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PDF of Hinterbliebenengeld Zugleich Ein Beitrag Zur Zivilrechtsordnung Als Rechtszuweisungsordnung 1St Edition Teresa Tomas Keck Full Chapter Ebook
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Studien zum Privatrecht
Band 113
Teresa Tomas-Keck
Hinterbliebenengeld
Zugleich ein Beitrag zur Zivilrechtsordnung
als Rechtszuweisungsordnung
Mohr Siebeck
Teresa Tomas-Keck, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaft an der Humboldt-Uni-
versität zu Berlin und an der Sapienza Università di Roma; 2014 Erstes Staatsexamen; 2017
Zweites Staatsexamen; Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeitsrecht an der
Freien Universität Berlin; 2022 Promotion; Richterin in Stuttgart.
Einführung ................................................................................................ 1
A. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld – ein Novum in der
Rechtsordnung .......................................................................................... 3
B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf
Hinterbliebenengeld ................................................................................. 7
Einführung ................................................................................................. 1
II. Die Zuweisung einer Rechtsposition durch die objektive Ordnung .........46
1. Die Zuweisung absoluter und relativer Rechte .........................................47
a) Absolute Rechte ...................................................................................47
aa) Merkmale einer absoluten Rechtsposition .....................................48
(1) Die Zuordnungs- und die Ausschlussfunktion .........................48
(2) Die sozialtypische Offenkundigkeit ........................................49
(a) Die sozialtypische Offenkundigkeit kraft
Bezugsgegenstands ...........................................................50
(b) Die sozialtypische Offenkundigkeit kraft umfassender
Beschreibung ....................................................................51
(c) Kritik am Erfordernis der sozialtypischen
Offenkundigkeit ...............................................................52
(3) Zusammenfassung...................................................................54
bb) Die Zuordnungsentscheidung des Gesetzgebers ............................54
cc) Die Darstellungsformen der Zuordnung ........................................57
(1) Die Schöpfung oder Erweiterung subjektiver
Rechtspositionen durch Schutzgesetze ....................................58
Inhaltsverzeichnis XIII
II. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld als Schutz für eine eigene
subjektive Rechtsposition ..................................................................... 187
Am 22. Juli 2017 ist das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterblie-
benengeld in Kraft getreten.1 Eine Reihe neu eingefügter Vorschriften, darunter
§ 844 Abs. 3 BGB, statuieren, dass Hinterbliebene, die in einem besonderen per-
sönlichen Näheverhältnis zu einer getöteten Person standen, für das zugefügte
seelische Leid von dem Ersatzpflichtigen eine angemessene Entschädigung in
Geld verlangen können.2
Hintergrund der neuen Regelung war eine langwährende juristische Diskus-
sion über die Einführung eines „Angehörigenschmerzensgelds“, der durch eine
Reihe dramatischer Ereignisse, die viele Todesopfer forderten,3 besonderer Auf-
trieb verliehen wurde.4 Hinzu trat der Umstand, dass Deutschland im Vergleich
1
Gesetz vom 17.07.2017, BGBI. I. 2017, S. 2421.
2
Die Regelung findet sich wortgleich auch in § 10 Abs. 3 StVG; § 5 Abs. 3 HaftPflG; § 7
Abs. 3 ProdHaftG; § 86 Abs. 3 AMG; § 32 Abs. 4 S. 5 und 6 GenTG; § 12 Abs. 3 UmweltHG;
§ 28 Abs. 3 AtG; § 35 Abs. 3 LuftVG.
3
Z.B. das ICE-Unglück von Eschede am 03.06.1998; der Absturz der Concorde am
25.07.2015; das Love-Parade-Unglück am 24.10.2010; der Absturz der Germanwings-Ma-
schine am 24.03.2015; das Eisenbahnunglück von Bad Aibling am 09.02.2016 sowie das
Busunglück auf der A9 in Oberfranken am 03.07.2017.
4
Das Angehörigenschmerzensgeld war Thema des Arbeitskreises I des 50. Verkehrsge-
richtstags in Goslar 2012, https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/media//Editoren/Dokum
entationen/50.%20Dokumentation%20VGT%202012.pdf (Stand: 27.07.2022); des 66. Deut-
schen Juristentags 2006 in Stuttgart (vgl. Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 62 ff.);
des 45. Deutschen Juristentags 1964 in Karlsruhe (vgl. Stoll, Gutachten zum 45. DJT 1964,
Bd. I Teil 1, S. 145); vgl. ferner auch den Gesetzesentwurf des Bayerischen Staatsministeriums
der Justiz, abrufbar unter: https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/gesetze/gesetzentwurf a
ngehoerigenschmerzensgeld.pdf (Stand: 27.07.2022); siehe zur Entwicklung der rechtspoli-
tischen Diskussion über die Einführung eines Angehörigenschmerzensgelds die Zusammen-
fassung bei Behr, Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld, S. 209 ff.; vgl. ferner auch Hop-
penstedt/Stern, ZRP 2015, 18; für die Einführung eines Anspruchs auf Angehörigenschmer-
zensgeld sprachen sich u.a. aus: Ch. Huber, NZV 2012, 5 ff.; Jaeger/Luckey, Das neue Scha-
densersatzrecht, Rn. 79; Jeinsen, zfs 2008, 61, 63; Schwintowski/C. Schah Sedi/M. Schah Sedi,
zfs 2012, 6; Staudinger, NJW 2006, 2433, 2435; ders., DAR 2012, 280, 282 ff.; Stürner, DAR
1986, 7, 11; Wagner, ZEuP 2015, 869, 883; Wenter, ZfSch 2012, 243 ff.; Wiese, Recht und Staat
294/295, S. 60; v. Gierke, Deutsches Privatrecht III, S. 970 Fn. 60; dagegen etwa: Diederichsen,
DAR 2011, 122, 124; Dressler, DAR 1996, 81; Jansen, ZEuP 2001, 30, 60 f.; Katzenmeier, JZ
2002, 1029, 1034 f.; G. Müller, VersR 1995, 489, 494.
4 A. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld – ein Novum in der Rechtsordnung
mit anderen EU-Staaten als rückständig galt,5 weil die deutsche Rechtsordnung
eine Entschädigung Hinterbliebener für ihr seelisches Leid zuvor nicht vorsah.6
Ein eigener Schadensersatzanspruch wurde Angehörigen nur ausnahmsweise im
Falle eines „Schockschadens“ gewährt,7 bei dem eine psychisch vermittelte Ge-
sundheitsbeeinträchtigung angenommen wird, die bei einem Dritten durch die
Verletzungshandlung beim Primärverletzten eingetreten ist.8 Das setzt jedoch
voraus, dass die Beeinträchtigung beim Dritten echten Krankheitswert hat, d.h.
ein pathologisch fassbarer Gesundheitsschaden i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB gegeben
ist, der nach Art und Schwere über das hinausgeht, was Nahestehende in derar-
tigen Fällen normalerweise an Beeinträchtigung erleiden.9 Die oft nicht leichten
Nachteile für das Allgemeinbefinden, die erfahrungsgemäß mit einem tief emp-
fundenen Trauerfall verbunden sind, konnten hingegen keine selbstständige
Grundlage für einen Schadensersatzanspruch bilden.10 Gerade mit Blick auf die
Entwicklung der Kommerzialisierung immaterieller Schäden sah man die strenge
Handhabung der Gerichte jedoch zunehmend als wertungswidersprüchlich an,
und es mehrten sich die Stimmen, welche die Einführung eines „Angehörigen-
schmerzensgelds“ forderten.11 Wenn sogar die entgangene Urlaubsfreude einen
Ersatzanspruch auslöst12 oder auch der Nutzungsausfall eines Kfz,13 dann hin-
terlasse es einen schlechten Beigeschmack, wenn eine Entschädigung bei Verlust
eines geliebten Menschen verwehrt werde.14
5
Über die Entwicklung des Angehörigenschmerzensgelds in Europa Janssen, ZRP 2003,
156 ff.; vgl. auch Burmann/Jahnke, NZV 2017, 401, 402; Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 19;
Kuhn, FS Jaeger, S. 345, 348; Wagner, FS Stürner, S. 231, 236 ff.; krit. Brand, Karlsruher
Forum 2016, S. 76.
