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IX. Jahrgang. No. 65. Neueste Mittheilungen. Verantwortlicher Herausgeber: Dr. Jur. O. Hammann. Berlin, Dienstag, Den 19. August 1890
IX. Jahrgang. No. 65. Neueste Mittheilungen. Verantwortlicher Herausgeber: Dr. Jur. O. Hammann. Berlin, Dienstag, Den 19. August 1890
Verantwortl. Herausgeber: Dr. jur. O. H a m m a n n , Berlin SW., Zimmerstr. 87. – Im Selbstverlage des
Herausgebers. – Druck: W. M o e s e r H o f b u c h d r u c k e r e i , Berlin, Stallschreiberstr. 34. 35.
Am Montag Mittag war zur Feier des Was die l ä n d l i c h e n Bezirke betrifft, so haben
Patronatsfestes des Regiments Preobaschenski die Eintragungen in den gedachten letzten drei
große Parade. Der Revue ging ein Festgottesdienst Jahren 624 + 567 + 583 Millionen, zusammen 1
voraus, zu dessen Schluß Se. Majestät der Kaiser 774 Millionen Mark, die Löschungen 491 + 479 +
Wilhelm das Kreuz küßte. Ihm folgten der Czar, die 462 = 1 432 Millionen Mark betragen. In diesem
Czarewna und die hohen Persönlichkeiten des dreijährigen Zeitraum ist also eine
kaiserlichen Gefolges. Nach Beendigung des Mehrverschuldung von 342 Millionen Mark zu
Gottesdienstes erfolgte ein zweimaliger konstatiren! Freilich kann hierin auch noch nicht
Vorbeimarsch des Regimentes vor beiden ohne Weiteres allein eine direkte Verschlechterung
Monarchen. Hiernach fand ein Besuch des Lagers der wirthschaftlichen Lage erblickt werden; es ist
statt. Bei dem Frühmahl brachte der Czar in vielmehr in Betracht zu ziehen, daß der Realkredit
russischer Sprache einen Trinkspruch auf Kaiser in letzter Zeit besser und billiger geworden und daß
Wilhelm aus und schloß daran einen Toast auf den demgemäß ein Theil der Personalschulden in
Kaiser Fronz Joseph anläßlich dessen Geburtstages Hypothekenschulden umgewandelt worden ist, so
an. Kaiser Wilhelm brate hierauf die Gesundheit daß also eine wirkliche Mehrverschuldung des
des Czaren und des russischen Kaiserhauses Besitzers keineswegs überall vorliegen dürfte.
ebenfalls in russischer Sprache aus. Vor der Parade Immerhin ist aber auch zu berücksichtigen, daß die
hatte Kaiser Wilhelm dem Kaiser und der Kaiserin Löschungen keineswegs überall eine Verbesserung
von Rußland einen prachtvollen Jagdwagen zum der Lage der b i s h e r i g e n Besitzer bedeuten, so
Geschenk gemacht. Dem Frühmahl wohnten auch z. B. nicht bei den Zwangsversteigerungen und
der Reichskanzler v. Caprivi, der russische Minister auch nicht bei den Ankäufen der
des Auswärtigen v. Giers, der deutsche Botschafter Ansiedelungskommission in Westpreußen und
General v. Schweinitz, der russische Botschafter Posen. Die Amtsgerichte haben in den Uebersichten
Graf Schuwalow und der österreichische sehr häufig als Grund der Mehrbelastungen,
Botschafter Graf Wolkenstein-Trostburg, sowie auch Eintragungen von Erbgeldern und Kaufrestgeldern,
die Mitglieder der österreichischen Botschaft bei. aber sehr selten als Grund der Löschungen die
Der Minister v. Giers kehrte unmittelbar nach dem Abzahlung seitens kapitalkräftiger neuer
Dejeuner nach Petersburg zurück. Nachmittags Unternehmer angegeben. Welche Ursachen indeß
fand ein Volksfest am Narowaflusse statt. auch den Eintragungen bezw. Löschungen im
Einzelnen zu Grunde liegen, so kann an der
Auch die russische Presse bemühte sich, dem statistisch festgestellten Thatsache nichts geändert
hohen Gaste einen guten Empfang zu bereiten. So werden, daß eine stete Vermehrung der ländlichen
schreibt das offiziöse „Journal de St. Petersbourg: Bezirke, im Jahre 1886/87 um 133 Millionen, im
„Da die neue Zusammenkunft zwischen dem Kaiser nächsten Jahre mit seiner guten Ernte um nur 88
