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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 20.6.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

Protest des
Auschwitz-Komitees
Das Auschwitz-Komitee in der
BRD e.V. protestierte inzwischen
gegen das Vorgehen der Hamburger
Polizei und ihres von der FDP ange-
forderten Einsatzkommandos. Denn
parallel zur Podiumsdiskussion mit
Möllemann führte das Auschwitz-
Komitee seine monatliche Sitzung
im Hamburg-Haus durch und geriet Bild: PG
so in die Auseinandersetzung.
„Gegründet von Überlebenden
der Konzentrationslager, ist es die
Aufgabe des Auschwitz-Komitees,
Rassismus, Faschismus und Antise-
mitismus zu bekämpfen,“ heißt es in
der Erklärung vom Tag darauf.
„Deshalb hielten wir es für selbst-
verständlich, unsere Sitzung zu
unterbrechen, um den Polizeieinsatz
zu beobachten und unsere Solida-
rität mit dem legitimen Protest zum
Ausdruck zu bringen. Dabei muss-
ten wir ansehen, wie Menschen mit
Polizeigewalt und -knüppeln be-
droht, geschlagen und verletzt wur-
den. Selbst die Vorsitzende des Au- Gegen Antisemitismus und Rechtspopulismus:
schwitz-Komitees, Esther Bejarano,
wurde von Polizisten bedroht und
bedrängt, als sie ein anderes Mit-
glied des Auschwitz-Komitees vor
Protest gegen
Polizeizugriff schützen wollte. Wei-
tere Mitglieder wurden geschubst,
bedroht und abgedrängt, obwohl sie
Möllemann-Auftritt
sich lediglich beobachtend im Foyer Rund 200 Menschen protestier- wurde die Kritik am Antisemitismus Möl-
aufhielten. Darüber hinaus drohte ten am 11. Juni gegen den Auf- lemanns und seiner Politik der Brandstif-
die Polizei mit der Räumung des tritt von Jürgen Möllemann tung geführt. Nach Beginn der öffent-
Versammlungsraums des Au- beim innenpolitischen Forum der FDP lichen FDP-Veranstaltung begaben sich
schwitz-Komitees.“ Hamburg. zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilneh-
Davon ließen sich die Antifa- mer in den Saal, um sich mit Möllemann
schistInnen jedoch nicht beeindru- Die FDP Hamburg, selbst im Bündnis mit direkt auseinanderzusetzen. Der schwieg.
cken. Für sie steht fest: „Auch Schill, gehört zu den FDP-Landesverbän- Dafür ließen seine Parteikollegen den
weiterhin werden wir, das Au- den, in denen der von Möllemann reprä- Saal nach einiger Zeit durch die Polizei
schwitz-Komitee, gegen Rassismus, sentierte Kurs der Haiderisierung der FDP von den Kritikern räumen, um nach fast
Faschismus und Antisemitismus große Zustimmung findet. Die „Welt“ be- einstündiger Unterbrechung ungestört
auftreten.“ richtete in der letzten Woche gar, dass grö- über liberale Grundsätze in der Innenpoli-
Auschwitz-Komitee in der ßere Teile des Landesverbandes aufgrund tik schwadronieren zu können. Einige
BRD e.V. ■ des „Drucks“, den der FDP-Vorstand auf mutmaßliche FDPler verließen aus Protest
Möllemann ausübe, diskutiert hätten, den gegen Möllemann und die Räumung den
Wahlkampf für die FDP einzustellen. In Saal ebenfalls. Die Polizei ging bei der
Aus dem Inhalt: diesem Zusammenhang stand dann wohl Räumung des Hamburg-Hauses teilweise
Deutsche Partei (DP) in auch die Einladung Möllemanns. mit nackter Gewalt vor, u.a. gegen Esther
der Offensive . . . . . . . . . . . . . 5 Angesichts recht kurzfristiger Mobili- Bejarano, Überlebende des Holocaust und
Kulturkampf in sierung – zur Kundgebung aufgerufen Mitglied des Auschwitz-Komitees. Die
Deutschland . . . . . . . . . . . . . 7 hatte die PDS, ganz unterschiedliche poli- über 80-Jährige wurde von Polizisten mit
Zuwanderung tische Strömungen beteiligten sich – war dem Knüppel geschlagen und zur Seite
im Umbruch . . . . . . . . . . . . . 13 die Teilnahme an der Protestkundgebung gestoßen (Bild unten, Esther Bejarano ist
überraschend gut. In mehreren Beiträgen durch einen Polizisten verdeckt). scc ■
: meldungen, aktionen
triebenen“ in der BRD. In einer Ent-
schließung forderte die ÖLM die Öster-
reichische Bundesregierung auf, sie
Diffuses Bündnis misten“ wird für die Zeit vom 26. bis 28. möge „ihr Interesse stärker auf die volks-
Bickenbach. Mehr als 100 Verlage, Me- Juli „in der Nähe von Oberammergau“ deutschen Volksgruppen bzw. Minder-
dien, Verbände, Initiativen und Parteien vorbereitet. heiten“ ausrichten und „mehr als in
unterstützen bislang eine „Resolution zur In der neuesten Ausgabe der „Konser- der Vergangenheit deren legitime Inter-
Wiederherstellung der bisherigen ein- vativen Deutschen Zeitung“ berichtet Jo- essen vertreten und ihnen eine von Fall
heitlichen Rechtsschreibung“, die von achim Siegerist auch über sein Verhältnis zu Fall angemessene materielle Hilfe ge-
der Vorsitzenden des Vereins „Lebendige zu dem ehemaligen „Wiking-Jugend“- währen“. hma ■
deutsche Sprache“, Claudia Ludwig und Barden Frank Rennicke und dessen Auf-
der „Criticon“-Autorin Astrid Luise tritte auf Kongressen der „Deutschen Gefährliche Mischung
Mannes aus Bickenbach initiiert wurde. Konservativen“. „An fast jedem Abend
Zu den Unterzeichnern zählen bislang kommen die Kongreß-Teilnehmer mit Marktoberdorf. Eine diffuse Mi-
u.a. die evangelische Nachrichtenagentur Frank Rennicke zusammen und singen schung aus Esoterik, Mythen und rechter
„idea“, die „Junge Freiheit“, die La- deutsche Volkslieder. Wo gibt es das Politik bietet wieder die neueste Ausgabe
Rouche nahe „Neue Solidarität“, die noch“, so Siegerist. Und wenn Rennicke, der zweimonatlich erscheinenden Zeit-
„Deutsche Sprachwelt“, das „Ostpreu- Autor und Interviewpartner des NPD- schrift „Magazin 2000plus“. Die im
ßenblatt“, die „Evangelische Notgemein- Organs „Deutsche Stimme“ dabei mal ARGO-Verlag in Marktoberdorf verlegte
schaft“, der „Bund für deutsche Schrift wieder „zu weit in die rechte Ecke ab- Zeitschrift der Ingrid Schlotterbeck war-
und Sprache“, der „Verein Deutsche driftet“, dann ruft ihm Siegerist – eige- tet in ihrer neuesten Ausgabe u.a. mit
Sprache“, die Weimarer „Goethe-Gesell- nen Angaben – zu: „Rennicke sing, aber Abdrucken aus den Zeitschriften „Nation
schaft“, die „Deutsche Verlags-Anstalt“, halt’s Maul und rede nicht über Politik. und Europa“ und „Code“ auf. Eine Wer-
der Düsseldorfer „Grupello-Verlag“, der Davon hast du keine Ahnung“. Aber Sie- beanzeige für die neofaschistischen „Un-
Essener „Klartext-Verlag“, die „Bayern- gerist ist versöhnlich: „Egal was man abhängigen Nachrichten“ („Deutsche Ju-
partei“, der „Bund Junges Ostpreußen“, ihm anhängt und was die Linken schrei- gend liest Unabhänge Nachrichten“)
die „Sudetendeutsche Landsmannschaft“ ben: Er wird auch künftig unser Gast auf fehlt ebensowenig, wie positive Bespre-
in Österreich, das Rosenheimer „Archiv allen Kongressen sein. Wir stehen zu un- chungen des im „Hohenrain-Verlag“ er-
der Zeit e.V.“ und der „Freiheitliche Aka- seren Freunden. Auch das ist für mich schienenen Buches „Schöne vernetzte
demikerverband“ in Salzburg. Die konservativ“. Der nächste Kongress der Welt“ von Alain de Benoist, der „Gro-
Unterzeichner fordern von den Kultus- „Deutschen Konservativen“ soll im Okt- ßen Prüfung“ des Altnazis Hans Severus
ministern der Länder die Rücknahme der ober im österreichischen Kärnten statt- Ziegler (Jomsburg-Verlag) und des im
Rechtschreibreform, denn diese habe finden. Mit Rennicke und Haider? „FZ-Verlag“ des DVU-Chefs Gerhard
u.a. „unsere einheitliche Schriftsprache hma ■ Frey herausgegebenen Buches „Promi-
zerstört“, heißt es in der Resolution. nente ohne Maske – Neu“. Neben allerlei
hma ■ Spekulationen über angebliche Hinter-
50 Jahre „ÖLM“ gründe des Anschlages vom 11. Septem-
DGB als Hauptfeind ber 2001 nimmt in der aktuellen Ausgabe
Österreich/Wien. Jede Menge Promi- auch wieder eine Vorstellung der Frei-
Hamburg. Die aus der „Bürgeraktion nenz konnte die deutschtümelnde „Ös- wirtschafts-Theorie des Sozialdarwinis-
Demokraten für Strauß“ hevorgegange- terreichische Landsmannschaft“ (ÖLM) ten Silvio Gesell breiten Raum ein.
nen „Deutschen Konservativen“ um den anläßlich ihres „Schulvereinstages“ am hma ■
wegen „Volksverhetzung“ verurteilten 13. Mai in Wien zum 50jährigen Beste-
Joachim Siegerist und den CDU-Rechts- hen des Verbandes begrüßen. Der Festre- Karsli Interview bei den La-
außen Heinrich Lummer geben die de des ehemaligen SPÖ-Aktivisten
Gründung eines Jugendverbandes be- Günther Nenning lauschten so u.a. Dr. Rouchies
kannt. Die „Konservative Jugend Florian Haug, Leiter der kulturpoliti- Düsseldorf. Der nordrheinwestfälische
Deutschlands“ will u.a. „gegen den roten schen Abteilung im österreichischen Jamal Karsli, der im April sein Amt nach
DGB“, den „Hauptfeind der Nation“ vor- Außenministerium, Hilmar Kabas, FPÖ- antisemitischen Äußerungen als migra-
gehen, heißt es in einem Rundbrief von Klubobmann, Katharina Grieb von der tionspolitischer Sprecher der GRÜNEN
Anfang Juni. Neuer Sprecher des Siege- „Internationalen Gesellschaft für Men- abgegeben hat und zur FDP-Fraktion
rist-Nachwuchses ist Stephan Happe schenrechte“ (IGFM), Rudolf Reimann übergetreten ist, hat wenige Tage vor sei-
(21) aus Hamburg, ehemaliges Mitglied vom „Verband Volksdeutscher Lands- nem Wechsel der „Neuen Solidarität“,
der „Jungen Union“, der meint, „auch mannschaften in Österreich“, Gerhard dem deutschen Sprachrohr der ver-
künftig politisch unkorrekt bleiben“ zu Zeihsel von der „Sudetendeutschen schwörungstheoretischen LaRouche-Be-
wollen und „Negerküsse, Königsberger Landsmannschaft“ in Österreich, Walter wegung, ein Interview gegeben
Klopse und Zigeunerschnitzel“ essen Sucher vom „Ring volkstreuer Verbän- (17/2002). Darin erneuerte er seinen Vor-
möchte, „statt Roma- und Sintischnit- de“, Harald Süß vom „Bund für deutsche wurf, dass „israelisches Militär Nazime-
zel“. Weitere Schwerpunkte der „Kon- Schrift und Sprache“, Dr. Rolf Sauerzapf thoden verwendet“: „Genau die Metho-
servativen Jugend“ sollen die Pflege der und Heiko Möhring vom VDA in der den, die die Nazis früher angewandt ha-
Gräber deutscher Soldaten aus dem 2. BRD, Dieter Langer von der „Wiener ben, werden in den besetzten Gebieten
Weltkrieg, der Kampf gegen die „Engli- Wirtschaftskammer“ und Dieter Schöf- heute vom israelischen Militär prakti-
fizierung unserer Sprache“ und der nagel vom „Österreichischen Turner- ziert.“ Karsli, der scheinbar selbst zu
„Kampf gegen Islamisten“ sein. Geplant bund“. Grüße an die „patriotische Feier“ Verschwörungsmythen neigt, weiter:
seien selbst „Demonstrationen vor ein- der ÖLM übersandten u.a. Vizekanzlerin „Wenn ich mit meinen Kollegen aus der
zelnen Moscheen, die mit Religion Susanne Riess-Passer (FPÖ), Jörg Hai- Politik spreche, schauen sie sich zuerst
nichts zu tun haben, sondern Brutstätten der (FPÖ), Prof. Dr. Wilhelm Brauneder, kurz um, ob jemand dem Gespräch zu-
fundamentalistischer Terroristen“ seien, Dr. Otto Scrinzi, Franz Pahl und Pius hört, und wenn wir unter vier Augen re-
so die „Deutschen Konservativen“. Eine Leitner aus dem italienischen Südtirol den, dann fangen sie an zu schimpfen,
erste Aktion gegen vermeintliche „Isla- und Erika Steinbach vom „Bund der Ver- daß sie die Welt nicht mehr verstehen.