6
Anlässlich des Zweiten Schadensänderungsgesetzes zum 01.08.2002 hatte der Gesetz-
geber die Einführung eines allgemeinen Angehörigenschmerzensgeldes noch ausdrücklich
abgelehnt; vgl. hierzu G. Müller, DAR 2002, 540, 543; J. Neuner, JuS 2013, 577, 583; BT-
Drs. 18/11615, S. 1.
7
Vgl. BGH, NJW 1989, 2317; BGHZ 56, 163 = NJW 1971, 1883; siehe hierzu auch
Grüneberg, Palandt BGB, Vorb v § 249 Rn. 40; Wagner, NJW 2017, 2641; BT-Drs. 18/11615,
S. 6 f.
8
Wagner, MüKo BGB, § 823 Rn. 214; vgl. auch Katzenmeier, JZ 2017, 869, 871.
9
BGHZ 56, 163, 164 ff. = NJW 1971, 1883, 1884 f.; KG Berlin, NZV 2005, 315; kritisiert
wurde an dieser Rechtsprechung u.a., dass hauptsächlich wohlhabende Personen in den Ge-
nuss der Zahlungen kämen, da diese eher einen Rechtsanwalt und einen Psychiater aufsuch-
ten und die Trauer zu inszenieren verstünden, vgl. nur Ch. Huber, NZV 2012, 5, 10.
10
So noch ausdrücklich BGHZ 56, 163, 166 = NJW 1971, 1883, 1885.
11
Vgl. zur Schutzbedürftigkeit immaterieller Güter umfassend Schubert, Wiedergutma-
chung, S. 107 ff., 628 ff.; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 8. Aufl., Rn. 470; Jeinsen, zfs 2008,
61 ff.; Schwintowski/C. Schah Sedi/M. Schah Sedi, zfs 2012, 6 ff.; Staudinger, NJW 2006, 2433,
2435.
12
Vgl. § 651 f. Abs. 2 BGB.
13
Däubler, NJW 1999, 1611; Ch. Huber, NZV 2012, 5, 10; Jaeger/Luckey, Schmerzens-
geld, 8. Aufl., Rn. 470.
14
Vgl. Ch. Huber, NZV 2012, 5, 10.
A. Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld – ein Novum in der Rechtsordnung 5
22
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.2 f.
23
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.4.
24
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.3.
25
Vgl. zu den Auswirkungen allgemein auch Köndgen, Karlsruher Forum 2016, S. 89 f.
B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte
des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Vor Einführung des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld galt der Tod eines nahen
Angehörigen als Schicksalsschlag, und die hierdurch verursachte Trauer und das
seelische Leid waren weitgehend entschädigungslos hinzunehmen.1 Grund hier-
für war der Umstand, dass der historische Gesetzgeber es als anstößig und zudem
wenig praktikabel erachtete, einen Nichtvermögensschaden in Geld aufwiegen
zu lassen2 und das BGB bei seinem Inkrafttreten dem Ersatz dieser Schäden
daher mit starker Zurückhaltung gegenüberstand.3 Die eng gezogenen Grenzen
für Ersatzansprüche bei immateriellen Einbußen lockerten sich im Laufe der Zeit
zwar ein Stück weit.4 Jedoch sind immaterielle Schäden auch heute noch lediglich
ausnahmsweise, in ausdrücklich vom Gesetz angeordneten Fällen, zu ersetzen.5
1
Vgl. BT-Drs. 18/11397, S. 8.
2
Vgl. Protokolle II, S. 1247 = Mugdan II, S. 517; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld,
Rn. 547. Siehe zu den Erwägungen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang auch sogleich
ausführlich unter: Einführung, B.I.2.
3
Schubert, Wiedergutmachung, S. 1. Eine Ausnahme bildeten lediglich jene Ansprüche,
die bereits lange Zeit in der Rechtspraxis verwurzelt waren und bereits im Partikularrecht des
19. Jahrhunderts anerkannt waren. Hierzu zählten insbesondere das in § 847 Abs. 1 BGB a.F.
kodifizierte „Schmerzensgeld“ sowie das in § 1300 BGB a.F. geregelte Kranzgeld, vgl. Motive
II, S. 800 f. = Mugdan II, S. 446 f.; vgl. auch Odersky, Schmerzensgeld, S. 11.
4
Diederichsen, DAR 2011, 122.
5
Für die anschließende Entwicklung des immateriellen Schadensersatzes siehe Schubert,
Wiedergutmachung, S. 1 ff.
6
Pflüger, Schmerzensgeld, S. 11; Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 12.
7
Eckert, Schuldrecht AT, Rn. 884; Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 13; vgl.
zum Schadensbegriff auch R. Neuner, AcP 133 (1931), 277.
8 B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
8
Eckert, Schuldrecht AT, Rn. 886; Pflüger, Schmerzensgeld, S. 11; Wagner, Gutachten A
zum 66. DJT 2006, S. 12; a.A. noch Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, § 1 S. 3 ff., der
die Pflicht zum Schadensersatz auf Vermögensschäden beschränkt sah.
9
Pflüger, Schmerzensgeld, S. 11; vgl. auch Schiemann, Staudinger BGB, Vorbem zu § 249
Rn. 46, § 253 Rn. 13.
10
Schubert, Wiedergutmachung, S. 12.
11
Schubert, Wiedergutmachung, S. 12.
12
Zwar ist der Geldersatz nach der Regelung des § 249 BGB eigentlich die Ausnahme; in
der Praxis hat sich das Regel-Ausnahmeverhältnis jedoch umgekehrt, weshalb ein Schaden
zumeist durch Geldleistung ausgeglichen wird, vgl. Oetker, MüKo BGB, § 249 Rn. 320.
13
Nichtvermögensschäden sind seit dem am 01.08.2002 in Kraft getretenen 2. Schadens-
ersatzrechtsänderungsgesetz nicht mehr in § 847 BGB a.F., sondern in § 253 BGB geregelt.
14
Schiemann, Staudinger BGB, § 253 Rn. 1.
15
BGHZ 13, 334 = NJW 1954, 1404; BGHZ 26, 349 = NJW 1958, 827; BGH, NJW 1996,
984, 985 – Caroline; BGH, NJW 1991, 1532 f.; BGHZ 160, 298, 300 = NJW 2005, 215, 216;
BGHZ 215, 117 = NJW 2017, 3004; BVerfGE 34, 269 ff. = NJW 1973, 1221 ff.
