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Trauer und Melancholie

von
Siegmund Freud.
Eine thematische Einführung für
die Geschichtswissenschaft.
Inhaltsverzeichnis:

Inhaltsverzeichnis: ............................................................................................ - 2 -
I. Einleitung....................................................................................................... - 3 -
II. Psychologie in der Geschichte. .................................................................... - 3 -
III. Psychoanalyse: ............................................................................................ - 6 -
IV. Biographie:.................................................................................................. - 6 -
V. Freuds Model von Ich, Es und Über-Ich ...................................................... - 7 -
V. 1. „Es“: ..................................................................................................... - 8 -
V. 2. „Ich“: .................................................................................................... - 8 -
V. 3. „Über - Ich“.......................................................................................... - 8 -
VI. Trauer, Melancholie, Manie und Depressionen.......................................... - 9 -
VI. 1. Melancholie /Depression .................................................................... - 9 -
IIX. Fazit: ........................................................................................................ - 11 -
IX. Literaturverzeichnis .................................................................................. - 13 -

-2-
I. Einleitung

Was hat Psychologie mit den Geschichtswissenschaften zu tun? Nun beide


Bereiche beschäftigen sich auf ihre Art und Weise mit Menschen. In der
Psychologie geht es um das Innenleben des Menschen: Wie verhält er sich,
warum agiert er auf eine bestimmte Weise usw., während sich die Geschichte
zumeist mit den Ergebnissen menschlichen Handelns befasst. In beiden
Richtungen geht es primär um den Menschen, dies sollte Grund genug sein
einmal über den Tellerrand des Historiker zu schauen und zu bedenken, in wie
weit die Psychologie nützlich für ein besseres Verstehen geschichtlicher
Vorgänge sein kann.
In der Geschichtswissenschaft steht man der Psychologie jedoch oft sehr
kritisch gegenüber. Es wird eingewandt, dass sich heutige psychologische
Modelle nicht auf Menschen übertragen lassen, die in einer fremden
Gesellschaft vor langer Zeit gelebt haben. Ebenso erscheit es als schwierig
verwertbare und realistische Informationen zu erlangen, die über eine
historische Person Aufschluss geben könnten. Diese Einwände halte ich zwar
für gerechtfertigt und wichtig zu bedenken, aber ebenso halte ich es für einen
fatalen Fehler sich ganz der Psychologie in der Geschichtswissenschaft zu
verschließen. Dies liegt wohl auch am mangelnden Wissen über die
Psychologie. Ich werde in dieser Arbeit versuchen Gründe zu nennen, die für
eine psychoanalytische Herangehensweise an die Geschichtswissenschaft
sprechen und erklären, wie ein Modell funktioniert. Als Beispiel für eines
dieser Modelle möchte ich Freuds Abhandlung über Trauer und Melancholie
genauer betrachten um dieses Modell zu erklären. Doch zunächst ist es
wichtig sich zu verdeutlichen, was Psychoanalyse überhaupt ist und die
Grundlagen Freuds Theorien zu verstehen.

II. Psychologie in der Geschichte.

Aus eigenen Erfahrungen weiß ich, dass man sich auf sehr dünnem Eis
bewegt, will man versuchen psychologische Aspekte in die

-3-
Geschichtswissenschaft mit einfließen zu lassen. Es gibst viele Vorbehalte
seitens der Historiker. Ein paar dieser Kritikpunkte möchte ich aufnehmen.

1. Es ist nicht möglich eine historische Person zu analysieren, da man


erstens keine objektiven Quellen hat und zweitens eine Person immer
anwesend sein muss um diese analysieren zu können. - Ich halte es
zwar für richtig, dass man die benutzten Quellen sehr genau auf ihren
Wahrheitsgehalt untersuchen muss, aber man kann trotzdem gewisse
rudimentäre Schlüsse aus den Berichten ziehen. Aus der
Schnittmenge Informationen aus verschieden Quellen kann man
wenigstens Tendenzen über den Charakter einer Person ziehen. Auch
das beschriebene Verhalten von historischen Personen in bestimmten
Situationen kann gedeutet werden. Auch wenn diese Person nicht
direkt anwesend ist, kann dieses möglich sein. Aber es kann an den
lebensnahen Beschreibungen über eine historische Person ersichtlich
werden, für welch einen Charakter man diese Person gehalten hat.

