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Manches scheint zu unglaublich, um wahr sein zu können, aber es ist den-

noch wahr: Wir leben in einer Zeit, in der inzwischen nicht nur Wörter und
Gedanken, sondern sogar die Bausteine des Lebens selber in den absoluten
Privatbesitz von Weltkonzernen übergehen. Ohne Patente, so hören wir,
Stefan Thiesen
könne es keinen Fortschritt geben. Ohne Gentechnik, so sagt man uns, sei die
Medizin der Zukunft undenkbar und die Ernährung der Weltbevölkerung

Genterror
nicht zu sichern. Aber was ist dran an solch vollmundigen Behauptungen?

Stefan Thiesen
Dieses Brainstorming führt an die schattenhaften Orte, an denen sich Lüge
und Wahrheit begegnen. Die Biotechnologie Branche ist offenbar ein noch
größerer Sumpf aus Korruption und Profitgier, Lobby Machenschaften und
Verantwortungslosigkeit, als wir es ohnehin bereits von den Großkonzernen
dieser Welt gewöhnt sind. Da wird im Namen des Shareholder Value die
und
Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt - immer vorausgesetzt, eine
spätere Haftung ist vertraglich ausgeschlossen. Die versehentliche Entste-
hung von tödlichen Killerviren wird ebenso in Kauf genommen, wie die
Lebenspatente
langfristig völlig unabsehbaren Auswirkungen der Freisetzung veränderter
Organismen. Ein Brainstorming

Genterror und Lebenspatente


Unser Verständnis der größeren ökologischen Zusammenhänge auf moleku-
larer Ebene ist dermaßen unzureichend, daß wir vermutlich entstandene
Schäden zunächst lange Zeit gar nicht bemerken würden - bis es irgendwann
zu den im Umweltschutz hinlänglich bekannten bösen Überraschungen
kommt - und sie werden kommen, ja einige sind bereits eingetreten und
werden mit aller Macht vertuscht oder von den Marketingabteilungen der
Konzerne systematisch heruntergespielt.

Wir werden die Biotechnologie wohl kaum wieder loswerden - und vermut-
lich wäre das nicht einmal wünschenswert. Die wirklichen Gefahren beste-
hen in überstürztem Handeln und darin, daß die Kontrolle völlig undurch-
sichtigen und höchst undemokratischen global agierenden Unternehmen
überlassen bleibt, die einzig und allein eigene Interessen verfolgen.

Es gibt nichts persönlicheres als unsere Erbanlagen - und die Konzerne


greifen danach...

Der Grüne Zweig 230


ISBN 3-925817-01-8 Moderne ReEducation 5 Euro
Stefan Thiesen

Genterror
und
Lebenspatente

ein Brainstorming

Werner Pieper & The Grüne Kraft

Der Grüne Zweig 230

1
(c) Stefan Thiesen 2003:
Genterror und Lebenspatente - Ein Brainstorming
Der Grüne Zweig 230

Satz & Gestaltung: Der Autor


Korrekturen: Daniel Kulla

Verlegt durch:
Werner Pieper & The Grüne Kraft
Alte Schmiede, D-69488 Löhrbach
email: versand@gruenekraft.com
www.gruenekraft.net
Fax: 06201 22585

ISBN 3-925817-01-8

Danksagung:

An diesem Brainstorming waren eine Reihe von teils hochmotivierten und überaus
kompetenten Leuten direkt oder indirekt beteiligt. Allen voran geht mein Dank an den
Gentechnik Experten Martin Sundermann von Greenpeace Dortmund, der mich re-
gelmäßig per Email oder bei Treffen mit aktuellen Informationen, Artikeln, Hinwei-
sen und Einschätzungen versorgte, und auch an Dr. Sabine Voigt, agrarpolitische Re-
ferentin der PDS im Bundestag, die mich geradezu überschüttet hat mit Material.
Ebenfalls möchte ich der Diplom Biologin Pia Geimer danken, die mit Begeisterung
zur Verfügung stand, als ich mich mal in den Wirren der Molekularbiologie verfangen
hatte. Hilfreich war auch das Material der Unabhängigen Wählergemeinschaft Selm
(UWG-Selm) zum örtlichen Monsanto Genmais Freisetzungsversuch (mehr dazu un-
ter: www.mindquest.de/genselm). Hier vor allem Dank an Maria Lipke und Dr. Betti-
na Faust. Leider war es unmöglich, die wahrlich etlichen tausend Seiten Material alle
zu verwerten. Die getroffene Auswahl ist subjektiv, aber die Erkenntnisse sind in mei-
nen Augen erschreckend genug. Dank auch an meine Frau Yvette, die mit ansehen
mußte, wie ich zeitweise völlig vom Klima- zum Gentechnik Aktivisten mutierte.
But: everything is schließlich connected. Auch Daniel Kulla gebürt Dank für die ab-
schließende Durchsicht und kompetente Korrektur des Manuskriptes. Ein ganz gro-
ßer Dank gilt ebenfalls den unzähligen Autoren, Aktivisten, mutigen Wissenschaft-
lern und Betreibern von Internetseiten rund um den Globus. Mehr Infos dazu unter
www.genterror.mindquest.de.

Selm, im Frühjahr 2002

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Inhalt

Gentechnik Brainstorm 1: Die Moleküle und Wir ............................................... 5


Körperchemie ........................................................................................................... 7
Biohacker und Cyberpunks .................................................................................. 10
Gentech Brainstorm 2: Kontext und Komplexität ............................................. 11
Illusion von Harmlosigkeit .................................................................................... 15
Kannibalische Schafe und tödliche Proteine ....................................................... 18
Biohacker, Fakten und Ausreden ......................................................................... 20
Gene geschüttelt und gerührt: All things are connected! .................................. 23
Kategorische Vorsorge .......................................................................................... 25
Nahrung, die krank macht .................................................................................... 26
Pflanzengene und Schmetterlinge ........................................................................ 27
Künstliche Giftpflanzen ........................................................................................ 28
Von Menschenbäumen, Viren und Pilzpatenten ................................................. 29
Von glücklichen Kühen und unsinkbaren Schiffen ............................................ 32
Der Mensch in der Werkstatt ............................................................................... 35
Kuß der Mutanten ................................................................................................. 38
Gen-Ideologie ......................................................................................................... 38
Die dunkelste Seite ................................................................................................. 40
Faule Kompromisse? ............................................................................................. 40
Von Verwandten und Kannibalen ........................................................................ 41
Die Privatisierung des Lebendigen ...................................................................... 43
Technokraten und Mystiker ................................................................................. 45
Trojanische Gene und tödliche Einfälle ............................................................... 48
Einige Begriffe zum Thema Gentechnik ............................................................. 53
Einige Quellen und weiterführende Literatur .................................................... 60
Anschriften gentechnikkritischer Organisationen ............................................. 62

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„(...)Even if we manage to
avoid killing ourselves in a
war, or poisoning ourselves
with pollution, there will still
be great dangers for the hu-
man race. The development of
genetic engineering can bring
great benefits, but also opens
the doors to frightening
possibilities. (...)“
Steven Hawking, „Science for the
Earth“, 1995

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Gentechnik Brainstorm 1: Die Moleküle und Wir

Im Jahre 2001 verkündete von seinem professoralen Rollstuhl aus der wohl bekannte-
ste lebende Naturwissenschaftler einer Welt, die es nicht hören wollte, er schätze die
verbleibende Restzeit der Menschheit auf diesem Planeten auf ca. 1000 Jahre. Die
Ursache für den angeblich unvermeidbaren Untergang unserer Spezies: Vor allem
irreversible Veränderungen der Biosphäre, u.a. durch biotechnologische Eingriffe des
Menschen.

Biotechnologie, Gentechnik, Frankenfood, transgene Pflanzen und Tiere, verbrauchen-


de Embryonalforschung, embryonale Stammzellen, Genpatente, rekombinierte DNA
Technologie - die galoppierende Verdinglichung alles Lebendigen ist in vollem Gan-
ge. „Leben ist Chemie“ sagte der ansonsten sehr erleuchtete Nobelpreisträger Christi-
an deDuve vor einigen Jahren zu mir. Aber ist es deswegen weniger magisch? Gibt
uns die Tatsache, daß wir das Phänomen - das Wunder - Leben mit den Mitteln einer
bestimmten Wissenschaft beschreiben können irgendwelche Rechte - verringert sie
unsere ethischen Pflichten? Ist ein Schmerz etwa weniger schmerzhaft, wenn ich weiß,
es handelt sich in letzter Konsequenz lediglich um das Resultat eines biochemischen
Prozesses? Und verstehen wir durch unsere Einsichten in die Biochemie gar die end-
los komplexen Zusammenhänge des Ökosystems Erde?

Wer sagt uns letztlich, wie wir die aus den Laborflaschen der Biowissenschaftler
entfleuchten Geister einordnen sollen, wie wir mit ihnen umgehen sollen oder wie wir
sie im Zweifelsfalle wieder in die Flasche stecken können? Ich selber bin zwar Natur-
wissenschaftler, aber zugleich kein Experte für Biotechnologie. Diese etwas chaoti-
sche Schrift ist entsprechend der Versuch, meinen unsystematischen Hirnsturm auf
der mehrjährigen Suche nach Antworten nachzuzeichnen. Worum geht es? Was sind
die möglichen Gefahren, Auswirkungen und was die richtigen Entscheidungen für die
Zukunft?

Die Grundbegriffe der Biotechnologie bzw. der ihr zugrundeliegenden Molekularge-


netik werden schon seit langem in jeder Schule gelehrt. So mancher kann nach dem
Schulabschluß ein Leben lang stolz das Wort „Desoxyribonucleinsäure“ aufsagen (kurz
DNS - oder heute, angelehnt an den englischen Sprachgebrauch, DNA). Der ein oder
andere weiß auch, daß das ein Molekül ist, angeordnet in einer strickleiterartigen dop-
pelten Helixstruktur. Und irgend etwas hat es zu tun mit Genen, mit Erbmaterial und
mit Chromosomen. Der Bildungsbürger kann sich dann eventuell noch an die
nobelbepreisten Entdecker der Doppelhelix - Watson und Crick - erinnern. Leben ist
also ein chemischer Prozeß, und Gentechnik handhabt irgendwie die zugrundeliegen-
den Prozesse. Aber an dieser Stelle beginnt auch langsam der Graubereich des Allge-
meinwissens. Was genau tut denn diese DNS? Was genau ist ein Gen, ein Chromo-
som?

Klassische Genetik ist zunächst einmal die allgemeine Vererbungslehre, die mit der
modernen Molekularbiologie noch nichts weiter zu tun hat. Es geht lediglich darum,
die Vererbung von Eigenschaften zu beobachten und anhand dieser Beobachtungen

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Gesetzmäßigkeiten festzustellen, wie es bereits der Mönch Gregor Mendel zu Anfang
des neunzehnten Jahrhunderts bei seinen Kreuzungsversuchen mit Erbsen so erfolg-
reich tat. Die Frage, die es zu beantworten galt, war: Unter welchen Umständen hat
bei welcher Kreuzungskombination der neue Organismus mit welcher Wahrschein-
lichkeit welche Eigenschaften?
Das Wort Gen bezeichnet dabei den noch immer recht schwammig definierten
Träger einer phänotypisch (also im fertigen Organismus ausgeprägten) Eigenschaft
eines Lebewesens, wie etwa der Haarfarbe. Im Falle der mendelschen Versuche war
es die Fruchtfarbe der Erbsen. Nach alter Vorstellung stand dann eben ein Gen für die
Farbe „grün“ oder „gelb“, und tatsächlich gehorchte die Vererbung offenbar den Ge-
setzen der mathematischen Kombinatorik.
Die moderne biochemische Definition eines Gens ist, daß es sich um einen
bestimmten Abschnitt des DNA Kettenmoleküles handelt, der jeweils ein bestimmtes
Protein kodiert. Denn das ist es, was Gene sozusagen hauptberuflich tun: Proteine
kodieren.

Proteine sind neben der DNA die zweite Hauptkomponente des Lebens - gewisserma-
ßen sind sie zur Software DNA die nötige Hardware. Dabei sind Proteine weitaus
mehr, als der umgangssprachliche Gebrauch des Wortes vermuten läßt.
Was sind Proteine? Nun - in bezug auf Leben kann man sagen, Proteine sind
alles: Wir alle sind Proteine. Proteine stellen sämtliche Strukturen eines Organismus
zur Verfügung. Eine unverzichtbare Klasse von Proteinen mit einer Unzahl lebens-
wichtiger Aufgaben sind die Enzyme. Sie sind entscheidend beteiligt bei der
Zellreplikation, bei der Abwehr von Krankheiten, an Verdauungsprozessen und vie-
lem mehr. Die Antikörper unseres Immunsystems bestehen ebenfalls aus Proteinen,
und dasselbe gilt auch für Hormone und andere Botenstoffe, die ebenfalls absolut
essentiell sind für die ordnungsmäßige Funktion eines Organismus, ganz gleich, ob es
sich um Tiere (inklusive des Tieres Mensch), Pflanzen oder Mikroorganismen wie
Bakterien und Pilze handelt.

Einige bekanntere Strukturproteine sind z.B. Collagen, Keratin, Fibrin und Elastin.
Zu den typischen funktionellen Proteinen gehören unter anderem Hämoglobin, Anti-
körper, Enzyme und die bereits erwähnten Hormone. Aber auch einige der stärksten
in der Natur vorkommenden organischen Gifte sind Proteine.
Die DNA kodiert Proteine, und Proteine wirken wiederum zurück auf die DNA.
Es handelt sich dabei um ein wundersames dynamisches System von unfaßbarer Kom-
plexität. Wie komplex es ist, wird einem vielleicht klar, wenn man sich die
Größenordungen vor Augen führt: Ein Säugetier wie der Mensch enthält rund dreißig-
tausend verschiedene Proteine, und in einer einzigen Zelle kommen ca. dreitausend
unterschiedliche Enzyme vor - jedes einzelne davon mit einer für den einwandfreien
Ablauf des Zellmetabolismus unverzichtbaren Aufgabe. Einwandfreier Ablauf aber
bedeutet hier nichts anderes als Gesundheit.

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Körperchemie

In einem modernen molekularbiologischen Labor geht es auf den ersten Blick zu, wie
in einer durchmechanisierten Chemieküche. Man kann schnell den Eindruck gewin-
nen, Leben sei tatsächlich nichts als Chemie und Physik. Die DNA ist nur ein Molekül
- die Basen Adenin, Guanin, Thymin und Cytosin wie Leitersprossen eingefügt und
mit Wasserstoffbrücken zwischen Zucker und Phosphaten stabilisiert, die die Leiter
zusammenhalten. Eine endlos lange spiralige Strickleiter aus Molekülen, in denen die
Anordnung der Basen die biologische Information definiert, auf deren Grundlage letzt-
lich Mensch, Maus und Amöbe entstehen. Diese Anordnungen werden in der durch
die Medien bekannten Form endlos langer Buchstabenreihen wie dem zum Filmtitel
avancierten GATTACA dargestellt (siehe Glossar). GATTACA wäre hier ein Genab-
schnitt mit der Basenabfolge „Gunanin-Adenin-Thymin-Thymin-Adenin...“ und so
fort. Dabei liegt jeder Base immer eine bestimmte Base auf der jeweils anderen Helix
Seite gegenüber. Also Thymin liegt immer Adenin und Cytosin liegt immer Guanin
gegenüber. Auf diese Art kann das Erbmolekül in der Mitte getrennt werden, und
beide Hälften genügen, um eine vollständige, identische Kopie herzustellen.
Die vorherige Definition dessen, was ein Gen ist, läßt sich noch weiter präzi-
sieren. Gene kodieren Proteine, und Proteine bestehen aus Aminosäuren. Aminosäu-
ren sind die einfachsten Bausteine des Lebens und wurden sogar im Weltraum auf
Staubteilchen und in Meteoriten nachgewiesen. In der Zelle kodieren nun mindestens
drei aufeinanderfolgende Basenpaare (man spricht auch von Nukleotiden) jeweils eine
Aminosäure, und es gibt 20 Aminosäuren. Gene sind somit Abfolgen von Basentriplets
unterschiedlicher Länge innerhalb der langen DNA Kette. Sie enthalten die Informa-
tionen, die für die Erzeugung der zur Synthese von Proteinen benötigten Bauteile -
eben der Aminosäuren - notwendig sind.
Um die langen Fäden besser verpacken zu können, hat sie die Natur praktisch
auf eine Art Spindel aufgewickelt - nicht unähnlich den Spindeln, von denen Kinder
die Schnüre ihrer Windvögel abrollen. Diese Spindeln sind aber nichts anderes, als
die Chromosomen.

Es scheint alles recht logisch zu sein, und die Idee ist naheliegend, daß man die Eigen-
schaften eines Organismus durch schlichtes Hinzufügen oder Entfernen eines oder
mehrerer Gene steuern kann. Schließlich sind Gene nichts als Gruppen von Molekü-
len, und Moleküle kann man mit chemischen Methoden in den Griff bekommen. Oder
etwa nicht?
Tatsächlich sind auch die ersten Schritte zur gentechnischen Manipulation des
Lebens verblüffend einfach. Mit einfachsten chemischen Methoden, die jedes begab-
tere Kind mit einem Chemiebaukasten nachvollziehen kann, läßt sich bereits DNA
aus Zellen extrahieren. Kopien (Klone) kleinster Mengen von Erbanlagen können seit
Anfang der neunziger Jahre bereits vollautomatisch mit PCR-Maschinen hergestellt
werden, deren Funktionsprinzip auf der ebenfalls erstaunlich einfachen „Polymerase
Chain Reaction“ beruhen, die ihrem Entdecker Professor K. Mullis neben dem No-
belpreis noch ein finanziell recht sorgenfreies Leben bescherte. Polymerase ist ein
Enzym, das als Katalysator für den Aufbau der DNA aus ihren Bestandteilen dient.
Alles geht so verflixt leicht, daß man sich unweigerlich fragt, was denn wohl so schlimm

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an alledem sein könnte. Als Beispiel nehme ich hier einmal einen Vorgang, der seit
einer ganzen Weile bereits zur Routine in der Pflanzenzucht gehört. Zuvor ist es inter-
essant zu wissen, daß Klonierung im Pflanzenreich ein ziemlich natürlicher Vorgang
ist. Ein Steckling etwa ist bereits ein Pflanzenklon, und selbst aus einzelnen Zellen
einer erwachsenen Pflanze lassen sich mit wenig Aufwand neue erwachsene Pflanzen
klonen.
Beispiel: Die Erzeugung einer transgenen Pflanze, welche resistent ist gegen
Pflanzenvernichtungsmittel. Die Vorgehensweise ist verblüffend einfach. Man kulti-
viert unter Laborbedingungen Salmonellen in Gegenwart des fraglichen Pflanzengif-
tes, wobei die Mehrzahl der Bakterien abstirbt. Einige jedoch werden gemäß den
Gesetzen der Evolution resistent gegen das Gift sein und sich in der künstlichen ver-
seuchten Umgebung weiter vermehren. Nun muß man im Prinzip lediglich noch her-
ausfinden, welches Gen im Erbgut des Bakteriums für die Resistenz verantwortlich
ist. Man schnippselt es dann heraus und fügt es irgendwie in das Genom der Pflanze
ein. Dieses „irgendwie“ geschieht mit Hilfe von Genfähren oder Vektoren, welche die
gewünschten Gene in die Pflanzenzellen transportieren. Dabei handelt es sich um
nichts anderes als bestimmte Bakterien und Viren, welche in der Natur routinemäßig
Gene mit Wirtszellen austauschen. Tatsächlich ist also eine Genmanipulation genau
genommen eine Art Infektion.
Eine typische Genfähre ist das Agrobakterium tumefaciens, das normalerwei-
se reichlich unerwünscht ist, weil es Tumore an den Wurzeln von Nutzpflanzen her-
vorruft. Für die gentechnische Anwendung wird kurzerhand das tumorverursachende
Gen entfernt und gegen das Gen, welches die Giftresistenz trägt, ausgetauscht. Infi-
ziert nun das Bakterium eine Pflanze, so überträgt sie anstelle des Tumorgenes das
Resistenzgen. Wird das Gen an der richtigen Stelle des Pflanzengenoms eingefügt
(was schwer kontrollierbar ist), produziert die Pflanze nun ein bakterielles Enzym
anstelle ihres urprünglichen eigenen Enzymes, dessen Produktion durch den Eingriff
des Giftes gestoppt würde (die Beeinflussung eines einzigen Enzyms kann also zum
Tod eines Organismus führen!).
Die Pflanze widersteht theoretisch fortan dem Angriff des Giftes, während um
sie herum alle übrigen Pflanzen vernichtet werden. Im Grunde ist dies eine künstlich
durchgeführte Mutation, und die Befürworter der Gentechnik werden nicht müde zu
erklären, dies sei doch ein Vorgang, der in der Natur ständig vorkommt.

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Auf die Position kommt es an

Die rein mechanische Sicht der Dinge stößt allerdings schnell auf Probleme, denn
dummerweise ist beispielsweise eine Eigenschaft oft durch mehr als ein Gen defi-
niert. Obendrein hat ein und dasselbe Gen häufig wiederum mehr als nur eine Funkti-
on (man spricht von Pleiotropie oder Polyphänie). Um die Sache noch komplizierter
zu machen: Die Funktionen eines Gens hängen von der Position innerhalb des Ge-
noms ab. Wo sich ein Gen befindet (auf welchem Chromosom oder an welcher Stelle
innerhalb einer DNA Kette) kann beeinflussen, ob und wie es sich wiederum auf die
Funktionen anderer Gene auswirkt: Gene können ab- und angeschaltet werden, und
obwohl es sich dabei nicht um eine Mutation im eigentlichen Sinne handelt, können
diese Schalterstellungen an die nächste Generation weitervererbt werden. Diese epi-
genetische Vererbung ist derzeit noch kaum verstanden. Tatsächlich gilt dies für
die Mehrzahl der DNA-Funktionen und auch die Protein Biochemie. Wenn wir uns
unsere Kenntnisse über das menschliche Genom ansehen wird schnell klar, wie wenig
wir wissen. Zwar ist das menschliche Genom komplett sequenziert, aber das ist so, als
hätten wir ein Buch in der Sprache eines lange verlorenen Volkes gefunden, ohne den
Übersetzungsschlüssel zu kennen. Im Grunde lernt man durch Probieren - trial and
error. Man probiert an Labortieren herum, erzeugt transgene Organismen, schaltet
hier ein Gen ab oder an und guckt, was passiert. Und was da passiert, ist bisweilen
erschreckend, wie wir spätestens seit dem unerwarteten Tod der Laborratten des be-
kannten Wissenschaftlers Arpad Pusztai wissen. Die Ratten starben, nachdem sie mit
gentechnisch veränderten Kartoffeln gefüttert worden waren. Der 68-jährige und zwei-
fellos sehr erfahrene Dr. Pusztai aber wurde der Fälschung bezichtigt, von seinen
Pflichten entbunden und sein Ruf systematisch demontiert.

Etwa 70 Prozent des menschlichen Genoms scheinen zudem gar keine Funktion zu
haben, und die Meinungen über die Bedeutung dieser sogenannten „Junk DNA“ ge-
hen auseinander. Die einen sind der Ansicht, es handele sich um Evolutionsmüll, der
im Laufe der Zeit überflüssig geworden ist. Andere - wie etwa der Nobelpreisträger
Manfred Eigen - sind der Ansicht, diese Bestandteile hätten essentielle Funktionen,
die wir schlicht noch nicht kennen. Der britische Evolutionsbiologe Richard Dawkins
geht sogar davon aus, es handele sich um quasi parasitäre DNA, die sozusagen Huk-
kepack im Genom anderer Organismen durch die Jahrmillionen der Evolution reist.
Es gibt keinen Rosettastein der Molekularbiologie, der uns die Übersetzung
der genetischen Hieroglyphen erleichtert. Die Gefahr ist immer gegeben, daß irgend
etwas falsch verstanden wird, und bisher ist nur ein winziger Bruchteil der Wörter im
Buch des Lebens entziffert. Eine winzige Veränderung in der strukturellen Eigen-
schaft eines hochkomplexen Proteins kann es von einem lebensnotwendigen Bestandteil
eines Organismus in ein tödliches Gift verwandeln. BSE ist dafür das bekannteste
Beispiel.

Wer würde wohl ein Flugzeug fliegen oder ein Kernkraftwerk betreiben, wenn er von
jeder Seite des Handbuches nur ein Wort kennt?