I. Die Gesetzeslage vor Einführung des Hinterbliebenengelds 9
materieller Schäden bewusst, so dass sie sich, um die „Rechenbarkeit“16 des Scha-
densrechts in größtmöglichem Umfang zu wahren, im Kern gegen ein Schät-
zungsermessen des Richters bei immateriellen Schäden entschieden.17 Denn eine
allgemeine richterliche „Souveränität“ bei der Schadensbemessung sei durch den
Revisionsrichter kaum überprüfbar, weshalb diese als höchst bedenklich einge-
stuft wurde.18 Zum anderen verwies man auf die Vorschriften im StGB über die
Buße19 und darauf, dass es dem modernen deutschen Rechts- und Sittlichkeits-
bewusstsein widerspreche, einen ideellen Schaden in Geld aufzuwiegen20. Aus
einer Entschädigung in Geld, insbesondere für Persönlichkeitsverletzungen,
„würden nur die schlechten Elemente Vorteil ziehen, Gewinnsucht, Eigennutz
und Begehrlichkeit würden gesteigert und aus unlauteren Motiven zahlreiche
schikanöse Prozesse angestrengt werden“.21
Diese Gründe des historischen Gesetzgebers gelten heute jedoch weitgehend
als überholt. Die Buße nach § 188 StGB a.F. als alternative Lösung ist längst
abgeschafft,22 und für den wichtigsten Fall immateriellen Schadensersatzes – dem
sogenannten „Schmerzensgeld“ für Beeinträchtigungen der Rechtsgüter Körper,
Gesundheit, Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung – sieht § 253 Abs. 2
BGB die Möglichkeit einer billigen Entschädigung vor.23 Für die meisten anderen
immateriellen Schäden hat der Gesetzgeber aber weiterhin an dem prinzipiellen
Ausschluss einer Ersatzfähigkeit festgehalten. Sofern das Gesetz nicht ausdrück-
lich eine abweichende Regelung enthält, ist der Ersatz eines Nichtvermögens-
schadens daher ausgeschlossen.24 Dies gilt auch für Entschädigungsansprüche bei
16
Brand, BeckOGK BGB, 01.08.2020, § 253 Rn. 4.
17
Motive II, S. 22 f. = Mugdan II, S. 12; Schiemann, Staudinger BGB, § 253 Rn. 1.
18
Motive II, S. 22 f. = Mugdan II, S. 12; Odersky, Schmerzensgeld, S. 11; Schiemann, Stau-
dinger BGB, § 253 Rn. 1.
19
Motive II, S. 23 = Mugdan II, S. 12.
20
Protokolle II, S. 1247 = Mugdan II, S. 517; vgl. auch Diederichsen, DAR 2011, 122.
Insofern folgte man im Grunde einem Gedanken Kants, der formulierte: „Im Reiche der
Zwecke hat alles entweder einen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle
kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben
ist, das hat eine Würde.“, zitiert nach Medicus, ZGS 2006, 203, 204; Katzenmeier, Stellung-
nahme zum Gesetzesentwurf BT-Drs. 18/11397, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundestag.
de/resource/blob/504384/37362a756dc16528c77a675cde4b430d/katzenmeier-data.pdf
(Stand: 27.07.2022).
21
Protokolle II, S. 1247 = Mugdan II, S. 517; Schiemann, Staudinger BGB, § 253 Rn. 1;
vgl. auch Diederichsen, DAR 2011, 122; Katzenmeier, JZ 2002, 1029, 1030.
22
Schiemann, Staudinger BGB, § 253 Rn. 1.
23
Schiemann, Staudinger BGB, § 253 Rn. 2 f. § 253 Abs. 2 BGB entspricht weitgehend § 847
Abs. 2 a.F. Ein grundlegender Unterschied ergibt sich jedoch daraus, dass durch die Platzie-
rung in § 253 BGB nunmehr auch vertragliche Ersatzansprüche oder Ansprüche wegen Ver-
wirklichung mancher Gefährdungshaftungstatbestände auf immaterielle Schäden gerichtet
sein können.
24
Zur Entwicklung der Kommerzialisierung immaterieller Güter und ihrer Ersatzfähig-
keit als Grenzfall zum immateriellen Schadensersatz siehe sogleich unter: Einführung,
B.II.1.b).
10 B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Verletzungen des Lebens, welches zwar in § 823 Abs. 1 BGB, nicht jedoch in § 253
Abs. 2 BGB aufgeführt ist.25
1. Wertungswidersprüche
a) Der Wegfall des Rechtssubjekts bei Tötung und die daraus
resultierende Haftungslücke
Bis zur Einführung des Hinterbliebenengelds sah das Gesetz also keine ausdrück-
liche Regelung einer Geldentschädigung für seelisches Leid bei Verlust einer na-
hestehenden Person vor. Aber auch sonst schienen der Gewährung eines „Trauer-
schmerzensgelds“ zwei Grundprinzipien des nationalen Haftungsrechts entge-
genzustehen: zum einen das im Deliktsrecht geltende Tatbestandsprinzip, das
eine Haftung auf Rechtsgutsverletzungen begrenzt und damit eine Haftung für
Schäden des bloß mittelbar Geschädigten ausschließt,26 und zum anderen die
bereits beschriebene Beschränkung der Geldentschädigung für immaterielle
Schäden.27 Bei konsequenter Anwendung dieser beiden Haftungsgrundsätze
führte der Wegfall der Rechtsfähigkeit des in seinem Rechtsgut Leben verletzten
Getöteten im Vergleich zu anderen Schadensfällen zu einer Haftungslücke.28 Der
Widerspruch, der dadurch aufzutreten schien, dass Angehörige nur im Falle
eines vor dem Tod entstandenen Schmerzensgeldanspruchs des Primäropfers
aufgrund einer Körperverletzung etwas erben würden, während die noch dra-
matischere Lebensverletzung zugunsten des Schädigers nahezu folgenlos bliebe,
führte unter anderem dazu, dass das Verlangen nach einer gesetzlichen Regelung
lauter wurde.29
25
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 547.
26
Siehe zu den Grundlagen des deutschen Haftungsrechts ausführlich: Kap. 1, B.I.1.
27
Vgl. hierzu auch Schramm, Haftung für Tötung, S. 16.
28
Vgl. hierzu auch O. Becker, JA 2020, 96; Schramm, Haftung für Tötung, S. 16.
29
Siehe nur Stoll, Haftungsfolgen, S. 359 f.; Stahmer, Nichtvermögensschäden bei Tö-
tung, S. 187; Wagner, Karlsruher Forum 2016, S. 99.
II. Rechtspolitische Gründe für die Einführung des Hinterbliebenengelds 11
Besonders von Seiten der ökonomischen Analyse des Rechts wurde zudem
vorgebracht, es stelle sich als nur schwer erträglicher Wertungswiderspruch her-
aus, dass die Verletzung des höchsten Rechtsguts Leben schadensrechtlich im
Wesentlichen als Verlust der Unterhaltsquelle qualifiziert werde.30 Der Wert, den
das familiäre Umfeld des Verstorbenen seinem Leben beimesse, würde so vom
geltenden Recht nicht erfasst.31 Insbesondere unter Bezugnahme auf eine Prä-
ventions- und Steuerungsfunktion des Privatrechts sei es nicht nachvollziehbar,
dass der Schädiger im Falle der Verletzung einer Person enorme Geldsummen
zahlen muss, im Falle der Tötung aber keine „Sanktion“ gegeben sei.32 Dies
könne in mancher Ausnahmesituation sogar zu einem Mordanreiz führen.33 Da
diese Umstände nicht weiter hingenommen werden könnten, sei es Aufgabe der
Rechtsordnung, einen Anreiz für sorgfältiges Verhalten zu setzen, wozu auch die
Verpflichtung zur Zahlung eines Hinterbliebenengelds diene.34 Zudem sei ein An-
spruch auf Hinterbliebenengeld volkswirtschaftlich deshalb sinnvoll, weil Ange-
hörige ihre Mühen für den Zuspruch einer Entschädigung im Rahmen der
Schockschadenrechtsprechung nicht mehr in den Nachweis einer Krankheit in-
vestieren müssten.35 Denn Ersatz für sein Leid bekomme dann nicht mehr nur
„der wohlsituierte Bürger, der sich auf die Couch des Psychiaters legt, durch
seelische Wellnesseinrichtungen tingelt und Psychopharmaka schluckt“,36 son-
dern auch der weniger gut aufgestellte Hinterbliebene, der ebenso trauert, derar-
tige Therapien aber deshalb nicht in Anspruch nimmt, „weil er alle Hände voll zu
tun hat“,37 oder sich einen Rechtsanwalt nicht leisten kann.38 Auch insofern, so
meinte man, stünde der oftmals als kalt empfundenen Rechtsordnung eine „sol-
che Geste“ gut an.39
30
Vgl. Adams, Ökonomische Analyse, S. 174 ff.; Merten, Bewertung des menschlichen
Lebens, S. 101 f.; Schäfer/Ott, ökonomische Analyse, S. 410 ff.; kritisch hingegen Wagner,
Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 61 f., der in diesem Zusammenhang noch auf das Straf-
recht verwies.
