damaligen Zeit als höchster Berg sechzig handschriftliche, nur überhaupt. Inhaltlich vermittelt
angesehen wurde. Von ihm aus sehr schwer lesbare Blätter um- sie nach allgemeinen Bemerkun-
fliessen die Ströme nach allen fasst, befi ndet sich heute in der gen über die Grundsätze der Be-
Himmelsrichtungen. Die Ort- Stiftsbibliothek St. Gallen.6 arbeitung von Kartenmaterial
schaften sind zum Teil mit Kir- einen sehr lesenswerten kurzen
chen oder anderen Gebäuden historischen Überblick zur Ent-
und durch kleine Kreise mar- WALTER BLUMER - AUCH wicklung der Kartografie und
kiert. Das Gebirge ist durch EIN GLARNER KARTOGRAF der Kartennetze. Die tiefgründi-
gleichförmige, dicht zusammen- ge und vortrefflich kommentierte
hängende Hügelreihen darge- Der Glarner Bauingenieur und Ausgabe umfasst in der gedruck-
stellt. An einigen Stellen deuten Kartograf Walter Blumer (1888– ten Ausgabe 350 Nummern mit
Tannengruppen den Wald an. 1987) hat sie 1949 gesichtet und allen Karten, welche die ganze
Die Seeumrisse sind noch unge- davon vierzig Blätter in moder- Schweiz umfassen. Vom Stand-
nau und die Flüsse gestreckt. Die ner Schrift und mit etwas sche- punkt der Gebirgsdarstellung

Seite 28
3

2 links, S. 28: Beispiel von Blumers besonders wichtige Karten sind Wie Glarean beschäftigte sich
Nachzeichnungen der Schweizer- einfarbig abgebildet.9 Des Weite- Blumer ebenfalls mit den geo-
karte von Aegidius Tschudi von ren erschien von Blumer 1937 die grafischen Weiten der Welt. Ins-
1560. Aus: WINTELER, Bd. 1 Karte des Glärnischgebietes im besondere interessierte ihn die
1952: 393. Masstab 1:25'000, ein Meisterwerk winkelgetreue schiefachsige Dar-
topografischer Darstellungs- stellung der Zylinderprojektion,
3 oben: Karte des Glärnischgebietes, kunst (Abb. 3). Bei Kartografen, die erst im 20. Jahrhundert für
Lithografie. Die Karte ist südorien- Berggängern und militärischen besondere Zwecke wie Entfer-
tiert. Sie erschien 1937 mit und ohne Stellen fand diese Karte höchste nungsverhältnisse und Verkehrs-
Reliefton. © Bundesamt für Landes- Anerkennung. Sie war damals beziehungen Bedeutung erlang-
topografie, swisstopo. der Kartografie um Jahre voraus te. Auf dieser Grundlage erar-
und galt als Vorbild für eine mo- beitete er 1930 eine winkel- und
derne Landeskarte, vor allem we- längentreue Erdkarte für den
gen ihrer neuen Darstellungsart Völkerbund mit Genf im Mittel-
der Felsgebiete – eine Verbindung punkt.11
von Schichtlinien, Horizontal-
kurven mit einer die Felsform
charakterisierenden Strichzeich- LEUZINGERS RELIEF-
nung. Eine Erweiterung des In- KARTE ALS FORTSCHRITT
formationsgehaltes erreichte Blu-
mer vor allem durch die Unter- Die Herstellung von guten Kar-
scheidung des Waldes in Laub- ten – besonders von Reliefkarten
und Nadelwald und von ständig – vereinigt immer zwei sich er-
und nicht ständig bewohnten gänzende und zusammenge-
Siedlungen im Gebirge.10 hörende Seiten: einerseits eine

Seite 29
4

darstellende und andererseits diesem Gebiet brachte es der TSCHUDI UND BECKER –
eine künstlerische. «So muss der Glarner Rudolf Leuzinger (1826– ZWEI WEITERE BEDEU-
Kartenzeichner mit subtiler Auf- 1896) zu einer bis heute kaum TENDE GLARNER NAMEN
fassungs- und Gestaltungsgabe übertroffenen Meisterschaft. Als
entscheiden und abwägen, wie er Erster fertigte er Reliefkarten mit- Zu den bedeutenden glarneri-
die verschiedenen naturbeding- tels lithografischem Farbdruck schen Kartografen zählt auch Jo-
ten Erscheinungen wiedergeben an (vgl. Abb. 4). Mit dieser neuen hann Heinrich Tschudi (1670–
will. Er muss Hauptsachen her- Darstellungsart fügte er dem Bild 1729), der 1708 mit J. J. Scheuchzer
vorheben, Nebensachen zurück- der Höhenkurven eine künstle- die erste gedruckte Karte des
treten lassen, Unwichtiges und risch wirkende Terrainzeichnung Glarnerlandes herausgab. Bis ge-
Verwirrendes ausscheiden, Ge- hinzu, nämlich eine Farbtönung gen Ende des 18. Jahrhunderts
genständliches in verständliche nach Höhenstufen mit schräg bildete sie mit ihren zu Bergket-
Zeichen umsetzen und schliess- einfallendem Licht. Diese der ten aneinandergereihten viel-
lich für alles Dargestellte die Höhenmessung entsprechende zackigen Gebilden die Grundlage
zeichnerische Form und die Farb- Farbperspektive mit hellen Hö- für fast alle nachfolgenden
gebung bestimmen».12 Allein hen und dunkleren Tiefen wand- Schweizerkarten.14 In seine Fuss-
schon die Fragen der Einfallsrich- te er z. B. bei Schweizerkarten und stapfen trat später Fridolin Be-
tung des Lichts, der Felsdarstel- Tourenkarten des S.A.C. an. Auch cker (1854–1922), der als Professor
lung und der Höhenfarbenskala hat er 118 Blätter der berühmten für Topografie und Kartografie
lassen Dutzende von grundle- Siegfriedkarte auf Stein gesto- an der ETH Zürich gewirkt hatte.
genden Möglichkeiten offen. Auf chen.13 Er gilt als Begründer der schwei-

Seite 30
4 links, S. 30: Ausschnitt aus Leuzin- 5 unten: «Rigi», 1:50'000 von
gers Reliefkarte der Schweiz 1890. F. Becker, ca. 1900. Das Gebirge
© Bundesamt für Landestopografie, erscheint wie in Bronze gegossen.
swisstopo. © Bundesamt für Landestopografie,
swisstopo.

zerischen Relieftopografie. Als von 1887–1932 als Lehrer an der legung einreichen. Leider ver-
Erster versuchte er nämlich Höheren Stadtschule unterrichtet starb Oberholzer nur wenige
durch Farben auf dem Kartenbild hatte. Nebenbei betreute er auch Wochen vor der Drucklegung.16
den Eindruck der natürlichen noch die Naturwissenschaftli-
Landschaft wiederzugeben (vgl. chen Sammlungen des Kantons.
Abb. 5). Seine eindrückliche Glar- Im Winter 1893/94 lernte er den DIE GLARNER KARTEN-
nerkarte ist übrigens die erste Geologen Albert Heim (1849– SAMMLUNG – EIN
farbige Kantonsreliefkarte (1888). 1937), Professor für Alpenmor- KULTURGUT VON
Ihr folgte 1905 eine weitere Glar- phologie an der ETH und Univer- NATIONALER BEDEUTUNG
nerkarte als schönes Beispiel für sität Zürich, kennen. In ihm fand
eine gute Schülerkarte, die dann er einen ausgezeichneten Lehr- Alle diese schönen kartografi-
als obligatorisches Lehrmittel bis meister und Freund. Zusammen schen Beispiele lagern zusam-
1937 in der Schule eingesetzt mit diesem begann er 1900 mit men mit weiteren rund 10'000
wurde. Wie Leuzinger gehört der geologischen Kartierung des alten Karten in der Landesbiblio-
auch Becker zu den «Meisterto- Blattes Linthal 1:50'000, aus wel- thek des Kantons Glarus. Sie zu
pographen» der Siegfriedkarten- cher 1910 die «Geologische Karte besichtigen ist eine wahre Au-
periode.15 Bemerkenswert sind der Glarneralpen» hervorging genweide, eine Fundgrube für
weiter die beispielhafte «Geologi- (Abb. 6, S. 32). Die Reinzeichnung jeden Kartenfreund. Zum gröss-
sche Karte des Kantons Glarus» der Karte konnte er am 13. März ten Teil stammen diese Zimelien
im Massstab 1:50'000 von Dr. h. c. 1939 der Schweizerischen Geolo- aus dem Legat von Walter Blumer
Jakob Oberholzer (1862–1939), der gischen Kommission zur Druck- von 1975.

Seite 31
6

Die Sammlung zählt heute zu mit 32 kolorierten Holzschnittta- 6 Geologische Karte des Kantons
den schönsten der Schweiz. Sie feln (vgl. Abb. 7, S. 33), die Strass- Glarus 1:50'000 im Hoch- und
umfasst einen Zeitraum vom burger Ptolemaeusausgabe «Geo- Flachdruckverfahren von Jakob
15. Jahrhundert bis zur Gegen- graphie Opus» von 1513, darin Oberholzer. © Bundesamt für
wart. Das kostbare Gut doku- die erste gedruckte Karte der Landestopografie, swisstopo.
mentiert auf eindrückliche Weise Schweiz, weiter die «Cosmogra-
europäische und schweizerische phia, Beschreibung aller Länder», 7 rechts, S. 33: «Weltkarte» aus dem
Kartenkunst und Kartenge- Basel 1544, von Sebastian Müns- Ptolemaeusatlas, Ulmer Ausgabe
schichte. Sie enthält u. a: die ältes- ter, den «Atlas sive Cosmogra- von 1486. © Verlag Rothe Drucke,
te gedruckte Ptolemaeusausgabe phiae de fabrica mundi et fabrica- Bern / Landesarchiv des Kantons
«Tabulae Geographicae» von1486 ti figura», Amsterdam 1611, von Glarus (vgl. Kasten S. 34).

Seite 32
7

Seite 33
FAKSIMILE-AUSGABE TABULAE GEOGRAPHICAE NACH PTOLEMAEUS (ABB.7, S.33)

Erschienen in Ulm 1486. 32 Holzschnittkarten (27 ptolemaeische, 5 moderne)

Um den Erhalt dieser Karten fi nanziell zu ermöglichen, entschlossen sich das Landesarchiv und die
Landesbibliothek des Kantons Glarus zusammen mit dem Verlag Rothe Drucke Bern den Atlas als
Faksimile herauszugeben.

Zwischen 2007 und 2014 erschienen im Verlag Rothe Drucke alle 32 Karten in einer nummerierten
Auflage von je 100 Exemplaren. Bei den Karten handelt es sich um handkolorierte Hochdrucke auf
Büttenpapier Canson Arches, 200 g/m 2 im Format 50 x 65 cm.

Das ganze Kartenwerk kostet Fr. 5500.–, einzelne Länderkarten sind zum Preis von Fr. 200.– erhält-
lich. Die Weltkarte, die auf S. 33 im KGS Forum abgebildet ist, kann für Fr. 250.– erworben werden.

Alle Karten sind auf der Website des Verlags einzusehen: www.rothe-drucke.ch/faksimiles.html

Ebenfalls dort zu fi nden ist ein wissenschaftlicher Begleittext von Hans Laupper (Glarus) und
Florian Mittenhofer (Bern).

Kontakt- und Bestelladresse:


Verlag Rothe Drucke, Ostermundigenstrasse 60, 3006 Bern.
Tel.: +41 (0)31 932 03 13; E-mail: mail@rothe-drucke.ch; Web: www.rothe-drucke.ch/

Gerhard Mercator und Jodocus Geographie, eine Asienbibliothek


Hornius, das «Théatre de l'Uni- (Nahost, China, Indien, Japan),
vers…» Antwerben 1587, von Ab- Helvetica, Alpina, Karten zur
raham Ortelius mit einer Schwei- Kartengeschichte, Reiseberichte,
zerkarte von Aegidius Tschudi 16'000 Dias über viele Länder der
sowie die prachtvoll kolorierte Erde und 150 Videos, welche
sechsbändige deutsche Ausgabe rund 600 verschiedene Themen
«Novus Atlas, das ist die Weltbe- behandeln, hinzu.
schreibung» des Willem und
Joan Blaeu, Amsterdam 1646– Die einzelnen Gebiete sind nach
1656. Nicht weniger Erwähnung systematischen Kriterien aufge-
verdienen die «Peutingeriana Ta- baut, d.h. China umfasst nicht
bula itinera…», Wien 1753, welche nur geografische, sondern auch
von F. C. Scheyb erstmals in Ori- literarische und kulturgeschicht-
ginalgrösse reproduziert wurden liche Werke. Durch das Zusam-
oder der «Grosse Atlas des Kur- menfi nden der beiden Sammlun-
fürsten Prinz Friedrich Wilhelm», gen hat die Glarnersammlung nun
eine verkleinerte Faksimile- den Status von nationaler oder
Ausgabe der Deutschen Staats- gar internationaler Bedeutung
bibliothek, Berlin, welcher an- erlangt.17 Das Bundesamt für Kul-
lässlich der Liber Tagung der tur schrieb jedenfalls: «Die Erhal-
Kartenkuratoren 1994 in Zürich tung und Erschliessung dieser
in die Sammlung von Glarus Ein- Sammlung liegt im Interesse des
gang fand. Bundes, bzw. auch von dessen
durch die Schweizerische Lan-
desbibliothek ausgeübten Helve-
WERTVOLLE ERWEITERUNG tica-Sammelauftrages».18
DER SAMMLUNG
Dieses Kulturgut zu erhalten, ge-
Mit dem Legat von Prof. Arthur hört somit auch zu den nationa-
Dürst konnte die Sammlung 1980 len Aufgaben des Kulturgüter-
noch um ein Vielfaches erweitert schutzes. Die Karten sind ja Teil
werden. Nebst den bereits einge- unserer Kulturgeschichte und
lagerten Kartenwerken kam jetzt darum unerschöpflich. Sie haben
auch noch die einschlägige Lite- eine technische und eine ästheti-
ratur zur Geschichte der Karto- sche Seite, was sie doppelt inter-
graphie, des geographischen essant macht. Sie dokumentieren
Weltbildes und der eigentlichen nicht nur eine überaus reiche Ver-

Seite 34
gangenheit der Eidgenossen- Schweizerchronik von Johannes 11 LAUPPER Hans, HILBER Elmar u.
schaft, sondern auch des Abend- Stumpf. HAMMER-CAVELTI Madlena,
landes. 4 LAUPPER Hans u. HILBER Elmar, 1977, S. 40. Das Original ist ver-
1976: Atlanten, Karten, Globen aus der schollen, eine Kopie existiert noch in
Um eine solche Überlieferung Sammlung Walter Blumer [Ausstel- der Blumerschen Sammlung.
inskünftig langfristig und nach- lungskatalog: Freulerpalast Näfels, 12 DAVATZ Jürg u. LAUPPER 1984,
haltig schützen zu können, ist 5. Juni–3. Oktober 1976, S. 43–44]. S. 3. Dazu auch IMHOF Eduard,
nach der vom Verein Schweizeri- 5 DAVATZ Jürg u. LAUPPER Hans, 1968: Gelände und Karte. Erlen-
scher Archivarinnen und Archi- 1984: Der Kartograph Rudolf bach-Zürich.
vare 2007 herausgegebenen «Ar- Leuzinger 1826–1896 und 500 Jahre 13 BLUMER Walter, 1950, S.37 u. 38. /
chivpraxis in der Schweiz»: «[...] Glarnerland im Kartenbild [Ausstel- BLUMER 1957, S. 110. / HELD L.,
das Wissen um das Verhalten lungskatalog: Sonderausstellung im 1896: Kartograph Rudolf Leuzinger.
solcher archivischer Objekte im Museum des Landes Glarus vom In: Jahrbuch des Schweizer Alpen-
Alltag und bei Katastrophen hilf- 5. April bis 5. August 1984, S. 17]. / club, XXXI, 1896, S. 296–303.
reich und ausserordentlich wich- WOLF Rudolf, 1879: Geschichte der 14 DAVATZ Jürg u. LAUPPER Hans,
tig. Eingriffe zur Erhaltung und Vermessungen in der Schweiz als 1984, S. 19. / BLUMER Walter,
Sicherung sollten darum auf kei- historische Einleitung zu den Arbei- 1950, S. 12–16.
nen Fall die Integrität solcher ten der schweiz. geodätischen Com- 15 BLUMER Walter, 1950, S. 25–26,
Denkmäler einschränken».19 Kost- mission, S. 4–12. Zürich. 38. / DAVATZ Jürg u. LAUPPER,
barkeiten von solchem Wert sind 6 BLUMER Walter, 1957, S. 38. 1984, S. 26.
für jedes Land identitätsstiftend. 7 LAUPPER Hans, HILBER Elmar u. 16 BLUMER Walter, 1950, S. 12–16.
Hiefür hat jede Generation Sorge HAMMER-CAVELTI Madlena, 17 LAUPPER Hans, 2004, S. 127–130. /
zu tragen. 1977: Karten Globen Atlanten. LAUPPER Hans, 1977: Karten
Katalog zur Sonderausstellung im Globen Atlanten: Ein Querschnitt
Verkehrshaus der Schweiz, vom durch die Geschichte der Kartogra-
ANMERKUNGEN 10. Mai–18. September 1977, phie: Sonderausstellung im Verkehrs-
S.45–46. Luzern. haus der Schweiz, Luzern, bis
1 BÄCHTOLD Hans Ulrich, 2006: 8 LAUPPER Hans, 2004: Die Karten- 18. September. In: Glarner Nach-
Glarean. In «Historisches Lexikon sammlung Walter Blumer und das richten vom 12. 7. 1977.
der Schweiz (HLS)», Elektronische Legat Arthur Dürst in der Landes- 18 Zum Andenken an Walter Blumer-
Ausgabe (19.12.2006). bibliothek Glarus. In: Kartogra- Gerber (9. Juni 1888–19. August
2 WINTELER Jakob, 1952: Geschichte phische Sammlungen in der Schweiz: 1987): Ansprachen anlässlich der
des Landes Glarus, Bd.1: Von den Beiträge über ausgewählte Samm- Verleihung des Kulturpreises am
Anfängen bis 1638, S. 247 + Bild- lungen und zur Kartographie- 12. November 1975 in Gümligen
tafeln. Glarus. / BLUMER Walter, geschichte der Schweiz, S. 127–128. (BE). Vgl. hierzu auch «Neujahrsbote
1957: Bibliographie der Gesamtkar- 9 FINSTERWALDER R., 1958: für das Glarner Hinterland» (1977).
ten der Schweiz von Anfang bis Deutsche Zeitschrift für Vermes- 19 LAUPPER Hans, 2007: Politik und
1802, S. 171. Bern. sungswesen, S. 32. Stuttgart. Praxis der Bewahrung und Erhal-
3 BLUMER Walter, 1957, Bd. 1, S. 35. 10 LAUPPER Hans, 2004, S. 127. / tung. In: Archivpraxis in der
Die Karte erschien als Beilage zur BLUMER Walter, 1950: Die topo- Schweiz, S. 372. Baden.
Schrift «Die uralt wahrhaftig graphischen Karten des Kantons
Alpisch Rhetia samt dem Tract der Glarus, S. 33. Einsiedeln.
andern Alpgebirgen … mit einer
geographischen Tabel». Eine
verbesserte und erweiterte Nach-
zeichnung erschien auch 1548 in der

Seite 35
GLARIS GLARONA AL CENTRO

AU CENTRE DU MONDE DELL'ATTENZIONE

MONDIALE

Ayant pour point de départ les En 1980, la collection s'agrandit Partendo dall'umanista Heinrich
travaux de l'humaniste Heinrich grâce au legs du professeur Ar- Loreti (1488–1563) di Mollis (GL)
Loreti (1488–1563) de Mollis (GL) thur Dürst comprenant une vaste che, sotto lo pseudonimo di «Gla-
qui, sous le pseudonyme de «Gla- littérature sur l'histoire de la car- rean», ha pubblicato nel 1527 una
rean», a publié en 1527 une repré- tographie, une bibliothèque sur rappresentazione schematica del-
sentation schématique de l'uni- l'Asie (Moyen-Orient, Chine, Inde, l'universo con Glarona al centro,
vers avec Glaris au centre, cet Japon), d'anciennes cartes de la questo articolo dimostra, sulla base
article montre, sur la base de Suisse et des Alpes, diverses di alcuni esempi, che molti grandi
quelques exemples, que de nom- cartes sur l'histoire de la carto- cartografi svizzeri provenivano
breux grands cartographes suisses graphie, des carnets de voyage, dal piccolo Canton Glarona.
étaient originaires du petit can- 16'000 diapositives sur de nom-
ton de Glaris. breux pays et 150 vidéos portant Molte delle loro opere cartografi-
sur environ 600 sujets différents. che sono conservate insieme ad
La plupart de leurs travaux carto- altre 10'000 vecchie mappe nella
graphiques sont conservés avec Les différentes régions sont do- biblioteca del Canton Glarona. Vi-
10'000 autres cartes anciennes cumentées selon des critères sys- sitare questa biblioteca è una vera
dans la bibliothèque du canton de tématiques. Cela signifie par festa per gli occhi, una mecca per
Glaris. Visiter cette bibliothèque exemple que la collection sur la ogni appassionato di mappe. La
est un régal pour les yeux, un Chine comprend non seulement maggior parte dei documenti pro-
véritable trésor pour tout ama- des œuvres géographiques mais vengono dal lascito di Walter Blu-
teur de cartes. La plupart des aussi littéraires et historiques. mer del 1975. La collezione è oggi
documents proviennent d'un legs Grâce à ces deux héritages, la col- tra le più belle della Svizzera. Com-
de Walter Blumer de 1975. La col- lection de Glaris jouit aujourd'hui prende esemplari del periodo dal
lection compte désormais parmi d'une reconnaissance nationale et XV secolo ad oggi. Il patrimonio
les plus belles de Suisse. Elle internationale. documenta in modo impressio-
comprend des cartes du XVe siècle nante la storia della cartografia eu-
à nos jours. Ce patrimoine retrace ropea e svizzera. Include anche la
de façon impressionnante l'his- più antica edizione tolemaica
toire de la cartographie euro- stampata delle «Tabulae Geo-
péenne et suisse. On y trouve graphicae», che risale al 1486 e
entre autres la plus ancienne édi- comprende 32 xilografie a colori.
tion imprimée des «Tabulae Geo-
graphicae» de Ptolémée qui date
de 1486 et comprend 32 gravures
sur bois de couleur.

Seite 36
GLARUS

AS THE EPICENTRE OF THE WORLD

Nel 1980 la collezione è stata ulte- In 1527 a schematic map of the capsulates the history of cartog-
riormente ampliata con il lascito world was drawn up, with the raphy. Among the thousands of
del prof. Arthur Dürst. Sono sta- canton of Glarus at its epicentre. articles in the collection is the
ti aggiunti una vasta letteratura The idea originally came from oldest printed copy of Ptolemy's
sulla storia della cartografia, una the humanist and Glarus native, world map, the Tabulae Geo-
biblioteca sull'Asia (Medio Oriente, Heinrich Loreti (1488–1563), who graphicae. It dates from 1486 and
Cina, India, Giappone), vecchie also went by the pseudonym of comprises 32 coloured woodcut
carte Helvetica e Alpina, diversi “Glarean”, in a nod to his birth- panels.
atti sulla storia della cartografia, place. The present article demon-
diari di viaggio, 16'000 diapositive strates that the canton of Glarus In 1980, the collection expanded
su molti Paesi del mondo e 150 vi- was a veritable incubator for considerably following a bequest
deo che trattano circa 600 temi di- Swiss cartographers. by Prof. Arthur Dürst. It now con-
versi. tains works documenting the his-
Many of the maps drawn by the tory of cartography, an Asian li-
Le singole regioni sono documen- Glarus cartographers, as well as brary (Middle East, China, India,
tate e articolate secondo criteri si- some 10,000 old maps, are now Japan), Helvetica, Alpina, travel
stematici. Ciò significa ad esempio held by the canton's state library. journals, 16,000 slides of myriad
che la raccolta sulla Cina include They are a real feast for the eyes countries around the world, as
opere non solo geografiche, ma an- and a treasure trove for map lov- well as 150 videos on some 600
che letterarie e storiche. Grazie alla ers. Most of the documents in the different subjects.
combinazione dei due lasciti, la collection, which is one of the fi n-
collezione glaronese ha raggiunto est in Switzerland, were be- Each field is developed according
uno status d'importanza nazionale queathed by Walter Blumer in to systematic criteria, i.e. China
e addirittura internazionale. 1975. Covering many centuries, includes geographical as well as
from the 1500s right up to the literary and cultural works. To-
present day, this important col- day, the Glarus map collection is
lection is testament to the impres- one of national, and maybe even
sive mapmaking expertise of Eu- international, importance.
rope and Switzerland, and en-

Seite 37
GILBERT COUTAZ

L'IMPORTANTE COLLECTION
DE CARTES HISTORIQUES DES
ARCHIVES CANTONALES VAUDOISES

Gilbert Coutaz, Cartes et registres cadastraux cadastrée, au début des années


directeur des Ar- sont intimement liés aux Ar- 1670; elle dispose d'une première
chives cantonales chives cantonales vaudoises représentation complète avec la
vaudoises; archi- (désormais ACV), en raison de vue dessinée par David Buttet, en
viste de la Ville de leur développement parallèle, 1638. Les données chiffrées des
Lausanne, 1981– de leur centralisation et leurs deux fonds d'archives de référence
1995, président fi liations, la carte traduisant (Gb et Gc) sont évolutives, car elles
de l'Association en une seule représentation un relèvent de fonds ouverts.
suisse des archi- nombre plus ou moins imposant
vistes, 1997–2001, de folios du registre cadastral. Toutes les communes du canton
collaborateur Ils constituent à eux deux les de Vaud sont présentes dans ces
scientifique du fleurons du patrimoine conservé sources, avec plus ou moins de
Dictionnaire par les ACV, leur conservation régularité, les cartes représentant
historique de la est une lourde responsabilité, entre autres, globalement ou sé-
Suisse, 1991– leur consultation une obliga- parément, les territoires commu-
2014, fondateur tion. naux ou seigneuriaux, les bail-
et président de Ré- liages et les districts, les cours
seauPatrimoineS. Les ACV conservent une des col- d'eau, les lacs et les ports, les
Association pour lections de cartes historiques et routes et les ponts, les forêts, les
le patrimoine na- de plans cadastraux les plus an- marais, les montagnes, les bâti-
turel et culturel du ciennes et les plus complètes de ments, les mines et les salines, ou
canton de Vaud, Suisse. Alors que dans certains encore des frontières internatio-
1998–2014, et du cantons, ces sources n'appa- nales ou intercantonales. Au-delà
Groupe Mnemo- raissent qu'au 18e siècle ou même de leur intérêt pour le contrôle et
Pôle, depuis 2012, plus tardivement, et restent dissé- la représentation de l'espace, les
sur le campus minées, dans le canton de Vaud, plans cadastraux et leur corres-
lausannois; fon- les autorités ont décidé leur cen- pondant cartographique auto-
dateur du Consor- tralisation aux ACV, par arrêté du risent de multiples lectures, tant
tium de sauvetage 10 avril 1959. sous les angles économique, so-
du patrimoine cial, juridique, fiscal que topony-
documentaire en mique, généalogique et esthé-
cas de catastrophe, UN PATRIMOINE tique; ils répondent aux attentes
en 2004, respon- D'UNE RICHESSE de différents publics: le citoyen et
sable de modules EXCEPTIONNELLE le politique, le toponymiste, le
du MAS ALIS, généalogiste, l'historien du terri-
Universités Berne Ainsi, à ce jour, on dénombre toire, l'historien de l'art et l'archi-
et de Lausanne, 5'000 cartes, 155'000 planches de tecte. Leur importance histo-
2006–2014, mem- plans cadastraux pour 2'275 re- rique, patrimoniale et culturelle
bre de la Commis- gistres cadastraux, des années n'est pas à démontrer. L'ampleur
sion fédérale de 1650 à 1914: 143 datent du 17e siècle, de la démarche est justifiée moins
la protection des 525 du 18e siècle, 1 406 du 19e siècle par les choix pratiques et techno-
biens culturels, et 201 du 20e siècle. Les plus an- logiques que par la masse des
depuis 2012. ciennes représentations visuel- documents à considérer.
les du Pays de Vaud datent du
gilbert.coutaz 16e siècle. La ville de Lausanne est
@vd.ch la première ville de Suisse à être

