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02.06.2013 Sarrazins Thesen: Wie es um Migranten steht - "Sozialer Sprengstoff" - Süddeutsche.

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Wirtschaft

1. September 2010 09:10 Sarrazins Thesen: Wie es um Migranten steht

"Sozialer Sprengstoff"
Von Karl-Heinz Büschemann und Thomas Öchsner

Demographen zeichnen ein dramatisches Bild der misslungenen Integration von


Einwanderern in Deutschland. Sie ist eine Gefahr für die ganze Gesellschaft.

Die Arbeitslosenquote von Ausländern in Deutschland ist mit 15,5 Prozent etwa doppelt
so hoch wie die der Deutschen. Jeder Dritte ist langzeitarbeitslos. Fast 80 Prozent der
arbeitslosen Ausländer haben keine abgeschlossene oder anerkannte
Berufsausbildung. Und fast jeder Fünfte ist auf Leistungen in der Grundsicherung (Hartz
IV) angewiesen.

Zu viele sind hilfsbedürftig: Anders als andere Industrieländer schafft es Deutschland weniger gut,
Ausländer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. (Foto: Getty Images)

Dies geht aus den jüngsten Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Setzt
sich dieser Trend fort, bekommt Deutschland langfristig erhebliche Probleme am
Arbeitsmarkt. Dem Land droht "sozialer Sprengstoff", heißt es in einer Studie der
Beratungsgesellschaft Boston Consulting.

"Fehlende Schulabschlüsse und geringere Qualifikationen erschweren den Zugang in


Arbeit und Ausbildung", sagte das BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der Süddeutschen
Zeitung. Hinzu kämen Sprachdefizite, auch in der zweiten und dritten Generation. Alt
kritisierte, dass die unterschiedlichen Zuständigkeiten für die Anerkennung von
ausländischen Bildungsabschlüssen "schwer durchschaubar" seien.

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Dramatisches Bild
Auch würden die Vermittlungsfachkräfte "aufgrund sprachlicher
Verständigungsschwierigkeiten an ihre Grenzen stoßen". Alt kündigte an, mehr
Vermittler mit ausländischen Wurzeln in den Arbeitsagenturen und Jobcentern zu
beschäftigen, "um so besser auf Migranten zugehen zu können". Zur These des
Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin, dass muslimische Einwanderer weniger
integrationswillig seien, sagte Alt: "Dafür gibt es aus unseren Statistiken heraus
keine Belege."

Auch in mehreren Studien wurde zuletzt darauf hingewiesen, dass die Probleme von
Menschen mit ausländischen Wurzeln am Arbeitsmarkt vor allem auf die unzureichende
Integrationspolitik in Deutschland zurückzuführen sind. "In kaum einem anderen Land
haben junge Migranten so schlechte Bildungs- und damit auch Zukunftsaussichten wie
in Deutschland", heißt es in der Studie von Boston Consulting.

Auch aus ökonomischer Sicht sei es notwendig, Zuwandererfamilien besser zu


integrieren, warnt das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung in seiner
Untersuchung "Ungenutzte Potentiale. Zur Lage der Integration in Deutschland".

In beiden Studien wird ein dramatisches Bild gezeichnet, wenn sich nichts ändert: Fast
20 Prozent der heute in Deutschland lebenden Menschen haben ausländische Wurzeln.
Diese Personen bekommen ein Drittel aller Kinder, die hier geboren wurden. In
manchen Stadtteilen stammen bereits jetzt zwei Drittel aller Fünfjährigen aus
Zuwandererfamilien. Junge Leute mit ausländischen Wurzeln dürften künftig 40 Prozent
der potenziellen Berufseinsteiger stellen. Doch in vielen Fällen reicht ihre Qualifikation
nicht aus.

Deutlich höheres Armutsrisiko


"Das hat Folgen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die soziale Stabilität in
Deutschland", sagt Christian Veith, der Deutschland-Chef der Beratungsgesellschaft.

"Weil in Deutschland lebende Menschen mit Migrationshintergrund schlechter


ausgebildet sind, werden sie häufiger arbeitslos und haben ein deutlich höheres
Armutsrisiko", heißt es in der Untersuchung von Boston Consulting.

Zuwanderung habe nur eine positive Wirkung, "wenn es gelingt, die Bildungs- und
Berufs- und Lebenschancen für die wachsende Zahl von Migranten erheblich zu
verbessern". Doch davon ist Deutschland weit entfernt.

Einwanderer und ihre Kinder schneiden im Schulsystem schlechter ab als die


einheimischen Kinder. In Deutschland gelten nach den Kriterien der Industrieländer-
Organisation OECD 40 Prozent der Einwandererkinder als "Risikoschüler", die kaum
eine Chance haben, eine Ausbildung zu bekommen. Bei den Einheimischen liegt dieser
Anteil bei zwölf Prozent. In Kanada gehören nur neun Prozent der Einwandererkinder in
diese Risikogruppe.

"Absehbare Perspektivlosigkeit"

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Auch schafft es in Deutschland von den Einwandererkindern nur gut die Hälfte, einen
solchen Bildungsstand zu erreichen, dass sie im späteren Arbeits- und Berufsleben
bestehen können. Das Fazit von Boston Consulting: "Jährlich werden in diesem Land
etwa 80.000 junge Menschen in die absehbare Perspektivlosigkeit entlassen - mit
Folgen für die gesamte Volkswirtschaft."

Die Beratungsgesellschaft schlägt deshalb vor, etwa elf Milliarden Euro im Jahr mehr
auszugeben, um die nachfolgenden Generationen besser zu qualifizieren. Nötig seien
zum Beispiel kostenlose Krippenplätze, mehr verpflichtende Sprachkurse für
Neuankömmlinge, mehr Ganztagsschulen und zusätzliche Lehrer und Betreuer an den
Schulen. Dies koste zwar zunächst viel Geld. Langfristig würde der Staat aber erheblich
Geld sparen, weil er weniger für Sozialleistungen ausgeben müsse und höhere
Steuereinnahmen erziele.

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Quelle: SZ vom 01.09.2010/pak
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