Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
RuhrgebietsInternationalismusArchiv Dortmund
riad@nexgo.de
1
zu zerstören: die Plünderungen, das Abhacken von fruchttragenden Bäumen, die
Zerstörung von Bewässerungsgräben (die bewirken, dass die Bauern die
Ansprüche auf ihr früheres Land einbüßen), die Massenmorde, Vergewaltigungen,
Vertreibungen durch alle beteiligten.
An der Eskalation sind alle Bürgerkriegsparteien beteiligt: Die so genannten
Janjawid- Milizen, kriminalisierte Banden, „zu viele Arbeitslose mit zu vielen
Gewehren“, Regierungstruppen und auch die Aufständischen. Der mittlerweile
ausgewiesenen UN-Sondergesandten Jan Pronk nannte nicht weniger als 24
verschiedene Rebellengruppierungen, die in willkürlich wechselnden Formationen
mal miteinander, mal gegeneinander kämpften, unterstützt von Söldnern aus dem
benachbarten Tschad (de Waal 2004. taz 15.1.2007).
Der Krieg im Dafur ist Teil einer „schöpferischen Zerstörung“ des Sudans, die
geprägt ist:
• durch IWF-Auflagen und autoritären Regimes, ab 1989 in islamistischer
Prägung,
• durch eine massive Militarisierung der Innenpolitik im Rahmen eines
fünfzigjährigen Kriegszustand,
• durch die Zerstörung traditioneller Subsistenzökonomien und den Aufbau
einer exportorientierten Landwirtschaft und
• durch einen Petrodollar-finanzierten Boom.
Diese Entwicklungen führen zu Verelendungen, Vertreibungen und Landflucht.
2
unverheirateten Paaren... Im Kern hieß Anwendung der Sharia islamisch
verbrämte Klassenjustiz“ (taz 29.4.1985).
Auch unter der Sharia kam es zu zahllosen IWF-Revolten. Zweimal führten die
Unruhen direkt zur Machtübernahme des Militärs: 1986 setzte die Militärregierung
eine kurze Phase der Demokratisierung durch. Unter dem Diktat des IWF konnte
die dann gewählte Regierung die wesentlichen Forderungen der Revoltierenden -
Frieden und Brot! – aber nicht erfüllen. Weitere Unruhen führten 1989 zum Putsch
eines islamistischen Flügels des Militärs um General Bashir.
Islamistische Militärdiktatur
Das islamistische Militärregime stützte sich hauptsächlich auf den kriegserprobten
Sicherheitsapparat und das islamische Bürgertum; männliche, städtische
Nordsudanesen und Intellektuelle aus dem Handels- und Finanzsektor, deren
vordringliches Interesse es ist, die Macht über das ganze Land und ihre Privilegien
zu sichern.
Das Regime setzte ein islamisches Wirtschaftssystem durch2. Einheimische und
arabische islamische Banken prägen den Finanzsektor und die Bourgeoisie
besteht zum größten Teil aus dem Regime nahe stehenden islamischen
Unternehmern. Privatisierungen bedeuten in der Regel, dass Staatsfirmen an
islamische Günstlinge des Systems verschleudert werden.
3
Steueraufkommens, Einschränkung der Importe, Einfrieren der Löhne und
Gehälter im Staatsdienst und Entlassungen im öffentlichen Sektor vorsah. Die
Preise stiegen bis zum Sommer 1992 um bis zu 275%, das tägliche Überleben
wurde schwieriger. Westliche Wirtschaftsexperten zeigten sich sehr zufrieden mit
dem als „fast sensationell“ eingestuften Liberalisierungsprogramm.
Die Regierung hoffte, mit diesen radikalen Reformschritten einen Ausschluss aus
dem IWF abwenden zu können und sogar wieder neue Kredite zu bekommen.
Doch nachdem das Regime die Maßnahmen unter massiven innenpolitischen
Druck wieder zurücknehmen musste, schloss der IWF am 11.8.1993 mit dem
Sudan erstmals ein Mitglied vorübergehend aus. Nur eine Woche später setzten
die USA den Sudan auf die schwarze Liste der den internationalen Terrorismus
unterstützenden Länder und verstärkten mit wirtschaftlichen Sanktionen den
Druck auf die Zivilbevölkerung.
1994 wurde „Carlos“ an Frankreich ausgeliefert. Frankreich begann daraufhin der
sudanesischen Regierung logistische und politische Hilfe zu gewähren. Es setzte
sich beim IWF für den Sudan ein. 1995 hob der IWF den Status "unkooperativ"
auf, der Weg für neue Kredite ist frei.
Deutschland steht in der zweiten Reihe, bleibt dem Land verbunden. Deutsche
Firmen unterhalten durchgängig Geschäftsbeziehungen sowohl zur Regierung als
auch zu den verschiedenen Fraktionen des Südens. Auffallend ist, dass bei den
großen Infrastrukturprojekten deutsche Firmen maßgeblich beteiligt sind3.
Seit 1999 ist Sudan im großen Stil Erdölexporteur geworden und konnte erstmals
seit über einem Jahrzehnt fristgerecht die vereinbarten Zahlungen an den IWF
begleichen. Seitdem hält er sich sklavisch an die Auflagen aus Washington. In
ökonomischer Hinsicht gilt das Land heute als IWF-Musterschüler.