31
Merten, Bewertung des menschlichen Lebens, S. 102, 261.
32
Vgl. Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 62; Stahmer, Nichtvermögensschäden bei Tö-
tung, S. 187 ff.
33
Merten, Bewertung des menschlichen Lebens, S. 102.
34
Merten, Bewertung des menschlichen Lebens, S. 261; Kötz/Wagner, Deliktsrecht,
Rn. 740; in diesem Sinn wohl auch v. Mayenburg, VersR 2002, 278, 282; Schäfer/Ott, öko-
nomische Analyse, S. 410 ff.; konsequenterweise müsste dann eigentlich eine Zahlungspflicht
des Schädigers unabhängig davon entstehen, ob ein Getöteter Hinterbliebene hinterlässt oder
nicht – denn das Interesse, welches eine Person an der Verhütung ihres Todes hat, besteht
unabhängig von ihrer sozialen Situation, siehe hierzu Stahmer, Nichtvermögensschäden bei
Tötung, S. 217.
35
Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 32; Kadner Graziano, RIW 2015, 549, 553.
36
So Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 32 mit Verweis auf OLG Köln, Urteil
v. 18.12.2006 – 16 U 40/60 –, juris.
37
So Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 32 mit Verweis auf OLG Naumburg, NJW-RR
2005, 900.
38
Ch. Huber, NZV 2012, 5, 10.
39
Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 21.
12 B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
40
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 547; vgl. auch Katzenmeier, Stellungnahme zum
Gesetzesentwurf BT-Drs. 18/11397, S. 2, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/
blob/504384/37362a756dc16528c77a675cde4b430d/katzenmeier-data.pdf, (Stand: 27.07.
2022).
41
BGHZ 63, 98 = NJW 1975, 40; vgl. auch Oetker, MüKo BGB, § 249 Rn. 41 ff.
42
Vgl. hierzu grundlegend Grunsky, Begriff des Vermögensschadens, S. 34 ff., insbes. S. 36;
Eckert, Schuldrecht AT, Rn. 893; Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 24 f.
43
BGHZ 63, 98 = NJW 1975, 40.
44
BGH, NJW 1956, 1234.
45
BGHZ 40, 345 = NJW 1964, 542.
46
Vgl. hierzu Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 24 f.
47
So Odersky, Schmerzensgeld, S. 11; vgl. hierzu auch Ströfer, Kommerzialisierung,
S. 65 ff. m.w.N.
48
So die Richterin am BGH (6. Zivilsenat) Diederichsen, in: DAR 2011, 122.
49
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 547.
50
In diese Richtung aber wohlgemerkt die Stellungnahme des Deutschen Richterbundes
Nr. 4/17 vom Jahr 2017, die bereits in ihrem Tenor (Abschnitt A) von einer „Kommerziali-
sierung persönlicher Schicksalsschläge“ spricht, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/r
esource/blob/503280/5dfcf8877b4637da47bbff2f2772e21b/drv jost-data.pdf (Stand: 27.07.
2022).
II. Rechtspolitische Gründe für die Einführung des Hinterbliebenengelds 13
schriebene Entwicklung führte aber dazu, dass es in der Literatur vermehrt als
untragbarer Wertungswiderspruch empfunden wurde, dass die Verzweiflung und
Leere, die bei den Hinterbliebenen im Falle eines Unfalltods eines geliebten Men-
schen entsteht, entschädigungslos hingenommen werden musste, während der
Verzicht auf den Urlaub oder den Pkw entschädigungsfähig sein soll.51 Auch diese
Wertung der Rechtsordnung erwecke daher den Eindruck, „dass umso eher fi-
nanzielle Kompensation geschuldet [werde], je banaler die Rechtsverletzung
[sei].“52 Auch zur Schließung dieser untragbaren „Gerechtigkeitslücke“ sei daher
die Einführung eines „Angehörigenschmerzensgelds“ dringend erforderlich.53
2. Unglücksfälle
Dieser soeben beschriebene und verbreitet als ungerecht empfundene Zustand
geriet mehr noch in die Kritik und damit in den Fokus der Diskussion, als sich
eine Reihe dramatischer Unglücksfälle ereignete, die viele Todesopfer forderten
und eine hohe Präsenz in den Medien erfuhren.
Bereits nach dem Absturz der Concorde am 25. Juli 2000 wies Schmid darauf
hin, wie veraltet das deutsche Schadensersatzrecht sei.54 Da die Opfer des Flug-
zeugabsturzes größtenteils bereits fortgeschrittenen Alters waren und daher nur
wenige unterhaltsberechtigte Kinder hinterließen, die ihre Einbußen nach § 844
Abs. 2 BGB ersetzt verlangen könnten, sei nach der Wertung des deutschen
Rechts nahezu kein ersatzfähiger Schaden entstanden.55 Geradezu polemisch war
deshalb auch von einer „Tötung zum Nulltarif“56 die Rede, sofern man von den
vergleichsweise trivialen Beerdigungskosten absähe, die nach § 844 Abs. 1 BGB
geschuldet waren.57 Abgesehen von den juristischen Stimmen, die sich für die
Einführung eines „Angehörigenschmerzensgelds“ stark machten, zeigten aber
auch weite Teile in der Bevölkerung wenig Verständnis dafür, dass enge Famili-
enmitglieder ihr seelisches Trauerleid entschädigungslos hinzunehmen hatten.58
51
Vgl. v. Bar, FS Deutsch, S. 27, 43; Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 20; Ch. Huber,
NZV 2012, 5, 10; Odersky, Schmerzensgeld, S. 11; Vorndran, ZRP 1988, 293, 294.
52
Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 20.
53
In diese Richtung etwa J. Neuner, JuS 2013, 577, 583; Wiedemann/Spelsberg-Korspeter,
NZV 2012, 471.
54
Schmid, VersR 2002, 26, 28 f.
55
Im Vergleichswege wurde letztlich dennoch die Mehrzahl der Hinterbliebenen ent-
schädigt, da durch den angesteuerten Zielflughafen New York ein sog. „American-Risk-
Faktor“ ins Feld geführt werden konnte. Hierdurch konnte eine Haftungssumme erreicht
werden, die über den europäischen Haftungsbeiträgen liegt und für die in Deutschland gar
keine Anspruchsgrundlage besteht. Siehe hierzu Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 549;
Schmid, VersR 2002, 26, 29.
56
Diederichsen, DAR 2011, 122, 124.
57
Wagner, JZ 2004, 319, 325. Eine solche Sichtweise lässt die Sanktionsfunktion im Straf-
recht freilich unberücksichtigt, vgl. Röthel, Staudinger BGB, § 844 Rn. 2.
58
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 549.