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Biohacker und Cyberpunks

In den USA entsteht zusätzlich zu den allgegenwärtigen Anbetern des Profitums schein-
bar eine regelrechte Bewegung selbsternannter Biohacker, die - offensichtlich ange-
regt von früher Cyberpunk-Literatur à la Gibson und Effinger - in halsbrecherischer
Manier und mit einer „Alles was geht, ist auch erlaubt“-Mentalität frisch ans Werk
gehen. Konzepte werden diskutiert für „Home Biotech Kits“, wie früher über Eletronik
Bauteile für jedermann gefachsimpelt wurde. Das Leben als Baukasten für gelang-
weilte Luxuskinder! Computer sind langweilig geworden, und Biohacker sehen sich
in der kulturellen Evolution des Westens als nächste Stufe auf der in ihren Augen
stetig nach oben sprießenden Leiter. Sie predigen den kreativen Umgang mit Techno-
logie und verteidigen ihr Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung, ihr Recht auf die
zumindest theoretische Möglichkeit unvorstellbaren Profites.

Auf die Kritik eines besorgten Menschen hin ging eine Molekularbiologin namens
Theresa in einem einschlägigen Internetforum zum Thema Biohacking sofort zum
Gegenangriff über. Der im Zusammenhang mit Freisetzungsversuchen genetisch ver-
änderter Organismen zur Vorsicht mahnende Grünling wurde der Fortschrittsfeind-
lichkeit bezichtigt. In den USA ist das noch weitaus schlimmer, als der berühmte
Stinkefinger. Ein fortschrittsfeindlicher Mensch ist dort geradezu eine Gefahr für die
nationale Sicherheit. Die fortschrittsblinde Wissenschaftlerin machte auch schnell
deutlich, was sie denn unter Fortschritt versteht:

„Nothing can be wrong about producing more of a product with less effort and thus
productivity.“

Yes. Ein Einfaltspinsel wie ich denkt dann schon einmal: Nun - aber was ist, wenn
man unheimlich viel von etwas produziert, was eigentlich keiner braucht? Und was
ist, wenn das, was da produziert wird, Kosten und Schäden verursacht, die wir am
Ende alle tragen müssen? Oder gar, wenn etwas so beschädigt wird, daß man es auch
mit noch so viel heiligen Dollars nicht wieder heile kaufen kann?

Gerade kam mir eine hochgradig gewagte Hypothese in den Sinn. Sie lautet so: Wis-
senschaftler sind auch nur Menschen.

Wissenschaftler. Es gibt sie in allen Ausführungen. Es gibt kleine und große und dicke
und dünne. Es gibt sie in lethargisch und in cholerisch, in faul und in fleißig. Sie
kommen in allen Farben vor. Manche sind Buddhisten, manche Christen, manche
Juden und so fort. Der eine oder andere vertritt die Ansicht, als Forscher sei man doch
irgendwie mitverantwortlich für die Schäden, die mit den eigenen Forschungsergeb-
nissen angerichtet werden. Sie meinen, man müsse vorsichtig sein mit dem, was man
tut. Man solle sich Gedanken machen über die wahrscheinlichen und sogar über die
unwahrscheinlichen Auswirkungen. Die Mehrheit aber hat sich einer ethischen Ein-
stellung verschrieben, die abwechselnd Objektivität oder Wertfreiheit genannt wird.
Es versteht sich von selbst, daß diese recht waghalsig definierte „Wertfreiheit“ keine
ist, denn in der Regel wird diese spezielle Art der Objektivität recht hoch bewertet - in

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Dollar und Euro nämlich. Liegen genügend Dollar und Euro auf dem Tisch, erscheint
Forschung, die dem Bau von Atombomben, Biowaffen und Landminen dient, plötz-
lich ganz besonders wertfrei. Und zivile Forschung - nun, über sie braucht man nicht
zu diskutieren. Sie dient dem Wirtschaftswachstum und damit der Freiheit und sozia-
len Gerechtigkeit. Wirtschaftswachstum ist schließlich per Definition etwas Gutes.
Oder etwa nicht?
So manche wertfreie Studien erlangen ihren Wert erst dann, wenn sie in wertfreien
Schubladen und Reißwölfen verschwinden. Ein Schelm, wer nun bemerken würde,
das Wort „wertfrei“ sei dem Worte „wertlos“ verdächtig ähnlich...

Gentech Brainstorm 2: Kontext und Komplexität

Die Natur - unendliche Komplexität. Wir befinden uns im ersten Jahrhundert des drit-
ten Jahrtausends und begleiten die Reise des Raumschiffes „Common Sense“ in die
Weiten des Irrsinnslandes, dorthin, wo immer mehr Menschen sich häuslich einrich-
ten.

Es ist eine glatte Falschaussage von Industrievertretern, wenn im Brustton der Über-
zeugung behauptet wird, gentechnisch veränderte und transgene Organismen seien
absolut harmlos. Tatsächlich kann dies niemand wissen. Niemand kann das Verhalten
einer neuen Spezies in der exorbitant komplexen Lebensgemeinschaft natürlicher
Ökosysteme auch nur entfernt voraussagen, von den Auswirkungen eines eingeschleu-
sten Gens auf das gesamte Genom ganz zu schweigen. Die Einbringung nur einer
einzigen fremden Art in isolierte Ökosysteme hat in der Vergangenheit katastrophale
und unvorhergesehene Auswirkungen gehabt. Einige Beispiele dafür sind:

• Die Einführung der europäischen Wespe in Neuseeland, welche einheimische


Insekten ausrottet und sich aufgrund reichlich vorhandener Nahrung in Honigtau-
wäldern massenhaft ausbreitet, zumal sie dort keine natürlichen Feinde kennt.

• Die Einschleppung von Kaninchen, Ratten, Mäusen und Riesenkröten in Austra-


lien und anderswo. All diese Tiere hatten vor Ort keine natürlichen Feinde und
breiten sich ungehemmt aus - die Einführung von Freßfeinden führte zu weiteren
Problemen. Das gesamte ökologische Gefüge wurde allein durch die zusätzli-
chen Elemente in der Nahrungskette völlig verändert. Zugleich fressen Ratten
und Mäuse Vogeleier, und die bereits in ganz Queensland zur Plage gewordenen
Kröten rotten ganze Populationen kleinerer Wirbeltiere aus.

• Irgendwie gelang es einer giftigen Baumnatter, auf die Insel Guam zu gelangen.
Ein einziges trächtiges Weibchen stand am Ende des Anfangs aller Brutvögel der
Insel.

• In Hawaii (wie auf anderen Inseln) werden seit fast zwei Jahrhunderten die ein-
heimischen, an die Isolation der Inseln gewöhnten Pflanzen und Tiere von zahl-
reichen aggressiveren importierten Arten verdrängt. Die meisten der einzigarti-
gen Vögel der Inseln sind bereits ausgestorben.
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Zu den importierten Tieren gehören u.a. Mungos, die zur Rattenbekämpfung in
Zuckerrohrfeldern eingeführt wurden, sich aber lieber den leicht zu erlegenden
Bodenvögeln zuwandten. Es gibt Wildschweine und Rotwild, die vom selbster-
nannten calvinistischen Landadel zur Hobbyjagd eingeführt wurden und mittler-
weile dank entfesselter Vermehrungsraten (keine Wintersterblichkeit, keine Feinde,
keine Nahrungskonkurrenten) eine kaum kontrollierbare Gefahr für die Hoch-
wälder der Inseln darstellen. Auch verwilderte Haushunde und Hauskatzen stel-
len die einheimischen Tiere vor unüberwindliche Probleme.
Eine weitere enorm aggressive Lebensform, die sich selber importierte, ist der
europäische Mensch. Er kam mit seiner anmaßenden europäischen Lebensart und
brachte den Tod in mannigfacher Form mit sich. Zuvor auf den Inseln völlig
unbekannte europäische Krankheiten wie etwa Syphillis, Influenza, Pest und die
Masern rotteten die Bevölkerung Hawaiis beinahe zur Gänze aus. Kulturelle Re-
pression und die Einführung der Kreditwirtschaft taten ihr Übriges, wie fast überall
auf der Welt.

Diese Beispiele sind nur die Spitze des Eisberges. Niemand kann auch nur ahnen,
welche langfristigen Auswirkungen transgene Lebewesen und anderweitig genetisch
veränderte Organismen auf Mensch und Umwelt haben werden. Zugleich aber wird
den Kritikern der Biotechnologie - vor allem der Freisetzung veränderter Organismen
- vorgeworfen, Unsicherheit und Nichtwissen seien ihre einzigen Argumente. Die
Damen und Herren Industriebiologen lachen den Fortschrittsfeinden ins Gesicht und
übersehen, was dem gesunden Menschenverstand, der Alltagserfahrung und den täg-
lichen Schlagzeilen der Weltpresse entspringt: Nichts tötet und vernichtet so schnell
und gründlich wie eine Überdosis Ignoranz.

Die Argumente der Industrie sind jedoch in der Öffentlichkeit tatsächlich ausgespro-
chen wirksam. Die verwendeten Methoden zur Überzeugung der Massen finden sich
allesamt in einem recht einfältigen Büchlein wieder, das ich als Kind mal gelesen
habe. Es heißt „Manipulieren, aber richtig“ (von Josef Kirschner, Droemer Knaur,
1974). Sie sind simpel, aber beinahe unfehlbar. Die nackten Affen, die wir sind, glau-
ben fast alles, wenn es nur über einen genügend langen Zeitraum wieder und wieder
mantraartig wiederholt wird. Irgendwann wiederholt der Naked Ape es artig selber.
Arbeitsplätze schaffen. Om. Standort Deutschland. Om. Wirtschaftswachstum. Om.
Technologievorsprung. Om. Weltmarkt. Om. Harmlos und gut. Om. Harmlos und gut.
Om.

Wir erfahren also mit der Überzeugungskraft eines Gebetes, daß die Biotech Konzer-
ne wie „MoneySaint“ Monsanto® und Freunde wahrlich die völlig mißverstandenen
Retter der Welt sind. Natürlich wollen sie auch Geld verdienen, aber das, so sagt man
uns jovial und in Management-Kursen rhetorisch perfekt mit geschulter
Weihnachtsmannstimme, sei ja im Grunde eine gute Sache, etwas, das wir doch alle
wollen.
Wollen wir doch auch, oder? Mich hat allerdings noch nie jemand gefragt, ob
ich Geld verdienen will. Es hat sich nur herausgestellt, daß ein Leben ohne Geld in
dieser Welt schnell zu einer reichlich komplizierten Angelegenheit wird, geprägt von

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Anwälten, bösen Briefen, Schweißausbrüchen, Herzklabastern und Ehekrach. Eine
Alternative ist natürlich das „freie“ Leben auf der Straße...
Nun ja. Der Unterschied zwischen den Herren Topmanagern (es ist ja ein fast
sortenreiner „boys club“) und uns gemeinem Volk ist vielleicht der, daß wir Geld
verdienen müssen, sie dagegen Geld machen wollen. Make money. Selbstverständ-
lich dient diese ganze Geldmacherei eigentlich anderen Zwecken, wie etwa der Hei-
lung von Krankheiten, dem Umweltschutz, und sie dient dazu, Arbeitsplätze zu schaf-
fen, die hungrigen Kinder der Welt zu ernähren und natürlich den Landwirten ein
besseres Preis-Leistungsverhältnis und damit eine größere Gewinnspanne zu ermög-
lichen. Ich darf das wirklich nicht immerzu wieder vergessen...

Der größte Erfolg der Gentechmanager ist es wohl, die Mehrzahl der Menschen in
unseren westlichen Bildungsländern davon überzeugt zu haben, ihre Ansichten wür-
den sich mit denen der Wissenschaft decken, ja, sie seien geradezu die Inkarnation der
Wahrheit. Bei öffentlichen Anhörungen, etwa zum Monsanto® Genmais Freiland-
versuch in Selm im Herbst 2001, wird dies immer wieder deutlich. Da sitze ich als
gentechnik-kritischer Naturwissenschaftler und höre von aufgebrachten Landwirten,
die Wissenschaft hätte doch klar bewiesen, daß Biotechnologie harmlos sei. Der Be-
griff Genmanipulation wird natürlich vermieden. Biotechnologie hört sich so an, als
würde gentechnisch verändertes Saatgut samt der zugehörigen Knebelverträge gera-
dezu vom Umweltengel persönlich ausgeliefert.
Während einer öffentlichen Anhörung zu besagtem Freisetzungsversuch be-
schwerte sich gar ein Bauernvertreter darüber, daß die anwesenden Umweltschützer
so gut informiert waren. Er fand dies wohl irgendwie unfair, denn sie als Landwirte
hätten doch gar keine Chance, dagegen anzukommen, weil sie schlicht nicht die Zeit
hätten, sich so ausführlich vorzubereiten.
Das verstehe, wer will. Entweder hielt der Mann die Anhörung für einen
Debattierwettbewerb, bei dem es ein Faß Bier zu gewinnen gab, oder aber er hatte
bereits zuvor entschieden, daß der Gentechgigant Recht hatte und verteidigt werden
mußte gegen all die bösen Grünlinge. Und zwar auch ohne informiert zu sein, mit
Kenntnissen, die nur auf den Marktmantras beruhen. Wieso kommt es den meisten
Landwirten nur nicht in den Sinn, daß die Umweltaktivisten auch für sie da sind?

Ein Marketing Experte meinte einmal: „Fünfzig Prozent der Menschen kaufen ein-
fach das, was man ihnen sagt.“ So einfach ist das also? Aber unterschätzen wir die
Landwirte nicht - ein Fehler, den viele Aktivisten machen. Landwirte sind hart arbei-
tende, knallharte Geschäftsleute, und im Gegensatz zur Mehrzahl der Bewohner Mit-
teleuropas sind sie es häufig noch gewöhnt, in Generationen zu denken, anstatt von
einem Quartalsbericht zum nächsten. Oder von einem Freitag zum anderen. Friday on
my mind.
Nach der wie üblich völlig fruchtlosen Podiumsdiskussion gab es noch eine
hitzige Debatte zwischen Gentechnikkritikern und Bauern. Welten im Zusammen-
stoß. Die Bauern fühlten sich von all den eifrigen Jungintellektuellen ideologisch be-
drängt, und wer bedrängt wird, der beißt. Wir alle tun das. Am Ende wird nur noch
gebissen und gar nicht mehr geredet, und MoneySaint und seine Freunde lachen sich
ins Fäustchen. Das alte Lied vom Teilen und Herrschen. Ein wenig erinnert dies an

13
die 1969er Situation, als junge Aktivisten ihre Solidarität mit den streikenden Arbei-
tern bei Opel bekunden wollten, indem sie sich neben sie an die Fließbänder stellten.
Allerdings ließ sich zwischen Arbeitern und Aktivisten - darunter der spätere Grünen-
chef und Außenminister Joschka Fischer - so recht keine gemeinsame Basis finden,
und die Angelegenheit verlief letztlich frustrierend im Sande.
Aber es geht auch anders, denn wir haben es immerhin auf allen Seiten mit
denkenden Menschen zu tun. Zumindest potentiell ist das so. Der Vorteil dabei ist,
daß man die Dinge erklären kann. Man muß sich nur ein bißchen bemühen. Am Ende
sahen mich die Bauern an. Erstaunt. Das, sagten sie, hätten sie nicht gewußt. Am
Ende stand zumindest bei einigen Unsicherheit, und Unsicherheit ist auch genau das
Problem dieser Technologie - Unsicherheit, Komplexität und die Bereitschaft man-
cher Menschen, jedes Risiko einzugehen, wenn es denn nur Profit bringt. Vor allem
gehen sie gerne jedes Risiko ein, das sie selber nicht zu tragen haben.

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Illusion von Harmlosigkeit

Gut. An dieser Stelle erst einmal ein Faktum festmachen: Kein - ich wiederhole es
noch einmal: Kein unabhängiger und in der Sache qualifizierter Naturwissenschaftler
wird sich in absehbarer Zukunft dazu durchringen, eine definitive Aussage über die
langfristigen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen gentechnisch veränderter Or-
ganismen oder anderer gentechnischer Verfahren, die auf das irdische Ökosystem los-
gelassen werden, zu machen. Kaum einer, der auch nur etwas Ahnung hat und zu-
gleich nicht abhängig, erpreßbar oder käuflich ist, wird sagen, die Freisetzung gen-
technisch veränderter Organismen sei sicher, harmlos, unter Kontrolle, vorhersagbar
etc. Der Grund ist, wie gesagt, simpel: Niemand weiß das so genau. Da hilft einem im
Zweifelsfalle auch ein Nobelpreis an der Wand hinter dem Schreibtisch nicht weiter.

Ein mittlerweile wirklich arg überstrapaziertes Argument für die angebliche Harmlo-
sigkeit der gentechnischen Manipulationen verläuft ungefähr nach folgendem Mu-
ster:

Gentechnik, so heißt es, sei harmlos, denn man erschaffe ja schließlich nichts wirk-
lich Neues, da lediglich natürliche Gene ausgetauscht würden. Noch einmal: Was
könne es schließlich Natürlicheres geben, als Gene? DNA-Bausteine, auf denen abso-
lut jedes lebendige Wesen basiert? DNA-Bausteine kodieren Proteine. Sonst nichts.
Ist doch nicht schlimm! Es geht um Gene und Proteine. Wir bestehen aus Proteinen.
Ja, man muß tatsächlich sagen, wir sind Proteine. Wir essen Proteine. Es kann nichts
Schlimmes daran sein, mal hier und da ein wenig an den Proteinen herumzufummeln,
oder?

Wenn also in die Pflanze A ein Gen des Bakteriums B eingebaut würde (welches
ohnedies auf der Pflanze lebt und sowieso regelmäßig von uns mitverspeist wird),
dann nähmen wir noch immer dieselben Gene zu uns. Ergo, so erfahren wir, könne
nichts passieren, und die ganze Angelegenheit sei vollkommen sicher und natürlich
vollkommen natürlich. Ganz natürlich. Weiter oben steht, wie einfach das zu machen
ist.
Da wird etwa ein Gen einer Qualle in eine Kartoffelpflanze eingefügt, die dann
leuchten soll, wenn sie Durst verspürt. Ganz natürlich. Brechen wir also auf zu einer
Expedition an den geheimnisvollen Ort, irgendwo an den Gestaden eines fernen, fer-
nen Ozeans, wo wir im Schein des tropischen Mondes den magischen Liebestanz von
Quallen und Kartoffeln und ihre anschließende ekstatische Vereinigung erleben kön-
nen. Darwin wäre bestimmt fasziniert. Ganz unwissenschaftlich habe ich aber irgend-
wie ein verdammt schlechtes Gefühl dabei.

Diese Harmlosigkeitsargumente stehen aber auch aus einer etwas wissenschaftliche-


ren Sicht für ein ziemlich tiefgehendes Unverständnis der Natur, und es ist schon
erschreckend, derlei bisweilen sogar von namhaften (Lobby-?) Wissenschaftlern zu
hören. Von Wissenschafts- und Technikgeschichte hat einer, der dieses Argument laut
ausspricht, offenbar nicht im mindesten eine Vorstellung. Es lebe das Spezialisten-
tum! Es lebe die Wertfreiheit!

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Wahr ist vielmehr dies: Es kommt in der Natur immer auf die Kombination der Be-
standteile an und nicht nur auf die Bestandteile selbst. Dieses Prinzip gilt auf allen
Skalen - vom Universum als Ganzes über Galaxien, Planetensysteme und einzelne
Planeten bis hin zur Molekularbiologie und sogar in der subatomaren Physik.
Fangen wir bei letzterer an: Protonen und Neutronen sind immer gleich - sie
bilden die Bestandteile des Atomkerns. Allein ihre Anzahl entscheidet darüber, ob es
sich um so etwas Harmloses und für das Leben Essentielles wie Sauerstoff handelt,
oder um so etwas absolut Tödliches wie Plutonium. Sauerstoff und Plutonium. Beide
bestehen aus exakt denselben Bausteinen: Protonen und Neutronen im Atomkern so-
wie Elektronen in der Atomschale. Würde ich das Argument der Gentechniker über-
tragen, dann käme ich zu dem Schluß Plutonium sei harmlos, denn es besteht aus
denselben Bestandteilen wie Sauerstoff.

Oops.

Aber die Welt ist sogar noch komplizierter. Die Elemente existieren ja in der Mehr-
zahl nicht als einzelne, neutrale Atome, sondern in Form von Molekülen oder elek-
trisch geladenen Ionen. Nehmen wir wieder den Sauerstoff, ohne den wir nicht leben
könnten. In der unteren Atmosphäre liegt Sauerstoff hauptsächlich in der Form von O2
vor, ein Molekül also, das aus zwei Sauerstoffatomen besteht. Das ist der freundliche,
leckere Sauerstoff, den man genüßlich durchatmen kann. Ja - und dann gibt es Sauer-
stoff noch in der Form von O3 - und plötzlich ändern sich die Eigenschaften drama-
tisch. Zwar gäbe es ohne dieses Molekül aus drei Sauerstoffatomen ebenfalls kein
Leben auf der Erde, denn es schützt als Gas in der Stratosphäre die Oberfläche vor
tödlicher UV-Strahlung aus dem Weltall, aber einatmen wollen wir es lieber nicht,
denn es ist giftig. Wie kann das sein? In beiden Fällen handelt es sich um Sauerstoff,
aber das eine Sauerstoffmolekül ist so lebensnotwendig, daß wir kaum drei Minuten
ohne es überleben können - und das andere ist giftig. Wieder, oh big surprise: Es
kommt auf die Kombination an!
Das gleiche gilt für Wasserstoff und Sauerstoff - als H2O, Wasser, bilden sie
unser zweites Lebenselixier. Fügen wir ein weiteres Sauerstoffatom hinzu, so bekom-
men wir H2O2, auch bekannt als Wasserstoffperoxyd - und das ist nun eine ungenieß-
bare Säure. Es werden hier keine komplizierten Manipulationen durchgeführt. Ein
einziges Atom mehr verändert die Eigenschaften eines Stoffes vollkommen. Und das
ist ein natürlicher Vorgang.

Tatsächlich funktioniert die gesamte Chemie, die gesamte Physik - und letztlich die
gesamte natürliche Welt auf diese Weise. Veränderte Kombinationen können drama-
tisch veränderte und gänzlich neue Eigenschaften hervorbringen - und das schon bei
sehr, sehr einfachen Kombinationen, sogar bei Molekülen, die aus nur einer einzigen
Atomart bestehen. Die Gentechniker aber manipulieren DNA-Moleküle - lebendiges
Erbgut mithin, das aus Milliarden von Einzelmolekülen zusammengesetzt ist. Diese
veränderten Moleküle werden dann in Lebewesen eingebaut bzw. bilden sogar den
grundlegenden Bauplan für neue Lebewesen, die von anderen Lebewesen verspeist
werden. Also auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole: Ich behaupte, nie-
mand - absolut niemand - kann ernsthaft aussagen, dies sei harmlos, denn es ist voll-

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ständig unmöglich abzuschätzen, welche Auswirkungen diese Veränderungen lang-
fristig auf die Organismen haben - von den Auswirkungen auf das Ökosystem, in das
sie eingebettet sind, ganz zu schweigen. Dies gilt sowohl für den Organismus des
neuerzeugten Wesens, z.B. eine Tomatenpflanze, als auch für den des Wesens, das sie
verspeist, also z.B. unsere Kinder, wenn sie eines Tages vielleicht genüßlich und un-
wissend Pommes aus Quallenkartoffeln mit Genketchup und Mayonnaise aus Eiern
transgener Hühner verputzen.
Wie verhält sich die neue Genkombination in der Nahrungskette? Im Abwas-
ser? Wie beeinflußt sie Bakterien im Darm - und in der Kläranlage? Das Algenwachstum
in Flüssen? Die Muschelbänke in der Nordsee? Die Fische? Die Wale? Das menschli-
che Immunsystem? Unser Gehirn? Vergessen wir nicht: Letztlich breitet sich eine
neue Genkombination möglicherweise in der gesamten irdischen Nahrungskette aus,
und es ist eine Mischung aus Unverständnis und arroganter Vermessenheit, voraussa-
gen zu wollen, welche Auswirkungen dies haben könnte. Nicht einmal die Eigen-
schaften der neuen, veränderten DNA selbst können wirklich abgeschätzt werden.

Also: Die Eigenschaften und Verhaltensweisen natürlicher Stoffe und Systeme hän-
gen immer von der Kombination ihrer Bestandteile ab und nicht nur von den Bestand-
teilen selbst.

Der Austausch von Genen zwischen unterschiedlichen Spezies ist nicht natürlich.

Natürlich bedeutet obendrein keineswegs harmlos. Knollenblätterpilze sind natür-


lich. Das Supergift Curare ist natürlich. Radioaktivität, Vulkanausbrüche, Meteori-
teneinschläge, Tsunamis, Lawinen und explodierende Sonnen: Alles natürlich, aber
schon auf den ersten Blick nicht harmlos.