2. Historische Personen leben in einer fernen Zeit und in einer fernen


Gesellschaft. Man kann keine psychologischen Modelle anwenden,
die auf den heutigen Menschen ausgelegt sind. Dieses Argument halte
ich für falsch. Es ist nicht richtig, dass man das Innenleben der
Menschen aus der Vergangenheit nicht mit den Menschen der Neuzeit
vergleichen kann. Die Wurzeln unserer Kultur gehen bis in die weite
Vergangenheit zurück. Sei es die Philosophie, Religion oder einfach
ethische Wertvorstellungen. Auch wenn Menschen der Vergangenheit
in einer anderen Welt gelebt haben als wir heute, waren es dennoch
Menschen mit ähnlichen Wertvorstellungen. Das „Über-Ich“ (Vgl.
Kapitel 4) muss dem unsrem doch sehr geglichen haben. Die Triebe
(das „Es“ Vgl. Kapitel 4) waren dieselben. Auch wenn die
Psychologie erst in der Neuzeit wirklich erforscht wurde, so gab es
doch immer Menschen, die sich mit dem Innenleben beschäftigt
haben. Angefangen von Heraklit, der ca. 500 v. Chr. mit seiner
Feststellung „Alles ist im Fluss“1 den Prozesscharakter allen

1
Vgl. Snell, Bruno: Heraklit – Fragmente, Griechisch und Deutsch. Wien 1995.

-4-
Handelns und Erkennens erkannte. Aristoteles (384-322 v. Chr.) war
über viele Jahre Hauptquell der Psychologie. Mit seinen Schriften
„Über die Seele des Menschen“ (ψυχή gr. Psyche) beschrieb er das
wirkende Prinzip der Seele. Seine Vorstellungen würden man heute
mit der Unterscheidung von Motivation, Emotion und Kognition
beschreiben. Aber auch Augustinus (334-430 n. Chr.) beschäftigte
sich in seinen Confessiones mit Seelenvorgängen. Er erkannte einen
Unterschied zwischen Denken und Wollen. Ebenso stellte er durch
Beobachtungen von kleinen Kindern viele Vermutungen über das
Wesen des Menschen an.2 Nicht nur im westlichen Kulturkreis wurde
über das Innere des Menschen nachgedacht, auch Konfuzius oder der
Buddhismus beschäftigt sich mit diesem Themen.3 Aus diesen
Beispielen kann man ersehen, dass die Psychologie keineswegs eine
Erfindung der neueren Zeit ist. Sie baut auf Grundlagen auf, die weit
in die Vergangenheit zurück reichen und weit über unseren
Kulturkreis hinaus. Das Prinzip des menschlichen Wesens scheint
immer gleich gewesen zu sein, abgesehen von kulturellen
Unterschieden.

3. Auch wenn ein Historiker lieber auf das zugegeben heikle


Unterfangen Aussagen über die Psyche einer historischen Person zu
treffen verzichten möchte, so kann man dennoch Theorien über die
Psychologie des Menschen als Quelle lesen. Spiegelt sich doch nicht
auch immer das Menschenbild jener Zeit in den
wissenschaftstheoretischen Texten. So könnte man überlegen
inwieweit z.B. die Industrialisierung und das damit verbundene
Menschenbild auf Freuds Vorstellungen über das Innenleben des
Menschen Einfluss gehabt haben könnte?

2
Vgl. Augustinus: Confessiones Stuttgart 1989.
3
Steden, , Hans-Peter: Psychologie Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg im Breisgau
1999. (Im Folgendem zitiert als: „Steden“.) S. 24 f

-5-
III. Psychoanalyse:

Psychoanalyse ist zunächst einmal praktisch gesehen ein regelmäßiges


Zusammentreffen von mindestens zwei, maximal fünf Sitzungen. Gebunden
ist dieses Treffen an ein bestimmtes Zeremoniell: Der Patient liegt auf der
Couch, während der Analytiker hinter ihm, außerhalb des Blickfeldes sitzt.
Der Patient ist aufgefordert frei zu assoziieren, was ihm in den Sinn kommt.
Der Analytiker muss diese Assoziationen deuten. Das strenge Zeremoniell
fördert die Wiederkehr von kindlichen Emotionen gegenüber den
Hauptbezugspersonen und erlaubt tief greifende Korrekturen von emotionalen
Erfahrungen.
Im Prinzip können alle neurotischen und psychosomatischen Krankheitsbilder
mittels Psychoanalyse behandelt werden. Vorraussetzung für die
Psychoanalyse ist jedoch immer die Bereitschaft des Patienten für diesen
Benhandlungsweg.4