Seite 38
1

1 Une représentation à la dimension UNE IMAGE AVANT LA NÉCESSITÉ D'AGIR


administrative de l'époque bernoise, LA PHOTOGRAPHIE
selon la carte du bailliage d'Oron En 1999, l'état sanitaire des collec-
avec les portions limitrophes des Bien avant l'apparition de la pho- tions des registres cadastraux et
bailliages bernois et fribourgeois, tographie au XIXe siècle et les cam- des cartes a été mesuré au travers
Auteur [Samuel Gaudard], sans pagnes de photographies aé- d'une double expertise conduite
date [1660 environ]. riennes du XXe siècle, le territoire respectivement par Andrea Gio-
© ACV; GC 501. vaudois est traduit dans sa variété vannini et Stephan Boehmer. Les
et ses contrastes géographiques chiffres de la consultation ont été
par la cartographie: villages vi- examinés parallèlement pour la
gnerons de La Côte, chalets du période 1972 à 1999 – une consul-
Jura et du Pays-d'Enhaut, châ- tation s'entend aussi bien pour
teaux, temples et anciens bâti- une demande de quelques mi-
ments conventuels sécularisés, nutes que pour une de plusieurs
moulins, tracés de routes, plus ou dizaines de jours.
moins rectilignes, avec leurs con-
traintes topographiques, gibets Les résultats des études sont im-
sur les confins du territoire, ri- pressionnants: 70'000 heures de
vières non encore domestiquées, travail, soit 8'750 journées ou
diversité des cultures, grignotant 44 ans d'intervention; 43% des
de nouvelles terres sur les forêts. cartes présentent des dégâts

Seite 39
2

3 La richesse informative de la carte, numériques, 1,2% est très fragile ments, les interventions de l'atelier
selon la carte générale et géo- et/ou fragmenté. Seuls 4,3% des de restauration ont été limitées à
métrique du village et territoire de cartes sont en bon état; le recours des travaux de consolidation pour
Belmont-sur-Lutry dressée sur les aux sources cartographiques et éviter toute perte d'information au
plans réguliers et géométriques de la cadastrales a été multiplié par dix moment de la numérisation.
rénovation faite en faveur de Leurs entre 1972 et 1999 ; sur une durée
Excellences de la Ville et République de 3 à 4 ans, chaque registre ca- Dès le début des années 2000, la
de Berne, nos souverains seigneurs, dastral est consulté au moins une numérisation systématique des
pour leur château de Lausanne. fois; les documents du XIXe siècle documents a été proposée aux
Auteur : Jean-François Crud, 1771. sont prioritairement demandés, autorités, sur la base d'un inves-
© ACV; GC 127 a. suivis de ceux du XVIIIe siècle. tissement de 2 millions de francs.
La décision est tombée douze ans
Les constats parlent d'eux-mêmes, plus tard. Durant ce laps de
ils ne laissent pas de place à l'alter- temps, l'atelier de restauration a
native: restaurer les documents paré au plus pressé, en écartant
sans les retirer de la consultation de toute consultation les docu-
au profit d'un contretype numé- ments les plus dégradés, et en
rique est un non-sens. Dès lors, la portant diverses marques dis-
priorité a été accordée à la numé- tinctives sur un certain nombre
risation de l'ensemble des docu- d'entre eux, selon leur degré de

Seite 40
2 à gauche, p. 40. L'importance de la
culture de la vigne selon la carte du
vignoble de Villette. Auteur: in-
connu, sans date [1710–1711].
© ACV; GC 2153/A.

faiblesse. Le rangement vertical mesurer la production journa- deur des écrans de consultation
des registres cadastraux, qui lière. L'ensemble de l'opération va (le principe est que seule la prise
avait été choisi à la construction s'étendre jusqu'à la fi n de l'année de vue numérique est consul-
du nouveau bâtiment des Ar- 2018. table, dans un premier temps en
chives cantonales en 1985, fut salle de lecture, ensuite sur Inter-
remplacé par un rayonnage mo- La première étape consiste à net) sont reconsidérés au profit
bile et un rangement à plat. Tous confirmer l'état sanitaire indivi- d'une augmentation sensible des
les plans roulés dont les dimen- duel des documents et à séparer postes informatiques. Enfi n, l'hé-
sions le permettaient ont été dé- ce qui peut être traité sans inter- bergeur des ACV est appelé à être
posés dans des meubles à plans vention de l'atelier de restaura- enrichi de plusieurs dizaines de
A0, les grands formats ont été ou tion et ce qui doit l'être. Elle a téraoctets, suivant la production
enroulés sur des cylindres de car- exigé de faire débuter le travail de des sources numériques. En plus
ton non acide ou disposés sur une l'aide-restauratrice, au début de du master numérique, il est prévu
feuille cartonnée non acide dont l'année 2014, une année avant les de faire un master analogique.
la section d'enroulement est opérateurs de numérisation. La
contrôlée et maintenue à l'aide de deuxième étape vise à enrichir
rubans velcro. Chaque plan en- les inventaires de données plus UNE DÉMARCHE
roulé est posé sur des supports de précises et systématiques (dimen- DE SOLIDARITÉS
maintien, les bois d'accrochage sions, nombre de folios) – les
des plans muraux ont été enlevés. images numériques bénéficieront L'introduction de la Réforme
Chaque opération a été documen- de métadonnées optimisées; elle dans le Pays de Vaud a fait dispa-
tée. permet de comparer leur état et raître l'ensemble des documents
d'établir les relations entre les de la foi catholique, soit par des-
copies et les exemplaires d'un truction, soit parce que leurs dé-
À LA VEILLE DE DÉMARRER même document (il est prévu de tenteurs les ont cachés dans les
tous les numériser). régions voisines, restées fidèles à
Le dispositif numérique défendu l'ancienne foi. Les cartes et les
et adopté en mars 2013 pour la Les lots documentaires sont ré- registres cadastraux constituent
numérisation des registres cadas- partis en fonction de leurs di- en fait les premiers témoins vi-
traux et des plans a opté pour une mensions entre les deux princi- suels conservés par les ACV.
opération complètement interna- pales caméras – la standardisation L'Etat de Vaud, en choisissant la
lisée et selon un flux industriel: du format A0 (84,1x111,9 cm pour centralisation des documents, a
période de trois ans, avec une une épaisseur de 13 cm) des re- évité leur conservation dans des
production contrôlée, chaque gistres cadastraux s'impose au 19e conditions inégales et la consul-
jour, engagement de trois per- siècle; la grandeur usuelle des tation délocalisée. La contrepar-
sonnes, 1 aide-restauratrice, et cartes n'excède pas 1 m 2. Le tout tie, c'est qu'il doit assumer les
2 opérateurs de numérisation. Le sera numérisé en couleur. conséquences de sa décision, en
choix et l'achat des équipements garantissant la survie des docu-
(caméras: une caméra A0, une Les processus de manipulation ments originaux et leur consulta-
autre pour les formats A1 et la 3e des originaux, leur localisation tion. La numérisation offre l'in-
pour les formats jusqu'à A3) ont avant et après numérisation, les terface attendue entre les con-
été effectués par la voie du mar- protocoles de contrôle de qualité, traintes de la conservation et
ché public. Le travail préparatoire les formats d'enregistrement celles de la consultation. L'une et
a mis en évidence l'absolue néces- pour le master numérique (TIFF) l'autre sont solidaires avec leurs
sité de coordonner chaque étape, et pour la consultation (JPEG) ont contraintes spécifiques et leurs
de planifier les échéanciers et de été défi nis, le nombre et la gran- coûts inhérents. Le processus

Seite 41
4

Seite 42
6 en bas: Vevey entre tradition et
modernité, selon la carte de Vevey.
Auteur [Louis] Blanc, 1905–1909.
© ACV; GC 1348/5.

4 à gauche, p. 42: La vallée de Joux, engagé depuis une année aux de CHF 1'630'000.- pour financer
une esquisse jurassienne selon la ACV a renforcé la responsabilité les travaux urgents de dématériali-
carte du Lieu. Auteur: NN. Cavat, collective du personnel de l'insti- sation et sécurisation de documents
1812–1814. © ACV; GC 1141/1. tution, qui passe par la complé- historiques menacés aux Archives
mentarité des compétences, l'ad- cantonales vaudoises, avec au
5 à gauche, p. 42: Le Pays-d'Enhaut dition et la répartition des forces préalable l'aménagement des locaux
dans son écrin, selon la carte de la et l'obligation d'évoluer dans les et la mise en œuvre des ressources
commune de Rossinière (Extrait). savoirs, les postures et les rela- informatiques nécessaires.
Auteur [Louis] Duvoisin, 1846. tions avec l'extérieur. Après avoir - COUTAZ Gilbert, avec la collabora-
© ACV; GC 1324/12. lutté pour faire reconnaître l'en- tion de CONNE Olivier, 1999: «Un
jeu conservatoire, et être parvenu enjeu informatique aux Archives
à obtenir le fi nancement, le per- cantonales vaudoises: la numérisa-
sonnel des ACV est voué à réussir tion de la cartographie». Dans: Ge-
la phase opérationnelle, dans une schichte und Informatik, 10, 1999,
logique très encadrée et de durée pp. 93–102.
limitée. A elles de répondre à la - PICTET Robert, 2008: Flâneries
confiance mise en elles et de dé- cartographiques. Vaud se (re)pré-
montrer leur capacité de conduire sente. Exposition annuelle des
un projet pilote de l'administra- Archives cantonales vaudoises,
tion, une démarche ambitieuse, 2008, dossier consultable en ligne
urgente et indispensable. http://www.patrimoine.vd.ch/
archives-cantonales/expositions/
expositions-anterieures/2008-vaud-
BIBLIOGRAPHIE se-represente/
DE RÉFÉRENCE - R ADEFF Anne, 1980: Lausanne et
ses campagnes au 17e siècle; pp.
cf. également fig. 7, - Exposé des motifs et projet de décret, 557–577 (Bibliothèque historique
la photo au dos de la revue. accordant un crédit d'investissement vaudoise). Lausanne.

Seite 43
DIE WICHTIGE L'IMPORTANTE COLLE- CANTONAL ARCHIVES

KARTENSAMMLUNG ZIONE DI MAPPE STO- OF VAUD:

IM STAATSARCHIV RICHE DEGLI ARCHIVI A TREASURE TROVE

DES KANTONS WAADT CANTONALI VODESI OF HISTORICAL MAPS

Drei Gründe haben dazu geführt, Tre motivi spiegano perché gli The cantonal archives of Vaud
dass im Staatsarchiv des Kantons Archivi cantonali vodesi custodi- have one of the most important
Waadt eine der wichtigsten scono una delle più importanti collections of maps and cadastral
Schweizer Sammlungen histori- collezioni di mappe e registri ca- surveys in Switzerland, with doc-
scher Karten und Katasterpläne tastali della Svizzera, datati tra la uments dating from the second
von der 2. Hälfte des 17. Jahrhun- seconda metà del XVII secolo e il half of the 17th century right up to
derts bis 1914 aufbewahrt wird. 1914. 1914. There are three reasons why
this is the case:
• Lausanne war die allererste • Losanna è stata la prima città
Schweizer Stadt, die in Katas- svizzera ad essere catastata • Lausanne was the first city in
terplänen aufgenommen wur- (nei primi anni Settanta del Switzerland to be surveyed
de (anfangs der 1670er-Jahre). XVII secolo). (early 1670s).

• Die Waadtländer Kantonsbe- • Nel 1959 le autorità cantonali • In 1959 the cantonal authori-
hörden beauftragten 1959 das vodesi hanno emesso un edit- ties in Vaud enacted a by-law
Staatsarchiv, alle Karten und to che imponeva di raccogliere requiring the deposition of all
Katasterpläne, die vor 1803 er- negli Archivi cantonali tutti i pre-1803 cadastral plans and
schienen waren, neu zu grup- piani e i registri catastali pre- surveys in the cantonal ar-
pieren. cedenti al 1803. chives.

• Schliesslich wurde die Lang- • La longevità di queste fonti • The longstanding use of these
lebigkeit dieser Quellen durch nella prassi amministrativa ha documents in administrative
die Nutzung in der Verwal- evitato la loro prematura di- practice prevented their un-
tungspraxis gesichert und da- struzione. timely loss.
mit eine vorzeitige Zerstörung
verhindert. Il 12 marzo 2013, il Gran Consi- On 12 March 2013 the cantonal
glio vodese ha deciso di investire parliament of Vaud approved a
Am 12. März 2013 bewilligte der due milioni di franchi per dotare budget of CHF 2 million to enable
Waadtländer Grosse Rat einen gli Archivi cantonali di un polo the cantonal archives to digitise
Kredit von zwei Mio. Fr., um im informatico. Questo permette di their collection. Not only will this
Staatsarchiv ein Digitalisierungs- rispondere alle esigenze di con- ensure that urgent conservation
zentrum einzurichten. So können servazione e diffusione nonché di work is carried out but it will also
wichtige Konservierungsmass- completare i dati cartografici del enable the archives to improve ac-
nahmen wahrgenommen und Cantone, dalle sue origini ad cess to these resources. Moreover,
zugleich Bedürfnisse der Nutzer/ oggi. Il suo compito è trattare this parliamentary decision opens
innen abgedeckt werden. Die 5'000 mappe e 155'000 planime- up the possibility of completing
kartografischen Daten, von ihren trie catastali per un totale di 2'275 the existing map databases with
Anfängen bis heute, können da- registri, di cui le testimonianze new content that documents the
durch komplettiert werden. Ins- più antiche precedono di duecen- history of the canton from its ori-
gesamt werden 5'000 Karten und to anni l'avvento della fotografia. gins to the present day. The work
155'000 Blätter aus Katasterplä- will involve processing some
nen aus 2'275 Registern bearbei- 5,000 maps and 155,000 cadastral
tet. Die ältesten dieser Zeugnisse plans drawn from 2,275 registers,
reichen in eine Zeit zurück, die whose earliest records pre-date
rund 200 Jahre vor den Anfängen the advent of photography by two
der Fotografie liegt. hundred years.

Seite 44
CORNELIA STÄHELI

DER UMZUG DER KNOEPFLI-


SAMMLUNG NACH FRAUENFELD
EIN NEUES ZUHAUSE FÜR DAS WELTBILD DES HEILIGEN BRENDAN

UND EINE SPRÜNGLI-VERPACKUNG

Mit dem Namen Albert Knoepf- zahlreicher Schenkungen zu-


li verbindet man gemeinhin die stande kam und 1975 in die Dr.
Institution «Denkmalpflege»: Albert Knoepfli-Stiftung mit Sitz
Nach zehnjähriger Tätigkeit als in Bischofszell – der Geburtsstadt
Sekundarlehrer im thurgaui- von Albert Knoepfli – einge-
schen Aadorf (1935–1945) wirkte bracht wurde.
Albert Knoepfl i (1909–2002) mit
dauerhaftem Engagement als
erster Kunstdenkmäler-Inven- ZWISCHEN RARITÄT UND
Cornelia Stäheli tarisator und Denkmalpfleger ALLTAGS-KARTOGRAFIE
(*1961), lic. phil., des Kantons Thurgau (1945–
Kunsthistorikerin, 1974). Ab 1972 baute er ausser- Das Stiftungsgut umfasst gegen
Schaffhausen. dem das Institut für Denkmal- 8'400 kartografische Belege vom
Verfasserin bzw. pflege an der ETH Zürich auf, 12. und vom 15. bis ins 20. Jahr-
Mitverfasserin dem er bis 1979 auch vorstand.1 hundert: Topografische und the-
verschiedener Albert Knoepfl is private Inter- matische Karten und Pläne,
Schweizerischer essen galten – unter vielen ande- Panoramen und Ansichten, Reli-
Kunstführer, des ren – aber auch der Kartografie. efs, Atlanten und fachspezifische
Kunstführers Bücher sowie Zeitschriften, Zei-
durch die Schweiz Zwischen den 1930er- und den tungsausschnitte, Werbepros-
und des Kunst- 1990er-Jahren legte er eine über- pekte und weitere Objekte. Die
denkmälerbandes aus breit gefächerte und originel- geografischen und thematischen
über die Zürcher le kartografische Sammlung an, Schwerpunkte der Sammlung
Altstadt III/2. Seit die anlässlich von Ankäufen auf liegen im schweizerischen Raum
2007 als Karten- Auktionen, Messen und im Anti- und namentlich im Thurgau bzw.
spezialistin tätig quariatshandel sowie im Zuge in der Bodenseegegend, was auf-
für die Dr. Albert
Knoepfli-Stiftung
und das Staats-
archiv des Kan-
tons St. Gallen.

cornelia.staeheli
@bluewin.ch

1 Kartografie – ein weites Feld: Glo-


ben, «Geographisches Quartettspiel»
und Blechdose mit kartografischem
Sujet als Bestandteile der Sammlung
von Dr. Albert Knoepfli. Foto: © Cor- 1
nelia Stäheli, Schaffhausen.

Seite 45
2 Darstellung des Weltbildes des heiligen
Brendan (um 483–577 oder 583) aus
der Sicht des 12. Jahrhunderts. Minia-
turmalerei aus einer (süddeutschen?)
Pergamenthandschrift, um 1175–1200.
Das älteste Blatt der Knoepfli-Samm-
lung bildet die Welt als südorientierte
Erdkugel mit ihren Klimazonen-«Gür-
teln», zwei aufgesetzten Kreisflächen
als Visualisierung der Nordpolgegend
bzw. des unbewohnten Teils der nörd-
lichen gemässigten Zone und einem
teppichartig ausgeschiedenen Paradies-
geviert mit den vier Paradiesflüssen
«Geon», «Fison», «Eufraten» und
«Tigris» ab (AKS 3: OMB 110a).
© Dr. Albert Knoepfli-Stiftung,
Bischofszell.

3 «Dess wytberumpten Bodensees


eigentliche contrafact»: Bodensee-
Kärtchen als Kopfillustration eines
Kalenderblattes von 1573. Kolorierter
Holzschnitt (Karte) und zweifarbiger
Buchdruck (Text). Zwecks Konservie-
rung wurde das fragile Blattfragment
um 1975 auf Japanpapier aufgezogen
und die schwarze Rahmenlinie neu
nachgezogen (AKS 3: OMB 47).
2 © Dr. Albert Knoepfli-Stiftung,
Bischofszell.

grund der Wohn- und Wirkungs- 3


stätten des Stifters gegeben war.

Neben zahlreichen exquisiten


Blättern – darunter etwa eine
Darstellung des Weltbildes des
irischen Seefahrer-Heiligen Bren-
dan (um 1175–1200; Abb. 2)2, die
Inkunabel «Quarta Europe tabu-
la: continet Germaniam cum in-
sulis sibi adiacentibus» nach
Claudius Ptolemäus (Ulm 1482/
1486), die älteste gedruckte Karte
der Schweiz «Tabula nova heremi
Helvetioru» (Strassburg 1513),
eine Reihe teils fragmentarisch
erhaltener Bodenseekärtchen, die
ab 1540 als Kalenderkopf-Illustra-
tionen in der Froschauer Offizin
in Zürich gedruckt wurden (Zü-
rich 1568 bzw. 1573; Abb. 3), eine
Handkopie von Johannes Nötz-
lis Thurgauer Karte (Frauenfeld
1740) und ein anonymer Gerichts-
marchenplan von Hauptwil (um
1664)3 – legte Albert Knoepfli sein
Augenmerk vermehrt auch auf
Produkte des täglichen Gebrauchs:
Seine Sammlung enthält rund
650 Tischsets, Servietten, Textil-
träger, Puzzles, Kinderspielzeuge
und Verpackungen mit kartogra-

Seite 46
4

4 «Lacus Bodamicus vel Acronius…»: fischen Sujets, darunter jene le- jene Ära fällt unter anderem die
Bodensee-Karte des bedeutenden gendäre Sprüngli-Pralinenverpa- Durchführung dreier namhafter
Augsburger Kartografen und Verle- ckung aus den 1970er-Jahren, Ausstellungen zur Geschichte
gers Matthäus Seutter (1678–1757) deren Oberfläche der Zürcher der Kartografie, die jeweils von
mit reizvoller Titelillustration in Stadtplan zierte (Abb. 5, S. 48).4 Mit der Herausgabe eines Katalogs
Gestalt einer Karten-Offizin. Kolo- dieser aus gegenwärtiger Sicht begleitet waren.5
rierter Kupferstich, 1743/44. Beim noch als «wertlos» zu deklarie-
Exemplar der Knoepfli-Sammlung renden Abteilung erhielt die Im Zuge der Museumserweite-
dürfte es sich um einen frühen und Sammlung einen kontrastreichen rung 1999 wurde der Hauptteil
damit besonders raren druckgra- Akzent, welcher der Aussage des der Sammlung in eigens ge-
fischen Abzug handeln, da sein Kar- Stifters, ein Museum sei «der Ort, schreinerten Planschubladen
tenbild – im Unterschied zu anderen wo gesammelt wird, wenn von und -schränken in einem Neben-
überlieferten Exemplaren – im allem nichts mehr da ist», vehe- raum im zweiten Obergeschoss
Bereich der Bregenzer Ach und des ment die Stirn bietet. einquartiert.6 Die dortigen Raum-
östlichen Seeufers markante inhalt- verhältnisse waren eng, und es
liche Abweichungen aufweist gab beträchtliche Temperatur-
(AKS 3: OMB 823). © Dr. Albert ENGE RAUMVERHÄLTNISSE schwankungen; zur Abdunke-
Knoepfli-Stiftung, Bischofszell. lung des Raums dienten knapp
Während Jahrzehnten wurde die geschneiderte Vorhänge. Weitere
Sammlung im Historischen Mu- Teile der Sammlung wurden an
seum Bischofszell aufbewahrt verschiedenen Standorten im
und vor Ort von Alex und Bea Haus gelagert: Einige Exponate
Thalmann in Zusammenarbeit waren in die Dauerausstellung
mit Albert Knoepfli betreut. In des Museums integriert, andere

Seite 47
5

5 «Plan gelegte» Sprüngli-Pralinen- fristeten ihr Dasein in einem ehe- vorliegenden Beitrags in Bischofs-
verpackung aus den 1970er-Jahren maligen Abort im obersten Stock- zell bewerkstelligt wurde.8 Als
mit aufgedrucktem Zürcher Stadt- werk, ein grösseres Konvolut Bü- Datenbank stellte das Staatsar-
plan, auf dem die historisch rele- cher lag im hauseigenen Tresor, chiv des Kantons Thurgau seine
vanten Gebäude vogelperspektivisch und vereinzelt warteten Blätter Software scopeArchiv zur Verfü-
wiedergegeben sind. Ein Werbe- an eher unerwarteten Orten auf gung; an der Finanzierung betei-
schildchen verweist auf den Stand- ihre «Wiederentdeckung». Diese ligten sich Kanton (Lotteriefonds)
ort der Traditions-Confiserie am über Jahre hinweg gewachsene und Bund, die Stadt Bischofszell
Paradeplatz (AKS 3: OMB 3187). Situation mochte für eine «stille» sowie verschiedene Stiftungen.
Foto: © Dr. Albert Knoepfli-Stiftung, Lagerung angehen. Wollte man
Bischofszell. die Sammlung jedoch sinnvoll be- Gemessen an der üblichen Er-
wirtschaften und der Allgemein- schliessungstiefe von Archiva-
heit zugänglich machen, muss- lien der öffentlichen Hand han-
te nach einer professionelleren delte es sich um ein durchaus
Standortlösung gesucht werden. ambitioniertes Projekt, wurde
doch der Hauptteil der Samm-
lung nicht serien-, sondern blatt-
DIE SAMMLUNG weise anhand von rund zwei
WIRD ELEKTRONISCH Dutzend Kriterien erfasst. Neben
ERSCHLOSSEN der Bestandesaufnahme, die sich
auf einen von Albert Knoepfli in
2005 sprach sich der Stiftungsrat7 komplexer Chronologie angeleg-
für eine elektronische Erschlies- ten Zettelkatalog mit mehreren
sung der Sammlung aus, was tausend Karteikarten stützte, er-
zwischen Februar 2007 und Mai hielt das gesamte Material neue
2010 durch die Verfasserin des Archivsignaturen. Diese wurden

Seite 48
Vorher-Nachher-Situation:
6 In Bischofszell: Säurehaltige Papp-
zylinder und blumengemusterte
Stoffhüllen aus der Zeit um
1950–1970. Was einst aus verfüg-
baren Textilien massgeschneidert
worden war und den gerollten
Kartenblättern während Jahrzehnten
als Schutz gedient hatte, entspricht
heute nicht mehr der Vorstellung
einer konservatorisch einwandfreien
Auf bewahrung.
7 In Frauenfeld: Sogenannte Teleskop-
Köcher aus säurefreiem Karton als
zeitgemässer Schutz für gerollte
Karten. Da die Behältnisse aus zwei
Teilen gefügt sind, lassen sie sich
dem individuellen Format des
6 Archivgutes anpassen.
Fotos: © Urban Stäheli, Frauenfeld.