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Kannibalische Schafe und tödliche Proteine

Noch ein weiteres Beispiel für die unvorhersehbaren Ereignisse. Nehmen wir die BSE-
Krise. Im Falle von BSE, dessen ursprüngliche Erreger mit einiger Wahrscheinlich-
keit aus Papua Neuguinea stammen, ist die Entwicklung ganz ähnlich verlaufen, nur
daß zusätzlich zur globalen Beweglichkeit in Flugzeugen fliegender Schafe ein schreck-
licher Fehler begangen wurde, der sogar den meisten „primitiven“ Naturvölkern be-
kannt ist: Die Nahrungskette wurde durchbrochen!

BSE ist an sich nicht sehr gut übertragbar, und damit ist es - obwohl eigentlich unheil-
bar - eine vergleichsweise harmlose Infektionskrankheit. Übertragen werden können
die Erreger nach bisherigen (unvollständigen) Erkenntnissen nur, wenn ein erkrank-
tes Lebewesen von einem anderen Lebewesen gefressen wird, und zwar vorzugswei-
se dessen Nervengewebe, vor allem also Gehirn und Rückenmark. Nun ist es aber so,
daß die Krankheit ursprünglich nur bei Schafen auftrat (und in diesem Fall Scrapie
genannt wird) - Schafen im übrigen, die von der anderen Seite des Planeten nach
Großbritannien importiert worden waren. Die Krankheit hätte sich obendrein niemals
ausbreiten können, wenn man nicht gesunde Schafe gezwungen hätte, ihre notge-
schlachteten Artgenossen in Form von Kraftfutter zu fressen!
Schon dieser erzwungene Kannibalismus ist ein Verstoß gegen die natürliche
Ordnung. Die eigentliche Krise jedoch wurde erst ausgelöst, als die Tierindustrie dazu
überging, das aus den notgeschlachteten Kadavern der Scrapie-verseuchten Schafe
erzeugte Futter an Rinder zu verfüttern. Diese aus purer Profitgier geborene Aktion
stellt innerhalb des Gefüges der Natur so etwas dar, als würde man bei einem Auto,
das mit 200 Stundenkilometern über die Autobahn braust, in voller Fahrt mutwillig
den Rückwärtsgang einlegen. Das gräßliche Gekreische des protestierenden Getrie-
bes macht uns schnell klar, daß wir etwas tun, das vom Konstrukteur des Autos nicht
vorgesehen war, und durch ein wenig Nachdenken hätte man die Unnatürlichkeit die-
ser Aktionen erkennen können.
Die BSE-Krise ist das Protestgeschrei der Natur, deren Getriebe wir durchein-
ander gebracht haben, denn wie jedem einsichtig sein dürfte, ist es nicht nur nicht
vorgesehen, daß Schafe aus Neuguinea nach England auswandern - vor allem ist es
ganz und gar unnatürlich, daß britische Kühe, also reine Pflanzenfresser, Schafe aus
Neuguinea als Nahrung zu sich nehmen.

Die BSE-Krise enthält zudem einige Überraschungsmomente, die gut als Beispiel für
den Charakter zukünftiger Überraschungen im Zusammenhang mit globalen Umwelt-
veränderungen und damit auch der Gentechnik dienen können, die ja ebenfalls einen
massiven Eingriff in die Umwelt darstellt:

Überraschung 1: Es taucht eine neue Krankheit auf.

Überraschung 2: Obwohl die Kadaver der Schafe vor der Futtermittelherstellung


gekocht wurden, überträgt sich diese Krankheit über die Nahrung auf die Artgenossen
(die Erreger lassen sich nicht ohne weiteres durch Hitze abtöten).

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Überraschung 3: Die Krankheit basiert auf einer zuvor völlig unbekannten Art Erre-
ger, den Prionen.

Überraschung 4: Die Prionen lassen sich am lebenden Organismus praktisch nicht


nachweisen.

Überraschung 5: Die Krankheit wird mit verblüffender Leichtigkeit von einer Spezi-
es auf die andere übertragen.

Überraschung 6: Es gibt zwei chemisch identische Versionen der Prionen - die eine
kommt in unserem Organismus natürlich vor und ist möglicherweise für bestimmte
Funktionen unseres Gehirns und Nervensystems nötig - die andere tötet uns. Einziger
Unterschied: Die tödlichen Prionen sind im Vergleich zu den normalen spiegelver-
kehrt.

Und Überraschung Nr. 7: Die Erreger werden als eigentlich körpereigene Stoffe
vom Immunsystem nicht wahrgenommen, also auch nicht bekämpft.

Wir dürfen nicht vergessen, daß diese ganze Entwicklung noch vor zwanzig Jahren
nicht voraussehbar war. Weder die Erreger - die Prionen - waren bekannt, noch deren
Übertragungswege oder die Inkubationszeit - ganz zu schweigen von dem Umstand,
daß sich die Krankheit mit Leichtigkeit von einer Spezies auf die andere übertragen
läßt. Es handelt sich hierbei um echte Überraschungen, die - ich sage es noch einmal
- durch menschliche Handlungen erst ausgelöst wurden, die sozusagen von der Natur
nicht eingeplant waren.
Diese Handlungen stehen in der Regel in direktem oder indirektem Zusam-
menhang mit unserer technischen Intelligenz, die es uns erlaubt, uns beinahe beliebig
über natürliche Beschränkungen hinwegzusetzen, oft sogar, ohne dies anfänglich über-
haupt wahrzunehmen. Menschen produzieren ihre eigene Nahrung und Energie, schüt-
zen sich erfolgreich vor den Unbilden der Welt und wandeln die Natur zu ihrem -
leider nur kurzfristigen - Nutzen um. Die ungebremste Vermehrung des Menschenge-
schlechts aber ist längst an ihre Grenze gestoßen und die dauerhafte Tragfähigkeit der
Erde unter den derzeitigen Bedingungen bereits weit überschritten.

Die Gentechnik ist in der jetzigen Form der nächste Schritt auf diesem fatalen Weg,
und ihre Auswirkungen sind noch weitaus weniger vorhersagbar als die BSE-Krise.
Im Extremfall könnte langfristig das durch Verschmutzung, Entwaldung, Arten-
schwund, Ausbreitung der Wüsten und stetige Erwärmung ohnehin schon arg ge-
schwächte Gefüge der gesamten irdischen Natur in Gefahr sein. Da wir dieses Gefüge
noch längst nicht verstehen, sollten wir es so weit wie möglich unberührt lassen. Be-
reits heute kennen wir viele Kulturen, die sich in der Vergangenheit selber zugrunde
gerichtet haben - von der Bänderkultur Süddeutschlands über die Maya bis hin zu den
Bewohnern der Osterinsel. Und vergessen wir nicht die Ansichten und Einsichten der
Astronauten: Auch die Erde als Ganzes ist nur eine Insel.

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Biohacker, Fakten und Ausreden

Wer sich auf Technologiekritik einläßt und damit an den Sockeln verschiedenster hei-
liger Kühe rüttelt, der sollte ein paar konkrete Argumente haben. Das ist allerdings
nicht einfach, denn irgendwie gelingt es den Werbeabteilungen und Lobbies der Indu-
strie immer wieder zu definieren, was ein konkretes Argument ist und was nicht. Schüt-
zenhilfe leistet die Bundesregierung schon seit Kohls Zeiten: Es ist das erklärte Ziel,
der Akzeptanz der Gentechnik bei uns Bürgern langfristig auf die Sprünge zu helfen,
wozu der Staat unser eigenes Steuergeld verwendet. Das Projekt heißt obendrein ab-
gekürzt FACTT. Und das ist es, worum es geht: Fakten schaffen. Kleine Versuchsfel-
der in der Provinz als harmlose Einstiegsdroge in die komplette Umgestaltung des
Lebens.

Gleichzeitig ist der Umgang mit Biotechnologie dermaßen einfach geworden, daß sie
in den Bereich einer Jedermann-Technologie geraten ist.
Hier ein Auszug einer typischen Forumsdiskussion selbsternannter Biohacker
über die Möglichkeit eines Consumer Level Biotech Baukastens für den Hobbykel-
ler:

Ken:
> Chris pointed out a potential approach to a biotech market: Biotech ‚kits‘. Naturally,
big companies are not likely to take home-biotech any more seriously than the hackers
of yesterday. This is an advantage to any company wishing to market to this group.
Can Personal biotech kits be made to look like consumer products?

Daniel:
This is a very interesting idea. I imagine that the diversity of possible applications in
biotech would make the project a little trickier (it’s hard to make a kit that fits every
home bio-technician’s needs) but if you came up with some sort of basic kit and
combined it with a variety of add-ons, I think you just might have something.

Ken:
> Chris suggested a pricing scheme. Anyone want to suggest contents/capabilities of
these kits? Level I BioHacking Kit $100 Basic DNA extraction? Diagnostic kit? Kits
for various uses? Level II $500 Endonucleases, precast-gels and cheap power- supply
I can see a potential market for add-ons in the $300-500 range. Level III $3000 PCR
plus

Daniel:
>Hmmm. I think I would set it out differently - say a basic $500 - $1000 starter kit
with DNA extraction reagents, eppendorfs, eppendorf rack, pre-set gels and
electrophoresis equipment. Basically all you need to purify DNA and run it
out on a gel.

You run into difficulty with pipetting tools, which are prohibitively expensive - is there
some cheap but reliable alternative to automatic pipettes for small volumes?

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Then I would sell add-on kits tailored for specific purposes - digestion endonucleases
with appropriate buffers, PCR kits (with robust enzymes you could set up a PCR using
a few beakers with heaters and thermostats and a timer, although it would be much
more tedious than a thermal cycler) and so on. These add-on kits could be between
$100 and $500, depending on what was in them.
I’m a newbie to biotech, and I imagine that the veterans would have better ideas on
how to set up experiments with the minimum of technology. But that’s how I’d do it
:-)

Es ist erstaunlich, mit welcher naiven Einstellung hier über die Manipulation von
Genen geredet wird, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Zweifeln, Verant-
wortungsbewußtsein oder gar Sicherheitsbedenken. Tatsächlich muß man, um Bio-
technologie zu betreiben, gar nicht wissen, was auf molekularer Ebene so alles vor
sich geht. Ein Elektriker hat schließlich auch nicht immer Ahnung von Quantenphysik,
und dennoch funktionieren seine Schaltkreise. Aber um noch einmal das Beispiel auf-
zuwärmen: Wer würde einen Elektriker ohne Ausbildung in Kern- und Atomphysik
wohl mit Bau und Wartung eines Kernkraftwerkes beauftragen? (Ich persönlich wür-
de ja überhaupt niemanden mit dem Bau eines Kernkraftwerkes beauftragen, denn es
ist der Gesundheit wenig förderlich, wenn einem derlei um die Ohren fliegt).

Nun - ich bin kein ausgewiesener Experte für Molekularbiologie, jedoch kenne ich
mich mit komplexen dynamischen Systemen aus. Der britische Allroundgelehrte James
Lovelock, neben Lynn Margulis bekannt geworden als Mitbegründer der Gaia-Theo-
rie, in der die Erde als ein selbstregulierter Superorganismus beschrieben wird, sieht
für die Zukunft der globalen Umweltveränderungen vor allem dies: „Unexpected
Events“. Es gibt eine endlose Zahl von Fällen, in denen im Vergleich zur lebendigen
Natur geradezu rührend simple Mechanismen und Systeme außer Kontrolle geraten
sind - von einstürzenden Brücken über die Challenger Katastrophe bis hin zum Desa-
ster von Tschernobyl. Immer stellt sich hinterher heraus, daß es winzige Fehler und
trotz aller relativen Einfachheit nicht vorhergesehene Situationen sind, die zum Ver-
sagen des von Menschen geschaffenen Systems führen, dessen einzelne Elemente
sowie deren Funktionen im übrigen allesamt vollständig bekannt sind.

Wer entscheidet denn nun wie darüber, wer am Ende was und unter welchen Umstän-
den darf? Wenn ich mir die diversen Genehmigungsverfahren ansehe, kommen mir
große Zweifel an deren Objektivität. Hier einmal als Beispiel ein Auszug aus der
Genehmigung des Robert-Koch-Institutes zur Freisetzung gentechnisch veränderter
Pflanzen.

I.1. Gegenstand der Genehmigung

I.1.1. Organismen
Familie: Poaceae
Spezies: Zea mays L. (Mais)
Freizusetzende Pflanzen:
Roundup®-tolerante Nachkommen der Ausgangstransformante NK603.

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Art der gentechnischen Veränderung:

In Pflanzenzellgewebe, das ausgehend von unreifen Maisembryonen kultiviert wur-


de, wurde mit Hilfe eines Partikelbeschuß-Transformationssystems ein isoliertes MluI-
Restriktionsfragment des Plasmidvektors PV-ZMGT32 eingeführt. Die Nachkommen
der Mais- Transformante NK603 enthalten pro haploidem Genom an einem (1) Locus
und einer (1) Kopie ein Insert mit folgenden Genen:

Ein in vitro modifiziertes, der pflanzlichen „codon usage“ angepaßtes Gen für eine 5-
Enolpyruvylshikimat-3-Phosphat-Synthease (EPSPS), das von dem EPSPS-Gen aus
Agrobacterium sp. Stamm CP4 abgeleitet wurde (CP4 EPSPS). Die kodierende Se-
quenz dieses Gens wurde 5-seitig mit einer Chloroplasten-Transitpeptid-Sequenz
(CTP2) der EPSPS aus Arabidopsis thaliana versehen. Diese CP4 EPSPS-Kassette ist
auf dem für die Transformation vorgesehenen DNA-Fragment zweimal vorhanden.

Ein CP4 EPSPS-Gen wird von einem konstitutiven „enhanced“ CaMV 35S-Promotor
exprimiert. Ein zwischen dem Promotor und der CTP2-Kassette integriertes Intron
aus dem HSP70-Gen aus Zea mays soll bei diesem Gen die Expression steigern. Die
Expression des zweiten CP4 EPSPS-Gens unterliegt der Kontrolle des Promotors und
Introns eines Actin-Gens (Act1) aus Reis (Oryza sativa). Beide Gene werden 3-seitig
jeweils durch die Terminations des nos-Gens (Agrobacterium tumefaciens) komplet-
tiert.

Die gentechnische Veränderung verleiht den Pflanzen Resistenz gegen glyphosat-


haltige Herbizide wie z.B. Roundup®.

Durch umfangreiche molekularbiologische Analysen der Antragstellerin wurde be-


legt, daß keine weiteren funktionellen Sequenzen in die Empfängerpflanze übertra-
gen wurden.“

Alles klar? Da hilft es wenig, daß solche Dokumente öffentlich zugänglich sind. Nach-
denklich kann aber schon der letzte Satz machen. Wer hat doch gleich die umfangrei-
chen und natürlich völlig wertfreien molekularbiologischen Studien durchgeführt? Es
war niemand anders als der Gentechnik-Multi Monsanto® selbst, der sowohl das gen-
technisch veränderte Saatgut weltweit unter (wie es heißt) repressiven Vertragsbedin-
gungen vertreibt, als auch praktischerweise gleich das zugehörige Pflanzengift mit-
liefert.
Die Genehmigung für die Freisetzung wird mehr oder minder allgemein im
Rahmen eines vereinfachten Genehmigungsverfahrens mit der Begründung erteilt, es
seien keine schädlichen Auswirkungen anzunehmen. Der Bürger vor Ort wird nicht
gefragt - ja nicht einmal die betroffenen Gemeinden. Anderswo heißt es im umfang-
reichen Dokument des Robert-Koch-Institutes aber auch:

„Der Ausschluß jeglicher schädlicher Auswirkungen kann jedoch nicht verlangt wer-
den, worauf auch in der Begründung des Gesetzes hingewiesen wird.“

22
Weiter heißt es nach dem Gentechnikgesetz:

„(...)kommt es darauf an, daß nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum
Zweck der Freisetzung keine unverträglichen schädlichen Einwirkungen zu erwarten
sind.“

Und dann kann der erstaunte Konsument noch nachlesen:

„Es ist beim derzeitigen Kenntnisstand nicht möglich, aus der Aminosäuresequenz
eines Proteins Vorhersagen über eine mögliche allergene Wirkung des Proteins zu
machen (...)“

Letztendlich liegt einer solchen Genehmigung also keine objektive Risikoabschätzung


zugrunde, sondern vielmehr eine subjektive Kosten-Nutzen-Abwägung, bei der sich
ganz von selbst die Frage aufdrängt: Wessen Kosten und wessen Nutzen? In jedem
Fall werden die Profitinteressen eines Megakonzerns höher bewertet als die Sorgen
und Ansichten von uns normalen Leuten, die das Zeug hinterher kaufen und essen
sollen.
Ein Problem wird auch immer sein, im konkreten Fall den Zusammenhang
etwa zwischen einer klar definierten gesundheitlichen Störung und einem bestimmten
Nahrungsmittel mit gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen nachzuweisen. Am Ende
machen die Konzerne weltweit Kasse, und die Welt selber bleibt auf den Kosten sit-
zen. Das Übliche halt.

Gene geschüttelt und gerührt: All things are connected!

Einer der Leitsätze der Ökologiebewegung ist die Erkenntnis der allumfassenden Ver-
bundenheit aller Phänomene innerhalb des Ökosystems Erde, ja im Grunde sogar dar-
über hinaus. Das Leben auf der Erde wäre schließlich ohne unseren Mutterstern Son-
ne und ohne die vor Äonen explodierten Supernovae, in denen die Elemente erbrütet
wurden, aus denen wir bestehen, nicht möglich. Das ist keineswegs die romantische
Wunschvorstellung freundlicher Walschützer und Treehugger, sondern vielmehr eine
sowohl theoretisch als auch durch umfassende Beobachtungen und Untersuchungen
empirisch ausgezeichnet abgesicherte Weltsicht. Alles ist eins. Man kann nun daran
glauben, hinter dem Leben steckt irgend ein kosmischer oder göttlicher Plan. Oder
man glaubt dem rein materialistischen Bild, in dem sich alles durch Zufall und Not-
wendigkeit entwickelt hat, nur folgend den Naturgesetzen, die nun einmal sind, wie
sie sind. Welche Vorstellung der modernen globalisierten Profitmaschinerie zugrunde-
liegt, dürfte klar sein. Interessanterweise ist es aber gerade die materialistische Sicht
der Dinge, die Anlaß zu Besorgnis gibt.
Wenn wir die Welt als ein quasi mechanisches System betrachten (was sie
nicht ist - aber die vorherrschende Weltanschauung geht davon aus), dann haben wir
vor uns so etwas wie einen riesigen Haufen von Mikadostäbchen, die über Milliarden
Jahre hinweg geschüttelt wurden, bis sich ein einigermaßen stabiler Stapel gebildet
hat. Allerdings ist die Natur nicht statisch. Die Mikadostäbchen beeinflussen sich
gegenseitig, und aus der Geschichte des Lebens sind immer wieder Perioden von
23
Massensterben und enormen Umschichtungen innerhalb der Biosphäre bekannt, über
deren Ursachen man wenig weiß. Das Argument der Pro-Gentechnik-Lobby ist schon
richtig, das da lautet, Mutationen seien etwas Natürliches. Es stimmt auch, daß Fremd-
DNA täglich von uns verspeist wird, aber das sind DNA-Bestandteile, die sich im
Laufe der Jahrmillionen entwickelt haben, die in unserer Umgebung natürlich vor-
kommen, an die sich unser Organismus anpassen konnte. Zudem ist es ganz und gar
nicht auszuschließen, daß auch natürliche DNA-Fragmente Krankheiten hervorrufen
oder die Grundlage zur Entstehung neuer Viren bildeten und noch bilden. Man be-
ginnt erst langsam, überhaupt die Entstehungsgeschichte von Viren zu begreifen, und
ein wahrscheinlicher Ansatz ist die Entstehung aus freien DNA-Bruchstücken, die
sich unter parasitärer Ausnutzung der Zellen höherer Organismen vermehren konn-
ten.
DNA-Bruchstücke könnten Vorstufen zu möglichen neuen Viren sein - oder
aber sich bereits so, wie sie sind, ausbreiten. Man spricht von sogenannten springen-
den Genen oder „Jumping Genes“. Den meisten Menschen ist auch nicht klar, wie
häufig Viren in unserer Umwelt sind. Ein einziger Milliliter Meerwasser enthält bei-
spielsweise rund hundert Millionen Viren, deren Verhalten und Funktion fast völlig
unerforscht sind.
Richard Dawkins präsentiert in seinem kontroversen Buch „The Extended
Phenotype“ solide Argumente für seine Ansicht, die Unterteilung der Lebewesen in
unterschiedliche Spezies sei insgesamt mehr oder minder eine Illusion und die Evolu-
tion finde tatsächlich unmittelbar auf molekularer Ebene statt. Demnach ist das Ge-
nom eines jeden Lebewesens mit einem Biotop - einem Teich etwa - vergleichbar:
Eine Gemeinschaft mit einer gewissen Struktur und bestimmten Komponenten, die
sich jedoch laufend verändern. Neue Mitglieder kommen hinzu, andere verschwin-
den.

„There is a fluidity, a jumping in and out of component parts, so that it becomes


meaningless to try to distinguish ‚true‘ community members from foreign invaders. So
it is with the Genome. It is not a static structure, but a fluid community. ‚Jumping
genes‘ migrate and emigrate.“

Das auf diese Weise entstandene Gleichgewicht ist dabei möglicherweise weitaus
delikater, als wir es für gewöhnlich vermuten, und Lynn Margulis ging sogar noch
weiter mit ihrer Aussage:

„There is substantial evidence that organisms are not limited for their evolution to
genes that belong to the gene pool of their species. Rather it seems more plausible
that in time-scale of evolution the whole of the gene pool of the biosphere is available
to all organisms and that the more dramatic steps and apparent discontinuities in
evolution are in fact attributable to very rare events involving the adoption of part or
all of a foreign genome.“

Der Teil an dieser Einschätzung, der geeignet ist, eine gewisse Nervosität auszulösen,
dürfte Professor Margulis Spekulation sein, daß die eher dramatischen Schritte und
Diskontinuitäten im Laufe der Evolution auf den Austausch von Genen zwischen un-
terschiedlichen Spezies zurückzuführen sein könnten.
24
Kategorische Vorsorge

Der gesunde Menschenverstand, ja sogar der Instinkt eines jeden anderen Lebewe-
sens, gebietet Vorsicht vor dem Unbekannten, denn das Unbekannte birgt zwangsläu-
fig auch potentielle Gefahren. Selbst Tiere bewegen sich vorsichtig in unbekanntem
Terrain, und die meisten Arten vermeiden in der Regel die Aufnahme unbekannter
Nahrung. Keine Mutter der Welt würde ihrem Kind zum Mittagessen unbekannte Pil-
ze mit dem Argument vorsetzen, sie würden vermutlich ungiftig sein. Wenn es nebe-
lig ist, fahren wir langsam. Wenn wir über die Straße gehen, sehen wir uns um. Wir
schnallen uns im Auto und Flugzeug an. Bei Flugzeugen bestehen wir zudem mit
Nachdruck auf ordnungsgemäßer Wartung und gutausgebildeten Piloten. Und stellen
wir uns vor, eine Delegation Flugzeugmechaniker würde sich weigern, in das Flug-
zeug zu steigen, mit dem wir in den Urlaub starten wollen. Sie sagen uns, das Ding sei
zwar frisch lackiert, aber äußerst unsicher. Es wäre nicht gut gewartet. Einer weiß
vielleicht von der Verwendung von Ersatzteilen aus dubiosen Schwarzmarktquellen.
Nun kommt der Chefmechaniker der Fluggesellschaft und erklärt uns, alles sei in
Ordnung. Das selbstlose Ziel seines Unternehmens sei es doch nur, alle Passagiere
glücklich zu machen. Aber die Mechanikerdelegation läßt sich nicht beirren und wei-
gert sich mitzufliegen. Die Situation bei der Gentechnik ist ganz ähnlich. Die Mehr-
zahl der uneingeschränkten Befürworter hat zu starke persönliche Interessen, um glaub-
würdig zu sein.
Das Vorsorgeprinzip ist eine der Grundlagen menschlichen Handelns, denn es
ist das direkte Resultat unseres „survival instincts“. Ohne die Anwendung des Vor-
sorgeprinzips in den kleinen und großen Dingen des Lebens wären wir kaum über-
lebensfähig. Wir legen unseren Kindern einen Schal um, damit sie sich nicht erkälten.
Wir bezahlen brav unsere Versicherungen, denn wir wollen auf alle Eventualitäten
vorbereitet sein. Es macht aber auch nicht den allergeringsten Sinn, wenn wir ausge-
rechnet bei Umweltfragen, bei Fragen, die das Überleben unseres Planeten als Ganzes
betreffen und bei etwas so Essentiellem wie Nahrungssicherheit und Gesundheit, die
Gültigkeit des Vorsorgeprinzipes aussetzen zugunsten eines so künstlichen und vor-
übergehenden Konzeptes wie dem Shareholder Value.

