Sie sind auf Seite 1von 24

o

Scheikh Muhammad Afifi Al-Akiti

Verbot VOn Angriffen


Auf Zivilisten

Verteidigung Der Unterdrückten Durch


Zurechtweisung
Der Rücksichtslosen
Die Zivilisten Töten
[Mudāfiʿ al-Maẓlūm bi-Radd al-Muhāmil
ʿalā Qitāl Man Lā Yuqātil]

Fatwa Gegen Angriffe Auf Zivilisten

Mit Einer Einleitung Von


Scheikh Gibril Haddad
Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti
Verbot von Angriffen auf Zivilisten
Verteidigung der Unterdrückten durch
Zurechtweisung der Rücksichtslosen
die Zivilisten töten
[Mudāfiʿ al-Maẓlūm bi-Radd al-
Muhāmil ʿalā Qitāl Man Lā Yuqātil]
Fatwa gegen Angriffe auf Zivilisten
Mit einer Einleitung von
Scheikh Gibril Haddad

ISBN 3-939191-00-0
978-3-939191-00-1

Alle Rechte, einschließlich des auszugsweisen Nachdrucks, der


photomechanischen Wiedergabe und Übersetzung, vorbehalten.
Englischer Originaltext
© 2005 Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti
Deutsche Übersetzung:
© 2006 Abd al-Hafidh Wentzel

Warda Publikationen
Abd al-Hafidh Wentzel
Kroellchesgasse 3
D-53940 Hellenthal
www.warda.info

Satz: Abd al-Hafidh Wentzel


Cover: LR Design, Ludwigshafen
Druck: Erkam Druckerei, Istanbul
INHALTSVERZEICHNIS

VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

Vorwort des Übersetzers 


Einleitung von Scheikh Gibril Haddad 
Fremdwörterverzeichnis 

Verteidigung der Unterdrückten durch Zurechtweisung der


Rücksichtslosen die Zivilisten töten 

Die Ausgangsfrage 
Auszug aus einem Schreiben
der Gruppierung “al-Muhajiroun” 

Scheikh Muhammad Afifi al-Akitis Fatwā 


Faṣl I. Das Angriffsziel: Maqtūl 
Faṣl II. Die Autorität: Āmir al-Qitāl 
Faṣl III. Die Methode: Maqtūl bih 
Ḥāṣil 
Masā’il Mufaṣṣala 
Tatimma 
Ausgewählte Bibliographie 

7
E
Vorwort des Übersetzers
Aller Lobpreis gebührt unserem all-erhabenen Schöpfer. Mögen Sein
Segen und Friede auf Seinem auserwählten Gesandten, unserem Meister
Muḥammad, sein, und ebenso auf dessen Familie und Gefährten und
allen, die ihm bis zum Jüngsten Tage auf dem Weg der Rechtleitung
nachfolgen.
Lieber Leser, liebe Leserin,
bei der hier vorliegenden Abhandlung handelt es sich um ein islami-
sches Rechtsgutachten (fatwā) entsprechend der schāfiʿītischen Rechts-
schule, einer der vier anerkannten sunnitischen Schulen des klassischen
Islam. Der Verfasser dieses Gutachtens ist ein qualifizierter islamischer
Rechtswissenschaler (faqīh), der unter der Anleitung authorisierter
Lehrer eine traditionelle Ausbildung in den verschiedenen Bereichen
islamischer Jurisprudenz genossen hat. Scheikh Muhammad Afifi al-
Akiti hat in seiner Heimat Malaysia, sowie im Osten der Insel Java, die
zu Indonesien gehört, ein klassisches Curriculum der islamischen Wis-
senschaen absolviert und anschließend unter Anleitung verschiedener
Scheikhs seine Ausbildung fortgesetzt. Zu seinen Lehrern gehören unter
anderem Scheikh Muḥammad Yāsīn al-Fadānī, Scheikh Ibn Maḥfūẓ al-
Ḥajīnī, Scheikh Ibn Aschmūnī al-Jarūnī sowie Ḥabīb ʿAydarūṣ al-
Ḥabschī. Zur Zeit ist Scheikh al-Akiti Forschungsstipendiat auf dem
Fachgebiet Islamische eologie und Philosophie am Zentrum für
Islamstudien in Oxford, wo er an einem Doktorat über ein bisher
unveröffentlichtes arabisches Manuskript Imām al-Ghazālīs arbeitet.
Scheikh al-Akitis vorliegende Schri unter dem etwas unhandlichen
aber dafür um so aussagekräigeren Titel Verteidigung der Unterdrück-
ten durch Zurechtweisung der Rücksichtslosen, die Zivilisten töten unter-
scheidet sich in ihrem Inhalt wesentlich von anderen Veröffentlichungen
zu diesem emenkreis. Zum einen durch eine detaillierte Präsentation
und Analyse der Positionen klassischen Gelehrtentums – mit ausführ-
lichen Zitaten der entsprechenden Quellen – zum anderen durch einen