– im Unterschied zu den bereits


bestehenden, nicht selten mit Ku-
gelschreiber «verewigten» Be-
zeichnungen – mit weichem Blei-
stift direkt auf den Sammlungs-
einheiten angebracht. Ferner galt
es, den Bestand gemäss heutigen
konservatorischen Gepflogenhei-
ten umzupacken: Säurehaltige
Kartons, Passepartouts, Mäpp-
chen aus Kunststoff, Klebereste,
Drahtklammern usw. entfernte
man, und der überwiegende Teil
der Sammlung wurde unter Be-
rücksichtigung der neuen Signa-
turenfolge in Mappen und ande-
re Behältnisse aus säurefreiem
Karton abgelegt.
7

Insgesamt präsentiert sich die


Sammlung in durchaus passab-
lem konservatorischem Zustand. DIGITALISIERUNG tels Mikrosave® Hybrid Mikro-
Es darf nicht vergessen werden, UND STANDORTFRAGE film in den Jahren 2011/12.
dass kartografische Erzeugnisse
– im Unterschied zu rein künstle- Im Bestreben, die Sammlung bei Für die Finanzierung wurden
risch gewerteten Arbeiten auf gleichzeitiger Schonung der Ori- wiederum der Kanton, verschie-
Papier – meist Spuren des Ge- ginale künftig einem grösseren dene Stiftungen und die Familie
brauchs aufweisen, da sie zur Interessentenkreis zugänglich zu Knoepfli angegangen. Mit einem
praktischen Nutzung vorgesehen machen, wurden im Sommer Beitrag von Fr. 100'000.– aus dem
waren. Vereinzelt waren restau- 2009 erste Abklärungen zur Digi- Lotteriefonds sprach sich der Re-
ratorische Massnahmen noch zu talisierung getroffen. Schon früh gierungsrat des Kantons Thur-
Lebzeiten von Albert Knoepfli war man sich einig, dass dieses gau am 16. November 2010 für
getroffen worden, wobei es sich Vorhaben aus Kostengründen das Projekt aus, knüpfte jedoch
in erster Linie um die Stabilisie- nur für rund ein Drittel des die Bedingung daran, «dass die
rung von Rissbildungen im Pa- Sammlungsbestandes in Frage Karten einer Institution im Kan-
pier und das Aufziehen fragiler kommen würde. Anhand ver- ton Thurgau übergeben werden,
Blätter auf Japanpapier handelte. schiedener Kriterien (Alter, the- die über einen professionellen
Im Zuge der elektronischen Er- matische Schwerpunkte usw.) Betrieb in Sachen Aufbewah-
schliessung verzichtete man auf wurde daher eine Triage vorge- rung, konservatorischer Über-
weitere Eingriffe; der konserva- nommen. Die technischen Arbei- wachung und Ausleihe verfügt».
torische Zustand jeder Samm- ten der Digitalisierung und Im Rahmen mehrerer Diskus-
lungseinheit wurde jedoch in Langzeitarchivierung besorgte sionsrunden einigte sich der Stif-
der Datenbank schriftlich fest- die in Felben-Wellhausen domi- tungsrat darauf, die Sammlung
gehalten. zilierte Fachlabor Gubler AG mit- künftig in die 2011 bezogenen

Seite 49
neuen Räumlichkeiten des thur- ANMERKUNGEN BIBLIOGRAFIE
gauischen Staatsarchivs in Frau-
enfeld einzuquartieren. Einige 1 Einen guten Überblick zu Persönlich- - AMT FÜR DENKMALPFLEGE
Blätter, die im Detail noch zu be- keit und Wirken Albert Knoepflis DES KANTONS THURGAU (Hg.),
stimmen waren, sollten weiterhin (einschliesslich Verzeichnis seiner 2003: Albert Knoepfli – erster Denk-
als Dauerleihgaben in der Aus- fast 900 Titel umfassenden Schrif- malpfleger des Kantons Thurgau.
stellung des Historischen Muse- ten) gibt: AMT FÜR DENKMAL- Denkmalpflege im Thurgau 5.
ums Bischofszell präsent bleiben. PFLEGE DES KANTONS THUR- - BRINCKEN Anna-Dorothee von
GAU, 2003. den, 2000: Das Weltbild des irischen
2 BRINCKEN, 2000. Seefahrer-Heiligen Brendan in der
VON BISCHOFSZELL IN 3 Die genannten Kartenblätter sind Sicht des 12. Jahrhunderts. In:
DIE KANTONSMETROPOLE in der Datenbank des Thurgauer Cartographica Helvetica 21 (2000),
Staatsarchivs (StATG) unter den S. 17–21.
Der Umzug der Sammlung fand folgenden Signaturen zu finden: AKS - DÜRST Arthur, 1999: Die Dr. Albert
am Morgen des 26. Novembers 3: OMB 110a, OMB 104, OMB 105, Knoepfli-Stiftung / Kartographie.
2012 statt. Die Aktion verlief OMB 47, OMB 48, OMB 188.1–8, In: Die Erweiterung des Museums
schlank und ohne Zwischenfälle. OMB 284 und OMB 5171. Bischofszell. Mitteilungen aus dem
Sorgfalt war in erster Linie bei 4 StATG, AKS 3: OMB 3187. Thurgauischen Museum 32 (1999),
der physischen Einhaltung der 5 KNOEPFLI, 1975; KNOEPFLI, S. 55–60.
Signaturenfolge geboten; als Ver- 1982; KNOEPFLI,1992. - KLÖTI Thomas, 2008: Erschliessung
packungsmaterial diente, was am 6 DÜRST, 1999. der Kartensammlung von Albert
alten Standort Bischofszell greif- 7 Dem Stiftungsrat gehörten damals Knoepfli in Bischofszell. In: Carto-
bar war. Am neuen Standort folgende Personen an: Adrian graphica Helvetica 37 (2008), S. 46.
Frauenfeld wurde das Material Knoepfli (Präsident), Wirtschafts- - KNOEPFLI Albert, 1975: Mark-
noch gleichentags in die Magazi- historiker und Sohn von Albert steine kartographischer Kunst.
ne eingegliedert: die plan geleg- Knoepfli; André Salathé, Staats- Begleitkatalog zur Ausstellung im
ten, die gerollten und die gerahm- archivar des Kantons Thurgau; Ortsmuseum Bischofszell, 30. Au-
ten Einheiten in Planschränke, Beatrice Sendner-Rieger, Denkmal- gust – 21. September 1975.
gefaltete Karten, Bücher, Objekte pflegerin des Kantons Thurgau; - KNOEPFLI Albert, 1982: Die Alpen
und sammlungsspezifische Doku- Peter Lang, Vertreter der Museums- im Bilde und im Kartenbild. Begleit-
mentationen in bewegliche Roll- gesellschaft Bischofszell; Josef Matt- katalog zur Ausstellung im Orts-
regale. le, Stadtammann von Bischofszell. museum Bischofszell, 8.–31. Mai
8 KLÖTI, 2008. 1982.
Im thurgauischen Staatsarchiv - KNOEPFLI Albert, 1992: Amerika
scheint Albert Knoepflis Karten- – Sieger und Besiegte der Kolumbus-
sammlung geradezu klinisch gut zeit. Begleitkatalog zur Ausstellung
aufgehoben. Fehlt einzig noch die im Ortsmuseum Bischofszell,
Online-Schaltung der Metadaten 13. Juni–12. Juli 1992.
im Internet; aber auch diese dürf-
te auf solidem Weg sein.

Seite 50
TRANSFERT DE LA COLLECTION TRASFERIMENTO

CARTOGRAPHIQUE KNOEPFLI A FRAUENFELD DELLA

À FRAUENFELD COLLEZIONE CARTO-

GRAFICA KNOEPFLI

Albert Knoepfli (1909–2002), con- conservation. Cette tâche a été Nel suo tempo libero, il dr. Albert
servateur des monuments histo- effectuée entre 2007 et 2010 par Knoepfli (1909–2002), conserva-
riques du canton de Thurgovie l'auteur de cet article et la numé- zionista di lunga data dei beni
durant des années, s'est intéressé risation partielle ultérieure des culturali del Canton Turgovia, si
durant son temps libre à la carto- cartes a été réalisée entre 2011 et è dedicato intensamente alla car-
graphie. Entre 1930 et 1990, il a 2012 par le laboratoire spécialisé tografia. Tra il 1930 e il 1990 ha
constitué une collection cartogra- Gubler SA. messo insieme una collezione ric-
phique considérable et originale ca e originale di circa 8'400 docu-
d'environ 8'400 documents du Le canton de Thurgovie a parti- menti risalenti al XII secolo e al
XIIe siècle et du XVe au XXe siècles cipé au fi nancement des travaux periodo tra il XV e il XX secolo,
confiée en 1975 à la fondation Al- au moyen d'un fond de loterie de che nel 1975 è stata affidata alla
bert Knoepfli à Bischofszell. 100'000 francs à condition que les fondazione Albert Knoepfli con
tâches de conservation de la col- sede a Bischofszell.
La collection a été entreposée lection, de surveillance des con-
durant des décennies dans les ditions d'entreposage et de prêt La collezione è stata conservata
locaux étroits et à température des cartes au public soient à l'ave- per decenni nelle sale anguste e
variable du Musée d'histoire de nir effectuées par un institut pro- soggette a oscillazioni termiche
Bischofzell. En 2005, pour présen- fessionnel thurgovien. A cette fi n, del Museo di storia di Bischofs-
ter ce patrimoine à un large pu- la collection Albert Knoepfli a zell. Per presentare questo patri-
blic et préserver les originaux, le été transférée en novembre 2012 monio a un pubblico più vasto e
Conseil d'administration de la dans les nouveaux locaux des preservare gli originali, nel 2005
fondation a décidé de rendre la Archives cantonales thurgo- il Consiglio di fondazione ha de-
collection accessible en réseau et viennes à Frauenfeld. ciso di rendere la raccolta accessi-
d'appliquer les règles actuelles de bile in rete e di adeguarsi alle

8 «Les conditions cliniques» dans les


dépôts des nouvelles archives du
canton de Thurgovie. Dans les
armoires spécialement prévues pour
la conservation des plans, les cartes
sont entreposées à plat dans des
cartables en carton non acide. 8
Photo: Urban Stäheli, Frauenfeld.

Seite 51
MOVING THE KNOEPFLI

MAP COLLECTION TO FRAUENFELD

norme di conservazione attuali. Albert Knoepfli (1909–2002), the ern conservation practices. This
Compito che è stato svolto dal long-serving monument conser- work, which began in 2007 and
2007 al 2010 dall'autrice di questo vator of the canton of Thurgau, ended in 2010, was carried out by
articolo, mentre la successiva was an avid map collector. Be- the author of the present article.
digitalizzazione parziale delle tween the 1930s and the 1990s Later, in 2011/2012, a specialist
mappe è stata effettuata dal 2011 he amassed a considerable and laboratory, Gubler AG, was
al 2012 dal laboratorio specializ- unique collection of some 8,400 tasked with the partial digitisa-
zato Gubler SA. items, dating from as early as the tion of images in the collection.
12th century, and from the 1400s
Al fi nanziamento dei lavori ha right through to the 1900s. In 1975 The canton of Thurgau co-funded
partecipato il Canton Turgovia they were entrusted to the Dr. Al- the conservation project thanks
con un contributo del fondo della bert Knoepfli Foundation in Bi- to lottery funding totalling CHF
lotteria di 100'000 franchi, con- schofszell for safekeeping. 100,000. However, the donation
nesso all'obbligo di farsi assistere came with the proviso that the
da un istituto professionale tur- The collection had been stored in collection should be entrusted to
goviese nei compiti di conserva- the History Museum of Bischofs- an institution with the necessary
zione della collezione, monitorag- zell for decades. However, the expertise to ensure the profes-
gio delle condizioni di conserva- rooms where they had been kept sional storage, conservatorial
zione e prestito delle mappe al were cramped and subject to tem- care and lending of the collection.
pubblico. Per tale motivo si è de- perature fluctuations. In 2005 the Consequently, in November 2012
ciso di trasferire la collezione Al- Foundation's Board of Trustees the Albert Knoepfli map collec-
bert Knoepfli nel nuovo deposito decided that an electronic inven- tion was transferred in its entire-
degli Archivi cantonali turgovie- tory of the collection should be ty to the new stacks of the Thur-
si a Frauenfeld, dove si trova dal drawn up and the objects be re- gau State Archives in Frauenfeld,
novembre 2012. packed in accordance with mod- where it has remained ever since.

9 Situazione dell'archiviazione nella


vecchia sede delle collezioni presso
il museo di storia di Bischofszell.
Fino al 2012 si utilizzavano armadi
di costruzione propria per custodire
scatole contenenti mappe piegate.
Foto: Cornelia Stäheli, Schaff-
hausen.

Seite 52
KARL SCHMUKI

DER ST.GALLER/
ZÜRCHER GLOBUS
EIN WERTVOLLES KUNSTWERK IM BLICKPUNKT

DES KULTURGÜTERSTREITS ZWISCHEN ZÜRICH UND ST. GALLEN

Im Jahre 1595 konnte der St. Der Globus war zum Zeitpunkt
Galler Fürstabt Bernhard Mül- seiner Ankunft im Kloster St.
ler (1594−1630) vom Konstanzer Gallen nicht ganz neu. Mit eini-
Apotheker Lukas Stöckli einen ger Wahrscheinlichkeit dürfte er
prachtvollen Erd- und Himmels- von geübten Handwerkern und
globus erwerben, der heute zu Künstlern in Augsburg angefer-
den grössten noch erhaltenen tigt worden sein. Dort sind nach-
Globen aus dem 16. Jahrhundert weislich auch andere Grossglo-
gehört. Die Hintergründe des ben konstruiert worden.
Dr. Karl Schmuki Erwerbs liegen im Dunkeln.
ist Historiker, Zwar wurde der Globus gemäss
wissenschaftlicher Ausweis des Rechenbuchs «in ZWISCHEN 1571
Mitarbeiter und die Bibliothecam» verehrt, also UND 1584 GESCHAFFEN
stellvertretender eigentlich geschenkt, doch be-
Stiftsbibliothekar zahlte der St. Galler Abt bis ins Den Auftraggeber des Globus
von St. Gallen. Jahr 1600 den hohen Betrag von kennt man nicht. Man nimmt an,
Er veröffentlichte 552 Gulden in Ratenzahlungen dass ein Mitglied der begüterten
zahlreiche Publi- an Stöckli. Der Globus wurde in Kaufmannsfamilie Fugger Auf-
kationen zu Ge- der Renaissance-Bibliothek von traggeber war. Indizien sprechen
schichte und Kul- 1551/53, dem Vorgängerbau des dafür, dass der Globus zwischen
tur der Abtei und heutigen Barocksaals der Stifts- 1571 und 1584 geschaffen wurde:
im Speziellen zur bibliothek, aufgestellt und 1601 Die Seeschlacht von Lepanto von
Bibliothek von mit einem Vorhang mit Fransen 1571 ist bildlich dargestellt, und
St. Gallen. Mit versehen. im Heiligenkalender auf dem
einem Leserbrief
brachte er seiner-
zeit den Kultur-
güterstreit zwi-
schen St. Gallen
und Zürich ins
Rollen.

karl.schmuki@
kk-stibi.sg.ch

1 Der originale St. Galler Erd- und


Himmelsglobus aus dem Zürcher
Landesmuseum 2006/07 als
Leihgabe im Barocksaal der
Stiftsbibliothek St. Gallen. 1
Foto: © Stiftsbibliothek St. Gallen.

Seite 53
2 Der St. Galler Globus ist auch
Himmelsglobus: das Sternbild des
Schlangenträgers vor der Pazifik-
küste von Mexiko. Foto: © Stifts-
bibliothek St. Gallen.

Horizontring lässt sich der Julia- den. Die Holzhalbkugeln wurden rung vorhanden war, wurden
nische Kalender darlegen, der in mit Schindelholz überzogen, an- auch die figürlichen Darstellun-
Augsburg 1584 durch den neu schliessend wurde eine Schicht gen von Sternbildern gemalt, die
eingeführten Gregorianischen Papiermaché darüber gelegt und auf Holzschnitte von Albrecht
Kalender ersetzt wurde. das Kartenbild von Hand auf ei- Dürer von 1515 zurückgehen.
nen Malgrund aufgezeichnet, be- Vom nördlichen Sternenhimmel
Im «Globus-Geschäft» dürfte Lu- malt und beschriftet. Man zeich- wurden etwa die Sternbilder des
kas Stöckli nur Mittelsmann ge- nete darauf eine Erd- und eine Grossen Bären, des Skorpions
wesen sein. Möglicherweise Himmelskarte, in dieser Kombi- und der Waage ausgeführt, vom
stand der Globus damals im Ei- nation aussergewöhnlich, denn südlichen Himmel gelangten bei-
gentum von Jakob Fugger, dem üblicherweise pflegte man dafür spielweise die Sternbilder des
Dompropst und späteren Bischof ein Globenpaar mit jeweils sepa- Grossen Hundes, des Kentaurs
von Konstanz (1604−1626). Dieser ratem Erd- und Himmelsglobus oder des Wolfs zur Darstellung.
war an der umstrittenen Errich- zu schaffen.
tung eines Jesuitengymnasiums
in Konstanz beteiligt, für das die Die Mercator-Karte der Erde, die 1712: DER GLOBUS
eben protestantisch gewordene der Kartenzeichnung zugrunde GELANGT NACH ZÜRICH
Stadt keine fi nanzielle Unterstüt- liegt, wurde mit den figürlichen
zung leisten wollte. Hingegen Darstellungen der Sternbilder Im Kontext des Toggenburger-
fand Fugger in Abt Bernhard im des nördlichen und südlichen oder 2. Villmergerkriegs mar-
Kloster St. Gallen einen fi nanz- Sternenhimmels übermalt, wobei schierten im Mai 1712 Truppen
kräftigen Partner für sein Vorha- der Darstellung der Erde Priorität der beiden Stände Zürich und
ben. Hinter der angeblichen Glo- zukam. Dort, wo Sternbilder auf Bern im Kloster St. Gallen ein
bus-Schenkung könnte sich also Landmassen zu liegen kamen, und nahmen als Kriegsbeute al-
eine geheime Finanz-Transaktion wurde nur ein goldener Stern ge- les in Besitz, was nicht mehr hat-
mit politischem Hintergrund ver- malt. An jenen Stellen der Erdku- te fortgeschafft werden können:
bergen. gel, wo mehr Platz zur Ausfüh- Vieh, Kornvorräte, Wein, Glo-

GLEICHZEITIG ERD-
UND HIMMELSGLOBUS

Eindrücklich sind die Dimensio-


nen des Erd- und Himmelsglo-
bus: Die Höhe beträgt 233 cm, der
Kugeldurchmesser 121 cm und
der Kugelumfang 380 cm. Der
Globus ist in einen Korb mit
sechs geschweiften Streben ein-
gebettet, der auf einem Sockel-
tisch befestigt ist. Er besteht aus
zwei hohlen Holz-Halbkugeln,
die durch die eiserne Polachse
zusammengehalten und im In-
nern durch hölzerne Verstrebun- 2
gen versteift und stabilisiert wer-

Seite 54
3 Viele interessante Informationen
in Wort und Bild im südlichen
Südamerika, darunter auch zu
dort angeblich vorkommenden
Kannibalen. Foto: © Stiftsbibliothek
St. Gallen.

cken, die Apotheke, Urkunden schriften und der Globus weiter- 40 der identitätsstiftendsten Hand-
und Verwaltungsakten aus dem hin in Zürich befanden, vom 18. schriften sollten im Eigentum
Archiv, Handschriften und Dru- bis ins 20. Jahrhundert nicht in von Zürich bleiben; sie wurden
cke aus der Bibliothek, Gemälde Vergessenheit; gelegentlich wur- aber leihweise auf unbestimmte
und auch den Globus. Die Bücher den von St. Galler Seite leise, aber Zeit an die Stiftsbibliothek St.
wurden hälftig auf die beiden vergebliche Vorstösse zur Rück- Gallen ausgeliehen. Daneben an-
Orte aufgeteilt und nach Zürich führung der St. Galler Kulturgü- erkannte St. Gallen das Eigentum
und Bern gebracht; den in seine ter unternommen. Ein Leserbrief von Zürich am «St. Galler Erd-
Teile zerlegten Globus liess Zü- und ein anschliessendes Radio- und Himmelsglobus». Im Gegen-
rich durch Flawiler Fuhrleute, Interview riefen 1995 den Streit zug versprach der Kanton Zürich,
fein säuberlich verpackt («in wul- ins Bewusstsein einer breiteren für die Stiftsbibliothek St. Gallen
lenen Tüchern wohl eingenäht Öffentlichkeit zurück. Eine einfa- eine fachmännisch erstellte origi-
und in einem Bettdecken-Pful- che Anfrage eines St. Galler Kan- nalgetreue Replik des Globus zu
men und Küssin»), in die Limmat- tonsrats an die Regierung hatte schaffen.
stadt transportieren. Dort wurde ein Schreiben der St. Galler Re-
er als Schauobjekt öffentlich in gierung an die Amtskollegen in
der Wasserkirche, der damaligen Zürich zur Folge, das den Stein ZÜRICH ERSTELLT EINEN
Stadtbibliothek, aufgestellt, wo er für Verhandlungen um eine Lö- NACHBAU DES GLOBUS
bis zum Jahr 1897 blieb. Seit 1897 sung des Streits endgültig ins
steht der grosse St. Galler Erd- Rollen brachte. Die Verhandlun- Mit viel Engagement und Herz-
und Himmelsglobus als Deposi- gen gestalteten sich äusserst blut machte sich ein grösseres
tum der Zentralbibliothek Zürich schwierig; zwischenzeitig schien Team von Handwerkern und
im Schweizerischen Landesmu- alles blockiert zu sein und auf ei- Künstlern unter der Leitung des
seum in Zürich. nen Entscheid vor dem Schweize- Zürcher Staatsarchivars Beat
rischen Bundesgericht in Lau- Gnädinger und des Restaurators
sanne zuzulaufen. Erst ein Passus Daniel Minder daran, diesen Glo-
DER KULTURGÜTERSTREIT in der neuen Schweizer Bundes- bus-Nachbau zu erstellen. Ange-
ZWISCHEN ST. GALLEN verfassung von 1999 (Art. 44, Abs. fertigt wurde die Replik zwi-
UND ZÜRICH 1720–2006 3) ebnete den Weg für eine Ver- schen 2007 und 2009 in den
mittlungslösung durch den Bun- Räumlichkeiten des Zürcher
Nach dem Friedensschluss von desrat. Ab November 2003 arbei- Staatsarchivs, nachdem das Ori-
Baden 1718 erstattete Bern umge- teten Juristen und Fachleute des ginal vorher in verschiedenster
hend die 1712 erlangten Bücher- Bundes und der beiden Parteien Hinsicht genau untersucht und
schätze nach St. Gallen zurück. eine Kompromiss-Vereinbarung vermessen worden war. Fachleu-
Im Februar 1720 beschloss auch aus, über welche die politischen te aus den unterschiedlichsten
der Zürcher Rat, seinen Anteil an Entscheidungsträger der beiden Sparten von Handwerk, Kunst
der Bücherbeute zurückzugeben. Kantone unter der Leitung von und Wissenschaft leisteten ihren
Allerdings blieben, aus welchen Bundesrat Pascal Couchepin am Beitrag, der Wagner wie der Kup-
Gründen auch immer, ein paar 6. März 2006 diskutierten. Am ferschmied, die Chemikerin wie
hundert Bücher, Handschriften 27. April 2006 unterzeichneten die Vergolderin oder die beiden
und Drucke, und ebenso der Glo- der Bund und die beiden Parteien Kalligrafen. Sie alle arbeiteten
bus in Zürich zurück. die erreichte Vereinbarung und sich in über 400jährige, häufig in
präsentierten sie der Öffentlich- Vergessenheit geratene Techni-
In St. Galler Fachkreisen geriet keit. Die Regelung betreffend die ken ein und gewannen damit
der Umstand, dass sich eine grös- in Zürich verbliebenen Hand- auch für sich selbst wichtige Er-
sere Anzahl von St. Galler Hand- schriften stand im Mittelpunkt: kenntnisse.

Seite 55
4

Das Gesamtkunstwerk «Globus- Sowohl der Globus aus dem BIBLIOGRAFIE


replik» wurde am 21. August 16. Jahrhundert, im Schweizeri-
2009 in Anwesenheit von Bun- schen Landesmuseum in Zürich, - FAUSER Alois, 1973: Kulturge-
desrat Pascal Couchepin in einer wie auch die Globusreplik in der schichte des Globus. S. 96−99.
feierlichen Zeremonie vom Kan- Stiftsbibliothek St. Gallen sind München.
ton Zürich dem Kanton St. Gallen von hohem kulturgeschichtli- - GRENACHER Franz, 1961: Der sog.
und der St. Galler Stiftsbibliothek chem Interesse. Der eine, im Lau- St.-Galler Globus im Schweiz.
übergeben. fe der Jahrhunderte in starkem Landesmuseum: Vermutungen über
Masse in Mitleidenschaft gezo- seine Herkunft und Feststellungen zu
Seither steht die leuchtend farbi- gen, hat Patina angesetzt, strahlt seiner Konstruktion. In: Zeitschrift
ge Globus-Replik – so dürfte vor aber immer noch die Aura des für Schweizerische Archäologie und
gut 430 Jahren auch der originale Originals, des Unikats aus (vgl. Kunstgeschichte 21 (1961), S. 66−78.
Globus ausgesehen haben, der Abb. 1, S. 53). Der andere, der ex- - HÖHENER Hans-Peter, 1989: Der
mittlerweile sehr viel Patina an- zellent gefertigte Nachbau, prä- St. Galler Globus. Ein Beutestück
gesetzt hat und auch nicht mehr sentiert sich in leuchtenden Far- aus dem Zweiten Villmergerkrieg
bewegt werden kann, weil die ben so, wie ihn die Menschen des 1712. In: Zentralbibliothek Zürich.
Konstruktion in sich zusammen- ausgehenden 16. Jahrhunderts Schatzkammer der Überlieferung,
gefallen ist – im Barocksaal der bewundern konnten (Abb. 5). hrsg. von CATTANI Alfred und
Stiftsbibliothek St. Gallen und Und wir sehen heute, wie sich de- WEBER Bruno, 1989, S. 58−61 und
stellt eine vielbewunderte At- ren Weltbild präsentierte. 167−168. Zürich.
traktion dar. Kaum einer der jähr- - ROHRBACH Martina und GNÄ-
lich weit über 100'000 Gäste ver- Derzeit ist – im Sinne freundeid- DINGER Beat (Hrsg.), 2009: Der
lässt den zum Weltkulturerbe der genössischer Zusammenarbeit – Zürcher Globus. Projekt Globus-
UNESCO gehörenden Saal, ohne ein gemeinsames Projekt von Na- Replik 2007−2009. Dokumentation.
einen eingehenderen Blick auf tionalmuseum, Zentralbibliothek (Internet-Publikation auf der Home-
den Globus geworfen zu haben. Zürich und Stiftsbibliothek St. page des Staatsarchivs des Kantons
Überdies ist der Globus-Nachbau Gallen im Gang, in dem beide Zürich http://www.staatsarchiv.zh.
in der Stiftsbibliothek St. Gallen Globen fürs Internet aufbereitet ch/internet/justiz_inneres/sta/de/
voll funktionsfähig; er ist nicht werden sollen. In Zukunft wird ueber_uns/veroeffentlichungen.
nur Schauobjekt, sondern kann sich der Globus nicht nur mit Hil- html). Zürich.
ebenso als Messgerät und als fe von Kurbel und Zahnrädern - SCHMUKI Karl, 1996: Der grosse
Demonstrationsobjekt gebraucht drehen lassen, sondern auch vir- Erd- und Himmelsglobus des St.
werden. tuell mit einem Mausklick. Galler Fürstabtes Bernhard Müller

Seite 56
4 links, S. 56: Enormer Detail-
reichtum auf der Globusreplik
von 2007/09: Westeuropa und
Nordafrika mit einigen hundert
geografischen Namen sowie
Fabeltieren im Atlantik.
Foto: © Stiftsbibliothek St. Gallen.