Eine der ersten exakten Formulierungen des Vorsorgeprinzipes als ethische Handlungs-
grundlage für alle Menschen war wohl Kants kategorischer Imperativ. Nach seiner
Auffassung „...ist jedes Prinzip, dessen allgemeine Befolgung die Gelingens-
bedingungen eines glücklichen Lebens selbst außer Kraft setzt, ethisch unzulässig.
Dabei steht nicht die Wünschbarkeit der Folgen im Vordergrund, sondern die logi-
sche Inkonsistenz, die dadurch entsteht, daß die Bedingungen des Handelns einzelner
dann unterminiert werden, wenn alle nach der gleichen Maxime handeln würden.“
(Höffe, 1992)
Zitiert nach „Wissenschaftlicher Beirat Globale Umweltveränderungen:
Umwelt und Ethik - Sondergutachten 1999“

Wo würde es wohl hinführen, wenn jeder von uns das Vorsorgeprinzip außer acht
ließe und wenn jeder von uns um des eigenen Vorteils willen jedes Risiko eingehen
und jede Lüge und jeglichen Vertrauensbruch legitimieren würde?

25
Nahrung, die krank macht

Menschen werden sich eines Risikos meist erst bewußt, wenn es sie unmittelbar be-
trifft. Die möglichen Gefahren durch die Genmanipulation sind jedoch subtil und kom-
pliziert und häufig schwer nachzuweisen. Eine kürzlich vorgestellte Untersuchung
etwa wies nach, daß in den USA die durch Nahrungsmittel hervorgerufenen Erkran-
kungen während der letzten 10 Jahre explosionsartig angestiegen sind. Eine Vergleichs-
studie zwischen Schweden und den USA zeigt eine erschreckende Diskrepanz zwi-
schen diesen beiden Ländern, deren Gesundheitssystem und Lebensgewohnheiten sich
anderweitig sehr ähnlich sind. So berichtet die britische Gentechnik-Kritikerin Dr.
Mae-Wan Ho im Isis Report am dritten November 2001:

„Die schwedische Studie legt nahe, daß die Häufigkeit nahrungsbedingter Erkran-
kungen in Schweden der in den USA im Jahre 1994 durchaus entsprach, was nicht
überraschend ist, da beide Länder wohl vergleichbare Standards in der Nahrungsmit-
tel-Hygiene haben. Aber nach 1994 steigerte sich die Erkrankungshäufigkeit in den
USA um das zwei- bis zehnfache. So ein dramatischer Anstieg verdient sicherlich eine
gründliche und sorgfältige Untersuchung. Seit 1994 haben aber gentechnisch verän-
derte Nahrungsmittel, von denen nun allerdings die Vertreiber darauf bestehen, es
gäbe keinen Hinweis dafür, daß diese irgendwelche Gesundheitsschäden verursach-
ten, enorm in den USA zugenommen. Die Gesundheitsbehörden sollten aber nach
neuen Viren und Bakterien Ausschau halten, die sich bei dem horizontalen Gentransfer
und der Rekombination viraler und bakterieller Gene bei gentechnisch veränderten
Anbaupflanzen entwickelt haben könnten.“

Mir fallen spontan drei Dinge dazu ein: Dawkins und Margulis und ihre Vorstellung
von der freien Beweglichkeit der DNA im Netzwerk des Lebens, Dr. Beverly Crusher
in Star Trek - The Next Generation, die sich ständig damit herumplagt, daß sie bei
einer Gentherapie versehentlich einen vernichtenden Virus erzeugt hat, und die welt-
weite Angst vor einem plötzlich auftauchenden Virus X, der die Menschheit in Null
Komma Nichts dahinrafft. Aber auch die Tatsache, daß die Mehrzahl aller Viren rela-
tiv harmlos ist, ist nicht beruhigend, weil harmlos nur schwer zu definieren ist. Mir ist
unbehaglich dabei, daß manche Fachwissenschaftler die Entstehung neuer und poten-
tiell gefährlicher Viren aus den Bestandteilen unserer Nahrungmittel auch nur ent-
fernt für möglich halten. Obendrein werden in den USA bereits 80 % der durch Nah-
rungsmittel verursachten Erkrankungen auf Viren zurückgeführt, während es im
Vergleichsland Schweden lediglich 9 % waren. Grund für äußerstes Unbehagen, wie
ich glaube.

Der Gentransfer traditioneller Zuchtmethoden findet im korrekten Zusammenhang


der beteiligten Organismen statt, mit all den zugehörigen Möglichkeiten der internen
Kontrolle, die den Organismen zur Verfügung stehen. Die Natur kann sozusagen sel-
ber entscheiden, was sie zuläßt und was nicht, was funktioniert und was nicht. Die
Organismen können sich gegen neue Kombinationen wehren und die Balance erhal-
ten zwischen den internen genetischen Änderungen und der äußeren Umwelt. Aller-
dings sind selbst traditionell gezüchtete Hybriden häufig erheblich empfindlicher, als

26
ihre natürlichen Verwandten, was zum extremen Einsatz von Agrarchemie zwingt.
Die Gentechnik befindet sich außerhalb jeden natürlichen Zusammenhangs, und die
neuen Organismen verhalten sich bei ihrer Freisetzung oft völlig anders, als zuvor im
Labor. Eines der ersten Beispiele für eine solche Überraschung waren weiße Petuni-
en, denen ein Gen für rote Blüten eingepflanzt wurde. Die Petunien wurden zwar rot,
produzierten jedoch zugleich weitaus weniger Blüten und dafür mehr Blätter und
Schösslinge, hatten eine geringere Fruchtbarkeit und waren obendrein resistenter ge-
gen bestimmte Pilzinfektionen. Gentechnik erzeugt Kombinationen von Genen, die
in der Natur niemals vorkommen würden (etwa Äffchen, Kaninchen und Kartoffeln
mit Quallengenen, die im Dunkeln leuchten.) Es kommt m.E. auch einer recht exoti-
schen Geistesstörung nahe, wenn man Schweine mit Spinatgenen herstellt, um deren
Fleisch gesundheitsverträglicher zu machen, anstatt den massenhaften Fleischkonsum
zu verringern.

Pflanzengene und Schmetterlinge

Gerade in der Pflanzengentechnik muß man sich immer wieder eines vor Augen füh-
ren: Einmal freigesetzte genmanipulierte Organismen können nicht wieder zurückge-
holt werden. Sie verschmutzen die Umgebung mit ihren - obendrein auch noch paten-
tierten - Pollen und Samen und infizieren so möglicherweise Wildpopulationen. Es
gibt keine hundertprozentige Möglichkeit, freigesetzte Pflanzen zu kontrollieren.

Auch die vollmundigen Versprechungen der Gentechnik-Profiteure erweisen sich mehr


und mehr als hohle Werbephrasen. Die Vorteile der Gentechnik für die Landwirte
haben sich nicht bewahrheitet. Monsantos® Totalherbizid Roundup® etwa vernichtet
auf den Feldern mit Roundup-Ready®-Nutzpflanzen sämtliche anderen Pflanzen, was
- insbesondere auf den gigantischen Anbauflächen der USA - eine völlige Verarmung
der Biodiversität zur Folge hat. Biodiversität aber ist die notwendige Voraussetzung
für die Stabilität eines Ökosystems. Man kann im Grunde bei den riesigen Monokul-
turen, die sich von Horizont zu Horizont erstrecken so weit das Auge reicht, gar nicht
mehr von Ökosystemen sprechen. Dort lebt gar nichts - mit Ausnahme der industriell
erzeugten Kunstpflanzen. Der Mensch selber wird quasi zum Virus, der die Erde zwingt,
ausschließlich für ihn zu arbeiten. Aber es funktioniert nicht. Die Ernten der Roundup
Ready® Pflanzen und anderer Industrieorganismen gehen nicht nur zurück, in den
USA kam es laut einer Studie der Universität Atlanta bereits 1996 aus unerfindlichen
Gründen bei einer gentechnisch erzeugten angeblich insektenresistenten
Baumwollvariante zu erheblichen Ernteausfällen. Die Bodenerosion nimmt zu und
die Bodenfruchtbarkeit ab, denn Boden ist ebenfalls ein lebendiges komplexes Sy-
stem. Er verarmt vollkommen durch die intensive Veränderung der chemischen Um-
weltbedingungen.
So ganz nebenbei entstehen z.B. durch die Verbreitung der Resistenzgene, etwa
der Roundup Ready® und Bt-Pflanzen, ebenfalls resistente Superunkräuter und Schäd-
linge (Superweeds and Superbugs), die kaum noch zu kontrollieren sind. Am Ende
steht dann ein noch größeres Problem als das, was man eigentlich bekämpfen wollte.
Statt der klassischen Unkräuter bekommt man auf Dauer regelrechte Unkraut Mutan-

27
ten, die den Bauern das Leben zur Hölle machen - und die Konzerne werden dafür
keine Verantwortung übernehmen.

Künstliche Giftpflanzen

Ein anderes Problem sind Nutzpflanzen mit Genen für Insektenresistenz. Die Idee ist
wieder dieselbe: Man nimmt ein Gen, das ein bestimmtes Insektengift produziert und
fügt dies in die Nutzpflanze ein, die dann das Insektengift gleich selbst produziert.
Hier bietet sich wiederum ein Bakterium an, welches ein entsprechendes Insektizid
produziert: Bakterium Thurengiensis. Entsprechend ist überall auf der Welt heute von
Bt-Mais, Bt-Soja oder Bt-Baumwolle die Rede. Zunächst: Nein, danke. Ich möchte
keine Pflanze essen, die von sich aus ein Gift produziert. (Jaja - ist schon gut - es ist
natürlich alles total harmlos).
Bt-Nutzpflanzen werden in den USA bereits auf riesigen Anbauflächen gepflanzt,
aber auch hier funktioniert nichts so, wie sich das „MoneySaint“ Monsanto® und
Freunde erhofft hatten. Die amerikanische Öffentlichkeit war beispielsweise gar nicht
glücklich, als sich herausstellte, daß nicht nur die bösen Schädlinge, sondern unter
anderem der Monarch-Falter - Amerikas Nationalschmetterling - beim Knabbern an
Pollen des patentierten Monsanto® Bt-Mais zugrunde gehen könnte. Monsanto® kann
vermutlich mit Recht argumentieren, daß der Bt-Mais alleine die Schmetterlinge nicht
ausrotten wird. Allerdings wurden Anfang 2002 schätzungsweise zweihundertfünfzig
Millionen Monarch Falter bei einem völlig überraschenden Sturm in Mexiko vernich-
tet. Ein Szenario liegt nahe, in dem einer durch solche natürlichen Ereignisse (oder ist
es bereits der von uns verursachte Klimawandel?) geschwächten Art, die sich unter
normalen Bedingungen wieder erholen würde, durch Techniken wie Bt-Mais endgül-
tig der Rest gegeben wird.

Auch offiziell anerkannte Nutzinsekten wie Bienen und Marienkäfer werden von den
Bt-Pflanzen hemmungslos getötet. Werden die Pflanzen abgeerntet und die Pflanzen-
reste untergepflügt, so bleibt der Rest des Giftes im Boden, wo es sein vernichtendes
Werk an Würmern und anderen unschuldigen Angehörigen der Bodenfauna verrich-
ten kann. Eine gute Strategie, wenn man langfristig alles Leben beseitigen möchte.
Das Leben ist allerdings hartnäckig, und wenn eine ökologische Nische zu
unbehaglich wird für eine Spezies, so wird sie flugs von einer anderen besetzt. Wie
sich herausstellt, dauert es nicht lange, bis Schadinsekten durch den dauernden Kon-
takt mit dem Gift völlige Resistenz entwickeln und andere resistente Schadinsekten in
die entstandenen Freiräume nachrücken. Das neue Problem ist viel schwerwiegender
als das alte. Natürlich kann dies für die berufsmäßigen Giftmischer wirtschaftlich von
Vorteil sein, denn auf diese Weise bleiben die Landwirte auf deren wohlwollende
Unterstützung angewiesen. Wie nennt man schließlich einen Arzt, der alle seine Pati-
enten vollkommen heilt? Man nennt ihn arbeitslos!

Da kommt mir eine regelrechte kleine Verschwörungstheorie in den Sinn. Ein Bio-
tech-Konzern produziert Nahrungsmittel, die den Verbraucher krank machen. Natür-
lich nur ein bißchen. Zugleich produziert eines seiner Unternehmen die Diagnose-

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methoden, um die Krankheit aufzuspüren, und ein weiteres stellt die Pharmazeutika
her, mit denen die (natürlich chronische) Krankheit behandelt wird - und zwar dauer-
haft. Aber derlei gibt es ganz bestimmt nur in Romanen à la John Le Carré. Allerdings
wies der im Nachwort zu seinem Roman „Der Ewige Gärtner“, in dem es um die
Machenschaften der Pharmaindustrie geht, darauf hin, daß in Wirklichkeit alles viel
schlimmer ist. Was sollte die globalisierten Megakonzerne auch von solchen Strategi-
en abhalten? Moral und Ethik etwa? Wer das wirklich ernsthaft glaubt, der hebe seine
Hand. Bisher wurde für den Shareholder Value schließlich noch jedes Opfer in Kauf
genommen - vor allem wenn andere die Opfer erbringen mußten.

Von Menschenbäumen, Viren und Pilzpatenten

Manche Szenarien sind zu seltsam, um wahrscheinlich zu sein. Vielleicht werden sie


deshalb nicht von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Vielleicht ist etwa die Vorstel-
lung von Pappeln mit menschlichen Genen einfach zu abstrus, um für real gehalten zu
werden, und eine entsprechende Meldung taucht in der seriösen Presse möglicherwei-
se gar nicht auf. Man will sich ja nicht lächerlich machen.
Insgesamt wurden laut Aussage der European Science Foundation im Jahre
2000 weltweit auf mehr als vierzig Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche
genetisch modifizierte Pflanzen angebaut. Aber während genmanipulierter Mais, Raps
und modifiziertes Soja in aller Munde sind, ist es der Öffentlichkeit weitgehend ent-
gangen, daß bereits seit 1988 Freisetzungsversuche mit genetisch manipulierten Bäu-
men stattfinden, deren vorläufiger Gipfel wohl die Freisetzung von Pappeln mit
Menschengenen im Jahre 2000 war.

In gewisser Weise ist der Wunsch der Forstwirtschaft nach schnelleren Zuchmethoden
durchaus verständlich, denn Bäume mit klassischen Methoden zu züchten und zu
hybridisieren, ist schon wegen der langen Wachstumsphasen eine ungeheuer langwie-
rige Angelegenheit. Deshalb sind es in der Forstwirtschaft noch immer vor allem Wild-
typen, mit denen gewirtschaftet wird. Die Ziele sind aber schnelleres Wachstum, er-
höhte Resistenz gegen Wetter, Klima und physikalische Umwelteinflüsse sowie er-
höhte Schädlings- und Krankheitsresistenz, erhöhte Salztoleranz, Toleranz gegen
Pflanzenvernichtungsmittel wie Monsantos® Roundup®. Ebenfalls auf der Wunsch-
liste der Forstwirtschaftler steht eine Erhöhung des Zelluloseanteils im Baumholz auf
Kosten des Ligninanteils. Wieder einmal sieht man die Gentechnik als Wundermittel
an, um alle Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.

Die verwendeten gentechnischen Methoden sind im wesentlichen identisch zu denen


in der übrigen Landwirtschaft. Genvektoren wie Agrobacterium Tumefaciens sollen
die gewünschten Gene in das Baumgenom einschleusen. Oder aber man beschießt die
Pflanzenzellen mit mikroskopisch kleinen Metallkügelchen, die zuvor mit dem ent-
sprechenden Genmaterial bedeckt wurden. Diese dringen in die Zellen ein und hinter-
lassen im Idealfall das gewünschte Gen.

29
Das Freiburger Öko-Institut hat im Jahre 2001 in einem entsprechenden Gutachten
vor einer ganzen Reihe erheblicher Risiken im Zusammenhang mit genmanipulierten
Bäumen gewarnt.

Blütenpollen von Bäumen (und mit ihnen das veränderte Genmaterial) können unter
bestimmten Bedingungen über Hunderte von Kilometern übertragen werden. Dies ist
insbesondere bereits deswegen problematisch, da aufgrund der derzeitigen (Anfang
2002) Rechtslage die aus einer Bestäubung mit patentiertem Genmaterial hervorge-
henden Samen ebenfalls dem Patentschutz unterliegen.

Die Gefahr ist groß, daß künstliche Genkonstrukte sich über Artengrenzen hinweg
verbreiten, da viele Baumarten - insbesondere auch die häufig genutzten Kiefern,
Pappeln und Eukalyptus Arten - eine starke Neigung zur natürlichen Hybridisierung
haben.

Horizontaler Gentransfer durch Mikroorganismen ist äußerst wahrscheinlich, denn


fast alle Bäume gehen enge Symbiosen mit Pilzen ein, die für die Versorgung der
Bäume unerlässlich sind. Viele Pilze gehen dabei Partnerschaften mit verschiedenen
Baumarten ein, die unter völlig unterschiedlichen Standortbedingungen existieren. Es
besteht also in jedem Falle das Risiko eines ungewollten Gentransfers zwischen Nutz-
pflanzen und Wildarten bzw. anderen Nutzpflanzen. Ein solcher horizontaler Gen-
transfer konnte bisher bereits zwischen Raps und einem Aspergillus Pilz nachgewie-
sen werden.
Die Produkte des Pflanzenmetabolismus werden zudem direkt in den Boden
abgegeben, wodurch letztlich die gesamte Mikrofauna des Bodens betroffen sein könn-
te. Bekannt ist bereits, daß beim Abbau gentechnisch veränderter Kartoffeln Gene in
die Faulbakterien übergehen. Ob anschließend die Faulbakterien im Boden ebenfalls
dem Patentschutz unterliegen?

Veränderungen des Ligningehaltes können laut Öko-Institut dramatische Änderun-


gen für die Pflanze nach sich ziehen, da die Lignine für zwei wichtige Funktionen
zuständig sind: Die physische Stabilisierung - sie bilden das Skelett des Baumes -
sowie die Abwehr von Krankheitserregern. Entsprechende Eingriffe auf genetischer
Ebene könnten mit einiger Wahrscheinlichkeit ganz erheblich geschwächte Bäume
hervorbringen, die schneller wachsen, mehr Zellstoff produzieren, zugleich aber an-
fälliger sind für Krankheiten und Windbruch. Gerade Krankheiten und Windstärken
nehmen jedoch seit Jahren schon aufgrund der Klimaänderung zu. Wie ich bereits
angedeutet habe, können sich die schwächlichen Gene obendrein auf Wildarten über-
tragen und langfristig zu einer ökologischen Katastrophe führen.

Die Herstellung von Bäumen mit Insektenresistenz ist ebenfalls äußerst problema-
tisch. Die Langlebigkeit der Bäume steht der schnellen Generationsfolge der Insekten
gegenüber, die so die Möglichkeit haben, sich an das von den Bäumen erzeugte
Insektengift anzupassen. In China wurden bereits entsprechende Versuche durchge-
führt. Wie sich zeigte, wurden die anvisierten Schadinsekten nicht nur schnell resi-
stent gegen die von den Pflanzen erzeugten Pestizide, sondern obendrein wiesen die
Bäume nach einiger Zeit sogar Fraßschäden neuer Schädlinge auf, die zuvor keine
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sonderliche Rolle spielten. Besonders überraschend aber waren verschiedene unvor-
hersehbare Nebenwirkungen der Genmanipulation. Die Bäume wiesen zum Teil er-
hebliche Stoffwechselstörungen auf - unter anderem bei der Chlorophyllsynthese,
wodurch der Energiehaushalt der Bäume beeinträchtigt und die Pflanzen erheblich
geschwächt waren. Wiederum: Mit einiger Wahrscheinlichkeit könnten solche gen-
technisch erzeugten Fehler als künstliche Erbkrankheiten auf Wildpopulationen über-
springen.

Noch drastischere Auswirkungen auf ganze Ökosysteme können Bemühungen der


Toleranz gegen abiotische Standortfaktoren (Salz, Kälte, Hitze, Trockenheit, Nässe,
Umweltgifte etc.) haben. Wälder sind extrem komplizierte und eng verflochtene Öko-
systeme mit einem diffizilen Fließgleichgewicht, und neue Arten können dieses Gleich-
gewicht vollkommen zerstören, denn die zuvor ausgeglichene Konkurrenzsituation
der Organismen ändert sich völlig. Vielerorts auf der Welt kämpfen Umweltschutz-
behörden mittlerweile mit Milliardenaufwand gegen fremde Arten, die örtliche Öko-
systeme durcheinanderbringen. Diese Probleme treten bei bewußt eingeführten Pflan-
zen mit neuen Eigenschaften bei unvorhersehbaren Nebenwirkungen noch verstärkt
zutage.

Bemühungen der gentechnischen Erzeugung krankheitsresistenter Gehölze sind eben-


falls nicht ohne Risiko. So ist im Bericht des Öko-Institutes nachzulesen: „Zahlreiche
Untersuchungen zeigen jedoch, daß eine völlige Immunität der transformierten Pflanze
nur selten eintritt. (...) Zudem ist ein speziell bei der Übertragung von Viren-Genen
auftretendes Risiko die Tatsache, daß zwischen dem Erbmaterial von infizierenden
Viren und den eingeführten Gensequenzen in der Pflanze Neukombinationen von Erb-
anlagen entstehen können. Dies kann dazu führen, daß Viren mit genetisch veranker-
ter erhöhter Fitness und Pathogenität entstehen.“
Wir hätten also gestärkte Krankheitserreger und geschwächte Pflanzen. Damit
nicht genug - es ist obendrein möglich, daß die neuen Erreger anschließend Pflanzen
befallen, die von ihnen zuvor nicht heimgesucht wurden.

Die Wirkungen und Rückkopplungen in den Nahrungs- und Energienetzen der Wäl-
der sind im Detail noch weitgehend unbekannt. Myriaden von Würmern, Gliederfüßlern
und Mikroorganismen leben an, auf, in und um Bäume herum. Sie fressen einander
und werden wiederum von anderen Lebewesen gefressen. Jede gentechnische Verän-
derung eines freigesetzten Organismus ist letztlich ein Eingriff in die globale Nah-
rungskette. Dabei muß vor allem die lange Wirkzeit bei Bäumen berücksichtigt wer-
den, die über viele Jahrzehnte - bis hin zu Jahrhunderten - im Ökosystem verbleiben
und ihre Umgebung prägen. Außerdem passen Bäume sich ganz erstaunlich an ihre
Umgebungsbedingungen an, so daß die untersuchten Auswirkungen einer Genmani-
pulation letztlich nur für den jeweiligen Standort gelten können. Scheinbare Harmlo-
sigkeit an einem Ort gilt also nicht automatisch für einen anderen.
Auch andere Pflanzen passen sich im Rahmen der Evolution für gewöhnlich
an ihren Standort an, wozu Bodenchemie, Verfügbarkeit von Wasser und Klima-
verhältnisse gehören. In der modernen Landwirtschaft dagegen wird der Boden an die
Pflanze angepaßt.

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Ein weiterer kritischer Punkt der „grünen“ Gentechnik war und ist die Verwendung
von Antibiotika-Resistenzgenen als sogenannte Markergene, mit deren Hilfe festge-
stellt werden kann, ob die Genübertragung erfolgreich war. Auch diese Gene können
sich im Netz des Lebens ausbreiten und hier zu ganz konkreten gesundheitlichen Ge-
fahren für den Menschen werden, wenn sie in Mikroorganismen wieder auftauchen
und ihre Medikamentenresistenz auf gefährliche Krankheitserreger übertragen. Erst
auf den jahrelangen massiven und weltweiten Druck der Öffentlichkeit hin wird in-
zwischen nach Methoden gesucht, ohne die Resistenzgene auszukommen. Dies ist
ein Beispiel dafür, wie wichtig die Wachsamkeit der Verbraucher tatsächlich ist, auch
wenn die Industrie sich selber nun mit den neuen Errungenschaften des Verbraucher-
schutzes schmückt.

