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Sind künstliche CO2 Senken durch Ozeandüngung ein möglicher

Lösungsbeitrag zum Problem des globalen Klimawandels?

Eine Anregung zur Diskussion

(c) 1999 by Stefan Thiesen


thiesen@uni-muenster.de

Abstract

Zur Lösung des "Treibhausproblems" planen verschiedene nordamerikanische und


japanische Interessengruppen die Erzeugung künstlicher CO2 Senken durch
Ozeandüngung im großen Maßstab. Konkrete technische Vorbereitungen für einen
Großversuch in der Region der Marshall Islands sind bereits im Gange. Man erhofft
sich ökonomische Vorteile durch eine wesentliche Erhöhung der Produktivität bei den
nutzbaren Arten (ähnlich wie in den nährstoffreichen Auftriebsgebieten), sowie einen
signifikanten Beitrag zur Eindämmung der globalen Erwärmung. Dabei wurden jedoch
zahlreiche Risiken und komplexe Zusammenhänge ignoriert.

Vor allem in den USA und Japan kann man verstärkt eine mechanistische Betrachtung
der Natur beobachten. Umweltprobleme werden vielfach als ein Defekt angesehen, der
mit technischen - und finanziellen - Mitteln behoben werden kann. Die mühsam
gewonnene Einsicht über die synergistische Natur der Natur wird ignoriert - stattdessen
wird sie als ein zwar kompliziertes, letztlich aber beherrschbares System betrachtet.

Ein Beispiel für diese Entwicklung sind die jüngsten Vorschläge verschiedener US-
amerikanischer und japanischer Konzerne und Interessengruppen, den Treibhauseffekt
durch gezielte Ozeandüngung - letztlich also "Geo-Engineering" auf planetarer
Ebene - zu kontrollieren.
Diese Vorschläge gehen zurück auf die ursprünglich nicht ganz ernst gemeinten
hypothetischen Überlegungen des Ozeanographen John Martin, der die Hypothese
aufstellte, die Produktivität in bestimmten Regionen des Ozeans sei durch die
vorhandene Eisenmenge begrenzt. Tatsächlich haben kürzlich durchgeführte
Experimente z.B. im tropischen Pazifik gezeigt, daß eine Eisendüngung zu kurzfristigen
Algenblüten des Phytoplanktons führen kann (Coale et al., 1996, Chisholm, 2000).

Eines der Unternehmen, das kurzfristig plant, in die kommerzielle Ozeandüngung


einzusteigen, ist "Ocean Farming Inc." Das Unternehmen plant die Düngung von
100.000 Quadratmeilen offenen Ozeans im Bereich der Marshall Islands. Es hat sich
bereits die nötigen Verfahren patentieren lassen und sogar die notwendigen
Genehmigungen eingeholt. Dr. Michael Markels jr. - Geschäftsführer von Ocean
Farming - argumentiert mit simplistischen Argumenten: Man täte nichts anderes als das,
was die Natur in den Auftriebsgebieten wie an der Küste Perus ebenfalls tue. Er geht
von einer um mindestens 400-fach erhöhten Produktivität aus, die sich direkt in der
Fischausbeute niederschlägt. Zudem berechnet er bereits aus diesem Vorhaben eine
CO2-Fixierung, die dem CO2-Ausstoss der USA entspricht.

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Prof. Chisholm vom MIT geht dagegen davon aus, daß die anfangs erhöhte
Produktivität auf einen Kaltstarteffekt der Nahrungskette zurückzuführen ist, der unter
anderem damit zusammenhängt, dass die Fressfeinde des Phytoplanktons länger
brauchen, um sich auf das erhöhte Nahrungsangebot einzustellen.
Markells wirbt für sein Vorhaben mit Worten wie "Schauen sie sich Peru an:
Nährstoffreiches Wasser bedeutet glückliche Fische und glückliche Menschen" und
findet offene Ohren in Ländern der Dritten Welt, wie den Marshall Islands. Dabei
werden die zahlreichen Unsicherheitsfaktoren schlicht ignoriert:

• Der offene tropische Ozeans unterscheidet sich bereits physikalisch erheblich von
den natürlichen Auftriebszonen (Salinität, Temperatur). Das erhöhte
Nährstoffangebot trifft zudem auf gänzlich andere Arten.