5 unten: Seit 2009 hat die Globus- LE GLOBE


Replik im Barocksaal der Stifts-
bibliothek St. Gallen ihren festen SAINT-GALLOIS/ZURICHOIS
Platz erhalten. Foto: © Stifts-
bibliothek St. Gallen.

aus dem Schweizerischen Landes- Le différend sur les biens cultu- Musée national suisse à Zurich, a
museum. In: Von der Limmat zurück rels qui a opposé Saint-Gall à été réalisé entre 1571 et 1584. Il
an die Steinach. St. Galler Kultur- Zurich entre 1712 et 2006 est à s'agit d'un des deux grands globes
güter aus Zürich. Katalog zur Son- l'origine de la spectaculaire re- du XVIe siècle conservés intacts à
derausstellung in der Stiftsbibliothek production d'un globe terrestre et ce jour. En 1595, il appartenait à
St. Gallen (2. Dezember 2006– céleste datant de la seconde moi- l'abbaye de Saint-Gall et se trou-
25. Februar 2007), S. 15−17. tié du XVIe siècle. Le globe origi- vait dans la bibliothèque Renais-
St. Gallen. nal, qui se trouve aujourd'hui au sance. En 1712, pendant la se-
conde bataille de Villmergen, le
globe a été emporté à Zurich par
les troupes zurichoises et ber-
noises, où il a été exposé dans la
Wasserkirche jusqu'en 1897, avant
d'être transféré au nouveau Mu-
sée national suisse.

Entre 1995 et 2006, Saint-Gall et


Zurich ont cherché des solutions,
avec le Conseil fédéral pour mé-
diateur, afi n de régler le différend
sur le patrimoine culturel qui les
opposait et qui portait principa-
lement sur des manuscrits restés
à Zurich depuis 1712. Le globe
terrestre et céleste est devenu au
cours de ces années le symbole de
ce différend. La solution négociée
au printemps 2006 prévoyait, no-
tamment, que le globe resterait la
propriété de la Bibliothèque cen-
trale de Zurich à condition que
le canton de Zurich réalise une
copie conforme pour la Biblio-
thèque de Saint-Gall. Cette repro-
duction a été réalisée entre 2007
et 2009 et orne aujourd'hui la salle
baroque de la magnifique biblio-
thèque de l'abbaye.

Seite 57
6 The Near East, as depicted on the
St Gallen globe. A dromedary gallops
across the Arabian desert (Arabia
deserta). The Tropic of Cancer is also
shown. Photo: © Stiftsbibliothek
St. Gallen.

IL GLOBO THE ST GALLEN/

SANGALLESE/ ZURICH GLOBE

ZURIGHESE

La lunga disputa sui beni cultu- One of the positive outcomes Between 1995 and 2006 the two
rali contesi tra San Gallo e Zuri- from the cultural heritage dis- cantons sought to resolve their
go, durata dal 1712 al 2006, è stata pute that had simmered between cultural heritage dispute. In the
lo spunto per la sensazionale ri- the cantons of St Gallen and Zu- end, the Swiss government was
produzione di un globo terrestre rich from 1712 to 2006 was the called in to mediate. Although
e celeste risalente alla seconda stunning reproduction of a ter- the conflict centred primarily on
metà del XVI secolo. Il globo ori- restrial and celestial globe dating the restitution of books that had
ginale, che oggi si trova presso il back to the second half of the 16th been in Zurich since 1712, it was
Museo nazionale di Zurigo, è sta- century. Now in the Swiss Na- the terrestrial and celestial globe
to realizzato tra il 1571 e il 1584. È tional Museum in Zurich, the that caught the public imagina-
uno dei due grandi globi del XVI original was made between 1571 tion. The dispute was fi nally set-
secolo che sono stati conservati and 1584 and is one of only two tled in spring 2006 and it was
intatti fi no ai giorni nostri. Nel surviving large globes from that agreed that the globe would re-
1595 è entrato in possesso dell'ab- period. In 1595 it came into the main the property of Zurich Cen-
bazia di San Gallo, che l'ha collo- possession of St Gallen Abbey, tral Library. In return, the canton
cato nella sala della biblioteca ri- where it was displayed in the Re- of Zurich agreed to fund the cre-
nascimentale. Nel 1712, durante naissance library. In 1712, while ation of an exact replica for the
la seconda guerra di Villmergen, the second Battle of the Villmer- Abbey Library of St Gallen. Be-
è stato trafugato a Zurigo dalle gen raged between Bernese and tween 2007 and 2009 this work
truppe zurighesi e bernesi, dove Zurich troops, the globe was was carried out and today the
è rimasto esposto nella Wasser- seized and brought to Zurich. It reproduction globe stands proud-
kirche fi no al 1897, per poi essere would remain there, in the Was- ly in the Baroque reading room of
trasferito nel deposito del nuovo serkirche, until 1897 when it was the exquisite Abbey Library.
Museo nazionale. given to the new National Muse-
um on permanent loan.
Tra il 1995 e il 2006, San Gallo e
Zurigo hanno cercato soluzioni,
da ultimo con la negoziazione del
Consiglio federale, per risolvere
la disputa sui beni culturali con-
tesi, che verteva soprattutto sui
libri rimasti a Zurigo dal 1712. Il
globo terrestre e celeste è diven-
tato in quegli anni il simbolo di
questa disputa. La soluzione ne-
goziata nella primavera del 2006
prevedeva tra l'altro che il globo
rimanesse di proprietà della Bi-
blioteca centrale di Zurigo a con-
dizione che il Canton Zurigo rea-
lizzasse una copia fedele per la
biblioteca dell'abbazia di San Gal-
lo. Questa riproduzione è stata
realizzata tra il 2007 e il 2009 e
oggi adorna la sala barocca della 6
magnifica biblioteca dell'abbazia.

Seite 58
PHILIPPE MÜLLER

VON DER UDSSR FLÄCHEN-


DECKEND KARTOGRAFIERT
SOWJETISCHE GENERALSTABSKARTEN DER SCHWEIZ

Mehr als 20 Jahre nach Ende des regionale Medien über die sensa-
Kalten Krieges verblassen in der tionellen Karten berichtet.1 Auch
Schweiz langsam die Erinnerun- das Deutschschweizer Fernsehen
gen an eine Zeit voller Anspan- und die Télévision suisse roman-
nung und Geheimniskrämerei. de strahlen Sendungen zum The-
Anders verhält es sich mit den ma aus.2 Dass es soweit kommt,
geheimen sowjetischen General- ist einem Zufall geschuldet.
stabskarten über die Schweiz
aus jener Zeit. Sie zeichnen noch Im Jahr 2000 zeigt Höhener im
Philippe Müller heute ein scharfes Bild der da- Anschluss an eine Sitzung der Bi-
(1974), Chef For- maligen russischen, tschechi- bliothekskommission des Schwei-
schungsdienst, schen und ungarischen militäri- zer Alpen-Clubs (SAC) von ihm
Spezialsamm- schen und sicherheitspolitischen erworbene sowjetische Karten-
lungen an der Sicht auf das Land. werke. Zu den Kommissionsmit-
Bibliothek am gliedern gehört auch NZZ-Redak-
Guisanplatz. Dass diese Karten erhalten und tor Edgar Schuler, welcher mit
Forschungs- in den Besitz der Zentralbiblio- seinem Artikel «Eine Erinnerung
schwerpunkte: thek Zürich (ZBZ) gelangt sind, an den Kalten Krieg» einen Sturm
Täter- und ist Dr. Hans-Peter Höhener, dem des Interesses auslöst,3 der auch
Genozidforschung, ehemaligen Leiter der Karten- am damaligen Bundespräsidenten
Militär- und Poli- sammlung, zu verdanken. Kurz Samuel Schmid nicht vorbei geht.
zeigeschichte im nach dem Fall der Mauer stellte Dieser bringt an der expo.02 aus
20. Jahrhundert. Höhener mit etwas Glück und der Wehrpflicht entlassenen Vete-
viel Sachverstand eine eindrück- ranen des Kalten Krieges die rus-
philippe.mueller@ liche Sammlung sowjetischen sischen Karten der Schweiz nahe.
gs-vbs.admin.ch Kartenmaterials zusammen. Der
historische Wert seiner Arbeit Für Aufsehen sorgt vor allem der
sollte jedoch erst später erkannt Detaillierungsgrad und die Präzi-
werden. Den Weg der Karten in sion, mit der die Karten gefertigt
die Schweiz zeichnet Höhener ex- sind. Man sei damals zu seiner
klusiv nach. Dienstzeit davon ausgegangen,
kommentiert Schmid in einem
Brief an Höhener, dass das Kar-
«WIR GINGEN DAVON AUS, tenmaterial der Sowjets eher
DAS KARTENMATERIAL schlecht sei.4 Die Qualität der
DER SOWJETS WERDE Karten zeigt jedoch ein anderes
EHER SCHLECHT SEIN» Bild.

An der Schweizer Landesaus- Die sowjetischen Kartografen


stellung 2002 (expo.02) zeigt der erstellten Karten im Massstab
Pavillon «Land schaffen» auf der 1:50'000 von ganz Europa und im
Arteplage Biel Kopien von sowje- Massstab 1:100'000 von fast ganz
tischen Karten der Schweiz. Das Eurasien und Nordafrika. Sie ar-
öffentliche Interesse ist gross. Zu- beiteten zudem Pläne von ausge-
vor haben bereits die Neue Zür- wählten Städten der ganzen Welt
cher Zeitung (NZZ) und mehrere aus.5

Seite 59
1

So legten sie in den 1950er- bis fern.6 Die Fülle von militärisch VON DER EHEMALIGEN
1970er-Jahren ein klassifiziertes und geheimdienstlich relevanten SOWJETUNION
eigenes Kartenwerk der Schweiz Informationen ist bemerkens- IN DIE SCHWEIZ
im Massstab 1:50'000 an. Strate- wert. Die Kartenwerke dienten
gisch besonders interessante der Vorbereitung und Durch- Auf die Frage, wie er an die Ge-
Städte, darunter Bern, Zürich führung allfälliger militärischer neralstabskarten gekommen sei,
und Basel, zeichneten die Karto- Operationen gegen Deutschland erklärt Höhener, dass ihn beson-
grafen im Massstab 1:10'000. An- oder Italien über schweizeri- ders die Karten aus jenen Län-
lagen wie Kasernen und Zeug- schem Boden oder auch terroris- dern, von denen er sonst keine
häuser wurden in einzelnen tischer Anschläge, wie zum Bei- Karten besass, gereizt hätten. Als
Plänen in unterschiedlichen Far- spiel die Sprengung einer Öl- Höhener an den alljährlichen
ben speziell hervorgehoben. Es pipeline im Graubündner oder St. Tagungen der deutschen Karten-
war die Aufgabe der Nachrich- Galler Rheintal.7 kuratoren teilnahm, erhielt er –
tendienste des Ostblocks, genaue kurz nach dem Mauerfall – erst-
Angaben für die Karten zu lie- mals Informationen über einen

Seite 60
1 Kartenausschnitte von Bern aus
2
Sicht der Sowjetunion; wichtige
2 Anlagen sind farblich hervorgehoben
(Vergrösserung des Stadtplanes
Bern [Bern] 1:10'000, Digitalisat
der Bibliothek am Guisanplatz).
© Bibliothek am Guisanplatz.

möglichen Verkauf von sowjeti-


schen Karten in russischen Ka-
sernen durch russische Militär-
angehörige.

Die erste sowjetische Karte, die in


die Kartensammlung der ZBZ
überging, erwarb Höhener im
August 1993 von Thomas Brupba-
cher, einem Studenten, der in
Lemberg, in der Ukraine, eine
Wohnung besass und als Neben-
beschäftigung mit sowjetischen
Karten handelte. Es waren dies
zuerst russische Karten des Balti-
kums in den Massstäben 1:50'000
und 1:200'000 sowie 14 Stadtpläne
aus verschiedenen Ländern. 1994
kam ein russischer Stadtplan von
Kaliningrad (Königsberg) im
Massstab 1:10'000 dazu.

Im März 1996 kaufte Höhener für


die ZBZ die Kartenwerke Schweiz
1:50'000, 1:100'000 und 1:200'000
beim Geocenter in Stuttgart, dem
grössten Anbieter von Karten-
werken im deutschsprachigen
Raum. Im Jahr darauf erwarb er
wieder bei Brupbacher schliess-
lich auch sowjetische Stadtpläne
der Schweiz.

Nach der Expo erfuhr Höhener,


dass nicht nur russische Karto-
grafen Werke zur Schweiz veröf-
fentlicht hatten. Ein Mitarbeiter
der tschechischen Botschaft in
der Schweiz trat mit dem Hin-
weis an ihn heran, dass auch die
Tschechoslowakei genaue Karten
der Schweiz hatte herstellen las-
sen. 2004 schenkte dieser der
Kartensammlung der ZBZ einige
Exemplare dieser Karten. Von
diesen kartografischen Werken

Seite 61
3

besässe nur noch das Militärgeo- Heute dokumentiert die Karten- 2 Fernsehen DRS/JOST Ruedi (Rd.),
grafische Institut in Dobruška sammlung eindrücklich, welchen 2001: Schweiz Aktuell, ausgestrahlt:
(Vojenský topografický ústav v Stellenwert die Schweiz im Kal- 09. 02. 2001; Télévision suisse
Dobrušce) zwei Exemplare. Alle ten Krieg für die sowjetischen romande, 2004: Le 19:00 des
anderen seien vernichtet worden. Militärs und Geheimdienste ein- régions. Les relevés topographiques
nahm. soviétiques de la Suisse passés à la
In diesem Zusammenhang er- loupe, ausgestrahlt: 27.07.2004.
fuhr Höhener auch, dass Ungarn 3 SCHULER Edgar, 2000: Eine
im Besitz von genauen Karten der ANMERKUNGEN Erinnerung an den Kalten Krieg.
Schweiz sein musste. Als er dann Zürich und die halbe Welt auf
im Juli 2005 an die internationale 1 GUBLER Jean-Pierre, 2001: Der Karten des sowjetischen General-
Konferenz für Geschichte der Stadtplan, der aus dem Osten kam. stabs. In: Neue Zürcher Zeitung,
Kartografie nach Budapest reiste, In: Der Landbote, 20.01.2001, S. 15; 29.12. 2000, S. 35.
begann er dort mit Nachfor- NIGG Patrick, 2001: Was die 4 Brief des Bundespräsidenten Samuel
schungen. Der Veranstalter der «Russen» von uns wussten... Schmid an Dr. Hans-Peter Höhener
Konferenz verwies Höhener an In: Schaffhauser Nachrichten, vom 13.05.2004.
den Leiter des Militärhistori- 27.01.2001, S. 17; UNBEKANNT, 5 Hinweis von Dr. Hans-Peter
schen Instituts und Museums 2001: Von «Mailen» nach «Chor- Höhener: vgl. SCHITTENHELM
(Hadtörténeti Intézet és Múze- gen». Die Sowjets wären mit eigenen Roland, 2011: Die topographische
um). Dieser ermöglichte ihm den Karten in die Schweiz einmarschiert. Kartographie in der Sowjetunion
Besuch, wo ihm die gewünschten In: Zürichsee-Zeitung, 20.02.2001, und in Russland. In: Kartogra-
Karten vorgelegt wurden. Im No- S. 1; DIETZ-SALUZ Christian, phische Nachrichten 2011, Nr. 6,
vember 2005 überbrachte ein Mit- 2001: Strastwitje Osero Zurichskoje. S. 313–320.
arbeiter des Archivs anlässlich Die Zentralbibliothek birgt kartogra- 6 STÜSSI-LAUTERBURG Jürg, 2003:
eines Besuchs in der Schweiz je fische «Schätze» des Kalten Krieges. Angriffe und Angriffspläne gegen die
zwei Exemplare der ungarischen In: Zürichsee-Zeitung, 20.02.2001, Schweiz von 1792 bis 2003. In: Bei-
Karten und Stadtpläne der S. 3. lage zur Allgemeinen Schweize-
Schweiz. rischen Militärzeitschrift (ASMZ)
und zum Schweizer Soldat (Nr. 2),
Februar 2003, S. 18.
7 Ebda.

Seite 62
CARTES D'ÉTAT-MAJOR SOVIÉTIQUES MAPPE MILITARI

DE LA SUISSE SOVIETICHE

DELLA SVIZZERA

Des copies de cartes soviétiques La «Neue Zürcher Zeitung» All'esposizione nazionale del
de la Suisse ont été exposées (NZZ) et d'autres médias régio- 2002 (expo.02), nel padiglione
dans le pavillon «Territoire ima- naux ont publié des articles sur «Territorio immaginario» dell'Ar-
ginaire» de l'arteplage de Bienne ces incroyables cartes. Même les teplage di Bienne sono state
lors de l'Exposition nationale de chaînes de télévision romandes et esposte copie di mappe sovieti-
2002 (Expo.02). Cette exposition a alémaniques ont proposé des re- che della Svizzera. L'interesse del
su éveiller l'intérêt des visiteurs portages sur le sujet. pubblico è stato notevole. I visita-
qui ont été particulièrement im- tori sono rimasti colpiti soprat-
pressionnés par le niveau de dé- Ces cartes, en parfait état, appar- tutto dal grado di dettaglio e dal-
tail et la précision avec laquelle tiennent à la Bibliothèque cen- la precisione con cui sono state
les cartes ont été élaborées. trale de Zurich et ont été rendues disegnate le mappe.
accessibles au public grâce à Hans-
Entre 1950 et 1970, les carto- Peter Höhener, alors responsable Tra il 1950 e il 1970, i cartografi
graphes soviétiques ont dessiné de la collection de cartes. Peu de militari sovietici hanno realizza-
des cartes de la Suisse à l'échelle temps après la chute du Mur de to mappe della Svizzera in scala
1:50'000. Les villes stratégique- Berlin, Hans-Peter Höhener a pu, 1:50'000. Città di particolare inte-
ment intéressantes telles que avec un peu de chance et beau- resse strategico, tra cui Berna,
Berne, Zurich et Bâle ont été car- coup d'expérience, rassembler Zurigo e Basilea, sono state map-
tographiées à l'échelle 1:10'000. une impressionnante collection pate in scala 1:10'000. Edifici come
Les bâtiments comme les ca- de documents cartographiques caserme e arsenali sono stati evi-
sernes et les arsenaux ont été mis soviétiques. La valeur historique denziati con diversi colori su
en évidence au moyen de cou- de son travail n'a cependant été piante separate. Le mappe sono
leurs différentes sur des cartes reconnue que plus tard. Le pré- state utilizzate per la preparazio-
séparées. Les cartes ont été utili- sent article raconte comment ne su suolo elvetico di eventuali
sées pour la préparation sur le sol Hans-Peter Höhener a réuni ces operazioni militari contro la Ger-
helvétique d'opérations militaires cartes en Suisse. mania o l'Italia o addirittura di
contre l'Allemagne et l'Italie et attentati terroristici.
même d'attaques terroristes.
La Neue Zürcher Zeitung (NZZ)
e diversi media regionali hanno
pubblicato articoli su queste sen-
sazionali mappe. Anche la Tele-
visione della Svizzera tedesca e
quella della Svizzera romanda
hanno trasmesso servizi su que-
sto tema.

3 p. 62, en haut: Détail d'une carte


de l'Union soviétique représentant
Berne; les installations importantes
sont mises en évidence en couleur
(agrandissement du plan de la ville
de Bern [Berne] 1:10'000, version
numérisée de la bibliothèque de la
Place Guisan, Berne). © Bibliothek
am Guisanplatz.

Seite 63
SOVIET MILITARY MAPS

OF SWITZERLAND

Queste mappe sovietiche sono At the Swiss National Exhibition The Neue Zürcher Zeitung (NZZ)
rimaste intatte, entrate in posses- of 2002 (expo.02), copies of Soviet broadsheet in Switzerland as well
so della Biblioteca centrale di Zu- maps of Switzerland were on dis- as a number of regional newspa-
rigo e rese accessibili al pubblico play in the “Imaginary Lands” pers carried detailed reports on
grazie al dr. Hans-Peter Höhener, pavilion at the Arteplage Biel. these sensational maps, and both
l'allora responsabile della colle- They attracted a great deal of in- Swiss-German and Swiss-French
zione delle mappe. Poco dopo la terest, not least due to the level of TV broadcast some special pro-
caduta del muro di Berlino, Höhe- detail and precision with which grammes on the subject.
ner è riuscito, con un po' di fortu- they had been drawn.
na e molta esperienza, a mettere It is thanks to Dr. Hans-Peter
insieme una collezione impres- From the 1950s to the 1970s So- Höhener, the former curator of
sionante di materiale cartografico viet cartographers worked on a the Map Department of Zurich
sovietico. Il valore storico del suo 1:50,000 atlas of Switzerland. Central Library, that these maps
lavoro è stato però riconosciuto Strategically important towns, are in Switzerland and accessible
solo più tardi. In questo articolo such as Bern, Zurich and Basel, to the general public. Shortly af-
esclusivo, ci spiega come queste were drawn with a scale of ter the fall of the Berlin Wall,
mappe sono giunte in Svizzera. 1:10,000. In certain maps, facilities Höhener, with a little luck and a
like barracks and arsenals were great deal of skill, assembled an
highlighted in different colours. impressive collection of Soviet
These maps would have served maps. Appreciation of the histor-
as reference documents for plan- ical value of his efforts came
ning and carrying out military much later. The present article
operations, or even terrorist at- draws on Dr. Höhener's account
tacks, against Germany or Italy of the journey that brought the
from Swiss soil. maps to Switzerland.

Seite 64
DANIELA BRANDT, BEAT TSCHANZ

KULTURGÜTERSCHUTZ AUS DER


PERSPEKTIVE DES GEOPORTALS
DES BUNDES GEO.ADMIN.CH

Mit dem Webportal geo.admin. vanten Basis für Planungen,


ch, welches im Rahmen der Um- Massnahmen und Entscheidun-
setzung des Geoinformations- gen aller Art – in der Verwaltung
gesetzes (GeoIG) aufgebaut ebenso wie in der Politik, Wirt-
wurde, verfügt die Bundesver- schaft und Wissenschaft sowie
waltung über eine zentrale Geo- im Privatbereich. Sie bilden ein
informationsplattform. Anwen- zentrales Element der nationalen
der können darüber direkt auf Infrastruktur eines jeden moder-
verschiedene Geoinformatio- nen Landes, vergleichbar mit
Dr. Daniela Beat Tschanz. nen, -daten, -dienste und Meta- dem Verkehrs- oder Kommuni-
Brandt. Projekt- Projektkoordinator daten des Bundes zugreifen. kationsnetz, und sind ein Wirt-
koordinatorin Bundes Geodaten- Unter anderem wird der Geo- schaftsfaktor mit zunehmender
Geoportale, Infrastruktur datensatz «Kulturgüterschutz- Bedeutung.
Bundesamt für BGDI, Bundesamt inventar» im Kartenviewer (map.
Landestopografie für Landestopo- geo.admin.ch) visualisiert. Zu-
swisstopo. grafie swisstopo. dem steht der Datensatz in ver- GRUNDLAGEN
schiedenen Diensten und in ei- DER BUNDES GEODATEN-
daniela.brandt@ beat.tschanz@ nem auf die Bedürfnisse des INFRASTRUKTUR (BGDI)
swisstopo.ch swisstopo.ch Bundesamtes für Bevölkerungs-
schutz (BABS) ausgerichteten Der Bundesrat hat die Entwick-
Themenviewer (map.kgs.admin. lungen im Umfeld der Geoinfor-
ch) bereit. mation erkannt und mit KOGIS
eine interdepartementale Koordi-
Gegen 80 Prozent aller politi- nationsstelle für Geoinformation
schen und wirtschaftlichen Ent- beim Bund, als Bereich innerhalb
scheide besitzen einen räumli- von swisstopo, geschaffen, um
chen Bezug. Damit werden der Bedeutung des Themas genü-
Geoinformationen zu einer rele- gend Rechnung zu tragen. An-

1 Mittels des Kartenviewers map.geo.


admin.ch können rund 350 Geo-
basisdatensätze visualisiert werden. 1
© Bundesamt für Landestopografie 1
swisstopo.