4
Bislang erreichten sie lediglich im Jahre 2001, dass Ölfirmen, die im Sudan
Geschäfte machen, ihre Börsennotierung in den USA verlieren. Das führte zum
Rückzug aller westlichen Ölfirmen.
Typisch für die Kriegführung war die Unerbittlichkeit, die Langsamkeit wegen der
großen Entfernungen und der wenigen Transportmittel für die Soldaten und das
erbärmliche materielle Niveau. Hunger war eine ständige Bedrohung nicht nur für
die Zivilbevölkerung, sondern auch für die Guerilla und die Regierungstruppen.
Der Kampf ums nackte Überleben war vom eigentlichen Kampf häufig nicht zu
trennen, und manchmal überwog er auch5. Die Regierungen in Khartum
bewaffneten Milizen zur Bekämpfung der Guerilla. Dabei förderten sie ethnische
Unterschiede und Konflikte. „Die Verteilung von Waffen zog auch verstärktes nicht
politisch motiviertes Banditentum nach sich, was die ohnehin schwachen
staatlichen Strukturen im Süden gebietsweise an den Rand des völligen
Zusammenbruches brachte“ (nzz 9.5.1987). Von der Bevölkerung wird der Krieg
als Krieg der Städter begriffen, die auf Kosten der Zivilbevölkerung ihre
Machtkämpfe austragen.
5
3. Der Krieg wurde als sexistischer Angriff gegen die Zivilbevölkerung geführt.
Massenmorde, „ethnische Säuberungen“, Vergewaltigungen und die
Zerschlagung sozialer Gemeinschaften führten zu massiven Traumatisierungen
bei der Bevölkerung. Alle Seiten beteiligen sich daran, an den Vergewaltigungen
auch UN-Soldaten. So setzte sich ein neues Patriarchat durch, das sich von alten
patriarchalen Strukturen abgrenzt, und die Rechte, die die Frauen in den alten
Strukturen genießen, offensiv angreift.
4. Zahlreiche Berichte von Sklaverei sind überliefert. In der Regel wurden aus
überfallenden Dörfern Arbeitskräfte verschleppt, die dann auf den
Weltmarktplantagen in Zwangsarbeitslagern zur Arbeit gezwungen wurden.
Hunderttausende waren davon betroffen. Gelegentlich gab es im Rahmen von
immer wiederkehrenden Waffenstillstandsverhandlungen die Möglichkeit,
Angehörige zurück zu kaufen.
Innerer und äußerer Druck führte 2005 zum „exklusiven“ Friedensvertrag (CPA)
zwischen Regierung und den Guerillaorganisationen des Südens. Der CPA sieht
nach einer mehrjährigen Übergangsphase mit einer Koalitionsregierung der
Nationalen Einheit eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südens
vor.
Der CPA wurde durch sudanische Oppositionskräfte aus dem Norden und Dafur
als ein diktatorisches Geschäft zwischen zwei Militärmächten kritisiert, weil die
Interessen anderer Gruppen ausgeklammert worden waren. Direkt nach
Abschluss des CPA eskalierter der Krieg im Dafur.
6
verloren hatten, sich einen neuen Lebensunterhalt als AckerbäuerInnen sichern
konnten.
Seit der Unabhängigkeit 1956 ist die Entwicklung der Landwirtschaft geprägt
durch die Zerstörung dieser Subsistenzwirtschaft und den Aufbau einer rein
exportorientierten Landwirtschaft. Der Weltmarkt verlangte zunächst
hauptsächlich Hirse und Sesam, später Baumwolle. Rund 8.000 dem
islamistischen Regime nahe stehenden Großgrundbesitzer sind durch die
Landkonzentrationen reich geworden.
• Am Anfang stehen umfangreiche Enteignungen bzw. die Vereinnahmung
des Landes in Privatbesitz7. Zu Hunderttausenden verlassen die
enteigneten SubsistenzbäuerInnen des Ostens, Südens und Westens ihr
Land.
• Durch die aggressive exportorientierte Ausrichtung der Landwirtschaft wird
die Halbwüste an vielen Stellen zur Wüste. Die Ausweitung der
Anbauflächen für den Export läßt die Weideflächen schrumpften, führt zur
Aufgabe des traditionellen Fruchtwechsels und zerstörten das labile
ökologische Gleichgewicht.
• Das massenhafte Bohren von Brunnen verschärft die ökologische
Katastrophe. Allein in Süd-Kordofan ließ UNICEF 900 Brunnen bohren.
Der Grundwasserspiegel sank. Die Herden mussten die Brunnen immer
häufiger aufsuchen. Die steigende Konzentration förderte die
Überweidung. Diese Politik führte kurzfristig zum Anwachsen der Herden,
doch langfristig zum Tod von Millionen Tieren. Zahlreiche Nomaden
verlieren ihre Existenz, nicht wenige auch ihr Leben. Brunnenbau wird in
diesem Zusammenhang Teil des Völkermords.
• Den agronomadischen Lebensweisen wird so der Bewegungsraum
abgeschnürt bzw. die Räume werden immer enger.
• Mit der zunehmenden Eingrenzung des möglichen Wanderungsraumes
kommt es fast zwangsläufig zu Spannungen und Auseinandersetzungen
zwischen sozialen Gruppen. Durch die Abschaffung der traditionellen
lokalen Gerichtsbarkeit in den 70er Jahren fehlen allgemein anerkannte
Schlichtungsverfahren und die Spannungen eskalieren schnell.
