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Die Musik Verdis und Puccinis – wie unterscheiden sie sich sänge-
risch, interpretatorisch voneinander?
Die Musik Verdis stellt sich für mich wie eine Radiographie/Röntgenauf-
nahme dar. Die Sänger formen die Melodie, die Linie. Sie kreieren die Ge-
schmeidigkeit einer Phrase und färben die Stimmung des Gesungenen
ein. Bei Puccini ist alles ineinander verwobener, das Orchester richtet sich
nach dem Sänger, es verdoppelt ihn quasi. Puccini können Viele singen.
Verdi erfordert ein großes technisches, gestalterisches Können.
Aber die Damen mögen das, sie lieben ihn, beten ihn an für seinen
miesen Charakter!
Ja, für mich ist er aber ein armseliger Wicht, der die schönsten Arien
singt!
Eine ebenso starke Figur, mit der Sie bald debütieren und die Sie bei
Ihrer Rückkehr nach Frankfurt darstellen, ist der Otello.
Ja, der Otello ist auch eine getriebene, kranke Person. In ihm lauern viele
Abgründe. Er beherbergt kontrastreiche Emotionen, vor allem unzählig
unkontrollierte. Im Grunde (ver)traut er nicht einmal sich selbst. Er ist
schwarz, lebt in Venedig als Ausländer. Otello füllt eine besondere Macht-
position aus, er liebt eine weiße, schöne Frau. Und, natürlich hat er Feinde.
Ich möchte Otellos Licht- und Schattenseiten darstellen, ihn in all seinen
Facetten aufzeigen. Spannend ist zu sehen, von wem er beeinflusst, mani-
puliert wird. Jeder drängt ihn, Entscheidungen zu treffen, schubst ihn mal
da, mal dort hin. Dann kommt es zur Katastrophe. Seine wahre Tragik ist
sein mangelndes Selbstvertrauen.
Mögen Sie lieber die Liebe oder die Verbrechen in der Oper?
Lieber die Verbrechen (lacht), die düsteren, tiefen Abgründe, die in der Seele
der Menschen rumoren geben/gaben immer einen herrlichen Opernstoff
her. Il Tabarro oder auch Madama Butterfly sind für mich schaurig-dunkle
Opern.
Im Bajazzo z.B. (leider habe ich ihn noch nicht gesungen) wird der Titelheld
von seiner Ehefrau schändlich betrogen und wird aus dem Affekt zum Kri-
minellen. Man versteht ihn...
...und Cavaradossi?
Der ist vor allem ein Patriot mit ungebändigtem Kampfgeist und sehr ver-
liebt in Floria Tosca. Er stirbt für sie und aus Liebe zum Vaterland. Cavaradossi
Carlo Ventre privat und als Don José mit Nora Sourouzian als Carmen
in Lausanne (Fotos CV)
verkörpert den italienischen Freiheitsgedanken. Er ist ein reifer Mann, der die
Liebe und zugleich die Kampfeslust in den Adern spürt.
Welche Opern würden Sie gerne singen und welche singen Sie gerne?
Otello natürlich. Den Grieux in der Manon Lescaut, die Rolle singe ich sehr bald
in Hamburg. Der Don Giovanni wäre fantastisch, für den hege ich eine große
Liebe, auch wenn ich ihn nicht singe. Mozart ist ein Genie. Ich habe noch nie
Mozart gesungen.