Brian Tokar, Herausgeber von „Redesigning Life? The Worldwide Challenge to Genetic
Engineering,“ (Zed Books, London & New York) sagte:
„Biotechnology seeks to turn all of life on earth into materials to be controlled,
manipulated and harvested for profit.“
Und er fährt fort:
„Genetically engineered trees would vastly worsen the already well-documented en-
vironmental hazards that are caused by today’s biotech food crops.“

Von glücklichen Kühen und unsinkbaren Schiffen

An dieser Stelle kommt mir der inzwischen von uns gegangene, allzeit erleuchtete
Wau Holland in den Sinn, der einst die Informationspolitik der Regierung in bezug
auf die Gentechnik im allgemeinen und Freisetzungsversuche im besonderen mit der
Sprengung der Erde durch die Vogonen in Douglas Adams‘ SciFi-Hit „The Hitchhiker‘s
Guide to the Galaxy“ verglich. Dort lag die Ankündigung zur Sprengung der Erde
ganz offensichtlich in der Nachbarschaft aus: Auf einem Planeten im Alpha-Centauri
-System. Die Ankündigungen gentechnischer Freilandversuche sind ähnlich organi-
siert und erscheinen geschickt getarnt in obskuren Brüsseler Amtsblättern, von deren
Existenz wohl nur die Herausgeber wissen.

Wau Holland schlug jedoch auch einen seines Erachtens sinnvollen Einsatz der
Pflanzengentechnik vor: Die gentechnische Erzeugung von Hanfpflanzen, die auch
im sonnenarmen Mitteleuropa einen sinnvollen THC-Gehalt aufweisen. Diesen Vor-
schlag würde ich noch glatt erweitern. Wie wäre es mit Mais oder Soja, die THC-
Gene enthalten? Das hätte gleich mehrere Vorteile. THC ist eine Strategie der Pflanze,
sich gegen Insekten zur Wehr zu setzen. Da es sich um ein Pflanzengen handelt, erüb-
rigt es sich doch, den Umweg über außer Kontext stehende bakterielle Insektengifte
(Bt) zu nehmen. Tatsächlich würden völlig neue Märkte entstehen, und Viehfutter aus
THC-Mais wäre wahrlich ein Garant für glückliche Kühe und Schweine. Obendrein
erschlössen sich auf einen Schlag gänzlich neue Märkte für Corn-Flakes. Danke Wau!

Aber Spaß beiseite - niemand wird in zehn oder zwanzig oder hundert Jahren sagen
können, man hätte es nicht gewußt, denn wir wissen schon lange, daß das, was schief

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gehen kann, fast immer auch tatsächlich schief geht. Die jüngere Geschichte ist voller
explodierender kerntechnischer und chemischer Anlagen, zusammenbrechender Brük-
ken, abstürzender Flugzeuge und Medikamenten mit desaströsen Nebenwirkungen.
Auf dem Meeresgrunde drängen sich Armadas unsinkbarer Schiffe. Für jedes einge-
gangene Risiko muß es einen guten Grund geben. Das Profitinteresse der Konzerne
alleine ist kein ausreichender Grund, und das Argument der Sicherung der Welt-
ernährung ist überholt, denn die gentechnisch veränderten Pflanzen sind nicht nur
teurer in der Herstellung, sie erbringen bisher obendrein auch noch niedrigere Erträ-
ge. Was wir haben, ist eine Technologie mit unabschätzbaren Risiken, höheren Folge-
kosten und geringeren Erträgen, für die sich Landwirte und Verbraucher auch noch
endgültig in Abhängigkeit höchst undemokratischer Organisationen begeben, und zwar
die der Großkonzerne.

Mephistos Traumwelten

Bin ich denn nun grundsätzlich gegen Biotechnologie? Was ist, wenn meine Frau
oder mein Kind an einer Krankheit leidet, die sich nur mit gentechnisch hergestellten
Medikamenten behandeln läßt? Werde ich das dann aus purer Prinzipienreiterei ab-
lehnen? Wohl kaum. Außerdem geht es bei der pharmazeutischen Biotechnologie um
völlig andere technische Prozesse. Immerhin werden - von möglichen Störfällen ab-
gesehen - keine Mutantenpflanzen und Tiere auf die Welt losgelassen.
Was aber, wenn nur ein Medikament einen geliebten Menschen vor dem Tode
bewahren kann, das nicht aus Bakterien in einem Bioreaktor sondern aus Stamm-
zellen menschlicher Embryos gewonnen wird? Diese Frage wirft Licht auf ein wider-
liches Bild. Auf der einen Seite sind Konzerne mit Profitinteressen, die als ethisches
Prinzip im wesentlichen nur die Maximierung des Shareholder Values kennen. Auf
der anderen Seite sind Menschen mit völlig nachvollziehbaren Interessen - Menschen,
bei denen es um reales Sein oder Nichtsein geht. Um Leben und Tod. Kann man von
jemandem, der z.B. den langsamen Verfall durch Parkinson oder Alzheimer vor sich
sieht, erwarten, sich nüchtern und sehenden Auges gegen eine solche Behandlung zu
entscheiden? Es geht schließlich um das nackte Überleben, und immer schon haben
Menschen auf Kosten anderer gelebt und überlebt. Aber was ist mit den Geschäftema-
chern, die uns eiskalt kalkuliert ganz bewußt in eine solche Entscheidungssituation
bringen? Mephisto selber ist schließlich nicht wirklich böse - er stellt den nimmersat-
ten Menschen Faust lediglich vor die Wahl.

Obendrein lügen die Konzerne. Die Lüge ist in der Welt der Wirtschaft, wie gesagt,
eines der operativen Standardwerkzeuge (man denke an den ENRON-Skandal: Gan-
ze Unternehmen existierten nur auf dem Papier). Erlaubt ist, was nicht nachgewiesen
werden kann, und versprochen wird, was werbewirksam ist und möglicherweise Ge-
winn zu erbringen vermag. Und wer will im Einzelfall entscheiden, was moralisch
richtig ist und was nicht? Für den einzelnen Menschen gibt es kaum einen
Entscheidungsspielraum, wenn ein Leben auf dem Spiel steht. Dennoch kann eine
Entwicklung, die im Einzelfalle ein Leben rettet, fatale langfristige Auswirkungen
haben. Schweine mit Menschengenen, die der Erzeugung menschlicher Transplantate

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dienen, können zu Brutstätten ebenfalls transgener Viren werden, die sich so an mensch-
liche Proteine und Stoffwechselprozesse gewöhnen. Am Ende retten wir einige Men-
schen hier, und dort fallen Tausende einer mutierten Schweinepest oder Maul- und
Klauenseuche zum Opfer. Auch hier sind wir unendlich weit davon entfernt, solche
Gefahren vollkommen auszuschließen. Die Konzerne sind sich dessen auch durchaus
bewußt, denn sie lehnen die Haftung für Langzeitschäden und Umweltschäden kate-
gorisch ab. Monsanto® wäre pleite, wenn das Unternehmen die vollen Kosten tragen
müßte, die durch den Einsatz seiner Produkte entstanden und entstehen - angefangen
bei DDT und dem Einsatz des Dioxins Agent Orange in Vietnam, durch den Millio-
nen Menschen noch heute an z.T. schwersten Gesundheitsschäden und Behinderun-
gen leiden.

Seit Ende der achtziger Jahre posaunt die moderne Biomedizin vollmundige Ankün-
digen in die Welt. Gentherapie ist eines der magischen Worte. Tatsächlich bin ich der
Ansicht, daß wir langfristig ohne eine Methode der Reparatur genetischer Defekte in
große Schwierigkeiten geraten werden. Wie so oft entpuppt sich ein Segen zugleich
als Fluch. Die moderne Medizin erlaubt es uns, auch dann zu überleben, wenn wir an
schweren genetischen Defekten leiden, die früher unser frühes Ende bedeutet hätten.
Und aus rein evolutionsbiologischer Sicht macht dies auch Sinn. Heute gelingt es der
Medizin in vielen Fällen jedoch, uns auch dann ein einigermaßen normales Leben zu
ermöglichen, wenn wir an einer an sich tödlichen Krankheit leiden. Und als Nebenef-
fekt geben wir unsere schadhaften Gene an die nächste Generation weiter. Wenn wir
dieses Szenario weiterdenken, kann man sich leicht ausmalen, was in 300 oder 600
Jahren mit der Menschheit los sein wird oder wäre. Alle unsere Nachkommen würden
an mehr oder minder schweren Erbkrankheiten leiden - viele von ihnen an mehreren
zugleich. Die Erde würde zu einem Hospitalplaneten verkommen.

Blickt man den Tatsachen ins Auge, müssen wir einsehen, daß wir an irgend einem
Punkt gezwungen sein werden, äußerst unliebsame Entscheidungen zu treffen. Wir
werden auf die moderne Medizin nicht verzichten. Wir werden nicht wollen, daß un-
sere Kinder und Kindeskinder immer kränker werden und ein Leben mit fürchterli-
chen Behinderungen verbringen müssen. Aber alle Alternativen sind ebenfalls ethisch
und moralisch bedenklich. Die Pränataldiagnostik etwa ist heute bereits in der Lage,
relativ sicher festzustellen, ob ein genetischer Defekt vorliegt, der zu einer schweren
Erkrankung wie Mukoviszidose oder Neurofibrose führen kann. Aber wem ist wirk-
lich wohl bei dem Gedanken, einem entstehenden Kind das Lebensrecht abzuspre-
chen, nur weil ein paar Moleküle seiner Erbanlagen nicht am rechten Platz sitzen?
Natürlich sind bereits heute Abtreibungen aufgrund der Ergebnisse einer
Pränataldiagnose längst Routine. In solch einer Situation haben Eltern derzeit nur die
Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen. Dem komplizierten Leben mit einem
schwer behinderten Kind oder der Entscheidung gegen das Leben dieses Wesens. Nicht
alle Menschen haben die Kraft, für die erste Entscheidung. Ich selber glaube nicht,
daß ich sie hätte.

Nur sind Menschen Menschen, und es gibt wenig objektive Gründe, stolz darauf zu
sein, daß man zu diesem Haufen dazugehört. Die Motive, von denen sich Menschen

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leiten lassen, sind in der Regel alles andere als edel. Eltern wollen gesunde Kinder.
Schöne Kinder. Kluge Kinder. Erfolgreiche Kinder, wobei sie selber oder die gerade
aktuelle Mode definieren, was das bedeutet. Mit medizinischen Indikationen hat der-
lei nichts mehr zu tun, und tatsächlich wird es immer unendlich schwer sein zu ent-
scheiden, was denn ein Gendefekt überhaupt ist. Ist ein zusätzlicher Finger bereits ein
ausreichender Grund, ein menschliches Wesen als defekt anzusehen? Oder ein fehlen-
der Zeh? Oder die falsche Haarfarbe? Augenfarbe? Hautfarbe? Eine Neigung zum
Pummeligsein? Wer darf überleben? Wer maßt sich an, die Grenze zu ziehen?
Bereits heute werden in China und Indien weibliche Embryos geradezu mas-
senhaft abgetrieben. Dort sieht so mancher scheinbar bereits Weiblichkeit als einen
kulturellen Defekt an. Auch das ist ein Nebeneffekt der Pränataldiagnostik im weite-
sten Sinne.
Die Präimplantationsdiagnostik, bei der im Reagenzglas befruchtete Embryo-
nen auf genetische Schäden und/oder gewünschte Eigenschaften hin untersucht wer-
den, ist letztlich nur die Fortführung längst existierender Praktiken. Man kann sicher
durchaus argumentieren, daß es humaner ist, einen mit bloßem Auge kaum sichtbaren
Embryo gar nicht erst einzupflanzen, als ein bereits weit entwickeltes Kind später
abzutreiben - humaner auch für die Mutter. Insgesamt ein kaum auflösbares Dilem-
ma. Wer kann etwa mit Erbschäden vorbelasteten Eltern den Wunsch nach gesunden
Kindern verdenken?

Der Mensch in der Werkstatt

Was nun, wenn wir Therapiemöglichkeiten für genetische Defekte finden? Die Grund-
idee ist ja wieder einfach genug. Man sucht das defekte Gen bzw. den defekten Gen-
abschnitt im menschlichen Genom und schickt eine Sonde in jede Zelle des Körpers,
die die defekten Moleküle gezielt ansteuert und austauscht. Von den technischen Detail-
problemen einmal abgesehen, stellt die Natur selbst uns grundsätzlich die idealen
Werkzeuge dafür zur Verfügung. Wenn in der Tagespresse von Gensonden die Rede
ist, dann handelt es sich auch hier wieder eigentlich um umgebaute Viren.
Was tut ein Virus? Viren können sich nicht selber vermehren, sondern sind auf
Wirtszellen angewiesen. Ein Virus ist um Grunde nichts anderes als ein Mechanis-
mus, der andere Zellen dazu überredet, ihn zu multiplizieren. Dazu schleust der Virus
seine Erbanlagen in die der Zelle ein, welche nun die Aufgabe übernimmt, die ent-
sprechenden Virus-Proteine zu erzeugen und somit den Virus massenhaft zu kopieren.
Die neuen Viren infizieren weitere Zellen, wo sich der Prozeß wiederholt, und zwar
theoretisch ad infinitum, bis alle Zellen eines Organismus infiziert sind. Je nach Virustyp
kann dies für den Wirtsorganismus unterschiedliche Folgen haben. Diese reichen beim
Menschen von völliger Symptomfreiheit bis hin zu hemorrhagischem Fieber, bei
dem sich die Zellverbände regelrecht auflösen und man in kürzester Zeit innerlich
verblutet.
Es liegt nun aus Sicht eines rein mechanisch denkenden Verstandes nahe, diese
natürlich vorkommenden Experten der Genmanipulation für eigene Zwecke einzu-
setzen. Das Rezept sieht vereinfacht vor, die originären Erbanlagen eines Virus aus-
zutauschen gegen solche, die in die geschädigten Erbanlagen des Patienten eingebaut

35
werden und den dort vorhandenen Schaden beheben. Eine elegante Idee. Dummer-
weise funktioniert sie bisher nicht so recht, und trotz gigantischem Forschungs-
aufwandes bleiben die Ergebnisse weit hinter den Hoffnungen und Versprechungen
der Pharmaindustrie zurück. Ein Grund dafür könnte sein, daß die Natur eben viel-
leicht doch nicht ganz so linear und mechanisch eindeutig funktioniert, wie sich so
mancher Industrieforscher das wünscht oder vorstellt.
Der Natur sind unsere Wünsche und Vorstellungen im übrigen ziemlich wurscht,
und die Probleme sind vielfältig. Da das Leben insgesamt mehr oder weniger nach
denselben Gesetzen abläuft, sind auch die allerorts sich zeigenden Schwierigkeiten
bei seiner technologischen Kontrolle ähnlich.
Es sollte nicht überraschen, daß auch beim Menschen ein Gen häufig mehr als eine
Funktion auf sich vereinigt, wobei praktisch nie bekannt ist, welche (man spricht, wie
gesagt, von sog. „pleiotropen Effekten“). Ebenso verwundert es nicht, daß auch bei
Tieren die Funktion eines Genes nicht nur von seiner Struktur, sondern obendrein
auch noch von seiner Position im Genom abhängig ist (Positionseffekte). Insbesonde-
re bei transgenen Lebewesen steht dann das von einer Spezies auf eine andere über-
tragene Gen plötzlich in einem völlig neuen Kontext. Dabei kann kaum vorausgesagt
werden, was da wann wo wackelt und im schlimmsten Falle zusammenbricht.
Auch wenn Gene oder Gensequenzen nicht gleich ausgetauscht werden, kann
ein manipuliertes Gen doch unerwartete neue Proteine erzeugen oder aber als Knock-
Out-Gen für andere, möglicherweise essentielle Gene auftreten. So würde möglicher-
weise eine lebenswichtige Funktion abgeschaltet, ein wichtiges Hormon, ein Neuro-
transmitter, lebensnotwendige Enyzme oder andere wichtige Proteine nicht mehr oder
auf falsche Weise produziert. Die Nebeneffekte können sehr subtil sein und erst Jahre
oder Jahrzehnte später offensichtlich werden.
Auch die fehlerhaften Prionen, welche verantwortlich sind für BSE und die
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, sind bekanntlich lediglich Proteine. Einige der tödlichsten
Gifte in der Natur - etwa die bekannten Gifte der Pfeilgiftfrösche - sind Proteine.
Vergessen wir nicht die Einschätzung eminenter Wissenschaftler wie Lyn Margulis,
daß der Genpool kein auf bestimmte Arten beschränktes sondern ein offenes System
ist. Dafür spricht etwa die Entdeckung eines speziellen Paradiesvogels in Papua Neu-
guinea, der die Wissenschaft vor große Rätsel stellt. Dieser Vogel hat dasselbe Gen
wie die Pfeilgiftfrösche auf der anderen Seite des Pazifiks, und er produziert dasselbe
Gift. Wie kommt das Gen des Frosches von der anderen Seite der Welt in den Vogel?
Niemand weiß es.

Neben ihrer eigenen Ignoranz in bezug auf den großen Zusammenhang der Dinge
müssen die Genbastler noch mit den Zellen selber fertig werden, welche die einge-
schleusten Eindringlinge häufig als unerwünschte Gäste behandeln. Die fremden DNA-
und RNA-Segmente werden von Killerenzymen attackiert und in gut verdauliche Stück-
chen zerschnipselt. Sogar die DNA selber verfügt offenbar über noch unerforschte
interne Mechanismen, um illegal eingewanderte Gene zum Schweigen zu bringen
oder wieder loszuwerden.

In jedem Fall wurde die Komplexität der grundlegenden Probleme der Biotechnolo-
gie offenbar unterschätzt. Der Zweckoptimismus der Forscher ist blanker Firmen-

36
propaganda gewichen, deren Versprechen immer auf morgen verschoben werden.
Anstelle von Erfolgsmeldungen laufen Nachrichten über die Presseticker, wie etwa
diese:

Gentherapie kann Chromosomenstruktur gravierend verändern.


Eine Gentherapie, bei der mit Hilfe von Viren ein Gen in Zellen eines Patienten einge-
schleust und in die Zell-DNA eingebaut wird, kann starke Veränderungen der
Chromosomenstruktur verursachen. Das berichten Wissenschaftler der University of
Washington in einer Online-Publikation der Zeitschrift Nature Genetics.

(...)An den Insertionsstellen wiesen die Forscher in vielen Fällen fehlende DNA-Se-
quenzen, neu arrangierte Chromosomenabschnitte und zusätzliche Sequenzen unbe-
kannter Herkunft nach. Derartige, mit dem nicht-zielgerichteten DNA-Einbau ver-
bundene Veränderungen der Chromosomenstruktur könnten sich sowohl auf die Funk-
tion des übertragenen Gens als auch auf die Aktivität benachbarter Gene auswirken.
„Eine wichtige, noch ungelöste Frage ist, ob beim Einbau der Virus-DNA
Chromosomenbrüche erzeugt werden oder ob der DNA-Einbau in bereits existieren-
de Bruchstellen erfolgt“, schreiben die Wissenschaftler. (...)
(nach Joachim Czichons, Wissenschaft.de, 21.01.2002)

Und gerade eben trudelte eine passende Email von Martin Sundermann (Greenpeace
Dortmund) ein, in der er mich auf einen schon länger zurückliegenden Fall hinweist:

„(...) 1999/17.09 Todesfall nach Gentherapie: Der 18 jährige Jesse Gelsinger stirbt
nach der Gabe von 38 Bil. gentechnisch veränderter Adenoviren (Gen-Fähren). Er
litt an OTC-Mangel, einer Stoffwechselkrankheit der Leber. Prof. Jim Wilson vom
Institut für Gentherapie in Philadelphia, der diese Gabe verabreichte, hatte auffällige
Blutbildveränderungen und Leberwerte bei anderen Patienten (mit geringerer Dosis)
sowie Todesfälle bei Experimenten mit Rhesusaffen weder der Ethik-Kommission des
Institutes noch der FDA (Food and Drug Administration, oberste Gesundheitsbehör-
de der USA) gemeldet. Nach dem Tod von Jesse wurden 737 weitere Nebenwirkungen
bei Gentherapie bekannt, die verheimlicht worden waren (Prof. Bob Erickson). For-
derung nach Daten-Transparenz vs. patentrechtlicher Unterschlagung von lebens-
wichtigen Informationen. Einzige Konsequenz für Prof. Wilson: Seine 30 % Beteili-
gung an der von ihm gegründeten Firma Genovo mußte er als Auflage für den Erhalt
seiner Professur verkaufen. (Die Story: Warum Jesse sterben musste; WDR 29.5.2001).

Gentechnik Experte Sundermann kommentierte weiter:

Der tragische Clou bei der Geschichte ist, daß sein Tod hätte verhindert werden kön-
nen, wenn er von Cichons Forschung mit Adenoviren bei Kaninchen am Max-Delbrück-
Zentrum/Berlin gewußt hätte. Patentierungsbestrebungen können so Sicherheitsaspekte
im Rahmen der Geheimhaltung sehr wohl unterlaufen.
Augrund der wahnsinnigen Heilsversprechen der Gen-Therapie, die wir z.Zt.
für den Bereich der embryonalen Stammzellen erleben, und der anschließenden Fehl-
schläge investiert heute kaum noch jemand in börsennotierte Spezialisten. Bei Versu-

37
chen mit ES (embryonalen Stammzellen) im Bereich Parkinson kam es übrigens schon
mal zu ungewollten Wucherungen im Hirn (...)“

Kuß der Mutanten

Die neuen Ergebnisse und Pläne der Wissenschaftler und Unternehmen überschlagen
sich in diesen Tagen. Fast stündlich gibt es Berichte über neue Resultate, Hoffnungen
und Möglichkeiten, die sich zu gut anhören, um wahr zu sein. Die meisten sind es
wohl auch. Eine Schlagzeile des Newstickers Gentechnik vom 19.02.2002 lautete:

„Gentech-Bakterien verhindern Karies.“

Im Laborversuch hat der Wissenschaftler Jeff Hillmann aus Florida im Laufe von 25
Jahren ein Verfahren entwickelt, mit dem man auf gentechnischem Wege die in unse-
rer Mundschleimhaut lebenden Kariesbakterien dazu bringt, auf die Produktion von
Milchsäure zu verzichten. Die Milchsäure ist es nämlich, welche die Zähne zersetzt.
Gentechnisch veränderte Bakterien ohne das Milchsäure-Gen werden in die Mund-
höhle eingebracht und Voilá! - Ein Wunder. Sie verdrängen die bösen Bakterien und
alles ist gut. Nebenwirkungen soll es laut Tierversuch nicht geben. Der Nobelpreis ist
so gut wie sicher. Selbst ich wäre begeistert, wenn nicht meine Phantasie so gerne das
Was-Wäre-Wenn-Spiel mit mir spielen würde. Das saure Millieu der Schleimhäute ist
z.B. nicht nur für Karies verantwortlich, sondern obendrein hat es den Vorteil, eine
sehr ungemütliche Umgebung für Pilze zu sein. Hätten Patienten dann möglicherwei-
se gesunde Zähne gegen eine erhöhte Gefahr chronischer Pilzinfektionen eingetauscht?
Candida statt Karies sozusagen? Was, wenn das Anti-Milchsäure-Gen auf andere
körpereigene Bakterien überspringt? Und hey - wer möchte jemanden mit im Labor
produzierten Mutantengenen wohl noch küssen? Kiss of the Mutants. Also ich weiß
nicht recht.

Nun - unsere gesetzlichen Vertreter haben sich doch für den Import embryonaler
Stammzellen entschieden, und je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt, desto
klarer wird, daß für die heilige Kuh Wirtschaftswachstum jedes - aber auch wirklich
jedes Opfer gebracht wird. Sogar die industrielle Verwertung ungeborener Kinder
steht uns ins Haus - möglicherweise sogar ihre industrielle Produktion.

Gen-Ideologie

Während die Rettung der Menschheit vor ihrem eigenen genetischen Verfall also auf
sich warten läßt, können wir uns getrost schon einmal auf geklonte Menschen,
Biokriege und die totale Überwachung auf molekularer Ebene vorbereiten. Man kann
die Phantasie streifen lassen, und auch wenn umfangreiche genetische Veränderun-
gen am Menschen im Augenblick noch Zukunftsmusik sind, so lassen sich andere
Szenarien denken, die bereits an die Düsternis von Filmen wie Blade Runner und
GATTACA gemahnen. Das Human Genome Project legte mit seiner Entschlüsselung

38
der menschlichen DNA den Grundstein für die genetische Analyse des Homo sapiens.
Und obwohl die Forschung dagegen spricht, entstand in den letzten zwei Jahrzehnten
insbesondere in den USA eine Ideologie, die unser Schicksal praktisch vollständig
genetisch determiniert sieht. Wer wir sind, welche Fähigkeiten und Talente wir haben,
welchen Charakter, welche gesundheitliche Widerstandskraft und ob wir kriminelle
Neigungen haben - alles sieht diese in ihrem Wesen reichlich faschistisch anmutende
Ideologie der Gene als genetisch vorbestimmt. Die Grundlage des Glaubens an die
Gene ist der Traum von absoluter Kontrolle. Wie bei allen ideologisch verblendeten
Annahmen, werden die Fakten allerdings weitestgehend ignoriert.