14 B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
Vertreter der Ansicht, dass dieser Zustand so nicht hinnehmbar sei und das drin-
gende Bedürfnis bestehe, den Angehörigen auch bei einem Unfalltod eine Ent-
schädigung zu gewähren, sahen sich zudem durch die freiwilligen Zahlungen
einiger größerer Unternehmen nach schrecklichen Unglücken bestärkt. So zahlte
beispielsweise die Deutsche Bahn AG den Erben der Opfer des ICE-Unglücks
von Eschede, unter Betonung der Freiwilligkeit, je 30.000 Euro.59 Auch die Luft-
hansa AG bot den Angehörigen der Opfer des Flugzeugabsturzes der German-
wings-Maschine in den französischen Alpen im März 2015 neben der materiellen
Entschädigung auch ein pauschales Schmerzensgeld i.H.v. 25.000 Euro an. Zwar
wurde dieses von den Hinterbliebenen der Höhe nach als gänzlich unzureichend
abgelehnt.60 Allein aufgrund solcher Angebote und Zahlungen schlussfolgerte
man jedoch, dass ein generelles Bedürfnis für einen solchen Anspruch nicht von
der Hand zu weisen sei und der Gesetzgeber daher dringend tätig werden müsse.61
59
Schmid, VersR 2002, 26, 28; Jaeger/Luckey, Das neue Schadensersatzrecht, Rn. 79.
60
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 553.
61
Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 551.
62
Luckey, SVR 2012, 1.
63
Siehe die Länderberichte bei Kadner Graziano, IPRax 2006, 307, 308 ff.; Luckey, FS Ch.
Huber, S. 351, 352. Zur Rechtslage in Italien siehe zudem die umfassende, rechtvergleichende
Arbeit von Behr, Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld, S. 1 ff. et passim. Für einen in-
ternationalen Vergleich siehe die Tabelle von Karl-Heinz Danzl, abgedruckt bei Karner, FS
Danzl, S. 87, 91, die auch Länder wie Brasilien, Südkorea oder China als Länder ausweist, in
denen ein „Trauerschmerzensgeld“ anerkannt ist.
64
Entscheidung des Högsta Domstolen v. 17.10.2000, in: Nytt Jurisdisk Arkiv 2000, 521 –
zitiert nach Klinger, NZV 2005, 290 Fn. 5; Janssen, ZRP 2003, 156, 158; Kadner, Graziano,
ZEuP 2002, 834, 849.
65
Österr. OGH, Urteil v. 16.05.2001 – 2 Ob 84/01v = NZV 2002, 26; Janssen, ZRP 2003,
156, 169; Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834, 840 ff.
66
Behr, Schmerzensgeld und Hinterbliebenengeld, S. 210 f.
67
Vgl. Backu, DAR 2001, 587 ff.; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, Rn. 547; kritisch daher
auch Katzenmeier, JZ 2017, 869, 873.
II. Rechtspolitische Gründe für die Einführung des Hinterbliebenengelds 15
68
So ausdrücklich Janssen, ZRP 2003, 156, 159.
69
Vgl. Brand, FS Jaeger, S. 191, 198; Frank, FS Stoll 2001, S. 143, 156; Hacks, NJW 1975,
1450, 1452; Ch. Huber, NZV 2012, 5 f.; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, S. 141; Janssen, ZRP
2003, 156, 159; Kadner Graziano, RIW 2015, 549; Klinger, NZV 2005, 290 f.; Lieberwirth,
DAR 1966, 179, 181; Luckey, FS Ch. Huber, S. 351, 353; Odersky, Schmerzensgeld, S. 21;
Scheffen, NZV 1995, 218 f.; Schips, Schmerzensgeld, S. 141; Schwintowski/C. Schah Sedi/M.
Schah Sedi, zfs 2012, 6; Stoll, Haftungsfolgen, S. 359 f., 362; Schubert, Karlsruher Forum
2016, S. 30 m.w.N. in Fn. 141; Wagner, Gutachten A zum 66. DJT 2006, S. 63 f.
70
Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18, 20; Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471;
zur Problematik grenzüberschreitender Unfälle in diesem Zusammenhang siehe Kuhn, SVR
2012, 288.
71
Kuhn, SVR 2012, 288, 289. Dieses Unverständnis wurde zudem besonders deutlich am
Falle der 21-jährigen Studentin Giulia Minola, die bei der Love Parade 2010 in Duisburg zu
Tode kam. So hätte nach Ansicht der Mutter die deutsche Haftpflichtversicherung besser
gänzlich von einem Schadensersatz absehen sollen, anstatt ihr ein nach italienischem Ver-
ständnis lächerliches Angebot von 2.000 Euro zu machen und sie auf diese Weise neben ihrem
Leid auch noch zu verhöhnen. Siehe hierzu Wenter, zfs 2012, 243, 248; Behr, Schmerzensgeld
und Hinterbliebenengeld, S. 2.
72
Vgl. Scheffen, NZV 1995, 218.
73
Entschließung (75) 7 des Ministerkomitees des Europarats vom 14.03.1975, Bekannt-
machung vom 05.02.1976, BGBl. 1976 II, S. 323, 325.
74
BT-Drs. 18/11397, S. 8, 14 mit Verweis auf EGMR, Urteil v. 17.03.2005, Bubbins ./.
Großbritannien, Nr. 50196/99, Rn. 166 ff.; EGMR, Urteil v. 03.04.2001, Keenan ./. Groß-
britannien, Nr. 27229/95, Rn. 125 ff.; § 844 Abs. 3 BGB findet auch auf Amtshaftungsan-
sprüche gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG Anwendung, BT-Drs. 11/397, S. 7.
75
Kritisch hingegen Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 34, der den Gesetzgeber beson-
ders für seine Begriffswahl „Hinterbliebenengeld“ kritisiert. Hiermit sei dasselbe Phänomen
16 B. Hintergrund: Die Entstehungsgeschichte des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
III. Gesetzgebungsverfahren
All diese Erwägungen führten schließlich dazu, dass sich auch die Politik aufge-
fordert sah, tätig zu werden. Insbesondere nach dem Absturz der Germanwings-
Maschine am 24. März 2015 verstärkte sich die Forderung nach einer gesetzli-
chen Regelung erneut, und es zeichnete sich ab, dass ein Anspruch auf „Ange-
hörigenschmerzensgeld“ Ende 2015, wie bereits im Koalitionsvertrag von
CDU/CSU und SPD vom 16. Dezember 2013 vereinbart,76 ins Gesetzgebungs-
verfahren gehen sollte.77 Der sodann von der Fraktion der CDU/CSU und SPD
eingebrachte Gesetzesentwurf wurde am 18. Mai 2017 einstimmig im Deutschen
Bundestag angenommen.78
Durch das Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld
vom 17. Juli 2017, welches am 21. Juli 2017 verkündet wurde und am 22. Juli
2017 in Kraft getreten ist,79 ist nunmehr eine angemessene Entschädigung für das
seelische Leid der Hinterbliebenen vorgesehen.
Die neue Vorschrift ist in § 844 Abs. 3 BGB geregelt und lautet:
„(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem
Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinter-
bliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein
besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehe-
gatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“
Eine wortgleiche Regelung wurde zudem in jene Gesetze eingefügt, die bei Er-
füllung eines Gefährdungshaftungstatbestands den Ersatz eines Personenscha-
dens vorsehen.80 Ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht daher nunmehr
auch nach § 86 Abs. 3 Arzneimittelgesetz, § 28 Abs. 3 Atomgesetz, § 32 Abs. 4
Gentechnikgesetz, § 7 Abs. 3 Produkthaftungsgesetz, § 12 Abs. 3 Umwelthaf-
tungsgesetz, § 10 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz und § 5 Abs. 3 Haftpflichtgesetz.
Zudem erstreckt sich die Bestimmung auf die Passagierschadenshaftung im Ei-
senbahn-, Schienen- und Seeverkehr81 sowie auf § 35 Abs. 3 Luftverkehrsgesetz
ggf. i.V.m. dem Warschauer und dem Montrealer Abkommen.