Die Bauern sind vermehrt dazu übergegangen, die NomadInnen an ihrer
Lebensweise zu hindern, indem sie die Wanderrouten der Kamelherden
abschnitten und sogar Weideflächen in Brand steckten. Seitdem hungern viele
NomadInnen. Sie versuchten auf ausgedörrten Böden das Nötigste zum
Überleben anzubauen. Andere zogen auf der Suche nach Arbeit in die Städte
oder schlossen sich Milizen an.
7
Da es traditionell kaum privaten Landbesitz gab muss das Land von den neuen
Großgrundbesitzern erst in Beschlag genommen werden und die traditionellen NutzerInnen, die
meist keine formalen Eigentumstitel besitzen, enteignet werden. 1968 beanspruchte
2 2
Weltmarktplantagen im Großgrundbesitz 5.000 km von insgesamt circa 320.000 km
regenbewässertem Land. Bis Mitte der 90er Jahre stieg die bewirtschaftete Fläche im
2
Großgrundbesitz auf über 100.000 km . Zusätzlich gingen durch Wind- und Wassererosion bis
2 2
1995 schätzungsweise 170.000 km regenbewässertes Land verloren. Bleiben rund 50.000 km
für 2-3 Millionen BäuerInnen, weniger als ein Sechstel der Fläche von 1968 (ak 5.5.1993; fr
26.4.1995).
Trotz der rapiden Expansion der genutzten Flächen konnten die Exporterlöse die
Kreditaufnahme und die Steigerungsrate der Verzinsung nicht auffangen. Während immer mehr
Land agroindustriell bearbeitet wurde, sank der Ertrag pro Hektar ständig.
7
Durch die Vertreibungen der ackerbauenden Bevölkerung und dem
Zusammenbruch der agronomadischen Lebensweisen wuchs die Anzahl der
Armen bis Mitte der 80er Jahre um 4,5 Mio. Menschen.
Dürreperioden hatte es immer gegeben. Der Umgang mit Dürreperioden war die
hohe Kunst der traditionellen agronomadischen Lebensweise. Die beschriebenen
Entwicklungen machten einen Rückgriff auf traditionelle Überlebenstechniken
unmöglich. Erschwerend kam hinzu, dass durch die Exportorientierung die
Selbstversorgungsrate beim Weizen kontinuierlich gesunken war. Erst starb das
Vieh, dann Menschen. Viele mussten ihr Land verlassen. Die Dürre 1984/85
führte zur ersten großen Hungerkatastrophe.
Im Juli 1986 folgte die zweite große Hungerkatastrophe, weitere in den 90er
Jahren. Das Land wurde zum synonym für Elend und Hungertod. 2006 waren laut
FAO und World Food Programm (WFP) knapp sieben Millionen Menschen trotz
guter Ernteerträge von Lebensmittelspenden abhängig. Noch immer steigen die
landwirtschaftlichen Exporte.
Die Dürren und der Vormarsch der Wüste bedeuteten mehr als nur eine
wirtschaftliche Bedrohung, denn sie untergruben die stabile Ordnung einer
traditionellen Welt und verschärften die sozialen Spannungen und Konflikte.
Entwurzeltes Subproletariat
Kaskadenförmig strömen Millionen Menschen in die größeren nahe gelegenen
Orte und Flüchtlingslager, dann in die Provinzstädte oder Ölfördergebiete.
Unsichtbar werden sie selektiert nach sozialen, persönlichen, finanziellen und
körperliche Ressourcen. Hunderttausende werden aufgegriffen und in
Zwangsarbeitslager verschleppt. Knapp die Hälfte schafft es bis in den Großraum
Khartum. Sie bilden ein entwurzeltes, sozialer Rechte und Verbindungen
beraubtes Subproletariat8.
Das boomende Land – zwischen 1990 und 2001 stieg das Bruttoinlandprodukt
im Durchschnitt um 5,6% - ist angewiesen auf ihre preiswerte Arbeitskraft: auf den
Weltmarktplantagen, in den Ölfördergebieten, in den Entwicklungszentren. Durch
ständige Vertreibungen werden sie mobil gehalten, stabile soziale
Zusammenhänge sollen verhindert werden.
Aus den Flüchtlingslagern werden Städte (vgl. taz 27.2.1987). Mark Duffield9 hat
ausführlich beschrieben, wie einseitig dort die Strategien die NGOs auf
kommerzielle Bedürfnisse ausgerichtet sind und die Schaffung billiger Arbeitskraft
für die Landwirtschaft organisieren.
Im Großraum Khartum entstehen riesige Slums, wo Menschen unter
erschreckenden Bedingungen leben. Sie sind die Hauptzielgruppe der
Repression. Immer wieder kommt es zu groß angelegten Vertreibungen. Im Juni
1992 wurden bei Slumräumungen in Khartum 500.000-750.000 Menschen in
Wüstenlager verfrachtet. 30 Menschen starben (fr 14.2.1994). Aktuell nimmt die
Zahl der gewaltsamen Räumungen in der Hauptstadtregion wieder zu.
