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Juni 2010 [HENSTEDT – 1JOH 4,16B-21]

ben am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind


1. Es ist Zeit zum wachsen! auch wir in dieser Welt. 18 Furcht ist nicht in der
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die
Vater und dem Herren Jesus Christus. Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe. Wer
sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der
Es ist Zeit zum wachsen! Wie bitte? Ja, es ist Zeit
Liebe. 19 Wir lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.
zum wachsen! Ich weiß nicht, ob sie sich schon ein- 20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst
mal darüber Gedanken gemacht haben, warum die seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen
Kirche zu den Gottesdiensten immer in unterschied- Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott
lichen Farben geschmückt ist. Momentan ist alles lieben, den er nicht sieht. 21 Und dies Gebot haben

ganz in Grün gehalten. Das liegt daran, dass wir uns wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch

momentan in der Trinitatis-Zeit befinden und in der seinen Bruder liebe.

Trinitatis-Zeit ist es Zeit zum wachsen. Die eine Hälf-


2. Was ist Liebe?
te des Kirchenjahres, meistens von Dezember bis
Bei einem ersten Blick auf den Text wird es sofort
knapp Mai ist die Zeit der großen Feste: Advent,
klar, worum es Johannes, der diesen Brief geschrie-
Weihnachten, Passion, Ostern, Himmelfahrt, Pfings-
ben hat, hier geht. Es geht um Liebe. Dreizehn mal
ten, Trinitatis.
kommt das Wort „Liebe“ vor. Da muss man wohl
Doch nun sind wir in der anderen Zeit, in der so un- über Liebe predigen, oder? Aber was ist denn eigent-
endlich scheinenden Kette der Sonntage nach Trini- lich Liebe? Wissen Sie’s? Ich weiß nicht, wie es Ihnen
tatis bis wir dann Mitte November beim geht, aber ich könnte die Frage nicht so einfach be-
zichundzwanzigsten Sonntag nach Trinitatis sind. Für antworten. Liebe, das ist doch dieses Gefühl im
die Kirche ist dieses halbe Jahr eine Zeit des geistli- Bauch. Liebe, die kommt doch in mir auf, wenn ich
chen Wachstums. Deswegen ist alles in Grün gehal- an meine „Lieben“ denken. Liebe, das ist doch das,
ten, in der Farbe des Wachstums. Diese Zeit des was fehlt. Was ist Liebe? Lasst uns doch gemeinsam
Wachstums beginnt heute. Vielleicht ist der heutige dieser Frage in den nächsten Minuten nachgehen
Tag auch für Sie der Anfang einer geistlichen Wachs- und ich hoffe, dass wir heute aus diesem Gottes-
tumszeit. dienst gehen und alle ein wenig besser bescheid
wissen, worum es bei Liebe geht.
Es ist Zeit zum wachsen! Darum lasst uns damit am
Besten gleich beginnen, dort, wo man am Besten Dazu werden wir uns Stück für Stück mit diesem
wachsen kann, an Gottes Wort – der Bibel. Sie fin- Abschnitt aus dem ersten Brief des Johannes be-
den Bibeltext auf dem Zettel, den sie am Eingang schäftigen. Dabei werden wir an drei kleinen Dingen
erhalten haben. Ich lese ihn vor. nicht vorbei kommen, die sie auf dem Zettel abge-
druckt sehen: Der Fußballweltmeisterschaft, einem
16b Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt,
Thron und einer Nervensäge. Alle bereit? Dann kann
der bleibt in Gott und Gott in ihm. 17 Darin ist die
es ja losgehen.
Liebe bei uns vollkommen, dass wir Zuversicht ha-

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3. Gott ist Liebe Euphorie-Welle. Unsere

Im ersten Vers heißt es: Nationalmannschaft


hat es weit gebracht,
Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der
weil in dieser Mann-
bleibt in Gott und Gott in ihm.
schaft ein guter Team-

An diesem Vers habe ich das allererste Mal richtig geist – ein Teamspirit –

verstanden, was Trinität heißt. Trinität? Ich weiß war. Und überall war

nicht, wie es Ihnen damit geht, wenn sie darüber eine besondere Atmo-

nachdenken, dass Gott ein Wesen ist und doch sphäre, ein besonderer Geist spürbar, der die Men-

gleichzeitig drei Personen. Drei Personen und doch schen verbunden hat. Auch bei anderen Veranstal-

eins. Das kann einem doch spanisch vorkommen! tungen ist es so. Auf dem Henstedter Weihnachts-

Haben es andere Religionen nicht viel leichter, die markt weht ein besonderer Geist, der schon fasst

nicht so etwas Komplexes haben wie die Trinität. greifbar ist.