Zur Erörterung der Rechtsposition des Hinterbliebenen ist zunächst ein Blick auf
die Strukturen der privatrechtlichen Rechtszuweisung und Rechtsentstehung zu
werfen, deren Grundzüge im Folgenden skizziert werden. Dieser deduktive An-
satz soll den Weg für die weiteren Untersuchungen ebnen und eine tiefere Analyse
der dogmatischen Zusammenhänge des Anspruchs auf Hinterbliebenengeld er-
möglichen.
1
Vgl. hierzu Bernhard, FS Picker, S. 83, 103 ff.; Bader, Diskriminierungsschutz, S. 36; F.
Hartmann, commodum, S. 22; dens, in BeckOGK BGB, 01.07.2020, § 687 Rn. 33; Hoffmann,
Zession, S. 35 ff.; Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 142; Lobiger, Rechtsgeschäftli-
che Verpflichtungen, S. 89; Malitzky, Begriff des subjektiven Rechts, S. 4 ff.; Ost, Zuordnung,
S. 27 ff.; Picker, FS Canaris I, S. 1001, 1017; dens., JZ 2010, 541, 546 f.; dens., FS Medicus,
S. 311, 317; dens., FS Lange, S. 625, 680 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 9, 64; Wollin, Störer-
haftung, S. 31.
2
Der Terminus der Rechtsposition wird teilweise auch durch die Begriffe Substanzrecht,
Zuordnungsposition oder Primärrecht ersetzt, weicht inhaltlich jedoch nicht von diesen ab;
siehe hierzu etwa Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 66.
3
Gemeint sind sowohl natürliche als auch juristische Personen; vgl. zum Begriff des
Rechtssubjekts in diesem Zusammenhang Coing, FS Dölle, S. 25, 27 ff.
4
Savigny, System I, § 52 S. 331 f.; vgl. auch Windscheid, Actio, S. 3; v. Tuhr, Allgemeiner
Teil I, § 1 I 1, S. 54 f.; Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 7; Picker, ZfPW 2015, 385, 387; Bernhard, FS
Picker, S. 83 ff.
5
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 104; Wollin, Störerhaftung, S. 30.
20 A. Die Rechtsposition hinter dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld
6
Coing, FS Dölle, S. 25, 27; vgl. hierzu auch Hoffmann, Zession, S. 38; Katzenstein, Haf-
tungsbeschränkungen, S. 144 f.; siehe zu den verschiedenen Entstehungsmöglichkeiten einer
Rechtsposition unter: Kap. 1, A.II.
7
Hoffmann, Zession, S. 35 ff.; Picker, ZfPW 2015, 385, 387; zum Teil werden die subjek-
tiven Rechtspositionen auch als Primärrechte und die Schutzrechte als Sekundärrechte be-
zeichnet, vgl. hierzu z.B. Raiser, JZ 1961, 465, 466; Peukert, Güterzuordnung, S. 54 f.
8
F. Hartmann, BeckOGK BGB, 01.07.2020, § 687 Rn. 33; Picker, FS Canaris II, S. 579,
613; ders., FS Bydlinski, S. 275, 314.
9
Siehe zu diesem „Rundumschutz“ durch die „Trias der Haftungssysteme“ Picker, AcP
183 (1983), 369, 511 ff.; ders., JZ 2010, 541, 546; ders., FS Lange, S. 625, 684 f.; Bernhard, FS
Picker, S. 83, 104; Gebauer, Jura 1998, 128, 132; F. Hartmann, commodum, S. 22; Katzenstein,
Haftungsbeschränkungen, S. 143; Lobinger, AcP 216 (2016), 28, 98; vgl. auch Wilhelm, Sa-
chenrecht, Rn. 237.
10
Hoffmann, Zession, S. 56 ff.; ders., Jura 2014, 71.
11
Thole, Staudinger BGB, § 985 Rn. 4; anders noch Motive III, S. 399 = Mugdan III,
S. 222 f.
12
Vgl. BGHZ 60, 235, 240 = NJW 1973, 703, 704; Hoffmann, Zession, S. 60.
13
Vgl. hierzu und zu der Unterscheidung zwischen Rechtsverwirklichung und Vermögens-
verschiebung ferner die Untersuchung bei Hoffmann, Zession, S. 62 ff. m.w.N.; zur Forderung
als Rechtsposition siehe zudem ausführlich unter: Kap. 1, B.I.3.b)bb)(2)(a).
14
Vgl. Hoffmann, Zession, S. 36.
I. Die Zivilrechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung 21
weisung ist somit bedingt durch die Existenz von Schutzrechten, weil die Rechts-
position des Individuums sonst nicht bestehen könnte.15 Die Rechtszuweisungs-
ordnung wird daher ergänzt durch die Rechtsschutzordnung.16
Konsequenterweise setzt die Gewährung eines Anspruchs als ein solcher
Schutzmechanismus daher eine Bedrohung oder Verletzung einer zugewiesenen
subjektiven Rechtsposition voraus.17 Dies erscheint auch deshalb einleuchtend,
weil es andernfalls schwer zu rechtfertigen wäre, dass einem Rechtssubjekt ein
Recht zustehen soll, kraft dessen es seinerseits einen unkonsentierten Zugriff auf
die Rechtsposition eines anderen vornehmen darf.18 Denn genau dies geschieht
bei der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs. Der Anspruch beinhaltet
seinerseits einen Eingriff des Rechtsinhabers in eine Rechtsposition des Haften-
den,19 welcher jedoch legislatorisch gerechtfertigt ist. Knüpft eine Schutznorm
ihre Rechtsfolgen an die „Verletzung“ (§ 823 Abs. 1 BGB) oder die „Beeinträch-
tigung“ (§ 1004 Abs. 1 BGB [analog]) eines Rechts, rechtfertigt das Gesetz die
Freiheitsbeschränkung des anderen damit, dass er seinerseits fremde Rechte be-
einträchtigt oder verletzt hat.20 Der Anspruch stellt allein das Mittel dar, um der
Rechtsverletzung zu begegnen.21 Allein aus dem Vorhandensein eines durch Ge-
setz statuierten Anspruchs kann daher auf die Existenz einer Rechtsposition des
Anspruchinhabers, die es zu beschützen gilt, geschlossen werden.22
Statuiert die Zivilrechtsordnung einen bislang unbekannten deliktischen An-
spruch, ist folglich davon auszugehen, dass der Anspruchsinhaber selbst in einer
ihm zugewiesenen Rechtsposition verletzt sein muss und diese Rechtsposition
neben dem deliktischen Schutz auch negatorisch und bereicherungsrechtlich
rundum geschützt wird. Welche Rechtsposition jedoch beim Anspruch auf Hin-
terbliebenengeld verletzt ist, ergibt sich nicht ohne Weiteres aus dem Gesetzes-
wortlaut und bedarf daher einer umfassenden Erörterung.
15
Reinhardt, JZ 1961, 713, 716.
16
Picker, FS Canaris I, S. 1001, 1032.
17
Bernhard, FS Picker, S. 83, 103 ff.; F. Hartmann, commodum, S. 22; Hoffmann, Zession,
S. 37 m.w.N. in Fn. 16; Picker, FS Canaris I, S. 1001, 1032; ders., FS Canaris II, S. 579, 605;
für die Gegenauffassungen siehe unter: Kap. 1, A.3.
18
Hoffmann, Zession, S. 39.
19
Hoffmann, Zession, S. 38; Picker, ZfPW 2015, 385, 402.
20
Wollin, Störerhaftung, S. 33; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 92 ff.
21
Braun, AcP 205 (2005), 127, 135.