Von der Entwicklungspsychologie bis zur Genetik selber spricht im Grunde alles ge-
gen einen allumfassenden Terror der Gene, und der einzelne Mensch ist weitaus frei-
er, als die Hohepriester des molekularen Zeitalters uns weismachen wollen. Wer bei-
spielsweise kennt nicht die genetisch identischen doch charakterlich völlig unterschied-
lichen Zwillinge? Überraschender mag aber der noch relativ wenig bekannte und noch
weniger verstandene Vorgang der Epigenese sein. Wie sich herausgestellt hat, kann
ein Organismus Erfahrungen weitervererben, ohne dabei tatsächlich mutiert zu sein,
d.h., ohne genetische Veränderung im eigentlichen Sinn. Bestimmte Erfahrungen und
Umwelteinflüsse können zum An- und Abschalten bestimmter Gensequenzen führen.
Man könnte sagen, wir verfügen somit über ein genetisches Gedächtnis. Das gilt nicht
nur für den Menschen. Versuche mit Larven der für solche Experimente üblicherwei-
se verwendeten Drosophila-Fliegen haben gezeigt, daß epigenetische Informationen
an die Nachkommen weitergegeben werden. Die Larven wurden lediglich einer leicht
erhöhten Umgebungstemperatur ausgesetzt - bei weitem nicht genug, um Mutationen
auszulösen. Dennoch entwickelten einige der Fliegen als erwachsene Tiere rote Au-
gen, weil ein bestimmtes Gen umgeschaltet wurde. Die roten Augen wurden auch an
die Nachkommen weitergegeben. Eine Erinnerung an die warme Zeit. Beim Men-
schen sind es vielleicht ganz andere Erinnerungen, die verborgen sind, irgendwo tief
in unserem molekularen Erbe. Unser Genom ist schließlich randvoll mit scheinbar
funktionsloser sogenannter Junk-DNA, von der namhafte Forscher, wie etwa Nobel-
preisträger Manfred Eigen, allerdings annehmen, daß sie wichtige Funktionen hat, die
wir nur noch nicht kennen. Es wird immer deutlicher, daß diese Annahme stimmt.
Dennoch steht das Gespenst des routinemäßigen Gentests im Raum. Du willst
eine Lebensversicherung abschließen? Aber doch nicht, ohne vorherige Untersuchung
auf das Selbstmordgen... Du willst einen Posten im mittleren Management? Vorher
wird aber erst nachgeschaut, ob das Unterwürfigkeitsgen ausgeprägt genug ist. Du
willst Finanzbeamter werden? Aber nur bei epigenetisch abgeschaltetem Phantasie-
Gen bitte! Und den Eintritt in die Eliteuniversität um die Ecke verbietet man dir natür-
lich nicht wegen der falschen Haar-, Haut- oder Augenfarbe, sondern weil dir leider
das Uni-Gen fehlt.

39
Die dunkelste Seite

Was mir auch Angst macht - und ich denke, ich habe da alles Recht der Welt, ein
bißchen Angst zu haben - ist die militärische Seite der Biotechnologie. Allein die
unfaßbaren Finanzmittel, die dort im Spiel sind und die undurchschaubaren Verwick-
lungen und Machenschaften geben Grund zu Mißtrauen und Sorge. Es sind dieselben
Konzerne, die sowohl für militärische als auch privatwirtschaftliche Auftraggeber ar-
beiten. Dieselben Konzerne werben auf der einen Seite mit ihrem großen Herzen für
die Rettung der Welt, auf der anderen arbeiten sie von der Öffentlichkeit weitgehend
abgeschirmt gezielt an Methoden zur Vernichtung von Leben. Weshalb weigerten sich
die USA im Jahre 2001, das internationale Abkommen zum Verbot von Biowaffen zu
unterzeichnen? Die Antwort liegt auf der Hand, zumal US-Verteidigungsminister Rums-
feld einmal Chef eines zum Monsanto® Konzern gehörenden Unternehmens war.
Biowaffen haben aus finanzpolitischer Sicht enorme Vorteile. Sie schädigen keine
Infrastruktur, und Sachwerte sind in unserer Gesellschaft ja mehr wert als alles ande-
re. Obendrein kann man bei Biowaffen das Gegenmittel gleich mitentwickeln und
somit selektiv entscheiden, wer betroffen sein soll und wer nicht. Vor meinem inneren
Auge jedoch entsteht ein noch weitaus beängstigenderes Szenario. Stellen wir uns
vor, es gelänge, einen Erreger zu erzeugen, der nur Zellen mit einer bestimmten gene-
tischen Struktur befällt. Man könnte sich einen tödlichen Krankheitserreger denken,
der nur die Mitglieder einer bestimmten ethnischen Gruppe, die einer bestimmten
Familie oder sogar nur eine einzige Zielperson befällt. Jeder andere Mensch ohne die
entsprechenden Eigenschaften bliebe verschont. Falls eine solche Technologie exi-
stiert, wäre lediglich eine winzige Zellprobe der Zielperson vonnöten, um eine Horde
unsichtbarer Killer auf sie ansetzen zu können. Und es gibt bekanntlich Regierungen,
die Mord als völlig legitimes Mittel ihrer Politik ansehen.

Eine andere Art von Biowaffe ist der perfekte Soldat, dessen Angst-Gene mit Hilfe
eigens dafür entwickelter Pharmazeutika abgeschaltet werden, so als sei Todesangst
eine Krankheit. Und natürlich spielen bei so wichtigen Prioritäten wie Krieg die
Nebenwirkungen solcher Eingriffe keine Rolle, denn die Nebenwirkung des Krieges
ist ja ohnedies der Tod. (Was ist eigentlich die Hauptwirkung von Krieg? Etwa Ge-
rechtigkeit? Freiheit? Profit?)

Faule Kompromisse?

Über bestimmte Aspekte der medizinischen Biotechnologie braucht man allerdings


im Grunde gar nicht mehr zu diskutieren. Es ist müßig, weil sie schlicht da sind und
trotz aller Bedenken oft keine anderen Möglichkeiten existieren. Wer Diabetiker ist,
der hat keine andere Wahl, als sich Insulin, welches durch gentechnisch veränderte
Bakterien in Bioreaktoren erzeugt wurde, zu spritzen. Dabei wurde das menschliche
Gen, welches für die Erzeugung von Insulin zuständig ist, in das Bakteriengenom
eingefügt, wo es seine Arbeit ebenso verrichtet wie im Menschen - oder doch zumin-
dest beinahe. Das entsprechende Gen ist natürlich wieder den Umgebungseffekten
unterworfen, und das entstehende Insulin weist gewisse Abweichungen vom originä-

40
ren menschlichen Insulin auf. Doch es ist ein notwendiger Kompromiß, denn die Al-
ternative besteht in der Gewinnung von Insulin etwa aus Schweinen oder Rindern,
wobei die Abweichungen noch größer sind - von den Kosten und Mengenproblemen
ganz zu schweigen. All dies ist nicht schön, doch zugleich sehe ich keine andere Mög-
lichkeit, außer vielleicht der, Tod und Siechtum von Mitmenschen einfach in Kauf zu
nehmen.

Man kann natürlich auch den Standpunkt vertreten, viele Krankheiten - darun-
ter eben auch Diabetes - würden durch den falschen Lebens- und Ernährungsstil der
Menschen erst hervorgerufen. Aber das hat dann wiederum etwas mit Freiheit zu tun.
Zur Freiheit gehört eben auch die Freiheit, sich zugrunde zu richten. Und außerdem
trifft dies nicht auf alle Patienten zu. Der Protest gegen gentechnische Verfahren zur
Erzeugung von Medikamenten verstummt in der Regel, sobald man selber darauf
angewiesen ist.
Ich will es mal so sagen: Ich bin ein eifriger Jagdgegner. Ich hasse es, wenn
Menschen aus Spaß Tiere töten und das auch noch als Sport bezeichnen. Sollte ich
allerdings irgendwann einmal mitten in der endlosen Einsamkeit Sibiriens als einzi-
ger Passagier einen Flugzeugabsturz überleben, werde ich mir vermutlich als erstes
einen Speer basteln und auf die Jagd gehen. Ebenso wie ich gentechnisch erzeugtes
Insulin nutzen würde, wenn ich an Diabetes litte. So ist das nun einmal. Machen wir
uns nichts vor.
Und ich bete darum, niemals in eine Situation zu geraten, in der mein Leben
oder das Leben eines meiner Freunde oder Familienangehörigen nur durch das Opfer
eines anderen menschlichen Lebens gerettet werden könnte. Das ist eine Entschei-
dung, die ich nicht fällen möchte.
Aus einer abgehobenen und mehr oder minder objektiven, wissenschaftlichen
Sicht kann ich den Willen zur Forschung mit menschlichen embryonalen Stamm-
zellen verstehen. Die Faszination der langfristigen Möglichkeiten - vielleicht könnte
es eines Tages gelingen, beschädigte Gewebe und sogar ganze Organe neu zu erzeu-
gen. Ich kann mich auch auf eine Position begeben, auf der ich sage, menschliches
Leben ist weder genetisch noch aus zoologischer Sicht etwas Besonderes. Ein Mensch
ist auch nur ein Tier. Und Tiere werden doch ohnehin wie Dinge behandelt - sowohl
juristisch als auch faktisch.

Von Verwandten und Kannibalen

Aber in Wirklichkeit sehe ich das alles ein bißchen anders. In Wirklichkeit sehe ich,
daß die durch die Genforschung nachgewiesene extrem enge Verwandtschaft und
Verzahnung des Menschen mit anderen Lebewesen (selbst mit der Drosophila-Fliege
teilen wir noch rund 70 % des Genoms) nicht den Menschen degradiert, sondern un-
sere übrigen lebendigen Verwandten auf diesem blauen Ball im All ungeheuer auf-
wertet. Im Grunde ist die bisherige homozentrische Systematik der Biologie gar nicht
mehr haltbar, weil die bisher angenommenen Verwandtschaftsverhältnisse der Arten
durch die Erkenntnisse der letzten dreißig Jahre vollkommen durcheinandergewürfelt
wurden. Man könnte etwa, ohne sich allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, sagen, bei

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uns und den anderen drei großen Menschenaffenarten Gorilla, Bonobo und Schim-
panse handele es sich um unterschiedliche Arten derselben Spezies. Und dennoch
werden die übrigen drei Menschenarten in Laboratorien gequält, im Zirkus ausge-
stellt und auf Märkten in Afrika als Dschungelfleisch in gegrillter und gebratener
Form feilgeboten. Bei welchem Prozentsatz genetischer Identität fängt Kannibalis-
mus eigentlich an? Ist 99,7 % genug? Erst gestern wieder kam über den Ticker eine
Wissenschaftsmeldung: Die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier werde laut
neuesten Untersuchungen immer mehr obsolet.

Wir dürfen uns nicht von unserer technokratisch und ökonomisch durchregulierten
Kultur dazu verleiten lassen, aus den gewonnenen Erkenntnissen die falschen Schluß-
folgerungen zu ziehen - Schlußfolgerungen, die letztendlich zu unserer eigenen Ab-
schaffung führen können. Wieso muß die Ähnlichkeit des selbst ernannten Herren der
Erde mit den Tieren zu einer Verdinglichung des Menschen führen? Wieso führt sie
nicht zu einer Verherrlichung der Tiere? Weshalb müssen wir sofort damit beginnen,
Profit aus einer Entdeckung zu schlagen, lange bevor wir begreifen, was sie bedeutet?

Wissenschaftsmystiker und Bewußtseinsforscher Albert Hofmann gibt zu bedenken:

„Fast noch schlimmer als der praktische Mißbrauch von Erkenntnissen der Natur-
wissenschaften, der zur Technisierung, Industrialisierung und Zerstörung weiter Le-
bensbereiche geführt hat, ist der geistige Schaden solcher nihilistischer Theorien. Sie
entziehen dem Leben die geistigen und religiösen Grundlagen und lassen den Men-
schen in der Einsamkeit und Ungeborgenheit einer toten technischen Welt zurück.“

(Albert Hofmann: Naturwissenschaft & mystische Welterfahrung, Der Grüne Zweig


150)

42
Die Privatisierung des Lebendigen

Im Jahre 2000 flatterte mir eine Klagedrohung des Lucasfilm-Konzerns ins Haus.
Man wollte eine Viertelmillion DM Schadenersatz von mir für die „sittenwidrige“
Publikation eines Buches, in dem es um die Philosophie der Jedi-Ritter ging. Meine
Empörung war groß: Wörter wie „Star Wars“ und sogar das holländische Wort für
Vater (Vader) befinden sich im absoluten Privatbesitz des Weltkonzerns und machen
eine unabhängige publizistische Auseinandersetzung mit diesem Phänomen der Pop-
kultur unmöglich. Wörter in Privatbesitz! 250.000 Mark Schadenersatzforderung für
ein Buch, von dem 30 Exemplare verkauft wurden. Meinungsfreiheit wird zur Illusi-
on.
Aber die Situation ist weitaus schlimmer, denn unsere Patentgesetze muten
wie Ausgeburten psychopathischer Gehirne an. Alles ist patentierbar, sogar das Leben
selbst. Pflanzen werden patentiert - und zwar sogar alte Pflanzenarten, die von dem
patentierenden Konzern nicht im mindesten gezüchtet oder erzeugt worden sind. Ein
chinesischer Bauer muß plötzlich für den Anbau der selbst gezüchteten Pflanze Li-
zenzgebühren bezahlen an ein ausländisches Unternehmen. Die traditionellen Medi-
kamente eines Maya-Medizinmannes finden sich plötzlich im absoluten Privatbesitz
eines Pharmakonzerns wieder. Bauern dürfen kein eigenes Saatgut mehr erzeugen, da
dies gegen Lizenzverträge verstößt (in den Philippinen und in Indien haben wütende
Bauern daraufhin z.T. die Gentech-Felder kurzerhand abgebrannt). Zugleich können
Kleinbauern ihre Ernten nicht mehr auf dem globalisierten Weltmarkt absetzen, da
der Anbau auf kleinen Flächen im Verhältnis zur hochsubventionierten gentechnisch
erzeugten Massenware zu teuer wird. Alte, robuste Arten verschwinden. Die stabili-
sierende Diversität nimmt ab. Lokale kulturelle Eigenheiten werden vernichtet.

Noch einen Schritt weiter geht die Terminatortechnologie, bei der die Pflanzen gar
nicht mehr in der Lage sind, Samen hervorzubringen. Am Ende steht eine völlige
Abhängigkeit der Landwirte von einer kleinen Handvoll vernetzter Konzerne. Und
falls etwas schiefgeht, ist die gesamte Ernährungsgrundlage ganzer Regionen - viel-
leicht auf lange Sicht der ganzen Welt - gefährdet. Es heißt, bei uns leben nur noch
1,5% der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Ich würde sagen, bei uns - wie überall
sonst auch - leben 100 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft! Oder wovon er-
nähren wir uns? Wer die Nahrung kontrolliert, der kontrolliert auch heute noch die
Welt. Wie weit die größenwahnsinnigen Machtphantasien der Konzerne gehen wird
klar, wenn man sich eine Äußerung des Monsanto® Managers Mr. Robert Farley ins
Gedächtnis ruft:

„Was sie hier sehen, ist nicht nur die Zusammenlegung von Saatgut-Unternehmen - es
ist tatsächlich die Vereinigung der gesamten Nahrungskette. Da Wasser für die
Nahrungsmittelproduktion eine ebenso zentrale Bedeutung hat wie Saatgut - und ohne
Wasser ist kein Leben möglich - bemüht sich Monsanto® nun, die Kontrolle über
Wasser zu erlangen. (...) Monsanto® plant einen neuen Unternehmensbereich Wasser
zu etablieren, angefangen mit Indien und Mexiko, da beide diese Länder mit Wasser-
mangel konfrontiert sind.“
(Übersetzung des Autors)

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Demnach ist das Ziel also nicht mehr und nicht weniger als die Privatisierung sogar
der Wasserreserven und damit die Kontrolle der gesamten Nahrungskette. Am Ende
stünde ein absolutes Monopol über unsere Lebensmittel und damit ebenso absolute
Kontrolle unseres Lebens selber. Hier spätestens wird deutlich, welchen Schatten die
Mischung aus Globalisierung, Gier und entfesselter Technologie vorauswirft.

Der bisher bekannteste Patentstreit ist wohl der Fall des kanadischen Raps-Farmers
Percy Schmeisser. Dieser hatte in jahrzehntelanger Arbeit eine Vielzahl eigener Raps-
arten auf klassische Weise gezüchtet. Gentechnisch veränderte Pollen von Roundup®
Ready® Raps flogen von einem vorbeifahrenden Erntefahrzeug auf seine Felder und
verseuchten sein Pflanzenmaterial. Der gesunde Menschenverstand sagt nun: Mon-
santo® muß dem guten Bauern Schmeisser Schadenersatz leisten. Aber weit gefehlt:
Monsanto® verklagte Meister Schmeisser auf die Zahlung von Patentgebühren. Das
Schlimmste daran ist aber, daß unser Lieblingskonzern Recht bekam. Schmeisser,
mittlerweile Träger des Mahatma-Gandhi-Preises, verklagt nun seinerseits Monsan-
to® auf Schadenersatz. Wünschen wir ihm Glück dabei, denn sein Schaden ist schließ-
lich nicht weniger als die Vernichtung seiner fast vierzigjährigen Zuchtbemühungen.
Ein Lebenswerk. Für die einen geht es um Gewinnmaximierung und Marktdominanz.
Für die anderen steht die nackte Existenz auf dem Spiel. Die Freiheit des einen sollte
immer ihre Grenze in der Freiheit des anderen finden.

Wenn man in Betracht zieht, wie leicht sich Genmaterial in Ökosystemen ausbreitet,
dann ist die Frage wirklich berechtigt, ob sich ein erteiltes Patent auf jeden Organis-
mus erstreckt, in dem eine patentierte Gensequenz auftaucht. Denken wir an die Bäu-
me: Gilt der symbiotische Pilz, der das modifizierte Baum-Gen in sein Genom auf-
nimmt, automatisch ebenfalls als patentiert? Was, wenn die Kolibakterien in meinem
Darm ein patentiertes Gen einbauen - sind meine Darmbakterien dann in Konzern-
besitz? Obwohl das ein lächerlicher Ansatz zu sein scheint, geht es doch um knallhar-
te juristische Realitäten. Tatsächlich erstreckt sich laut Greenpeace die europäische
Patentrichtlinie für biotechnologische „Erfindungen“ auf:

• alle Variationen der Gensequenz


• die Verwendung zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken
• Produktion von Impfstoffen
• Verwendung bei Anti-Sense-Verfahren
• alle Mikroorganismen, in die das Gen übertragen werden kann
• alle Tiere und Tierarten, in die das Gen übertragen werden kann
• alle Pflanzen und Pflanzensorten, in die das Gen übertragen werden kann
• alle noch nicht bekannten Verwendungen des Gens
• alle Proteine, die mit Hilfe des Gens produziert werden können sowie alle ihre
Verwendungen, z.B. zu medizinischen Zwecken

Das bedeutet, daß faktisch fast alles, was lebt, patentierbar ist. Der bekannte Witz
„Weshalb läßt Monsanto® nicht den Schnupfenvirus patentieren - sie könnten dann
für jeden Nieser Gebühren verlangen...“ bleibt einem schnell im Halse stecken, wenn
man sich die Konsequenzen wirklich existierender Gesetzgebung und der täglichen

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Patentpraxis vor Augen führt. Das Gen für Brustkrebs etwa befindet sich bereits im
Privatbesitz eines US-Unternehmens, und wer will unter diesen Vorzeichen ausschlie-
ßen, daß wir eines Tages für unsere eigene Nachkommenschaft Patentgebühren ent-
richten müssen?

In den USA ist es ja sogar möglich, bloße Ideen zu patentieren. Für mein moralisches
Empfinden ist es schlicht Diebstahl, wenn absolute Ansprüche auf Bestandteile der
Natur oder sogar auf Erfindungen oder Bemühungen anderer angemeldet werden.
Kürzlich wurde in den USA erstmals ein Patent auf einen ganzen Wald erteilt - inklu-
sive Boden und Mikroorganismen.
Schon James Lovelock hat sich bitterlich über die amerikanische Unsitte be-
schwert, sich anderer Leute Erfindungen einfach unter den Nagel zu reißen. In Groß-
britannien war es lange üblich, die Ergebnisse von Forschung, die mit öffentlichen
Mitteln finanziert wurde, der Öffentlichkeit auch kostenlos zur Verfügung zu stellen.
US Konzerne haben dann häufig kurzerhand die Perlen herausgepickt, patentiert, und
die Briten mußten letztlich für Ergebnisse ihrer eigenen öffentlichen Forschung Li-
zenzgebühren entrichten.
Auch in den USA selbst sieht es kaum besser aus. Die Ergebnisse öffentlich
finanzierter Forschung gehen in der Regel in den absoluten Besitz der (meist priva-
ten) Forschungsinstitutionen über. So hat die Yale Universität zwischen 1994 und
2000 $ 261 Millionen an Lizenzgebühren für das Aidsmedikament Staduvine einge-
nommen, dessen Entwicklung der amerikanische Steuerzahler finanzierte. Die Herr-
schaft der Lobbys macht’s möglich.

Technokraten und Mystiker

Vielleicht wäre es einfach besser für die Welt als Ganzes - ja sogar für unsere Spezies,
wenn wir all diese technologischen Möglichkeiten nicht hätten. Es gäbe zumindest
nicht so entsetzlich viele von uns. Aber so ist es nun einmal nicht. Dennoch denke ich,
Carl Sagan hatte Recht, als er schrieb:

„(...) The inhibitions placed on the irresponsible use of technology are weak, often
half-hearted, and almost always, worldwide, subordinated to short-term national or
corporate interest. We are now able, intentionally or inadvertently, to alter the global
environment. Just how far along we are in working the various prophesied planetary
catastrophes is still a matter of scholarly debate. But that we are able to do so is now
beyond question.
Maybe the products of science are simply too powerful, too dangerous for us.
Maybe we’re not grown-up enough to be given them. Would it be wise to give a handgun
as a present to an infant in the crib? What about a toddler, or a preadolescent child, or
a teenager? (...) Now one further complication: Imagine that when you pull the trigger
on a handgun, it takes decades before either the victim or the assailant recognizes
that someone’s been hit. (...)“
(Carl Sagan, Billions and Billions - Thoughts on Life and Death at the Brink of the
Millenium, 1997)

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Ein führender US-amerikanischer Biotechnokrat verteidigte einmal seine Zunft, in-
dem er auf die breite gesellschaftliche Akzeptanz des Automobils hinwies. Schließ-
lich, so sagte er, verursache dieses „auch“ erhebliche Schäden, die aber durch die
Vorteile mehr als ausgeglichen würden.
Ich finde, das ist tatsächlich ein gutes Beispiel. Immerhin gibt der Mann damit
schon einmal zu, daß die Biotechnologie „auch“ Risiken birgt. Zudem - das Automo-
bil wurde erst akzeptiert und geradezu zur Substanz gewordenen Inkarnation westli-
cher Kulturphantasien, nachdem Konzerne und Lobbyisten über ein halbes Jahrhun-
dert Lobbyarbeit und Gehirnwäsche betrieben hatten und - insbesondere in den USA
- durch mafiaähnliche Methoden auf dem gesamten Kontinent den öffentlichen Per-
sonenverkehr zugrunderichteten. Es gelang ihnen, das Automobil von einem Blech-
kasten mit Rädern in eine quasi religiöse Instanz zu verwandeln. Wer die sakral insze-
nierten Präsentationen neuer Automodelle schon einmal miterlebt hat, wird dies nicht
bezweifeln.
Das Auto und die dazugehörige Industrie sind so weit jenseits jeder Angreif-
barkeit, daß niemand sich für die mehr als 1,5 Millionen Toten interessiert, die es
jedes Jahr fordert - von kriegerischen Konflikten und der industriellen Vernichtung
unzugänglicher Regionen, die ohne Automobil und Verbrennungsmotor unmöglich
wären, ganz zu schweigen. Letztlich bedrohen das Automobil und seine fliegenden
Verwandten nicht nur unmittelbar das Leben eines jeden von uns, sondern sogar die
Stabilität der gesamten Biosphäre - Stichwort globale Klima- und Umwelt-
veränderungen.
Sollten die Auswirkungen der Biotechnologie tatsächlich damit vergleichbar
sein, wie es besagter Industrievertreter ja selber behauptete, so könnte es sich bei ihr
um den Dolch handeln, der dem Planeten den finalen Todesstoß versetzt.