2 : antifaschistische nachrichten 13-2002


Ich hoffe sehr, daß sich bald die Öffent- liegt sie um die 5% (allerdings mit ab- sen Aufruf „Kein Heß-Aufmarsch in
lichkeit in Deutschland ein richtiges Bild nehmender Tendenz), und es gelang, Ho- Wunsiedel“ heißt es: „Das ist die Bedeu-
von der Welt machen wird. Ein Haupt- noratioren wie den Präsidenten der tung der Nazi-Aufmärsche in Wunsiedel:
problem sind die kontrollierten Medien, Schweriner Industrie- und Handelskam- Hier marschiert die Rechte nicht ,nur‘ um
die großen Einfluß auf die Politiker aus- mer oder den Präsidenten der Kassen- ihre üblichen Ideologien zu verbreiten.
üben.“ ärztlichen Vereinigung MeckPomm zu Das Programm ist die Ehrung eines ho-
Als Retter des Nahen Osten wird in gewinnen. hen Funktionärs der NSDAP. Wunsiedel
der „Neuen Solidarität“ – na, wer wohl? Der undemokratische Charakter der soll zum Schauplatz alljährlicher brauner
– Lyndon LaRouche, Vorkandidat in der Partei wird allmählich auch den Mitglie- Festumzüge werden. Wenn wir dieser
Demokratischen Partei für die Präsident- dern deutlich. Die Landesbeauftragten Szenerie nicht sofort einen entschiedenen
schaftswahlen 2004, angepriesen. von Niedersachsen, Thüringen und NRW und wirksamen Protest entgegensetzen,
DISS Archiv Notizen Mai 2002 - am ■ – das sind die Verbände, die nicht nur un- wird der Heß-Aufmarsch zur Normalität,
bedingt an den Bundestagswahlen teil- nicht nur in Wunsiedel, sondern in ganz
NPD-Parteiausschluss für nehmen möchten, sondern dafür auch be- Deutschland. Darüber hinaus wird dieses
reit sind, Schill zu entmachten – wurden jährlich wiederkehrende Ereignis die
Holtmann und Frenz von Mario Mettbach kurzerhand abge- rechten Strukturen stärken und vor allem
Bochum. Auf seiner Sitzung am 18. setzt. hat es eine beträchtliche Werbewirksam-
April in Bochum hat das NPD-Landes- keit, nicht nur in Oberfranken, sondern
schiedsgericht Nordrhein-Westfalen dem bundesweit. So weit dürfen wir es nicht
Antrag des Parteivorstandes der NPD kommen lassen.“
stattgegeben, die bisherigen NPD-Spit- Anders sieht dies anscheinend, einem
zenpolitiker Wolfgang Frenz und Udo dpa-Bericht zufolge, der Präsident des
Holtmann aus der Partei auszuschließen. Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes,
Frenz unterhielt seit September 1961 Johann Wittmann. Er wird von der Pres-
Kontakte zum Landesamt für Verfas- seagentur mit dem Satz zitiert: „Wir soll-
sungsschutz in Nordrhein-Westfalen. Zu- ten als Gesellschaft den Mut haben, sol-
nächst war Frenz in der „Deutschen che Veranstaltungen zu ignorieren und
Reichspartei“ (DRP) aktiv, ab 1964 dann ins Leere laufen zu lassen.“
in der NPD. Seit April 1965 war er Mit- Der Verwaltungsgerichtshof hatte im
glied im NPD-Landesvorstand. Holt- vergangenen Jahr das vom Landratsamt
mann, der 1966 der NPD beitrat und erlassene Demonstrationsverbot gegen
1977 Mitglied des NPD-Bundesvorstan- den Naziaufmarsch in Wunsiedel überra-
des und des Parteipräsidiums wurde, lie- schend aufgehoben.
ferte dem Bundesamt für Verfassungs- Wittmann bezieht sich in diesem Jahr
schutz ab 1978 Insiderinformationen. Er auf die Rechtsprechung des Bundesver-
war einer der ranghöchsten V-Männer fassungsgerichts und das nach wie vor
des Verfassungsschutzes. ausstehende Verbot der NPD: „Der Staat
DISS Archiv Notizen Mai 2002 - am ■ muss sich im Umgang mit seinen Geg-
nern rechtsstaatlichen Prinzipien unter-
Querelen und Chaos bei werfen.“ Dies nicht als Freibrief für
Nazi-Nostalgie und -Propaganda zu wer-
„Schill“ Neue Anträge zum Parteitag sollen ten, ist kaum möglich.
Hamburg. Obwohl antifaschistische nicht mehr zugelassen werden, es hande- ■
Kritik der Schill-Partei bislang kaum et- le sich schließlich nur um die Fortset- Wer die Aktivitäten gegen den
was anzuhaben vermochte, gärt es inner- zung des ersten, der mangels Beteiligung Aufmarsch im August in Wunsiedel mit
halb der Partei. Geltungssucht und Dilet- ausgefallen war. Dagegen wurden schon seiner Unterschrift unterstützen will
tantismus führen zunehmend zu Streitig- Klagen angekündigt. wende sich an: VVN-BdA, Postfach
keiten, Verstimmungen und beleidigten Insbesondere das selbstherrliche Ver- 1257, 95121 Schwarzenbach/Saale, Fax
Rückzügen. halten Mettbachs gerät in die Schussli- 0921-516 78 49, email: keinhess-
So musste der gerade erst aus der Tau- nie, so verlautete aus dem Ortsverband marsch@aol.com
fe gehobene Landesverband MeckPomm Wandsbek: „Mettbach behandelt die
Ende Mai wieder aufgelöst werden, weil Mitglieder wie ein Offizier seine Rekru- Regierung verweigert Stu-
es bei seiner Gründung nur drei statt der ten. Auch Anträge aus Wandsbek wurden
von der Satzung vorgeschrieben vier Be- verhindert. Kritiker werden niederge- die über rechtsextremes
zirksverbände gab – der Ortsverband macht.“ Dazu ist eigentlich nur zu sagen, Denken
Boizenburg hatte die Vorstandswahlen dass die Mitglieder hier das bekommen, Berlin. Trotz ausdrücklichem Beschluss
angefochten. Die Partei bekommt da- was sie anderen an den Hals wünschen: des Bundestages im März letzten Jahres,
durch massive Probleme, da sie sich an Führung mit harter Hand, klare Befehls- die Bundesregierung solle eine Studie
der Landtagswahl parallel zu den /Gehorsamsstrukturen. Was gibt’s da ei- über die Verbreitung rechtsextremen
Bundestagswahlen am 22.9. beteiligen gentlich zu meckern? scc ■ Denkens in der Bundesrepublik vorle-
will. Nun muss zunächst die Satzung der gen, hat die Regierung im Innenaus-
Bundespartei geändert werden (so dass Gegen Nazis in Wunsiedel schuss eine solche Studie erneut abge-
Flächenländer nicht mehr benachteiligt lehnt. Darüber informierte die innenpoli-
sind), und erst dann kann erneut ein LV Wunsiedel. Am 17 August soll im ober- tische Sprecherin der PDS-Bundestags-
MeckPomm gegründet werden. Dieser fränkischen Wunsiedel wieder ein neofa- fraktion, Ulla Jelpke. Diese Weigerung
Parteitag findet aber erst am 22.6. statt schistischer Gedenkmarsch für den Hit- sei insbesondere vor dem Hintergrund
(in Hamburg, CCH) – die Zeit wird ler-Stellvertreter Rudolf Heß stattfinden. der aktuellen Debatte um Antisemi-
knapp! Dabei hätte die Schill-Partei Dagegen hat sich inzwischen ein breites tismus nicht hinnehmbar.
durchaus Chancen, in den Schweriner überregionales Bündnis aus Organisatio- „In Deutschland ist es seit Jahren
Landtag einzuziehen: Bei Umfragen nen und Einzelpersonen formiert. In des- schlimme Normalität, dass jüdische Ein-

: antifaschistische nachrichten 13-2002 3


richtungen unter Polizeischutz stehen,
Absperrgitter und Panzerwagen Schutz
vor Anschlägen gewährleisten, Besuche-
rInnen eine Sicherheitsschleuse passie-
ren müssen. Die Zahl antisemitischer
Straftaten ist seit langem auf beängsti-
gend hohem Niveau. Als Juden erkenn-
bare Menschen müssen im Land der
Shoah auch heute wieder Angst vor tät-
lichen Angriffen, Beschimpfungen und
Erniedrigungen haben. Die Äußerungen
eines Karsli und Möllemann sind nur die
Spitze dieses Eisbergs.
In solcher Situation eine Studie über
die Verbreitung rechtsextremen, frem-
denfeindlichen und antisemitischen Den-
kens in Deutschland zu verweigern, ist NPD-Zug am 8. Juni durch Leipzig
unverantwortlich. Die letzte Sinus-Stu-
die wurde vor mehr als 20 Jahren vorge-
legt. monstranten zusammen. Eine Gegende- 391/2001 vom 13.09.2001. (OB Schuster
Wer Aufklärung über Rechtsextre- monstration war von Jusos, DGB, PDS hatte erklärt: Konzept unklar, Finanzie-
mismus und Antisemitismus verweigert, und Leipzigs Bürgermeister Wolfgang rung problematisch, daher: „mir gäbet
reduziert wirksame Solidaritätsbekun- Tiefensee (SPD) unterstützt worden. Tie- nix“, d. Red.; siehe http://www.stutt-
dungen mit den in Deutschland lebenden fensee bezeichnete den Aufmarsch als gart.de/sde/menu/frame/top_11021.htm)
Juden und dem Zentralrat der Juden in „Gefahr für die Demokratie“, die Politik Gerade Stuttgart ist eine „Vertriebenen-
Deutschland auf bloße Symbolik.“ müsse nun „endlich darauf reagieren“. stadt“ und als Unterzeichnungsort der
PM Ulla Jelpke ■ Den Ereignissen war das übliche juris- historischen Charta der deutschen Hei-
tische Hickhack vorausgegangen. Die matvertriebenen vom 5. August 1950
Worch will weiter nerven Stadt Leipzig war vor dem Oberverwal- dem Thema Vertreibung besonders ver-
tungsgericht Bautzen damit gescheitert, pflichtet. Baden-Württemberg ist mit
Leipzig. Nur einige hundert Menschen ein Verbot der Aufzüge durchzusetzen. Bayern zur größten Heimstätte der deut-
beteiligten sich an Protesten gegen zwei Das Gericht verwarf ebenfalls eine Be- schen Vertriebenen des 2. Weltkrieges
zeitgleich von Neofaschisten durchge- schwerde der Stadt gegen den vorbe- geworden, so dass diesen Bundesländern
führte Aufmärsche am 8. Juni in Leipzig. straften Worch als Versammlungsleiter eine Patenschaft am Zentrum gegen Ver-
So zogen die beiden braunen Züge mit des „Kameradschafts“-Aufmarsches. treibungen ein historisches Anliegen sein
etwa 2500 Teilnehmern, begleitet von ei- Durchgesetzt werden konnte jedoch ein sollte. Inzwischen haben bereits ca. 350
nem martialischen Polizeiaufgebot, un- Verbot von Bomberjacken und Springer- Gemeinden in 12 Bundesländern an die-
gestört durch die Innenstadt. Ein Aufzug stiefeln für Teilnehmer der Neonazide- ser Aktion teilgenommen. ... In Baden
der NPD setzte sich mit etwa 2000 Neo- mo. Württemberg sind es bereits ca. 50 Ge-
nazis gegen Mittag unter dem Motto Auch in den kommenden Monaten meinden, darunter auch Backnang, Böb-
„Ruhm und Ehre den Wehrmachtssolda- wird Leipzig von Bildern wie am Sonn- lingen und Weil der Stadt aus der Region
ten“ von der Alten Messe aus in Bewe- abend nicht verschont bleiben. „Wir ha- Stuttgart.Wir beantragen nochmals: Die
gung. Hier ist die am Sonnabend vormit- ben Leipzig genervt und werden Leipzig Stadt Stuttgart stellt sich auch in dieser
tag eröffnete Wanderausstellung über weiter nerven!“, rief Worch seinen Ka- Frage seiner historischen Verantwortung
Verbrechen der Wehrmacht des Hambur- meraden zu, bevor diese sich auf den und erklärt seine Patenschaft am Zen-
ger Instituts für Sozialforschung unterge- Heimweg machten. Vier weitere Auf- trum gegen Vertreibungen.“ ■
bracht. An einem von Christian Worch märsche hat er deshalb noch für dieses
angemeldeten Marsch sogenannter Jahr angemeldet – den nächsten bereits
„Freier Kameradschaften“, der am am 6. Juli. junge welt, 10.6.02 ■ Signal-Pressefest verboten
Hauptbahnhof begann, beteiligten sich
rund fünfhundert Anhänger. REP wollen „Zentrum der Köln. Das Verwaltungsgericht Köln hat
Die Polizei hatte mit ihren aus dem die Nichtvergabe des Heumarkt der
gesamten Bundesgebiet zusammengezo- Vertreibung“ unterstützen Stadtverwaltung an den Herausgeber der
genen 4000 Einsatzkräften um die Auf- Stuttgart. Vielleicht hat er ja auch was rechtsextremen Zeitung Manfred Rouhs
märsche herum ein Areal von etwa fünf Gutes, der Antrag der REPs, das von den jetzt bestätigt. Rouhs will am 29. Juni in
Quadratkilometern abgeriegelt. Passan- revanchistischen Vertriebenenverbände Köln ein „Pressefest” für seine Zeitung
ten, die sich nicht als Anwohner auswei- geplante „Zentrum der Vertreibung“ „Signal“ veranstalten. Die PDS Rats-
sen konnten, durften Polizeisperren nicht durch eine Patenschaft und d.h. vor al- gruppe befürchtet, dass Rouhs jetzt ver-
passieren. lem durch Geld zu unterstützen. Weil sucht eine Gaststätte anzumieten. Das
Etliche Versuche Worchs, Aufmärsche dieser Antrag aus der rechten Ecke Kölner Aktionsbündnis „Köln stellt sich
durch Leipzig durchzuführen, waren in kommt, lässt er sich ja vielleicht leichter quer“ steht mit dem Hotel- und Gaststät-
der Vergangenheit mehrfach durch Anti- ablehnen. tenverband NRW in enger Verbindung.
faschistinnen und Antifaschisten verhin- Der Antrag der REP: „Höchste Zeit: Pa- Der Verband hat die Mitgliedsunterneh-
dert worden. Gegen den letzten Auf- tenschaft der Stadt am „Zentrum gegen men sofort unterrrichtet. Unter dem Mot-
marsch Anfang April waren über zehn- Vertreibungen“: Aus unserer Sicht ist die to „Heißer Sommer gegen Nazis“ mobi-
tausend Menschen auf der Straße. Ob- bisherige Verweigerungshaltung der lisiert das Aktionsbündnis gegen einen
wohl auch diesmal Gewerkschaften, Par- Stadt in dieser Frage als kleingeistig und Naziaufmarsch in Köln und Umgebung.
teien und antifaschistische Gruppen zu in historischer Sicht als blamabel zu be- 29 Juni: Treffpunkt 12 Uhr, Suder-
Aktionen gegen die Neofaschisten auf- zeichnen. Wir verweisen hier auf die mannplatz, Nähe Ebertplatz. jöd ■
gerufen hatten, kamen nur etwa 500 De- Stellungnahme zu unserem Antrag Nr.
: antifaschistische nachrichten 13-2002
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Parlamentswahl in
Frankreich: „Deutsche Partei“
Kein Sitz in der Offensive
Auch in Bremen in den Startlöchern
für extreme von Thomas Klaus