9
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

stets präsenten Bezug zu den Fragen der Gegenwart. Dabei verlangt


Scheikh al-Akiti dem Leser die Mühe ab, sich mit der Terminologie
klassischer islamischer Rechtswissenschaen vertraut zu machen. Der
ursprünglich auf Englisch verfaßte Text wimmelt nur so von arabischen
Fachausdrücken, die der Autor ganz offensichtlich bewußt beibehalten
hat. In meiner Übersetzung habe ich mich bemüht, zum besseren Ver-
ständnis an den Stellen, wo dies problemlos möglich schien, die juristi-
schen Termini durch deutsche Begriffe zu ersetzen und die arabischen
in Klammern hintanzustellen. Dennoch: diese Fatwā ist und bleibt ein
juristischer Text. Das bedeutet für den Laien, daß er ausgiebig von
Scheikh Gibril Haddads dankenswerterweise vorangestelltem Fremd-
wörterverzeichnis Gebrauch machen sollte. Außerdem erachte ich es für
ratsam, einzelne Abschnitte – oder besser noch die ganze Schri –
mehrfach zu lesen, um wirklich alle Details und Feinheiten des Dis-
kurses zu erfassen. Der aufmerksame Leser wird dabei feststellen, daß
Scheikh al-Akitis Abhandlung so gut wie keine der immer wieder ge-
stellten Fragen zu diesem emenkomplex unbeantwortet läßt.
Mein Dank gilt all jenen, die bei der Bearbeitung dieser Schri mitge-
wirkt haben, speziell Ḥajjī Abū Bakr Heyn, sowie dem Verfasser selbst,
für ihre wertvollen Korrekturvorschläge.
In der Hoffnung, daß dieses Werk als aufrichtiger Beitrag zum rech-
ten Verständnis Seiner erhabenen Religion angenommen werden möge,
bitte ich Allāh, den Allmächtigen, um Seinen Segen und Erfolg für dieses
Unterfangen.

Abd al-Hafidh Wentzel


4. Safar al-Khayr 1427
4. März 2006
Damaskus

10
A Einleitung
Im Namen Gottes, des All-Gnädigen, des All-Barmherzigen
Verehrter Leser, Friede sei mit denen, die der Rechtleitung folgen!
Es ist mir eine Ehre, hier unter dem Titel Verteidigung der Unterdrückten
durch Zurechtweisung der Rücksichtslosen, die Zivilisten töten die folgende
Fatwā oder „Erwiderung eines qualifizierten muslimischen Gelehrten“
gegen die Tötung von Zivilisten aus der Feder des in Oxford lebenden
malaysischen Juristen der schāfiʿītischen Rechtsschule, meines unschätz-
baren Lehrers, Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti, zu präsentieren.
Der Scheikh verfaßte diese Fatwā innerhalb weniger Tage, nachdem
ich ihn um Rat bezüglich der Frage von Angriffen gegen Zivilisten und
zivile Ziele durch Selbstmordkommandos gebeten hatte, als Antwort auf
das Pseudo-Fatwā einer in Großbritannien ansäßigen abweichlerischen
Gruppierung, die derartige Verbrechen befürwortet.
Bei der Lektüre von Scheikh Afifis Fatwā werden Sie feststellen, daß
Sie wahrscheinlich noch nie einer derartigen Klarheit der Gedanken
und des Ausdrucks gepaart mit derart umfassenden Kenntnissen des
islamischen Rechts, angewandt auf die Definition der grundlegenden
Konzepte des Islam in Bezug auf die Kriegsführung, die mit ihr ver-
bundene Rechtsprechung, ihre Schauplätze und Grenzen, Selbstmord-
attentate und rücksichtslose Angriffe auf Zivilisten, begegnet sind.
Möge dies der Vorreiter bei der Erziehung zum wahren Verständnis
der makellosen, in diametralem Gegensatz zu jeder Art von Terrorismus
stehenden, Haltung des Islam sein – in Erwartung des Tages, an dem
sich alle derartiger Verbrechen Schuldigen vor dem Recht verantworten
werden müssen.
Verehrter muslimischer Leser, as-Salāmu ʿalaykum wa-raḥmatuLlāh:
Lies diese strahlende Fatwā von Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti sorg-
fältig und lerne ihren Inhalt. Verteile sie, mache sie öffentlich bekannt
und lehre sie. Vielleicht werden wir auf diese Weise zum Kreise derer
gezählt, die das Üble abwenden – nicht nur in unseren Herzen, wie wir

