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Schaum

Das Wasser tropfte schnell in die Wanne.


Der Dampf pfiff auf dem Herd durch die ganze Wohnung. Das Bad war hell erleuchtet, die
Wohnung war angenehm warm, die Luft draußen war recht kalt, aber der Jahreszeit
entsprechend temperiert. Der orange Teppich im Badezimmer spendete Wärme und
Wohlbehagen, während man auf ihm stand, um nicht auf den kalten, weißen Fliesen stehen zu
müssen.
Die eiserne Teekanne erwärmte sich schnell, nachdem er das Teewasser samt Beutel in sie
geschüttet hatte. Er mochte Tee. Vor allem, wenn er warm oder noch besser; heiß war. Es war
wundervoll in der Wanne mit einer Kanne Tee zu sitzen und ein paar selbstgebackene Kekse
zu essen. Genau, die Kekse hatte er selber gebacken vor ein paar Tagen. Er mochte es Dinge
selber zu machen, denn dann schmeckten sie am besten, dachte er. Ja, am besten. Nichts war
schöner als Kekse, Tee und ein warmes Bad im kalten, grauen Winter. Es war so erholsam wie
nichts anderes. Und danach ging er schön gemütlich und entspannt in sein Bett, las noch eine
Geschichte oder ein paar Seiten in einem seiner Romane und schlief ein. Und dann würde er
wieder träumen, dachte er. Ja, denn träumen gefiel ihm sehr. Mehr als alles andere. Und die
Kekse waren nichts gegen träumen und Träume. Träume waren wie Seifenblasen sagte man
ihm mal. Er glaubte nicht daran. Denn schließlich konnte man Seifenblasen ja berühren und
erst dann zerplatzten sie. Träume hingegen zerplatzten meistens nach oder im träumen und
blieben dann weg. Nichts blieb übrig. Keine Seife, wie bei Seifenblasen. Im Übrigen flogen
Träume auch nicht wahllos durch die Gegend. Träume waren nicht fest. Sie gab es eigentlich
nicht. Obwohl er sich da nicht sehr sicher wahr. Sechser im Lotto und frischen Tee gab es ja
den Leuten zu folge auch nicht. Also warum sollte es nicht auch Träume geben können? Er
überlegte nur kurz über diese Frage, denn die Antwort schlug ihm stumpf auf den Hinterkopf.
Er nahm die Kanne Tee, einen Untersetzer, einen Teller mit seinen Keksen und zuletzt noch
eine schöne, alte Tasse aus dem Service seiner Großmutter. Omas Tassen waren die besten
Tassen. Sie hatten ein schönes Muster und aus ihnen schmeckte der Tee immer gut. Ja, Oma
wusste was gut war. Er war nun im Bad angekommen und hatte seine Mitbringsel auf dem
Tisch neben der Wanne platziert. Langsam und behutsam stieg er in die Wanne und spürte wie
der abgekühlte Schaum durch das heiße Wasser ersetzt wurde. Er dachte wieder einmal mehr
nach. Er hasste es zu denken. Es kam nie etwas Gutes dabei heraus. Meist immer nur etwas
Schlechtes. Probleme, die es zu bedenken und lösen gab, die allerdings Energie und Aktivität
benötigten. Probleme, die er nicht mochte und lieber verdrängte. Schließlich benötigt
Verdrängen keine große Kraft, denn etwas, was man nicht wissen will, muss man auch nicht
lösen und bedenken. Der Tee war langsam gut, er sollte nicht zu stark werden. Nur gut
schmecken und intensiv, aber nicht zu stark. Er dachte weiter. Beim Denken beobachtete er
eine Seifenblase. Sie flog vor seiner Nase umher, aber wollte einfach nicht platzen. Er dachte
wieder an seine Träume. Da war ein Mädchen, ein gut aussehendes, junges Mädchen.
Vielleicht war sie Anfang zwanzig, aber nicht älter, sie hatte eine Rose im Haar und ein
schwarzes Abendkleid an. Es war dämmrig, sie saß an einem Tisch, einem runden Tisch und
hatte ihr Haar offen, mit einer roten Rose, in einem teuren, schwarzen Abendkleid mit einem
schönen Glas Wein in der Hand. Der Wein war der Rose sehr ähnlich. Er konnte ihn und die
Rose riechen. Beides duftete wunderbar. Das Parfüm der Frau konnte er nicht riechen – es
vernebelte ihm die Sinne. Er schloss die Augen. Er nährte sich ihr. Es lief zu gut. Warum
wachte er nicht auf? Er setzte sich ihr gegenüber an den Tisch, wo sie saß. Mit einer gut
duftenden, roten Rose im Haar, mit einem eleganten, schwarzen Kleid, an einem runden
Kirschholztisch mit einem bezirzendem Duft. Mit offenem hellbraunen Haar und leicht rosa
Wangen. Schönen Wangen. Einem sinnlichen Mund. Sinnliche Lippen. Rot waren sie, wie die
Rose. Grüne Augen. Augen. Smaragde. Unbezahlbar. Augen. Unendlich. Schön. Tief.
Unbezahlbar. Unbeschreiblich tief. Unbeschreiblich schön. Perfektion. Sein einziger Gedanke
war nun Perfektion. Kein Warten auf zerplatzen, Perfektion. Nichts weiter. Sie küssen sich. Es
fühlte sich so echt an. So unglaublich echt und wunderschön. Er wollte die Augen öffnen,
doch das Bild blieb. Nach einem gefühlten halben Leben stoppte die Perfektion. Oder tat sie
es doch nicht? Er sah eine Frau vor sich. Er sah nicht eine. Er sah sie. Wie konnte das sein?
Was war passiert?

Er wachte auf. Blickte sich um und hörte eine sanfte Stimme sagen: „Du hast nur schlecht
geträumt. Schlaf weiter. Ich bin ja bei dir“. Die Stimme kam von einer Frau mit hellbraunen
Haaren und grünen Augen.

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