22
v. Gierke, Privatrecht I, S. 255; J. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 17 f.; F. Hartmann,
commodum, S. 22; Hoffmann, Zession, S. 37 f.; Picker, FS Canaris I, S. 1001, 1032; besonders
eingehend auch ders., FS Schilken, S. 85, 94: “Das für die geltende Ordnung konstitutive
Zusammenspiel von Rechtszuweisung und Rechtsschutz folgt damit der ebenso einfachen
wie plausiblen Regel, dass jedem auf Abwehr, Wiedergutmachung oder Abschöpfung gerich-
teten Anspruch als Schutzgut eine Rechtsposition vorausliegen muss, die kraft ihrer inhalt-
lichen Gestaltung gerade das konkrete Schutzbegehren gerade gegenüber dem konkreten
Gegner legitimiert“.
22 A. Die Rechtsposition hinter dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld
a) Abstrakt kann eine Rechtsposition sowohl ein subjektives Recht, die Be-
rechtigung am Rechtsgut23, als auch ein rechtliches Interesse sein,24 weshalb die
regelmäßig im Deliktsrecht vorgenommene Unterscheidung zwischen diesen für
den Erkenntnisgewinn der konkreten Rechtsposition hinter dem Hinterbliebe-
nengeld keine Rolle spielt. Der Begriff der Rechtsposition beschreibt vielmehr
den gesamten Rechtskreis eines Rechtssubjekts und ist daher für die hier ange-
strebten Untersuchungen vorzugswürdig.25 Strikt zu trennen von den Rechts-
positionen sind jedoch die Schutzrechte, da diese in einer Rechtszuweisungsord-
nung eine andere Aufgabe haben, auch wenn dies im allgemeinen Sprachge-
brauch nicht immer deutlich wird.26 Besonders im Deliktsrecht wird der Begriff
des subjektiven Rechts jedoch gerne als Synonym für die geschützte Rechtspo-
sition als auch für das zugehörige Schutzrecht verwendet.27 Und auch darüber
hinaus herrscht über die Bedeutung des Begriffs des „subjektiven Rechts“ kein
allgemeiner Konsens,28 weshalb im Rahmen dieser Arbeit auf diesen Terminus
verzichtet werden soll. Als Synonym für die subjektive Rechtsposition soll viel-
mehr die Terminologie des Substanzrechts herangezogen werden.29
b) Ist damit umzeichnet, was abstrakt-generell unter einer subjektiven Rechts-
position zu verstehen ist, stellt sich die Frage nach der konkreten Ausgestaltung
der jeweils geschützten Rechtspositionen. Dies erweist sich jedoch oftmals als
23
Dazu, dass die Rechtsordnung auch Rechte an den Rechtsgütern Körper und Gesund-
heit analog § 903 BGB zuweist, siehe Stoll, AcP 162 (1963), 203, 227; Bernhard, FS Picker,
S. 83, 102. Wird im Folgenden daher von Rechtsgütern gesprochen, meint dies zugleich die
Berechtigung am Gut.
24
Hoffmann, Zession, S. 39; siehe hierzu auch Malitzky, Begriff des subjektiven Rechts,
S. 20 ff.; Peukert, Güterzuordnung, S. 47.
25
Vgl. zu den verschiedenen Begriffen etwa Peukert, Güterzuordnung, S. 63.
26
Hoffmann, Zession, S. 36. Dabei ist jedoch die Relativität der beiden Figuren zu erwäh-
nen: „Substanzrechte“ und „Schutzrechte“ sind nicht ausschließlich der einen oder der an-
deren Kategorie zuzuweisen, in dem Sinne, dass diese nach ihrem naturgegebenen Wesen nur
eines von beidem sein könnten. Vielmehr sind sie beide rein funktional zu verstehen und
somit, je nachdem welche Aufgabe sie im konkreten Einzelfall erfüllen, entweder als „Sub-
stanz-“ oder als „Schutzrechte“ einzuordnen. Ein Anspruch wie z.B. § 823 Abs. 1 BGB ist
somit zum einen „Schutzrecht“, zum anderen ist er seinerseits wieder Grundlage für eine
verwertbare Rechtsposition in Form der Forderung. Vgl. hierzu ausführlich Picker, ZfPW
2015, 385, 403.
27
Vgl. etwa Funcke, actio quasinegatoria, S. 143; Peukert, Güterzuordnung, S. 56; Picker,
ZfPW 2015, 385, 402 f.; siehe auch Raiser, JZ 1961, 465, 466; v. Thon, Subjektives Recht,
S. 216 ff.
28
Vgl. zur Diversität und Schwierigkeit der Begriffsbestimmung ausführlich Ost, Zuord-
nung, S. 6 ff.; Malitzky, Begriff des subjektiven Rechts, S. 1 ff.
29
So auch Bader, Diskriminierungsschutz, S. 37; Bernhard, FS Picker, S. 83, 103 f.; Bruns,
FS Nipperdey, S. 3, 5 Fn. 14; Haller, Digitale Inhalte, S. 74; F. Hartmann, commodum, S. 22;
Hoffmann, Zession, S. 40; Jacobs, Feststellungsverfahren, S. 189; Katzenstein, Haftungsbe-
schränkungen, S. 142; Okuda, AcP 164 (1964), 536, 546; Picker, FS Lange, S. 625, 680; ders.,
FS Bydlinski, S. 275, 313; ders., FS Canaris II, S. 579, 608; ders., JZ 2010, 541 546; Prange,
Schutzpflichtverletzungen, S. 222; Wilhelm, Sachenrecht, Rn. 66a.
I. Die Zivilrechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung 23
schwierig, weil nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen ist, auf welche
Rechtsposition sich eine Schutznorm bezieht. Als Beispiel seien § 823 Abs. 2 und
§ 826 BGB angeführt: Jeweils handelt es sich zweifelsohne um Schutzrechte. Die
zugrundeliegenden Rechtspositionen bleiben bei der Lektüre der Normen jedoch
verborgen.
Da aber das Schutzrecht auf die Verletzung oder Bedrohung einer Rechts-
position reagiert, bleibt festzuhalten, dass in einem ersten Schritt die grundle-
gende Frage zu beantworten ist, mit welchem Inhalt und in welchem Umfang das
durch die Anspruchsgrundlage zu schützende Substanzrecht seinem Inhaber ex-
klusiv zugewiesen ist.30 Erst im Anschluss daran können die technischen Fragen
der Voraussetzungen eines Anspruchs geklärt werden. Insofern ist von einem
Vorrang des Substanzrechts gegenüber dem Schutzrecht auszugehen.31
Diese allgemeingefasste Aussage erlangt aktuell beim Anspruch auf Hinter-
bliebenengeld erhebliche Relevanz. Bevor nämlich die Klärung der technischen
und durchaus praktisch relevanten Belange dieses neuen Schutzrechts sinnvoll
erfolgen kann, muss zur Vermeidung von Widersprüchen in der Privatrechtsord-
nung eine dogmatisch zufriedenstellende Feststellung einer klar konturierten
Rechtsposition, die den Schutz empfangen soll, erfolgen.32 Erst dann kann er-
schlossen werden, wie sich der Anspruch auf Hinterbliebenengeld in die bisherige
Dogmatik und Systematik des Privatrechts einfügt.33 Dabei handelt es sich auch
nicht lediglich um ein akademisches Glasperlenspiel. Vielmehr hat die Frage
nach der eigenen Rechtsposition des Hinterbliebenen erhebliche Konsequenzen
für eine Reihe praktischer Fragen. Ist eine eigene Rechtsposition verletzt, kann
dies beispielsweise Auswirkung auf versicherungsrechtliche Fragen,34 An-
spruchskonkurrenzen35 oder je nach ihrem konkreten Inhalt auch auf die Vererb-
lichkeit der sich aus dem Anspruch ergebenden Forderung haben.36 Auch wird es
erst möglich, den Anspruch auf Hinterbliebenengeld in das bisherige System des
Schadensrechts einzugliedern,37 wenn Klarheit darüber besteht, wofür die Ent-
schädigung letztlich gewährt wird. Die Feststellung der Rechtsposition muss da-
her ein erstes Ziel dieser Untersuchung sein.
