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ISBN 3-939191-00-0
978-3-939191-00-1
Warda Publikationen
Abd al-Hafidh Wentzel
Kroellchesgasse 3
D-53940 Hellenthal
www.warda.info
Die Ausgangsfrage
Auszug aus einem Schreiben
der Gruppierung “al-Muhajiroun”
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E
Vorwort des Übersetzers
Aller Lobpreis gebührt unserem all-erhabenen Schöpfer. Mögen Sein
Segen und Friede auf Seinem auserwählten Gesandten, unserem Meister
Muḥammad, sein, und ebenso auf dessen Familie und Gefährten und
allen, die ihm bis zum Jüngsten Tage auf dem Weg der Rechtleitung
nachfolgen.
Lieber Leser, liebe Leserin,
bei der hier vorliegenden Abhandlung handelt es sich um ein islami-
sches Rechtsgutachten (fatwā) entsprechend der schāfiʿītischen Rechts-
schule, einer der vier anerkannten sunnitischen Schulen des klassischen
Islam. Der Verfasser dieses Gutachtens ist ein qualifizierter islamischer
Rechtswissenschaler (faqīh), der unter der Anleitung authorisierter
Lehrer eine traditionelle Ausbildung in den verschiedenen Bereichen
islamischer Jurisprudenz genossen hat. Scheikh Muhammad Afifi al-
Akiti hat in seiner Heimat Malaysia, sowie im Osten der Insel Java, die
zu Indonesien gehört, ein klassisches Curriculum der islamischen Wis-
senschaen absolviert und anschließend unter Anleitung verschiedener
Scheikhs seine Ausbildung fortgesetzt. Zu seinen Lehrern gehören unter
anderem Scheikh Muḥammad Yāsīn al-Fadānī, Scheikh Ibn Maḥfūẓ al-
Ḥajīnī, Scheikh Ibn Aschmūnī al-Jarūnī sowie Ḥabīb ʿAydarūṣ al-
Ḥabschī. Zur Zeit ist Scheikh al-Akiti Forschungsstipendiat auf dem
Fachgebiet Islamische eologie und Philosophie am Zentrum für
Islamstudien in Oxford, wo er an einem Doktorat über ein bisher
unveröffentlichtes arabisches Manuskript Imām al-Ghazālīs arbeitet.
Scheikh al-Akitis vorliegende Schri unter dem etwas unhandlichen
aber dafür um so aussagekräigeren Titel Verteidigung der Unterdrück-
ten durch Zurechtweisung der Rücksichtslosen, die Zivilisten töten unter-
scheidet sich in ihrem Inhalt wesentlich von anderen Veröffentlichungen
zu diesem emenkreis. Zum einen durch eine detaillierte Präsentation
und Analyse der Positionen klassischen Gelehrtentums – mit ausführ-
lichen Zitaten der entsprechenden Quellen – zum anderen durch einen
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
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A Einleitung
Im Namen Gottes, des All-Gnädigen, des All-Barmherzigen
Verehrter Leser, Friede sei mit denen, die der Rechtleitung folgen!
Es ist mir eine Ehre, hier unter dem Titel Verteidigung der Unterdrückten
durch Zurechtweisung der Rücksichtslosen, die Zivilisten töten die folgende
Fatwā oder „Erwiderung eines qualifizierten muslimischen Gelehrten“
gegen die Tötung von Zivilisten aus der Feder des in Oxford lebenden
malaysischen Juristen der schāfiʿītischen Rechtsschule, meines unschätz-
baren Lehrers, Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti, zu präsentieren.
Der Scheikh verfaßte diese Fatwā innerhalb weniger Tage, nachdem
ich ihn um Rat bezüglich der Frage von Angriffen gegen Zivilisten und
zivile Ziele durch Selbstmordkommandos gebeten hatte, als Antwort auf
das Pseudo-Fatwā einer in Großbritannien ansäßigen abweichlerischen
Gruppierung, die derartige Verbrechen befürwortet.
Bei der Lektüre von Scheikh Afifis Fatwā werden Sie feststellen, daß
Sie wahrscheinlich noch nie einer derartigen Klarheit der Gedanken
und des Ausdrucks gepaart mit derart umfassenden Kenntnissen des
islamischen Rechts, angewandt auf die Definition der grundlegenden
Konzepte des Islam in Bezug auf die Kriegsführung, die mit ihr ver-
bundene Rechtsprechung, ihre Schauplätze und Grenzen, Selbstmord-
attentate und rücksichtslose Angriffe auf Zivilisten, begegnet sind.
