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E in Frage, die sicherlich für jeden von uns interessant ist, da wir ja
früher oder später alle einmal mit der vom Herrn versprochenen ewi-
gen Glückseligkeit konfrontiert werden. Dieses Thema war für Emanuel
Swedenborg so wichtig, dass er dieser Frage ein ganzes Buch mit dem
Titel „Die eheliche Liebe“ gewidmet hat. In diesem Werk setzte er sich,
wie es so seine Art war, bis in das kleinste Detail mit der ehelichen Liebe
auseinander, die für ihn die Quintessenz der ewigen Glückseligkeit dar-
stellt. Im Folgenden möchte ich den Versuch unternehmen herauszuar-
beiten, warum in den Werken Swedenborgs die eheliche Liebe einen so
herausragenden Stellenwert hat.
Das Buch „Die eheliche Liebe” besteht aus zwei Komponenten.
Zum einen aus den sogenannten Denkwürdigkeiten, und zum anderen
aus den logischen Schlussfolgerungen, die Swedenborg aus seinen Jen-
seitserfahrungen gezogen hat.
Die Denkwürdigkeiten sind teilweise sehr detaillierte Beschreibun-
gen von Begegnungen, die Swedenborg in der Geisterwelt mit Engeln
und Geistern hatte. Sie sind die Grundlage für seine religiösen Bücher,
so natürlich auch für das Buch „Die eheliche Liebe“. Mit seinem wis-
senschaftlich geschulten Verstand hat er die Kontakte mit den Geistern
in der Geisterwelt analysiert und seine Erkenntnisse in der damaligen
Gelehrtensprache Latein zu Papier gebracht.
Dass Swedenborg seine veröffentlichten Schriften weitgehend
selbst formuliert hat, bestätigte auch der inzwischen leider verstorbene
Dr. Friedemann Horn, der als Übersetzer vieler Swedenborgbücher aus
dem Lateinischen ins Deutsche ein hervorragender Kenner der Sweden-
borgschen Kosmologie war, wenn er in seinem Nachwort zur „Wahren
christlichen Religion“ schrieb: Einen weiteren „Schönheitsfehler“ dürfte
der Leser (der Wahren christlichen Religion) darin erblicken, dass ein
Werk wie dieses an einer Anzahl von Stellen die wissenschaftlichen Vor-
urteile oder Irrtümer des 18. Jahrhunderts widerspiegelt. Weiter schrieb
Wer sich also zu Lebzeiten sehr konkrete Vorstellungen von der jen-
seitigen Welt gemacht hat, wird diese dann auch so vorfinden, wie es sei-
nen Ideen entspricht. Daraus folgt die Erkenntnis, dass es zur Vermeidung
von unnötigen Irrwegen durchaus hilfreich ist, wenn sich der Mensch um
wahrhaftige Kenntnisse über die jenseitige Welt bemüht.
Auf die Frage der Weisen, was denn aber nun die himmlischen
Freuden sind, antwortete der Engel Folgendes:
Sie ist die Freude, etwas zu tun, das uns und anderen nützlich
ist. Die Freude, Nutzen zu bringen, die aus der Liebe durch die
Weisheit entspringt, ist die Seele und das Leben aller himmlischen
Freuden. (EL 5)
Im Laufe der weiteren Gespräche, die die Weisen mit dem Engel
führten, stellte sich heraus, dass alle Weisen die Vorstellung hatten, dass
der Himmel ein Ort sei, an dem sie die umströmenden Freuden in Ewig-
keit einschlürfen würden. Das Gleiche galt natürlich auch für die Hölle, in
die alle Bösen verstoßen würden. Hierauf sagte der Engel zu ihnen:
Der Umstand, dass wir bereits auf den ersten Seiten des Buches
darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den Begriffen Himmel und
Hölle nicht um reale Orte, sondern um innere Zustandsbeschreibungen
von Menschen handelt, ist für mich ein Indiz dafür, dass es dem Herrn
sehr wichtig zu sein scheint, uns Diesseitige immer wieder auf diese Tat-
sache hinzuweisen. Und wenn wir uns den Text einmal etwas genauer
anschauen, dann werden wir darauf hingewiesen, dass Himmel und
Hölle ausschließlich im Menschen, also in uns selbst, sind.