Hören wir noch einmal James Lovelock, der uns warnt:

„(...)Indeed, all living things are members of our union and they are angry at the
diabolical liberties taken with their planet and their lives by people. People should be
living in union with the other members, not exploiting them and their habitats. When
I see the misery we inflict upon them and ourselves, I have to speak out as a shop
stewart. I have to warn my fellow humans that they must learn to live with the Earth in
partnership, otherwise the rest of creation will, as part of Gaia, unconsiously move
the Earth itself to a new state, one, where humans may no longer be welcome“.

Es treffen gleich mehrere Komplexitäten aufeinander, die bereits für sich genommen
kaum zu handhaben sind. Zunächst natürlich die Komplexität der lebendigen Natur:
Einzeller, multizellulare Organismen, Biotope, Ökosysteme bis hin zur Ökosphäre
des gesamten Planeten. Kulturelle Komplexität: Sozialverhalten der Massen und des
Einzelnen, psychologische Unwägbarkeiten (wir sind genetisch schließlich Steinzeit-
menschen, und die Konfrontation mit der selbstgeschaffenen Techno-Pop-Atom-Bio-
tech-Kultur führt auch kulturell zu unvorhersagbaren Reaktionen). Dann ist da das
Wirtschaftssystem, dessen Lenker sich nur sehr vage der Tatsache bewußt sind, daß
ihre Wirtschaftswelt eine künstliche und von Menschenhirnen erdachte ist. Viele hal-
ten schließlich die Gesetze der Ökonomie für „so nahe an absoluter Wahrheit, wie es

46
nur möglich ist“ (Alan Greenspan laut Susan George). Und last but not least das tech-
nologische System, über das wir inzwischen eine grundlegende Wahrheit kennen:
Pannen werden eintreten. Und diese Pannen können heutzutage das Ende des Lebens,
wie wir es kennen, bedeuten.

Wirtschaft ist ein Sub-System der irdischen Biosphäre und wird dies auch bleiben, es
sei denn, sie würde eine Wandlung durchmachen, nach der sie nicht mehr der Erhal-
tung menschlichen Lebens, sondern vielmehr der Selbsterhaltung von Technologie
dienen würde. Vielleicht ist dies die einzig logische allerletzte Konsequenz des einge-
schlagenen Weges: Am Ende der Vernichtung und Technologisierung allen Lebens
steht die Abschaffung auch des Menschen bzw. seine völlige Unterordnung unter das
technologische Diktum.

Und in Wahrheit ist alles noch viel komplizierter. In den letzten drei, vier Jahren gab
es z.B. eine Reihe überraschender Forschungsergebnisse, die auf völlig neue, unge-
ahnte Zusammenhänge hindeuten. Zellen scheinen mittels Biophotonen Informatio-
nen auszutauschen. Organismen scheinen tatsächlich eine feinstofflicher Ebene zu
besitzen, deren genauere Natur bisher in keinster Weise wissenschaftlich verstanden
ist. Experimente mit Fernheilung durch Qi Gong Heiler zeigen unter knallharten ex-
perimentellen Bedingungen positive Ergebnisse. Wasser wird von Physikern als Trä-
ger einer seltsamen Information erkannt, die sich anscheinend gedanklich beeinflus-
sen läßt. All dies sind Erkenntnisse, die nicht recht in das etablierte mechanistisch-
wissenschaftliche Bild passen wollen. Noch vor einem Jahrzehnt wurden derlei Ideen
von praktisch allen Wissenschaftlern milde belächelt und als esoterischer Unfug ab-
getan. Aber diese Dinge sind real, und die Erforschung der Biophotonik wird in
Deutschland inzwischen sogar vom Bundesforschungsministerium finanziert. All dies
zeigt nur um so deutlicher, wie entsetzlich wenig wir über die tieferen, wirklichen
Zusammenhänge in der Natur wissen. Was tun wir der Natur an, wenn wir sie nach
Gutdünken blind tastend und tapsend in der Dunkelheit manipulieren und verändern?
Und: Wo bleibt der Respekt vor ihr - was auch Respekt vor uns selber bedeutet? Wir
werden keine Zukunft ohne Biotechnologie erleben. Und wir werden völlig neue Er-
kenntnisse haben, die uns vor große ethische Entscheidungsprobleme stellen wird.

Ich halte es da sogar eher mit dem bisweilen fast buddhistisch klingenden Albert
Schweitzer:

Was ist das Erkennen, das gelehrteste wie das kindlichste: Ehrfurcht vor dem Leben,
dem Unbegreiflichen, das uns im All entgegentritt und das ist, wie wir selbst, ver-
schieden in der äußeren Erscheinung und doch innerlich gleichen Wesens mit uns,
uns furchtbar ähnlich, furchtbar verwandt, Aufhebung des Fremdseins zwischen uns
und anderen Wesen.

47
Trojanische Gene und tödliche Einfälle
Einige weitere Beispiele aus der farbenfrohen Welt der Gentechnik.

Trojanischer Lachs

Einige Wissenschaftler haben darauf hingedeutet, daß transgener Fisch nicht in der
Lage sein wird, in einer natürlichen Umgebung mit seinen wildlebenden Artgenossen
zu konkurrieren. Ihrer Ansicht nach ist der transgene Fisch gegenüber der durch Jahr-
millionen währende Selektion gestärkten Wildpopulation im Nachteil. Wenn dem so
wäre, würden in die Wildnis entfleuchte transgene Fische und deren Nachkommen
letztlich von den zäheren Wildfischen verdrängt werden, könnten sich nicht durchset-
zen und stellten entsprechend keine Gefahr für die Umwelt dar.
Dieses Szenario vermindert auf den ersten Blick die vielen Befürchtungen im
Zusammenhang mit der Freisetzung transgener Lebewesen. Allerdings haben Biolo-
gen der Purdue University Forschungsergebnisse vorgelegt, die ein etwas anderes
Szenario wahrscheinlich erscheinen lassen. Demnach hätten die transgenen Fische
trotz ihrer ökologischen Behinderung Vorteile bei der Partnerwahl, da die männlichen
Tiere beispielsweise erheblich größer werden und wesentlich schneller zur Geschlechts-
reife gelangen. Sie würden also ihre Gene an die nächste Generation weitergeben, die
jedoch zugleich weniger widerstands- und anpassungsfähig und damit weniger fit für
den Kampf ums Dasein wäre, als ihre vermeintlich durch die Evolution gestärkten
Artgenossen.
Letztendlich wird die originäre Wildpopulation vernichtet, und die transgenen
Nachkommen der im Labor erzeugten Fische wäre nicht in der Lage, unter Wild-
bedingungen zu überleben. Schließlich wären beide Arten zum Aussterben verurteilt.
Die Forscher sprechen hier vom „Trojanischen Gen-Effekt“, und man sollte dabei
nicht vergessen, daß dieser ausgerechnet Arten trifft, von denen bereits jetzt viele
unmittelbar vom Aussterben bedroht sind.

(Basierend auf: „Fishy Business“ in Nucleus, The Magazine of the Union of Concerned
Scientists, Vol. 22, No 4, Winter 2000-2001).

Versehentlich erzeugte Killerviren verursachen Massensterben bei Labormäusen

Angeblich waren die beiden australischen Molekulargenetiker Ronald Jackson und


Ian Ramshaw lediglich auf der Suche nach einer Methode, um Mäuse in freier Wild-
bahn unfruchtbar zu machen und so eine effektive Technik zur Kontrolle der Mäuse-
population zu entwickeln. Dies ist an sich bereits ein Eingriff in das natürliche Gefü-
ge, dessen Folgen schwer absehbar sind, aber es kam weitaus schlimmer.
Es entstand - angeblich völlig unverhofft - aus einem vergleichsweise unge-
fährlichen Mäusevirus ein Killer mit niemals vorher beobachteten Eigenschaften. In-
nerhalb weniger Tage lösten sich die inneren Organe der Tiere regelrecht auf, die
Todesrate lag bei genau 100 Prozent, und selbst geimpfte Tiere wurden infiziert. Ebo-
la erscheint dagegen wie ein vorübergehender Schnupfen.

48
Hintergrund der Geschichte ist die Absicht, einen biologischen Krieg gegen die von
Europäern in Australien eingeschleppten Mäuse zu führen, die Schäden in Milliarden-
höhe verursachen (die Mäuse - die von uns Europäern hervorgerufenen Schäden sind
mit Geld wohl kaum zu beziffern). Da andere Strategien „zu hohe Kosten“ verursa-
chen, versucht man es nun mit künstlichen Infektionen. Dazu entwickelten die beiden
Doomsday-Forscher einen neuen Erreger auf der Basis des nicht übermäßig gefährli-
chen Mäusepocken Virus, in das zusätzlich ein Gen für Interleukin-4 eingebaut wur-
de. IL-4 ist ein natürlicher Botenstoff, der die Immunantwort der Tiere bremst. Die
Zahl der Antikörper wird drastisch reduziert, und die ansonsten harmlose Infektion
verläuft nun absolut tödlich.

Nun sind Menschen bekanntlich auch nur Tiere, und Mäuse werden aus einem einfa-
chen Grund als medizinische Labortiere genutzt: Durch einen seltsamen Zufall der
Evolution ist ihr Immunsystem dem des Menschen ausgesprochen ähnlich. Tatsäch-
lich hat Interleukin 4 beim Menschen dieselbe Wirkung wie bei Mäusen, und jeder
sonst harmlose Virus mit einem Gen für Interleukin 4 könnte nicht mehr und nicht
weniger als das Aus für die gesamte Menschheit bedeuten. Anstatt diese Forschungs-
ergebnisse zu vernichten, publizierten die beiden Wissenschaftler ihre Ergebnisse -
mit freundlichem Gruß an alle größenwahnsinnigen Waffennarren dieser Welt - und
arbeiten bereits an neuen Viren zur Bekämpfung etwa von Kaninchen, Ratten und
streunenden Katzen. Auch in anderen Ländern - etwa in Kanada - gehen die Experi-
mente weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit fröhlich weiter. Die demokrati-
sche Kontrolle ist gleich null.

Besonders beunruhigend an diesen Vorgängen sind zwei weitere Aspekte:

Die beiden Forscher zeigten sich offiziell überrascht über die Aggressivität des ent-
standenen Interleukin-Virus, obwohl sie selber bereits einige Jahre zuvor über die
Auswirkungen von Interleukin auf das Immunsystem publiziert hatten.

Bisher war es geradezu ein Dogma, daß Viren durch derartige Manipulationen auf-
grund ihrer evolutionären Perfektion eher harmloser als gefährlicher werden. Was
hier tatsächlich entstanden ist, ist jedoch ein Verwandter des ‚AIDS‘ Virus, der sich
ungehindert durch Tröpfcheninfektion überträgt und nicht nur das Immunsystem
schwächt sondern zugleich die tödliche Sekundärinfektion mit sich führt.
Ganz ähnliche Risiken entstehen durch transgene Tiere, etwa Schweine mit
Menschengenen zur Organtransplantation. Natürlich vorkommende Viren, die nor-
malerweise keine Gefahr für uns Menschen darstellen, erhalten hier ein Trittbrett, auf
dem sie die ohnehin durchlässigen Grenzen zwischen den Spezies überschreiten kön-
nen. Am Ende stünden uns möglicherweise Maul- und Klauenseuche oder die Schwei-
nepest in der Version 2.0 für den Menschen ins Haus. Auch den hirnerweichenden
Prionenvarianten und dem wohl durch sie verursachten BSE und CJS würde so der
Weg frei gemacht.

49
Hierzu paßt auch eine weitere Schlagzeile aus dem Jahr 2001:

Gefährliche Experimente mit Viren in London

Eine renommierte Forschungseinrichtung in London muß nach der Verletzung von


Sicherheitsbestimmungen über 140000 Mark Strafe zahlen. Die Forscher vom Impe-
rial College wurden für schuldig befunden, die Öffentlichkeit und Laborpersonal ge-
fährdet zu haben.

Die Wissenschaftler hatten unter Mißachtung gängiger Sicherheitsbestimmungen


Hepatitis C- und Denguefieber-Viren miteinander gekreuzt. Beide sind bedrohliche
Krankheitserreger, deren Kombination noch weit gefährlicher ist als das einzelne Vi-
rus. Das Labor war gänzlich ungeeignet für diese Art von Experimenten, berichtet die
untersuchende Aufsichtsbehörde. Bauliche Unzulänglichkeiten, Fehler in der Abfall-
entsorgung sowie falsche Verhaltensregeln werden dem Labor vorgeworfen.

Das Imperial College drückte sein Bedauern aus und betonte, daß niemand geschä-
digt worden sei. Die beteiligten Wissenschaftler gaben keinen Kommentar ab. Die
Versuche, die der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Hepatitis C
dienen sollten, wurden eingestellt.
Quelle: Science now, 30.07.2001, zugesandt von Martin Sundermann, Greenpeace
Dortmund

Lug und Betrug auf Regierungsebene in USA


(Zur Verfügung gestellt von Dr. Sabine Voigt, agrarwissenschaftliche Referentin der
PDS im Bundestag)

US-Anwalt enthüllt:

Amerikanische Regierung täuscht die Welt über Gesundheits- und Umweltrisiken von
Gentech-Lebensmitteln und -Pflanzen

Auf Einladung der Bundestagsfraktion der PDS informierte der US-Anwalt Steven
Druker über die brisante Problematik der Täuschung von Verbrauchern und die Ma-
chenschaften der Lebensmittel-Zulassungsbehörde und der Regierung in den USA
bezüglich der Risiken von Gen-Food.

Die Veröffentlichung interner Akten der obersten amerikanischen Zulassungsbehörde


für Lebensmittel und Medikamente (FDA - Food and Drug Administration) deckte
auf, wie Warnungen von FDA-Wissenschaftlern verheimlicht und Fakten falsch dar-
gestellt wurden, um der Biotech-Industrie zu nützen. Dieses Fehlverhalten der Regie-
rung wurde durch den von Druker angestrengten Rechtsstreit aufgedeckt. Dr. Druker
erhielt die Kopien dieser internen Akten (mehr als 44000 Seiten), da er im Mai 1998
gegen die Behörde Klage einreichte.

50
Der amerikanische Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Steven M. Druker reiste (...)
im Auftrag von 26 Verbraucher- und Umweltorganisationen durch Europa. Er infor-
mierte darüber, wie durch interne Akten der amerikanischen Zulassungsbehörde er-
sichtlich wurde, daß diese die Welt seit fast einem Jahrzehnt über die Risiken gen-
technisch veränderter Lebensmittel getäuscht hat.

Er will mit der Klage obligatorische Sicherheitsuntersuchungen sowie die Kennzeich-


nung aller gentechnisch manipulierten Lebensmittel durchsetzen. Bei der Vorberei-
tung des Prozesses vereinigte Dr. Druker eine große Zahl hervorragender anerkann-
ter Bio-Wissenschaftler und religiöser Persönlichkeiten in einer Gemeinschaftsklage.

Die FDA gibt zu, daß sie unter der Direktive arbeitet, die US-Biotech-Industrie zu
fördern. Unter dieser Direktive wurde die FDA angewiesen, ihre Richtlinien auf der
Prämisse zu gründen, daß sich Gen-Food im wesentlichen nicht von konventionellen
Lebensmitteln unterscheidet. Dies traf jedoch auf den starken Widerstand ihrer eige-
nen Wissenschaftler. Einige Experten der amerikanischen Lebensmittelbehörde pro-
testierten gegen die Gleichsetzung von gentechnischer und konventioneller Züchtung.
Schriftliche Mitteilungen vieler FDA-Experten stellten die wissenschaftlich anerkannte
Tatsache heraus, daß sich durch Gentechnik die biochemischen Reaktionswege im
gesamten Organismus verändern und unerwartete Toxine und Allergene in unbekann-
ten Mengen erzeugt werden. Folglich warnten sie, ein gentechnisch erzeugtes Le-
bensmittel könne nicht als unbedenklich angesehen werden, bevor es strenge
Sicherheitsuntersuchungen durchlaufen hat. Eine Reihe dieser schriftlichen Mittei-
lungen befinden sich auf der Website www.biointegrity.org. Beispielsweise erteilte die
FDA die Marktzulassung für die erste von ihr überprüfte gentechnisch manipulierte
Gemüsesorte (flavr-savr-Tomate) und erklärte deren Unbedenklichkeit, obwohl FDA-
Wissenschaftler ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, daß Laboruntersuchungen
erhebliche Gesundheitsrisiken aufzeigten. Bewußt wurden Fakten falsch dargestellt,
um Gentech-Lebensmittel vermarkten zu können.

Druker stellte die Einzelheiten dieser Vertuschungen durch die US-Regierung und die
Mängel aller derzeitigen Zulassungssysteme dar. Insbesondere ging er darauf ein,
daß die FDA-Wissenschaftler in ihren Stellungnahmen auf die Schwäche des Kon-
zepts der „wesentlichen Gleichwertigkeit“ und auf die Mängel der darauf beruhen-
den Sicherheitsuntersuchungen hingewiesen hatten. Der Marktzulassung gentechnisch
manipulierter Lebensmittel in der EU liegt die gleiche Logik zugrunde, und sie stützt
sich auf die offiziellen Aussagen der FDA.

Die Fakten beweisen einwandfrei: Im Namen des Profitums wird die Existenz der
Menschheit oder gar allen Lebens aufs Spiel gesetzt. Die Dinge sind auf diesem Feld
- wie in vielen anderen Bereichen - vollends außer Kontrolle geraten. Jeder muß am
Ende selber entscheiden, wie seines Erachtens die von der Biotech-Industrie und den
Bauernverbänden immer wieder geforderte „vernünftige Diskussion“ auszusehen hat.
In Anbetracht der teils wirklich ungeheuerlichen Vorgänge kann man meines Erach-
tens gar nicht vorsichtig und mißtrauisch genug sein.

51
Gerade eben (25.03.) kam wieder eine Pressemeldung herein: Über die Köpfe der
Bevölkerung hinweg sollen fünfzig Tonnen versuchsweise angebauter Genmais zum
Verkauf unter andere Ernten gemischt werden. In Deutschland, unter völliger
Ignorierung jeglicher Fakten und demokratischer Prinzipien. Selbst eine Studie der
staatlichen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) weist nach, daß etwa
eine Maissorte mit gentechnisch hergestellter Resistenz gegen ein Insekten-
vernichtungsmittel namens „Basta®“ zu mehr Gifteinsatz führt.
Mehr Schadstoffe in der Umwelt und in der Nahrung, und das zu höheren
Kosten für die Bauern bei unabsehbaren Nebenwirkungen für Umwelt und Verbrau-
cher. Biologische Wirkungen sind häufig nicht sehr stark von der Dosis abhängig -
gerade auf molekularer und zellularer Ebene. Botenstoffe wirken beispielsweise eher
wie das Drücken eines Schalters: Es ist egal, ob der Schalter ganz leicht gedrückt
wird, oder mit einem Holzhammer - die Wirkung bleibt gleich. Auch geringste Bei-
mengungen möglicher „Schaltersubstanzen“ in der Nahrung sind also nicht unproble-
matisch.

Die Macht der Giftlobby ist wahrlich erstaunlich.... Die weltweit agierenden Herstel-
ler der Gifte sind obendrein zugleich die Hersteller der gentechnisch veränderten Pflan-
zen, die gegen die Gifte resistent sind. Wem derlei Verwicklungen nicht seltsam vor-
kommen, dem ist nicht zu helfen. Die Konzerne wollen nur eins: unser Geld. Hallo!
Aufwachen!

52
Einige Begriffe zum Thema Gentechnik

Aminosäuren: Die Bausteine der Proteine (Eiweißketten), welche nach Vorgabe der
DNS-Informationen zusammengefügt werden.

Bakterien: Einzellige Mikroorganismen ohne Zellkern. Sie bilden den weitaus größ-
ten Teil der Biomassse auf der Erde. Dabei unterscheiden sich Bakterien untereinan-
der genetisch im Extremfall stärker, als Menschen von manchen Bakterien. Bakterien
vermehren sich geschlechtslos, können aber Erbanlagen untereinander sowie mit Vi-
ren austauschen und Erbanlagen aus der Umwelt aufnehmen (etwa in Form sog. freier
Plasmide - siehe unten)

Basen: In der Molekularbiologie sind mit diesem Begriff die Bestandteile der
Nukleotide gemeint- das sind DNS-Untereinheiten. Die genetische Information wird
durch die vier DNS-Basen Adenin (A), Cytosin (C), Thymin (T) und Guanin (G)
festgelegt, die jeweils in Dreierkombinationen vorliegen (Triplets).

Basenpaar: Die Basen Cytosin und Guanin bzw. Adenin und Thymin bilden in einem
DNS-Doppelstrang jeweils Zweierkombinationen, welche in schwachen Wasserstoff-
bindungen gebunden sind. Alle diese Bindungen zusammen verbinden die beiden DNS-
Stränge der Doppelhelix.
Chromosomen: Platzsparende Aufwicklung der DNS im Zellkern. Menschliche
Körperzellen enthalten je 23 Chromosomen-Paare, mithin insgesamt 46 Chromoso-
men. Das eine große DNS-Molekül bei Bakterien nennt man ebenfalls Chromosom.
Der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet Farbkörper. Er rührt daher, daß
die Chromosomen mit speziellen Färbemitteln sichtbar gemacht werden können. Für
die Replikation wird die DNS von den Chromosomen regelrecht abgewickelt.

Cytoplasma: Der Inhalt einer Zelle mit Ausnahme des Zellkerns. Es besteht aus ver-
schiedenen Zellorganellen - funktionellen Einheiten, eingelagert in ein flüssiges
Medium, das Salze, Spurenelemente, Enzyme und Vitamine enthält, die zur
Zellfunktion nötig sind..

DNS/Desoxyribonukleinsäure: (engl. DNA, deoxyribonucleic acid) Chemische Be-


zeichnung des Erbmoleküls fast aller Organismen - mit Ausnahme einiger Viren, bei
denen die RNS (siehe unten) zur Speicherung der Erbinformation dient. In der DNS
sind alle Informationen enthalten, welche der Herstellung der für die Körperfunktionen
und den Körperaufbau notwendigen Eiweiße zugrunde liegen. Sie setzt sich aus ketten-
artig verbundenen Nukleotiden zusammen, deren Abfolge die Erbinformation be-
stimmt.

Dominantes Gen: Gen, welches sich bei der Vermehrung mit größerer Wahrschein-
lichkeit durchsetzt (siehe rezessives Gen). Beispiel: Das Gen, welches die Eigenschaft
„dunkle Haare“ kodiert, ist dominant, setzt sich also mit größerer Wahrscheinlichkeit
durch.

53
Doppelhelix: Die beiden spiralig ineinander verschlungenen strickleiterartigen DNS-
Stränge.

Enzyme: Proteine, durch welche chemische Reaktionen beschleunigt werden, soge-


nannte Biokatalysatoren, wozu auch die völlig andersartigen Vitamine gehören.

Epigenese/epigenetische Vererbung: Gene können an- oder abgeschaltet werden,


d.h., obwohl ein Gen vorhanden ist, bleibt es evtl. funktionslos, und die von ihm
kodierte Eigenschaft kommt nicht zum Ausdruck - das kodierte Protein wird nicht
erzeugt. Wie sich kürzlich herausgestellt hat, können epigenetische „Schalterstellungen“
durch Umwelteinflüsse verändert werden, die weit unterhalb der Schwelle liegen, die
für echte Mutationen erforderlich sind. Zugleich überraschte die Erkenntnis, daß
epigenetische Informationen vererbbar sind, was ein neues Licht auf die Evolution
des Lebens werfen könnte, denn Lebewesen sind anscheinend noch weit wandlungs-
und anpassungsfähiger, als bis dato vermutet.

Eukaryot: Lebewesen, dessen Zellen einen Kern aufweisen (aus griechisch.: Eu =


reich, Karios = Kern).

Exprimieren: Ausdruck eines Gens in seinem Endprodukt (Protein) - das Gen ist
angeschaltet.

Expressionsmuster: Muster, das sich bei der Analyse der Genaktivität innerhalb ei-
ner Zelle ergibt.

GATTACA: Basenabfolge eines Genabschnittes, die zum Filmtitel wurde. In seinem


Film mit Uma Thurman und Ethan Hawke beschreibt Andrew Niccol die Geschichte
eines normalen Mannes in einer Welt voller gentechnisch aufgewerteter Super-
menschen. Normale Menschen haben keinen Zugang mehr zu höherer Bildung, geho-
benen Positionen oder der Teilnahme an der Erforschung des Weltraumes - dem gro-
ßen Traum des Helden. Eine Zwei-Kasten-Gesellschaft mit totaler Überwachung bis
hinunter auf die molekulare Ebene unserer Biologie ist entstanden - und der Held
trickst sie phantasievoll aus.