30
So auch Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 142; Picker, FS Canaris I, S. 1001,
1032; ders., FS Canaris II, S. 579, 581; ders., ZfPW 2015, 385, 402; vgl. auch Wilhem, Sa-
chenrecht, Rn. 66a ff., 237.
31
So auch Katzenstein, Haftungsbeschränkungen, S. 182; Picker, FS Lange, S. 625, 680 ff.;
Wollin, Störerhaftung, S. 32.
32
So lässt sich ohne Klarheit über die konkrete Rechtsposition des Hinterbliebenen bei-
spielsweise nicht schlüssig erklären, warum nicht auch andere Gefühlsschäden ersatzfähig
sein sollten, siehe hierzu unter: Kap. 2, B.IV. 1.
33
Zur Aufgabe der Praxis den Anspruch auf Hinterbliebenengeld in das bisherige System
einzuordnen etwa Ch. Huber, Hinterbliebenengeld, S. 29.
34
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.4.
35
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.1.
36
Siehe hierzu: Kap. 2, B.III.3.a); vgl. zu den Auswirkungen allgemein auch Köndgen,
Karlsruher Forum 2016, S. 89 f.
37
Siehe hierzu: Kap. 1, B.
24 A. Die Rechtsposition hinter dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld
38
Bereits Savigny zweifelte, ob das Rechtsverhältnis oder die Rechtsposition die Grund-
lage des Privatrechts darstellt, entschied sich jedoch für letzteres, vgl. dazu Coing, subjektives
Recht, S. 19, 22; vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung von Hoffmann, Zession,
S. 41 ff.; Schapp, Das subjektive Recht, S. 130; Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung,
S. 99.
39
Siehe hierzu und zum Folgenden Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 98 ff.,
der die Kritik am Ordnungsmodell als im Wesentlichen auf „zwei Säulen“ gestützt sieht.
40
Coing, FS Dölle, S. 25, 32; Raiser, Zukunft, S. 8 ff.; kritisch hierzu Lobinger, Rechts-
geschäftliche Verpflichtung, S. 98 ff.
41
Wohlgemerkt erfolgte diese Kritik bereits zu einer Zeit vor der Schuldrechtsreform
2002, in der die c.i.c. noch nicht im BGB geregelt war.
42
Coing, FS Dölle, S. 25, 30 ff.; Wiethölter, Rechtswissenschaft, S. 195 ff. Heute ließen sich
diese Beispiele wohl noch um den Anspruch auf Hinterbliebenengeld ergänzen, bei welchem
eine Rechtsposition des Hinterbliebenen auf den ersten Blick ebenso keine Rolle mehr zu
spielen scheint.
43
So Wiethölter, Rechtswissenschaft, S. 195, 200, der für diese „alte[n] Systemsäule[n]“ im
Vermögensrecht keinen Platz mehr sieht. Ähnlich auch Wieacker, Sozialmodell, S. 27.
Kritisch hierzu Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 99 mit Fn. 27.
44
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 98.
I. Die Zivilrechtsordnung als Rechtszuweisungsordnung 25
45
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 99.
46
Vgl. zu diesem Zweck der Rechtsordnung Picker, AcP 183 (1983), 369, 472 f.; dens., FS
Canaris I, S. 1001, 1034 f.
47
Vgl. Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 98 f., der den Versuch einer dog-
matischen Einordnung der juristischen Figuren noch bei weitem nicht als beendet erachtet
und daher von einer Aufgabe des überkommenen Systems zur „Unzeit“ spricht.
48
Raiser, JZ 1961, 465, 465; Wieacker, Sozialmodell, S. 6 ff., 16, 25; vgl. auch Coing, FS
Dölle, S. 25, 28 f., der eine enge Verbindung des Privatrechtssystems mit der Philosophie und
dem Gesellschaftsmodell der Aufklärung annimmt; siehe hierzu auch die Ausführungen bei
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 99 f.
49
Wieacker, Sozialmodell, S. 6, 16; siehe hierzu ausführlich Repgen, soziale Aufgabe,
S. 24 ff.
26 A. Die Rechtsposition hinter dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld
50
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 100.
51
So etwa Wieacker, Sozialmodell, S. 10 f., 25 ff.
52
Wieacker, Sozialmodell, S. 25.
53
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 100 f.
54
Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung, S. 104 f.
55
Vgl. Bernhard, FS Picker, S. 83, 111, der in der Ermittlung des Inhalts subjektver Rechte,
der „immer auch einem kulturellen Wandel unterworfen [sei]“, die „ureigenste Aufgabe“ der
Rechtswissenschaft erblickt.
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häpeä oli se, että tiesin jo edeltäpäin, etten anna! Olet oikeassa,
Aljoša! Kiitos, Aljoša!»
Alkoi Katerina Ivanovnan kuulustelu. Heti kun hän tuli esille, kävi
salin läpi tavaton humahdus. Naiset tarttuivat lornjetteihinsa ja
kiikareihinsa, miehet liikahtelivat, jotkut nousivat paikaltaan
nähdäkseen paremmin. Kaikki vakuuttivat myöhemmin, että Mitja
kalpeni äkkiä »valkeaksi kuin liina», kun Katerina Ivanovna astui
sisälle. Tämä oli kokonaan mustiin puettu ja lähestyi
vaatimattomasti, miltei arasti hänelle osoitettua paikkaa. Hänen
kasvoistaan ei voinut huomata hänen olevan liikutetun, mutta
päättäväisyys loisti hänen tummista, synkistä silmistään. On
huomattava, että monet vakuuttivat myöhemmin hänen olleen
hämmästyttävän kauniin sillä hetkellä. Hän alkoi puhua hiljaa, mutta
niin selvästi, että se kuului joka paikkaan salissa. Hänen puheensa
oli tavattoman rauhallista, taikka ainakin hän ponnisteli ollakseen
rauhallinen. Puheenjohtaja alkoi kysellä varovasti, tavattoman
kunnioittavasti, aivan kuin peläten koskettamista »eräisiin kieliin» ja
kunnioittaen suurta onnettomuutta. Mutta Katerina Ivanovna selitti
itse lujasti heti alussa, vastatessaan erääseen kysymykseen, että
hän oli ollut syytetyn kihlattu morsian »siihen saakka kuin hän itse
jätti minut»… — lisäsi hän hiljaa. Kun häneltä kysyttiin noista
kolmestatuhannesta, jotka oli annettu Mitjan lähetettäviksi postissa
hänen sukulaisilleen, niin hän lausui varmasti: »Minä en antanut niitä
suorastaan postiin vietäviksi: Aavistin silloin hänen olevan kovassa
rahantarpeessa… sillä hetkellä… Minä annoin hänelle nuo
kolmetuhatta, sillä ehdolla, että hän lähettäisi ne, jos tahtoo,
kuukauden kuluessa. Suotta hän myöhemmin kiusasi itseään tuolla
velalla…»
Minä joudun nyt aivan lähelle sitä katastrofia, joka syntyi yhtäkkiä
ja kenties todellakin oli Mitjan turmion tuottaja. Sillä minä olen
vakuutettu siitä, ja kaikki lakimiehetkin sanoivat myöhemmin samaa,
että jos tätä episodia ei olisi ollut, niin rikolliselle olisi edes osoitettu
suopeutta. Mutta tästä kerron heti. Ensin vain pari sanaa
Grušenjkasta.
5.
Äkkiarvaamaton katastrofi
— Kuka on todistajanne?