Jeder, der ein Engel wird, trägt seinen Himmel bzw. seine Hölle in
sich, schreibt Swedenborg, weshalb jeder in diejenige Gesellschaft des
Himmels kommt, deren Gestalt er in individueller Abbildung ist.
Das Gute und das Wahre, also die Liebe und die Weisheit, sind das
Grundprinzip, das in Gott in vollkommener Harmonie wirkt und in sei-
ner Schöpfung einen Widerhall findet. So können wir in der „Ehelichen
Liebe“, Nr. 85, lesen:
Da nun also der Herr, unser Gott und Schöpfer die Liebe und Weis-
heit selbst ist, und er das Weltall erschaffen hat, ein gleichsam von
Wenn wir also in den Werken Swedenborgs lesen, sollten wir uns
immer bewusst sein, dass wir eine Lektüre lesen, die weitgehendst
Worte aus dem irdischen Alltag benutzt, um geistige Inhalte in das
Bewusstsein des Lesers zu transportieren. Dies gilt im Besonderen
dann, wenn es sich dabei um eine Denkwürdigkeit handelt. Diese
kleine Zwischenbemerkung erschien mir notwendig, denn wir werden
uns diesem Text nur dann nähern können, wenn wir die Lehre der Ent-
sprechung berücksichtigen.
In dem oben genannten Zitat werden zwei Dinge angesprochen,
nämlich einmal die Verbindung des Herrn mit dem Menschen, der sich
im Glauben an den Herrn und in der tätigen Liebe gegen den Nächsten
befindet und zum anderen des Verhältnis von Liebe und Weisheit im
Menschen.
Wenn wir uns den Text etwas genauer ansehen, dann können wir
feststellen, dass den Begriffen Liebe und Weisheit noch ein weiteres
Wortpaar zugeordnet wird. Dort wird gesagt: „denn dann bildet der
Mann die Weisheit vor, und das Weib die Liebe zu seiner Weisheit“.
Hier wird der Weisheit des Menschen in der Entsprechung der Begriff
„Mann“ und der Liebe zu dieser Weisheit der Begriff „Weib“ zugeord-
net. Dies wird z.B. auch in dem Werk „Himmel und Hölle“ bestätigt, in
dem gesagt wird, dass das Gemüt aus zwei Teilen besteht, von welchen
der eine der Verstand, der andere der Wille heißt; wirken diese beiden
Teile in Einheit zusammen, dann heißen sie ein Gemüt, der Mann ist
dabei als derjenige Teil tätig, welcher der Verstand heißt, und das Weib
als derjenige, welcher der Wille heißt... (HH 366-370)
Der Mensch, dessen Wille bzw. Lebensliebe auf das Böse, also auf
die Welt ausgerichtet ist, kann nur über seinen Verstand und die ihm
innewohnende Weisheit umgebildet werden. Und genau an dieser Stelle
setzt die göttliche Liebe an, um mit dem Verstand des Menschen eine
Ehe einzugehen. In dem Maße, wie die göttliche Liebe durch die Seele
als Einfallstor in den Verstand einfließen kann, in dem Maße nimmt die
Weisheit des Menschen zu. Dass es sich dabei um einen langwierigen
Prozess handelt, ergibt sich schon alleine aus der Tatsache, dass die Wil-
lensfreiheit des Menschen nicht angetastet werden darf. Aber dennoch
irgendwann einmal, unabhängig davon, ob im Diesseits oder im Jen-
seits, hat die Weisheit im Menschen ein Stadium erreicht, wo es dann
zu einer langsamen Umbildung des Willens kommt.
Laut Swedenborg bezeichnet ein Wagen, der zum Transport von Men-
schen (currus) dient, in der Entsprechung die auf geistigen Wahrheiten
beruhende Lehre. (WCR 203)
Fahren bzw. Fortbewegung bedeutet in der jenseitigen Welt keine
Orts- sondern eine Zustandsveränderung.