Gen: Ein bestimmter Abschnitt der DNS eines Chromosoms, dessen Länge sich aller-
dings von Gen zu Gen unterscheidet. Vor allem enthält ein Gen die Information, die
zur Produktion eines bestimmten Eiweißes/Proteins benötigt wird. Zudem bestimmt
seine Position im Genom weitere Funktionen - etwa das An- und Abschalten anderer
Gene. Möglicherweise ist ein Gen auch an der Produktion mehrere verschiedener
Proteine im Zusammenspiel mit anderen Genen beteiligt. Man spricht von Pleiotro-
pie- Effekten.

Gendiagnose: Oberbegriff für alle Methoden die der Feststellung von Erbkrankhei-
ten oder Neigung zu bestimmten genetisch mitverursachten Krankheiten dienen. Wich-
tig ist dabei zu beachten, daß eine genetische Neigung (etwa zu Herzkrankheiten oder
bestimmten Krebsarten) häufig nur die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Erkran-

54
kung erhöht, deren Ausbruch stark von Umweltbedingungen und Lebensgewohnhei-
ten (Ernährung, Streß etc.) abhängt. (siehe auch „Gen Screening“).

Genetischer Code: Bezeichnet die Beziehung zwischen der Nukleotidreihe in einem


Gen und der entsprechenden Aminosäurekombination in einem Protein.

Genetischer Fingerabdruck: Populäre Bezeichnung für eine Methode, die anhand


des Expressionsmusters die sichere Identifizierung eines Individuums erlaubt. Ganz
wesentlich dabei ist die Polymerase Chain Reaction (PCR) -Technik (siehe unten),
die eine Vermehrung und somit Verstärkung auch winzigster Spuren von Erbmaterial
ermöglicht. Anwendungen in der Kriminalistik und z.B. bei Vaterschaftstests, aber
auch in der Archäologie und Anthropologie. Potentiell Möglichkeit absoluter Kon-
trolle und Überwachung der gesamten Bevölkerung durch fortgeschrittene Analyse-
methoden.

Genexpression: Der Umstand, daß ein Gen aktiviert ist und die Bildung des zugehö-
rigen Proteins stattfindet (siehe exprimieren).

Gene Pharming: Die Klonierung (Vervielfältigung) von gentechnisch manipulierten


Lebewesen, die einen pharmazeutischen Wirkstoff hervorbringen sollen, der dann -
etwa über die Milch - ausgeschieden wird.

Genfähre: siehe Vektor

Genlocus: Locus = Ort. Die Lage eines Genes auf seinem Chromosom.

Genom: Die gesamte Erbsubstanz (DNS) eines Einzelwesens oder auch einer ganzen
Art. Man kann mithin vom Genom einer bestimmten Person oder Pflanze sprechen,
oder aber auch vom Genom des Mais oder des Menschen an sich (man denke an das
Human Genome Project).

Gen Screening: Analyse des gesamten Genoms eines Individuums, etwa um gene-
tisch bedingte Krankheiten festzustellen. Problematisch ist der Umgang mit den ge-
wonnenen Daten, etwa der Anspruch von Versicherungen auf die Daten, was z.B.
Patienten mit einem höheren Kostenrisiko vom Versicherungsschutz ausschließen und
das Solidaritätsprinzip aushöhlen könnte. Völliger Verlust der Privatheit möglich (glä-
serner Mensch).

Gentechnik: Oberbegriff für alle Verfahren zur labortechnischen Manipulation des


Erbguts.

Gentherapie: Oberbegriff für alle Bemühungen, Krankheiten zu heilen, indem Gene


z.B. mit Hilfe von manipulierten Viren direkt in die Zellen eingeschleust werden, um
dort die Erbanlagen zu verändern. Bisher keine nennenswerten Erfolge. Merkwürdig:
Es besteht großes Interesse von militärischen Seiten an dieser Technologie.

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Gläserner Mensch: Völliger Verlust der Privatheit durch absolute Kontrolle auf al-
len Ebenen, auch unter Einsatz von Gen-Screening, genetischem Fingerabdruck und
anderen biometrischen Überwachungsmethoden.

Herbizidresistent: Unempfindlich gegen Pflanzenvernichtungsmittel.

Histologie: Untersuchung von Zellen und Geweben unter dem Mikroskop.

Hormone: Botenstoffe mit zahlreichen Funktionen in allen lebenden Organismen

Human Genome Project (HGP): Internationales Projekt, um das Erbgut des Men-
schen zu entschlüsseln und die Bedeutung der einzelnen Gene zu verstehen.

Human Genome Organization (HUGO): Dachorganisation des HGP.

Inserieren: Bezeichnet das gentechnische Einfügen neuer DNS-Abschnitte in DNS-


Moleküle.

Keimbahntherapie: Behandlung von Ei- oder Samenzellen durch gentechnische Ein-


griffe (etwa Austausch eines Genes). Keimbahnzelleneingriffe sind in Deutschland
bisher verboten (Stand Anfang 2002).

Klon: Erbgleiche Nachkommen eines Individuums/Bakteriums. Klone kommen na-


türlich vor etwa in der Form von Mehrlingsgeburten. Bei Pflanzen können ohne gen-
technische Methoden Klone aus den Zellen erwachsener Pflanzen gewonnen werden.

Klonen/Klonieren: Herstellung genetisch identischer Organismen. Auch Grund-


operation der Gentechnik, bei der z.B. in sogenannten PCR-Maschinen DNS in belie-
biger Menge kopiert werden kann. Ebenfalls Bezeichnung für alle Verfahren zur Er-
zeugung genetisch identischer Nachkommen eines Organismus. Das Klonen erwach-
sener Tiere und Menschen ist ebenfalls seit einiger Zeit möglich, indem die DNS
eines erwachsenen Individuums in eine entkernte Eizelle eingefügt wird. Die erste
derartige Klonierung wurde bereits Anfang der 70er Jahre von Prof. John Hancock an
Fröschen demonstriert. Wie sich bald herausstellte, treten jedoch bei der Klonierung
allerlei Probleme auf - geklonte Säugetiere altern beispielsweise schneller und leiden
an unterschiedlichsten Problemen - wie etwa Arthrithis im Falle des Schafes Dolly
und unkonntrollierbare Wucherungen etc.. Auch kamen bisher mehrere hundert er-
folglose Versuche auf eine erfolgreiche Klonierung.

Mendelsche Gesetze / Mendel-Regeln: Gesetze der Vererbungslehre, benannt nach


dem österreichischen Forscher und Augustiner Mönch Gregor Mendel (1822 - 1884).
Durch Kreuzungsversuche mit Erbsen und Bohnen, bei denen über dreizehntausend
Bastarde entstanden, entdeckte Mendel, daß die Vererbung klar definierter Eigenschaf-
ten vergleichsweise einfachen kombinatorischen Regeln unterliegt, wobei das Vor-
handensein dominanter und rezessiver Gene eine wesentliche Rolle spielt.

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Mutationen: Natürliche Änderungen der Erbanlagen, welche in einer veränderten
Reihenfolge der Nukleotide resultiert. Mutationen können spontan auftreten oder durch
äußere Einflüsse wie Strahlung oder chemische Wirkungen ausgelöst werden. Die
meisten Mutationen sind negativ - beeinflussen also die Funktion des Zellstoffwechsels
nachteilig. In der Regel werden solche Zellen vom Organismus erkannt und entfernt,
bzw. die DNS ist in der Lage, den Fehler zu beheben. Bisweilen aber entarten die
Zellen, was zu Wucherungen und Krebs führen kann. In seltenen Fällen ist die Muta-
tion positiv und beeinflußt den Stoffwechsel oder die DNS-Replikation nicht und bringt
evtl. sogar einen Vorteil für das Lebewesen mit sich, der an die Nachkommen weiter-
gegeben wird. Dieser Prozeß liegt vermutlich ganz wesentlich der Entstehung der
Arten zugrunde (Mutation und Selektion nach Darwin).

Nukleinsäuren: Chemischer Oberbegriff für biologische Moleküle, die Informatio-


nen speichern.

Nukleotide: Grundbausteine der DNS. Jedes Nukleotid setzt sich aus einer Zucker-
einheit zusammen, welche an eine Base gebunden ist. Phosphatreste binden die
Nukleotide zu DNS-Strängen.

Oligonukleotid: Kette von mehreren bis zu etlichen hundert verknüpften Nukleotiden.

Onkogen: Ein Gen, das für die Umwandlung einer Körperzelle in eine Krebszelle
verantworlich ist.

Plasmid: Kleines, ringförmiges Erbmolekül, das etwa in Bakterien und auch ver-
schiedenen Pflanzen frei im Zellraum vorliegt. Durch freie Plasmide kann ein Aus-
tausch von Erbinformationen prinzipiell auch über Art und Gattungsgrenzen hinweg
erfolgen. Plasmide werden auch als „Genfähren“ eingesetzt, um ein neues Gen in eine
Zelle einzuschleusen.

Pleiotropie: Der Umstand, daß ein Gen mehrere Merkmale beeinflussen kann.

Polymerase-Kettenreaktion/PCR: (eng.: polymerase chain reaction) - Polymerasen


sind eine Klasse temperaturresistenter Enzyme, durch welche die Vervielfältigung
von DNS ermöglicht wird. Das Verständnis der PCR macht die großtechnische Mani-
pulation und Analyse von Erbgut überhaupt erst möglich. Die PCR-Technik brachte
Kary Mullis 1993 den Nobelpreis ein. Ohne die Vermehrung der DNS durch die PCR-
Reaktion wäre etwa die Technik des sogenannten „genetischen Fingerabdruckes“
nicht möglich.

Polymorphismus: Vielgestaltigkeit - die Tatsache, daß innerhalb einer Population


ein Gen in zahlreichen Varianten vorkommen kann.

Prokaryoten: Lebewesen ohne echten Zellkern, etwa Bakterien.

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Proteine/Eiweiße: Bausteine der Zellen sowie quasi als Werkzeuge funktionierende
Bestandteile (wie Enzyme und Hormone). Sie setzen sich aus Aminosäureketten zu-
sammen, wobei die Struktur (quasi die Art und Weise, wie die Ketten im Raum aufge-
wickelt sind) hochgradig mit über die Funktion entscheidet. Man denke an die Prio-
nen, deren eine Version harmlos ist, während der gespiegelte Zwilling mit an Sicher-
heit grenzender Wahrscheinlichkeit zu tödlichem BSE bzw. beim Menschen CJK führt.

Rezessives Gen: Gen, welches sich bei der Vermehrung mit geringerer Wahrschein-
lichkeit durchsetzt (siehe auch dominantes Gen). Beispiel: Das Gen, welches blonde
Haare kodiert, ist rezessiv, setzt sich also mit geringerer Wahrscheinlichkeit durch.

Ribosomen: Komplexe Gebilde in der Zelle, welche der Synthese (Herstellung) von
Proteinen mit Hilfe der RNA dient. Letztlich der Ort, an dem alles entsteht, was ein
Lebewesen ausmacht.

RNS/RNA Ribonukleinsäure: Hat u.a. die Funktion eines Botenmoleküles (englisch


Messenger-RNA, mRNA). Die Information zur Herstellung eines Proteins wird von
der DNA auf die RNA überschrieben, welche dann die Entstehung des Proteins einlei-
tet. Der chemische Unterschied zwischen RNS/RNA und DNS besteht in einer an-
dersartigen Zuckereinheit und dem Austausch der Base Uracil anstelle von Thymin.
Viele Viren (Retroviren) haben RNA als Erbmolekül, was zur Theorie geführt hat,
daß diese aus RNA-Bruchstücken höherer Organismen entstanden sein könnten. Eine
andere Theorie geht davon aus, daß ursprünglich nur RNA existierte und die Evoluti-
on in einer RNA-Welt begann.

Stammzellen: Vorläuferzellen, die sich teilen können. Sie sind noch undifferenziert
und können zu jeder Art von Zelle eines Organismus werden (etwa Muskelzelle, Leber-
zelle, Nervenzelle etc.).

Terminatorgen/Terminatortechnologie: Künstlich eingefügte Erbinformationen, die


verhindern, daß eine Pflanze keimfähiges Saatgut erzeugen kann. Damit sollen Bau-
ern davon abgehalten werden, ihr eigenes Saatgut zu erzeugen, womit künstlich unter
dem Denkmantel des Patentschutzes eine Abhängigkeit des Saatgutunternehmens
herbeigeführt wird.

Therapeutisches Klonen: Ethisch bedenkliche und stark umstrittene experimentelle


Methode zur Behandlung von Krankheiten. In England bereits durchgeführt. Ein
menschlicher Embryo wird dabei aus einer Körperzelle des Spenders und einer ent-
kernten Eizelle erzeugt und anschließend zur Entnahme von Material getötet.

Transgen: Als transgen werden Organismen bezeichnet, die eingefügtes, fremdes


Erbgut, das heißt, Erbgut anderer Arten, tragen. Selbst Bäume mit Menschengenen
existieren bereits. Die Mehrzahl der gentechnischen Methoden hat transgene Lebe-
wesen zur Folge.

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Translation: Übersetzung der Information in der mRNA und anschließende Erzeu-
gung des zugehörigen Proteins (siehe auch Ribosomen)

Vektor: Auch „Genfähren“. Allgemeine Bezeichnung für einen Träger von Erbanla-
gen, der dazu dient, diese in einen Organismus einzuschleusen. Als Vektoren dienen
meist bestimmte Bakterien und Viren. Hierbei kann es unverhofft zur Entstehung völ-
lig neuer Organismen mit unerwarteten Eigenschaften kommen - die Entstehung ex-
trem aggressiver Krankheitserreger ist nicht auszuschließen. Es sind bereits mehrere
solche Fälle bekanntgeworden.

Virus: Quasi-Organismus ohne eigenen Stoffwechsel und ohne eigene Fähigkeit zur
Vermehrung. Viren sind darauf spezialisiert, andere Organismen - vom Einzeller bis
zum Menschen - für ihre Zwecke auszunutzen. Dazu docken sie an den Zellen an,
schicken ihre RNA in die Zelle und programmieren diese in ihrem Sinne um. Die
Zelle produziert anschließend Virus-Erbgut sowie Virus-Proteine zur Aufnahme des
erzeugten Erbgutes. In der Regel sind Viren perfekt angepaßt an ihre Wirte - eine
tödliche Krankheit dürfte als Fehlanpassung anzusehen sein. Die Manipulation von
Viren - etwa durch ihren Einsatz als Genfähren (Vektoren, s.o.) könnte solche Fehlan-
passungen hervorrufen. Viren lassen sich nur sehr schwer bekämpfen. Da sie keinen
Stoffwechsel besitzen, sind Stoffwechselgifte vollkommen wirkungslos (wie etwa
Antibiotika).

Wasserstoffbrücken: Eine vergleichsweise schwache chemische Bindung, die rela-


tiv leicht gelöst und wieder neu eingegangen wird.

Xenotransplantation: Artübergreifende Organverpflanzung. Man unterscheidet Dis-


kordante X., bei der Spender und Empfänger zwei verwandtschaftlich weit voneinan-
der entfernten Arten angehören, sowie Konkordante X., bei der Spender und Empfän-
ger zu nahe miteinander verwandten Arten gehören. Gentechnische Manipulationen
sollen mit dem Ziel durchgeführt werden, daß etwa Schweine menschliche Organe
hervorbringen. Diese Technik ist fragwürdig, da hier Viren die Möglichkeit gegeben
wird, die Speziesgrenzen zu überschreiten - mit völlig unabsehbaren Folgen.

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Einige Quellen und weiterführende Literatur

Dieser Grüne Zweig kommt mit einer kleinen Webseite, auf der es weitere Infos,
kostenloses Material, Aktualisierungen und Links, Links, Links zu aktiven Gruppen
und NGO’s gibt - nachstehende Quellen sind großenteils direkt über die Seite verfüg-
bar:

www.genterror.mindquest.de

Die beste Einführung zum Thema ist m.E. das Englische Buch „Biotechnology
Unzipped - Promises and Realities“ von Eric S. Grace, ISBN 0-309-05777-9.

In ähnlichem Umfang das fachlich sehr gute aber m.E. etwas zu unkritische Buch
„Grundzüge der Gentechnik - Theorie und Praxis“ von Mechthild Regenass-Klotz,
Birkhäuser Verlag, ISBN 3-7643-5790-8.

Auch ein Lehrbuch als Empfehlung: „Microbiology - An Introduction“, von Berdell


R. Funke - eine fachlich hochkompetente, dennoch verständliche und regelmäßig auf
den neuesten Stand gebrachte Einführung in die Mikrobiologie und Biotechnologie,
Pearson Education, ISBN 0-8053-7585-6

Sonstige unter anderem verwendete Literatur:

Bitter Harvest, Nucleus - The Magazine of the Union of Concerned Scientists, Vol.
21 No3, 1999 und weitere Ausgaben (siehe auch www.ucsusa.org).
Expert Report on Biotechnology and Foods, Institute of Food Technicians, 2001.
The Monsanto Files, Sonderausgabe von „The Ecologist“, Vol. 28 No 5, 1998
Rechtliche und Politische Entwicklungen, Gentechnik Nachrichten des Freiburger
Öko Institutes Nr 27, Oktober, 2001
Transgene Gehölze in der Forst- und Landwirtschaft, Gentechnik Nachrichten
Spezial Nr. 7 des Freiburger Öko Institutes: Juni, 2001
Release of epigenetic gene silencing by trans-acting mutations, in Arabidopsis,
Ortrun Mittelsten Scheid Karin Afsar, und Jerzy Paszkowski, Proc. Natl. Acad. Sci.
USA, Vol. 95, pp. 632–637, January 1998
Chemikalien und Gentechnisch Veränderte Organismen, Veröffentlichung der
Europäischen Union, Brüssel, 2001
Terminator Unleashed, Rural Advancement Foundation International, 1999.
Killervirus aus Menschenhand, Prof. Dr. Alexander S. Kekulé, Institut für Medizi-
nische Mikrobiologie d. Univ. Halle, 2001
Black Biology - The Plague and Anthrax, American Scientist, 2001
Transitions: DNA Disaster for Monsanto, Steve Sprinkel, biotech-info.net, 2001
Declaration on the Human Genome, UNESCO, 2001
50 Tonnen Gen-Mais zum Anbau freigegeben - Gentechnik-Ernte kann in Nah-
rungsmittel gemischt werden, Greenpeace Presseerklärung vom 25. Maerz 2002
Cloned Mice Die Young, Environmental News Network, 2002

60
Human and Environmental Health Risks of Agricultural Biotechnology, Whole
Foods, 2001
Grüne Gentechnik und Biopatentrichtlinie, öffentliche Anhörung des Deutschen
Bundestages, 12.03.2001
Grüne Gentechnik: Lösung der humanitären Probleme im 21. Jahrhundert oder
Verarmung für Umwelt und Menschheit?, umfangreiche Studie von Dr. Sabine
Voigt, Agrarwissenschaftliche Referentin der PDS im Bundestag
Freisetzungen und Maulkorb für die Bürger, Dr. Sabine Voigt und Martin Sunder-
mann, 2001

Weitere Literaturhinweise im Text.

Zusatzinformationen, Kontakt, Material, etc. unter: www.genterror.mindquest.de


oder www.thiesen.info

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Anschriften gentechnikkritischer Organisationen

Gen-ethisches Netzwerk, GeN e.V. /Gen-ethischer Informationdienst (GID)


Brunnenstraße 4
10119 Berlin
Tel: 030-685 70 73
Fax: 030-684 11 83
eMail: gen@gen-ethisches-netzwerk.de

Greenpeace Deutschland - www.greenpeace.de/gentechnik


Grosse Elbstrasse 39, D 22767 Hamburg, Germany
Tel: 00 49 40 306 180 Fax: 00 9 40 306 18100
E-Mail: mail@greenpeace.de

BUND / Freunde der Erde - www.bund.net


Bundesgeschäftsstelle
Am Köllnischen Park 1
D-10179 Berlin
Fon 030 / 27 58 64 - 0

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Freisetzungsversuchen mit Kontakt-


anschriften zu lokalen Initiativen und Ansprechnpartnern:

Arche Genoah - www.arche.genoah.de


Steinstr.19
37213 Witzenhausen
Fax: 05542-98 1242
E-mail: hissting@hotmail.com
Im Internet mit einer umfangreichen Website mit Infos zu allen Standorten

Für die Genehmigungen von Freisetzungen ist zuständig:

Robert Koch Institut - www.rki.de


Nordufer 20
D-13353 Berlin
Tel.: +49 (0) 1888 754-0
FAX: +49 (0) 1888 754-2328
info@rki.de

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Weitere Bücher von Stefan Thiesen
im Buchhandel oder unter www.thiesen.info

Trek Science - Mir Warpgeschwindigkeit in die Zukunft?


Der Autor geht in einer Tour de Force der Frage nach, ob das quasi kommunistische Utopia
der Fernsehserie Star Trek technisch, philosophisch und sozial machbar wäre - oder wir
letztlich bei dem Versuch, das technokratische Paradies zu finden, unsere Zivilisation mit
Warpgeschwindigkeit vor die Wand setzen... Alles von Beamen bis Gentechnik. Was geht,
was geht nicht - und wenn es geht: macht es uns glücklicher? Ab in die Zukunft - denn dort
werden wir alle den Rest unseres Lebens verbringen! ISBN 3-934195-06-7

Rabenwelt ISBN 3-934195-04-0


Rog der Rabe schwingt sich auf, die Welt vor Rudeln durchgeknallter Hobbyjäger zu retten und
entdeckt dabei zufällig, daß die Menschheit von einer scheinbar außerirdischen Macht beherrscht
wird. Währenddessen ertränkt der fatalistische Internetmillionär Rasmus Deison seinen Welt-
frust in teurem Rotwein. Anschließend fliegt er einfach so ziemlich unmotiviert nach Hawaii,
wo er versehentlich über den Sinn des Lebens stolpert. Rog und Rasmus begegnen sich im
Traum und leiden unter akuten Verständigungsproblemen. Und dann sind da noch die Dionysi-
schen Weingeister, lauter leblose Glastürme, Meister Makani und eine seltsame hawaiianische
Jetpilotin namens Kipikoa Kalani, genannt Kia. Sie beherrscht die bisweilen überaus nützliche
Kunst, am Wind vorbeizureden und will auf keinen Fall Kipi genannt werden. Tun wir ihr halt
den Gefallen...

Rabenwelt ist eine postmoderne Novelle mit taoistischem Flair. Es geht um unsere Zukunft, um
wahre Werte. Es geht um die Frage, was wichtig ist in unserem Leben und ob die totale Unter-
werfung unter das Diktat des Geldes uns irgendwo hinführt. Welches sind die Augenblicke in
unserem Leben, die uns am meisten bedeuten? Was haben diese mit Profit und geschäftlichem
Erfolg zu tun? Und womit verbringen wir alle dennoch den Großteil unserer Lebenszeit?

Das Verbotene Buch - Marktwirtschaft und Zensur im Jahr 2000 (ehemals „Das
Buch der Macht - die Geheimlehren der Je(zensiert)-Ritter in der Version der Erdlinge“)

Durch die Androhung einer Schadenersatzklage über nicht weniger als eine viertel Millionen
Mark mußte das in weniger als 100 Exemplaren erschienene „Buch der Macht“ vom Markt
genommen werden, nur um wie der Phönix aus der Asche als „Das Verbotene Buch“ wieder
aufzutauchen. Der Inhalt ist identisch - bis auf die schönen Zeichnungen von Ludger Schnieder
und einige privat besessene Worte. Zudem gibt es als extra Leckerbissen eine vierzig Seiten
Satire über Erfahrungen und Meinungen des Autors, die sich aus dem gerade noch vermiedenen
juristischen Nahkampf mit der eiskalten Profitmaschinerie des Lucaskonzerns entwickelt ha-
ben. Die Je(zensiert)-Philosophie mag ihren ganz eigenen Reiz haben - für Lucasfilm ist sie nur
ein Markenname, ein Produkt, daß sich zu Geld machen läßt. Nicht einmal der Vorschlag des
Autors, eventuelle Gewinne aus dem Buch komplett für Kinder in der dritten Welt zu verwen-
den, fand Gehör. Die Schutzrechte des Milliardenkonzerns, so hieß es, hätten Vorrang.
Dar(zensiert) Vad(zensiert) wäre sicherlich stolz auf seinen Erfinder. ISBN 3-934195-05-9

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