IV. Biographie:

Siegmund Freud wurde am 6. Mai 1856 in Freiburg (Mären, heute


Tschechien) in eine jüdische Familie hineingeboren. Obwohl Freud selber in
der jüdischen Gesellschaft verkehrte, war er doch selber kein praktizierender
Jude. Wirtschaftliche Gründe zwangen seine Familie 1859 nach Wien zu
ziehen. Die nächsten 79 Jahre sollte Wien seine Heimat sein, und vermutlich
wäre er dort auch gestorben, wäre er nicht ins Exil gedrängt worden. In Wien
machte er sein Abitur und schloss später (1881) sein Medizinstudium ab. In
seiner Studienzeit arbeitete er am psychologischen Institut von Ernstbrücke
der ihn in seiner Art wissenschaftlich zu denken stark beeinflusste. 1882
verlobte sich Freud mit Martha Bernays und erhielt eine Anstellung im
Wiener Krankenhaus, wo er die praktische Seite der Medizin kennen lernte.
1885 wurde Freud als Lektor für Neuropathologie berufen und arbeitet des
Weiteren in Paris für den bekannten Pathologen Charcol, welcher sich in
dieser Zeit schwerpunktmäßig mit der Hysterie beschäftigte. So wurde Freuds

4
Bräutigam, Walter: Reaktionen Neurosen Psychopathien. (4. Aufl.) Stuttart 1971. S. 167

-6-
Interesse für das Innenleben des Menschen geweckt. Im Jahr 1886 heiratete
Freud seine Verlobte und gründete seine Praxis.5
Freud verfasst neben vielen anderen Text auch vierundzwanzig Bände über
die Psychoanalyse. Zu den wichtigsten Werken zählen: „Die Traumdeutung“
(1900), „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“ (1901) und „Das Ich und
das Es“ (1923).6 Nachdem das nationalsozialistische Regime im benachbarten
Deutschland unter anderem auch Freuds Werke verbrennen ließ und
Österreich 1938 an Deutschland „angeschlossen“ wurde, konnte Freud nicht
mehr sicher in Wien leben. Er emigrierte nach London und starb dort am 23.
September 1939 nach einem langen Krebsleiden.7
Freud gilt als Entdecker der psychischen Verursachung körperlicher und
seelischer Leiden. Seine Endeckung der dynamischen psychischen Struktur
im Menschen ist bis heute noch gültig und Grundlage vieler
Forschungsansätze. Er erweiterte das Verständnis des Bewusstseins vor allem
durch seine Erschließung des Unterbewussten. Freuds Theorien lenkten die
Aufmerksamkeit stark auf entscheidende psychische Prozesse in der frühen
Kindheit. Er hat stark zu der Verantwortungsbildung der Erziehenden
gegenüber den Kindern beigetragen.8 Auch wenn mansche Theorien heute als
falsch erachtet werden (Gewichtung des Sexualtriebes, des Ödipuskomplexes,
des Unbewussten) hat Freud doch das Bild des Menschen stark geprägt.

V. Freuds Model von Ich, Es und Über-Ich

Um Freud verstehen zu können muss man als erstes sein Grundmodell


begreifen.
Freud beschreibt mit seinem Model die Psyche des Menschen. Es handelt sich
hierbei um hypothetische Begriffe der psychoanalytischen
Persönlichkeitstheorie. Er ermöglicht eine Orientierung und das
wissenschaftliche Verständnis.

5
Storr, Anthony: Freud Freiburg im Breisgau 2004. (Im Folgendem zitiert als:“Storr“.) S. 6 ff
6
Lohmann, Hans-Martin: Sigmund Freud – Eine Einführung, Hamburg 2002. S. 111 ff
7
Storr S. 6 ff
8
Steden S. 40

-7-
Der Grund für neurotische Störungen ist oft ein innerer Konflikt. Wenn zwei
Strebungen im Menschen aufeinander treffen, die nicht miteinander vereinbar
sind. So kann z.B. der sexuelle Triebwunsch in einen Konflikt mit dem
moralischen Wertvorstellungen geraten.

