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Die Kräfte des alten Regimes

Die Kooperation der German University in Cairo mit dem alten Regime

KAIRO/STUTTGART/ULM
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58037 - Heftige Proteste gegen das Verbot, eine
Gewerkschaft zu gründen, werden an der German University in Cairo laut. Wie Studierende der
Hochschule mitteilen, die als erste und bisher größte deutsche Universitätskooperation im Ausland
einige Bedeutung für die deutsche Außenpolitik besitzt, wollen sie seit Jahren für ihren Einsatz für
bessere Studienbedingungen eine Studierendengewerkschaft aufbauen. Dies habe die Leitung der
Hochschule unterbunden, um oppositionellen Regungen gegen das Mubarak-Regime keinen Raum
zu bieten. Noch in diesem März habe sie gegen studentische Proteste auf dem Campus das Militär
zu Hilfe gerufen. An der Hochschule, die als deutsche Alternative zur traditionsreichen American
University in Cairo gehandelt wird, haben staatliche deutsche Stellen und deutsche Wissenschaftler
erheblichen Einfluss. Die Universität Stuttgart, eine der zwei deutschen Patenhochschulen, schreibt
ihr "Vorbildcharakter" für den deutschen "Bildungsexport" zu. Sie verlieh der Gattin des gestürzten
ägyptischen Staatspräsidenten wegen ihrer Unterstützung für die Gründung der German University
in Cairo vor Jahren ihre "Ehrenbürgerwürde". Vorgänge wie derjenige an der German University
zeigen, wie sich Kräfte des alten Regimes bis heute zu behaupten suchen - mit deutscher Billigung.

Regimekonform
Die Proteste an der German University in Cairo, die letzte Woche eskalierten, waren das Resultat
bereits lange andauernder Auseinandersetzungen, die sich an miserablen Studienbedingungen
entzündet hatten. Schon seit Jahren hatten Studierende nicht nur eine schlechte Ausstattung der
Hochschule und Mängel beim Lehrpersonal beklagt, sondern sich auch über völlig willkürliche
Erhöhungen der Studien- und Prüfungsgebühren beschwert. Studiengebühren müssten selbst dann
bezahlt werden, wenn man einen Studienaufenthalt in Deutschland absolviere; Willkür herrsche
auch bei der Anerkennung von Studienleistungen und Attesten.[1] Seit Jahren habe man daher die
Gründung einer Studierendengewerkschaft in die Wege leiten wollen, was die Hochschulleitung
allerdings unterbunden habe: Die German University solle nicht wegen eventueller politischer
Aktivitäten ihrer Studierenden mit Mubaraks Repressionsapparaten in Konflikt geraten, habe es
stets beim Rektorat geheißen.

Qualitätssicherung
Die Vorwürfe gegen die Hochschulleitung treffen auch deutsche Stellen und deutsches Personal.
Die German University in Cairo wurde im Jahr 2003 in Anwesenheit von Bundeskanzler Gerhard
Schröder und Staatspräsident Hosni Mubarak eröffnet. Als erste und - mit gegenwärtig rund 8.400
Studierenden - bisher größte deutsche Universitätskooperation im Ausland hat sie für die Berliner
Außenpolitik eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Sie ist mit Unterstützung des Deutschen
Akademischen Austausch Dienstes (DAAD) aufgebaut worden; bei ihrer Eröffnung hieß es, man
werde mindestens vier Jahre eine "Qualitätssicherung" betreiben, "bei der weiterhin das deutsche
Engagement gefordert ist".[2] Die Patenrolle hatten dabei die Universitäten aus Ulm und Stuttgart
übernommen.[3] Dem Board of Trustees der German University Cairo gehören neben dem
deutschen Botschafter in Kairo der Wissenschaftsminister des Bundeslandes Baden-Württemberg,
der Präsident des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, die Rektoren der beiden
Patenuniversitäten sowie weitere Persönlichkeiten aus Deutschland an. Dennoch wurden weder die
Studienbedingungen verbessert noch das Gewerkschaftsverbot aufgehoben. Ganz im Gegenteil - es
gab stets engste Kontakte zum Mubarak-Regime.
Große Ehrenmedaille
Mittelsperson war dabei die Gattin des kürzlich gestürzten Staatspräsidenten, Suzanne Mubarak.
Wegen ihrer "Verdienste bei der Einrichtung der Deutschen Universität in Kairo" hatte sie bereits
im Sommer 2004 die "Ehrenbürgerwürde" der Patenuniversität Stuttgart erhalten, eine nur höchst
selten vergebene Auszeichnung.[4] Frau Mubarak ist von deutschen Hochschulen - insbesondere
von solchen, die Kooperationen mit ägyptischen Instituten anstrebten - mehrfach geehrt worden.
Bereits im Februar 2003 hatte sie die Ehrenmedaille der Freien Universität Berlin erhalten; in den
nächsten Jahren folgten außer der "Ehrenbürgerwürde" der Universität Stuttgart eine Medaille der
Universität Frankfurt am Main im Jahr 2004 und 2010 die Große Ehrenmedaille der Technischen
Universität Berlin - letztere für Vermittlungstätigkeiten bei der Gründung des Campus El Gouna,
eines "Satellitencampus" der Technischen Universität in Ägypten, der inhaltlich wie strukturell
ausschließlich deutscher Hochschulgesetzgebung unterliegt. Selbstverständlich erhielt Suzanne
Mubarak auch die Ehrenmedaille Erster Klasse der German University in Cairo - für ihre
unermüdliche Unterstützung dieser deutsch-ägyptischen Institution.