Durch die Zahl Eins wird, wenn es sich aufs Gute bezieht, das Voll-
kommene, somit das Gerechte bezeichnet. (EO 374)
Wenn also davon die Rede ist, dass aus dem dritten Himmel ein
Wagen besetzt mit einem Engel herabfährt, dann bedeutet dies in der
Entsprechung nicht, dass da der Geist eines verstorbenen Menschen
mit einem von Pferden gezogenen Wagen von einem Himmel in den
anderen fährt.
Wenn sich Swedenborg, der sich ja während seines Geisterkon-
takts nicht im dritten Himmel befindet, mit einem Verstorbenen, der
sich im Zustand des dritten Himmels befindet, über die himmlische
Ehe unterhalten möchte, dann ist dies so ohne weiteres nicht möglich,
denn Geister einer unteren Ebene können Engel in höheren Ebenen
nicht sehen.
Die Folge davon ist, dass der Engel mit seiner auf geistigen Wahr-
heiten beruhenden Lehre seinen Zustand so abändern muss, dass er
sich Swedenborg nähern kann, bzw., dass der Engel von dem Geist
Swedenborgs wahrgenommen werden kann. Solange der Zustand
des Engels noch nicht auf Swedenborgs Wahrnehmungsmöglichkeiten
eingestellt war, erschien er Swedenborg als ein vollkommener Mensch.
Als er aber näher kam, dass heißt als der Engel sich dem Gemüt Swe-
denborgs immer mehr eröffnen konnte, da sah Swedenborg zwei. Und
was bedeutet die Zwei? Die Zwei bezeichnet die Ehe des Guten und
Wahren.
Mit anderen Worten, solange sich der Engel in einer gewissen Ent-
fernung befindet, solange also der Zustand des Engels noch nicht an
den Zustand des Betrachters angepasst ist, solange erscheint der Engel
als eine Person. Zur Erinnerung, die Zahl Eins bezeichnet, wenn sie sich
aufs Gute bezieht, das Vollkommene, (EO 374) und ein Engel im dritten
Himmel ist vollkommen.
Wenn solch ein Engel sein hohes Schwingungspotential an sein
Gegenüber angepasst hat, das heißt, wenn der Betrachter in das Gemüt
des Engels eintauchen kann, dann besteht in der Erscheinlichkeit der
eine Engel aus zwei Engeln. Hier gilt zu bedenken, dass ja ein Geist
nur dann zu einem Engel wird, wenn er in einer vollkommenen Ver-
Hier wird noch einmal bestätigt, dass Engel nur diejenigen Geister
sein können, deren Gemüt in der Ehe des Guten und Wahren ist.
Diese Ehe können nur Engel aus dem menschlichen Geschlecht ein-
gehen, weil nur sie die Fähigkeit besitzen, mittels ihres Verstandes eine
Ehe mit der göttlichen Liebe einzugehen. Das Kind, oder die Nutzwir-
kung dieser Ehe, ist die Weisheit. Und die Weisheit des Menschen ist die
verbindende Kraft, die es dem Willen des Menschen ermöglicht, eine
Ehe mit seinem Verstand einzugehen. Der Nutzen dieser Ehe ist der,
dass die göttliche Liebe über die Weisheit in den Willen einfließen kann.
Oder, um es in der Sprache der Entsprechung zu sagen, das Weib kann
die göttliche Liebe nur über die Weisheit des Mannes erfahren.
Als dritten Punkt möchte ich noch kurz auf die Aussage Sweden-
borgs, dass alle Engel Gefühle der Liebe in menschlicher Gestalt sind,
eingehen.