V. 1. „Es“:
Das „Es“ Beschreibt die Gesamtheit aller Triebe als „Quelle der Strebungen,
Bedürfnisse und Impulse“(Freud). Das „Es“ handelt unbewusst und spiegelt
sich deswegen nur mittelbar in den Vorgängen des „Ichs“. Libido nannte
Freud das Energiepotential der Treibe. Würde nur das „Es“ im Menschen
herrschen so würde die Welt im Chaos versinken.

V. 2. „Ich“:
Im „Ich“ befinden sich die „zusammenhängende Organisation der seelischen
Vorgänge in einer Person“ (Freud). Im Laufe der menschlichen Entwicklung
grenzt sich das „Ich“ von dem „Nicht-Ich“, der Außenwelt, ab. So gelangt ein
Kind von einer All - Identität, wenn es aus dem Bauch der Mutter kommt und
zwischen sich und der Außenwelt noch nicht differenzieren kann, zu einer
differenzierten Identität. Das „Ich“ ist die Integration von „Es“ und „Über-
Ich“.

V. 3. „Über - Ich“
Das „Über – Ich“ dient zur Selbstkontrolle und moralische Zensur. In ihm
vereinigt sich die ethische und soziale Norm. Ein Kind bildet das „Über –
Ich“ aus, indem es sich nach dem „Über - Ich“ seiner Eltern oder anderer
Bezugspersonen ausrichtet. Das „Ich – Ideal“ ist somit das Idealbild des
eigenen „Ichs“. Das „Über – Ich“ bestimmt somit das „Ich“ mittels Gebote
und Verbote. Das „Ich – Ideal“ lenkt den Menschen in soweit, dass er
versucht ist sein „Ich“ dem „Über – Ich“ seiner Bezugspersonen
(Vorbildfunktion) nach zu streben. Dies hat einen bedeutenden Einfluss auf
das Verhalten eines Menschen. Grob gesagt ist das „Über – Ich“ und das „Ich
– Ideal“ das menschliche „Gewissen“9

9
Schulte/Tölle: Psychiatrie (4. Aufl.) Heidelberg 1977. (Im Folgenden zitiert als:
„Schulte/Tölle“.) S. 30

-8-
VI. Trauer, Melancholie, Manie und
Depressionen.10

Freud beschäftigte sich mit der Frage, wie die Kultur den Destruktionstrieb
kontrollieren könne. Er ging davon aus, dass dies mittels der Introjektion
geschehen könne. Die Aggressionen richten sich nicht nach außen, sondern
nach innen, gegen das eigene Ich. Nach Freud können Aggressionen in zwei
Richtungen gehen. Zum eine der Todestrieb, der ursprünglich gegen das
Individuum selbst gerichtet ist, zum anderen der Sexualtrieb.

VI. 1. Melancholie /Depression


Melancholie kommt aus dem Griechischen (melas) bedeutet schwarz und
(Cholos) Galle. Jeder Mensch kennt in seinem Leben Zeiten, in denen es ihm
nicht gut geht. Jedoch handelt es sich meistens nicht um Depressionen. Nur
ca. 5% der Männer und 10% der Frauen durchleiden in ihrem Leben einen
Zustand der auch wirklich als depressiv betrachtet werden kann. Oft ist
Melancholie mit psychischen Problemen verbunden. In der
psychoanalytischen Auffassung geht man davon aus, dass ein unbewusster
Konflikt mit Trauer und Verzweiflung einhergehen.11
Zu den häufigste Symptomen der Melancholie zählen (nach Robins und Guze,
1970)12:
1. Traurige, apathische Stimmung (Dysphorie)
2. Negatives Selbstbild (Selbsttadel, Selbstvorwürfe)
3. Der Wunsch sich zu verbergen, anderen fern zu
beleiben.
4. Schlaf- und Appetitmangel und Verlust des sexuellen
Begehrens, manchmal auch die Tendenz abnorm zu
schlafen.
5. Immer wiederkehrende Todes- oder Suizidgedanken.

10
Freud, Sigmund: Trauer und Melancholie, in: Freud, Sigmund: Studienausgabe Bd. 3,
Psychologie des Unbewussten, hrsg. v. Alexander Mitscherlich u. a., 1975. S. 193 ff
11
Davison, Gerald/Neale, John: Klinische Psychologie. Ein Lehrbuch. München 1979. (Im
Folgenden zitiert als: „Davison/Neale“.) S. 193
12
Davison/Neale S. 194

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6. Konzentrationsschwierigkeiten.