11
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

es ja immer tun, sondern auch mit unserer Zunge, gemäß dem Vorbild
der inspirierten Lehrer und Prediger der Wahrheit.
Ich habe versucht, das Leitmotiv dieser Fatwā in ein paar Zeilen
freien Verses wiederzugeben, zuallererst, um meiner Dankbarkeit gegen-
über meinem Lehrer Ausdruck zu verleihen, darüber hinaus jedoch
auch, um die lang ersehnte Gelegenheit wahrzunehmen, mich selbst
wieder an jene Gründe zu erinnern, die mich einst bewogen haben, den
Islam anzunehmen.

12
TAQRĪẒ – EINE BESCHEIDENE EMPFEHLUNG:
Lobpreis sei Gott, Dessen Gesetz heller strahlt als die Sonne!
Segen und Friede auf ihm, der zur Heimstatt des Friedens führt!
Die Wahrheit stellt die Ehre der Religion der Tugend her.
Geduldiges Standhalten verleiht Unterdrückten erhabenen Rang,
während ruchlose Gewalt Gleichgesinnte entfremdet:
Die unschuldigen Opfer auf der einen, auf der anderen Seite
silberzüngige Teufel und Wölfe, die sich als Rechtschaffene ausgeben!

Mein Gott, ich danke Dir für einen Lehrer,


den Du mit Worten des Lichts inspiriert hast,
auf daß er die Advokaten des Dajjāl in die Knie zwinge.

Allāh segne Dich, Ustādh Afifi, für die Verteidigung


der Unterdrückten durch Zurechtweisung
der Rücksichtslosen, die Zivilisten töten!
Mögen die betreffenden Mächte, und jeder Handelnde
und Sprecher, ganz gleich welchen Ranges, diese einzigartige
Fatwā voller Wissen und Verantwortung beherzigen.
Laßt jeden Wahrheitsliebenden, aufs Neue und voller Stolz, verkünden,
was Kriegstreiber unter Lügen und Bomben zu begraben trachten:
Islam ist nichts als Friede und Wahrheit,
die Herrscha von Gesetz, Recht und Gerechtigkeit!

Mörderischer Selbstmord ist nie Märtyrertum, sondern Perversion,


ebenso wie keine Flagge je Unterdrückung rechtfertigen kann.
Möge Gott uns bewahren, vor allen Verbrechern, Ost und West!

13
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

Mit Scheikh Afifis Zustimmung habe ich mir erlaubt, an einigen Stellen
Stil, Orthographie oder Zeichensetzung zu überarbeiten, Angleichungen
der Abstände zwischen den Abschnitten vorgenommen, Übersetzungen
arabischer Bittgebete und Anführungszeichen hinzugefügt und derglei-
chen mehr.
Darüber hinaus habe ich ein alphabetisch geordnetes Verzeichnis
derjenigen arabischen Fachbegriffe, die der Scheikh im Text selbst nicht
erklärt hat, vorangestellt.
Möge Allāh Subḥānahu wa-Taʿālā Scheikh Muhammad Afifi in dieser
Welt und im Jenseits Seinen Schutz gewähren. Möge Er ihn und seine
Lehrer für dieses gesegnete Werk belohnen und uns dessen dringend
notwendige Wohltaten zuteil werden lassen, wozu nicht zuletzt die
Wiederherstellung unserer diesseitigen und jenseitigen Sicherheit, so-
wohl in Bezug auf unser Handeln als auch unseren Glauben zählt.
Segen und Friede seien auf dem Propheten, seiner Familie und all
seinen Gefährten, wal-Ḥamdu liLlāhi Rabb al-ʿĀlamīn.