Wenn die Liebe und die Weisheit in einer ehelichen Verbindung
stehen, dann kann die göttliche Liebe den ganzen Menschen durch-
strömen. Sie fließt durch die Seele in den Mann des Menschen, also
seinen Verstand, um über die daraus entstehende Weisheit in die Frau,
D as diesjährige Frühjahrstref-
fen der GNK vom 19. bis
Zulauf finden, eigentlich ledig-
lich das Bedürfnis befriedigen
21. März 2004 in Moos-Weiler nach Gemeinschaft mit Gleich-
begann am Freitagnachmittag gesinnten und nach Ausspra-
mit einer zwanglosen und rela- chemöglichkeiten über allge-
tiv spontanen Aussprache zum meine Lebensprobleme, z.B. die
Thema „Gottesdienst“. In Form Frauenfrühstücke oder auch die
eines lockeren Gedankenaustau- meisten Teilveranstaltungen des
sches wurden auf der Grundlage Deutschen Kirchentages.
der Fragestellungen „Brauche Gegen diese horizontal ver-
ich persönlich einen Gottes- bindenden Elemente ist an sich
dienst?“, „Welche Erwartungen auch nichts einzuwenden – sol-
habe ich an Gottesdienst?“ sehr che Veranstaltungen haben
vielfältige Ansichten geäußert. gewiss ihre Daseinsberechtigung.
Von der Aufzählung, was unbe- Gottesdienstqualität bekommt
eine Veranstaltung jedoch erst,
dingt zu einem Gottesdienst
wenn außerdem noch ein spiritu-
gehört – Bibellesung, Gebete,
elles, vertikal wirkendes Element
Gesang, Segen – über die unum-
hinzukommt – eine Verbindung
strittene Tatsache, daß die Qua-
nach oben, zu Gott. – „Wo zwei
lität eines Gottesdienstes ent- oder drei in meinem Namen ver-
scheidend von der Qualität sammelt sind, da bin ich mitten
der Predigt abhängt, bis hin zu unter ihnen.“
einem ausführlichen geschichtli- Was allen Kirchen heute
chen Überblick über den niveau- gleichermaßen zu schaffen
bestimmenden Mittelpunkt der macht ist die Tatsache, daß Got-
Gottesdienste in unterschiedli- tesdienstbesuche heute nicht
chen Epochen, bereicherten viele mehr unantastbarer Bestandteil
Redebeiträge die Diskussion. des gesellschaftlichen Lebens
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sind. Die Menschen sind jedoch und die ewigen Höllenstrafen“
deswegen sicher nicht weni- von René Nitschelm auseinan-
ger gläubig als früher, aber sie dergesetzt. Diese wissenschaft-
leben ihren Glauben selbständi- liche Arbeit eines Theologen
ger und unabhängiger von der und ev. Pfarrers aus dem Elsass
Kirche. war vor ca. 40 Jahren in Fortset-
Die Kunst, gutbesuchte zungen in den „Offenen Toren“
Gottesdienste anbieten zu kön- abgedruckt worden, ergänzt
nen, besteht also wohl darin, durch Kommentare von Pfr.
die Menschen davon zu über- Dr. F. Horn. In typisch wissen-
zeugen, daß diese Veranstal- schaftlicher und philosophi-
tungsform erstens die Sehn- scher Denk- und Arbeitsweise
sucht nach einer positiven setzt sich Nitschelm mit dem
Gemeinschaft befriedigt, zwei- Themenkomplex in vielfälti-
tens durch das persönliche Cha- ger Weise auseinander: auf der
risma des Geistlichen und/oder Grundlage der Bibel, auf der
die inhaltliche Qualität seiner Grundlage Swedenborgscher
Predigt eine Verbindung von Bibelauslegung und natürlich
Religion und Alltag geschaffen mit dem Gedankengut der Kir-
wird und drittens die Einbezie- chen vor und außerhalb des
hung von Gott ins persönliche Swedenborgschen Einflusses.
Leben einen Quantensprung in Mit dem Instrument der Logik
der Bereicherung der Lebens- und dem Hegelschen Werkzeug
qualität darstellt, den weder von These-Antithese-Synthese
Wohlstand noch Konsum je zu gelingt es Nitschelm, schein-
bieten vermögen. Alles leicht bar Unvereinbares zusammen-
gesagt in der Theorie, aber in zuführen.