Zigtausende Menschen, meist aus dem Süden, werden vertrieben. Oft werden sie
in Wüstenregionen wieder angesiedelt oder in Slums, wo weder die Versorgung
mit Wasser und Lebensmittel noch die grundlegenden Dienstleistungen nicht
gewährleistet sind. Allein bei der gewaltsamen Räumung des Flüchtlingslagers
8
Die UNO geht heute von 6,7 Millionen Vertriebenen aus, davon leben rund 550.000 in
Nachbarländern (nach: UNHCR; Supplementary Appeal for Southern Sudan; March 2007).
9
Duffield, Mark; Aid and complicity: the case of war-displaced Southeners in the northern Sudan;
Journal of Modern African Studies; 1/ 2004; 83-104
8
„Dar al Salaam“ im Süden von Khartum wurden im August 2006 12.000 Menschen
vertrieben und ihre Häuser zerstört (Sudan Tribune 18.8.2006).
Alltäglicher Widerstand
Die "schöpferischen Zerstörung" im Sudan ist mit sozialen Realitäten konfrontiert,
die sich dem kapitalistischen Zugriff mit Hartnäckigkeit verweigern: indigene
Milieus im Süden, nomadische im Norden. Die Heftigkeit des Angriffs zielt darauf,
diese Widerständigkeit gegen die Arbeit zu brechen.
Auch die innerstädtischen Armut (meist süd- bzw. westsudanische Herkunft),
eine der stärksten Arbeiterbewegungen in der arabischen Welt und eine
hochpolitisierte großstädtische StudentInnenschaft leisten weiter Widerstand.
Schmidinger10 schildert, wie wenig die Islamisierungskampangnen der Regierung
greifen. Die vorgeschriebene Geschlechtertrennung in öffentlichen
Verkehrsmitteln funktioniert nirgends. Tausende Frauen bedecken ihr Kopfhaar
nur mit transparenten Kopftüchern oder haben diese überhaupt nur um den Hals
hängen, um sie bei Bedarf aufzusetzen. Vor allem die Khartum University gilt in
vielen Bereichen als „Hort der Freiheit“. Die einst starken Gewerkschaften arbeiten
im Untergrund weiter. Trotz Streikverbots kommt es immer wieder zu mehr oder
weniger spontanen Streiks im Land.
Ist es der Arbeitskräftemangel oder der Unmut, sich vernutzen zu lassen: bei den
großen Infrastrukturprojekten werden chinesische Gefangen als Zwangsarbeiter
importiert. Im Dienstleistungssektor arbeiten viele GastarbeiterInnen aus Asien.
Zahlreiche MigrantInnen aus den Nachbarländern arbeiten im Sudan. Denn
„Service with a smile is not yet a priority” beschweren sich ausländische
Investoren über die Einheimischen (Sudan Tribune 18.2.2006). Als wesentliches
Entwicklungshemmnis wird – neben mangelnder Ausbildung - nach wie der
Unterschied zwischen „der schnellen Dienstleistungskultur der Investoren“ und
dem langsameren Arbeitsrhythmus der SudanesInnen gesehen.
Getragen wird diese Widerständigkeit von einer „Komplexität der sozialen
Beziehungen“11. Das Kapital als Gewaltverhältnis setzt einerseits auf
Zerschlagung dieser Komplexität durch die Zerstörung sozialer Zusammenhänge
und die Traumatisierung weiter Teile der Bevölkerung. Andererseits setzt es auf
Modernisierung als sozialen und technologischen Angriff, die sich vor allem aus
drei Quellen speist: aus der Arbeitskraft des durch die Zerstörung geschaffenen
entwurzeltem Subproletariat, migrantische Arbeitskraft und Petrodollars.
10
Schmidinger, Thomas; Sudan – Zwischen Repression und Rebellion;
http://www.contextxxi.at/context/content/view/79/116/4-5 / 1999
11
Cooper, Frederick; Africa and the capitalist world; in Hine, Carl (Hg.); Crossing Boundaries;
Bloomington/ Indianapolis 1999; 391-418
9
Der Krieg im Dafur ist Bestandteil dieser Auseinandersetzungen, die ohne den
permanenten Zufluss von Kapital und Technologie aus dem Ausland für das
Regime schon längst verloren wäre.
Im Frühjahr 1999 ging ein Bild um die Welt, das in seiner Bedeutung außerhalb
des Sudans kaum beachtet wurde: Die feierliche Einweihung der Pumpstation
Hegleig 1, Ausgangspunkt einer Ölpipeline aus dem Zentralsudan zur Hafenstadt
Port Sudan am Roten Meer am 31.5.1999.
Der Bau der 1.540 Kilometer langen Pipeline und eines Tanker-Terminals wurde
ermöglicht durch eine chinesisch-kanadische Kooperation: Kapital und
Technologie der Kanadischen Talisman-Corporation und die Arbeitskraft
chinesischer Strafgefangener. Die französische Ausgabe von Le Monde
Diplomatique (Dezember 2002) berichtete, dass erst diese Kombination die
Finanzwelt von der Seriosität der sudanesischen Erschließungspläne überzeugt
hat.
10
“War In Sudan? Not Where the Oil Wealth Flows” (New York Times)
Mit der Eröffnung der Pipeline ist es zu einem Boom in der sudanesischen
Ölindustrie gekommen. Das Öl verändert die Wirtschaft Sudans rasend schnell.