Rechte Bremen. Im nächsten Jahr wird in Bre-


men die Bürgerschaft, also das Landes-
parlament gewählt. Dann will auch die
chen gestellt. Die Delegierten verab-
schiedeten einen programmatischen
Leitantrag. Der DP-Parteitag sagte auf
weit rechts stehende „Deutsche Partei“ diesem Wege der „Vermischung der
Bei der französischen Parlamentswahl (DP) in den Startlöchern stehen. „Wir Kulturen auf deutschem Boden“ den
am 9. und 16. Juni fiel die extreme werden mit einer eigenen Liste antre- Kampf an. Denn sie widerspreche dem
Rechte hinter ihre Resultate bei der Prä- ten“, kündigt Reinhold Thiel an. Er wur- Ziel, „die deutsche Identität (...) in Kul-
sidentschaftswahl zurück. Ihre Kandida- de auf dem jüngsten Bundesparteitag der tur, Sprache und Traditionen zu wah-
ten erhalten zusammen im ersten Wahl- DP mit dem Aufbau einer Gliederung im ren“. Auch für die Spaß- und Freizeitge-
gang 12,5 Prozent (davon 11,2 Prozent kleinsten Bundesland beauftragt. Diese sellschaft hat die DP keinen Deut übrig:
für den FN und 1,1 Prozent für den Order ist Teil einer Offensive, mit der Sie sei „eine Illusion und gefährdet die
MNR sowie 0,2 Prozent für rechtsextre- die DP in Deutschland politischen Ein- Überlebensmöglichkeit unseres Volkes“.
me Einzelkandidaturen). Ihre beiden fluss zurück gewinnen möchte. Ein weiteres Verlangen der Deutschen
Parteien waren flächendeckend angetre- Zuletzt kostete die DP von 1949 bis Partei: „die Rückführung möglichst vie-
ten, aber erhalten keinen Sitz. Dazu hat 1961 von der Macht. Sie war mit Abge- ler Ausländer in ihr Heimatland“. Solche
das Mehrheitswahlrecht mit beigetragen, ordneten im Bundestag vertreten, stellte Forderungen kann man sich aus DP-
aber auch die hohe Wahlenthaltung: Minister in den jeweiligen Bundesregie- Sicht inzwischen erlauben. Denn: „Das
36 Prozent im ersten, über 38 Prozent rungen und war auch an verschiedenen deutsche Volk hat für seine Schuld an
im zweiten Wahlgang. Da die Regel lau- Landesregierungen beteiligt. In Nieder- der Vergangenheit genug gebüßt und be-
tet, dass ein Kandidat im ersten Wahl- sachsen stellte sie sogar von 1955 bis zahlt.“
gang von 12,5 Prozent der Wahlberech- 1959 den Ministerpräsidenten; Heinrich Die aggressiver gewordenen Töne
tigten (nicht der abgegebenen Stimmen) Hellwege hieß dieser Regierungschef. bei der Deutschen Partei, die 1945 zu-
unterstützt werden muss, um im zweiten Nach den Bundestagswahlen 1957 be- nächst als Niedersächsische Landespar-
präsent zu sein, schraubte die hohe Ent- gann allerdings der Niedergang der tei (NLP) gegründet wurde und 1947 ih-
haltung die Erfordernisse stark nach Deutschen Partei; dieser Prozess zog ren aktuellen Namen erhielt, werden
oben. Denn 12,5 Prozent der Wahlbe- sich bis Anfang der sechziger Jahre hin. dem neuen Bundesvorsitzenden Heiner
rechtigten entsprachen in diesem Kon- Damals liefen zahlreiche Mandatsträger Kappel wohl gefallen. Er steht seit 2001
text, in vielen Wahlkreisen, mindestens der DP zur CDU über. Rund zehn Jahre an der Spitze der Partei. Vor diesem
18 Prozent der abgegebenen Stimmen. später hielt die DP nur noch in Bremen Bundesvorsitzenden-Amt hatte der ehe-
Die extreme Rechte war am Ende nur in und Niedersachsen die Fahne hoch. malige hessische FDP-Landtagsabge-
37 von 577 Wahlkreisen in der Stich- Die Neugründung der Partei auf ordnete schon eine andere Partei ange-
wahl präsent. Damit konnte sie die eta- Bundesebene erfolgte 1993. Zur Zeit führt, und zwar bis zum – für sie bitteren
blierten Parteien dieses Mal nicht behin- bilden Hamburg und Bremen einen Lan- – Ende. Der gelernte Theologe Kappel
dern. Und sie brachte keinen einzigen desverband, den Dieter Mansen leitet. war nämlich Chef des „Bundes Freier
Abgeordneten durch. Doch dank Thiel soll Bremen schon Bürger“ (BfB) und als solcher Nachfol-
Ihr Problem besteht darin, dass zwar bald mit einem eigenen Landesverband ger von Manfred Brunner, der inzwi-
Jean-Marie Le Pen als „starker Mann“ „glänzen“. Dabei dürfte der 57-jährige schen wieder in den Schoß der FDP zu-
ihre Ideen erfolgreich verkörpert, aber Lehrer nicht zuletzt seine guten Bezie- rückgekehrt ist; der BfB löste sich Ende
die Medienpräsenz des Chefs nicht aus- hungen in Vertriebenen-Kreise zu nutzen 2000 auf. Noch kurz vor dem Exitus
reicht, um eine Partei auf der lokalen versuchen. Reinhold Thiel fungiert näm- des „Bundes freier Bürger“ machte Kap-
Ebene und im täglichen Leben zu veran- lich als Vorsitzender der Pommerschen pel dem Bundesparteitag der „Republi-
kern. Hier machen sich die Folgen der Landsmannschaft in Bremen und stell- kaner“ seine Aufwartung. Er hielt dort
Parteispaltung von 1999 bemerkbar, die vertretender Landesvorsitzender der ein Referat und bekannte sich unter an-
Le Pen (hinter dem die Wähler stehen) Vereinigten Landsmannschaften (BdV) derem dazu, sich als „Freund unter
von Bruno Mégret (der die Kader hat) in der Hansestadt. Freunden“ zu fühlen.
trennte. Die meisten örtlichen Während Als BfB-Bundesvorsitzender war
FN-Parlamentskandidaten wa- des Partei- Kappel kein Freund moderater Töne,
ren profillos oder gar unbe- tages im und als DP-Vormann hat er sich anschei-
kannt. Was die Mégret-Partei April 2001 nend nicht geändert. So schreibt Kappel
MNR – sie erhielt gut ein Pro- im hessi- zum Beispiel auf den Internet-Seiten der
zent – betrifft, so scheint ihr schen Ful- DP (auf denen Werbung für die vom
Überleben ernsthaft in Frage zu da, auf dem Verfassungsschutz beobachtete Wochen-
stehen. Die Wähler der extre- Thiel mit zeitung „Junge Freiheit“ betrieben wird)
men Rechten sind allerdings seinem mit Blick auf die angebliche Gemütslage
selten zu besseren Ansichten wichtigen der Deutschen: „Die geradezu krankhaf-
bekehrt: In spürbar über- Mandat te Selbsterniedrigung des eigenen Vol-
durchschtnittlichem Maße ha- ausgestattet kes ist zum Ritual geworden, genau so
ben sie sich der Stimme enthal- wurde, wie die erbärmliche Anbiederung vor al-
ten. Ein Minderheit hat auch für wurden ler Welt.“ Und er ergänzt: „Wenn die
die konservative Rechte ge- auch in an- Entwicklung so (...) weiter geht, wird
stimmt. derer Hin- Deutschland und das deutsche Volk kei-
BhS, Paris ■ sicht Wei- ne Zukunft mehr haben.“

: antifaschistische nachrichten 13-2002 5


Im April wurde die neue Ge-
denkstätte für das ehemalige
KZ im Glattbachtal bei Vaihin-
KZ-Gedenkstätte
gen/Enz eingeweiht. Anlässlich des
57. Jahrestages der Befreiung
(7.4.1945) wurde der Ausstellungs-
Vaihingen/Enz
raum mit Fotos, Informationstafeln dien und Materialien zur individuellen standen. So kam es Mitte Februar zu ei-
und einem Modell des Lagers der Öf- Annäherung an das Thema (für Schul- ner Flecktyphusepidemie („Hungerty-
fentlichkeit vorgestellt. klassen und Einzelpersonen) bereitste- phus“) mit bis zu 33 Toten täglich. An-
hen. Neben dem Ausstellungsraum sind fang April 1945 wurden die Gehfähigen
Für die nächste Ausbaustufe der Gedenk- noch die Fundamente der Bade- und Ent- nach Dachau transportiert. Dabei über-
stätte ist eine separate Halle mit einer lausungsbaracke zu sehen. Auch der gibt die SS 16 Norweger dem Internatio-
Medieninstallation geplant. Die Besu- Luftschutzstollen für die SS-Wachmann- nalen Roten Kreuz! Am 7. April wird das
cher werden dann in einer audiovisuellen schaften ist noch vorhanden. Ebenso die Lager schließlich von französischen
Schau am authentischen Ort mit dem Weichen und Schienen der Verladeanla- Truppen befreit.
Schicksal der Häftling konfrontiert. Ein gen. Etwa 300 m bergaufwärts liegt der Die Initiative KZ-Gedenkstätte Vai-
dritter Schritt wird der Bau eines Semi- bereits 1958 errichtete KZ-Friedhof. hingen/Enz wurde 1990 mit dem Ziel der
narraumes sein, in dem interaktive Me- Hier wurden etwa 1490 getötete Häftlin- Errichtung einer zentralen Gedenkstätte
ge bestattet (mehr als 600 ermordete auf dem Gebiet des ehemaligen KZ
Franzosen und Belgier waren schon „Wiesengrund“ gegründet (Landkreis
Großer GEIB-Erfolg: 1956 in ihre Heimat über-
führt worden). Dass wären
Elser-Briefmarke mindestens 2100 Ermorde-
te; bei insgesamt etwas
kommt mehr als 4600 Häftlingen
BREMEN. Großer Erfolg für die Georg- im Lager eine sehr hohe
Elser-Initiative Bremen (GEIB): Sterberate! Offiziell wird
Das Bundesfinanzministerium jedoch von 1700 Todesop-
will im nächsten Jahr eine fern im Lager Vaihingen
Sonderbriefmarke zu Ehren dieses rela- ausgegangen.
tiv unbekannt gebliebenen Hitler-Atten- Zur Geschichte des
täters herausbringen. Elser hatte am 8. Lagers:
November 1939 – völlig allein auf sich
gestellt – einen Sprengsatz in einer Säule Das KZ Vaihingen/Enz war
des Münchner Bürgerbräukellers einge- zunächst im Frühsommer
baut und gezündet. Um 13 Minuten ver- 1944 als „Arbeitslager“
fehlte der Anschlag sein Ziel: Adolf Hit- (ein Außenkommando des
ler. Am gleichen Abend wurde Georg El- KZ Natzweiler) errichtet
ser verhaftet und nach fünfjähriger Ein- worden. In der Nähe sollte
zelhaft noch am 9. April 1945 im Kon- eine unterirdische Flug-
zentrationslager Dachau ermordet. Die zeugfabrik (für Jagdflug-
Nazis hatten ihn ursprünglich für einen zeuge der Messerschmitt AG) in einem Ludwigsburg). Gelder der Europäischen
Schau-Prozess nach Kriegsende „aufbe- aufgelassenen Steinbruch der Firma Ba- Kommission, von der Bundesregierung,
wahrt“. resel gebaut werden (Tarnname „Stof- dem Land, der Stadt Vaihingen, von
GEIB-Vorsitzender Bernd M. Krause fel“). Die Arbeiten wurden unter Auf- Banken und zahlreichen Firmen ermög-
und seine Mitstreiter hatten für hunderte sicht der Organisation Todt von einer Ar- lichten schließlich das Projekt. Durch
Postkarten aus ganz Deutschland ge- beitsgemeinschaft der Baufirmen Baresel den Kontakt zu Überlebenden entstanden
sorgt: Auf ihnen wurde die Behörde von und Karl Kübler durchgeführt. Anfang Berichte, Videoproduktionen und – spe-
Hans Eichel zum Handeln aufgefordert. August 1944 kamen die ersten 2188 ziell für die Vorbereitungsarbeit mit
Die bundesweite Aktion war unter ande- Häftlinge an. Vor allem polnische Juden Schulklassen – ein Medienkoffer. Die
rem von der bremischen Landeszentrale aus dem Getto Radom, die auf der Ram- Ausstellung ist Sonntags von 14 bis 17
für politische Bildung unterstützt wor- pe in Auschwitz „selektiert“ und als ar- Uhr geöffnet. Die Gedenkstätte befindet
den. Eine weitere gute Nachricht für beitsfähig eingestuft worden waren. Mit- sich in der Nähe des Bahnhofes Vaihin-
Bernd M. Krause: Der neue Verbin- te/Ende Oktober wurde das Projekt gen/Enz (außerhalb der Stadt!) an der
dungsweg zwischen Otto-Suhr-Straße „Stoffel“ eingestellt und etwa 1800 Häft- Straße nach Kleinglattbach. Beim Ort
und Karl-Kautsky-Straße soll nach Elser linge in die KZ nach Hessental, Bisin- Unterriexingen (an der Straße nach
benannt werden. Diesen Vorschlag der gen, Dautmergen und Unterriexingen Oberriexingen) befindet sich der KZ-
Initiative hat der zuständige Beirat Vahr transportiert. 378 blieben im Lager zu- Friedhof des Unterkommandos Unterrie-
mittlerweile übernommen. rück und wurde in verschiedene „Kom- xingen. Der Friedhof ist ständig geöffnet.
Nun hofft Krause auf ein pünktliches mandos“ eingeteilt. Erst danach wurde Das KZ wurde Anfang Oktober 1944
Erscheinen der Briefmarke zum Termin aus dem „Arbeitslager“ ein Kranken- von 500 Häftlingen aus Vaihingen/Enz
4. Januar 2003, dem 100. Geburtstag von und Sterbelager. Zunächst kamen Anfang errichtet. Insgesamt 650 Häftlingen mus-
Georg Elser. Ebenfalls für Anfang Januar November insgesamt 500 Häftlinge aus sten am Flugplatz Grosssachsenheim
ist eine „Elser-Woche“ in Bremen ge- den Lagern der Gruppe „Wüste“ (Öl- und im Steinbruch
plant. Die Georg-Elser-Initiative Bremen schieferabbau auf der Schwäbischen Unterriexingen/Grosssachsenheim (Tarn-
arbeitet zurzeit am Programm und würde Alb) in Vaihingen an. Bis 11. März folg- name „Gallinit“) arbeiten. Dorthin woll-
sich insbesondere über Anregungen für ten 25 Transporte mit 2444 kranken ten die Daimler-Benz-Werke Mannheim
den kulturellen Teil freuen (Kontakt-Te- Häftlingen. Anfang Januar 1945 trafen einen Teil ihrer Produktion verlagern.
lefonnummer: 0421/54 52 86). zwei Häftlingsärzte ein, denen aber keine Auf dem Friedhof sind 250 Häftlinge be-
Thomas Klaus ■ medizinischen Hilfsmittel zur Verfügung stattet worden. rudi ■

