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Die alten und die


neuen Bundesländer
Die alten und die neuen Bundesländer 35

Nicht zufällig fand in dieser Stadt, die so eng mit der


preußisch-deutschen Geschichte verknüpft ist, nach
Ende des Zweiten Weltkriegs die Potsdamer Konferenz
statt. Truman (USA), Stalin (UdSSR) und Churchill
(Großbritannien) trafen sich mit ihren Außenministern
im Schloss Cecilienhof, das heute ein viel besuchtes
Museum ist. Das Potsdamer Abkommen regelte 1945
die Aufteilung des besiegten Deutschen Reichs in vier
Besatzungszonen, die neuen Grenzen (siehe Stichwort
„Oder-Neiße-Grenze“, S. 32) und die Aburteilung der
Kriegsverbrecher (siehe S. 163).
Aus der Geschichte: Berlin wurde 1237 erstmals urkund-
Potsdam ist auch der Sitz eines bekannten, internatio-
lich erwähnt, also relativ spät. Erst im 17. Jahrhundert
nal tätigen Forschungsinstituts: das Potsdam-Institut
trat die Stadt aus ihrem Schattendasein heraus und
für Klimafolgenforschung (PIK). Es erforscht Fragen des
wurde ein wichtiger Handelsplatz. Im 18. Jahrhundert
Klimawandels, der Klimafolgen und der nachhaltigen
spielten Preußen und seine Hauptstadt besonders
Entwicklung. Die Technische Universität Cottbus ist die
unter Friedrich II. eine zentrale Rolle auf Europas
jüngste in Deutschland. Die zahlreichen ausländischen
Bühne. 1871 wurde Berlin Hauptstadt des neu gegrün-
Studenten loben sie wegen der modernen Bauten und
deten Deutschen Reichs. Sie war auch die Hauptstadt
der guten Studienbedingungen.
des sogenannten Dritten Reichs (1933–1945); hier fes-
tigte Adolf Hitler seine Diktatur und löste den verhee-
Berlin renden Zweiten Weltkrieg aus.

Mit dem Beitritt der DDR 1933 lebte in Berlin fast ein Drittel aller deutschen
zur Bundesrepublik am Juden, nämlich 160 000. Jüdische Künstler, Wissen-
3. Oktober 1990 wurden schaftler, Theaterleute, Verleger und Schriftsteller
Berlin-Ost und Berlin-West wiederverei-
nigt. Berlin ist Hauptstadt und Bundes-
land (Stadtstaat). – Fläche und Bevölkerung siehe S. 25.

Brandenburger Tor mit Mauer,


(Westseite vor der Wende)