der Praxis ... Ausgehend von der unüber-
Gänzlich andere Kost hat- windbaren Kluft, die den armen
ten wir am Samstag zu ver- Lazarus und den reichen Mann
dauen: Das Thema des Vortra- trennt – Sinnbild für die Tren-
ges von Heinz Grob lautete „Ist nung von Himmel und Hölle –
der Weg in die Hölle eine Ein- setzt sich Nitschelm zunächst
bahnstraße?“ H. Grob hat sich mit Swedenborgs Formulierung
in den letzten Wochen inten- auseinander, der Mensch ver-
siv mit dem Text „Swedenborg ändere sich nach seinem Tode
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nicht mehr. Alle Menschen, die gedanken während seiner
ihr Erdenleben in der Weise eigentlichen Überlegungen zum
genutzt haben, ihren selbst- Thema Höllenstrafen. Diese vie-
süchtigen Neigungen nachzu- len, sicher sehr interessanten
geben, werden also nach dem Abschweifungen können hier
Tod in der Hölle landen. Unbe- nicht alle wiedergegeben wer-
stritten ist dabei einerseits, den. An dieser Stelle nur eine:
daß sich auch die Hölle unter Zur Frage des Verhältnisses
der Aufsicht des Herrn befin- von Gott zum Menschen gibt
det, und daß andererseits nach es unterschiedliche Denkprinzi-
dem Willen des Herrn alle Men- pien: Eines lautet „Gott ist groß“
schen eigentlich in den Him- und stellt den Verehrungsge-
mel kommen sollten (Matth danken in den Vordergrund
5,48: Darum sollt Ihr vollkom- (Wir Menschen sind nichts, wir
men sein, wie Euer Vater im sind Bettler, die von Gott dem
Himmel vollkommen ist). Daher Geber etwas bekommen kön-
lautet die Fragestellung für Nit- nen, wenn wir ihn darum bit-
schelm zwangsläufig: Welche ten). Bei Luther lautet das Prin-
Bedeutung hat die Hölle für zip „Gott ist barmherzig“, der
den Herrn? Weil der Herr die Mensch ist von Gottes Gnade
reine Liebe ist, paßt dazu nicht abhängig, woraus der Glaube
die weit verbreitete Ansicht der ohne Verpflichtung abgeleitet
Hölle als Strafinstitution. Besser wurde. Ein drittes Prinzip lau-
vereinen läßt sich da schon der tet „Der Mensch ist eine Kost-
Erziehungsgedanke. Die Höl- barkeit“ (Psalm 8, Vers 5+6:
lenbewohner werden erzogen, „Was ist der Mensch, daß du
allerdings selbstverständlich seiner gedenkst, und des Men-
unter Belassung des freien Wil- schen Kind, daß du dich seiner
lens. Also Erziehung im wesent- annimmst? Du hast ihn wenig
lichen durch Erleiden der Aus- niedriger gemacht als Gott, mit
wirkungen, die das Ausleben Ehre und Herrlichkeit hast du
des freien Willens der anderen ihn gekrönt.“), und daraus lei-
Bösen verursacht. tet Nitschelm die Folgerung ab,
Nitschelm widmet sich daß Gott eine solche Kostbar-
recht ausführlich vielen ver- keit nicht für ewig in der Hölle
schiedenen theologische Grund- schmoren läßt.
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Dennoch (s. oben) gilt der statt (analog zur Wiedergeburt
freie Wille auch in der Hölle: der guten Geister).
Während jedoch der irdische Insofern also keine Ver-
Mensch die Freiheit hat, sich dammnis zur ewigen Statik, Sta-
zwischen Gut und Böse, d.h. gnation in den Höllen. Entwick-
zwischen Gott und „Nicht- lung ist in begrenztem Maße
Gott“ zu entscheiden, haben möglich. Und die Geister, denen
die Engel die Freiheit zwischen eine solche Entwicklung gelingt,
Gutem und weniger Gutem landen in einem Bereich, den
zu wählen und die Höllenbe- Nitschelm „Nachhölle“ bzw.