Seite 65
2 rechts, S. 67: Ausschnitt aus dem
Kasten 1: KGS-spezifischen Themenviewer.
map.kgs.admin.ch/
BUNDESGESETZ ÜBER GEOINFORMATION, SR 510.62 Im Bildausschnitt werden die Daten
des Kulturgüterschutzinventars
(Geoinformationsgesetz, GeoIG) (blau-weisser KGS-Schild) mit den
www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20050726/index.html Layern anderer Bundesinventare
(ISOS = rote Punkte, IVS = rote
Art. 1 Zweck Doppelstriche und BLN = schraffier-
tes Gebiet) kombiniert. Ein Klick auf
Dieses Gesetz bezweckt, dass Geodaten über das Gebiet der Schweizeri- den KGS-Schild öffnet ein Kästchen
schen Eidgenossenschaft den Behörden von Bund, Kantonen und Gemein- mit den Objektdaten, ein zweiter
den sowie der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Wissenschaft für eine Klick auf Zusatzinformation führt
breite Nutzung, nachhaltig, aktuell, rasch, einfach, in der erforderlichen zu weiteren Text- und Bildinforma-
Qualität und zu angemessenen Kosten zur Verfügung stehen. tionen. © Bundesamt für Landes-
topografie swisstopo.

schliessend wurde die Strategie wurde. Der Betrieb wird durch KULTURGÜTERSCHUTZ
für Geoinformation festgelegt das Bundesamt für Landestopo- AUS DER SICHT DER
(2001), ein Umsetzungskonzept grafie swisstopo sichergestellt. BGDI UND GEO.ADMIN.CH
defi niert (2003) und schliesslich Das Portal dient als zentraler Zu-
konnte das Geoinformationsge- griffspunkt zu den Geoinforma- Die Fachstelle KGS im BABS ver-
setz (GeoIG; vgl. Kasten 1, oben) tionen, -diensten und -daten. fügt wie viele andere Bundesstel-
am 1. Juli 2008 in Kraft gesetzt Schlüsselelement dabei ist die len über einen Geobasisdatensatz
werden. gebührenbefreite Betrachtungs- nach Bundesrecht: den Datensatz
möglichkeit und Interaktion mit «Schweizerisches Inventar der
Das Gesetz schafft einen gemein- raumbezogenen Daten im Kar- Kulturgüter von nationaler (und
samen, verbindlichen Rahmen tenviewer (map.geo.admin.ch; regionaler) Bedeutung» (auch:
für Geodaten und -dienste im öf- vgl. Abb. 1, S. 65). Aktuell kann so Kulturgüterschutzinventar oder
fentlichen Interesse mit dem Ziel auf rund 350 Datensätze des Bun- KGS-Inventar).
der einfachen Wiederverwen- des in standardisierter und einheit-
dung durch Vernetzung. Es bil- licher Form zugegriffen werden. Als Kulturgüter von nationaler
det damit die notwendige Grund- Bedeutung gelten rund 3200 Ob-
lage zum Aufbau einer effektiven Dieselben Daten können über jekte (Einzelbauten / Sammlun-
nationalen Geodaten-Infrastruk- Standardschnittstellen (z.B. Web gen in Museen, Archiven und
tur als Resultat der koordinierten Mapping Services) in beliebige Bibliotheken / Archäologie sowie
Aktivitäten des Bundes, der Kan- Geoinformationssysteme (GIS) Spezialfälle). Der Datensatz wur-
tone und der Gemeinden. auf Kundenseite eingebunden de in den vergangenen Jahren
werden oder teilweise auch di- revidiert und nach den Ausgaben
Die Bestrebungen des Bundes rekt heruntergeladen werden. von 1987 und 1995 Ende Novem-
gingen und gehen mit der tech- Zusammen mit weiteren Diens- ber 2009 in dritter, überarbeiteter
nologischen Entwicklung (Inter- ten (Lokalisierungs- oder Such- Version herausgegeben. Die ge-
net, Mobile usw.) und der zuneh- diensten) besteht die Möglich- druckte Publikation (Stand 1. 4.
menden Sensibilisierung für keit, die Daten über eine Pro- 2010) enthält neben einer Einlei-
Geoinformation besonders mit- grammierschnittstelle (API) ein- tung die Kantonslisten mit den
tels globaler Anwendungen (z. B. fach in Webseiten einzubetten. Objekten von nationaler Bedeu-
Google Earth) einher. Diese Um- Das Angebot kann via Browser tung (A-Objekte). Die Kultur-
stände führten zusammen mit problemlos auch von Tablets oder güter von regionaler Bedeutung
verschiedenen innovativen Reali- Smartphones abgerufen werden. (B-Objekte) werden nur noch im
sierungen zu einem raschen und Internet aufgelistet. Die Kantons-
erfolgreichen Aufbau der Bundes Die Synthese von verschiedenen listen werden mindestens einmal
Geodaten-Infrastruktur (BGDI). Technologien und Methoden – jährlich aktualisiert und teilweise
sei es Open Source Software, auch in der BGDI nachgeführt.
Cloud Computing, Web 2.0, «mo-
DAS GEOPORTAL DES bile» Technologien und klassi- In einem abgestimmten Prozess
BUNDES GEO.ADMIN.CH sche Karten – erlaubt es, neue zwischen dem Fachbereich KGS
Wege in der Geodatenvisualisie- und KOGIS wurde dieser Daten-
Eine wichtige Rolle in der BGDI rung zu gehen. Der Ansatz hat satz in die BGDI integriert und
spielt das Geoportal des Bundes bereits weitere Stellen und Perso- steht entsprechend den Anforde-
(www.geo.admin.ch), welches am nen, national wie international, rungen der Fachgesetze respekti-
1.1.2010 im Auftrag des Koordi- inspiriert und wurde von nam- ve des GeoIG zur Verfügung. Für
nationsorgans für Geoinforma- haften Organisationen mehrfach das Kulturgüterschutzinventar
tion des Bundes (GKG) lanciert ausgezeichnet. bedeutet dies folgendes:

Seite 66
2

• die Metainformationen des


Datensatzes sind im Suchpor-
tal (www.geocat.ch) erfasst
und auffi ndbar;

• die Geodaten sind in standar-


disierten Darstellungsdiens-
ten (WMS, WMTS) offen und
performant (leistungsfähig,
stabil) abrufbar;

• die Geodaten sind als Karten-


layer auf dem Kartenviewer
map.geo.admin.ch zur freien
Ansicht verfügbar und die
Objektinformationen können
abgefragt werden; Kasten 2:

• die Geodaten stehen zur Nut- KGS-SPEZIFISCHER VIEWER: MAP.KGS.ADMIN.CH


zung über das API frei zur
Verfügung und können so Neben der Standardpublikation von Geodaten und -diensten in
durch Dritte direkt implemen- map.geo.admin.ch kann KOGIS auch spezifische Dienstleistun-
tiert werden. gen in Form von Beratung oder Anwendungserweiterungen an-
bieten. Zur Unterstützung der Kommunikationsaufgaben der
Die Fachstelle wird so vom Pub- Fachstelle Kulturgüterschutz wurde eine thematische Anwen-
likationsauftrag der Geodaten dung (map.kgs.admin.ch) basierend auf map.geo.admin.ch be-
entlastet und kann sich auf ihr reitgestellt. Eine individualisierte Layerauswahl erlaubt es, Fra-
Kerngeschäft konzentrieren. Die gestellungen von einer spezifischen Sicht her zu beantworten.
BGDI mit dem Bundesgeoportal Beispielsweise kann der Datensatz unter dem Blickwinkel Ge-
profitiert von der breiteren Nut- fahren (Erdbeben oder Naturgefahren) betrachtet werden oder
zung seiner Dienste und Anwen- es können mehrere Objekte aus verschiedenen Bundesinventa-
dungen und last but not least ren miteinander kombiniert werden (vgl. Abb. 2).
kann der Kunde zentral und di-
rekt über verschiedene Schnitt- Über diese Anwendung können sich Nutzer/innen auch mit Dar-
stellen auf die Geodaten zugrei- stellungsdiensten kantonaler Fachstellen verbinden und deren
fen und diese mit anderen Geo- Daten ohne spezielle Geosoftware betrachten.
daten kombinieren.

Seite 67
STORYMAPS rin/dem Betrachter erzählerisch Fotos zu erraten, wo sich das Kul-
näher gebracht. Neben der kon- turgut in der Schweiz befi ndet.
StoryMaps sind intelligente Web- kreten Informationsvermittlung So werden die Nutzerinnen und
karten zu interessanten Themen helfen StoryMaps, die Geoinfor- Nutzer spielerisch an die Thema-
(«storytelling»). Bei deren Umset- mationen weiteren Nutzergrup- tik Geodaten und Kulturgüter-
zung stehen Information, Lehre, pen schmackhaft zu machen. schutz herangeführt.
Unterhaltung und Inspiration
zur Verwendung der Geodaten Eine «Kulturgüterschutz-Story-
der Bundesämter im Zentrum. Map» ist als Ratespiel umgesetzt
Nicht ein Kartenthema, sondern (storymaps.geo.admin.ch/story- 3 Die Storymap zum Kulturgüter-
die Geschichte eines Objektes des maps/storymap9). Dieses enthält schutzinventar findet man unter
Datensatzes wird in den Mittel- rund 5'000 Fotos unterschiedli- storymaps.geo.admin.ch/storymaps/
punkt gestellt und in einem the- cher Kulturgüter des KGS-Inven- storymap9 © Bundesamt für
matischen Kontext der Betrachte- tars. Ziel ist es, auf der Basis der Landestopografie swisstopo.

Seite 68
LA PROTECTION LA PROTEZIONE

DES BIENS CULTURELS DEI BENI CULTURALI

SELON GEO.ADMIN.CH DAL PUNTO DI VISTA

DI GEO.ADMIN.CH

Avec le portail geo.admin.ch créé Dans le menu thématique (map. Con il portale geo.admin.ch, cre-
dans le cadre de la mise en œuvre kgs.admin.ch) adapté aux besoins ato nell'ambito dell'attuazione
de la loi sur la géoinformation de l'Office fédéral de la protection della legge sulla geoinformazio-
(LGéo), l'administration fédérale de la population, on trouve dif- ne (LGI), l'Amministrazione fede-
dispose désormais d'une plate- férents répertoires destinés à la rale dispone di una piattaforma
forme centrale de géoinforma- protection des biens culturels (p. centrale di geoinformazione.
tion. ex. inventaires fédéraux ou dan-
gers) qui peuvent être combinés Grazie a questa piattaforma, gli
Grâce à cette plate-forme, les uti- avec l'Inventaire PBC. utenti possono accedere diretta-
lisateurs peuvent accéder directe- mente a geoinformazioni, geoda-
ment aux géoinformations, aux Pour initier l'utilisateur de façon ti, geoservizi e metadati della
géodonnées et aux métadonnées ludique au thème des géodon- Confederazione. L'Ufficio federa-
de la Confédération. L'Office fé- nées et de la protection des biens le di topografia swisstopo si oc-
déral de topographie est respon- culturels, un jeu sur l'Inventaire cupa della sua gestione. L'elemen-
sable de sa gestion. La plate- PBC est disponible depuis avril to centrale è la possibilità di
forme permet de consulter inter- 2014 sur le site storymaps.geo. consultare interattivamente e
activement et gratuitement les admin.ch/storymaps/storymap9. gratuitamente i dati territoriali
données territoriales dans l'inter- Il comprend environ 5'000 photo- nell'interfaccia di visualizzazione
face de visualisation des cartes graphies de biens culturels ins- delle mappe (map.geo.admin.ch).
(map.geo.admin.ch). Actuelle- crits dans l'Inventaire PBC. Le but Attualmente si può a accedere a
ment, il est possible d'accéder à du jeu est de deviner où se circa 350 record standardizzati e
environ 350 entrées standardi- trouvent les biens culturels repré- uniformi della Confederazione,
sées et uniformisées de la Confé- sentés sur les photographies. tra cui anche ai geodati del-
dération, notamment les géodon- l'«Inventario dei beni culturali».
nées de l'Inventaire PBC.
I clienti possono integrare i dati
Les clients peuvent télécharger in qualsiasi sistema di geoinfor-
certaines données et les intégrer mazione (SIG) tramite interfacce
dans n'importe quel système d'in- standard (per es. web mapping
formation géographique (SIG ) au service) e in parte li possono an-
moyen d'interfaces standard (p. che scaricare. È possibile accede-
ex. web mapping services). Il est re senza problemi alla piattafor-
possible d'accéder simplement à ma tramite un browser oppure
la plate-forme au moyen d'un con un tablet o uno smartphone.
navigateur, d'une tablette ou d'un
smartphone. Nel visualizzatore tematico fi na-
lizzato alle esigenze dell'Ufficio
federale della protezione della
popolazione (UFPP) (map.kgs.ad-
min.ch) sono disponibili i layer
per gli scopi della protezione dei
beni culturali (per es. inventari
federali o pericoli naturali), che
possono essere combinati con
l'Inventario dei beni culturali.

Seite 69
PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY

AND GEO.ADMIN.CH

Per avvicinare in forma ludica gli The federal administration in Topography, swisstopo, is tasked
utenti alla tematica dei geodati e Switzerland now has a central with developing and operating
della protezione dei beni cultura- geoinformation platform, geo.ad- the platform. One of its key fea-
li, da aprile 2014 nel sito story- min.ch, which was developed as tures is a map viewer which al-
maps.geo.admin.ch/storymaps/ part of the implementation of the lows users to view and interact
storymap9 è disponibile un quiz Federal Geoinformation Act with geospatial data free of
sull'inventario dei beni culturali. (GeoIG). charge (map.geo.admin.ch). Cur-
Comprende circa 5'000 fotografie rently, some 350 standardised
di beni culturali iscritti nell'In- The web portal gives users direct and uniform federal datasets are
ventario PBC. Si tratta di indovi- access to federal geographical in- available online, including the
nare dove si trovano i beni cultu- formation, data, services and “Protection of Cultural Property
rali raffigurati nelle fotografie. metadata. The Federal Office of Inventory” set.

Via standard interfaces, such as


4 Tramite il link map.geo.admin. web map services, the data can be
ch/?topic=kgs si può accedere linked into users' geoinformation
direttamente all'applicazione PBC systems (GIS) and in some cases
con il tablet e lo smartphone. downloaded directly. The portal
© Ufficio federale di topografia is also tablet- and smartphone-
swisstopo. compatible.

There is a thematic viewer which


4
has been tailor-made for the Fed-
eral Office for Civil Protection
FOCP (map.kgs.admin.ch) that
offers the Protection of Cultural
Property service additional key
data layers that can be combined
with the PCP Inventory (e.g. fed-
eral inventories and natural haz-
ard maps).

In April 2014 a picture quiz was


launched (storymaps.geo.admin.
ch/storymaps/storymap9) as a
fun way for users to familiarise
themselves with the world of ge-
odata and cultural property pro-
tection. It contains around 5,000
photos of objects from the PCP
Inventory. The aim of the game is
to guess where in Switzerland the
photo was taken.

Seite 70
RINO BÜCHEL

KULTURGÜTERSCHUTZ-
MASSNAHMEN FÜR
HISTORISCHE KARTEN

Rino Büchel, Historische Karten haben nicht einfache Art und Weise aufzei-
Historiker, Chef erst heute das Interesse der For- gen (etwa der Rückgang von Reb-
Kulturgüterschutz schung geweckt. Waren es frü- anbauflächen, um nur ein Bei-
im Bundesamt für her noch in erster Linie die Ver- spiel zu nennen). Im Weiteren
Bevölkerungsschutz treter der Geisteswissenschaften enthalten sie wichtige zeitgenös-
(BABS). Von 2006 (Namensforschung, Sozial-, Wirt- sische und epochengeschichtli-
bis 2013 vertrat er schafts- und Militärgeschichte che Informationen zu Besitzver-
die Schweiz im usw.), die sich für Karten be- hältnissen und Verflechtungen
internationalen geisterten, so ist heute – insbe- verschiedenster Korporationen,
Ausschuss der sondere weil historische Karten Städte und Stände. Karten sind
UNESCO zum mit ihren oft farbigen und in- wichtige Zeugnisse und Quellen
Schutz von Kultur- formativen Darstellungen eine für unsere Gesellschaft. Dadurch
gut bei bewaffneten grosse Faszination auf den Be- erhalten sie den Status eines be-
Konflikten. trachter ausüben – das Spekt- deutenden Kulturguts. Wegen
rum der Interessierten viel brei- ihres grossen Wertes sollten sie
rino.buechel@ ter geworden. darum möglichst unbeschadet
babs.admin.ch an die kommenden Generationen
Unter anderem zeigen Karten, weitergegeben werden können.
wie der abgebildete Raum vor
Jahrhunderten wahrgenommen
1 Der Detailausschnitt aus Abb. 2, wurde, was als wichtig – und KARTEN ALS WICHTIGE
S. 72, zeigt anschaulich, wie das deshalb in jenem Zeitraum als INFORMATIONSQUELLEN
Gelände kartografisch vermessen darstellungswürdig – angesehen
wurde. Ausschnitt aus einer Karte wurde. Mit Hilfe von Karten las- Seit den 1980er-Jahren wird das
von 1751. Foto: Hans Schüpbach; sen sich nämlich mittels Verglei- Erarbeiten von Sicherstellungs-
© Staatsarchiv des Kantons Bern chen Siedlungsentwicklungen, dokumentationen mit Bundes-
(StAB + AA IV Erlach 2, 1751, Strassenführungen oder Verän- beiträgen unterstützt. Davon pro-
Albert Knecht. Online). derungen in der Landschaft auf fitieren nicht zuletzt auch
historische Kartenbestände. Ge-
rade im Zusammenhang mit Na-
turgefahren in der Schweiz stel-
len sich Fragen bezüglich
Vorbereitung oder präventiver
Schutzmassnahmen. Worauf
kann man sich etwa abstützen,
wenn es um Auskünfte über alte
Flussläufe, historische Wege
oder die Nutzung von Allmen-
den, Alpen oder Wälder geht?
Zwar fi ndet man oft Beschrei-
bungen zu Gefahren und Scha-
denereignissen in Klosterchroni-
ken, eigentliche Bilder existieren
aber in den seltensten Fällen.
1 Deshalb kommt gerade histori-
schen Karten als Abbild und Mo-

Seite 71
2 Grossformatige
Karten werden
mit Vorteil hän-
gend auf bewahrt,
3 kleinere Formate
plan gelegt in
Schränken.
Vorbildliche
Lagerung im
Staatsarchiv des
Kantons Bern.
Fotos: Hans
Schüpbach;
© Staatsarchiv
des Kantons Bern.
(In Abb. 2 ist der
Detailausschnitt
von Abb. 1, S. 71,
links unten auf
der Karte zu
2 erkennen.)

mentaufnahme einer Region ein


hoher Stellenwert zu. Sie sind
aber auch Meisterwerke der da-
maligen Kartenhersteller. Um
möglichst viele Informationen in
den Karten verarbeiten zu kön-
nen, wurden neben Symbolen in
der Regel auch Farben verwendet.

SCHUTZMASSNAHMEN
AUS KGS-SICHT

Für die Forschung ist heute der


möglichst ungehinderte Zugang
zu den Informationen auf den
Karten von grosser Bedeutung:
Beim Kulturgüterschutz hinge-
gen stehen Schonung und zweck-
mässige Aufbewahrung des Ori- 3
ginals sowie die Sicherung der
Informationen im Vordergrund.
Da es sich bei den historischen hoher Bild- und Farbqualität. tet, dass die Karten zu ihrem
Karten in der Regel um Unikate Gleichzeitig stehen damit für die Schutz neu in Hängesystemen
handelt, sind diese aus der Sicht Forschung zweckmässige digi- oder in feuersicheren, klimatisch
des Kulturgüterschutzes wie Ar- tale Grundlagen zur Verfügung, optimierten Planschränken un-
chivgut zu behandeln. die Arbeiten erlauben, ohne auf tergebracht werden konnten (vgl.
das Original zurückgreifen zu Abb. 2 und 3). Für Fortschritte auf
Um die Farbwiedergabe von Kar- müssen. Historische Karten ver- diesem Gebiet trug nicht zuletzt
ten und Plänen optimal sicher- fügen oft über Formate, die nicht auch die fi nanzielle Unterstüt-
stellen zu können, wurde im genormt sind. Dies stellt auch an zung des Bundesamtes für Be-
Rahmen von Guidelines und bei die Auftragnehmer für die Verfil- völkerungsschutz (BABS) an Ein-
der Überarbeitung der Weisun- mung besondere Anforderungen. richtungen bei. Noch besteht aber
gen zur Mikroverfilmung das in diversen kulturellen Institu-
Thema Farbe eingehend analysi- Im Bereich der Aufbewahrung tionen Handlungsbedarf. Immer
ert, um praktikable und letztlich von Karten wurden seitens des noch werden zahlreiche Karten-
fi nanzierbare Lösungen fi nden Kulturgüterschutzes, der Archive schätze gerollt aufbewahrt (vgl.
zu können. Dabei kam den tech- und der Bibliotheken in den ver- Abb. 5 und 6), was auch den Zu-
nologischen Entwicklungen im gangenen Jahren grosse Anstren- gang zu den Dokumenten und
digitalen Bereich eine Schlüssel- gungen unternommen. Nament- die Zustandskontrolle erschwert.
stellung zu. Die modernen Scan- lich bei Erweiterungsbauten oder So heisst die Devise nach wie vor:
ner ermöglichen Aufnahmen von Umbauten wurde darauf geach- «Dran bleiben»!

Seite 72
KGS-SICHERSTELLUNGSDOKUMENTATIONEN ZU KARTENSAMMLUNGEN

Seit gut dreissig Jahren werden Sicherstellungsdokumentationen mittels Bundessubventionen fi nan-


ziell unterstützt. In diesem Zeitraum konnten auch einige Projekte zu historischen Karten und
Plänen verwirklicht werden, beispielsweise die drei nachfolgend erwähnten:

Mikroverfi lmung der Pläne der Sammlung Ryhiner

Die Kartensammlung Ryhiner zählt zu den wertvollsten und bedeutendsten der Welt. Sie umfasst
mehr als 16'000 Landkarten, Pläne und Ansichten aus dem 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert. In
den Jahren 1994 bis 1997 wurden im Rahmen des Forschungsvorhabens zur bernischen Kartografie
des 18. Jahrhunderts die in der Stadt- und Universitätsbibliothek Bern beheimateten Objekte farb-
mikroverfilmt.

4 Beispiel eines verfilmten


Kartenblatts aus der
Ryhiner-Sammlung. Ein
wichtiger Bestandteil für
die Sicherstellungsdoku-
mentation ist beispielswei-
se ein mitverfilmter Farb-
keil. © Stadt- und
Universitätsbibliothek
Bern; Ryh 3216 : 7 B.

Mikroverfi lmung der historischen Landkarten der Basler Mission

Das Archiv der 1815 gegründeten und in weiten Teilen der Welt aktiven Basler Mission beherbergt
neben einer Fülle an Text-, Bild- und Tonquellen auch zahlreiche historische Landkarten aus übersee-
ischen Missionsgebieten. Angesichts der grossen Bedeutung der Karten als Sekundärquellen für
Forschende aus aller Welt wurden diese in einem mehretappigen Vorgehen 1998 farbig mikroverfilmt.

Mikroverfi lmung der Ausgrabungsdokumentation der Kathedrale St. Gallen

Der Mittelalterarchäologe Prof. Dr. Hans Rudolf Sennhauser hat während der Jahre 1964–1967 im
Gebiet der Kathedrale St. Gallen, welche heute Teil des UNESCO-Weltkulturerbes ist und als En-
semble mit dem Stiftsbezirk unter verstärkten Schutz gestellt werden soll, archäologische Grabungen
durchgeführt. Die dabei entstandenen, von Hand mit Farbe gezeichneten Pläne, welche teilweise
das DIN A0-Format (84,1 cm x 118,9 cm) überschritten, wurden 2011 vollständig mit der Hybrid Bits
on Film-Methode ausbelichtet. Bei diesem Verfahren wird ein Open Source Barcode verwendet,
dessen Bildpunkte auf einen langzeitstabilen optischen Datenträger belichtet werden. Dieser Barcode
kann dann mittels einfachen Bildscannern gelesen und decodiert werden.

Laura Albisetti

Seite 73
PROTECTION DES BIENS CULTURELS PROTEZIONE

ET CARTES HISTORIQUES DEI BENI CULTURALI

E MAPPE STORICHE

L'accès aux informations des Les progrès technologiques du Per la ricerca è molto importante
cartes historiques est très impor- domaine numérique occupent poter accedere alle informazioni
tant pour la recherche. Du point une position de premier plan delle mappe storiche. Per la pro-
de vue de la protection des biens dans ce domaine. Les scanners tezione dei beni culturali sono
culturels, la priorité est donnée à modernes permettent en effet d'ob- invece prioritarie la conservazio-
la conservation des originaux. tenir des reproductions d'images et ne adeguata degli originali e la
Les cartes historiques sont sou- de couleurs de haute qualité. Les messa in sicurezza delle informa-
vent des pièces uniques qui documents numériques ainsi ob- zioni presenti sulle mappe. Dal
doivent être traitées comme des tenus permettent de travailler momento che sono spesso pezzi
documents très précieux. sans avoir à recourir à l'original et unici, le mappe storiche devono
peuvent être utilisés pour la re- essere trattate come documenti
C'est pourquoi, depuis 1980, des cherche. Pour la conservation à molto preziosi.
contributions fédérales sont al- long terme au sens de la PBC, les
louées à la réalisation de docu- cartes doivent être reproduites Pertanto, a partire dal 1980 sono
mentations de sécurité pour les sur microfilm couleur. Les grands state fi nanziate con sussidi fede-
différentes collections de cartes formats des cartes historiques rali le documentazioni di sicurez-
historiques. Afi n de trouver des présentent toutefois des con- za di varie collezioni di mappe
solutions réalisables et fi nanciè- traintes spécifiques pour les spé- storiche. Al fi ne di trovare solu-
rement supportables pour la re- cialistes du microfilmage. zioni attuabili e fi nanziabili per
production optimale des cou- la riproduzione ottimale dei colo-
leurs des cartes et des plans, la Au cours des dernières années, ri di mappe e piani, la sezione
Section PBC a étudié de nom- de gros efforts ont été faits dans PBC ha studiato a fondo numero-
breuses publications sur le sujet. le domaine de la conservation des se pubblicazioni sul tema. I pro-
cartes. Par exemple, lors de tra- gressi tecnologici in campo digi-
vaux d'extension ou de restructu- tale assumono una posizione di
ration d'archives ou de biblio- rilevo in questo ambito. Gli scan-
thèques, les cartes sont entre- ner moderni permettono infatti
posées dans des caisses ignifuges una riproduzione di alta qualità
et climatisées ou sur des étagères. delle immagini e dei colori. Si ot-
Cependant, de nombreuses insti- tengono così basi digitali adegua-
tutions culturelles conservent te per la ricerca, che permettono
encore les cartes en rouleaux, ce di lavorare senza dover ricorrere
qui complique l'accès aux docu- sempre all'originale. Per la con-
ments et le contrôle de leur état. servazione a lungo termine ai
sensi della PBC, le mappe devono
essere fotografate su microfilm
a colori. I grandi formati delle
mappe storiche pongono però
5 Dans de nombreuses institutions, spesso particolari esigenze agli
les cartes sont stockées enroulées. incaricati della microfilmatura.
Cependant, ce n'est pas la solution
la plus optimale pour ce genre d'objet Negli ultimi anni sono stati intra-
car cela peut les endommager et presi grossi sforzi nel campo del-
souvent les dégâts sont découverts la conservazione delle mappe. In
5 beaucoup trop tard. Photo: Hans occasione dei lavori di amplia-
Schüpbach, Section PBC, OFPP. mento o ristrutturazione di archi-

Seite 74
PROTECTION OF CULTURAL PROPERTY

AND HISTORICAL MAPS

vi o biblioteche, si è cercato in Historical maps are an important to identifying feasible and af-
particolare di riporre le mappe in source of information for re- fordable solutions. Digital tech-
cassettiere ignifughe e climatiz- searchers. However, this presents nology advances play a central
zate o su mensole. In molte istitu- a challenge for Protection of Cul- role. Given that modern scanners
zioni culturali, le mappe vengono tural Property services for whom can produce copies with high pic-
però ancora conservate in rotoli. the priority is preserving these ture and colour quality, it is now
Ciò complica sia l'accesso ai sin- valuable historical documents, possible to preserve the originals
goli documenti, sia un controllo ensuring the correct storage of while still affording researchers
preciso del loro stato. the originals and safeguarding access to the valuable informa-
the information contained there- tion contained in these maps. In
in. The fact that many historical terms of long-term preservation
maps are unique specimens and archiving, digital versions do
makes them, from a PCP perspec- not suffice; colour microfilms
tive, a very precious commodity. must be made. The main chal-
lenge here is dealing with the
Since the 1980s, federal subsidies sometimes unwieldy size of the
have helped fund work on com- originals.
piling safeguard documentation
6 Molte istituzioni conservano le for historical maps. In recent years, considerable ef-
mappe in rotoli. Non è la soluzione forts have been made to preserve
ideale poiché le mappe possono To ensure that the original col- historical maps. For example, ar-
subire danni che vengono spesso ours on the maps and plans are chives and libraries used the op-
scoperti solo quando è troppo tardi. faithfully reproduced, the PCP portunity of extension or renova-
Foto: Hans Schüpbach, sezione PBC, Section carried out detailed re- tion work on their premises to
UFPP. search on this subject with a view place these articles in fire-proof,
climate-controlled flat or hang-
ing file cabinets. However, more
work needs to be done as many
cultural institutions continue to
keep their maps rolled up in
tubes, which makes it difficult to
access these documents and ac-
curately check their condition.