6 : antifaschistische nachrichten 13-2002


Im Jahre 1925 veröffentlichte
Lion Feuchtwanger den Roman
„Jud Süß“. Mit diesem Roman
Kulturkampf in
um die historische Figur des Süß Oppen-
heimer, in der Mitte des 18. Jahrhunderts
Finanzberater des württembergischen
Deutschland
Herzogs Karl Alexander, versuchte der Dieser rationalistische, analytische Christen (säkularisiert oder nicht) entfal-
große Romanschriftsteller, dem damals Weg, dem Antisemitismus beizukommen, tet. Der Roman liegt öffentlich nicht vor.
bereits gefährlich anschwellenden politi- ist im Kampf mit den Faschisten und ih- Trotzdem lässt sich nach dem Studium
schen Antisemitismus mit dem Mittel der ren Kulturproduzenten unterlegen. Er ist der vorliegenden Artikel, des Schirrma-
Wahrheit, der Aufklärung beizukommen. nicht aufgrund mangelnder Qualität sei- cher-Briefes in der FAZ, des in der
Der Roman sollte zum Verständnis der ner Argumente unterlegen, sondern der „Welt“ abgedruckten Roman-Auszuges,
kulturgeschichtlichen Beziehungen zwi- Gewalt des Staates. Die Ausgrenzungs- der kontroversen Kommentare in den
schen Christen und Juden in Deutschland praxis und das Vernichtungsdenken der Feuilletons, der verschiedenen Stellung-
beitragen. Nazis sucht sich seine Legitimations- nahmen von Walser selbst, von Stellung-
Denselben historischen Stoff schlach- unterlagen von überall her zusammen. nahmen von Schriftsteller-Kollegen und
tete der Filmregisseur Veit Harlan 1940 Der kritische, analytische Rationalismus von Marcel Reich-Ranicki die Feststel-
zu einem antisemitischen Machwerk wendet sich an die Urteilskraft des Ein- lung treffen, dass er Eigenheiten des Li-
(„Jud Süss“) aus. Als Vorlage diente ihm zelnen. Er scheiterte hier an einer Bewe- teraturkritikers, die durch den kulturellen
eine Novelle von Wilhelm Hauff aus gung, die den Kultus des Politischen, von Hintergrund geprägt sind, bei seiner Ro-
dem Jahre 1927, doch war der Film von manfigur maßlos verzerrt,
Goebbels direkt als „Gegengift“ zu dadurch als „Fremdes“
Feuchtwangers Roman und seiner Verfil- heraus- und dabei zugleich
mung durch Lothar Mendes 1934 ange- antisemitische Stereotype
regt und entsprechend konzipiert. hineinarbeitet.1 Ob Walser
Feuchtwanger hat gegen diese Verfäl- den christlich-deutsch-ger-
schung seines Romans heftig protestiert. manischen Hintergrund
Jud Süß verkörpert in dem Film alle Ste- des Schriftstellers ebenso
reotype des Antisemitismus: Er ist geld- herausstellt wie den jüdi-
gierig, intrigant, verschlagen, nieder- schen Hintergrund des Kri-
trächtig und auf jeden Fall fremd. Höhe- tikers? Dafür finden sich
punkt ist die Vergewaltigung der „ari- bisher keine Anzeichen.
schen“ Heldin und die „sühnende“ Hin- Der eine scheint wie
richtung des Juden. Dass die antisemiti- selbstverständlich Norm,
sche Geschichts- und Romanfälschung die den anderen zur Ab-
möglich war und dabei zu einem gewal- weichung, zum Fremden
tigen Publikumserfolg wurde (über 20 macht.
Mio. Zuschauer sahen den Film inner- Wozu das, und warum
halb kürzester Zeit), lag an der Bereit- gerade jetzt? Warum ist die
schaft des Publikums, die Differenz zwi- Autorität und Führung zum Wesenszug Sache gefährlich?
schen Juden und Christen in Deutschland der Lebensgestaltung erhoben und mit Walsers Roman steht im Kontext sei-
durch die Vernichtung der Juden „aufzu- der ganzen Gewalt des Staates gestützt ner breit diskutierten und von vielen Sei-
heben“. Lion Feuchtwanger hatte ver- und aufgeherrscht hatte. ten mit großem Beifall aufgenommenen
sucht, dieser Gefahr dadurch beizukom- Nun hat Walser einen Roman geschrie- Paulskirchen-Rede. Dort warf er die Fra-
men, dass er seine Figuren komplex ge- ben, der in einem – dies wird wohl von ge auf, ob die politische Gemeinschaft
staltete und in ihren kulturellen Ausprä- niemandem bestritten – gängigen gesell- der BRD in ihrer Willensbildung weiter-
gungen und Differenzen zeigte; heute schaftlichen Konflikt (zwischen Litera- hin Rücksicht nehmen müsse auf Gefah-
würde man sagen, in der Hoffnung, diese turkritiker und Autor) die Differenz zwi- ren, die sich aus ihrer Vergangenheit er-
Differenz produktiv zu machen. schen Juden (säkularisiert oder nicht) und geben.2 Walser hat das verneint. Seine
Rede war weniger ein Diskussionsbeitrag
100-facher Einspruch gegen Möllemann als eine Tat. Er hat mit dieser Rede getan,
Journalisten mischen sich in die Debatte ein was er gefordert hat. Damit fand er An-
Mehr als 100 renommierte Journalisten und Medienschaffende haben eine Erklärung klang, besonders bei jüngeren Intelli-
unterzeichnet, die den Titel „Einspruch!“ trägt. Sie bekunden darin ihre Solidarität mit genzlern. Warum?
Michel Friedman. „Jürgen W. Möllemann hat unseren Kollegen Michel Friedman rassis- Oberflächlich konnte man meinen,
tisch angegriffen und verletzt. Dagegen verwahren wir uns“, heißt es darin. Ausdrücklich dass es Walser um die Verteidigung des
betonen die Unterzeichner das Recht auf Kritik, sowohl an der Person Friedmans, wie an Rechts auf eine freie Entwicklung der
der Politik des Staates Israel als eine demokratische Selbstverständlichkeit. Diese Kritik Diskussion gehe. Warum soll ich mich,
dürfe sich jedoch nicht auf die Religion beziehen: „Wer das eine mit dem anderen ver- bloß weil ich Deutscher bin, an der Beur-
quickt, argumentiert rassistisch und legitimiert Antisemitismus.“ teilung gewisser Fragen, moralischer und
Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderen der Intendant des ORB, Hansjür- politischer, behindert fühlen? Wer mich
gen Rosenbauer, der ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann, die Chefredakteure hindern will, mir ein Urteil zu gewissen
des BR, HR, SFB, ORB, SWR, SR, Sigmund Gottlieb, Manfred Krupp, Petra Lidschreiber, Fragen zu bilden und dieses Urteil auszu-
Johannes Unger, Michael Zeiß, Elke Herrmann, der Leiter des ARD-Hauptstudios Tho- sprechen, beschneidet meine Menschen-
mas Roth und der Börsenmoderator Frank Lehmann. Zeitungsjournalisten wie Henryk M. rechte. So kam Walser an. So funktioniert
Broder, Josef Joffe, Hellmuth Karasek und Jochen Siemens gehören ebenso dazu, wie auch die Verbindung mit dem politischen
die Schriftstellerin Eva Demski, die Verleger Wolfgang Ferchl und Edmund Jacoby, die Liberalismus. So etwa begründet sich die
Schauspielerin Hannelore Hoger, der Kabarettist Christian Springer, die Publizistin Gegenkritik, die jetzt z.B. in der Süd-
Gisela Marx und die Filmemacher Rosa von Praunheim und Andres Veiel. ❏ deutschen Zeitung Walser gegen die An-
griffe der FAZ in Schutz nimmt.3

: antifaschistische nachrichten 13-2002 7


Doch wird dabei das freie Urteil mit sammenrottung einzelner Personen zu ei-
dem rücksichtslosen verwechselt. Hier nem furchtbaren Verbrechen, sondern um
trifft sich Walser direkt mit Möllemann, ein Staatswesen, eine gleichgeschaltete
der gegen die Kritik seines Antisemi- Kultur, einen Lebenszusammenhang; um
tismus reklamiert: „Man muss in ein System von Werten, Normen, Bräu-
Deutschland Kritik an der Politik Sharons chen, Traditionen, das eine eigene Sub-
üben können, ohne in diese Ecke gescho- jektivität entwickelt und eigene Entwick-
ben zu werden.“ Tatsächlich war er einge- lungen durchmacht. Zwar wirken die
stiegen mit folgender Stellungnahme handelnden Personen auf die charakteris-
zum Nah-Ost-Konflikt und den palästi- tischen Eigenschaften eines solchen Sys-
nensischen Selbstmordattentaten: „Ich tems, doch zieht das als Daseinsbedin-
würde mich auch wehren, und zwar mit gung vorgefundene System den Perso-
Gewalt: Ich bin Fallschirmjägeroffizier nen, die in ihm – und auch durch es – le- Wann trennt sich die FDP
der Reserve. Es wäre dann meine Aufga- ben, Grenzen, die durchbrochen werden von Herrn von Stahl?
be, mich zu wehren. Und ich würde das müssen. Die Bräuche, Verfahrensweisen,
nicht nur im eigenen Land tun, sondern Ideologien etc., die es tradiert, schärfen Die Probleme der FDP sind größer als Herr Mölle-
mann. Die rechte Wochenzeitung „Junge Freiheit“
auch im Land des Aggressors.“ Ihm ging sich den Individuen ein, wenn sie sie
erschien jetzt zum vierten Mal hintereinander mit
es bei der behaupteten Kritik an Israel – nicht durch kritisches Nachdenken, kriti- einer ganzseitigen Anzeige, in der Alexander von
um Deutschland. Was sich als Kritik an sches kulturelles Engagement und durch Stahl für die „Junge Freiheit“ wirbt. Der FDP-Politi-
Sharon tarnt, ist das wütende Bestreben politische Gesetze aufbrechen. ker war von 1990 bis 1993 Generalbundesan-
eines deutschen Fallschirmjägeroffiziers, In diesem Zusammenhang kann man walt. Er musste wegen Pannen bei der Fahndung
dem deutschen Gemeinwesen vollendete nicht „unbefangen“ urteilen. Es ist schon nach RAF-Mitgliedern zurücktreten. „Ich lese ger-
Ellbogenfreiheit zu verschaffen, alle viel erreicht, wenn die kulturelle und po- ne eine unabhängige Zeitung. Sie auch?“ lässt er
Mittel zur rücksichtslosen Durchsetzung litische Befangenheit, in der sich die Ur- sich auf der Werbeseite in den Mund legen, die
„Junge Freiheit“ in der Manteltasche.
seiner Interessen zurückzugewinnen, den teilenden befinden, bedacht wird. Von Stahl hat schon vor Jahren bewusst versucht,
Krieg wie das Kriegsverbrechen. Gegen diesen Prozess des Bedenkens die FDP auf Haider-Kurs zu bringen. Für eine län-
Die Verwechslung des freien mit dem richtete sich Walsers Paulskirchen-Rede. gere Zeit haben er und seine politischen Freunde
rücksichtslosen Urteil ist nicht zwangs- Sein neuster Roman lässt, so scheint es, die Politik des FDP-Landesverbandes Berlin be-
läufig. Man kann ihr entkommen. erkennen, welchem Ziel solche Beden- stimmt. Er hatte aber auch gute Kontakte in den
Die erste, einfachste Möglichkeit be- ken im Wege stehen: Es geht um den An- nordrhein-westfälischen Landesverband der FDP,
steht darin, die Mitbürger mit jüdischem spruch einer deutschen Leitkultur, die insbesondere zum ehemaligen Düsseldorfer Re-
gierungspräsidenten und damaligen Landesvorsit-
kulturellem Hintergrund als Teil Deutsch- durch Rücksichtslosigkeit geprägt ist.
zenden der FDP, Achim Rohde. Auch Rohde woll-
lands mitzudenken. Sofort würde klar, Walsers Schandtat ist, den Juden zum te die FDP auf Rechtskurs bringen.
welche unerhörten Vorleistungen an Ver- Fremden in Deutschland zu machen. Auf In der 1986 gegründeten Zeitung „Junge Frei-
ständnis, Rücksicht, Differenziertheit die- diesem Wege bedient er das durch und heit“ schreibt von Stahl seit Jahren regelmäßig.
se Mitbürger erbringen müssen und er- durch deutsche und lebensgefährliche Das Blatt, das auch vom Verfassungsschutz für
bringen. Sie berücksichtigen nämlich, Fehlurteil, dass kulturelle Differenzen in rechtsextrem gehalten wird, ist eine der verbreitet-
dass die Schuld für die Verbrechen des einer Gesellschaft gefährlich sind und sten Zeitungen der Neuen Rechten und versucht
Faschismus den später Geborenen nicht nicht bestehen sollten. bewusst eine Brücke zwischen offen faschistischen
und konservativ-liberalen Kräften zu schlagen. Zu
auf die gleiche Weise als moralische, In einem hat Walser Recht. Die Verge- von Stahls Mitautoren gehören REP-Chef Schlierer
rechtlich zu ahndende und persönlich vor- wisserung der deutschen Geschichte und und NPD-Anwalt Horst Mahler, der die Terror-An-
haltbare Schuld vorgehalten werden kann die Auseinandersetzung mit dem kultu- schläge vom 11. September in den USA ausdrück-
wie den Tätern. Diese Rücksicht wird von rellen und politischen Komplex des lich als Schläge gegen den „US-Imperialismus“
den Opfern des Faschismus, wie jeder Deutschtums haben Rückwirkungen auf und das „Weltjudentum“ begrüßte.
Verständige leicht wahrnehmen kann, seit das politische Handeln. Walser und ande- Das Interview, in dem Möllemann-Freund Jamal
Jahrzehnten erbracht. Allein diese Beob- re spüren diese Rückwirkungen als Fes- Karsli mit seinen Äußerungen über den angeb-
achtung könnte schon reichen, um jedem seln, die es abzustreifen gilt. Außenpoli- lichen „weltweiten Einfluss“ der „zionistischen Lob-
by“ hemmungslos antisemitische Vorurteile be-
Einzelnen klar zu machen, dass auf die- tisch geht es dabei um den Anspruch, diente, führte ebenfalls die „Jungen Freiheit“.
sem Feld der Auseinandersetzung Rück- Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Herr Möllemann legt „Altliberalen“ wie Frau
sicht und Verständnis kultiviert werden Innenpolitisch geht es um die Homogeni- Hamm-Brücher und Herrn Baum ausdrücklich den
müssen. sierung der Gesellschaft und in der Folge Austritt aus der FDP nahe. Umgekehrt stellt sich die
Die zweite Möglichkeit ist zugegeben darum, Mitbürger zu Fremden zu ma- Frage, wann die FDP-Parteispitze endlich auf die
schwieriger. Die Individuen nehmen Ver- chen, Fremde als Gefahr zu sehen und Ausflüge von Herrn von Stahl in die Braunzone
antwortlichkeit nicht nur wahr, indem sie Gefahr durch Gewalt bereinigen zu wol- reagieren will. Jede Distanzierung von rechter,
antisemitischer Stimmungsmache bleibt halbher-
sich mit sich selbst, ihren Handlungen, len. maf, scc ■ zig, solange Herr von Stahl seine Fäden weiter als
ihrer Biografie, ihren Werturteilen ausein- 1 „Nehmen Sie Ehrl-König und die Frauen“, heißt FDP-Mitglied ziehen kann.
andersetzen. Sie nehmen Verantwortlich- es etwa an einer Stelle des Romans. „(…) Am Wolfgang Freye, Sprecher für antifaschistische
keit auch wahr, indem sie sich mit dem liebsten waren ihm natürlich Mädelchen, aber Politik im PDS-Landesvorstand NRW ■
wenn’s keine gab, nahm er auch Mädels. Frauen
Komplex der Lebensumstände ausein- findet er langweilig. Unzumutbar. Besonders doit-
andersetzen, die sie vorfinden, in die sie sche.“ dem er, wie unter Dichtern seit Jahrhunderten üb-
hineinwachsen und deren Gültigkeit sie 2 „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine lich, vom Mord an seinem Kritiker träumt, auch
durch ihre tagtägliche Praxis untermau- zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchte- wenn dieser Kritiker Marcel Reich-Ranicki heißt?
ern. Die Verantwortlichkeit des Bürgers rungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Diese Frage rührt an eine überaus empfindliche
Pflichtübung. Was durch Ritualisierung zustande Stelle: Denn jüdische Kritiker sind, aus verständ-
für das politische und gesellschaftliche lichen Gründen, in Deutschland seit dem Holo-
kommt, ist von der Qualität des Lippengebets.
Handeln muss in Rücksicht nehmen, dass Aber in welchen Verdacht gerät man, wenn man caust von der symbolischen Rache ausgenommen.
mit dem Absterben und Verschwinden der sagt, die Deutschen seien jetzt ein ganz normales Die tatsächliche Überlegenheit des Kritikers
unmittelbar persönlich verantwortlichen Volk, eine ganz gewöhnliche Gesellschaft?“ gegenüber dem Dichter wäre dann um einen ent-
scheidenden Grad weitergetrieben: Er dürfte sich
Täter(-generation) die Ursachen der Tat 3 z.B. SZ, 31.5., S. 18 „Die Rache ist mein, nicht wehren, nicht einmal in der Phantasie. Die
nicht verschwunden sind. Es handelte spricht der Autor“. Dort heißt es z.B.: „Darf ein Auseinandersetzung zwischen Autor und Kritiker
sich dabei nicht einfach um die Zu- deutscher Schriftsteller einen Roman schreiben, in fände unter zutiefst unfairen Bedingungen statt.“