Die Förderung steigt kontinuierlich. Das Land wurde vom Erdölimporteur zum –
exporteur.
Ungefähr 400 bis 500 Mio. US-Dollar jährlich hat der Staat zwischen 2001 und
2004 durch den Ölexport verdient, das entspricht 80% der Exporterlöse. Bis 2004
waren zwei Drittel der Exporte für China bestimmt, Sudans Haupthandelspartner.
2006 hat Japan China als größten Ölkunde abgelöst12. Gleichzeitig vervierfachte
sich der einheimische Ölverbrauch.
Heute gilt der Sudan als die sich am schnellsten entwickelnde Ökonomie in
Afrika, wenn nicht der Welt. Das Bruttosozialprodukt wuchs 2005 um 8 Prozent13.
Unternehmen aus China, Malaysia, Indien, der Türkei, Kuwait, den Vereinigten
Arabischen Emiraten aber auch aus der BRD „stürmen“ das Land. Lediglich
Firmen aus den USA haben einen schweren Stand, aber auch sie investieren: u.a.
wurde 2002 eine neue Coca-Cola Fabrik eröffnet.
11
Weitere westliche Konzerne zogen sich auf Druck internationaler
Menschenrechtsorganisationen aus dem sudanesischen Ölgeschäft zurück:
Talisman verkaufte im Herbst 2002 seine Rechte im Sudan an die indische Firma
Videsh – mit einem Gewinn von 30 Prozent. Die schwedische Lundin Oil AB und
die österreichische OMV AG (früher: Österreichische Mineralölverwaltung; ÖMV)
verkauften 2003 ihre Rechte an die malaysische Petronas und die indische
Videsh. Heute sind alle aktiven Öl-Claims in chinesischer (CNCP), malaysischer,
indischer und (zum kleinen Teil) sudanesischer Hand. Westliche Firmen sind
allerdings an (noch) inaktiven Blocks im Süden, im Süddarfur und dem
angrenzenden Westkordofan beteiligt14. Auch Maschinen, Fahrzeuge,
Infrastruktur und Dienstleistungen für den Ölsektor werden von westlichen Firmen
geliefert.
Öl und Krieg
Die Profitinteressen im Ölsektor sind untrennbar mit den Bürgerkriegen
verknüpft15:
• Der Zusammenhang zwischen Krieg und Vertreibungskampagne zur
Entwicklung des Ölsektors ist offensichtlich: Aus den Gebieten, in denen
Erdöl-Konzessionen genehmigt wurden, wurden Hunderttausende gezielt
vertrieben. Ihr Vieh und ihr Getreide wurden geplündert, ihre Häuser und
Dörfer vernichtet, ihre Verwandten verletzt oder getötet und
Hilfsorganisationen an ihrer Arbeit behindert. „Die Ölkonzerne im Sudan
wissen bescheid über das Töten, Bomben und Plündern, das im Rahmen
der Erschließung der Erdölfelder stattfindet“, sagt Jemera Rone,
Berichterstatter von Human Rights Watch (HRW). "Wiederholt wurden sie
im privaten und öffentlichen Rahmen auf diese Tatsachen hingewiesen,
aber sie machen einfach weiter und profitieren, während die Zerstörungen
weiter laufen.“
• 60% der Erdölerlöse und fast die Hälfte des Haushalts werden für das
Militär im Zusammenhang mit den Bürgerkriegen verbraucht. Seit 1999
hat die Einfuhr von Jagdflugzeugen und Kampfhubschraubern
zugenommen. Die Öleinnahmen wurden außerdem zum Aufbau einer
eigenen Rüstungsindustrie investiert.
• Darüber hinaus wird vermutet, das China ein Interesse an der
Weiterführung des Krieges im Sudan hat, weil durch die Proteste
humanitärer Organisationen westliche Konkurrenz ferngehalten wird16.
12
Die Elendregionen bleiben einerseits ein stetig sprudelnder Quelle neuer
Arbeitskraft, um den Druck auf die unteren Segmente des Arbeitsmarktes aufrecht
zu erhalten. Andererseits bleiben sie „Dumping ground“ für jene Menschen, die
der Moloch nicht mehr zu verwerten gedenkt.
Boomtown Khartum
In den letzten dreißig Jahren ist die Stadtregion, die aus der Hauptstadt Khartum,
der Wohnstadt Omdurmann, der Industriestadt Khartum-Bahri (Nord-Khartum)
und zahllosen umgebenden Siedlungen besteht, rasant gewachsen. Lebten hier
1973 714.000 Menschen, leben heute schätzungsweise 8 Millionen Menschen in
der Region.
In der Stadt, malerisch gelegen am Zusammenfluss des Weißen und des Blauen
Nils, werden Bürotürme errichtet, Brücken gebaut, Supermärkte eröffnet. Es gibt
neue und vor allem asphaltierte Straßen, neue Elektrizitätswerke, neue
Krankenhäuser, neue Schulen, neue Fabriken, neue Hotels. Selbst ein
thailändischer Massagesalon wurden in der Stadt eröffnet - trotz islamischer
Rechtssprechung (Sharia).
Das Konsumangebot nimmt zu: 2004 wurde das erste Einkaufszentrum von
türkischen Investoren errichtet, die Afra Mall, u.a. mit einem Wal-Mart-Megastore,
Bowlingbahn, Kino, Sporthalle, Juwelierläden und einer Boutique für italienische
Hemden. Eine Straßenecke weiter werden BMW für US$165.000 angeboten.