Zum Beispiel der Islam, Moslems haben nur einen


So ähnlich ist das auch bei Gott. Zwischen Vater und
Gott. Und wir? Wir haben die Trinität!
Sohn gibt es auch eine besondere Atmosphäre. In

Aber aufgrund dieser drei Worte – Gott ist Liebe – ihrer Beziehung wirkt ein besonderer Geist der Lie-

finde ich die Trinität absolut genial. Denn zur Liebe be. Nur dieser Geist ist mehr als nur eine Atmosphä-

gehören immer mindestens zwei Personen. Liebe re. Er ist eine Person. Der Heilige Geist ist der perso-

kann nicht bei sich selbst bleiben. Liebe richtet sich nelle Ausdruck der unglaublichen Liebe zwischen

immer auf ein Gegenüber. Und deshalb erzählt uns Gott dem Vater und Gott dem Sohn.

die Bibel davon, dass es einen Vater und einen Sohn


Doch diese Trinität der Liebe kann mit ihrer Liebe
gibt. Und dass die beiden seit Ewigkeiten, vor Anbe-
nicht bei sich bleiben. Sie schafft sich Raum. Und
ginn unserer Zeit eine innige Beziehung der Liebe
deshalb schuf Gott seine Schöpfung, damit sie Teil
zueinander führen. Gott ist Liebe! Keine andere Reli-
seiner Liebesgemeinschaft sein könnte. Und in Gen 1
gion kann das sagen. Aber wir können das sagen,
Vers 26 sagen die drei göttlichen Personen zu sich:
denn wir haben die Trinität! Unser Gott ist ein Gott,
Lasst und Menschen machen! Auch sie sollen teilha-
der seinem Wesen nach Beziehung ist, der von dem
ben an unserer Liebesgemeinschaft.
tiefen Grund seines Herzens Liebe ist. Denn zwi-
schen Vater und Sohn herrscht ein bestimmter Geist. Danach erzählt uns die Bibel eine ganze Reihe von
Geschichten, in welchen der Mensch diese Liebes-
In einer Woche geht die Weltmeisterschaft los. Und
gemeinschaft Schritt um Schritt zerstört. Aber die
wahrscheinlich haben schon viele Frauen Angst um
göttliche Trinität war immer noch überfüllt mit Lie-
ihre Männer, denn wir können den halben Tag Fuß-
be. Und als der richtige Zeitpunkt gekommen war,
ball gucken. Vielleicht erinnert ihr euch noch an die
hielt es den Sohn nicht mehr im Himmel. Er wurde
Weltmeisterschaft in Deutschland vor vier Jahren.
Mensch – das Wort wurde Fleisch und wandelte
Man hatte den Eindruck, durch dieses Land ging eine

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unter uns. Der Sohn wurde Mensch, um uns wieder Und Gott auf dem Thron – Ja,
zurückzuholen in die göttliche Liebesgemeinschaft. wie schaut eigentlich Gott auf
In Jesus zeigt uns Gott, was wahre Liebe ist. Und das dem Thron aus? Lächelt er oder
ist die erste Antwort auf unsere Ausgangsfrage: schaut er grimmig? Stellen sie
„Was ist Liebe?“ Wer herausfinden will, was wahre sich vor, Sie stehen nach ihrem
Liebe ist, der schaut auf Gott und auf die Liebe, die Tod vor dem Richterstuhl Got-
er uns in Jesus gezeigt hat. tes. Was für ein Gefühl haben
sie dabei? Freude? Angst? Ist
4. Furcht und Zuversicht
ihnen etwas mulmig? Sind Sie nervös?
Weiter geht es im Text.
Johannes sagt in unserem Text: Vor dem Richterstuhl
Darin ist die Liebe bei uns vollkommen, dass wir Gottes zeigt sich, was echte Liebe ist. Er sagt: Echte
Zuversicht haben am Tag des Gerichts; denn wie er
Liebe bedeutet, mit Hoffnung und Zuversicht vor
ist, so sind auch wir in dieser Welt. Furcht ist nicht
dem Richterstuhl Gottes zu stehen, weil ich weiß,
in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt
dass Gott mich unendlich liebt. Vor dem Thron Got-
die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe.
tes brauche ich keine Angst zu haben. Echte Liebe
Wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in
der Liebe. kennt keine Furcht. Sie kennt keine Furcht, die Angst
vor einer Strafe hat.
Was ist Liebe? Um diese Frage zu beantworten,
bringt uns Johannes auf eine merkwürdige Spur. Er Vielleicht denken Sie nun: Wenn ich an den Richter-