G.F. Haddad
Am Tage des Jumuʿa nach dem ʿAṣr
1. Rajab al-Ḥaram 1426
5. August 2005
Darussalam, Brunei

14
Fremdwörterverzeichnis
Ahl = [1] Leute; [2] qualifizierte Anhänger oder Praktizierende
ʿAql = Intellekt, Verstand
Aḥādīth al-Aḥkām = Ḥadīthe, die als Beleg-Texte rechtlicher Bestimmungen
dienen
ʿAmal = Handlung, Tat
Aṣl = siehe Uṣūl
Āyāt al-Aḥkām = Qur’ānverse, die als Beleg-Texte rechtlicher Bestimmungen
dienen
Bāb = Kapitel oder legaler Fragenkomplex
Banū Ādam = Kinder Ādams, menschliche Wesen
Ḍābiṭ = siehe Ḍawābiṭ
Ḍarūra = Notwendigkeit
Ḍawābiṭ = pl. von Ḍābiṭ = Standard oder Grundregel
Doctor Angelicus = „Der Engelsgelehrte“, Titel des omas Aquinas, des großen
eologen der Westkirche
Dāʿī = Rufer oder Prediger
Dunyā = diese Welt, das Diesseits, das diesseitige Leben
Fā’ida = Nutzen
Faqīh = siehe Fiqh
Farḍ ʿayn = persönliche, individuelle Pflicht
Farḍ kifāya = Pflicht der Gemeinscha
farʿī = adj. von Farʿ, siehe Furūʿ
Faṣl = siehe Fuṣūl
Fatwā = Rechtsgutachten, juristische Antwort
Fiqh = islamische Rechtswissenscha, Fachgebiet des Faqīh; adj. fiqhī = juristisch
Fitna = Unfriede, Versuchung, Verführung, Irreführung, Chaos, Prüfung und
Heimsuchung
Fiṭra = gesund an Verstand und Seele, ursprüngliche natürliche Veranlagung
Fuqahā’ = pl. von Faqīh (siehe Fiqh)
Furūʿ = pl. of Farʿ, [1] Zweige (des Gesetzes), sekundäre juristische Texte;
[2] Folgesätze, Schlußfolgerungen, gefolgerte juristische Grundsätze
Fuṣūl = pl. von Faṣl = Abschnitte, rechtliche Einzelheiten oder Details

15
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

Ḥadīth = Überlieferung, Ausspruch des Propheten Muḥammad – Segen und


Friede Allāhs seien auf ihm,
Ḥadīth ṣaḥīḥ = authentische Überlieferung
ḥalāl = rechtmäßig gestattet, erlaubt
ḥarām = kategorisch verboten, unrechtmäßig
Ḥāṣil = juristisches Ergebnis
Ḥukm [scharʿī] = rechtlicher Status, juristische Bestimmung, Urteil
Iblīs = Satan
Iḥsān = Vorzüglichleit, höchste Stufe religiösen Handelns
Ijmāʿ = Konsens
Ijtihād = unabhängiges Urteil, persönliche Entscheidung
Inṣāf = Fairness, Gerechtigkeit
Jāhilī = wörtl.: „unwissend“, vor-islamischer oder heidnischer Araber
Jamāʿa = die (orthodoxe) Gemeinscha
Jamāl al-Schuhadā’ = „Schönheit der Märtyrer“, Titel des ermordeten Wesiers
Niẓām al-Mulk
Jihād = sittliche oder militärische Anstrengungen des Mujāhid
Khilāf = (juristische) Uneinigkeit, divergierende Ansichten
khilāfiyya = weibl. Adjektiv von khilāf = mit unterschiedlichen juristischen
Ansichten zu tun habend
Madhhab = Rechtsschule
makrūh = verabscheuenswürdig, abscheulich, unbeliebt, anstößig, verhaßt,
aus rechtlicher Sicht verpönt
Maqāṣid = pl. von Maqṣad, Ziel, Gegenstand, Zweck
Maqṣad = siehe Maqāṣid
Masā’il = pl. von Mas’ala = Frage oder juristisches ema
Masā’il mufaṣṣala = detaillierte Fragen und Antworten
Mas’ala = siehe Masā’il
Maṣlaḥa = Wohlergehen, öffentliches/allgemeines Interesse
mubāḥ = uneingeschränkt zulässig
Mufassir = Kommentator, Gelehrter auf dem Fachgebiet der Auslegung/
Interpretation von Quelltexten
Muī = Jemand, der Fatwās oder formelle juristische Gutachten abgibt