Internet und Mobiltelefone sowieso.
Siemens unterzeichnete im Oktober 2006 einen 200 Million Euros schweren
Vertrag mit MobiTel Sudan, mit 70% Markanteil Marktführer auf dem Gebiet der
Telekommunikation im Sudan. Siemens liefert End-To-End-Lösungen, die
höchsten Ansprüchen der mobilen Telekommunikation garantieren sollen19.
Selbst die Ernährungsgewohnheiten ändern sich: noch nicht lange ist es her,
dass die Menschen für ein Stück Brot stundenlang anstehen mussten. Heute
stehen statt des traditionellen Ful-Eintopf Kebab, Jogurt, Hamburger und Hot dogs
auf dem Speiseplan. (New York Times 24.10.2006. The Economist 7.8.2006).
Mitten in der Stadt, wo sich der Blaue Nil mit dem Weißen Nil vereint, wird für vier
Milliarden Dollar ein neuer Stadtteil gebaut: Al Mogran, was zu deutsch Treffpunkt
oder auch Zusammenfluss bedeutet. Und auf einhundertsechzig Hektar fließt
einiges zusammen: neben Promenaden, Brücken, Brunnen, Boulevards und
Gärten entstehen ein 18-Loch-Golfkurs und 63 ultramoderne Bürotürme, die im
Modell rundum verglast funkeln. Die Hälfte der Büroräume sollen bereits vermietet
sein. Zum Wohnen werden 650 Villen und 7.000 Apartments gebaut, für Schulen,
Boutiquen und Freizeitparks ist gesorgt (siehe www.Alsunut.com).
18
Materialien für einen neuen Antiimperialismus; Megacities und Slum Cities;
http://www.materialien.org/texte/papers/slumcities.htm; 11.12.04
19
http://www.tradearabia.com/tanews/newsdetails_snIT_article112574_cnt.html 8.10.2006
13
Al Mogran wird errichtet von der Al Sunut Development Company Ltd, einem joint
venture zwischen dem Bundesstaat Khartum, dem Nationalen
Sozialversicherungsfond und der DAL Group Company Ltd. Die DAL Gruppe, der
größte sudanesische Konzern, ist ein Konglomerat verschiedener Firmen, unter
anderem auch der sudanesischen Vertretungen zahlreicher Multis, u.a. Coca-
Cola, Caterpillar, John Deere, Rolls Royce, Mitsubishi, Mercedes Benz,
Bridgestone Tyres and Exide Batteries (The Economist 7.8.2006. Die ZEIT
21.8.2006. International Herald Tribune 13.12.2006).
Der Boom stärkt die innenpolitische Position der Regierung, doch die
Polizeistaatsmentalität bleibt allgegenwärtig. Wie eh und je hören die
Sicherheitsbehörden Telefone ab, lesen e-mails mit und zensieren die Presse. Die
Furcht vor der Geheimpolizei und den islamistischen Milizen ist allgegenwärtig.
Die Korruption und die Bevorzugung von Offizieren und Günstlingen des Regimes
haben sich kaum geändert.
Auch die Armut ist nicht verschwunden. Selbst in Khartum haben die meisten
Menschen nicht am Boom teil. 80% der städtischen Bevölkerung leben in Slums,
die weltweit höchste Rate für eine Hauptstadt. Das Leben in den Slums wird
hochgradig kriminalisiert. Die häufigsten Vergehen sind Trunkenheit, Diebstahl
und Prostitution.
Viele Menschen haben überhaupt kein Einkommen. Zwei Drittel aller Werktätigen
arbeiten im informellen Sektor. In den staubigen Straßen abseits der
Glitzermetropole gehen StraßenhändlerInnen ihren bescheidenen Geschäften
nach. Tausende Straßenkinder sind im Straßenbild sichtbar, sie Schlafen in den
Märkten, stehlen was sie können oder versuchen sich mit Gelegenheitsjobs etwas
Geld zu verdienen. JedeR dritte StadtbewohnerIn leidet an Durchfall – in den
Slums sogar 40% der Bevölkerung.
Mit Unterstützung von außen und unter dem Einfluss des Staatsapparats sind im
Sudan grausamste Gewaltverhältnisse entstanden. Im Westen werden
„Humanitäre Intervention“ oder Sanktionen als geeignete Maßnahmen gegen
diese Gewaltverhältnisse diskutiert. Die „Humanitäre Intervention“ scheitert
zunächst daran, dass es keine „Humanitären Streitkräfte“ gibt, die die Interessen
der Armen im Sudan unterstützen. Es gibt nur imperialistische Armeen, die
imperialistische Interessen vertreten. Diese Interessen sind der Quell der
Entwicklung, die soviel Leid und Elend über den Sudan bringt.
Auch ist eine Vorstellung abzulehnen, die ein „übles“ islamistisches Regime
freiheitsliebenden Rebellen gegenüber stellt. Die ehemalige Befreiungsbewegung
des Südens, SPLM trägt heute als Koalitionspartner der Nationalen Regierung
den Krieg im Dafur im vollen Umfang mit. Als Entwicklungsdiktaturen
unterscheiden sich beide politischen Strömungen kaum. Auch die
westsudanesischen Rebellenbewegungen streben nach aggressiver Entwicklung.