Seite 75
CHRISTIAN HÄBERLING, STEFAN ARN, THOMAS SCHULZ

ERWERB VON KARTOGRAFISCHEM


WISSEN IN DER SCHWEIZ
- EIN KURZÜBERBLICK

Christian Wie bei jeder Ausbildung zur auch in Zukunft in hinreichender


Häberling, berufl ichen Fachkraft stehen Weise gefördert, sodass die eta-
Dr. sc. techn. auch im Bereich «Kartografie» blierte Schweizer Kartentradition
Unterrichts- mehrere Wege offen, wie das weiterleben kann und dass wei-
koordinator. Wissen und die Fertigkeiten terhin innovative kartografische
Institut für Karto- vermittelt und erlernt werden Konzepte und Produkte entwi-
grafie und Geo- können. War bisher in der beruf- ckelt werden können.
information, lichen Ausbildung zum Karto-
ETH Zürich. grafen die spezialisierte Berufs-
lehre der einzige Weg dazu, hat BEITRAG ZUR SCHWEIZER
haeberling@ sich jüngst im Schweizer Be- KARTOGRAFIETRADITION
karto.baug.ethz.ch rufsbildungssystem eine Erwei-
terung der Ausbildungsinhalte Die Schweizer Kartografie ge-
in Richtung Geoinformation niesst dank ihren hochpräzisen
Stefan Arn, eingestellt. Landeskarten, ihren innovativen
Dipl. Betriebs- Atlaswerken (Atlas der Schweiz,
wirtschafter HF, Bei der neugestalteten Berufs- Schweizer Weltatlas) und man-
Kartograf. lehre «Geomatiker/in mit Schwer- chen bahnbrechenden technolo-
Leiter Berufsbil- punkt Kartografie» werden die gischen Lösungen (Stichwort
dung Geomatik, allgemeinen Lerninhalte der Geo- «Glasplattengravur») weltweit
Bundesamt für information von allen Ausrich- einen exzellenten Ruf. Nicht nur
Landestopografie tungen der Geomatikbranche ver- prominente Pioniere wie Henri
swisstopo, mittelt. Dazu kommen aber noch Dufour, Fridolin Becker, Johan-
Wabern. kartenspezifische Aspekte, die nes Wild, Hermann Siegfried,
sich ausschliesslich mit der Kon- Eduard Imhof und Ernst Spiess
stefan.arn@ zeption und Gestaltung von Kar- – um nur wenige zu nennen – ha-
swisstopo.ch tendaten sowie mit den digitalen ben dazu ihren Beitrag geleistet.
Bearbeitungsprozessen befassen. Auch die unzähligen Fachkräfte
in den topografischen Büros und
Thomas Schulz, Auf der Stufe der höheren Be- Ämtern sowie in den privaten
Dipl. Ing., Präsi- rufsbildung haben Berufsleute Kartenverlagen, welche in der
dent Schweize- innerhalb der Geoinformations- Vergangenheit und Gegenwart
rische Gesellschaft branche Weiterbildungsmöglich- mit Akribie, Präzision und Ge-
für Kartografie keiten mit kartografischen Inhal- schick die symbolisierten Karten-
SGK. Leiter The- ten. Ebenso bieten Schweizer daten auf die jeweiligen Träger-
matische Karto- Hoch- und Fachhochschulen eine materialien (z. B. Lithografiestei-
grafie, Bundesamt breite Palette von Kursen an, in ne, Kupferplatten, Glasplatten)
für Statistik BFS, denen die Absolventen von Lehr- oder in digitale Kartendateien
Neuchâtel. gängen der Geomatik und Geo- einarbeiteten und so hochpräzise
grafie Fachwissen in kartentech- Druckvorlagen oder Bildschirm-
thomas.schulz@ nischer Hinsicht erwerben und darstellungen ermöglichten, stan-
bfs.admin.ch erweitern können. den für diese Qualität ein. Aller-
dings musste früher dieses hand-
Trotz des überschaubaren Aus- werkliche und kognitive Können
bildungsangebots in der Schweiz über längere Zeit erlernt und spä-
wird das kartografische Wissen ter weitergegeben werden.

Seite 76
1

Wie steht es somit heute um die leute. Es zeigte sich, dass sich die 1 Auszug aus einem Ortsplan; Ausbil-
Ausbildung zum Kartografen Berufe «Kartograf/in» und «Geo- dungsarbeit eines Lernenden der
oder – modern ausgesprochen – matiker/in» nahe stehen. Das Be- swisstopo. Foto: Stefan Arn.
zum «Visualisierer von Geoda- rufsbild «Kartograf/in» ist daher
ten»? Der nachfolgende Kurz- im Jahr 2010 als Schwerpunkt in
überblick über die Möglichkeiten den Beruf «Geomatiker/in EFZ»
zeigt skizzenhaft auf, in welchem überführt worden. Statistik, Neuchâtel, erlernt wer-
institutionellen Rahmen und mit den. Wenngleich der Arbeits-
welchen Ausbildungsprogram- Wie alle Berufe mit eidgenössi- markt überblickbar ist, so haben
men und Kursen kartografisches schem Fähigkeitszeugnis, bilden junge Berufsleute in der Regel
Wissen in der Schweiz erworben Leit-, Richt- und Leistungsziele kaum Probleme, entsprechende
werden kann. die Basis für die Ausbildung und Stellen in der Branche zu fi nden.
das sogenannte «Qualifikations-
verfahren» (dieses ersetzt den Entschliessen sich Fachleute nach
BERUFSLEHRE GEOMATI- früheren Begriff «Lehrabschluss- der beruflichen Grundschulung
KER/IN MIT SCHWER- prüfungen»). Lernende werden zu einer Weiterbildung in diesem
PUNKT «KARTOGRAFIE» so an das Erheben, Bearbeiten Bereich, steht ihnen auf der Stufe
und Ausgeben von Geodaten he- der höheren Berufsbildung der
Der Beruf des Kartografen ging rangeführt. In der deutschspra- zwei Jahre dauernde Lehrgang
aus dem Beruf des Kupferste- chigen Schweiz wird der schuli- «Geomatiktechnik» offen. Dieser
chers hervor. Bei beiden Berufen sche Unterricht in Form von führt über mehrere vertiefende
handelte sich um feinhandwerk- Blockkursen zentral in Zürich Module in Geomatik, IT und Ma-
liche Tätigkeiten, bei welchen vor durchgeführt. Die Westschweiz nagement zum Abschluss «Geo-
allem feinmotorische Begabun- verfügt über mehrere Standorte. matiktechniker/in mit eidgenös-
gen gefragt waren. In den 1990er- Überbetriebliche Kurse sind ne- sischem Fachausweis».
Jahren hielt der Computer Ein- ben den Ausbildungsbetrieben
zug und löste schliesslich das und der Berufsfachschule die Weil das Bedürfnis nach visuali-
Handwerk vollständig ab. dritte Lernumgebung in der be- sierter Geoinformation ein sehr
ruflichen Grundbildung. ursprüngliches ist, wird die Kar-
Berufsleute aus der Geoinforma- tografie auch künftig einen festen
tionsbranche zeichneten im Jahr Der Schwerpunkt «Kartografie» Platz in der beruflichen Grund-
2006 im Rahmen einer Berufs- kann momentan im Bundesamt bildung haben. Die dafür geeig-
feldanalyse typische Arbeitssitu- für Landestopografie swisstopo, nete Form ist aber stets neu zu
ationen im Alltag junger Berufs- Wabern, sowie im Bundesamt für defi nieren und anzupassen.

Seite 77
2 unten: Lernende der swisstopo bei
der Arbeit mit der Karte im Gelände.
Foto: Stefan Arn.

3 rechts, S. 79: Lernende des Bundes-


amtes für Statistik (BFS) bei der
Kartendiskussion mit Ausbildenden.
Foto: Thomas Schulz.

AKADEMISCHE LEHRGÄNGE sierung und Gestaltung, der Le- lung oder der benutzerorien-
UND KURSANGEBOTE gendenaufbau sowie das sinn- tierten Funktionalität für inter-
AN HOCHSCHULEN volle Kartenlayout kommen da- aktive Atlasinformationssysteme
bei nicht zu kurz. (z. B. im Kurs «Multimedia Carto-
Auf Hochschulstufe gibt es bis graphy» an der ETH Zürich).
heute in der Schweiz keinen spe- Bei Semesterkursen in «Themati- Sämtliche stufengerecht erwor-
zialisierenden Studiengang «Kar- scher Kartografie» lernen Studie- benen Kenntnisse fliessen dann
tografie» im klassischen Sinne; rende die fachgerechte Aggregie- später in betreute Semester-, Ba-
im Gegensatz zu Deutschland, rung und Visualisierung von chelor- oder Masterarbeiten der
wie beispielsweise demjenigem statistischen oder sachbezogenen entsprechenden Hochschulen
an der Technischen Universität Geodaten (ETH Zürich, FHNW ein.
Dresden oder jenen an den Hoch- Muttenz). Mittels spezieller Lehr-
schulen für Technik (vormals veranstaltungen zur «Digitalen Überhaupt bietet das Institut für
Fachhochschulen) in Berlin, Kartografie» werden verbreitete Kartografie und Geoinformation
Dresden, Karlsruhe und Mün- digitale Techniken der kartogra- der ETH Zürich, das unter den
chen. fischen Datenerfassung und -auf- Professoren Eduard Imhof als
bereitung oder die wahrneh- Gründer, Ernst Spiess und Lo-
Stattdessen werden an einigen mungstechnischen Prozesse beim renz Hurni zu internationalem
Schweizer Hoch- und Fachhoch- Kartenlesen und -interpretieren Ansehen gelangt ist, die derzeit
schulen mit den breiter ausgeleg- gelehrt und mit Übungen vertieft breiteste Palette an Lehrveran-
ten Fachrichtungen «Geoinfor- (ETH Zürich, Uni Zürich, FHNW staltungen mit kartografischen
mation» (ETH Zürich, EPF Muttenz). Inhalten an. Dieses Angebot steht
Lausanne, Uni Zürich, FHNW auch Studierenden von anderen
Muttenz), «Geografische Infor- Daneben werden Kenntnisse der Schweizer Hochschulen sowie
mationsvisualisierung» (Uni Zü- effektvollen Bildschirmdarstel- Gasthörern zur Verfügung.
rich) oder «Geoinformations-En-
gineering» (ETH Zürich) diverse
Lehrveranstaltungen mit Inhal-
ten aus der klassischen und mo-
dernen Kartografie angeboten.

Fundamentales kartografisches
Wissen wird in Basiskursen an
drei Schweizer Hochschulen ver-
mittelt (ETH Zürich, Uni Zürich,
Uni Basel), und zwar eingebettet
in die jeweiligen Studiengänge
«Geomatik» oder «Geografie».
Dabei werden die Vielfalt an ver-
schiedenen Kartentypen und de-
ren inhaltliche Vielschichtigkeit
sowie die diversen notwendigen
Prozessschritte zu deren Erarbei-
tung aufgezeigt. Aber auch die
Kartengeschichte, die Grundsät- 2
ze der kartografischen Generali-

Seite 78
3

Auch wenn die wenigsten Absol- in die Statuten geschrieben hat. Vernachlässigung der im deutsch-
venten von akademischen Kur- Zahlreiche Kollektivmitglieder sprachigen Raum sehr erfolgrei-
sen in ihrer späteren beruflichen sind in der beruflichen Grundbil- chen Berufslehre – für die Zu-
Laufbahn einer kartografisch ori- dung wie auch in der akademi- kunft ebenfalls anvisiert.
entierten Tätigkeit nachgehen, so schen Ausbildung tätig; sie prä-
bringen sie doch mit ihrem Hin- gen zusammen mit der SGK das Das digitale Zeitalter setzt in al-
tergrundwissen das Verständnis Berufsbild und passen dieses len Medien verstärkt auf bildhaf-
sowie innovative Lösungsvor- laufend an aktuelle Bedürfnisse te Informationsträger. Mit ihrer
schläge für nutzbringende, quali- an. In diesem Zusammenhang breiten Ausbildung als Visuali-
tativ hochstehende Kartendar- unterstützt die SGK auch fi nanzi- sierungsfachleute und mit einer
stellungen und somit auch für ell und personell den neuen Trä- in der Vergangenheit bewiesenen
eine effiziente visuelle Kommu- gerverein «Geomatikerin/Geo- Wandlungsfähigkeit haben Kar-
nikation auf. matiker Schweiz», den Aufbau tografi nnen/Kartografen heute
überbetrieblicher Kurse sowie beste Chancen, sich einzubringen
Berufs- und Studienreformen. und auch in Bereichen zu arbei-
ZUKUNFT DER KARTO- Eine stärkere Förderung der im- ten, die weit über die blosse Dar-
GRAFIEAUSBILDUNG mer wichtiger werdenden akade- stellung räumlicher Informatio-
mischen Ausbildung wird – ohne nen hinausgehen.
Der Beruf der Kartografi n/des
Kartografen hat sich über die
Jahrhunderte hinweg immer wie-
der stark gewandelt. Waren Kar- WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN ZUM THEMA
tografen im Mittelalter Hüter von
(geografischem) Wissen und oft - Geomatikerin/Geomatiker EFZ:
geschätzte Künstler, so waren sie www.berufsbildung-geomatik.ch
im 19. und 20. Jahrhundert vor al- - Bildungsplan Geomatikerin/Geomatiker EFZ:
lem technisch ausgebildete Fein- www.sbfi.admin.ch/bvz/berufe/index.html
mechaniker. Nach einer Phase - Geomatikerin/Geomatiker EFZ
der Informatisierung der Karto- mit Schwerpunkt «Kartografie»:
grafie in den vergangenen 30 Jah- www.geomatikausbildung.ch
ren, fi nden sich Kartografi nnen/ - Geomatiktechnikerin/Geomatiktechniker FA:
Kartografen im Berufsalltag heu- www.biz-geo.ch
te verstärkt in einer beratenden - Institut für Kartografie und Geoinformation, ETH Zürich:
Rolle wieder – insbesondere als www.ikg.ethz.ch
Fachleute für visuelle Kommuni- - Geographisches Institut, Universität Zürich:
kation. www.geo.uzh.ch
- Institut Vermessung und Geoinformation,
Die Schweizerische Gesellschaft Fachhochschule Nordwestschweiz, Muttenz:
für Kartografie (SGK) verzeich- www.fhnw.ch/habg/ivgi
net seit Jahrzehnten einen steten - Laboratory of Geographic Information Systems,
Mitgliederzuwachs. Dies ist auch EPF Lausanne:
Zeichen für eine gelungene För- http://lasig.epfl.ch
derung von kartografischem - Schweizerische Gesellschaft für Kartografie:
Nachwuchs, den die SGK seit ih- www.kartografie.ch
rer Gründung vor 45 Jahren aktiv
betreibt und sich als oberstes Ziel

Seite 79
LA FORMATION DE CARTOGRAPHE ACQUISIZIONE DI

EN SUISSE CONOSCENZE CARTO-

GRAFICHE IN SVIZZERA:

UNA BREVE PANORAMICA

Comme pour toute profession De même, les universités et les Come per qualsiasi formazione
technique, il existe différentes hautes écoles spécialisées suisses tecnica, anche chi vuole diventa-
façons d'acquérir les connais- offrent un large éventail de cours re cartografo può scegliere diver-
sances et les compétences profes- qui permettent aux étudiants de si iter per acquisire le conoscenze
sionnelles nécessaires pour deve- suivre un cursus de formation en e competenze professionali ne-
nir cartographe. Dans le passé, géographie et géomatique afi n de cessarie. Mentre in passato l'ap-
l'apprentissage spécialisé était la développer leurs connaissances prendistato specialistico era l'uni-
seule façon d'apprendre cette pro- en matière de cartographie. ca strada per apprendere questa
fession. Au cours des dernières professione, negli ultimi anni la
années, la géoinformation a été Même si la Suisse dispose d'une materia di questa formazione è
intégrée au programme. offre de formation complète (cf. stata estesa anche alla geoinfor-
liens, p. 79), il convient de conti- mazione.
Le nouvel apprentissage de «géo- nuer à promouvoir les formations
maticien spécialisé dans la carto- cartographiques et de développer Nel corso del nuovo apprendista-
graphie» prévoit l'enseignement de nouveaux concepts et produits to di «geomatico specializzato in
des principes de la géoinforma- afi n que la tradition cartogra- cartografia» vengono impartiti i
tion pour toutes les branches de phique suisse puisse perdurer. principi della geoinformazione
la géomatique. A cela s'ajoutent per tutti gli orientamenti della
des aspects spécifiques à la carto- geomatica. A ciò si aggiungono
graphie, qui traitent exclusive- temi specifici della cartografia,
ment de la conception de géodon- che si occupano esclusivamente
nées et de processus de traitement della progettazione di geodati e
numériques. di processi d'elaborazione infor-
matica.
Au niveau de l'enseignement pro-
fessionnel supérieur, les profes-
sionnels du domaine de la géoin-
formation ont la possibilité de 4

suivre des cours de perfectionne-


ment dans le domaine de la car-
tographie.

4 Les apprentis de Swisstopo en train


de réaliser un dessin de falaise.
Photo: Stefan Arn.

Seite 80
CARTOGRAPHIC EDUCATION

AND TRAINING IN SWITZERLAND –

A BRIEF OVERVIEW

A livello di formazione professio- Like many occupations, there are The geoinformatics sector also
nale superiore, i professionisti many ways of imparting the offers professionals continuing
che lavorano nella branca della knowledge and skills needed to education courses that include
geoinformazione hanno la possi- become a professional cartogra- modules that focus specifically
bilità di seguire perfezionamenti pher. However, this was not al- on map-making.
con contenuti cartografici. ways the case in Switzerland. In
the past, budding professional In addition, Swiss universities and
Anche le università svizzere e le mapmakers had only one train- universities of applied sciences
scuole universitarie professionali ing programme open to them. offer a wide range of courses
offrono un'ampia gamma di corsi Since then, the Swiss education where geomatics and geography
che permettono agli studenti che system has moved with the times, graduates can acquire map-de-
seguono un iter di formazione in extending the contents of its car- signing skills and enhance their
geomatica e geografia di appren- tography apprenticeship courses existing specialist knowledge.
dere e ampliare le conoscenze to cover geoinformation.
cartografiche. Despite the many courses that are
With the new “Geomatician, spe- already on offer in Switzerland
Nonostante l'offerta di formazione cialisation in cartography” ap- (cf. links), work will continue on
in Svizzera sia chiara (vedi link, p. prenticeship, geoinformation stu- developing this discipline to en-
79), si continuerà anche in futuro dents are exposed to all aspects sure the survival of the Swiss
a promuovere la conoscenza car- of geomatics, including map- map-making tradition as well as
tografica e a sviluppare nuovi con- specific training such as the gen- the development of innovative
cetti e prodotti per mantenere in eration and design of map data cartographic concepts and prod-
vita la consolidata tradizione car- and digital processing tech- ucts.
tografica della Svizzera. niques.

Seite 81
EKKEHARD WEBER

DIE TABULA
PEUTINGERIANA
MITTELALTERLICHE KOPIE EINER SPÄTRÖMISCHEN WELTKARTE
UND UNESCO-WELTKULTURERBE

Die Österreichische National- habe im Jahr 435 n. Chr. zwei


bibliothek in Wien verwahrt «famuli» damit beauftragt, eine
unter ihren zahlreichen Schät- Weltkarte zu überarbeiten.
zen ein wahrhaft einzigartiges
Dokument: die Kopie einer spät-
antiken Weltkarte, die im spä- WEITERE
ten 12. oder frühen 13. Jahrhun- DATIERUNGSFRAGEN
dert nach einer karolingischen
Vorlage vermutlich im Insel- Damit ist aber bereits ein zweites
Ekkehard Weber kloster Reichenau im Bodensee Problem angesprochen, das mit
(Dr. phil., Mag. entstanden sein dürfte. einer «Datierung» dieses Doku-
iur.), Professor ments verbunden ist. Es ist in je-
für Römische Diese zeitliche Zuordnung gilt nem Gedicht deutlich von einer
Geschichte und heute als weitgehend akzeptiert, «Überarbeitung» die Rede, die
Lateinische Epi- und auch die topografische hat von den beiden Bearbeitern vor-
graphik an der wenigstens keinen ernsthaften genommen wurde, nicht von der
Universität Wien, Widerspruch gefunden. Weitaus Schaffung einer völlig neuen
seit 2007 emeri- schwieriger scheint die Frage zu Karte. Gerade bei geografischen
tiert. Hauptar- sein, in welche Zeit die antike Karten ist vor der Erfi ndung der
beitsgebiete sind Vorlage gehören könnte. Hat man Satellitenfotografie doch immer
die römischen früher – aus verschiedenen Grün- davon auszugehen, dass sie auf
Inschriften und den – eine Datierung in die Zeit der Basis älterer Vorlagen erstellt
die Provinzialge- um oder nach 360 n. Chr. ange- wurden – dies ist auch heute
schichte (Noricum nommen, wurde erst vor Kurzem noch der Fall. Wenn wir aber
und Pannonien). ein Ansatz um 300 n. Chr. vertre- Form und Inhalt der Tabula Peu-
Insbesondere seit ten, was aber wegen der Darstel- tingeriana (damit ist immer auch
1976, als eine von lung von Konstantinopel (ge- die antike Vorlage gemeint) und
ihm betreute Fak- gründet 330 n. Chr.) und der die wenigen direkten und indi-
simile-Ausgabe mehrfachen Hinweise auf das rekten Spuren, die wir in der an-
der Tabula Peutin- Christentum auszuschliessen ist. tiken Überlieferung fi nden, be-
geriana erschienen Historische und kunsthistorische rücksichtigen, dann gelangen wir
ist, beschäftigt er Überlegungen – etwa die auffäl- zurück bis in die Epoche um die
sich auch immer ligen «Stadtmauerringe», mit de- Zeitenwende, in die Zeit des Kai-
wieder in grund- nen einzelne bedeutende Städte sers Augustus. Sein bedeutend-
legenden Arbeiten gekennzeichnet sind, die ihre ster Mitarbeiter, Jugendfreund,
mit diesem einzig- wichtigsten Parallelen in der Mo- Schwiegersohn und zeitweiliger
artigen Zeugnis saikkunst und in Handschriften Stellvertreter, Marcus Vipsanius
der römischen des 5. Jahrhunderts haben – füh- Agrippa, hat – gewiss gestützt
Kartografie, das ren jedoch zu einer Datierung in auf Vorarbeiten in der griechisch-
in der Österreichi- eben jene Zeit. Und es ist kein Zu- hellenistischen Kartografie – geo-
schen National- fall, dass wir in einem Gedicht grafische Werke verfasst und in
bibliothek in Wien des irischen, jedoch in Frankreich einer Säulenhalle eine Weltkarte
verwahrt wird. lebenden Mönchs Dicuil aus der anbringen lassen, die nach sei-
karolingischen Epoche (frühes nem Tod, 12 v. Chr., durch Augus-
ekkehard.weber@ 9. Jahrhundert) erfahren, der rö- tus fertiggestellt wurde. Ob diese
univie.ac.at mische Kaiser Theodosius (II.) Karte nun auf dem Boden der

Seite 82
1 Die Stadtpersonifikation von Rom 2 Legende zur Abb. auf der Doppelseite Von S. 85, links gegen die Heftmitte,
mit den kreisförmig davon wegfüh- 84/85: Das zweite Blatt der Tabula führt eine Strasse vom Grossen St.
renden Strassen; links davon die Peutingeriana enthält neben einem Bernhard (in summo Pennino) hinüber
Peterskirche, darunter der Hafen Teil des heutigen Deutschlands und auf die S. 84, über Octoduro (Martigny)
von Ostia und, jenseits des ganz Frankreichs auch die Gebiete der zum Genfersee. Davon zweigt in nord-
schmalen Mittelmeeres, Karthago. Schweiz, des nordwestlichen Italiens westlicher Richtung die Verbindung nach
© Österreichische Nationalbiblio- und, unterhalb des dunkleren, zu Aventicum Hel[v]etiorum (Avenches)
thek, Wien. einem schmalen Streifen zusammen- und Eburoduno (Yverdon-les-Bains) ab.
gedrängten Mittelmeeres, auch Von Aventicum verläuft in östlicher
Nordafrikas. Im Mittelmeer, rechts Richtung die Verbindung über Petenisca
am Rande, die Inseln Korsika und (= Petinesca; Studen), Salodurum (So-
Sardinien. lothurn), Augusta Rauracum (Augst/
Der Ausschnitt zeigt die Schweiz in Kaiseraugst), Vindonissa (Windisch),
der oberen Kartenhälfte: auf S. 84, in Tenedone (Zurzach; hier jenseits des
der Mitte, der lacus Losonne (Gen- Rheins) und Iulio mago (Schleitheim)
fersee); rechts oben, S. 85, der Richtung Bodensee. © Österreichische
Bodensee mit Arbor felix (Arbon). Nationalbibliothek, Wien.