16
FREMDWÖRTERVERZEICHNIS

Muḥaqqiq = „Der sorgfältige Prüfer“, Titel des Imām al-Kurdī, eines der letzten
großen Gelehrten der schāfiʿītischen Rechtsschule
Mujāhid = einer der Jihād ausübt (s.o.)
Mukallaf = juristisch verantworlicher/zurechnungsfähiger Muslim
Muschāraka = auf Gegenseitigkeit oder Wechselseitigkeit beruhende
Angelegenheit
Nafs = Ego, Selbst
Nasīḥa = gewissenhaer, aufrichtiger Rat
Qaḍāyā = pl. vonQaḍiyya = juristischer Fall oder Zusammenhang
Qāḍī = Richter an einem islamischen Gericht
Qāʿida = siehe Qawāʿid
Qātil Nafsah = Selbstmörder
Qawāʿid = pl. von Qāʿida = Maxime oder juristisches Prinzip
Qaul = juristische Aussage oder Standpunkt
Qitāl = Krieg, Schlacht
Sabab al-Wujūd = Daseinsgrund, Existenzberechtigung
Ṣabr = Geduld, Standhaigkeit
Ṣaḥābī = Gefährte des Propheten Muḥammad – Allāh segne ihn und schenke
ihm Frieden
Salaf = die rechtschaffenen Altvorderen, frühe Autoritäten
Schahīd, pl. Schuhadā’ = ein sich selbst opfernder Gläubiger, der sein Leben für
Gott hingibt, „Märtyrer“
scharʿī = Adj. rechtmäßig entsprechend der Scharīʿa, dem Gesetz entsprechend
Siyar = militärische Expeditionen
Sunna = Weg, Pfad
Sūra = Kapitel des Qur’ān
Tābiʿī = Nachfolger der Gefährten
Tafakkur = Nachdenken
Tafṣīl = detaillierte juristische Diskussion
Tahluka = Selbstzerstörung
Taghrīr bil-Nafs = sein Leben riskieren
Ṭāghūt = Götzen
Tatimma = Schlußfolgerung

17
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

Tawakkul = Gottvertrauen
awābit = pl. von ābit = Axiom
Umma = die Gemeinscha der Muslime
Uṣūl = pl. von Aṣl = Grundprinzip, Adj. usūlī
Wahm = Einbildung, Illusion
Wasā’il = pl. von Wasīla, Mittel, Hilfsmittel
Wasīla = siehe Wasā’il
Ẓulm = Unterdrückung, Tyrannei

18
Verteidigung der Unterdrückten durch
Zurechtweisung der Rücksichtslosen
die Zivilisten töten

Islamisches Rechtsgutachten [Fatwā]


nach der Rechtsschule
des Imām Schāfiʿī
von
Scheikh Muhammad Afifi al-Akiti
Die Ausgangsfrage
Wenn Sie die Zeit fänden, zum Wohle dieser mit Barmherzigkeit geseg-
neten Umma, die tagein und tagaus von Fitna überwältigt dahintaumelt,
auf diese heikle Frage einzugehen, könnte vielleicht eine Widerlegung
des folgenden Textes durch einige gesegnete Worte den passenden Aus-
gangspunkt darstellen?
Ich möchte Sie bitten, den folgenden Artikel zu lesen, der einige der
Probleme zum Ausdruck bringt, denen wir uns gegenüber sehen, und
der mögliche Ursachen dafür aufzeigt, warum junge Muslime sich dem
Extremismus zuwenden. Der Artikel wurde vor nicht allzu langer Zeit
von “Al-Muhajiroun” veröffentlicht, die unter der Führung von Omar
Bakri Mohammed stehen. Was immer für Vorbehalte wir auch diesem
Mann gegenüber haben mögen, ist es doch viel mehr der Inhalt, der uns
Sorgen macht; und es ist wohl gerade diese Art von Schrien, die am
dringendsten einer direkten Auseinandersetzung bedürfen.
Auszug aus einem Text der Gruppe “al-Muhajiroun”:
AQD UL AMAAN: VEREINBARUNG DER SICHERHEIT
Die Muslime im Westen leben unter einer „Vereinbarung der Sicherheit“,
es ist ihnen nicht gestattet, gegen jene zu kämpfen, mit denen sie eine
„Vereinbarung der Sicherheit“ haben. Sich an diese „Vereinbarung der
Sicherheit“ zu halten, ist eine wichtige Verpflichtung für alle Muslime. Jene
Muslime jedoch, die im Ausland leben, unterliegen keiner Vereinbarung
mit den Kuffār im Westen, so daß es für sie zulässig ist, die nicht-Muslime
im Westen anzugreifen, sei es als Vergeltung für Bombardierung und Mor-
de, die ständig in der gesamten muslimischen Welt von Seiten der Nicht-
Muslime verübt werden oder als offensiver Angriff, mit dem Ziel, die
Muslime aus der Gefangenschaft der Kuffār zu befreien. Für sie sind An-
griffe wie die Flugzeugentführungen des 11. September ein praktikables
Mittel im Jihad, auch wenn es den Muslimen, die in Amerika unter einer
„Vereinbarung der Sicherheit“ leben, nicht gestattet ist, Operationen wie
jene der „Großartigen Neunzehn“ am 11. September durchzuführen. Dieser
Artikel beschäftigt sich mit dieser „Vereinbarung“ und dem, was die
Gelehrten über Al Aqd Al Amaan – die „Vereinbarung der Sicherheit“
gesagt haben. […]