Wie gesagt handelt es sich nicht bei jeder depressiven Stimmung sofort um
Depressionen. Es ist schwer zu trennen, was noch normale Traurigkeit und
schon abnorme Depression ist. Sowohl Abrahams (1911) (ein Schüler Freuds)
als auch Freud selber haben versucht den Unterschied zwischen Trauer und
Melancholie zu ergründen. Mit ihrem psychoanalytischen Ansatz betrachten
sie den Narzissmus als den maßgeblichen Unterschied zwischen Trauer und
Melancholie (Depressionen). Die Grundlage der Depression entsteht nach
diesem Ansatz in der frühen Kindheit. Die Bedürfnisse des Kindes werden in
der oralen Phase13 nicht hineichend oder übergebührend befriedigt. Das Baby
bekommt von seiner Mutter die Brust um Nahrung aufzunehmen. Wenn die
Mutter das Kind von der Brust nimmt und es noch Hunger hat, so schreit
dieses. Üblicherweise setzt die Mutter das Kind dann wieder an die Brust und
das Kind kann weiter trinken. Diese kurzzeitigen Frustrationsphase, während

13
(Störung) orale Phase: Im Mittelpunkt des Säuglings stehen die
Triebbefriedigung und der Lustgewinn durch Saugen. Der Mund ist hierbei
das zentrale Organ, daher auch der Begriff „orale Phase“. Neben der
Ernährung ist noch die Gesamte Fürsorge und Liebe zu beachten, die eine
Mutter ihrem Kind entgegen bringt. Verliert ein Kind diese erste
Bezugesperson, sei es durch Tod, räumliche Ferne, Entzug der Zuwendung
oder es fehlt prinzipiell die Möglichkeit einer emotionalen Bindung, so kann
dieses frühe Erlebnis erheblichen psychischen Schaden anrichten. Die
Psychoanalyse nennt dieses einen `primären Objektverlust`. Dieses
Versäumnis in der Entwicklung eines Kindes kann unter Umständen in einer
späteren Entwicklungsphase nicht nachgeholt werden. Jemand, der in der
oralen Phase unbewusst gelernt hat, dass er umsorgt wird und auch wenn er
mal alleine und verzweifelt ist immer noch jemand da ist der ihn liebt sodass
er nie wirklich verlassen ist, kommt auch im späteren Leben mit
Krisensituationen zurecht. Anstelle des Urvertrauen tritt bei einem der in
dieser Phase gestört wurde ein Urmisstrauen. Wenn ein Mensch mit dieser
defizitären Entwicklung in eine Krisensituation gerät, fehlt diesem das
Urvertrauen, das er braucht um diese Situation und die Gefühle abzufangen.
(Schulte/Tölle S. 35 f.)

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das Kind schreit, und die darauf folgende Zuwendung trainiert das Kind. Es
lernt in diesen und ähnlichen Situationen, dass, auch wenn es kurzzeitig
frustriert ist, dennoch alles gut wird. Es ist niemals ganz verloren. Dieses
schafft ein Vertrauen zu seiner Bezugsperson. Dieses Vertrauen löst sich in
der weiteren Entwicklung von der Bezugsperson in eine Allidentität, losgelöst
von einer bestimmten Person. Dieser innere Schatz ist das Urvertrauen. Im
späteren Leben mit einem Objektverlust (Tod) konfrontiert löst sich die
Introjektion von dem geliebten Objekt und er versucht sich das verlorene
Objekt ins Gedächtnis zu rufen. Eine Realisierung des Verlustes ist möglich.
Da das Urvertrauen den Menschen von Innen stützt und ihn wissen lässt, dass
er auch ohne das geliebte Objekt noch lebensfähig und sich selbst genug ist.
Bleibt der Mensch in der oralen Phase stecken und ist weiterhin von der
Triebbefriedigung abhängig, die für diese Phase typisch ist, braucht er immer
die Zuwendung anderer Personen, da das Ich in der oralen Phase nicht
erfahren hat, dass es auch alleine Krisen meistern kann. Das Ich ist in seiner
Selbstachtung immer abhängig von anderen Leuten (so wie es in der oralen
Phase abhängig von der Fürsorgen einer Bezugsperson war).
Im Fall einer Frustration (Objektverlust) im späteren Leben, z.B. Tod einer
geliebten Person, führt diese defizitäre Erfahrung in der oralen Phase zu
Depressionen. Das Urmisstrauen wird bestätigt, oft entsteht ein Hass auf die
Welt gemischt mit Trauer. Depressiv Trauernde hegen oft Schuldgefühle
wegen vermeintlicher Vergehen gegen das verlorene Objekt und Selbsthass.
Dies ist ein Schutz des Ichs, denn aus dem Gefühl Hass („der hat mich
verlassen, ich bin das Opfer“), was ihre negativen Erfahrungen in der frühen
Kindheit bestätigen würde, wird Selbsthass („der hat mich verlassen, weil ich
so böse bin!“) was zwar zu negativen Gefühlen führt, aber auch ein Versuch
ist die Opferrolle zu durchbrechen.