8 : antifaschistische nachrichten 13-2002


„Menschenrecht auf Heimat weltweit dauerhaft sichern“

„Zentrum gegen Vertreibungen“


soll nach Wroclaw
Die Frage ist nicht mehr, ob, son- schenrecht auf Heimat weltweit dauer- Ablehnung der deutschen Ansprüche zu
dern nur noch, wo. Dass das haft zu sichern“, erklärte der FDP-Abge- isolieren.
vom Bund der Vertriebenen seit ordnete Hans-Joachim Otto am 16. Mai Warum aber sollte sich Polen in das
Jahren geforderte „Zentrum gegen im Bundestag. Dabei geht es um mehr als „Zentrum gegen Vertreibung“ einbinden
Vertreibungen“ mit Unterstützung des nur um die freie Wahl des Wohnortes in lassen, wenn deutsche Entschädigungs-
deutschen Staates errichtet wird, kann einer osterweiterten EU. „Das Heimat- forderungen die Folge sein könnten?
seit dem 16. Mai als sicher gelten. recht führt zu Volksgruppen- bzw. Min- Vielleicht, um das Schlimmste zu verhin-
derheitenrechten, das Freizügigkeitsrecht dern. Kurz vor der Bundestagsdebatte
An diesem Tag diskutierte der Bundestag nicht“, erklärte der Sprecher der Sudeten- schrieb der Herausgeber der auflagen-
über drei Anträge – einen von den Uni- deutschen Landsmannschaft kürzlich stärksten polnischen Tageszeitung, Adam
onsparteien, einen weiteren von der FDP beim Sudetendeutschen Tag, und das Michnik, einen Offenen Brief an den
und einen dritten von der rot-grünen Re- macht auch die Stoßrichtung des „Zen- deutschen Bundeskanzler und den polni-
gierungskoalition –, die sich in ihrem trums gegen Vertreibung“ deutlich: Es schen Ministerpräsidenten, der auf der
Kernanliegen gleichen: Sie befürworten sollen letztendlich weit gehende „Volks- Titelseite seiner Zeitung sowie in der
allesamt die Errichtung des „Zentrums gruppenrechte“ für deutsch sprechende deutschen „Welt“ abgedruckt wurde. Ein
gegen Vertreibungen“. „So viel Überein- Minderheiten außerhalb Deutschlands „Zentrum gegen Vertreibung“ in Wro-
stimmung gab es selten“, kommentierte durchgesetzt werden, eine uralte Forde- claw, so Michnik, wäre kein „Museum
der CDU-Abgeordnete Norbert Lammert rung deutscher Volkstumspolitik also. nur deutschen Leidens und deutscher
die Debatte, in der nicht einmal die PDS Mit der Einbindung Polens in das Klage, das Täter zu Opfern machte (...),
grundsätzliche Einwände gegen das „Ver- „Zentrum gegen Vertreibung“ wäre ein sondern ein Museum der Katastrophe
triebenen“-Projekt vorbrachte. Die drei wichtiger Schritt zur Europäisierung des und ein Zeichen der Erneuerung unseres
Anträge liegen zur Zeit dem Kulturaus- Zentrums und damit auch der deutschen gemeinsamen Europas“. Zahlreiche pol-
schuss des Bundestages zur Bearbeitung Forderung nach einem „Recht auf Hei- nische PolitikerInnen, darunter Staatsprä-
vor; es ist nicht auszuschließen, dass sie mat“ getan. Daneben könnte es Deutsch- sident Alexander Kwasniewski, scheinen
noch in dieser Legislaturperiode im Parla- land gelingen, über die Europäisierung diese Hoffnung zu teilen.
ment verabschiedet werden. Vorausset- des Zentrums das Potsdamer Abkommen Möglicherweise reichen die Überlegun-
zung ist, dass bis dahin eine Einigung endgültig auszuhebeln. Was sie von dem gen auf polnischer Seite jedoch tiefer.
über den Standort des Zentrums erzielt Abkommen hält, hat die rot-grüne Bun- 1945 wurden in Wroclaw nach der Um-
werden kann. desregierung zuletzt deutlich gemacht, siedlung der deutschen Bevölkerung der
Die „Vertriebenen“ und die Unionspar- als sie den neuen deutschen Generalstab Stadt 600.000 Menschen aus der heutigen
teien wollen es in Berlin ansiedeln – am (offizielle Bezeichnung: „Einsatzfüh- Ukraine angesiedelt. Wroclaw wäre also
liebsten „in räumlicher und geschicht- rungskommando“) ausgerechnet in Pots- der geeignete Ort, um – so Michnik in sei-
licher Nähe“ zum Holocaust-Mahnmal, dam ansiedelte – in der Symbolstadt des nem Offenen Brief – auch an die Millio-
wie die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach preußischen Militarismus, in der die Alli- nen Polinnen und Polen zu erinnern, die
einmal formulierte. Der SPD-Bundestags- ierten 1945 die völlige Entmilitarisierung nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der
abgeordnete Markus Meckel hat dagegen Deutschlands verfügt hatten. Westverschiebung Polens aus der heutigen
im Februar vorgeschlagen, das Zentrum Das „Zentrum gegen Vertreibung“ soll Ukraine umgesiedelt wurden. Die polni-
im polnischen Wroclaw zu errichten, und jetzt – so Norbert Lammert (CDU) im sche Vergangenheit von Teilen der Ukrai-
er kann dabei auf die Unterstützung der Bundestag – die „europäische Überein- ne käme wieder auf die Tagesordnung.
Grünen und polnischer Intellektueller stimmung“ zum Ausdruck bringen, „dass Damit aber wäre es möglich, an eine
rechnen. Vertreibungen unschuldiger Menschen außenpolitische Debatte anzuknüpfen, die
Die Option für Wroclaw hat mehrere aus ihrer angestammten Heimat – wo- die polnische Politik vor allem während
Gründe. Der vielleicht wichtigste: Ein durch auch immer sie veranlasst gewesen des Ersten Weltkrieges und davor in zwei
„Zentrum gegen Vertreibung“ in Wroclaw sein mögen – immer Unrecht sind.“ Ge- Strömungen teilte. Deren eine setzte auf
würde den Anschein erwecken, es sei ein meint ist auch die Umsiedlung der Deut- gute Beziehungen mit Russland und zielte
„europäisches“ Projekt und nicht eines, schen, die im Potsdamer Abkommen ge- darauf ab, den polnischen Staat relativ
das lediglich deutsche Ansprüche stützt. regelt und immerhin durch die historisch weit im Westen zu errichten – unter ande-
Es würde ferner Polen von Beginn an in einzigartige deutsche Vernichtungspolitik rem in Gebieten, die damals zu den Ostge-
die Formulierung der deutschen Ansprü- in Osteuropa veranlasst worden war. bieten des Deutschen Reichs gehörten.
che einbinden – einen der Staaten also, Gelingt es Deutschland aber, die Um- Die andere zog es vor, in enger Anlehnung
die von einem „Recht auf Heimat“ für die siedlung der Deutschen als „Unrecht“ an- an das Deutsche Reich zu handeln und
„Vertriebenen“ direkt betroffen sein wer- erkennen zu lassen, dann muss irgend- Gebietsgewinne auf russischem Territo-
den und genügend Grund zum Wider- wann folgen, was jede Rechtsprechung rium zu erzielen. Die europäische Nach-
stand dagegen haben. Ein „Zentrum ge- auf Unrecht folgen lässt: Die Entschädi- kriegsordnung hat die Westverschiebung
gen Vertreibung“ in Wroclaw könnte gung. Die materiellen Ansprüche, die Polens festgelegt. Die deutsche Neuord-
schließlich sogar an alte Traditionen der Deutschland früher oder später geltend nung Europas dagegen scheint nach einer
polnischen Ostpolitik anknüpfen und da- machen könnte, haben die Tschechische Aushebelung des Potsdamer Abkommens
mit längst abgeschlossene Debatten wie- Republik zu ihrer klaren Haltung bezüg- Polen gegen den Osten in Stellung bringen
der zum Leben erwecken. lich der sogenannten Benes-Dekrete ver- zu wollen. Jörg Kronauer ■
Dass das „Zentrum gegen Vertreibung“ anlasst. Der Versuch, Polen in das „Zen- Dieser Text verdankt zahlreiche Informationen der Internet-
deutsche Ansprüche stützt, ist offensicht- trum gegen Vertreibung“ einzubinden, publikation „Informationen zur deutschen Außenpolitik“
lich. „Sein Ziel und seine Aufgabe ist es, zielt auch darauf ab, die Tschechische (www.german-foreign-policy.com), die regelmäßig über die
deutschen Hegemonialbestrebungen berichtet.
Strategien zu entwickeln, um das Men- Republik hinsichtlich ihrer eindeutigen

: antifaschistische nachrichten 13-2002 9


Auch in der Immigrationsbe-
völkerung gibt es eine Wähler-
schaft für Jean-Marie Le Pen
Wer wählt Le Pen und
bei Präsidentschaftswahlen, auch
wenn sie gegenüber dem landeswei-
ten Durchschnitts-Ergebnis schwächer
warum? Dritter und letzter Teil
ausgeprägt ist.
reich, manche unter ihren
wurden im unabhängigen Al-
Immigranten und gerier Opfer von Übergriffen.
Le Pen-Wählerschaft Wirklich gelyncht wurden
Die Zeitschrift Marianne publiziert in ih- freilich hauptsächlich, die
rer Ausgabe vom 29. April 02 eine präzise sich der Beteiligung an Grau-
Aufschlüsselung des Wahlverhaltens jener samkeiten der Kolonialmacht
Franzosen und Französinnen, die mindes- oder der Teilnahme an Folte-
tens einen eingewanderten Vorfahren ha- rungen schuldig gemacht hat-
ben. Das Resultat ist in zwei Richtungen ten. Nicht unbedeutende Teile
aufgeschlüsselt. Beim ersten Mal geht es der Gruppe der Harkis stim-
um die Frage, ob der Zeitraum, um den men heute für die extreme
die Einwanderung der Familie nunmehr Rechte, da sie sich einerseits
zurückliegt, einen Einfluss auf das Wahl- von Frankreich im Stich ge-
verhalten hat. Dabei stellt sich heraus, lassen fühlen – Paris küm-
dass die Generationenabfolge einen ge- merte sich nicht um ihre Geschicke nach seinen Weltverschwörungs-Theorien Nah-
wissen Einfluss hat. So wählen – der Sta- der algerischen Unabhängigkeit, und die rung gibt) spielte. Das Perverse ist, dass er
tistik von Marianne zufolge – 12 Prozent nach Frankreich Übergewechselten von damit auf beiden Ebenen – bei manchen
der Einwandererkinder der zweiten Gene- ihnen erhielten keine spezielle Eingliede- Mitgliedern der jeweiligen Zielgruppen
ration (d.h. deren Eltern nach Frankreich rungshilfe. Heute werden viele unter ih- eines der beiden Diskurse – einen gewis-
eingewandert sind), während dieser Wert nen zum Opfer von Rassismus. Darauf sen Zuspruch finden konnte, auch wenn er
in der dritten Generation (deren Großel- reagieren viele von ihnen, indem sie wohl schwächer als in der Gesamtbevöl-
tern eingewandert sind) auf 18 Prozent durch eine Art von Überanpassung ihre kerung ausfällt. Ein (kleiner) Teil der ara-
ansteigt und damit genau im Landes- „besondere Verbundeheit“ mit der frühe- bischstämmigen Wähler stimmt aus den
durchschnitt liegt. Das könnte man ren Kolonialmacht demonstieren. Eine genannten Gründen für Le Pen. Jene Ele-
immerhin als Anzeichen einer gelungenen Handvoll von Harki-Aktivisten sind mente, die vom Diskurs des radikalen Is-
Integration betrachten. Tatsächlich sind Funktionsträger des Front National. lamismus versucht sind, stören sich daran
diese Zahlen wenig aufschlussreich, da in Zieht man die „Harkis“ ab, dann dürfte nicht, sondern befördern diese Tendenz
dieser Kategorie Einwanderer unter- der Prozentsatz an Le Pen-Wählern unter eher noch: Denn auch sie sind gegen eine
schiedlicher geographischer und sozialer den maghrebinisch-stämmigen Wählern „Vermischung“ der Immigranten mit der
Herkunft, unterschiedlicher Motivation leicht sinken. Dennoch gibt es ein Wäh- übrigen Bevölkerung, um einen „Sitten-
(antikommunistische Weißrussen, Ar- lerpotenzial für Le Pen auch in dieser ge- verfall“ zu verhindern.
beitsimmigranten, spanische Antifranquis- sellschaftlichen Kategorie. Die Gründe Umgekehrt hat es auch Zuspruch für Le
ten und andere politische Flüchtlinge) und dafür sind komplex. In manchen Fällen, Pen unter manchen Mitgliedern der jüdi-
verschiedener gesellschaftlicher Situation vor allem unter (oft älteren) Männern, schen Gemeinschaft gegeben, meist vor
zusammengewürfelt sind. verfängt der autoritäre Aspekt des Le Pen- dem Hintergrund eines antiarabischen
Daher unterscheidet Marianne in einer schen Diskurses. Mit den Umwälzungen bzw. muslimischen Angstgefühls und/
zweiten Kategorie unter Einwanderer- innerhalb einer Gesellschaftsgruppe, die oder Rassismus. (Das jüngste Aufflam-
(kinder)n aus unterschiedlichen geogra- zu Anfang von extrem traditionellen Fa- men antijüdischer Aggressionen, als ver-
phischen Großräumen, wobei dieses Mal milienstrukturen geprägt war und in der meintliche Konsequenz aus dem israe-
allerdings nicht mehr nach dem Zeitraum Immigration erhebliche Rollenverände- lisch-palästinensischen Konflikt, hat letz-
der Einwanderung unterschieden wird. Es rungen durchmachte, kommen viele von tere erheblich verschärft.) Nicht zuletzt
wäre interessant gewesen, beide Kritierien ihnen nicht zurecht. Oft leiden sie der Chef des CRIF (Repräsentativer Rat
miteinander zu kreuzen. schmerzlich unter dem Niedergang der der jüdischen Institutionen in Frankreich),
Demnach stimmen 15 Prozent unter traditionellen Vaterrolle als Patriarch in Roger Cukiermann, der freilich der
den europäischen Einwanderer bzw. ihren vielen dieser Familien. Die Verwerfungs- stramm rechten kommunitaristischen
Kindern oder Enkeln für Le Pen. Hinge- erscheinungen, die aus sozialer Krise plus Strömung innerhalb der jüdischen Com-
gen sind es „nur“ knapp halb so viele, rassistischer Diskriminierung resultieren munity angehört und in den Reihen des
nämlich 7 Prozent, unter den aus dem und viele ihrer Kinder in Kontakt mit CRIF durchaus stark umstritten ist. Als er-
Maghreb und der Türkei stammenden Kleinkriminalität, „Unruhestiftern“ oder ste Reaktion auf den Wahlerfolg von Le
(also überwiegend muslimischen) Immi- Arbeitslosigkeit bringen, tragen zu sol- Pen am 21. April erklärte er hocherfreut in
granten bzw. ihren Nachfahren. (Andere chen Reaktionen bei. In den Augen jener der israelischen Tageszeitung Haaretz:
Herkunftsgebiete sind nicht gesondert muslimischen Wähler, die für Le Pen „Es ist ein Signal für die Muslime, dass
ausgewiesen.) Dabei müsste man freilich stimmen, richtet sich dessen „harte Hand“ sie ruhig bleiben sollen.“ Infolge von Pro-
nochmals genauer unterscheiden. Denn in erster Linie nur gegen jene, die „für testen (die aus einer antifaschistischen
unter den aus Nordafrika stammenden Unruhe sorgen“ – was freilich eine fatale Reaktion anderer Teile der jüdischen
WählerInnen befindet sich eine größere Selbsttäuschung ist. Community hervorgingen) behauptete
Gruppe von Harkis, so werden jene Alge- Ein weiterer Grund dürfte darin beste- Cukiermann in der Folge, er sei lediglich
rier genannt, die während des Kolonial- hen, dass Jean-Marie Le Pen gleichzeitig falsch übersetzt worden, was aber voll-
kriegs (1954 bis 1962) mit dem französi- bzw. abwechselnd mit dem antiarabischen kommen unglaubwürdig ist. Erstens hat er
schen Staat zusammenarbeiteten. Rassismus (der bei seinem Massenpubli- keinerlei Richtigstellung in den israeli-
Mehrere Zehntausende von ihnen flo- kum verfängt) und dem gegen Juden und schen Medien eingefordert, andererseits
hen nach 1962 aus Algerien nach Frank- Jüdinnen gerichteten Antisemitismus (der handelte es sich beileibe nicht um den er-