21
Scheikh Muhammad Afifi al-Akitis Fatwā

‫ﺑﺴﻢ ﺍﷲ ﺍﻟﺮﲪﻦ ﺍﻟﺮﺣﻴﻢ‬


‫ﺍﳊﺮﺏ ﻭﻻ ﹸﳛﺐ ﺍﳌﻌﺘﺪﻳﻦ ﻭﺍﻟﺼﻼﺓ ﻭﺍﻟﺴﻼﻡ ﻋﲆ ﻗﺎﺋﺪ‬ ‫ﹶ‬ ‫ﳛﺪﱡ‬
‫ﺍﳊﻤﺪ ﷲ ﺍﻟﺬﻱ ﹸ‬
‫ﺍﻷﻣﺔ ﺍﻟﺬﻱ ﻫﻮ ﺃﺻﱪ ﻋﲆ ﺃﺫ￯ ﺍﻷﻋﺪﺍﺀ ﹸﺑﻔﺘ ﱠﹸﻮ ﹴﺓ ﻛﺎﻣﻠﺔ ﻭ ﹸﻣ ﹸﺮ ﱠﻭ ﹴﺓ ﺷﺎﻣﻠﺔ ﻭﻋﲆ‬
‫ﺁﻟﻪ ﻭﺃﺻﺤﺎﺑﻪ ﻭﺟﻴﺸﻪ ﺃﲨﻌﲔ‬
[Im Namen Gottes, des Gnädigen und Barmherzigen. Lobpreis sei
Gott, Der die Grenzen der Kriegsführung festgelegt hat und die-
jenigen nicht liebt, die die Grenzen überschreiten! Segen und
Friede seien auf dem Feldherrn der Umma, dem Ausdauerndsten
aller Menschen im geduldigen Ertragen des von Feinden verur-
sachten Schadens und Leids in vollkommener Ritterlichkeit und
Mannhaigkeit, sowie auf seiner Familie, seinen Gefährten und
seinem Heer allesamt!]
Dies ist eine Sammlung von Masā’il unter dem Titel Mudāfiʿ al-Maẓlūm
bi-Radd al-Muhāmil ʿalā Qitāl Man Lā Yuqātil [wörtl.: Verteidigung der
Unterdrückten durch Zurechtweisung der Rücksichtslosen wegen der
Tötung von Zivilisten], geschrieben als Antwort auf die Fitna, die diese
mit Barmherzigkeit gesegnete Umma tagein und tagaus heimsucht, und
die zum Teil von jenen verursacht wird, die, absichtlich oder unab-
sichtlich, die juristische Diskussion der Kapitel der Kriegsführung [die
in der Terminologie der Rechtswissenscha [fiqh] unter unterschied-
licher Überschri [bāb] wie: Siyar, Jihād, oder Qitāl zu finden ist] aus
ihrem Zusammenhang gerissen haben, um damit ihr falsches Handeln
zu rechtfertigen. Möge Allāh uns die Augen für die wahre Bedeutung
[ḥaqīqa] geduldigen Standhaltens [ṣabr] öffnen und uns erkennen las-
sen, daß wir nur durch Ṣabr erfolgreich all jene Kämpfe durchstehen
können, denen wir uns in dieser Welt [dunyā] gegenübersehen. Dies gilt
ganz besonders während unserer schwärzesten Stunden, denn wahrlich:
Er ist mit denen, die Heimsuchungen geduldig ertragen!