• Erste Untersuchungen zeigen bereits, daß Düngung zwar Blüten des Phytoplanktons
hervorruft, sich aber die Anteile der verschiedenen Spezies auf den untersten
trophischen Stufen ganz grundlegend verändern, und somit ändern sich
höchstwahrscheinlich auch die Arten an der Spitze der Nahrungskette. Es ist nicht
einmal sicher, ob unter den veränderten Bedingungen überhaupt größere
Fischpopulationen entstehen bzw. ob es sich dabei um die gewünschten Arten
handelt. Eine mögliche Verschiebung auf hohen trophischen Ebenen wäre z.B eine
starke Vermehrung von Quallen auf Kosten der Fischpopulationen.

• Mögliche Szenarien schließen z.B. großflächige Algenblüten unerwünschter


Phytoplankter und/oder Dekomposition durch Bakterien ein, die zur Freisetzung von
Methan und zusätzlichem CO führen und somit letztlich das Gegenteil des
beabsichtigten Effektes bewirken. Begrenzung des Mengenwachstums durch
Allelopathie (Beeinträchtigung der Vermehrung von Nahrungskonkurrenten durch
die Abgabe giftiger Substanzen) könnte an die Stelle der Ressourcenkonkurrenz
treten (Stibor/Sommer, 1998).

• In nährstoffarmen Meeresregionen wie den Marshall Islands müssten für eine


effektive Düngung zusätzliche Nährstoffe wie Phosphor eingebracht werden, was,
wie in anderen eutophierten Meeresregionen beobachtet, zu einer
Massenvermehrung von Cyanobakterien führen würde, deren toxische
Nebenprodukte bisher kaum abschätzbare Auswirkungen haben könnten. Dazu
gehören die mögliche Schädigung der Korallenriffe, möglicherweise sogar die
Beeinträchtigung - wenn nicht sogar Zerstörung - des gesamten marinen
Ökosystems der Region.

• Bei geringen vertikalen Austauschraten kann es schnell zu Sauerstoffzehrung im


Tiefenwasser kommen. Eine mögliche Folge wäre z.B. die unerwünschte
Vermehrung anaerober Organismen. Boyd et. al. (2000) wiesen im nichttropischen
Südpazifik bereits nach, daß die Produktivitätssteigerung tatsächlich nur von kurzer
Dauer ist und letztlich Sauerstoffzehrung, Faulprozesse und eine erhöhte Produktion
unerwünschter Treibhausgase wie Methan und vermutlich auch Lachgas die Folge
sind.

• Ein Resultat ist laut Sommer (1998) in jedem Fall zu erwarten: der Verlust an
Diversität. Dies ist nicht zu verhindern, da es das erklärte Ziel der Ozeandüngung
ist, lange Nahrungsketten durch kurze zu ersetzen.

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Letztlich liegt dem gesamten Konzept der Ozeandüngung ein größerer Problemkreis
zugrunde. Kommerzielle Interessen und ein einzig auf wirtschaftlichem Wachstum
basierendes Entwicklungsmodell vereinen sich mit einer rein mechanistischen
Weltsicht. Anstatt auf CO2-Reduktion zu setzen, wird mit Konzepten von Quellen und
Senken sowie Emmissionshandel experimentiert, durch welche die Industrieländer sich
weitgehend von ihren Verpflichtungen zu befreien gedenken und zugleich in
Entwicklungsländern Experimente mit ungewissem Ausgang anstellen. Insbesondere
Japan und die USA sind Vorreiter dieser Entwicklung.

Die geplante Arbeit soll den Versuch darstellen, eine möglichst umfassende integrierte
Risikoanalyse mit Kosten-Nutzen Verteilung zu erstellen. Wer trägt welche Risiken?
Wer hat den größten Nutzen?
Die Untersuchung soll sich dabei möglichst eng an jüngst entwickelten UNEP
Standards zur Umwelt-Impakt Abschätzung von Großprojekten halten.