Möge dies der Vorreiter bei der Erziehung zum wahren Verständnis
der makellosen, in diametralem Gegensatz zu jeder Art von Terrorismus
stehenden, Haltung des Islam sein – in Erwartung des Tages, an dem
sich alle derartiger Verbrechen Schuldigen vor dem Recht verantworten
werden müssen.
Verehrter muslimischer Leser, as-Salāmu ʿalaykum wa-raḥmatuLlāh:
Lies diese strahlende Fatwā von Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti sorg-
fältig und lerne ihren Inhalt. Verteile sie, mache sie öffentlich bekannt
und lehre sie. Vielleicht werden wir auf diese Weise zum Kreise derer
gezählt, die das Üble abwenden – nicht nur in unseren Herzen, wie wir
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
es ja immer tun, sondern auch mit unserer Zunge, gemäß dem Vorbild
der inspirierten Lehrer und Prediger der Wahrheit.
Ich habe versucht, das Leitmotiv dieser Fatwā in ein paar Zeilen
freien Verses wiederzugeben, zuallererst, um meiner Dankbarkeit gegen-
über meinem Lehrer Ausdruck zu verleihen, darüber hinaus jedoch
auch, um die lang ersehnte Gelegenheit wahrzunehmen, mich selbst
wieder an jene Gründe zu erinnern, die mich einst bewogen haben, den
Islam anzunehmen.
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TAQRĪẒ – EINE BESCHEIDENE EMPFEHLUNG:
Lobpreis sei Gott, Dessen Gesetz heller strahlt als die Sonne!
Segen und Friede auf ihm, der zur Heimstatt des Friedens führt!
Die Wahrheit stellt die Ehre der Religion der Tugend her.
Geduldiges Standhalten verleiht Unterdrückten erhabenen Rang,
während ruchlose Gewalt Gleichgesinnte entfremdet:
Die unschuldigen Opfer auf der einen, auf der anderen Seite
silberzüngige Teufel und Wölfe, die sich als Rechtschaffene ausgeben!
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
Mit Scheikh Afifis Zustimmung habe ich mir erlaubt, an einigen Stellen
Stil, Orthographie oder Zeichensetzung zu überarbeiten, Angleichungen
der Abstände zwischen den Abschnitten vorgenommen, Übersetzungen
arabischer Bittgebete und Anführungszeichen hinzugefügt und derglei-
chen mehr.
Darüber hinaus habe ich ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis
derjenigen arabischen Fachbegriffe, die der Scheikh im Text selbst nicht
erklärt hat, vorangestellt.
Möge Allāh Subḥānahu wa-Taʿālā Scheikh Muhammad Afifi in dieser
Welt und im Jenseits Seinen Schutz gewähren. Möge Er ihn und seine
Lehrer für dieses gesegnete Werk belohnen und uns dessen dringend
notwendige Wohltaten zuteil werden lassen, wozu nicht zuletzt die
Wiederherstellung unserer diesseitigen und jenseitigen Sicherheit, so-
wohl in Bezug auf unser Handeln als auch unseren Glauben zählt.
Segen und Friede seien auf dem Propheten, seiner Familie und all
seinen Gefährten, wal-Ḥamdu liLlāhi Rabb al-ʿĀlamīn.
G.F. Haddad
Am Tage des Jumuʿa nach dem ʿAṣr
1. Rajab al-Ḥaram 1426
5. August 2005
Darussalam, Brunei
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Fremdwörterverzeichnis
Ahl = [1] Leute; [2] qualifizierte Anhänger oder Praktizierende
ʿAql = Intellekt, Verstand
Aḥādīth al-Aḥkām = Ḥadīthe, die als Beleg-Texte rechtlicher Bestimmungen
dienen
ʿAmal = Handlung, Tat
Aṣl = siehe Uṣūl
Āyāt al-Aḥkām = Qur’ānverse, die als Beleg-Texte rechtlicher Bestimmungen
dienen
Bāb = Kapitel oder legaler Fragenkomplex
Banū Ādam = Kinder Ādams, menschliche Wesen
Ḍābiṭ = siehe Ḍawābiṭ
Ḍarūra = Notwendigkeit
Ḍawābiṭ = pl. von Ḍābiṭ = Standard oder Grundregel
Doctor Angelicus = „Der Engelsgelehrte“, Titel des omas Aquinas, des großen
eologen der Westkirche
Dāʿī = Rufer oder Prediger
Dunyā = diese Welt, das Diesseits, das diesseitige Leben
Fā’ida = Nutzen
Faqīh = siehe Fiqh
Farḍ ʿayn = persönliche, individuelle Pflicht
Farḍ kifāya = Pflicht der Gemeinscha
farʿī = adj. von Farʿ, siehe Furūʿ
Faṣl = siehe Fuṣūl
Fatwā = Rechtsgutachten, juristische Antwort
Fiqh = islamische Rechtswissenscha, Fachgebiet des Faqīh; adj. fiqhī = juristisch
Fitna = Unfriede, Versuchung, Verführung, Irreführung, Chaos, Prüfung und
Heimsuchung
Fiṭra = gesund an Verstand und Seele, ursprüngliche natürliche Veranlagung
Fuqahā’ = pl. von Faqīh (siehe Fiqh)
Furūʿ = pl. of Farʿ, [1] Zweige (des Gesetzes), sekundäre juristische Texte;
[2] Folgesätze, Schlußfolgerungen, gefolgerte juristische Grundsätze
Fuṣūl = pl. von Faṣl = Abschnitte, rechtliche Einzelheiten oder Details
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
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FREMDWÖRTERVERZEICHNIS
Muḥaqqiq = „Der sorgfältige Prüfer“, Titel des Imām al-Kurdī, eines der letzten
großen Gelehrten der schāfiʿītischen Rechtsschule
Mujāhid = einer der Jihād ausübt (s.o.)