22
SCHEIKH MUHAMMAD AFIFI AL-AKITIS FATWA

Es besteht keinerlei Meinungsunterschied [khilāf] dahingehend, daß die


Gesamtheit der schāfiʿītischen Juristen [fuqahā’] und anderer sunniti-
scher Fachleute des Heiligen Gesetzes unserer Zeit, von Fernost bis zum
Mittleren Osten, die obige Ansicht vollkommen ablehnen [mardūd] und
sie nicht nur als Anomalie [schādhdh] und äußerst schwach [wāhin],
sondern als absolut falsch [bāṭil] und eine verwerfliche, irreleitende
Neuerung [bidʿa ḍalāla] betrachten: Eine deratige Handlungsweise
[ʿamal] kann unter keinen Umständen von irgendeinem rechtlich Ver-
antwortlichen [mukallaf ] übernommen werden. Besonders bedauerlich
ist, daß dies in einem juristischen Stil verfaßt wurde, der jeden Rechts-
gelehrten mit Schrecken und Abscheu erfüllen muß (da es sich um ei-
nen unreifen, aber dennoch überzeugend wirkenden Versuch handelt,
eine irregeleitete persönliche Anschauung mit Autorität aus den Rechts-
wissenschaen [fiqh] zu verkleiden, in dem Bestreben, unser Fiqh zu
mißbrauchen, indem eine einzelne Bestimmung [qaḍāya] aus diesem
juristischen Fragenkomplex [bāb] – unter rücksichtsloser Vernachlässi-
gung aller anderen – angeführt wird). Dies sollte alle Studenten des Fiqh
daran erinnern, wie wichtig es ist, sich stets alle Axiome [thawābit] und
Grundregeln [ḍawābiṭ] vor Augen zu halten, wenn sie einen sekundären
juristischen [furūʿ] Text lesen, um ganz sicher zu gehen, daß diese
Grundregeln auf keinen Fall gebrochen werden.
Die oben zitierte Ansicht ist hinsichtlich dreier Rechtsfragen [fuṣūl]
problematisch:
(1) Das Angriffsziel [maqtūl]: zweifelsohne Zivilisten;
(2) die Autorität für das Ausführen der Tötung [āmir al-qitāl], da keine
muslimische Autorität einen Krieg erklärt hat, beziehungsweise, falls
ein solcher erklärter Kriegszustand denn bestünde, zumindest derzeit
ein Waffenstillstand [hudna] gilt; und
(3) die Art und Weise, in der die Tötung ausgeführt wird [maqtūl bih],
die entweder ḥarām und zugleich verflucht ist, weil es sich um Selbst-
mord [qātil nafsah] handelt, oder zumindest zu jener Art von zwei-
felhaen Angelegenheiten [schubuhāt] gehört, die von jedem, der für
sich in religiösen Dingen Gewissenhaigkeit [waraʿ] in Anspruch
nimmt, unbedingt zu vermeiden sind. Jeder geistig gesunde Muslim,

23
VERBOT VON ANGRIFFEN AUF ZIVILISTEN

der etwas anderes glaubt und meint, es handele sich bei dem oben
beschriebenen Sachverhalt nicht um ein Verbrechen, wäre sowohl in
fahrlässiger Weise rücksichtslos [muhmil] als auch verblendet
[maghrūr]. Er würde dabei – ganz gleich, ob ihm dies bewußt ist
oder nicht – durch sein Verhalten jene Bestimmungen unseres Geset-
zes zweckentfremden, die für die reguläre (oder ermächtigte) Streit-
macht eines muslimischen Staates gelten und an diejenigen gerichtet
sind, die in diesem die Herrschasgewalt ausüben (wie die Führer
der Exekutive, militärische Befehlshaber und dergleichen), nicht
jedoch an Einzelne, die weder dem Miltär noch der politischen Füh-
rung eines Staates [daula] angehören.
Das Ergebnis ist, nach den Regeln der islamischen Jurisprudenz: Wenn
ein Muslim aus freien Stücken einen derartigen Angriff ausführt, wird
er damit zum Mörder und keinesfalls zu einem Märtyrer oder Helden;
und er wird im Jenseits dafür entsprechend bestra werden.

24

Das könnte Ihnen auch gefallen