Militär gegen Studierende


Die Nähe der langjährigen ägyptischen First Lady zur deutschen Wissenschaft, insbesondere auch
zur Stuttgarter Patenuniversität der German University in Cairo, lässt die jüngste Entwicklung dort
etwas verständlicher erscheinen. Ende Februar gingen die Studierenden der Hochschule mit ihrem
Bestreben, eine Gewerkschaft zu gründen, in die Offensive; sie starteten nun, angespornt durch die
Demokratiebewegung, offene Proteste.[5] Als die Hochschulleitung mit ihrem Versuch scheiterte,
die Proteste durch schlichtes Aussitzen zu beenden, holte sie am 10. März schließlich die Armee
gegen ihre eigenen Studierenden zu Hilfe.[6] Diese jedoch setzten ihren Widerstand fort, bis nach
einer erneut gescheiterten Verhandlungsrunde schließlich rund 30 von ihnen von der Hochschule
verwiesen und faktisch ausgesperrt wurden. Die Repression der Hochschulleitung ließ die Proteste
eskalieren; vergangene Woche beteiligten sich gut 500 Studierende an ihnen. Schließlich sagte die
Hochschulleitung Mitte der Woche zu, Wahlen zu einer Studierendengewerkschaft zuzulassen. Ob
sie die Zusage einhalten wird, kann angesichts ihres bisherigen Vorgehens bezweifelt werden.

Nachrangig
Die Auseinandersetzungen an der German University in Cairo zeigen exemplarisch, wie die Kräfte
des alten Regimes sich bis heute zu behaupten suchen. Während das Militärregime in Kairo derzeit
dabei ist, einen Erlass zur künftigen Bestrafung von Demonstranten in Geltung zu bringen [7], hält
die German University ihre Studierenden von politischer Organisierung ab. Der Gründer und Leiter
der Hochschule, die bis heute Amin Mubarak, einen Cousin des gestürzten Staatspräsidenten, unter
den Mitgliedern ihres Board of Trustees nennt [8], ist nicht nur einstiger Stipendiat des DAAD und
Vorstand der von ihm gegründeten ägyptischen DAAD Alumni Association, sondern auch Träger
des Verdienstkreuzes erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Seine
Hochschule hat Anfang Februar ein Büro am Berliner Gendarmenmarkt unweit des Auswärtigen
Amts eröffnet, um, wie das deutsche Außenministerium mitteilt, "weitere Austauschprogramme
zwischen deutschen Hochschulen und der German University in Cairo (zu) initiieren und (zu)
begleiten". "Gerade in Zeiten des demokratischen Aufbruchs in der Arabischen Welt", verkündet
das Auswärtige Amt, setze Deutschland "seine Kooperation mit den Bildungseliten fort".[9] Wie das
Recht zu demokratischer Organisierung gehandhabt wird, ist dabei nur von nachgeordneter
Bedeutung.
[1] German University students resume their protests in Cairo; english.ahram.org.eg 23.03.2011
[2] GUC-Geschichte; www.guc.uni-stuttgart.de
[3] s. dazu Eliten nach deutschem Modell
[4] Die Universität Stuttgart verleiht die Ehrenbürgerwürde an Suzanne Mubarak und Manfred
Rommel; Pressemitteilung der Universität Stuttgart vom 5. August 2004
[5], [6] German University students resume their protests in Cairo; english.ahram.org.eg 23.03.2011
[7] Ernüchterung in Ägypten; www.nzz.de 26.03.2011
[8] Board of Trustees; www.guc.edu.eg
[9] German University in Cairo eröffnet Berlin-Büro; Pressemitteilung des Auswärtigen Amts
08.02.2011

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