redet über das, was nach dem Tod passiert am Tag thron Gottes denke, dann habe ich aber ein mulmi-

des Gerichts. Die Bibel redet in allerlei Bildern über ges Gefühl, dann habe ich aber Angst. Ich fürchte

das, was nach dem Tod kommt. Genau wissen wir es mich aber vor Strafe. Erinnert ihr euch noch an die

nicht, aber eine Vorstellung davon haben wir schon. Geschichte, die Heike Kümmritz vorhin vorgelesen
hat? Der Reiche Mann und der arme Lazarus. Der
Wenn wir sterben, dann müssen wir alle vor dem reiche Mann wurde von Gott hart bestraft, in die
Richterthron Gottes erscheinen. Stellen Sie sich ein- Hölle geschickt, weil er mit seinem Reichtum so ego-
mal so einen Thron vor, vielleicht so einen, wie auf istisch umgegangen war. Und wenn wir ehrlich sind,
dem Zettel. Gott sitzt auf dem Thron. Um den Thron dann geben wir Menschen Gott genügend Gründe
herum steht eine große Menschenmasse, alle die um zornig auf uns zu sein. Wir fürchten uns eigent-
gestorben sind. Wenn man sich hier umblickt, dann lich zu Recht vor Gottes Richterthron. Wir fürchten
sieht man, dass die Menschen ganz unterschiedlich uns zurecht vor einer Strafe.
reagieren. Eine alte Frau scheint sich auf das zu freu-
en, was nun kommt. Ein Mann Mitte vierzig schaut Und trotzdem sagt Johannes hier, dass echte Liebe

nur betreten auf den Boden. keine Furcht kennt. Und das hat zwei gute Gründe.
Zum einen: Echte Liebe fürchtet keine Strafe, weil sie
weiß, dass Gott die Strafe schon selbst auf sich ge-

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nommen hat. Nur wenige Verse vor unserem Text Johannes schreibt seinen Brief an eine Gemeinde. In
schreibt Johannes folgendes. Schaut auf den Bea- dieser Gemeinde gab es anscheinend ein Problem.
mer: Da gab es Leute, die auf der einen Seite von der Lie-
be ihrer Gottesbeziehung sprachen, aber auf der
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns,
anderen Seite sehr negative Gefühle gegenüber ih-
dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in
ren Mitchristen entwickelt hatten. Oder wie Johan-
die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin
nes es sagt: die Gott lieben und ihren Bruder hassen.
besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt ha-
ben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt Seid ihr nicht auch froh, dass wir in unserer Gemein-

seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden de solche Probleme nicht haben?

Jesus Christus hat am Kreuz von Golgatha unsere Vielleicht denken Sie jetzt. Nein, jemanden, den ich

Strafe auf sich genommen und unserer Furcht die hasse, gibt es in unserer Gemeinde nicht. Ok, aber

Zähne gezogen. Und dann heißt es in unserem Text: dann frage ich einmal anders. Gibt es in dieser Ge-

Die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Gottes meinde jemanden, der Sie so richtig auf die Palme

Liebe ist stärker als unsere Furcht. In unserem Text bringt? Oder mit dem Bild auf dem Handzettel: Wer

sagt Johannes: Die vollkommene Liebe treibt die ist Ihre Nervensäge? Fällt Ihnen da jemand ein?