Eine wichtige Frage ist zunächst einmal, ob überhaupt die prinzipielle Möglichkeit
besteht, mittels Ozeandüngung eine künstliche CO2-Senke zu erzeugen, denn selbst dies
ist ja, wie oben angedeutet, bereits unsicher.
Grundsätzlich wird das im Phytoplankton durch Photosynthese fixierte CO2
zunächst durch die Atmung der sich ebenfalls vermehrenden Fressfeinde wieder
freigesetzt. Der größte Teil des so gebundenen Kohlenstoffes durchläuft mehrfach das
Nahrungsnetz in den obersten Wasserschichten, und nur ein geringerer Teil wird in das
Abyssal transportiert, dessen größerer Teil wiederum von Bakterien freigesetzt und
letztendlich durch Vertikalaustausch an die Oberfläche - und damit die Atmosphäre -
abgegeben wird.
Wird die Primärproduktion erhöht, nützt dies letztlich im Sinne der gewünschten
Verstärkung der ozeanischen CO2 Senke praktisch nichts, wenn zugleich die
Sekundärproduktion und damit die Respirationsraten verstärkt werden.

Die Effektivität dieser biologisch-physikalischen CO2-Pumpe hängt darüber hinaus in


hohem Maße von der Struktur des Nahrungsnetzes ab, die sich ja durch die massiven
Eingriffe auch massiv verändern dürfte. Aber in welcher Weise verändert sie sich?

Zur Abklärung dieser Frage kann teilweise auf existierende Forschungsergebnisse


zurückgegriffen werden. In den letzten zwanzig Jahren wurden überall auf der Welt
intensive Forschungen zur Auswirkung der Eutrophierung sowohl in Binnengewässern
als auch Küstenregionen aller Klimazonen durchgeführt. Zudem gab es umfangreiche
Forschungsbemühungen im Bereich der Aquakultur in tropischen und gemäßigten
Zonen, darunter auch das von der EU geförderte Meeresdüngungsprojekt MARICULT.
Hier muß untersucht werden, in wieweit die vorhandenen Ergebnisse aussagekräftig
sind und auf das vorliegende hochkomplexe Problem übertragen werden können. Zu
den ganz großen Herausforderungen gehört hier vor allem auch die langfristige
messtechnische Erfassung der ozeanischen Stoffströme sowie die exakte
Quantifizierung des Stoffaustausches an der Ozeanoberfläche. Auch in diesem Bereich
existieren einige vielversprechende Ansätze, u.a. im Rahmen der
Klimaforschungsgruppe der University of East Anglia, wo ein System zur
Echtzeiterfassung von CO2 Stoffströmen an der Meeresoberfläche entwickelt wird.

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Der Kontakt zu und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Institutionen und
Arbeitsgruppen weltweit ist ein Kernpunkt der Methodik der geplanten Arbeit. Der
Grundansatz ist der einer Systemanalyse, angelehnt an die UNEP Richtlinien. Das Ziel
ist die Erstellung eines Dokumentes, in dem der augenblickliche Stand der Forschung
festgestellt und nach Möglichkeit erweitert wird und die allgemeinen Unwägbarkeiten
und Risiken herausgearbeitet werden.

Zudem soll die Auswirkung eines solchen Projektes auf die Entwicklung eines
Landes anhand des konkreten Beispieles der Marshall Islands abgeschätzt werden.

Unabhängig von ideologischen und wirtschaftlichen Interessen soll eine


Entscheidungshilfe von hoher wissenschaftlicher Qualität entstehen, wobei wo immer
möglich auf empirische Daten zurückgegriffen werden soll und nur in Ausnamefällen
auf theoretische Simulationsmodelle.

Stefan Thiesen
Werner Str. 203
D-59379 Selm
Tel.: 02592-7959
Fax: 02592-7852
email: stefan@mindquest.de

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