14
US-Firmen sind auch ziviler Handel und Investitionen verboten. Einerseits gibt es
zahlreiche Verstöße gegen diese Verbote. So lange es keinen Stress gibt, wird
investiert oder geliefert.
Andererseits zieht sich das Kapital immer häufiger zurück, wenn
Geschäftsbeziehungen zum Sudan öffentlich kritisiert werden. Diese Kritik wird
sowohl von linken als auch von evangelikalen und anderen christlichen Gruppen
im Westen artikuliert, wobei letztere meist einseitig den Südsudan protegieren und
eine christliche Entwicklungsdiktatur fordern (und fördern).
Der Sudan kann die Auswirkungen der Sanktionen unterlaufen, weil es in weiten
Teilen der Welt kaum zivilgesellschaftlichen Druck auf das Kapital gibt. Die
Forderungen westlicher zivilgesellschaftlicher Gruppen nach Einhaltung der
Sanktionen führen zu einem gewissen Vorsprung für nichtwestliche
Handelspartner und Investoren. So ist vor allem der Einfluss Chinas in Khartum
offensichtlich.
Insgesamt fördern die Auseinandersetzungen um die Sanktionen die Tendenz,
dass westliches und schwarzafrikanisches Kapital eher im Süden investiert wird
und islamisches und trikontinentales dafür eher im Norden. Aber es gibt auch viele
Gegenbeispiele20.
Die ambivalente Haltung des westlichen Imperialismus zum Sudan wird auch im
aktuellen Terrorismus-Bericht des US-Außenministeriums deutlich: Einerseits wird
die sudanesische Regierung darin als "starker Partner im Kampf gegen den
Terrorismus" bezeichnet; andererseits steht der Sudan im gleichen Bericht auf der
Liste der Sponsoren des Terrorismus. „Die Situation in Sudan ist kompliziert“,
meinte dazu ein Sprecher des Weißen Hauses auf Anfragen der Presse.
Und während US-Präsident Bush einen direkten Vergleich zwischen dem
Holocaust an den Juden und dem „Übel“ im Sudan zieht (taz 20.4.2007) führte
das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Unternehmerreise in
den Sudan durch. Sowohl Khartum als auch Juba, die Hauptstadt des Südsudans,
standen auf dem Programm.
20
Es ist schwierig, das investierte Kapital Nationalstaaten zuzuordnen. So wird ein Teil des US-
Kapital (z.B. Berkshire Hathaway des Milliardär Warren Buffett oder der US-Finanzinvestor
FIDELITY) kritisiert, weil es mit Anteilen an Petro China, ein Tochterunternehmen der China
National Petroleum Corporation (CNCP), indirekt an der Ölförderung im Sudan beteiligt ist.
Laut Associated Press investierten auch mindestens vier aktuelle US-Präsidentschaftskandidaten
(Barack Obama, Sam Brownback, Rudy Giuliani and John Edwards), die sich alle gerne als
Kritiker des Genozids im Darfur profilieren, in Firmen, die Geschäftsbeziehungen zum Sudan
unterhalten. U.a. investierten sie in einen Fond, der Anteile an einer französischen Firma hält, die
mit Dienstleistungen u.a. im sudanesischen Ölsektor aktiv ist (washington post 17.5.2007).
21
Walt, Lucien van der/ Schmidt, Michael; Is China Africa’s New Imperialist Power?; in: Zabalaza: A
Journal of Southern African Revolutionary Anarchism #7; December 2006;
http://www.zabalaza.net/index02.htm
15
3. Modernisierung als sozialer Angriff im Süden
Juba - Hauptstadt des Südens
Außerhalb der prosperierenden Kapitale finden sich dagegen kaum Anzeichen für
den Boom. Für die meisten Menschen im Sudan gibt es keine Elektrizität und der
Schulunterricht findet unter Bäumen statt. Abgesehen von den
Weltmarktenklaven, findet der Boom lediglich noch in Juba statt, der Hauptstadt
des Südens. Zwei Jahre nach Kriegsende scheint sich in der während des Krieges
von Regierungstruppen gehaltenen Garnisonsstadt alles zu verändern. Allerdings
auf wesentlich niedrigerem Niveau als in Khartum.
22
Sudanese Popular Liberation Movement (sudanesische Befreiungsfront) im Südsudanesischen
Bürgerkrieg der politischen Arm der SPLA-Guerilla (sudanesiche Befreiungsarmee). Heute
Regierungspartei im Süden und in der Nationalregierung (gemeinsam mit der islamistischen NIP).
23
Kosten für eine Übernachtung: 200 US-$ (Newsweek 16.4.2007)
16
Die einheimische Bevölkerung, die jahrzehntelang von der Welt abgeschnitten
war, hat in der Regel weder Grundschul- noch Berufsausbildung und auch kein
Kapital. An ihr geht der Boom weitgehend vorbei. Es sind vor allem Ausländer,
Rückkehrer oder Militärs, die größere Geschäfte eröffnen oder
Führungspositionen einnehmen. Viele halten die Einheimischen für arbeitsscheu
und importieren lieber Arbeitskräfte. „Für die Bauarbeiten beschäftigen die
Unternehmer lieber Arbeitskräfte aus dem benachbarten Uganda“ (nzz 2.3.2006).
