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Donau-Universität Krems › Bereich Technologie, Information und Medien › Verlagspostamt 3500 Krems › P.b.b. › Nummer 40, 12.

Jahrgang › 02Z030312M

› Mitreden. Elektronische Demokratie und Partizipation


› Social Software in der Unternehmensrealität
ISSN 1992-6146 › Ausgabe 2/2007

› Viel Information,
wenig Kommunikation
Bar freigemacht/Postage paid
Kommunikation – die
unterschätzte Disziplin
7000 Eisenstadt
Österreich/Austria
02/07

Mitreden
Elektronische Demokratie und Partizipation
Schon in den 60er Jahren träumten Webpioniere von einer Stärkung der Demokratie durch
neue Medien. Und nicht grundlos versuchen Diktaturen und autoritäre Regime das Internet
einzuschränken. Inzwischen gibt es über 60 % User in Österreich – sind diese Utopien nun
auf breiter Basis umsetzbar?

› Empowerment im aktivierenden Staat Ein Musterbeispiel der organisierten Zivilgesellschaft ist rassis-
musstreichen.at: Xenophobe Graffiti werden fotografiert und online
Die Vision: Mittels aller möglichen, zunehmend konvergierenden gestellt. Die leicht verfügbare Handykamera kommt Tendenzen zu
Technologien wie mobile „M-Democracy“ nicht nur den Status quo unaufwändiger, unverbindlicher Beteiligung entgegen; das Net
elektronifizieren, darüber hinaus auch die Beteiligung der Zivilge- verbindet alle Beiträge zu einem „Antirassistischen Stadtplan“ und
sellschaft steigern. In der „E-Volksherrschaft“ engagiert sich der appelliert so an die Verwaltung, bestehende Gesetze umzusetzen.
Souverän freiwillig, statt passiv, gelangweilt, belustigt oder verär-
gert dem Treiben seiner RepräsentantInnen zuzuschauen. Entscheidend ist letztlich nicht der Ausgangspunkt (bottom-up
oder top-down), sondern das Agenda-Setting: Die Verwaltung kann
E-Participation basiert auf freiem Zugang zu umfassender authen- z.B. via E-Beschwerdemanagement Anregungen der Bevölkerung
tischer Information, steigert sich stufenweise über die Konsultation aufgreifen. E-Beteiligung unterstützt auch unsere repräsentative
(Stellungnahmen zu Gesetzesvorschlägen) bis zur partnerschaft- Demokratie, etwa durch Online-Petitionen, Kommunikation mit Politi-
lichen Kooperation (wechselseitige Kommunikation etwa bei kerInnen oder Meinungsbildung vor Wahlen wie politikkabine.at. Die
interaktiven Planungen) und kann in die Mitentscheidung gipfeln, spezifischen Herausforderungen des E-Voting – ebenso der gerade
z.B. per E-Voting. eingeführten Briefwahl! – liegen im geheimen, freien Wahlrecht.
Tatsächlich eröffnet das Internet ungeahnte Möglichkeiten: Gras- Derzeit wird der Einsatz bei Interessenvertretungswahlen ange-
wurzel-Initiativen können schnell und kostengünstig wachsen, dacht, um den WählerInnen auch örtlich und zeitlich unabhängig die
E-Proteste sich als Schneeballeffekt über weite Distanzen verstärken. Wahl zu lassen.

› FOTOLIA

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Foto
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Einerseits gibt es in Österreich bedeutende Informationsprojekte


(Parlament, Lebensministerium etc.) und vielfältige informelle Initia-
tiven – vermehrt 2006/2007 entstandene befinden sich noch im Früh-
bzw. Ideenstadium (wie „Junges Krems“ auf jungegemeinde.at);
andererseits existieren nur wenige gesetzlich geregelte Verfahren,
überwiegend im Umwelt- und Raumordnungsbereich. Unverbind-
liche Angebote bergen die Gefahr symbolischer Politik: Sites, die
primär der Selbstdarstellung dienen, der Propagierung und Abseg-
nung vorgefasster Meinungen oder nur zugelassen werden, solange
sie unkritisch bleiben.

› Ein „INTRAnet“ für Eliten?

Zwar gibt es vorbildliche Angebote wie der Gebärdensprach-


dolmetsch bei Live-Übertragungen auf wien.gv.at. Doch längst
zeichnet sich ab, dass nur wenige öffentliche Sites Anfang 2008 den
obligaten barrierefreien Zugang gewährleisten. Überdies erfordert
E-Inclusion auch zielgruppengerechte und allgemein verständliche
Angebote (wie Amtsdeutsch-Glossare).

Vorläufig beteiligt sich online verstärkt die ohnehin kommunika-


tionsstarke, engagierte Bildungselite; und bisher konnten eher
technologienahe Themen wie Datenschutz die User mobilisieren.
Die internetspezifischen Vorteile – schnell, effizient, transparent,
anschaulich, kostengünstig – könnten herkömmliche Beteiligungs-
methoden ergänzen, etwa indem sie IT-affine Jugendliche anspre-
chen. Doch letztlich ist „Online-“ kein Selbstläufer, die Technologie
nur ein Werkzeug.
  
› DEMOS im Mittelpunkt

Im Zentrum steht nicht das „E“ – beispielsweise lebt die Stadt-


gemeinde Schwechat seit vielen Jahren Partizipation ohne
elektronische Unterstützung –, sondern die Bedürfnisse aller
Beteiligten und die knappe Ressource Aufmerksamkeit. Akzeptanz
und Erfolg von Partizipationsprojekten beruhen auf transparenten,
vertrauenswürdigen Verfahren. Die potenziellen TeilnehmerInnen
wägen Aufwand und Nutzen ihres Engagements ab, erwarten eine   
bestimmte Verbindlichkeit des Ergebnisses bzw. Gewissheit, was
ihr Beitrag bewirkt.

Statt schlicht (per SMS-Umfrage) vorgefertige Einstellungen abzu-


sammeln, könnten moderierte, unabhängige Diskussionsforen das
internetspezifische Potenzial für interaktive Many-to-many-Kom-
munikation ausschöpfen. Diese Meinungsbildung ist in bestehende
Prozesse (Gesetzgebung, Verwaltungsvorhaben) so frühzeitig
einzubinden, dass die Beteiligten merkbar Einfluss auf das Ergebnis
nehmen – denn Alibi-Partizipation ist kontraproduktiv!

Letztlich kann das Internet die Aktivitäten aktiver BürgerInnen


erleichtern und potenzieren, ist jedoch kein Wundermittel gegen
politische Apathie. Da die Qualität der Beteiligung von den Betei-
ligten abhängt, sind demokratische E-Skills und politische Bildung
unverzichtbar.
Peter Parycek
Peter.Parycek@donau-uni.ac.at

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