IIX. Fazit:

Als Fazit kann nur noch einmal das wiederholt werden, was ich in der
Einleitung und Punkt II schon hinreichend erwähnt habe.

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Es gibt viele Gründe, warum die Psychoanalyse auch ihren Einzug in die
Geschichtswissenschaften halten könnte. Anhand des Beispieles kann man
sich mit etwas Phantasie überlegen, zu welchen Themen in der
Geschichtsforschung dieses Modell von misslungener Trauerarbeit angewandt
werden kann. Ich denke da z.B. an das Seminar „Trauer in der Geschichte“.
Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt, ist es doch zunächst ein
logischer Schritt sich zunächst einmal mit dem Begriff Trauer zu
beschäftigen. Das Wesen der Trauer ist nicht für jeden auf Abhieb ersichtlich.
Freuds Theorien können helfen diesen Begriff zunächst einmal theoretisch zu
definieren. Ich denke, dass dieser Schritt sehr wichtig ist, will man sich
wirklich allumfassend mit diesem Thema auseinandersetzen und es wirklich
durchdringen. Natürlich ist es notwendig sich nicht nur auf Freud zu stützen.
Da seine Abhandlung schon über sechzig Jahre alt ist, muss man sich darüber
im Klaren sein, dass man auch mit neueren, überarbeiteten Modellen aus der
Psychoanalyse arbeiten muss.
Liest man Freud als Quelle, kann er allerdings Aufschluss darüber geben, wie
in seiner Zeit über den Menschen gedacht worden ist. Auch das ist eine
Möglichkeit Freud zu lesen. Natürlich kann die Psychoanalyse auch auf
andere Themen der Geschichte angewandt werden.
Das große Problem besteht wohl darin, dass ein Historiker natürlich kein
Psychoanalytiker ist und somit vermutlich oft mit der Analyse eines
Sachverhaltes überfordert wird. Zumal die Sache besonders schwierig wird, je
weniger verwertbare Informationen man hat. Als `Randwissenschaft` bzw.
`Hilfswissenschaft` der Geschichtswissenschaft (was nicht wertend gemeint
ist) kann die Psychoanalyse gute dienste Leisten. In der Praxis wären
Historiker aber wohl öfters auf die Hilfe von Wissenschaftlern aus dem
psychologischen Bereich angewiesen. Ein Blick durch die `psychoanalytische
Brille` kann auf jeden Fall das Verständnis von Geschichte, bei allen Grenzen
und Schwierigkeiten, erweitern und bereichern. Einen Versuch ist es allemal
wert.

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IX. Literaturverzeichnis

• Bräutigam, Walter: Reaktionen Neurosen Psychopathien. (4. Aufl.)


Stuttgart 1971.
• Davison, Gerald/Neale, John: Klinische Psychologie. Ein Lehrbuch.
München 1979.
• Freud, Sigmund: Trauer und Melancholie, in: Freud, Sigmund:
Studienausgabe Bd. 3, Psychologie des Unbewussten, hrsg. v.
Alexander Mitscherlich u. a., 1975.
• Lohmann, Hans-Martin: Sigmund Freud – Eine Einführung, Hamburg
2002.
• Schulte/Tölle: Psychiatrie (4. Aufl.) Heidelberg 1977.
• Steden, , Hans-Peter: Psychologie Eine Einführung für soziale Berufe.
Freiburg im Breisgau 1999.
• Storr, Anthony: Freud Freiburg im Breisgau 2004.

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