Berliner Mauer mit Graffiti


Wussten Sie das? Als die Mauer abgerissen wurde, stellten die
Berliner kleine Stände auf und verkauften die Steinstückchen
mit den bunten Mustern und Schriftzügen an die zahlreichen
Touristen.
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 Das Stichwort Der Kölner Dom Sammler und Galeristen, ist der klassischen Moderne
Er wurde von 1248 bis 1880 erbaut und gilt als Meis- und der Gegenwartskunst verpflichtet. Junge und
terwerk gotischer Architektur. Die originalen Bauplä- etablierte Künstler kommen hier zusammen. Talente
ne wurden während der gesamten Bauzeit nicht ver- wie der Koreaner Nam June Paik, Pionier der Video-
ändert. Kunst, der lange Zeit in Köln zu Hause war, gehören
1996 wurde er in die Liste des UNESCO-Welterbes ein- dazu. Verschiedene Rundfunkanstalten senden von
getragen. Der Dom geriet vorübergehend auf die rote Köln aus: der WDR (Westdeutscher Rundfunk), die
Liste der gefährdeten Kulturdenkmäler, weil geplante Deutsche Welle und der Unterhaltungsgigant RTL
Hochhäuser auf der anderen Rheinseite die Stadtsil- (siehe S. 95 ff.).
houette mit dem Dom zerstört hätten. Das Prädikat
der UNESCO ist verbunden mit Pflichten, die oft in Höhepunkt des Jahres ist für die Kölner der Karneval,
Konflikt mit notwendigen Neuerungen geraten. die „fünfte Jahreszeit“, die zahllose Besucher aus dem
In- und Ausland anzieht. Vor allem am Rosenmontag ist
Köln, ebenso wie Düsseldorf am Rhein gelegen, ist mit in Köln alles auf den Beinen. Über 100 Karnevalsgesell-
fast einer Million Einwohnern die größte Stadt dieses schaften sorgen für Frohsinn in den Sälen und auf der
Bundeslands. Sie ist wirtschaftlich abhängig von den Straße. Die Vermarktung hat dem Karneval bisher nicht
Hochs und Tiefs des Automobilbaus (Ford), der Chemie geschadet, aber die Organisatoren suchen bereits nach
und des Maschinenbaus. Auswegen, damit die Tradition gegenüber dem Kom-
Ihre Vergangenheit reicht bis in die römische Zeit, ins merz nicht zu kurz kommt.
Jahr 50, zurück. 1248 wurde mit dem Bau des Kölner
Doms begonnen, der sich über 600 Jahre hinzog. Er ist Nicht weit entfernt von Köln liegt Bonn, die ehemalige
das Wahrzeichen der Stadt. Hauptstadt der Bundesrepublik (siehe S. 37). Ihre
In Köln gibt es weltberühmte Museen: das Römisch- Geschichte geht ebenfalls auf die Römer zurück. Vom
Germanische Museum, das Wallraf-Richartz-Museum 16. bis zum 18. Jahrhundert war sie Residenzstadt der
und das Museum Ludwig (siehe S. 134). Die Art Cologne, kurfürstlichen Erzbischöfe von Köln. In Bonn wurde im
die älteste Kunstmesse der Welt im Wettbewerb mit Jahr 1770 Ludwig van Beethoven geboren.
London, Berlin und Basel, Treffpunkt für Künstler,

Der Kölner Dom, Wahrzeichen der Stadt, im Jahr 1855 … … und heute
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Die Frauenkirche in
Dresden vor dem
Zweiten Weltkrieg
(links), in Trümmern
(oben) und wieder auf-
gebaut 2004 (rechts)

Dresden ist zu Europas wichtigstem Standort für die


Mikroelektronik geworden. Hier geschah das Wende-
wunder: Wo heute Mikrochips gefertigt werden und
sich immer mehr Betriebe ansiedeln und Cluster mit
den Forschungseinrichtungen bilden, dehnten sich vor
der Jahrtausendwende noch Wiesen und Felder aus. Leipzig ist die größte Stadt des Landes. Sie hat eine fast
1000-jährige Tradition als Zentrum des Handels und
Städte: Die Landeshauptstadt Dresden beherbergt der Messen. Die Leipziger Buchmesse ist auch heute
viele Museen und Kunstsammlungen. Sie war von 1485 wieder ein Ort der Begegnung zwischen Ost und West.
bis 1918 Residenz der Kurfürsten und Könige von Sach- Das Programm „Leipzig liest“, ein rauschendes Litera-
sen, die prächtige Baudenkmäler errichten ließen. 1945 turfestival, geben der Messe ihr besonderes Profil. In
wurde die barocke Altstadt total zerstört; Zehntausen- Hunderten von Lesungen tragen bekannte und noch
de von Menschen starben bei den Luftangriffen. Die weniger bekannte Autoren aus ihren Werken vor. Gele-
schönsten Bauwerke Dresdens sind inzwischen wieder sen wird in Bibliotheken, Kirchen, Kneipen, auch an
aufgebaut worden: der Zwinger, eine Barock-Anlage ungewöhnlichen Orten wie Clubcafés („Pfeffermühlen-
aus der Zeit Augusts des Starken, und die Semperoper. club“), dem Wohnzimmerclub „Ilses Erika“ oder in der
Bio-City, dem Forschungszentrum. Vor über 150 Jahren
Die barocke Frauenkirche, die als Ruine über 50 Jahre wurde Leipzig zum Buchhandelszentrum. In den letz-
Wahrzeichen der Stadt war, wurde originalgetreu nach ten Jahrzehnten ist Frankfurt am Main als Konkurrent
alten Plänen wieder aufgebaut. Dresdner Bürger hat- groß geworden; seit der Wende ist Leipzig erfolgreich
ten nach der Wiedervereinigung den Anstoß gegeben, dabei, seine alte Weltgeltung als Stadt des Buchhan-
Stifter aus aller Welt haben den Wiederaufbau ermög- dels mit eigenem Profil wieder herzustellen.
licht. Das neue goldene Kuppelkreuz ist ein Geschenk In Leipzig boomt der Wiederaufbau. Das neue Messe-
und eine Geste des britischen Königreichs (s. Titelfoto). gelände ist fertiggestellt. Der Leipziger Hauptbahnhof
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Bayern traktionen Bayerns gehören. Auch förderte er den Kom-