In öffentlichen Bauprojekten werden Einheimische vor allem im Rahmen von
„Food for work“ Programmen eingesetzt.
Offensichtlich gibt es eine Grenze zwischen den RückkehrerInnen aus dem
Ausland, ausgebildet und voller Tatendrang, im neuen Südsudan eine
Führungsrolle zu übernehmen, und der Mehrheit der entwurzelten, unterernährten
und traumatisierten Bevölkerung. "Schon gibt es Spannungen zwischen den
RückkehrerInnen und den lokalen Kriegsveteranen, einige kriegsversehrt, die das
Gefühl haben, dass ihnen die Regierungsjobs und Ausbildungsplätze eher
zustehen als den nach Ämter jagenden Geschäftsleuten, die aus dem Kongo,
Kenia und den vereinigten Staaten zurückkehren“ (Washington Post 4.9.2005).
Für letztere bietet das total zerstörte Land Gelegenheiten, die sie nirgendwo
anders finden würden.
Die zahlungskräftigen neuen Bewohner lassen bereits die Mieten in Juba
explodieren. Der San Francisco Chronicle (26.2.2007) zitiert einen Bewohner der
Stadt, dessen Monatsmiete von unter $100 auf $3.000 steigen sollte.
20.000 Grundstücke will die die Südsudanesische Regierung in Juba zu Geld
machen. Zum großen Teil leben auf den Grundstücken LandbesetzerInnen, die
laut Wohnungsminister Samson 20-25% der Stadtfläche besetz haben. Mitte Mai
begann die Südsudanesische Regierung mit Zwangsräumungen. 4-5.000 Familien
sollen vertrieben werden, Einige von ihnen besetzten das Land bereits während
des Bürgerkrieges, andere danach.
Gleichzeitig werden die Lebensmittelhilfen drastisch zusammengestrichen. Seit
diesem Jahr erhalten nur noch Kinder unter fünf Jahren, Alte und Kranke
kostenlose Lebensmittelhilfen. RückkehrerInnen werden die ersten drei Monaten
versorgt. Alle anderen werden in Zwangsarbeitsprogramme gezwungen („Food for
work“). Kinder müssen die Schule besuchen, wenn sie nicht verhungern wollen.
Durch „Food for work“ sollen bis Ende 2007 u.a. 3.000km Überlandstraßen fertig
gestellt werden.
Eisenbahn
Der politische und ökonomische Schwerpunkt deutschen Engagements im Sudan
liegt auf dem ölreichen Süden. Dort führt die bundeseigene Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Wiederaufbauprogramm durch, das auch
mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert wird. Dabei geht es unter anderem
um die Rückführung mehrerer hunderttausend Flüchtlinge, sowie um
Infrastrukturmaßnahmen.
Zentral für eine eigenständige Entwicklung des Südens ist - neben der Errichtung
der neuen Hauptstadt in Juba - der Aufbau einer vom Norden unabhängigen
Infrastruktur. Ein neues Verkehrsnetz und wird den Südsudan an die südlich
angrenzenden Länder DR Kongo, Uganda und Kenia anbinden und so die
17
Grundlage für wirtschaftliche Verflechtungen bieten, die die Abhängigkeit des
Gebietes vom Norden vermindern. Später soll eine Pipeline nach Kenia
hinzukommen.
24
Wagner, Jürgen; Der Sudan als Spielfeld der Mächte; Linke Zeitung; 05.11.2006
25
Im März 2006 griffen „Internationalistische Zellen“ die Firma wegen ihres Sudan-Engagement
an. Bei dem Anschlag in Bad Oldesloe verbrannten fünf Laster. Es entstand ein Sachschaden in
Höhe von 300.000€ (Erklärung unter: https://dissentnetzwerk.org/node/147).
Im Sommer 2006 wurde die Firma laut Hamburger Abendblatt (11. + 12.7.2006) liquidiert. Als
Grund wird ein >Streit< um das Sudanprojekt zwischen zwei Eigentümergruppen angegeben.
Allerdings sei Klaus Thormählen, einer der bisherigen Eigentümer, fest entschlossen,
weiterzumachen – auch mit dem Afrika-Projekt. »Sämtliche 90 Mitarbeiter der Aktiengesellschaft
haben gekündigt. Viele finden sich bereits in meiner neuen Klaus Thormählen GmbH mit Sitz in
Barsbüttel wieder«, wird Thormählen zitiert. Er habe auch schon neue Kapitalgeber gefunden.
18
Schlussfolgerung
Andererseits scheitern Sanktionen auch daran, dass es in weiten Teilen der Welt,
den zivilgesellschaftlichen Druck nicht gibt. Das verschwinden einer eindeutigen
Nord-Süd-Polarität fordert neue Formen antiimperialistischer Praxis.
19
Für südafrikanische Aktivisten, die China als Afrikas neue imperialistische Macht
sehen, beinhaltet internationale Solidarität und Klassenkampf, ArbeiterInnen in
China zu unterstützen26.
26
Walt, Lucien van der/ Schmidt, Michael; IS CHINA AFRICA'S NEW IMPERIALIST POWER?; in:
Zabalaza: A Journal of Southern African Revolutionary Anarchism #7; December 2006;
http://www.zabalaza.net/index02.htm
20