Mukallaf = juristisch verantworlicher/zurechnungsfähiger Muslim
Muschāraka = auf Gegenseitigkeit oder Wechselseitigkeit beruhende
Angelegenheit
Nafs = Ego, Selbst
Nasīḥa = gewissenhaer, aufrichtiger Rat
Qaḍāyā = pl. vonQaḍiyya = juristischer Fall oder Zusammenhang
Qāḍī = Richter an einem islamischen Gericht
Qāʿida = siehe Qawāʿid
Qātil Nafsah = Selbstmörder
Qawāʿid = pl. von Qāʿida = Maxime oder juristisches Prinzip
Qaul = juristische Aussage oder Standpunkt
Qitāl = Krieg, Schlacht
Sabab al-Wujūd = Daseinsgrund, Existenzberechtigung
Ṣabr = Geduld, Standhaigkeit
Ṣaḥābī = Gefährte des Propheten Muḥammad – Allāh segne ihn und schenke
ihm Frieden
Salaf = die rechtschaffenen Altvorderen, frühe Autoritäten
Schahīd, pl. Schuhadā’ = ein sich selbst opfernder Gläubiger, der sein Leben für
Gott hingibt, „Märtyrer“
scharʿī = Adj. rechtmäßig entsprechend der Scharīʿa, dem Gesetz entsprechend
Siyar = militärische Expeditionen
Sunna = Weg, Pfad
Sūra = Kapitel des Qur’ān
Tābiʿī = Nachfolger der Gefährten
Tafakkur = Nachdenken
Tafṣīl = detaillierte juristische Diskussion
Tahluka = Selbstzerstörung
Taghrīr bil-Nafs = sein Leben riskieren
Ṭāghūt = Götzen
Tatimma = Schlußfolgerung
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
Tawakkul = Gottvertrauen
awābit = pl. von ābit = Axiom
Umma = die Gemeinscha der Muslime
Uṣūl = pl. von Aṣl = Grundprinzip, Adj. usūlī
Wahm = Einbildung, Illusion
Wasā’il = pl. von Wasīla, Mittel, Hilfsmittel
Wasīla = siehe Wasā’il
Ẓulm = Unterdrückung, Tyrannei
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Verteidigung der Unterdrückten durch
Zurechtweisung der Rücksichtslosen
die Zivilisten töten
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Scheikh Muhammad Afifi al-Akitis Fatwā
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SCHEIKH MUHAMMAD AFIFI AL-AKITIS FATWA
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VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN
der etwas anderes glaubt und meint, es handele sich bei dem oben
beschriebenen Sachverhalt nicht um ein Verbrechen, wäre sowohl in
fahrlässiger Weise rücksichtslos [muhmil] als auch verblendet
[maghrūr]. Er würde dabei – ganz gleich, ob ihm dies bewußt ist
oder nicht – durch sein Verhalten jene Bestimmungen unseres Geset-
zes zweckentfremden, die für die reguläre (oder ermächtigte) Streit-
macht eines muslimischen Staates gelten und an diejenigen gerichtet
sind, die in diesem die Herrschasgewalt ausüben (wie die Führer
der Exekutive, militärische Befehlshaber und dergleichen), nicht
jedoch an Einzelne, die weder dem Miltär noch der politischen Füh-
rung eines Staates [daula] angehören.
Das Ergebnis ist, nach den Regeln der islamischen Jurisprudenz: Wenn
ein Muslim aus freien Stücken einen derartigen Angriff ausführt, wird
er damit zum Mörder und keinesfalls zu einem Märtyrer oder Helden;
und er wird im Jenseits dafür entsprechend bestra werden.
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