Säulenhalle oder, was wahr- flüchteten Aeneas, der sie aber sprünglich damals entstandenes
scheinlicher ist, an der Wand an- verlassen muss, weil er zum Orts- und Strassenverzeichnis
gebracht war, sie muss bereits Stammvater der Römer werden des gesamten Reiches, die auf
diese langgestreckte Form gehabt soll – und in eben dieselbe Zeit geografische Interessen und vor
haben, die uns heute an der Tabu- gehört auch das Geschichtswerk allem auf eine besondere Be-
la Peutingeriana, verglichen mit des Livius mit seiner epochalen schäftigung mit Strassen und
unseren geografischen Vorstel- Darstellung der Auseinanderset- Entfernungen im frühen 3. Jahr-
lungen, so ungewohnt erscheint. zungen zwischen Rom und Kar- hundert hinweisen. In der Zeit
Zeitbezogene Spuren, die damals thago. Theodosius II. endlich lassen sich
aktuell gewesen sein mögen, las- mehrfach nostalgische Versuche
sen sich noch in unserem erhalte- Spuren der Benützung oder feststellen, die alte Grösse Roms
nen Exemplar wiederfi nden. Nur zumindest der Kenntnis dieser dokumentarisch zu erfassen.
die grossen Strassen rund um Agrippakarte lassen sich bei spä-
Rom, die Augustus selbst hatte teren Geografen feststellen, und
wiederherstellen lassen, werden jene wiederum beschreiben topo- AUSSEHEN DER TABULA
namentlich auf der Tabula Peu- grafische Einzelheiten, die sich
tingeriana angeführt, und das genau so in der Tabula Peutinge- Die Tabula Peutingeriana ist eine
Stadtbild von Rom liegt unmittel- riana wiederfi nden. Andererseits römische Weltkarte, aufgezeich-
bar Karthago gegenüber (vgl. kann aber das gesamte Strassen- net auf elf Pergamentblättern, die
Abb. 1). Die Aeneis Vergils mit netz nicht vor dem 3. Jahrhundert ursprünglich eine Schriftrolle
der berühmten Dido-Episode eingefügt worden sein, weil es, von zirka 675 cm Länge und 34
war wenige Jahre zuvor publi- vor allem in den Provinzen, eben cm Breite gebildet haben. Sie ent-
ziert worden: Dido, die Königin erst später in dieser Form ausge- hält die gesamte damals bekann-
von Karthago, verliebt sich in den baut wurde. Zudem gibt es Zeug- te Welt in einer für uns unge-
aus dem brennenden Troja ge- nisse wie ein wenigstens ur- wohnt langgestreckten Form, die
unseren Vorstellungen nur inso-
fern entgegenkommt, als der Wes-
ten links und der Osten rechts
dargestellt sind und die einzel-
nen Blätter wenigstens weit-
gehend «genordet» erscheinen.
Der äusserste Westen mit einem
Grossteil Britanniens, Spaniens
und des westlichen Nordafrikas
fehlt, wobei dieser Teil bereits in
der Vorlage, von welcher unser
erhaltenes Exemplar kopiert wur-
de, nicht mehr vorhanden war
(Abb. 4, S. 86); das entspricht an-
nähernd einem Viertel der ge-
samten Darstellung. Dort befand
sich wohl auch ein «Titelblatt»,
das uns, wenn es noch existierte,
viele Diskussionen um Autor(en)
1 und Datierung erspart hätte.
Fortsetzung Text, S. 86

Seite 83
Seite 84
2

Seite 85
3 Übersicht über den geografischen Bereich, der durch die
Tabula Peutingeriana abgedeckt wird. Abb. aus: Tabula
Peutingeriana, Kommentar zur Faksimile-Ausgabe der
Akademischen Druck- u. Verlagsanstalt, Graz/Austria
1976. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

4 Der Anfang der Karte auf Blatt 1 mit einem Rest


Britanniens. Der dicke Strich zeigt deutlich, dass
der Anfang schon in der Vorlage verloren war
(vgl. Text S. 83). Ebenso erkennt man die schweren
Beschädigungen, die durch die kupfersalzhaltige,
ursprünglich grüne Farbe des Meeres und der Flüsse
3 dem Pergament zugefügt wurden.
© Österreichische Nationalbibliothek, Wien.

Fortsetzung Text von S. 83

Der «Massstab», wenn von einem


solchen überhaupt gesprochen
werden kann, ist uneinheitlich,
wie ja auch wir in unseren Atlan-
ten weit entfernte Gegenden zu-
meist in einem kleineren Mass-
stab abbilden. Im Zentrum do-
miniert Italien, das sich über vier
der heutigen Blätter erstreckt
(von 3 B4/5 bis 6 B2 nach der neu-
esten Bezeichnung); seine lang-
gestreckte Lage lässt deutlich er-
kennen, warum die Römer von
der Adria als dem «oberen» und
vom Tyrrhenischen Meer als dem
«unteren» Meer gesprochen ha-
ben.

Der bemerkenswerteste und of-


fenbar wichtigste Inhalt ist je-
doch das – schematisierte – römi-
sche Strassennetz, welches das
ganze Reich durchzieht und auch
die Gebiete im Osten über Per-
sien bis Indien und China um-
fasst. Die Strassen sind als rote
Linien eingezeichnet, mit seltsa-
men Häkchen zur Kennzeich-
nung der Strassenstationen, mit
deren Namen und den Entfer- 4
nungsangaben. Einzelne Orte
weisen besondere Signaturen auf,
die sogenannten «Vignetten» in eben häufiger in oder bei grösse- cursus publicus, den Reichspost-
verschiedenen Formen, die aber ren Orten fi nden. Besondere Dar- dienst, gewesen. Ein gewisser
nicht, wie man früher glaubte, stellungen mit ihren «Stadt- Zusammenhang mag bestehen,
ein Hinweis auf die Bedeutung personifikationen» haben Rom, doch sollte dabei der propagan-
des betreffenden Ortes sind, son- Konstantinopel und, in auffälli- distische Zweck nicht übersehen
dern die Qualität der jeweiligen ger Weise, Antiochia am Orontes werden. Schon die Agrippakarte
Unterkunft kennzeichnen sollen. gefunden; einige bedeutendere wollte dem römischen Volk die
Kriterien dafür waren etwa, ob Städte der Spätantike zeigen den Grösse des Reiches vor Augen
eine Thermenanlage vorhanden schon erwähnten «Stadtmauer- führen, und im 5. Jahrhundert
war oder nicht. Indirekt ist das ring». Dieser besondere Charak- versuchte man dies wieder, ob-
aber dann doch vielfach ein Hin- ter als «Strassenkarte» hat dazu wohl oder gerade weil inzwi-
weis auf die Bedeutung des Or- geführt, dass man glaubte, die schen weite Teile des Provinzial-
tes, weil besser ausgestattete Un- Tabula Peutingeriana wäre eine gebietes verloren gegangen wa-
terkünfte, damals wie heute, sich offizielle Übersichtskarte für den ren.

Seite 86
6 Ravenna mit seinem «Stadtmauerring» (unten links). Ra-
venna hat eine solche Bedeutung erst im 5. Jahrhundert
erlangt, als es 408 im Westen Kaiserresidenz wurde; die
letzte Fassung der Tabula Peutingeriana kann daher nicht
früher datiert werden. Rechts oben Vindobona (Wien) mit
der Donau. © Österreichische Nationalbibliothek, Wien.

5 Über einem «Doppelturm» die


Legende Lugduno caput Galliarum,
usque hic le[u]gas («Lyon, die
Hauptstadt Galliens. Bis hierher
gelten die Leugen»). Die gallischen
leugae (vgl. franz. «lieu», 2,22 km)
durften in diesem Raum erst wieder
ab dem 3. Jahrhundert verwendet
werden. Sonst werden die Entfer-
nungen in römischen Meilen ange-
geben (ca. 1,5 km), doch gelten auch
im Orient, ausserhalb des Reichsge-
bietes, wieder andere Masse.
© Österreichische Nationalbiblio-
thek, Wien.

DIE JÜNGERE
GESCHICHTE DER KARTE

Die moderne Geschichte der Ta-


bula Peutingeriana beginnt mit
einer knappen Erwähnung im
Wiener Testament des berühm-
ten Humanisten Konrad Celtis 6
vom 24. Januar 1508, in dem er ein
«Itinerarium Antonini», das sich
bereits in dessen Besitz befände, schaft zur Tabula Peutingeriana Wo Celtis dieses Stück gefunden
Konrad Peutinger in Augsburg besteht wohl, doch zeigt diese hat, hat er wohlweislich nie ent-
vermacht, einem der einfluss- Bemerkung, dass man damals hüllt. Peutinger wollte dieses ein-
reichsten Humanisten und Bera- eine viel engere Beziehung ange- zigartige Dokument selbst noch
ter des Kaisers Maximilian. Das nommen hat. Im eigenhändigen publizieren, doch gelang dies erst
«Itinerarium Antonini» ist aber Verzeichnis von Peutingers Bib- einem weiteren grossen Augs-
ein tabellarisches Orts- und liothek taucht es wieder auf, aber burger Stadtpolitiker und Ge-
Strassenverzeichnis in Form lan- zusätzlich zu einem Exemplar in lehrten, Markus Welser, einem
ger Listen, das in seiner Grund- Buchform als «charta longa», als entfernten Verwandten Konrad
form, wie oben angedeutet, zu lange Schriftrolle, die ihm von Peutingers, der 1598 die erste
Beginn des 3. Jahrhundert ent- Celtis testamentarisch vermacht Druckfassung in der Offizin des
standen sein dürfte und uns worden sei. Damit kann nur un- Johannes Moretus (Jan oder Jo-
durch alte Abschriften erhalten sere Tabula Peutingeriana ge- hann Moerentorff) in Antwerpen
geblieben ist. Eine Verwandt- meint sein. veranlasste.

Seite 87
7 Das Ende der Darstellung auf Blatt 7

11, mit Indien und China. Einge-


zeichnet sind die Altäre, die Alexan-
der bei seiner Umkehr hatte errich-
ten lassen. Im oberen Drittel, rechts
am Rand unter einer Bergkette, die
Bezeichnung Sera maior («Gross-
China») und unten links die Insel
Taprobane (Ceylon–Sri Lanka).
© Österreichische Nationalbiblio-
thek, Wien.

Dieser Druck wurde, manchmal


verkleinert, in zahlreichen Publi-
kationen bis in die Mitte des 18.
Jahrhunderts nachgedruckt.

Wie dies auch bei mittelalter-


lichen Handschriften antiker
Autoren gelegentlich geschah,
verschwand nach dieser Druckle-
gung das Interesse am Original.
So galt es geraume Zeit als ver-
schollen, bis es am Anfang des
18. Jahrhunderts erneut aufge-
funden und 1714 durch einen
Nachfahren Konrad Peutingers,
den Stiftsdekan Ignaz Desiderius
Peutinger aus Ellwangen, über
einen Augsburger Buchhändler
öffentlich zum Verkauf angebo-
ten wurde. So erfuhr auch Prinz
Eugen davon; es gibt unmittelbar
nach der Belagerung von Belgrad Fürsten gelangte die Karte nach treuer Durchzeichnungen auf Öl-
1717 mindestens zwei Briefe von dessen Tod 1738 schliesslich in papier wurde 1753 von Franz
ihm an seine Gewährsleute, in die kaiserliche Hofbibliothek in Christoph Scheyb veranlasst; sie
denen er sein Interesse bekundet. Wien. blieb bis ins 20. Jahrhundert die
Nach offenbar zähen Verhand- Grundlage für alle späteren Aus-
lungen konnte der Kauf schliess- Die Geschichte der späteren Aus- gaben (einschliesslich der von
lich abgeschlossen werden, und gaben der Tabula Peutingeriana Konrad Miller, erstmals 1887).
mit der gesamten Bibliothek des (diese Bezeichnung setzt sich seit Davon unabhängig ist nur die
dem 17. Jahrhundert durch) kann von Ernest Emile Antoine Desjar-
hier nur kurz gestreift werden. dins (Paris 1869), in Farben und
Die erste Wiedergabe mittels ge- nachdem die Schriftrolle, um sie
zu schonen, 1863 in die einzelnen
Blätter zerlegt worden war. 1888
erschien die erste fotografische
Reproduktion in Wien (natürlich
8 Jerusalem, mit einer längeren Legen- noch schwarz-weiss), 1976 die
de, darunter das Tote Meer mit dem erste Faksimile-Ausgabe in Far-
Jordan und rechts Herichonte (Je- be, eine weitere, allerdings auf-
richo). Man erkennt, dass die Zeich- grund älterer Farbaufnahmen,
nung des Ölberges erst nachträglich 1978 in Rom, und nun ist die Kar-
zur Beschriftung hinzugefügt wurde. te auch im Internet zugänglich:
Eine der wenigen Korrekturen, die http://data.onb.ac.at/rec/AL0016
sich auf der Tabula Peutingeriana 1171 (-> Digitalisat) oder www.
8 feststellen lassen. © Österreichische cambridge.org/us/talbert/index.
Nationalbibliothek, Wien. html

Seite 88
LA TABLE LA TABULA

DE PEUTINGER PEUTINGERIANA

Parmi ses nombreux trésors, lignes rouges ainsi que les étapes Tra i suoi numerosi tesori, la Bi-
la Bibliothèque nationale autri- avec leurs noms. On y trouve éga- blioteca nazionale austriaca con-
chienne abrite un document lement des informations sur les serva un documento unico nel
unique: une copie d'une carte du distances, la plupart du temps en suo genere: la copia di una map-
monde qui aurait été élaborée à la mille romains. Certains endroits pa tardo-antica del mondo che è
fi n du XIIe ou au début du XIIIe sont marqués par des «vignettes», stata presumibilmente realizzata
siècle dans le monastère de l'île qui fournissent des indications alla fi ne del XII o all'inizio del
de Reichenau sur le lac de sur la qualité du logement (p. ex. XIII secolo nel monastero dell'iso-
Constance et qui, après diverses présence de thermes). Des la di Reichenau sul lago di Co-
vicissitudes, a été achetée et grandes villes telles que Rome, stanza e che, dopo varie traversie,
transférée à Vienne par le prince Constantinople et Antioche sont nel 1720 è stata acquistata e por-
Eugène en 1720. mises en évidence. Bien que la tata a Vienna dal principe Euge-
topographie soit secondaire, les nio.
Cette copie est toutefois incom- montagnes, les mers, les rivières
plète: il manque le début (la cou- et les lacs sont représentés et re- Nella copia della mappa manca-
verture) et une page de titre, de connaissables. no però da sempre l'inizio (la co-
sorte que nous ne connaissons ni pertina esterna) e una pagina del
l'auteur ni l'année de réalisation La première reproduction photo- titolo, per cui non conosciamo né
de la carte originale. Les cher- graphique (noir et blanc) a été ef- l'autore né l'anno di realizzazione
cheurs ont longtemps supposé fectuée à Vienne en 1888, la pre- dell'antico originale. I ricercatori
que cette carte remonterait au IVe mière édition fac-similé couleur hanno a lungo ipotizzato che ri-
siècle, mais aujourd'hui, on pré- en 1976, puis une autre à Rome salisse al IV secolo, ma oggi si
sume qu'elle a été révisée pour la en 1978. La carte est désormais presume che sia stata rielaborata
dernière fois au début du Ve disponible sur internet (http:// per l'ultima volta all'inizio del V
siècle. Un poème écrit par le data.onb.ac.at/rec/AL00161171 [-> secolo. Una poesia scritta dal mo-
moine irlandais Dicuil au début Digitalisat] et www. cambridge. naco irlandese Dicuil all'inizio
du IXe siècle relate qu'en 435, org/us/talbert/index.html). del IX secolo narra che nel 435
l'empereur romain Théodose II a l'imperatore romano Teodosio (II)
demandé à deux serviteurs de incaricò due famuli (servi) di rea-
réaliser une carte du monde. lizzare una mappa del mondo.
Cette carte pourrait donc ren- Questa mappa potrebbe quindi
voyer, dans sa forme originale, à rifarsi, nella sua forma origi-
celle d'Agrippa (12 av. J.-C.). nale, all'antica mappa di Agrippa
(12 a. C.).
Les onze feuilles de parchemin
de la copie médiévale qui consti- Gli undici fogli di pergamena
tuent la table de Peutinger (du della copia medievale, ossia della
nom de son ancien propriétaire Tabula Peutingeriana (dal nome
Konrad Peutinger) formaient à del suo vecchio proprietario
l'origine un rouleau d'env. 675 cm Konrad Peutinger), formavano
de long et 34 cm de large. Cette originariamente un rotolo lungo
carte présente l'ensemble du 675 centimetri e largo 34 centime-
monde connu à l'époque sous une tri circa. Essi contengono tutto il
forme linéaire et montre schéma- mondo conosciuto all'epoca in
tiquement le réseau des voies ro- una forma per noi insolitamente
maines, représentées par des allungata. La mappa mostra sche-

Seite 89
THE TABULA

PEUTINGERIANA

maticamente la rete delle strade One of the many treasures in the Konrad Peutinger) would have
romane, rappresentata con linee safekeeping of the Austrian Na- been in the form of a scroll, meas-
rosse, e le stazioni stradali con il tional Library is a unique docu- uring 675 cm long and 34 cm
loro nome e comprende informa- ment: a late 12th–early 13th cen- wide. The map depicts the known
zioni sulla distanza, soprattutto tury reproduction of a map de- world lengthwise, an unusual
in miglia romane. Alcuni luoghi picting the world during the Late format for the modern viewer.
sono contrassegnati da cosiddette Antique period. Thought to be This schematic map of the Roman
«vignette», che danno indicazio- the work of a monk from the Rei- road network (represented by red
ni sulla qualità dell'alloggio cor- chenau Island monastery in Lake lines) also shows and provides
rispondente (per es. se era pre- Constance, the medieval replica the names of official stopping-off
sente o meno un complesso passed through many hands be- points, as well as the distances
termale). Metropoli come Roma, fore it was acquired by Prince Eu- between settlements, which are
Costantinopoli e Antiochia sono gene of Savoy in the 18th century, mostly given in Roman miles.
evidenziate in modo particolare. which is how it fi nally came to be Some towns and cities are repre-
Anche se la topografia è seconda- in Vienna. sented by vignettes or buildings
ria, montagne, mari, fiumi e laghi as a guide for travellers (e.g. if
sono disegnati e riconoscibili sul- We are unable to say precisely they have thermal baths). The
la mappa. when and by whom the original three great imperial cities –
was drawn, as the first pages (Far Rome, Constantinople and Anti-
Nel 1888 appare la prima ripro- West), as well as the cover had och – catch the eye thanks to their
duzione fotografica (in bianco e been lost. For many years the medallion portraits. The topogra-
nero) a Vienna, nel 1976 la prima map was thought to date from the phy was clearly a lesser priority,
edizione facsimile a colori, nel 4th century, but researchers today although mountain ranges, seas,
1978 un'altra copia a colori a claim that the most recent chang- rivers and lakes do feature on the
Roma e oggi la mappa è disponi- es were made in the early 5th cen- map.
bile anche in Internet (http:// tury. According to a poem by the
data.onb.ac.at/rec/AL00161171 [-> Irish monk Dicuil from the early In 1888 the first (black-and-white)
Digitalisat] e www.cambridge. 9th century, the Roman Emperor photographic reproduction of the
org/us/talbert/index.html). Theodosius II asked two famuli map was published in Vienna. In
(servants) in 435 AD to revise an 1976 the first colour facsimile was
existing world map, of which the produced, followed by another
original may have been based on colour reproduction in Rome in
Agrippa's Orbis Terrarum from 1978. Today, the map can be
12 BC. The 11 parchment sheets viewed online (http://data.onb.
which make up the medieval ac.at/rec/AL00161171 [-> Digitali-
copy of the Tabula Peutingeriana sat] and www.cambridge.org/us/
(named after its former owner, talbert/index.html).

Seite 90
RENATE SEEMANN

KARTEN MIT GESCHICHTE - KULTURGUT ERHALTEN

HISTORISCHE FLURKARTEN
AUS MECKLENBURG-VORPOMMERN

Zwischen Ostsee und Deutsch- für Mecklenburg-Vorpommern


lands Landeshauptstadt Berlin dem im Jahre 2007 neu gegründe-
liegt das Bundesland Mecklen- ten «Müritzeum» angeschlossen.
burg-Vorpommern. Mittendrin Dieses traditionsreiche Museum
die Mecklenburgische Seen- ist mit seinen Sammlungen, den
platte mit der Müritz – an ihrem modern gestalteten Ausstellun-
Ufer die Kleinstadt Waren, ein gen, den zahlreichen großen
regionales touristisches Zent- Aquarien für heimische Süß-
rum. Seit 148 Jahren gibt es hier wasserfische und dem Museums-
ein Naturkundemuseum, gestif- garten das Naturerlebniszen-
Dipl. Biologin tet vom Gutsbesitzer, Naturwis- trum in der Mecklenburgischen
Renate Seemann senschaftler und Sammler Her- Seenplatte.
ist Kuratorin der mann Freiherr von Maltzan.
Naturhistorischen Sein Anliegen war es, im dama- Der Sammlungsbestand des Mu-
Landessammlun- ligen Großherzogtum Mecklen- seums umfasst zurzeit mehr als
gen für Mecklen- burg-Schwerin ein Naturhis- 285'000 Belege. Neben den natur-
burg-Vorpommern torisches Landesmuseum für wissenschaftlichen Sammlungen
im Müritzeum in Mecklenburg und damit eine gibt es auch eine historisch ge-
Waren (Müritz). allgemein zugängliche Samm- wachsene wissenschaftliche Fach-
lungs-, Forschungs- und Bil- bibliothek, ein Archiv sowie eine
r.seemann@ dungsstätte zu schaffen. kleine, aber wertvolle Karten-
mueritzeum.de sammlung. Zum Kartenbestand
Das Sammelgebiet war zunächst gehören historische Atlanten,
Mecklenburg und wurde später Messtischblätter, topografische
auch auf Vorpommern ausge- Karten, Flurkarten und Schul-
dehnt. Heute sind die Natur- landkarten. Platzprobleme und
historischen Landessammlungen das Fehlen von Fachpersonal

Hinweis:
Auf Wunsch der
Autorin wurde im
Text das «ß», das
in der Schweiz in
«ss» umgewandelt
wird, beibehalten.

1 Das 2007 eröffnete neue Ausstel-


lungsgebäude des Müritzeums, das
«Haus der 1000 Seen», bietet neben
Ausstellungen zu vielfältigen Natur-
themen, auf einer ganzen Etage
große Aquarien mit rund 40 Fisch-
arten heimischer Binnengewässer. 1
Foto: © Müritzeum.

Seite 91
2

erschwerten bisher die vollständi- 3 Wasserränder sowie Zerfall und


ge Erschließung des Karten- Ablösung von Kartenteilen, vor
bestandes sowie die Durchfüh- allem im Randbereich, gehörten
rung notwendiger Erhaltungs- zum typischen Schadbild.
maßnahmen. Fünf auf Leinwand Foto: © Müritzeum.
aufgezogene, gerollt gelagerte
Karten konnten aufgrund ihrer
besonderen Größe lange Zeit
nicht archivgerecht aufbewahrt 4 Die starken Verschmutzun-
werden. Der 2007 festgestellte gen, besonders an den Kartenrän-
problematische Erhaltungszu- dern, waren Hinweise auf langjäh-
stand der überdimensionalen 3
rige schlechte Lagerungsbedingun-
Flurkarten gab den Anstoß dafür, gen. Foto: © Müritzeum.
die Konservierung dieses wert-
vollen Kulturgutes zu einer vor- 4
rangigen Aufgabe zu machen.

BESTANDESAUFNAHME

Die Karten stammen aus ver-


schiedenen Zeiten der Landes-
vermessung im 18. Jahrhundert,
für die es in der Geschichte
Mecklenburgs besondere his-
torische Anlässe gab. Sie doku-
mentieren die Flächen und den
Grundbesitz der Stadt Waren mit
ihren Feldmarken sowie des Rit-
tergutes Groß Gievitz im Nordos-
ten der Stadt im 18. Jahrhundert
und haben damit einen beson-
deren Wert für die Regional-
geschichte.

Seite 92
2 links, S. 92: Durch die Doublierung
der Kartenvorderseite werden alle
abgelösten Kartenteile gesichert.
Das Bild gibt einen Eindruck von der
Größe der historischen Dokumente.
Foto: © Müritzeum.

5 Karl Leopold Herzog von Mecklen- 5


burg-Schwerin (1678–1747) träumte
von einer absolutistischen Herr-
schaft. Seine ständigen Auseinan-
dersetzungen mit der Ritterschaft
und der Stadt Rostock um Macht
und Privilegien führten zur Reichs-
exekution und zu seiner Abdankung.
Foto: © Müritzeum.