ponisten Richard Wagner, der durch die großzügige
Das flächenmäßig größte Bundes- Unterstützung sorgenfrei arbeiten konnte. In den letz-
land. – Fläche und Bevölkerung ten Jahren seines Lebens zog sich Ludwig immer mehr
siehe S. 25. zurück und wandte sich seinen Traumwelten zu.
München (= Landeshauptstadt): Am 13. Juni 1886 ertrank er unter nicht ganz geklärten
1,2 Millionen Einwohner; Nürnberg: Umständen im Starnberger See. Die Bayern nennen ihn
493 000 Einwohner; Augsburg: noch heute ihren „Kini“; sein Bild ist auf Maßkrügen,
259 200 Einwohner; Würzburg: 132 700 Einwohner; Bierdeckeln und Aufklebern zu finden, sogar ein Bier,
Regensburg: 128 600 Einwohner das „König Ludwig Dunkel“, ist nach ihm benannt.
König-Ludwig-Clubs halten sein Andenken lebendig.
Aus der Geschichte: 1806 schloss sich Bay-
ern dem napoleonischen Rheinbund an 1918 wurde die Republik ausgerufen. Die Konflikte zwi-
und wurde ein Königreich. Unter König schen Bayern und dem Reich bestimmten die folgen-
Ludwig I. war München ein kulturelles den Jahre. 1923 sammelten sich rechtsradikale Kreise in
und wissenschaftliches Zentrum. München und putschten
Zwischen Nürnberg und Fürth verkehrte die erste deut- unter Adolf Hitler erfolglos
sche Eisenbahn. In dieser Zeit begann die industrielle gegen die Reichsregierung
Entwicklung Bayerns. Der Reichsgründung 1871 schloss in Berlin. Unter den Natio-
sich Bayern nur widerwillig an; es erhielt dafür Sonder- nalsozialisten wurde Mün-
rechte: eigene Diplomatie, Post und Eisenbahn, Bier- chen darum „Stadt der
und Branntweinsteuer. Bewegung“ genannt.
Aus der Zeit der Monarchie ist besonders ein König im
Bewusstsein geblieben: König Ludwig II. (1845–1886). Er
baute die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee
und Linderhof, die heute zu den größten Touristenat-

Der Komponist
Richard Wagner
(1813–1883) (rechts)
und Ludwig II.

Schloss Neuschwanstein
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Woher man kommt, ist doch wurscht!

Wir sind gleicher, als wir denken.


Wir wollen nichts beschönigen. Zwischen Ost und West gibt es noch große Unterschiede, vor allem wirtschaftliche
und soziale. Und trotzdem gibt es zwischen den Menschen in den alten und den neuen Bundesländern mehr
Verbindendes als Trennendes. Wir sprechen die gleiche Sprache.
Wir haben die gleiche Kultur. Wir haben gleiche, typisch deutsche Unarten. In Ost und West wie in Nord und Süd.
40 Jahre Kapitalismus oder Kommunismus haben daran nichts ändern können. ... Schauen wir deshalb
nicht auf Trennendes, arbeiten wir lieber am Gemeinsamen.
Europa kann nur zusammenwachsen, wenn auch wir zusammenwachsen.

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