10 : antifaschistische nachrichten 13-2002


sten verbalen „Ausrutscher“ von Roger nur 14 bzw.8 Prozent derer, die für Le Pen der. Dabei scheinen die Angaben des Fi-
Cukiermann. In den folgenden Tagen war stimmten. Von Themen wie Umwelt- garo (der die Ergebnisse von Umfragen,
der Druck auf ihn allerdings stark genug, schutz brauchen wir in diesem Zu- nach eigenen Angaben zufolgen, mit „ei-
dass Cukiermann sich am Ende der ersten sammenhang gar nicht erst anzufangen. genen Berechnungen“ vermischt) kaum
Woche nach dem 21. April veranlasst sah, Was die Le Pen-Wähler hingegen fer- glaubwürdig, betrachtet man die soziale
in Le Monde gegen Le Pen Stellung zu ner noch zu interessieren scheint, sind Verteilung der Le Pen-Wählerschaft am 5.
nehmen und zur Wahl von Jacques Chir- zwei Themen: Erstens „die Senkung der Mai. Denn der konservativen Tageszei-
ac in der Stichwahl aufzurufen. Steuern“. Dieses Thema, das eine zentrale tung zufolge kommen angeblich weit
Rolle in der FN-Agitation spielt, interes- mehr Stimmenzuwächse (zwischen den
siert 20 bzw. 14 Prozent der mitstimmen- beiden Wahlgängen) von der Linken, als
Welche Themen bewegen den Franzosen (Figaro / Libération) – von der Rechten. Das ist nicht glaubwür-
die Le Pen-Wähler? doch 20 bzw. 17 Prozent der Lepenisten. dig, denn beispielsweise im Raum Paris
Was sind die Themen, die die Le Pen- Zum zweiten interessierte „die Korrup- lagen die Hochburgen Le Pens im ersten
Wähler am 21. April bewegten ? Darüber tion“ nur circa 7 Prozent der Wähler- Wahlgang in proletarischen Vierteln (18.
geben die Medien reichlich Auskunft. schaft, aber leicht überdurchschnittliche und 19. Stadtbezirk), im zweiten Wahl-
Das Thema Nummer Eins lautet ohne je- 9 Prozent in jener von Jean-Marie Le Pen. gang jedoch in großbürgerlichen Quartie-
den Zweifel : Law & Order. Das mag überraschen, da die soziale ren (8. und 16. Pariser Bezirk, Neuilly-
Für 58 Prozent der Wähler im nationa- Zusammenhang der FN-Wählerschaft sur-Seine). Hier kommen die Wähler
len Durchschnitt, aber 74 Prozent der Le darauf hindeutet, dass diese in ihrer Mehr- wahrscheinlich aus der Anhängerschaft
Pen-Wähler erschien „die Sicherheit“ als heit eher sozial schlecht gestellt ist. So des Ultraliberalen Alain Madelin, der in
eines jener Themen, die ihre Wahlent- stimmen knapp 15 Prozent jener, die ihre den zuletzt genannte Quartieren am 21.
scheidung am stärksten beeinflusst ha- Situation als „eher begünstigt“ betrachten, April überdurchschnittliche Ergebnisse
ben. (Nach der Wahlauswertung in der für die extreme Rechte – doch 26 Prozent erzielt hatte. Eine Erklärung fände das
konservativen Tageszeitung Le Figaro unter denen, die die ihrige als „(eher) be- Phänomen – gute Absichten seitens des
vom 23. April.) Nicht unbedingt ein nachteiligt“ bezeichnen. Das Phänomen Figaro einmal vorausgesetzt – darin, dass
Wunder am Ausgang eines Wahlkampfs, kann jedoch so interpretiert werden, dass die der Analyse zugrunde liegenden Fak-
in dem beide großen Blöcke der etablier- jene Wähler, die sich für Le Pen entschei- toren (bspw. das Kriterium „sozialer Pro-
ten Parteien massiv auf dieses Thema ge- den, nicht (oder nicht mehr) an politische, test“) die Resultate verzerrt haben, da an-
setzt hatten. (Der Pariser linksliberalen rationale, solidarische Lösungen der sozi- dere wichtige Faktoren vernachlässigt
Tageszeitung Libération zufolge lauten alen Probleme glauben. Die diffuse Ge- wurden.
die Zahlen: 53 Prozent für die Gesamt- walt in den Banlieues in denen sich die Halten wir – aus den genannte Gründen
wählerschaft, 73 Prozent für jene von sozialen Probleme wie in einem Brenn- – die Angaben von Libération in diesem
Jean-Marie Le Pen.) glas konzentrieren – auf welch letzteres Fall für glaubwürdiger, dann ergibt sich
Diesem Thema folgt in der Rangfolge wiederum die Medien ihren Blickwinkel folgendes Bild : Mit 10 Prozent ist der
jenes der „Immigration“. Die Einwande- fokussieren – erwächst aus der sozialen Wählerzuwachs aus dem Potenzial des
rung bildete bei diesen Wahlen ein ent- Prekarität. Selbstverständlich sind die, Ultraliberalen Alain Madelin besonders
scheidendes Thema für eine Minderheit vom Neoliberalismus hervorgerufenen so- bedeutend. (Dem Figaro zufolge beträgt
der Wähler (18 Prozent laut Le Figaro, 11 zialen Verwerfungen hier nicht spurlos er dagegen angeblich nur 3 Prozent.) Die
Prozent laut Libération), aber für einen vorübergegangen. Zugleich verstärkt sie Rechtskatholkin und Abtreibungsgegnerin
weit bedeutenderen Teil der Le Pen-Wäh- das subjektive Erleben dieser prekären Christine Boutin, die im ersten Wahlgang
ler : 60 Prozent laut dem Figaro, 30 Pro- Lebenssituation, die von Ellenbogenmen- gut ein Prozent erzielte, wird in Libéra-
zent Libération zufolge. Die Unterschie- talität geprägt ist. Damit hängt der Erfolg tion nicht erwähnt – sogar der Figaro sieht
de zwischen den Zahlenangaben resultie- vor allem des Law and Order-Diskurses 20 Prozent ihrer Wähler am 5. Mai zu Le
ren oftmals daraus, dass die Zahl der zur der extremen Rechten zusammen. Pen überlaufen. Die Wählerschaft des
Auswahl angebotenen Themen im einen linksnationalistischen EU-Gegners Jean-
Fall größer war als im anderen. Pierre Chevènement war demnach (mit 6
Nahezu die Gesamtheit der übrigen Die Verschiebungen zwischen den Prozent Überläufern zu Le Pen) leicht
Themen erscheint in den Augen der beiden Wahlgängen überdurchschnittlich versucht. Auf der
rechtsextremen Wählerschaft als weni- Ein Teil der Le Pen-Wähler aus dem ersten Linken hingegen war diese Versuchung
ger wichtig. Dies gilt für die Arbeitslo- Durchgang der Präsidentschaftswahl am eher schwach, mit null Prozent Wähler-
sigkeit: ein wichtiges Thema für 38 Pro- 21. April haben in der Stichwahl nicht er- wanderung zu Le Pen aus der Wähler-
zent der Wähler laut dem Figaro (23 neut für den FN-Chef gestimmt. Dieser schaft der KP und der radikalen Linken.
Prozent laut Libération), aber nur 31 Anteil beträgt Le Figaro (7. Mai 02) zu- (Dem Figaro zufolge waren es angeblich
Prozent der Le Pen-Wähler (bzw. nur 16 folge 20 Prozent, Libération zufolge gar zwischen 4 und 5 Prozent.)
Prozent unter ihnen laut Libération). Das 30 Prozent. Letztere Angabe ist jedoch Aus der Gruppe der Nichtwähler hinge-
gleiche gilt für die heikle Frage der Ren- kaum glaubwürdig, da die durch dieselbe gen war der Wählerzuwachs für Le Pen
ten(reform): Die Frage ist für 27 bzw. 19 Zeitung dargestellten Wählerströme an- schwach, mit circa 3 Prozent. Dies findet
Prozent der Wähler wichtig (Figaro/Libé- sonsten nicht erklären könnten, dass Le seine Erklärung darin, dass der FN-Chef
ration), aber nur 22 bzw. 16 Prozent je- Pen im zweiten Wahlgang an absoluten hier seine Reserven bereits im ersten
ner, die für Le Pen stimmten. Das gleiche Stimmen (knapp) hinzugewonnen hatte. Wahlgang voll ausgeschöpft hatte, indem
gilt für die Frage der Armut und Verelen- Auf jeden Fall muss Jean-Marie Le Pen er auch seine weit entfernten potenziellen
dung, die im Figaro zur Auswahl gestellt also zwischen dem 21. April und dem Sympathisanten mobilisiert hatte. Dies
wurde: Sie hat eine höhere Bedeutung für 5. Mai zusätzliche Wähler hinzugewonnen findet seinen Grund in dem enormen Zir-
31 Prozent sämtlicher Wähler, aber nur haben, denn sein Resultat in absoluten kus, der in fast allen Medien vor der Prä-
19 Prozent der Le Pen-Wähler. Stimmen in der Stichwahl liegt um rund sidentschaftswahl rund um Le Pen veran-
Selbst die Frage der Löhne und Kauf- 50.000 Stimmen oberhalb des gemeinsa- staltet wurde – aufgrund seiner Schwie-
kraft – die ja auch ihre eigene ist – inter- men Ergebnisses von Le Pen/ Mégret zwei rigkeiten, die 500 Unterstützungs-Unter-
essiert die Lepenisten weniger. Die Frage Wochen davor. schriften für die Kandidatur zu finden.
ist wichtig für 20 Prozent der Wähler laut Libération und Le Figaro geben hierzu
Figaro (9 Prozent laut Libération), aber ziemlich unterschiedliche Angaben wie- Bernhard Schmid, Paris ■

: antifaschistische nachrichten 13-2002 11


: ausländer- und asylpolitik
alle Menschen. Durch eine Abschot-
tungspolitik der EU wird die Migration
in erwünschte und unerwünschte Men-
Demo gegen den Abschiebe- vom Regierungspräsidium Darmstadt ab- schen geteilt. Der Versuch die Grenze zu
komplex in Ingelheim gelehnt worden. Die Gruppe erklärte am überwinden endet für unerwünschte Mi-
am Samstag, 29.6.02 um 14 Uhr Samstag, an ihrem Vorhaben festzuhal- grantInnen nicht selten mit dem Tod.
ab Bahnhof Ingelheim ten. Diejenigen, die es über die Grenze schaf-
Der Abschiebekomplex Ingelheim be- ... SprecherInnen des Aktionsbündnisses fen, werden durch neue Sicherheitsgeset-
steht aus drei Bereichen: eine „Notunter- wiesen während der Kundgebung erneut ze immer mehr mit der organisierten Kri-
kunft für Kommunen“, das Abschiebege- auf die Rolle des Rhein-Main-Flugha- minalität gleichgestellt und bieten als Il-
fängnis und ein „Modellprojekt“, die fens als Deutschlands größtem Abschie- legalisierte oder „sans papier“ die billig-
„Landesunterkunft für Ausreisepflichti- be-Airport hin und erinnerten an den ste Arbeitskraft auf dem EU-Arbeits-
ge“ (LufA). Flüchtling Aamir Ageeb, der vor drei markt. Die Grenzcamps sollen auf diesen
Welches perfide Ziel mit der LufA ver- Jahren in einer von hier aus gestarteten Widerspruch im herrschenden Globali-
folgt wird, sagt der Leiter der Clearing- Lufthansa-Maschine umgebracht wurde. sierungsdiskurs aufmerksam machen.
stelle Rheinland-Pfalz ganz offen: „Hier Außerdem gab es Beiträge von Bernd Durch eine spektrenübergreifende Be-
sollen die Flüchtlinge über die Ausweg- Mesovic, Pro Asyl, Joachim Brenner, gegnung und Zusammenarbeit, einer Mi-
losigkeit ihrer Lebensperspektive in Förderverein Roma, und einer Vertreterin schung aus konfrontativen öffentlichen
Deutschland in eine gewisse Stimmung von Kanak Attak. Aktionen und vielfältigen Diskussionen
der Hoffnungs- und Orientierungslosig- Im Verlauf der Kundgebung installier- soll Austausch stattfinden und Protest ar-
keit versetzt werden.“ (!) ten AktivistInnen die Gedenktafel für die tikuliert werden. Wie mit dem Camp am
Die vielen Gruppen und Initiatoren der Opfer von Abschiebungen, eigenhändig Frankfurter Flughafen deutlich gemacht
Demo wollen mit ihrem Protest auch zei- auf einem Sockel vor dem Flughafenge- wurde, stehen auch die inneren Grenzen
gen, dass es nicht möglich ist, Menschen bäude. Ein Vertreter von Fraport kündig- im Visier.
lautlos hinter fünf Meter hohen Mauern te daraufhin die sofortige Entfernung und Auch im Sommer 2002 werden meh-
verschwinden zu lassen! Zerstörung der Tafel an und drohte mit rere Camps stattfinden: Mindestens zwei
einer Strafanzeige. in Deutschland, eins an der Russisch-
Wie bereits bei früheren Demonstra- Finnischen Grenze und eins in Polen.
tionen am Flughafen war auch an diesem Doch abgesprochen haben sich sämtliche
Tag der Terminal nur für Personen mit europäischen Zusammenhänge, um sich
Flugschein zugänglich ... gemeinsam in Straßburg nochmal zu
PM des Aktionsbündnisses, 10.6.02 ■ treffen. Das erste international organi-
sierte No Border Camp wird zur Zeit von
No Border – No Nation einem bunten Haufen europäischer Or-
ganisationen und Zusammenhänge ge-
No Control – Das europäische staltet.
Camp in Strasbourg 2002 Für Samstag den 27. Juli soll es eine
Vom 19.-28. Juli 2002 werden sich hun- gemeinsame Abschlussdemo oder Ak-
derte Anti-KapitalistInnen, Anti-Rassis- tion geben. Die genaue Form und Aus-
tInnen und selbstorganisierte MigrantIn- richtung wird noch diskutiert und soll
nen aus ganz Europa zu einem internatio- sich auch aus der Dynamik des Camps
nalen Aktionscamp in Straßburg treffen ergeben. Das Camp ist in einem anti-
um dem „Inneren Sicherheitswahn“, der autoritären Rahmen organisiert und lebt
Ausbeutung durch Ausgrenzung und von der Beteiligung und Eigeninitiative
dem „Krieg gegen den Terrorismus“ ihre der Teilnehmenden. Diese temporäre
Visionen der Welt entgegen zu setzen. autonome Zone steht im Gegensatz zu
Unter anderem soll am SIS (Schengen den vorhersehbaren Gegengipfelmobili-
Informations System), der ersten supra- sierungen und bietet einen guten Rah-
nationalen Fahndungsdatei, protestiert men für Austausch und Aktion.
Hamburg. Nur rund 1000 Menschen werden. Der Diskurs des „Kampfes gegen den
nahmen an der Kundgebung am 7.6. Als 1998 an der deutsch-polnischen Terrorismus“ und der „inneren Sicher-
gegen die Abschaffung der Auslän- Grenze das erste Grenzcamp stattfand, heit“ ist eine hauchdünne Fassade. die es
derbeauftragten und die Kürzungen konnte sich wohl kaum eine/r der Teil- anzukratzen gilt. Die Begegnung und der
im Migrationsbereich teil, zu der der nehmerInnen vorstellen, dass es nicht Austausch verschiedener politischer und
DGB und zahlreiche Vereinigungen lange dauern würde, bis die Grenzcamps sozialer Strömungen untereinander kann
aufgerufen hatten. zum festen Bestandteil der Sommerge- dazu beitragen eine neue Kraft zu entwi-
staltung der antirassistischen Bewegung ckeln. um sich jenseits der künstlichen
in ganz Europa würden. Seither trafen Teilung der Welt in „Gute“ und „Böse“
1. Open-Air-Port gegen sich tausende AktivistInnen an den zu artikulieren. Also Zelte packen und
Grenzcamps in Deutschland, im südspa- auf nach Straßburg! jub ■ (gekürzt)
„Schilys Asylkläranlage“ nischen Tarifa, in Lendava im sloweni-
Frankfurt. Zwischen vier- und fünf- schen-ungarisch-kroatischen Grenz- Infos: http://www.nadir.org/nadir/
hundert AntirassistInnen folgten am 8. dreieck, in Krynick an der Grenze zwi- archiv/Antirassismus/grenzcamp01,
Juni dem Aufruf des Aktionsbündnisses schen Polen und Weißrussland oder auf http://www.dsec.info. SIS: gute In-
gegen Abschiebungen zum „1. Open- Karawanen. formationen unter www.state-
Air-Port“ auf dem Frankfurter Flugha- Die Idee der Grenzcamps war im Ur- watch.org. Kontakt: www.nobor-
fen. ... Der geplante Auftritt von Bantu, sprung denkbar einfach: während der der.org, www.noborder-stras-
Mitglied des afrodeutschen antirassisti- Verkehr von Waren und Dienstleistungen bourg.st.fr, festival-permanent@voi-
schen Bündnis BROTHERS KEEPERS, und Kapital durch die Politik erleichtert la.fr, Mouvement des Immigrés de
im Flüchtlingslager selbst war zuvor wird, gilt die Bewegungsfreiheit nicht für Banlieue: http://mibmib.free.fr

