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Das traditionelle Hawaiianische Ahupua’a aus Sicht des modernen integrierten

Küstenzonenmanagements

(c) 2008 Dr. Stefan Thiesen


An der Berghecke 20
35043 Marburg
thiesen@uni-muenster.de

Schlüsselwörter: Küstenzonenmanagement, ICZM, ICM, Watershed Management, Hawaii, Ahupua’a,


Polynesien, traditionelle Methoden

Abstract

Gerade in der angewandten Umweltforschung und im Umweltmanagement setzt sich die


Erkenntnis durch, daß Expertenwissen, wissenschaftliche Methodik und die Zusammenarbeit
mit einheimischen Bevölkerungen erst in ihrer Zusammenschau ein vollständiges Bild der
Realität widerspiegeln und optimierte Strategien ermöglichen. „Always listen to the Locals“,
wie einst Kofi Annan anmahnte. Rural appraisals etwa, darunter die Befragung einheimischer
Bauern, Nomaden und Fischer, gehören heute zu den Standardmethoden der geographischen
Feldforschung. Auch in Hawaii waren und sind die „Locals“ Experten ihres eigenen Landes.
Es war ihnen in den Jahrhunderten nach der Besiedlung gelungen, auf abgelegenen Inseln mit
teils schwierigen Lebensbedingungen eine Zivilisation zu errichten und zu erhalten, die zur
Zeit der Ankunft von James Cook im Jahre 1778 weit über eine Million Einwohner umfasste
[Stannard, 1989].
Ein wichtiges Schlüsselelement dieser Leistung war eine Form des integrierten Land-
und Küstenmanagements, genannt Ahupua’a, dem eine umfassende Betrachtung aller
enthaltenen ökologischen und wirtschaftlichen Einheiten von den Korallenriffen bis zu den
Plantagen der kühlen Hochgebirgsregionen zugrunde lag. Das Ahupua’a System geht dabei in
vielen Punkten noch über modernes Watershed Management hinaus, und die US-
Amerikanische National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) hat das Ahupua’a
Konzept bereits 2001 offiziell in ihre langfristige Planung aufgenommen, um es wieder für
das integrierte Küstenzonenmanagement vor allem besonders gefährdeter Zonen – zunächst in
Hawaii – einzusetzen.

Anzunehmen die Integration traditioneller Methoden in modernes Umweltmanagement würde


einen Rückschritt bedeuten, basiert auf einer falschen Wahrnehmung. Eine genauere
Betrachtung des Ahupua’a etwa zeigt, daß sich hier viele Aspekte wiederfinden, die auch Teil
unserer aktuellen Diskussionen über Umwelt- und Bioethik sind. Eines der pragmatischen
Kernkonzepte ist aus vielen Kulturen bekannt: nicht mehr zu nehmen, als man braucht.
Darüber hinaus existiert aber eine tiefe Verwurzelung in der Inselumwelt, die im Wort
„Umwelt“ vollkommen verloren gegangen ist. Es geht nicht um Management, Verwaltung
also, sondern um „aloha aina1“ - dem, das einen ernährt, mit einer Einstellung der
Gegenseitigkeit, ja mit Liebe, begegnen, und „malama aina2“ - der Verpflichtung, diese
Ressource des Lebens zu hegen und zu pflegen.
Naturgemäß war man sich auf den polynesischen Inseln schon immer deutlich der
Endlichkeit der Ressourcen bewußt, und trotz der spirituellen Elemente der alten Ansätze
handelt es sich beim Ahupua’a um eine vom Menschen geprägte und intensiv genutzte
Kulturlandschaft, die von Wäldern und Hochlandfeldern bis zu den riesigen Fischteichen der
Lagunen und den Riffen selber reichte. Nur ist es den Hawaiianern über die Jahrhunderte
gelungen, in diesem Rahmen mit der Natur eine symbiotische und auf Gleichgewicht
beruhende anstelle einer eher parasitischen Beziehung zu finden [Taum, 2007]. Und um im
Bild zu bleiben: die Erde als ganzes ist heute eine übervölkerte Insel.

1
Wörtlich: „Liebe zum lebendigen Land“, wobei Aloha selbst „Atem des Lebens“ heißen kann
2
Wörtlich: „Sich kümmern um das lebendige Land“

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