1. «Carte von Wahren Num. I» DER HISTORISCHE


von 1726. HINTERGRUND
Flurkarte der Stadtfeldmark
der Stadt Waren aufgenom- Reichsexekution
men von Ingenieurkapitän
C. L. Balsleben im Jahr 1726. Die drei ältesten Karten aus den
(Maßstab 1:2'800); Jahren 1726 und 1727 wurden von
Größe 2.30 m x 2.15 m. den hannoverschen Landmes-
sern Cornelius L. Balsleben und die Taschen der Besatzungs-
2. «Carte von Wahren Num. II» Otto Heinrich von Bonn angefer- mächte flossen.
von 1726. tigt. Den Anlass für eine landes-
Flurkarte der Stadtfeldmark weite Vermessung der Ämter Aus der Vermessung der Wa-
der Stadt Waren aufgenom- und Stadtfluren des Herzogtums rener Stadtflur 1726/27 entstan-
men von Ingenieurkapitän Mecklenburg-Schwerin bildete den vier Teilkarten, von denen
C. L. Balsleben im Jahr 1726. die vom Kaiser Karl VI. im Jahr jeweils zwei Reinzeichnungen
(Maßstab 1:2'800); 1817 gegen Karl Leopold Herzog gemacht wurden. Ein Kartensatz
Größe 2.90 m x 1.50 m. von Mecklenburg-Schwerin ver- verblieb bei der Kaiserlichen
hängte Reichsexekution. Kommission und gelangte später
3. «Carte von Wahren» von 1727. in das Niedersächsische Landes-
Flurkarte der Stadtfeldmark Als Karl Leopold im Jahr 1713 archiv Hannover. Von dem zwei-
der Stadt Waren aufgenom- nach dem Tod seines Bruders ten Kartensatz, der dem Rat der
men im Jahr 1727 von O. J. H. Friedrich Wilhelm Herzog von Stadt Waren übergeben wurde,
von Bonn. (Maßstab 1:2'800); Mecklenburg-Schwerin wurde, blieben nur drei Karten erhalten.
Größe 1.75 m x 2.00 m. bestimmte das Streben nach ab- Von besonderem Wert für die
solutistischer Herrschaft seine stadtgeschichtliche Forschung
4. «Brouillon von denen zur Innenpolitik. Das führte zu stän- sind die auf den Karten eingefüg-
Stadt Wahren gehörigen Feld- digen Streitigkeiten mit der Rit- ten Verzeichnisse der Grundei-
marcken, Ländereyen, Holt- terschaft und der Stadt Rostock. gentümer, deren Nummern und
zungen und Gewässern – Auf Die wiederholten Beschwerden Namen einen Bezug zum städti-
Verordnung einer Hertzogli- der Stände beim Kaiser hatten schen Grundstückskataster er-
chen Commission vermessen zur Folge, dass dieser schließlich möglichen.
Anno 1767». die Reichsexekution gegen Karl
Kartenentwurf einer Direkto- Leopold aussprach und Exeku- Direktorialvermessung
rialvermessungskarte der Wa- tionstruppen aus Hannover und
rener Stadtfeldmark von 1767; Braunschweig mit dem Vollzug Mitte des 18. Jahrhundert ver-
Größe 4.70 m x 3.00 m. beauftragte. Im Jahr 1719 besetz- schärften sich die Streitigkeiten
ten die ausländischen Truppen zwischen den mecklenburgi-
5. «Charte von Groß und Klein das Herzogtum Mecklenburg- schen Herzögen und den Land-
Gievitz im ritterschaftlichen Schwerin. Auf Anordnung kai- ständen. Im Jahr 1755 kam es
Amte Stavenhagen von 1756». serlicher Bevollmächtigter wurde zum Abschluss des Landes-
Direktorialvermessungskarte mit einer landesweiten Vermes- grundgesetzlichen Erbvergleichs
von 1756, wahrscheinlich Ko- sung der Ämter und Stadtfluren zwischen Christian Ludwig Her-
pie aus dem Jahr 1821; begonnen. Die neu erstellten Kar- zog von Mecklenburg-Schwerin,
Größe 1.27 m x 1.35 m. ten und Kataster bildeten die Adolf Friedrich IV. Herzog von
Grundlage für die Festlegung Mecklenburg-Strelitz und der
von Steuern, die weitestgehend in Ständeunion. Mit der neuen Lan-

Seite 93
6 Am Stadtrand von Waren liegt der
etwa 19 ha große Feisnecksee mit
der sogenannten Burgwallinsel. Der
Kartenausschnitt zeigt den Standort
des im 7./8.Jahrhundert errichteten
slawischen Burgwalls.
Foto: © Müritzeum.

7 Auf dem Papenberg stand im


18. Jahrhundert noch eine Bockwind-
mühle. Heute liegt hier ein dicht
bebauter, moderner Stadtteil von
Waren. Foto: © Müritzeum.

desverfassung wurde die Entste- Bereich der zur Stadt Waren ge-
hung eines absolutistischen Staa- hörenden Feldmarken ab. Sie hat
tes verhindert und die Macht der das außergewöhnliche Format
Stände, vor allem der Ritter- von 4.70 m x 3.00 m. Es handelt
schaft, durch zahlreiche Privile- sich um eine sogenannte Brouil-
gien gestärkt. Im Ergebnis dieses lonkarte, ein Kartenentwurf,
Vertrages kam es in Mecklenburg nach dem meistens noch 1–2
zu einer landesweiten Vermes- Reinkarten erstellt wurden. Zu-
sung und Bonitierung des ritter- sammen mit den Kladden wurde
schaftlichen Grundbesitzes, von die Brouillonkarte nach dem Ab-
Klostergütern und städtischem schluss der Arbeiten dem Grund-
Besitz. Im Ergebnis der soge- eigentümer übergeben. Die zwei-
nannten Direktorialvermessung te, etwas kleinere Karte – aus
wurden ein neues Landeskatas- dem Jahr 1756 – betrifft das Rit-
ter und zahlreiche Karten erstellt. tergut Groß Gievitz. Nicht ge- 7

klärt werden konnte bis jetzt, ob


Zwei dieser großformatigen Kar- es sich dabei um eine der beiden
ten aus den Jahren 1756 und Reinzeichnung handelt, denn ein EIN PROJEKT
1766/67 befi nden sich im Archiv Eintrag von 1821 könnte auch ein UND VIELE HELFER
der Naturhistorischen Landes- Hinweis auf eine später angefer-
sammlungen. Die Karte von tigte Kopie sein. Hier besteht In Trägerschaft des «Warener
1766/67 bildet den südöstlichen noch Forschungsbedarf. Museums- und Geschichtsver-
eins e.V.» entstand das Projekt
zur Erhaltung der wertvollen
Karten. Entscheidend für die Re-
alisierung der Rettungsaktion
war aber die Sicherung der Fi-
nanzierung durch den «Freun-
deskreis der Kulturstiftung der
Länder e.V.». Unbürokratisch
wurden die notwendigen Mittel
bereitgestellt. Die Dresdener Re-
stauratorin Barbara Schinko
übernahm den Auftrag, dessen
Realisierung sich wegen der
überdimensionalen Kartengrö-
ßen als überaus schwierig erwies.

8 Zustand nach der Reinigung.


8 Ausschnitt aus der Balsleben-Karte.
Foto: © Müritzeum.

Seite 94
9 Faszinierende Details zur Regional-
geschichte sind die Eintragungen
früherer Produktionsstandorte. Die
Glashütten beschäftigten zahlreiche
spezialisierte Glasmacher, Hand-
werker und Hilfskräfte, die sich im
Umkreis der Hütte ansiedelten.
Foto: © Müritzeum.

Ein besonders schwieriges Prob-


lem stellte die größte Karte dar.
Die Brouillonkarte von 1766/67
zeigte besonders an den Rändern
große Schadstellen. Mit ihren
Maßen von 4.70 m x 3.00 m war es
9 bisher nur schwer möglich, sie
sachgerecht zu lagern. Es wurde
deshalb entschieden, die Karte
ZIELSTELLUNG - • Vorderseite der Karten mit nach der Restaurierung in hand-
KULTURGUT ERHALTEN Methylcellulose und Japanpa- habbaren großen Segmenten auf-
pier doubliert; zubewahren. Sie entstanden als
Nach einer ersten Begutachtung Zwischenschritt der Restaurie-
durch die Restauratorin war klar, • Abnahme der Leinwandrück- rung und können jederzeit wie-
dass es vorrangig um eine Kon- wand; der zu einer Gesamtkarte zusam-
servierung der historischen Kar- mengefügt werden.
ten gehen sollte, um sie weiterhin • Trennung der Karte in die ur-
bewahren und wissenschaftlich sprünglichen Segmente;
nutzen zu können. Im Vorder- FAZIT
grund stand also die Sicherung • Ausbesserung an den Fehl-
der historischen Substanz. Eine stellen von der Rückseite mit Museen tragen eine besondere
Rekonstruktion von Fehlstellen angefasertem ungeleimten Pa- Verantwortung für das ihnen an-
war nicht geplant. pier; vertraute Kulturgut. Der Auf-
wand dieses zu erhalten, über-
Die auf einer Rückleinwand auf- • Kaschierung der einzelnen steigt oft die vorhandenen
geklebten Karten waren auf- Bögen mit einem 12g schwe- Budgets. Sammlungen und Mu-
grund ihrer Größe gerollt aufbe- ren Japanpapier, Verwendung seen brauchen deshalb die Unter-
wahrt worden. Schlechte Lage- von Methylcellulose; stützung starker und zuverlässi-
rungsbedingungen hatten zu ger Partner. Durch das Förder-
Wasserschäden, zu starken Ver- • Trocknung der einzelnen Bö- projekt wurden die Restaurie-
schmutzungen, Randbildungen gen unter Druck in der Presse; rung und damit die Bewahrung
und zur Ablösungen von Karten- wertvollsten Kulturgutes mög-
teilen im Randbereich geführt. • Wässerung der Einzelbögen lich. Die Karten stehen nun viel-
Die Rückleinwand war an eini- und Entfernung der Vorder- fältigen Forschungen zur Verfü-
gen Stellen vollkommen porös doublierung; gung.
und die Holzstäbe für die Kar-
tenaufhängung vom Holzwurm • erneute Doublierung der noch Im Jahr 2010 wurden die Karten
befallen. leicht feuchten Bögen mit im Rahmen einer Sonderausstel-
Shofukleister und einem 70g lung für einen befristeten Zeit-
Schritte der Restaurierung schweren Japanpapier; raum erstmals der Öffentlichkeit
gezeigt.
• Oberflächenreinigung; • Trocknung in der Presse;

• lose Kartenteile wurden aus- • Zusammensetzung der Kar-


gerichtet und auf der Lein- tensegmente an den neuen
wand fixiert; Fälzen.

Seite 95
CINQ CARTES CINQUE FIVE CADASTRAL

CADASTRALES DE CARTE CATASTALI SURVEYS FROM MECK-

MECKLEMBOURG-POMÉ- DEL MECLEMBURGO- LENBURG-VORPOMMERN

RANIE-OCCIDENTALE POMERANIA ANTERIORE

Les musées assument une res- I musei hanno una responsabilità Museums bear a special respon-
ponsabilité particulière vis-à-vis particolare nei confronti dei beni sibility for protecting the cultural
du patrimoine culturel qui leur culturali che sono stati loro affi- heritage in their safekeeping.
est confié. Les coûts pour s'acquit- dati. Gli oneri per adempiere que- However, the expense of preserv-
ter de leurs tâches, cependant, sto compito superano però spesso ing these objects often exceeds
dépassent souvent le budget dis- il budget disponibile. Essi devono the fi nancial resources available
ponible. Ils doivent donc pouvoir quindi poter contare sul sostegno to the museums. This is why it is
compter sur le soutien de parte- di partner forti e affidabili. so important that institutional
naires solides et fiables. caretakers can rely on strong and
In questo articolo viene descritto reliable partners.
Cet article décrit un projet de un progetto per la conservazione
conservation de cinq cartes ca- di cinque mappe catastali stori- The article presents a project to
dastrales historiques. Ces cinq che. Queste cinque mappe di preserve five historical cadastral
cartes de grande taille, qui font grande formato, conservate nel surveys. These large 18th century
partie de la collection du musée museo di storia naturale di maps, which are held by the
d'histoire naturelle exposée au Müritz a Waren (Germania / Me- Müritzeum, part of the Natural
Müritzeum de Waren (Müritz/ clemburgo-Pomerania Anterio- History Museum of Mecklen-
Mecklembourg-Poméranie-Occi- re), risalgono al XVIII secolo e burg-Vorpommern (Germany),
dentale/Allemagne), datent du sono preziose testimonianze del- are a valuable source of informa-
XVIIIe siècle et sont un précieux la storia nazionale e regionale. tion on the history of the region.
témoignage de l'histoire natio-
nale et régionale. I beni culturali sono stati danneg- Incorrect storage over many years
giati da anni di condizioni di left its mark on the maps, but
Mais des années de mauvaises conservazione inadeguate. Gra- thanks to support from the Wa-
conditions d'entreposage ont lais- zie al sostegno dell'Associazione ren Museum and History Society
sé des traces. Grâce à l'appui de del museo storico di Waren e al as well as funding from the
l'Association du musée historique fi nanziamento del progetto da Friends of the Cultural Founda-
de Waren et au fi nancement du parte degli amici della Fondazio- tion of the German Federal States
projet par les amis de la Fonda- ne culturale degli Stati federati, è (Freundeskreis der Kulturstif-
tion culturelle des Etats fédérés, stato possibile sottoporre le map- tung der Länder e. V.), the maps
il a été possible de soumettre les pe alle necessarie misure di con- underwent extensive conserva-
cartes à de multiples mesures de servazione. tion work.
conservation.

Seite 96
SALLY HOPMAN / NATIONAL LIBRARY OF AUSTRALIA

ARCHIPELAGUS ORIENTALIS,
SIVE ASIATICUS, 1663
THE EASTERN OR ASIAN ARCHIPELAGO

One of the rarest maps in the very fragile state, and had begun
world, the fi rst large-scale map specialised conservation work to
MEDIA CONTACT of New Holland, has been ac- stabilise it. Four conservators
quired by the National Library were working on it full-time so it
Sally Hopman, of Australia and took centre could safely be displayed in Map-
Media Liaison Manager, stage in the Library's summer ping Our World when it opened
National Library blockbuster exhibition, Map- on 7 November.
of Australia ping Our World: Terra Incognita
T: 02 6262 1704 to Australia. Many of the other greatest maps
M: 0401 226 697 in the world were on show in the
E: shopman@nla.gov.au The map, Archipelagus Orienta- exhibition, including treasures
Web: www.nla.gov.au lis, sive Asiaticus (the Eastern which had never before been al-
and Asian archipelago), created lowed out of their European
EXHIBITION in 1663 by master cartographer vaults.
for the Dutch East India Compa-
«Mapping Our World: ny, Joan Blaeu, was found in a Maps from the British Library,
Terra Incognita to Australia» storage facility in Sweden in 2010. the Vatican, the Bibliothèque Na-
www.nla.gov.au/ A few examples of the map were tionale de France as well as from
exhibitions/ known worldwide – but none had Australia's leading institutions
mapping-our-world come to light since the 17th cen- were on show in Mapping Our
tury. World.

Chair of the National Library Mapping Our World: Terra Incog-


of Australia Council, Mr Ryan nita to Australia, opened at the
Stokes, described the Blaeu as the National Library of Australia,
most important map document- Canberra on 7 November 2013
ing Australia's presence prior to and ran until 10 March 2014.
the arrival of the British. “It is the
map on which all subsequent
maps of New Holland are based,
the primary source for the map-
ping that Cook had to complete
the picture in 1770. It also has the
distinction of including, for the
first time on a map, details of the
sighting of Tasmania by Tasman's
crew aboard the Zeehaen on 24
November 1642”, Mr Stokes said.
“The fact it survived at all is re-
markable, and probably owes
much to the fact no-one knew it
existed for about a century”.

1 The restoration work in detail. Mr Stokes said expert National


Photo: © National Library of Library Preservation staff had ex- 1
Australia. amined the map, which was in a

Seite 97
2

Seite 98
ARCHIPELAGUS ARCHIPELAGUS ARCHIPELAGUS

ORIENTALIS, ORIENTALIS, ORIENTALIS,

SIVE ASIATICUS SIVE ASIATICUS SIVE ASIATICUS

Diese seltene Karte, die 1663 Cette carte rare, dessinée en 1663 Questa rara mappa, disegnata nel
durch Joan Blaeu, den offiziellen par Joan Blaeu, cartographe offi- 1663 da Joan Blaeu, il cartografo
Kartografen der niederländi- ciel de la Compagnie néerlan- ufficiale della Compagnia olan-
schen Ostindien-Kompanie ge- daise des Indes orientales, a été la dese delle Indie orientali, è la pri-
zeichnet wurde, ist die erste gros- première grande carte de la Nou- ma grande mappa di «New Hol-
se Karte von «New Holland» velle-Hollande (Australie). Toutes land». Tutte le mappe successive
(Australien). Alle darauffolgen- les cartes de l'Australie réalisées che raffigurano l'Australia si sono
den Karten, die Australien dar- par la suite étaient basées sur ce rifatte a questa fi nché il capitano
stellen, basierten auf ihr, bis Cap- modèle jusqu'à ce que le capitaine James Cook non ha mappato la
tain James Cook erfolgreich die James Cook cartographie la côte costa orientale.
Ostküste kartierte. est.
Nel 2013 la National Library of
Die National Library of Australia En 2013, la Bibliothèque nationale Australia (NLA) ha acquistato
(NLA) erwarb die Blaeu-Karte d'Australie (National Library of uno degli unici quattro esemplari
2013 als eine von nur vier erhalte- Australia, NLA) a acheté l'un des rimasti in tutto il mondo della
nen Exemplaren auf der ganzen quatre exemplaires de la carte de mappa di Blaeu. Era in uno stato
Welt. Sie war in einem fragilen Blaeu. Très fragile, le document a fragile, ma i collaboratori della
Zustand, doch Mitarbeiter der été restauré par le personnel de la NLA sono riusciti a stabilizzarla
NLA konnten sie im Rahmen ei- NLA. con un restauro accurato.
ner sorgfältigen Restaurierung
stabilisieren. La carte a été présentée au public La mappa è stata esposta per la
pour la première fois à l'occasion prima volta in occasione della
Die Karte wurde während der de l'exposition «Mapping Our mostra «Mapping Our World:
Ausstellung «Mapping Our World: Terra Incognita to Austra- Terra Incognita in Australia», che
World: Terra Incognita to Austra- lia», qui s'est tenue à Canberra du si è tenuta a Canberra dal 7 no-
lia» vom 7. November 2013 bis 7 novembre 2013 au 10 mars 2014. vembre 2013 al 10 marzo 2014.
10. März 2014 erstmals in Can-
berra gezeigt.

2 S. 98: Gesamtansicht der Karte von


1663: Archipelagus Orientalis, sive
Asiaticus (The Eastern or Asian
Archipelago). Foto: © National
Library of Australia.

3 S. 98: Die Karte wies etliche


Schäden auf und wurde von einem
Team von Restauratoren der Natio-
nal Library of Australia (NLA)
stabilisiert. Foto: © National Library
of Australia.

4 Detailaufnahmen der Schäden. Foto: 4


© National Library of Australia.

Seite 99
NATIONALE INFORMATIONSSTELLE ZUM KULTURERBE NIKE

TAGE DES DENKMALS 2014


21. EUROPÄISCHE TAGE DES DENKMALS AM 13./14. SEPTEMBER 2014:

«ZU TISCH | A TABLE | A TAVOLA»

Bereits zum 21. Mal werden am tis/Mustér. Im Kanton Waadt


1
13. und 14. September 2014 in kann etwa eine Saline oder ein
der Schweiz die Europäischen alter Schloss-Gemüsegarten be-
Tage des Denkmals stattfi nden. gangen werden. Im Römermu-
Sie drehen sich in diesem Jahr seum Vallon (FR) wird an den
rund um unsere Ess- und Trink- Denkmaltagen durch die jetzt be-
kultur. reits laufende Ausstellung «Rund
um den Tisch», inklusive kulina-
Das diesjährige Thema «Zu rischer Leckerbissen aus der Rö-
Tisch» bietet die Gelegenheit, das merzeit, geführt. Eine Köchin
kulinarische Erbe der Schweiz zu kocht für Sie Gerichte aus Mittel-
geniessen. Die Herstellung von alter- und Barockzeit in der histo-
Speisen und Getränken sowie rischen Küche des Museums Blu-
das Essen und Trinken selbst menstein in Solothurn (Abb. 2).
sind seit jeher ein prägender Teil
des Alltags. Diese Bedeutung Durchführbar werden die Denk-
stellt sich in vielfältiger Weise maltage dank der namhaften Bei-
dar. Märkte, Restaurants und der träge des Bundesamtes für Kul-
heimische Esstisch sind Orte der tur (BAK) und der Schweizeri-
Begegnung. Zudem sind Refekto- schen Akademie der Geistes- und
1 Kampagnenbild der diesjährigen rien früher und Kantinen heute Sozialwissenschaften (SAGW).
Denkmaltage. © NIKE. Räume, die für den Akt des Es- Weitere Partner sind der Bund
sens entworfen und gebaut wur- Schweizer Architekten (BSA),
den. Die Küche, ihre Gerätschaf- Franke Küchentechnik AG, die
ten sowie das Geschirr spiegeln Genusswoche, die Gesellschaft
den technischen und modischen für Schweizerische Kunstge-
Wandel. Kochbücher und Speise- schichte (GSK), ICOMOS Schweiz,
pläne zeigen Änderungen im Ge- der Schweizerische Ingenieur-
schmack auf, die durch gesell- und Architektenverein (SIA), der
schaftliche und ökonomische Schweizer Verband für Kon-
Bedingungen geprägt sind. servierung und Restaurierung
(SKR) sowie die Schweizerische
Auch dieses Jahr laden Sie die UNESCO-Kommission.
Fachstellen für Archäologie und
Denkmalpflege, die Nationale In- Ab Ende Juli können Sie auf
formationsstelle zum Kulturerbe www.hereinspaziert.ch das de-
NIKE sowie neu weitere am kul- taillierte Programm fi nden und
turellen Erbe interessierte Orga- die kostenlose Broschüre mit al-
nisationen und Personen zu at- len Informationen bestellen. Wir
traktiven Veranstaltungen in al- wünschen Ihnen ein abwechs-
len Kantonen und Sprachregio- lungsreiches Kulturwochenende
2 S. 101: Auch diese historische Küche nen ein. In Graubünden führen und «En Guete» zum genussrei-
wird an den Denkmaltagen als Kul- die Denkmalpflege, der Archäo- chen Programm der diesjährigen
turgut erlebbar. Foto: © Museum logische Dienst und der Bündner Denkmaltage.
Blumenstein, Historisches Museum Heimatschutz in und um das
Solothurn. 1400 Jahre alte Kloster in Disen- Laura Heyer, NIKE

Seite 100
13 ET 14 SEPTEMBRE 2014: 21E ÉDITION

DES JOURNÉES EUROPÉENNES DU PATRIMOINE

«A TABLE | ZU TISCH | A TAVOLA»

Les Journées du patrimoine 2014 préparation est très tôt fixé dans dans le canton de Vaud. Le Musée
vous donneront l'occasion de des recettes, ensuite rassemblées Romain de Vallon (FR) offrira des
«goûter» au patrimoine culinaire dans des livres. visites guidées gratuites dans
suisse. Les arts de la table et toutes l'exposition «Autour de la table:
les activités liées à la nourriture Les services d'archéologie et des usages et savoir-vivre à l'époque
et à la boisson ont toujours occu- monuments historiques, le Centre romaine» – des délices de l'époque
pé une place de choix dans la vie d'informations sur le patrimoine romaine seront inclus! Une cuisi-
de l'homme. Leur présence dans culturel NIKE ainsi que d'autres nière vous préparera des plats
notre quotidien revêt de mul- organisations ou personnes s'in- médiévaux et baroques dans la
tiples formes, marquant nos es- téressant au patrimoine culturel cuisine historique du musée Blu-
paces collectifs. Qu'elle se trouve vous invitent cordialement à menstein à Soleure (cf. fig. 2).
dans la cantine d'une usine, dans prendre part à ces Journées euro-
le réfectoire d'un couvent, dans péennes du patrimoine. Dans le Un projet national d'une telle en-
un restaurant gastronomique ou canton des Grisons, les services vergure peut être réalisé grâce au
à la maison, la table est toujours de conservation des monuments soutien de la Section patrimoine
un lieu de rencontre, d'échange et historiques et de l'archéologie culturel et monuments histo-
de sociabilité, autour de laquelle ainsi que la section grisonne de riques de l'Office fédéral de la
s'exprime une culture de l'hospi- Patrimoine Suisse présenteront le culture OFC et de l'Académie
talité. Les cuisines sont d'excel- monastère de Disentis/Mustér, Suisse des Sciences Humaines
lents indicateurs du progrès tech- âgé de 1400 ans. Des visites d'une et Sociales ASSH. L'Association
nologique, de même que les mets saline et de l'ancien jardin pota- suisse de conservation et restau-
qu'on y élabore dont le mode de ger d'un château seront possible ration SCR, la Commission suisse
pour l'UNESCO, la Fédération
des Architectes Suisses FAS,
Franke Technique de Cuisine SA,
2
ICOMOS Suisse, La Semaine du
Goût, la Société d'histoire de l'art
en Suisse SHAS et la Société
suisse des ingénieurs et des ar-
chitectes SIA sont aussi parte-
naires de la manifestation 2014.

Vous trouverez le programme


des Journées dès le mois d'août sur
le site www.venezvisiter.ch

C'est sur ce site que vous pourrez


aussi commander gratuitement la
brochure du programme com-
plet. Nous souhaitons que les
gourmandises intellectuelles des
Journées du Patrimoine vous in-
citent à passer à table lors de ce
weekend de septembre. Bon ap-
pétit!
Laura Heyer, NIKE

Seite 101
Seite 102
KONTAKT

IMPRESSUM / ADRESSEN
IMPRESSUM

VORANZEIGE © Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS,


Fachbereich Kulturgüterschutz KGS, Bern 2014 ISSN 1662-3495
NOVEMBER 2014,
KGS FORUM 23/2014 Herausgeber: BABS, Fachbereich Kulturgüterschutz KGS

Konzept: Rino Büchel, Hans Schüpbach, Eveline Maradan El Bana,


Spezialfälle im KGS- Laura Albisetti , Marion Burkhardt
Inventar und im Umfeld
von Unesco-Konventionen Redaktion, Layout: Hans Schüpbach

Des cas spéciaux dans Übersetzungen: Alain Meyrat, Anne-France Meystre (f), Marinella
l’Inventaire PBC et Polli, Peter Waldburger , Caroline Sulmoni (i), Elaine Sheerin (e)
dans des Conventions
de l’Unesco Auflage: 2500; 14. Jahrgang

Casi particolari nell'Inven- Web: www.kgs.admin.ch/ oder www.kulturgueterschutz.ch/


tario PBC e nell’ambito
delle convenzioni Unesco GIS-Anwendung KGS-Inventar: http://map.kgs.admin.ch/

Special cases according Hinweis


to the PCP Inventory Das KGS Forum dient als Plattform, um verschiedene Themen aus
and Unesco Conventions dem Bereich Kulturgüterschutz möglichst vielfältig und aus unter-
schiedlichen Blickwinkeln vorzustellen. Die Beiträge geben die
Meinung der Autorinnen/Autoren wieder und sind somit nicht
zwingend deckungsgleich mit dem Standpunkt des Bundesamtes
oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

KGS ADRESSEN / ADRESSES PBC / INDIRIZZI PBC / ADDRESSES PCP

Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS Tel.: +41 (0)31 322 52 74


Fachbereich Kulturgüterschutz KGS Fax: +41 (0)31 324 87 89
Monbijoustrasse 51A, 3003 Bern

Web: www.kulturgueterschutz.ch oder www.kgs.admin.ch


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Neue Tel. nr. (058) seit 1. März 2014; alte Nr. parallel bis 2015 gültig

Büchel Rino Chef KGS, Internationales Tel.: +41 (0)31 322 51 84


rino.buechel@babs.admin.ch (0)58 462 51 84
Albisetti Laura Grundlagen +41 (0)31 325 15 37
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Burkhardt Marion Hochschulpraktikantin KGS +41 (0)31 322 52 74
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Maradan El Bana Eveline Ausbildung +41 (0)31 322 52 56
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Schüpbach Hans Information, Inventar +41 (0)31 322 51 56
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Kantonale KGS-Verantwortliche / Mitglieder der Eidg. Kommission für Kulturgüterschutz:


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L'illustration concerne l'article aux pages 38–44.

Fig. 7: Des galions sur le lac Léman ?, selon la carte de Préverenges, avec une partie du territoire de Denges.
Auteur: Pierre Tissot, 1773. © Archives cantonales vaudoises, ACV; GC 176/A.

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