12 : antifaschistische nachrichten 13-2002


140 Teilnehmerinnen und Teil- Bundeskonferenz der Ausländerbeauftragten:
nehmer diskutierten auf der
Bundeskonferenz der Auslän-
derbeauftragten von Bund, Ländern
Zuwanderungs- und Integra-
und Gemeinden am 28./29.5 in
Wolfsburg aktuelle Fragen der Aus- tionspolitik im Umbruch
länder-, Flüchtlings- und Integrations-
politik. Die verschiedenen Resolutio- ckeln. Bund und Länder sollten umge- schiebeschutz für Minderheitenangehöri-
nen und Debatten im Überblick: hend die rechtlichen und finanziellen ge aus dem Kosovo zu verlängern, da die
Voraussetzungen schaffen, damit allgemeine Bedrohungslage auch nach
Am Anfang der Konferenz stand der Pro- ◗ bei In-Kraft-Treten des Gesetzes die der Einschätzung des UNHCR und der
test gegen die Absichten der Länder erforderlichen Sprachkurse flächende- OSZE fortbesteht.
Hamburg, Sachsen-Anhalt und Branden- ckend angeboten, ausreichend finanziert Altfallregelung für afghanische
burg, Ausländerbeauftragte abzuschaf- und bewährte Deutschkurse fortgeführt Flüchtlinge
fen. In Hamburg soll bereits am 30.6. die werden können;
Ausländerbeauftragte durch einen ehren- ◗ die Finanzierung der Sprachkurse Die Bundeskonferenz plädierte dafür, bei
amtlich arbeitenden Integrationsrat er- nicht auf Kosten anderer Integrations- der Rückkehr von afghanischen Flücht-
setzt werden. In Sachsen-Anhalt hat die förderprogramme für die schon länger in lingen koordiniert und mit den interna-
CDU/FDP-Regierung die „Eingliede- Deutschland ansässigen Migrantinnen tionalen Organisationen abgestimmt vor-
rung der Ausländerbeauftragten in das und Migranten sichergestellt werden; zugehen. Die Beauftragten sprachen sich
Ministerium des Innern“ (Koalitionsver- ◗ die Teilnahmegebühren insbesonde- für eine großzügige Altfallregelung für
trag) beschlossen. In Brandenburg hat re für den Familiennachzug und für die diejenigen afghanischen Flüchtlinge
die mitregierende CDU angekündigt, Flüchtlinge sozialverträglich gestaltet aus, denen jahrelang der Flüchtlingssta-
diesen Plänen zu folgen. Die Bundeskon- werden; tus vorenthalten wurde.
ferenz protestiert gegen diese Planungen. ◗ ein genügend ausdifferen- Antidiskriminierungsgesetz
Ähnlichen Entwicklungen auf kommu- ziertes Integrationsangebot zügig verabschieden
naler Ebene (z.B. München) sollte ent- bereitgestellt wird, das den
schieden entgegen getreten werden. Die- unterschiedlichen Lebens- Die Bundesregierung wird
se Ausländerbeauftragten haben bisher lagen der Migranten ge- aufgefordert, zügig und
weitgehend weisungsungebunden gear- recht wird; möglichst noch in dieser
beitet und die Integrationspolitik der je- ◗ bei der Anwendung Legislaturperiode zumin-
weiligen Landesregierung kritisch be- der vorgesehenen Sank- dest das zur Zeit diskutier-
gleitet. Der Verdacht drängt sich auf, tionen im Falle der Nicht- te zivilrechtliche Antidis-
dass hier unliebsame Interessenvertreter teilnahme ausländerrechtli- kriminierungsgesetz zu ver-
abgeschafft bzw. in ihrer Arbeits- und che Härten vermieden werden. abschieden. Dies sollte die
Artikulationsmöglichkeit beschränkt ... Die Bundeskonferenz fordert, Gleichbehandlung von Migranten
werden sollten. dass die Ausländerbehörden bereits jetzt im Zivilrecht gewährleisten und einen
Ehrenamtliche Beiräte oder die Stär- mit einer breiten Fortbildung beginnen, klaren und wirksamen Schutz im Alltag
kung der Ausländer- und Aussiedlerrefe- um sich auf die neuen rechtlichen Rege- bieten. Es ist unerlässlich, das Merkmal
rate im Innen- oder Sozialministerium lungen einstellen zu können. Länder und Religion in das Gesetz einzubeziehen,
können weitgehend unabhängige Aus- Gemeinden werden aufgefordert, dort, um Diskriminierungen z.B. von Angehö-
länderbeauftragte nicht ersetzen. Die Ge- wo noch nicht vorhanden, besondere rigen der jüdischen und muslimischen
staltung des Zuwanderungsgesetzes Stellen mit einem möglichst hohem Maß Religionsgemeinschaften effektiv ent-
braucht neben Verwaltungsinstitutionen an Unabhängigkeit für die neuen Aufga- gegentreten zu können. Ein Antidiskri-
arbeitsfähige Querschnittseinrichtungen, ben einzurichten. Aufgrund der verän- minierungsgesetz, das religiöse Diskri-
die das Verwaltungshandeln und die In- derten Aufgabenstellung sollte die minierungen nicht erfasst, verfehlt im
tegrationsprozesse in den Ländern und Rechtsstellung dieser Beauftragten ge- Hinblick des Betroffenenkreises sein
Gemeinden kritisch begleiten und damit stärkt werden. Da zudem die Gastarbei- Ziel. Wichtig ist auch die baldige Umset-
Interkulturalität von Gesellschaft, Politik terära längst vorbei ist, sollten die Aus- zung von Antidiskriminierungsstellen,
und Verwaltung einfordern. länderbeauftragten zu Migrations- und die die Rechtsdurchsetzung bei Diskri-
Umsetzung des Zuwanderungsge- Integrationsbeauftragten umbenannt minierungen unterstützen, eine wissen-
setzes werden. schaftliche Funktion übernehmen und
Die Bundeskonferenz bekräftigt, dass politische Empfehlungen aussprechen.
Sowohl für die Mehrheitsgesellschaft der Erfolg des neuen Gesetzes daran zu In diesem Zusammenhang muss das ge-
wie für die bereits hier lebenden Migran- messen ist, wie viele aus dem Kreis der samte deutsche Recht einer Normberei-
tinnen und Migranten und die zukünftig bisher Geduldeten einen rechtmäßigen nigung unterzogen werden. ...
Einwandernden werden sich nach die- Aufenthalt erhalten werden. Angesichts Besonderes Augenmerk ist auf die
sem Gesetz maßgebliche Änderungen der Vielzahl der zu entscheidenden Fälle Aus-, Fort- und Weiterbildung des Fach-
einstellen. Besondere Skepsis wurde dar- befürwortet die Konferenz eine klare und personals zu richten. Wenn das Ziel einer
über geäußert, wie die Ausländerbehör- bundeseinheitliche Altfallregelung, die gleichberechtigten Teilhabe von Migran-
den den Spagat zwischen ihrer bisheri- möglichst viele Fallgruppen eindeutig in ten erreicht werden soll, müssen auch
gen ordnungspolitischen Praxis und den einem rechtmäßigen Aufenthalt überfüh- Migrantenorganisationen in die Gestal-
neuen integrationsfördernden Aufgaben ren sollte. tung interkultureller Öffnung miteinbe-
schaffen sollen. Abschiebeschutz für Minderheiten- zogen werden. Auf diese Weise kann ein
Das Bundesinnenministerium wird angehörige aus dem Kosovo Prozess initiiert werden, bei dem eine
aufgefordert, möglichst schnell in Zu- Diskussion über unterschiedliche Vor-
sammenarbeit mit den Ländern, den Aus- Diskutiert wurden auch aktuelle politi- stellungen von Gesundheit und Krank-
länderbeauftragten und den wichtigen sche Entwicklungen. So fordert die heit sowie deren Prävention und Heilung
gesellschaftlichen Gruppen ein bundes- Bundeskonferenz im Vorfeld der Innen- einen wichtigen Bestandteil darstellt.
weites Integrationsprogramm zu entwi- ministerkonferenz, den generellen Ab- rua ■

: antifaschistische nachrichten 13-2002 13


: neuerscheinungen, ankündigungen

„Der Mythos Nach den Informationen von der USA scheint auch die lin verpflichten können und
vom guten Pauwels waren im Jahre 1937 Verstrickung in die Nazi- dann später vielleicht ein hö-
Krieg“: Entzauberte immerhin 20 Großunterneh- Morde zu sein. Jaques Pau- heres Maß an Mitarbeit und
men aus den Vereinigten wels empört sich in seinem Zugeständnissen erhalten;
„Amis“ Staaten gewinnbringend in rund 300-seitigen Buch: „Von außerdem hätten ihre Truppen
von Thomas Klaus Deutschland aktiv. Die Nazis den Sklavenarbeitern, die die dann auch früher und weiter
Politik und Geschichte der duldeten also, dass die US- Nazis ihnen zur Verfügung in Europa vordringen können,
Vereinigten Staaten in einem Eigentümer im Besitz ihrer stellten, machten auch viele so dass es auch einfacher ge-
etwas kritischeren Licht zu deutschen Tochtergesell- US-amerikanische Unterneh- wesen wäre, Stalin entgegen
sehen – das ist seit den Ter- schaften blieben und gewähr- men Gebrauch.“ Coca-Cola zu treten, wenn er sich nicht
roranschlägen vom 11. Sep- ten ihnen ein gewisses Maß zum Beispiel setzte Fremdar- dankbar und kooperativ ge-
tember 2001 schwieriger und an Kontrolle über die Verwal- beiter und Kriegsgefangene nug gezeigt hätte.“
unpopulärer geworden denn tung. Nach der deutschen in seinen Fanta-Werken ein, Ein Beispiel für einen ver-
je. Aus diesem Grund steht Kriegserklärung an die USA und auch Ford und General meintlich unseriösen „Schul-
zu erwarten, dass das Buch zogen sich zwar die US-ame- Motors legten sich in dieser terschluss“ stammt aus der
„Der Mythos vom guten rikanischen Führungskräfte Hinsicht keine Zurückhaltung Zeit der letzten Kriegstage.
Krieg – Die USA und der 2. zurück. Doch die deutschen auf. Im Mai 1945 habe ein US-
Weltkrieg“ wenig Verbrei- Manager blieben die Glei- „Für die USA war der Befehlshaber eine „separate“
tung finden wird. Das ist alle- chen und durften die Interes- Krieg in Europa eine lukrati- deutsche Kapitulation ange-
mal schade. Denn der kanadi- sen der Aktionäre im Feind- ve Angelegenheit“, behauptet nommen. Das Ergebnis: Ein
sche Autor Dr. phil. staat USA wahren. Während Jacques Pauwels. Während Großteil der Zwölften Armee
Dr.rer.pol. Jacques Pauwels des Krieges verbuchten die der Kriegsjahre sei die Ar- von General Wenck konnte
hat zahlreiche schmerzliche US-Dependancen stattliche beitslosenquote in den Verein- sich hinter den amerikani-
Fakten zusammengetragen, Gewinne, die sie nicht an die igten Staaten von fast 15 Pro- schen Linien in Sicherheit
die das Engagement der USA Nazis abgeben mussten (Bei- zent 1940 auf nur noch 1,2 bringen. Bis zu diesem Zeit-
in der Kriegs-Allianz gegen spiel: die Ford-Werke, die Prozent 1944 gefallen. 1940 punkt hatten die deutschen
Hitler-Deutschland anders 1943 rund 2,17 Millionen und 1941 habe die US-Indus- Soldaten gegen die Sowjets
gewichten und beurteilen las- Reichsmark Gewinn erzielten trie vor allem von den Ge- gekämpft. Pauwels: „Diese
sen. Macht man sich die Les- und somit fast doppelt so viel schäften mit Großbritannien Nachgiebigkeit passte Ameri-
art von Pauwels zu eigen, wie 1939). profitiert. Das habe Ölfirmen kas deutschen Feinden her-
heißt es Abschied zu nehmen Besonders eng soll die Be- und Öltrusts in den USA vorragend in den Kram. Denn
von der Vorstellung, dass ziehung zwischen dem Nazi- allerdings nicht daran gehin- so konnten Tausende der So-
Washington einen moralisch Regime und dem Konzern dert, heimlich auch mit Hit- wjet-Gefangenschaft entge-
wertvollen Kreuzzug für ITT gewesen sein. Dessen ler-Deutschland einen hen.“ Den Sowjets, Amerikas
Freiheit, Demokratie und Gründer und Chef Sosthenes schwungvollen Handel zu Bundesgenossen, sei sie je-
Menschenrechte unternom- Behn sei ein ähnlich großer treiben. Der Anteil der USA doch teuer zu stehen gekom-
men habe. Bewunderer und Gönner von an Deutschlands Import von men. Schließlich mussten sie
Der Verfasser beginnt sei- Adolf Hitler & Co. gewesen lebenswichtigen Ölprodukten noch drei Tage lang gegen
ne ganz und gar unwissen- wie etwa Torkild Rieber, der kletterte bis September 1941 Wencks Nachhut weiterkämp-
schaftlich formulierte, gut Boss des Ölunternehmens Te- auf nicht weniger als 94 Pro- fen. Die Kapitulation oder
lesbare und leicht verständli- xaco, der die faschistischen zent, so Pauwels. Seine auch Rettung der Wenck-Ar-
che Untersuchung mit der Truppen während des spani- Schlussfolgerung: „Die deut- mee war laut Pauwels keine
Feststellung, dass die deut- schen Bürgerkrieges mit ille- schen Panzer wären ohne das Ausnahme. Angeblich habe es
schen Niederlassungen füh- galen Öllieferungen nachhal- Benzin, das US-Erdöltrusts sich um knapp die Hälfte aller
render US-amerikanischer tig gefördert habe. Das Fazit lieferten, niemals bis in die Wehrmachts-Streitkräfte an
Konzerne nach der Machter- von Pauwels nach der Be- Vororte Moskaus gekom- der Ostfront gehandelt, die
greifung der Nazis so richtig trachtung der Zusammenar- men.“ Die Panzer selbst wa- ein ähnliches Ende gefunden
florieren konnten. Schließlich beit zwischen US-amerikani- ren ebenfalls häufig letztlich hatten.
sei im Zeichen des Haken- schen Wirtschaftskreisen und „made in Amerika“: Zeitwei- Auch als es nach dem Ende
kreuzes ein gigantisches den Nazis: „Ohne amerikani- lig repräsentierten General des Zweiten Weltkrieges um
Wiederaufrüstungsprogramm sche Fahrzeuge, Motoren, Motors und Ford zusammen Entschädigungszahlungen
gestartet und der Einfluss der Gummi, Diesel und Schmier- rund die Hälfte der deutschen ging, sollen die Sowjets von
Gewerkschaften beseitigt öl (...) und ohne die Informa- Gesamtproduktion an Pan- den Amerikanern gehörig
worden. So habe also zum tionstechnologie von ITT und zern. über den Tisch gezogen wor-
Beispiel die deutsche Filiale IBM hätte der Führer von Ein weiterer Vorwurf in den sein. Jacques Pauwels
von Coca-Cola ihren Verkauf Blitzkriegen, und somit von dem Buch „Der Mythos vom bilanziert: „So hat die UdSSR
von 243.000 Kisten 1934 auf Blitzsiegen, nur träumen kön- guten Krieg“: Die alliierte selbst von den beiden deut-
4,9 Millionen im Jahr des nen.“ Von Reichminister Al- Kooperation von Amerika- schen Staaten gemeinsam nie
Weltkriegsbeginns 1939 stei- bert Speer ist die Bewertung nern und Russen war seitens mehr als 5,1 Milliarden Dol-
gern können. Und auch die überliefert, dass Hitler ohne der US-Regierung nicht allzu lar an Reparationszahlungen
Firma Opel als deutsche gewisse Arten synthetischen ernst und redlich gemeint: erhalten, das heißt, kaum
Niederlassung von General Benzins aus der Produktion „Hätten die Anglo-Amerika- mehr als die Hälfte der relativ
Motors habe allen Grund zur US-amerikanischer Firmen ner 1942 eine Zweite Front bescheidenen zehn Milliarden
Freude gehabt: Ihr Marktan- nie daran gedacht hätte, Po- eröffnet, anstatt so viel militä- Dollar, die in Jalta vereinbart
teil entwickelte sich von 35 len anzugreifen. risches Kapital in den Luft- worden waren. Dies war noch
Prozent 1933 auf mehr als 50 Ein großer Schandfleck auf krieg und in Nordafrika zu in- nicht der zwanzigste Teil der
Prozent nur zwei Jahre später. der angeblich weißen Weste vestieren, hätten sie sich Sta- Summe, auf die sich eine rea-