Furcht aus. Habe keine Angst, dass Gott dich raus-


Ist es vielleicht der, der beim Kirchenkaffe immer so
schmeißen wird, wenn Du vor ihm stehst. Aber Dei-
unangenehm laut
ne Furcht, die schmeißt Gott raus. Die hat dort nichts
spricht und ich mir
mehr verloren. Gottes Liebe ist stärker, sie treibt
seinen Vortag
unsere Furcht aus.
anhören muss, ob

Was ist Liebe? Liebe heißt: Ich habe Hoffnung und ich will oder nicht.

keine Furcht, weil ich weiß, dass Gottes Liebe stärker Ist es vielleicht die, die auf Gemeindefesten immer

ist. schweigsam daneben steht und mit ihren herunter-


gezogenen Mundwinkeln die ganze Stimmung ver-
5. Liebe und mein Bruder miest. Ist es vielleicht der, der im Hauskreis immer
Lasst uns nun den Rest unseres Textes anschauen. die dummen Fragen stellt, dass ich nur die Augen
Hier heißt es: verdrehen kann. Oder ist es vielleicht die, die in je-
dem Gespräch so ein arrogant-überlegendes Lächeln
Wir lieben, denn er hat uns zuerst geliebt. Wenn
aufsetzt. Ist es vielleicht jemand, der sie verletzt
jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen
Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder oder enttäuscht hat? Vielleicht regt sich da schon

nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, das, wovon Johannes schreibt: Hass.
den er nicht sieht. Und dies Gebot haben wir von
Johannes ist an dieser Stelle glasklar. Er sagt uns
ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bru-
einen Satz entgegen: „Du bist ein Lügner!“ Ich? Ja. Er
der liebe.
sagt: Du liebst Gott nicht. Du kannst ihn gar nicht

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lieben, wenn Du gleichzeitig Deine Mittchristen so Deshalb lasst und in Gottes Liebe bleiben. Aber wie
links liegen lässt. Mit Gedanken, Worten und Wer- geht das – in Gottes Liebe bleiben? Wie das geht? Es
ken. Und Johannes unterstreicht das noch einmal. Er ist ja Zeit zum wachsen! Gott redet mit uns durch die
sagt: „Das ist nicht meine Privatmeinung. Das ist ein Bibel. Deshalb haben wir den Text heute für Sie ab-
Gebot, dass Jesus uns selbst gegeben hat. Liebe Gott gedruckt. Vielleicht nehmen sie den Zettel mit nach
und liebe deinen Nächsten.“ Hause und schauen die nächste Woche über immer
mal wieder drauf. Vielleicht sagt Gott ihnen etwas
Ich denke nicht, dass Johannes uns hier zu einem
dadurch. Lässt ihnen ein Licht aufgehen, zeigt ihnen
Gutmenschentum auffordert. Wir müssen uns nicht
etwas von seiner Liebe. Also legen sie den Zettel
anstrengen ein Gefühl der Liebe zu produzieren, für
doch zu Hause irgendwo hin, wo sie mal kurz
die Leute, mit denen wir nicht klar kommen. Aber
draufschauen können. Sie könnten ihn an den Kühl-
was dann?
schrank hängen und mal draufschauen, während
Wir müssen kein Gefühl der Liebe künstlich produ- morgens gerade der Kaffe kocht. Oder sie werfen
zieren, weil Liebe eigentlich etwas ganz anderes ist. einen kurzen Blick darauf, während sie Abends die
Johannes sagt in unserem Text: Wir lieben, denn er Zähne putzen.
hat uns zuerst geliebt. Gott ist im Kern seines We-
Gott ist Liebe und wer in der Liebe bleibt der bleibt
sens Liebe und er zieht alles in seine Liebe hinein,
in Gott und Gott in ihm. Es ist Zeit zum wachsen!
auch Dich – gerade Dich! Sie macht nicht Halt vor
einer Nervensäge wie mir und Dir. Sie verändert Und der Friede Gottes, der höher ist als alle mensch-
unsere Augen und lässt uns den anderen mit seinen liche Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in
Augen sehen. Christus Jesus unserem Herrn.

6. Bündelung Amen.

Nun bleibt am Ende die Frage: Was ist Liebe? Erstens


Fußballweltmeisterschaft. Wenn in einer Woche der
Ball rollt und so ein euphorischer Geist weht, dann
denke daran, bei Gott weht auch ein bestimmter
Geist. Es ist der der Liebe, weil Gott seinem Wesen
nach Liebe ist. Zweitens ein Thron. Vom Thron aus
lächelt Gott mir entgegen. Liebe heißt: Ich habe
Hoffnung und keine Furcht, weil ich weiß, dass Got-
tes Liebe stärker ist. Drittens eine Nervensäge: Got-
tes Liebe in meinem Herzen lässt mich die Nervensä-
gen meines Lebens mit anderen Augen sehen.

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