wohner folgerichtig die Wahl „Vorhimmel“ nennt. Nitschelm
zwischen Bösem und weniger paßt diesen Bereich sogar in das
Bösem. Selbst den Sweden- Bild des Homo Maximus ein,
borgschen Gedanken der Abö- indem er den „Vorhimmel“ als
Umhüllung, als Kleid des Homo
dung (Der Rest von Gutem, der
Maximus betrachtet: ganz dicht
in jedem Bösen noch vorhan-
dran am Körper, jedoch unü-
den ist, wird ihm letztlich vom
berwindbar davon getrennt
Herrn genommen, damit das
durch die Haut, die ja bekannt-
Gute nicht mißbraucht werden
lich für Fasern der Kleidung nicht
kann durch den Bösen) kann
durchlässig ist. Trotz der zuvor
Nitschelm mit seinen Überle-
gezeigten Entwicklungsmög-
gungen noch vereinen. Nach lichkeiten auch für die Höllen-
Nitschelms Definition ist (geisti- bewohner sieht Nitschelm also
ges) Sterben bzw. Absterben der keinen Widerspruch zur Kluft
Verlust von Gutem, Tod also fol- zwischen dem armen Lazarus
gerichtig die Abwesenheit von und dem reichen Mann.
Gutem. Derjenige unter den Wem dies alles konstruiert
bösen Geistern in der Hölle, der erscheint oder gar im Wider-
es schafft, sich ein wenig vom spruch zu stehen scheint zu
Bösen abzuwenden und sich Swedenborgs mehrfach geäu-
damit dem Guten ein wenig ßertem Grundsatz, der Mensch
zu nähern, bekämpft also den verändere sich nach dem
Tod, d.h. er erobert sich einen Tode nicht mehr und der Böse
kleinen Teil vom Leben zurück, sei daher ewig für die Hölle
es findet eine Wiederbelebung bestimmt, der sei auf Band 2
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des „Geistigen Tagebuchs“ von darstellt. Bei 2. Mose 17.7 wird
Swedenborg (der allerdings der- der Ort „Massa und Meriba“
zeit nur in Latein und Englisch genannt, weil dort die Israeli-
verfügbar ist) verwiesen: Darin ten gehadert und den Herrn ver-
schreibt Swedenborg selbst, daß sucht und gesagt hatten: Ist der
die Höllenstrafen nicht für die Herr unter uns oder nicht?
Ewigkeit vorgesehen sind. Bestä- Massa steht also für einen
tigt wird diese Aussage Sweden- Ort, an dem die Menschen Gott
borgs durch den indischen Seher versucht hatten. Angewandt auf
Sadhu Sundar Singh, der mit die Zeile im Gebet des Herrn
Swedenborg gesprochen hat, ergibt sich genau der umge-
welcher ihm bestätigt habe, daß kehrte Sinn als der allgemein-
selbstverständlich auch in der hin verstandene: Führe uns nicht
Hölle Entwicklung zum Guten nach Massa, also führe uns nicht
möglich sei. an den Ort, an dem wir dich ver-
Ein weiterer der vielen sucht haben, laß uns nicht in eine
Abschweifer Nitschelms soll hier Situation geraten, wo wir dich
noch angefügt werden, weil er versuchen. Die Erkenntnis dieser
eine Frage, die viele (Neukir- Sinnumkehrung, die sich noch
chen-)Leute bewegt, aus ganz dazu derart plausibel erklären
neuer Perspektive beleuchtet: Im läßt, hat mich persönlich sehr
Gebet des Herrn beten wir „Und stark beeindruckt und kann viel-
führe uns nicht in Versuchung“ leicht anderen Menschen, die
bzw. manche Neukirchenan- ebenfalls Probleme mit der For-
hänger seit vielen Jahren „Und mulierung „Und führe uns nicht
lasse uns nicht in Versuchung in Versuchung“ haben, als eine
kommen“. Ersteres basiert auf echte Verständnishilfe dienen.
der griechischen Übersetzung Das Frühjahrstreffen wurde
des ursprünglich in Aramä- abgerundet durch einen Lese-
isch geschriebenen Textes des gottesdienst am Sonntagvor-
Neuen Testamentes, letzeres mittag mit einer Predigt von
auf einer syrischen Übersetzung. George Dole (abgedruckt in
Eben diese syrische Übersetzung dieser Ausgabe der „Offenen
benutzt für das Wort „Versu- Tore“), die Dick Foster aus dem
chung“ ein Wort „massach“, das Englischen übersetzt und selbst
gleichzeitig einen Ortsnamen gelesen hat. EB
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