14 : antifaschistische nachrichten 13-2002


listischere spätere Schätzung der sowjeti- nauere Analyse der Skinbewegung Kundgebung des Bündnis gegen
schen Kriegsschäden belief, nämlich 128 unterbleibt vielfach. Dass es auch nicht Rechts Braunschweig:
Milliarden Dollar.“ rechte Glatzen gibt, wird meistens über- Samstag 22. Juni 2002, 14 Uhr
Mit seinem Werk „Der Mythos vom sehen. Sie werden als Sharp- oder Red^- Friedrich-Wilhelm-Platz, Braun-
guten Krieg“ hat Jaques Pauwels eine skins bezeichnet und stehen zu den Na- schweig
spannende und streckenweise erschre- ziskins häufig in unversöhnlicher Geg-
ckende Arbeit vorgelegt, die zum Nach- nerschaft. Die vorliegende Arbeit ent- „Discoland“ in Nazihand?
denken über mögliche Geschichts-Ver- hält eine der umfangreichsten Analysen
biegungen zwingt – auch wenn die Tren- von Textaussagen rechtsextremistischer „Massenschlägerei vor Disko am Ka-
nung zwischen Werturteil und Fakten- Skinbands. Unter Verwendung einer lenwall“ lautete unlängst eine Schlag-
darbietung an manchen Stellen unsauber Vielzahl an Abbildungen und Grafiken zeile der Braunschweiger Zeitung:
ausfällt. ■ gibt der Autor einen anschaulichen „Beim Eintreffen der alarmierten Be-
Überblick über die Entstehung und Ent- amten waren etwa 30 Randalierer dabei,
Jaques Pauwels, Der Mythos vom gu- wicklung der Skinheadbewegung. Ein auf Besucher einzuschlagen und einzu-
ten Krieg - Die USA und der 2. Welt- Schwerpunkt wird dabei auf die Bundes- treten, die vor der Diskothek [Tempel
krieg -, PapyRossa-Verlag Köln, 302 republik sowie die ehemalige DDR ge- X] standen ... Bei der Schlägerei wurde
S., 16,50 Euro, ISBN: 3-89438-220-1 legt. Anhand der Analyse von Szenezeit- ein 33 Jahre alter Diskothekenbesucher
schriften, CDs sowie Versandlisten wird offensichtlich mit einem Schlagstock
Rechte Skinheads der Frage nachgegangen, wie sich die in verletzt und musste ärztlich versorgt
dieser jugendlichen Subkultur vorhande- werden“ (BZ vom 14. Mai 2002). Eins
Die Frage, ob Skinheads eine Gefahr nen rechten Tendenzen äußern und wel- berichteten Braunschweiger Zeitung
von rechts darstellen, ist seit dem Som- che Formen sie annehmen. ■ und Polizei nicht: Bei den Angreifern
mer 2000 wieder aktuell. Ein bislang un- handelte es sich um eine Gruppe von
bekannter Täter hatte in einem Düssel- Holger Bredel: „Skinheads – Gefahr Nazis, die bisher vor allem am Mada-
dorfer S-Bahnhof eine Rohrbombe ge- von rechts?“ Berlin 2002, 420 Seiten, menweg ihr Unwesen treibt.
zündet und dabei zehn Menschen aus zahlreiche Abbildungen, Preis: 35,20 Seit Monaten gehen zahlreiche Ak-
der ehemaligen Sowjetunion schwer Euro. Laminierter Einband. ISBN 3- tionen und Angriffe auf das Konto die-
verletzt. An der folgenden neuen rechten 930894-50-5. RHOMBOS-Schriftenrei- ser Clique, die sich auf ihrer (inzwi-
Gewaltwelle beteiligten sich auch Skin- he Forschung, Wissenschaft und Poli- schen nicht mehr erreichbaren) Home-
heads. Die Medien sowie die Öffentlich- tik, Band 3. Infos unter: page „Kameradschaft Skinheads Braun-
keit nehmen Skinheads meistens erst http://free.pages.at/hbredel/Buch/ schweig“ nennt. Auf ihrer Homepage
dann wahr, wenn sie Gewalttaten began- buch.html oder präsentierten sie sich auf Photos mit
gen haben oder bei neonazistischen De- http://www.rhombos.de/onlinesh/ „Hitlergruß“ und schwarz-weiß-roter
monstrationen mitmarschieren. Eine ge- jjeo/produkte/skinhead.htm. Fahne auf einem Spielplatz am Mada-
menweg. Verantwortlich ist die Bande
für zahlreiche Überfälle nicht nur im
westlichen Ringgebiet. Unterstützt wer-
Spendet für die Antifaschistischen den sie dabei regelmäßig von Nazis aus
Nachrichten! Unser Ziel 3000 Euro! anderen Städten, z.B. aus Magdeburg,
Die Spendenkampagne ist angelaufen. Peine und Wolfenbüttel. Dabei sind be-
Insgesamt sind bisher sonders die Punks, die sich am Park vor
dem Bahnhof treffen, immer wieder
577,- Euro eingetroffen (Stand 14. Juni) Ziel ihrer Angriffe.
Für die Polizei handelt es sich bei der
Vielen Dank! Clique lediglich um „Rechte Jugendli-
che“, die sich treffen, „meist um Bier zu
Spendenkonto: GNN-Verlag, Postbank Köln, trinken ... Einschließlich der Mitläufer
habe man es in Braunschweig mit etwa
BLZ 370 100 50, Konto 10419507 50 polizeibekannten Rechtsgerichteten
zu tun.“ (BZ vom 22.12.2001). Doch
handelt es sich hier nicht um irgendwel-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über:
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. che durchgeknallten Jugendlichen. Zu
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de der Gruppe gehören auch Nazis die seit
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Postfach 260 226, 50515 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach Jahren in der rechten Szene aktiv sind
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, und die gezielt versuchen Organisa-
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, tionsstrukturen aufzubauen bzw. die
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart,
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. Anbindung der Jugendlichen an die
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro. NPD und ihre Jugendorganisation JN
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Postfach 260 226, 50515 Köln. Sonderbestellungen sind voranzutreiben.
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. Mit Angriffen gegen alle, die ihrem
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein- (Alp-)Traum vom „Großdeutschen
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung Reich“ entgegenstehen, versuchen die
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. Nazis sich als Machtfaktor auf der Stra-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie ße zu etablieren. Dagegen hilft nur eins:
Buntenbach (MdB Bündnis 90/Die Grünen); Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsge-
meinschaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Frieden-
sich gemeinsam zur Wehr setzen und
szentrum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke, (MdB PDS); nicht wegschauen !!!! ■
Jochen Koeniger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen Bündnis gegen Rechts c/o Carl-von-
(Mitglieder des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschisti-
sche Nachrichten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo
Ossietzky-Zentrum, Leopoldstr. 23,
Lucifero (Landesleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried
38100 Braunschweig
Wolf); Volkmar Wölk.

: antifaschistische nachrichten 13-2002 15


: aus der faschistischen presse
hend von jüdischen Bolschewisten ideolo-
gisch vorbereitet worden war“. Was sind
dagegen schon sechs Millionen ermorder-
Wölfe im Schafspelz deter Juden? Was dem „Israelfreund“
sächlich der neue hebräische Mensch ent- Schönhuber vorschwebt, ist eine Art anti-
Nation und Europa Juni 2002 stand, der sich wesentlich vom traditionel- semitischer Apartheid: „Unsere Konse-
Aus der Ideologie speziell des deutschen len Bild des Juden unterschied. Schon die quenz kann deshalb nur heißen: Wenn
Faschismus ist der Antisemitismus nicht damalige Nummer 2 hinter Hitler, Gregor schon ein gedeihliches Miteinander nicht
wegzudenken. Nachdem er aber auf direk- Strasser, knüpfte 1932 mehr oder minder möglich ist, dann begnüge man sich mit
tem Weg in die Gaskammern von offizielle Kontakte mit Zionisten. Nach einem komplexfreien Nebeneinander.
Auschwitz und Majdanek führte sehen seiner Entmachtung und anschließenden Pflegen wir Normalität dort, wo sie mög-
sich seine raffinierteren Propagandisten Ermordung war es ausgerechnet die SS, lich ist“.
gezwungen, ihre menschenfeindlichen die diese Kontakte weiterführte. SS-Offi- Für die schlichter antisemitischen Ge-
Auslassungen zu bemänteln, sich sogar als ziere reisten nach Israel, um zu vertraglich müter ist Karl Richter zuständig, der die
Freunde Israels zu tarnen. gesicherten Ausreisebestimmungen für die alten antijüdischen Stereotypen benutzt:
Im Juniheft von „Nation & Europa“ gibt in Deutschland lebenden Juden zu kom- Die Frage ist müßig, was Scharon wirklich
Franz Schönhuber seine Sicht der Dinge men. will: die Wahlen im Oktober 2003 gewin-
zum Thema „Die Juden und wir“ wieder Diese durchaus hoffnungsvollen Bemü- nen oder als größter Feldherr Israels in die
und beeilt sich zu bekunden, dass er natür- hungen wurden jäh unterbrochen, als we- Geschichte eingehen. Den palästinensi-
lich kein Antisemit sei: „Ich teile die Hal- nige Wochen nach Hitlers Machtergrei- schen ,Terror‘ besiegen oder ein bilisches
tung Le Pens, der das Existenzrecht Israels fung ein von dem führenden Zionisten Dr. Groß-Israel aus dem Boden stampfen. ...
in seinen Reden und Schriften immer wie- Chaim Weizmann inspirierter Artikel in Bleibt die Palästinenserfrage. Sie ist die
der betont ...“. Er selber bezeichnet das der britischen Zeitung `Daily Express´ er- niemals heilende Wunde des Judenstaates,
treffend als die „Befolgung des ,Ja-aber‘ – schien. Darin hieß es: ,Juda erklärt denn schon seine Errichtung 1948 ff. wur-
Syndroms, als „salvatorische Floskel“ und Deutschland den Krieg. 14 Millionen Ju- de mit Blut und Terror, Vertreibung und
falsche Verhaltensweise und kommt den- den stehen wie ein Mann zusammen, um Landnahme erkauft“.
noch nicht ohne sie aus. Nach dieser Flos- Deutschland den Krieg zu erklären‘. Für Wie schon beim NATO-Überfall auf Ju-
kel aber kommt Schönhuber zum Wesent- die in Deutschland lebenden Juden bedeu- goslawien versuchen die Neofaschisten
lichen: „Antisemitismus gab es überall in tete diese von ihnen nicht autorisierte und sich bei den Menschen anzubiedern, die
Europa, besonders in Rußland und Frank- von ihren führenden Repräsentanten auch Israels Politik kritisieren und für Frieden
reich. Wie aber konnte es ... in Deutsch- sofort zurückgewiesene ,Kriegserklärung‘ im Nahen Osten demonstrieren. Die Frie-
land zu jenem Antisemitismus kommen, eine Katastrophe. Die Scharfmacher im densbewegung sollte auch weiterhin
der bis nach Auschwitz führte?“ NS-Regime um Heinrich Himmler setzten wachsam gegenüber falschen Freunden
Auf diese Frage geben Wissenschaftler sich daraufhin durch. Verbindungen mit sein.
durchaus unterschiedliche Antworten, für zionistischen Kreisen in Israel wurden ab-
die antisemitische Rechte dagegen gibt es gebrochen, der Marsch in die Todeslager Henscheid: Auf dem Weg zu
nur eine: Ihr Schicksal haben sich die Ju- nahm seinen Anfang“.
den selbst zuzuschreiben. Bei Schönhuber So einfach ist das also: Hätten die Juden Titanic’s Namenspatronin
geht das so: nicht grundlos provoziert, wäre ihnen der Junge Freiheit Nr.24/02 vom 7.6.2002
„Unabhängig von den nahezu täglichen Holocaust erspart geblieben. Die Nazis Mitten in die Freude über den genialischen
antijüdischen Ausfällen des Joseph Goeb- waren gar keine Antisemiten, sie wollten FDP–Joke der Titanic bleibt das Lachen
bels und den Haßtiraden im ,Stürmer‘ des die Juden nur nicht in Deutschland haben bei der Lektüre der „Jungen Freiheit“ doch
Julius Streicher beobachteten NS-Kreise, sondern nach Palästina abschieben. Mit leicht im Halse stecken. Der doch als inte-
die über den Tellerrrand des Regimes hin- Feindschaft gegenüber diesen Menschen ger vermutete Eckhart Henscheid (seines
aussahen, sehr aufmerksam die Vorgänge hatte das nichts zu tun, eher mit Vorsicht: Zeichens renomierter Titanic Mitbegrün-
in Palästina. Sie konstatierten dort ähnli- „...die historisch gesicherte Tatsache ... der) gibt ein Interview zu Walsers neuem
che Rassevorstellungen und registrierten daß die bolschewistische Oktoberrevolu- Buch, den Reaktionen darauf, zu Mölle-
mit Erstaunen, wie in den Kibbuzim, den tion, die in der Folge mehr als 100 Millio- mann usw. usf.. Darin wird er mit Sätzen
Vorläufern des Reichsarbeitsdienstes, tat- nen Menschen das Leben kostete, weitge- wie „Möllemann hat fast alles zurückge-
nommen – Leider“ oder „Wenn Mölle-
manns Aussagen schon einen Klimawech-
sel in Deutschland bewirken sollten, dann
BESTELLUNG: Hiermit bestelle ich … Stück pro Ausgabe (Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt)
hat dieser (...) meine Segen“ wiedergege-
O Halbjahres-Abo, 13 Hefte 22 Euro
Erscheinungsweise: ben. Sollte er dies so gesagt haben wäre
O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro
O Jahres-Abo, 26 Hefte 44 Euro
14-täglich das an sich schon traurig genug, warum er
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
aber das ihm doch sonst (hoffentlich!) eher
O Schüler-Abo, 26 Hefte 28 Euro
wenig verbundene Rechtsblättchen zur
O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
Kundgabe wählt bleibt ein Rätsel das sich
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 60,- DM). wohl nur ihm selber erschließt. Satire ist
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten das nicht! Gelächter kommt, wenn dann,
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) nur wegen des gleichen Geschwätz über
Rollenprosa und was sie alles darf auf, wie
Name: Adresse: es auch Walser verbraten könnte – beste
Gesellschaft Herr Henscheid! Der Chef-
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts redakteur des „Satiremagazins“ Sonnen-
born sah, telefonisch um eine Stellungnah-
Unterschrift
me gebeten, kein Problem im Interview
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 - 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
seines Mitarbeiters. Allenfalls zwei Passa-
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507 gen hätte er „anders formuliert“...!
tri, CHR ■

16 : antifaschistische nachrichten 13-2002

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