Wilhelm und dem Kaiser Alexander schon lange im Millionen, und im letzten Jahre um 121 Millionen
Voraus angekündigt worden ist, konnte die Presse Mark, zusammen also um 342 Millionen Mark
ihr bereits zahlreiche Besprechungen widmen; die vorliegt. Diese Zunahme der Verschuldung erhält
Einen schrieben ihr die höchste politische Tragweite ihre wirthschaftliche Bedeutung dadurch, daß sie
zu, die Anderen dagegen sprachen ihr fast jede eine stetige ist – die gute Ernte des Jahres 1887/88
Bedeutung bezüglich der internationalen hat sie nur gehemmt, aber nicht aufgehoben – und
Beziehungen ab. Es genügt indessen, sich an die daß der K a u f w e r t h des ländlichen
Thatsachen zu halten, um der wirklichen Sachlage Grundbesitzes, entgegen dem städtischen
gerecht zu werden. Es ist unbestreitbar, daß die Grundbesitz, überwiegend im S i n k e n begriffen
Beziehungen guter Nachbarschaft und Freundschaft ist. Gerade in Betracht dieser Verhältnisse ist die
zwischen beiden mächtigen Kaiserreichen durch stetige Mehrverschuldung des ländlichen Besitzes
Begegnung ihrer Souveräne, von denen man weiß, eine Erscheinung, welche nicht leicht zu nehmen
daß sie ihre ganze Thätigkeit und Sorge der ist. Die Thatsache des Sinkens des Werthes des
Wohlfahrt ihrer Völker und der Förderung ihres Grundbesitzes würde an und für sich noch kein
Gedeihens widmen, für welche die Nothstand sein, wenn in entsprechender Weise
Aufrechterhaltung und Festigung des Friedens die auch die Verschuldung sich verminderte. Ebenso
erste Bedingung ist, noch inniger gestaltet werden. würde – wie in den Städten – die Verschuldung
Der dem erhabenen Gaste in Rußland bereitete nicht allzu viel zu bedeuten haben, wenn der
herzliche Empfang wird in dem Geiste dieses Kaufwerth im Steigen begriffen wäre. Die
Monarchen und der hervorragenden Ergebnisse der Statistik der Hypothekenbewegung
Persönlichkeiten seiner Umgebung nur die constatiren aber nun im Gegentheil eine
Ueberzeugung befestigen können, daß Rußland in regelmäßige Zunahme der Schuldenlast bei
Frieden und guter Freundschaft mit der deutschen gleichzeitigem Sinken des Werthes. Dies Beides
Nation zu leben wünscht. Und dies ist gewiß eins zusammen zehrt an der wirthschaftlichen Stellung
der kostbarsten Friedenspfänder." des ländlichen Grundbesitzes, welche sich auch
angesichts der letzten schlechten Ernte trotz der
Wir knüpfen hieran noch eine telegraphische seitdem gestiegenen Productenpreise nicht
Nachricht aus Paris, wonach auch das „Journal des gehoben haben dürfte.
Débats" über den Besuch des Kaisers Wilhelm bei
dem russischen Hofe einen Artikel bringt, in
welchem es ausführt, daß der Besuch ein Beweis Die hohen Fleischpreise in Berlin.
für das zwischen Deutschland und Rußland
In den großen Städten, namentlich Berlin, sind die
bestehende gute Einvernehmen sei.
Fleischpreise sehr hoch. In Berlin werden im
Kleinverkauf gezahlt für das Pfund Rindfleisch
Zur Hypothekenbewegung. (Kochfleisch) 75 Pfg., Filet 1,50 Mk., Kalbfleisch 70
Pfg., Keule 90 Pfg., Hammelfleisch (zum Kochen)
Es liegt jetzt zum dritten Male ein Nachweis über 80 Pfg., Schweinefleisch 80–90 Pfg. Die nächste
den Zu- und Abgang der Hypothekenschulden in Ursache liegt natürlich in dem verringerten Angebot
den städtischen und ländlichen Bezirken Preußens von Waare. Für die sechs Markthallen Berlins
vor. Es stellt sich hierbei heraus, daß 1. regelmäßig wurden im Juli-August 1889 auf dem
die Eintragungen von Hypotheken die Löschungen Centralviehhof aufgetrieben an Rindern 22 707
überwiegen und daß 2. der Ueberschuß der Stück, an Schweinen 76 059, an Kälbern 17 992,
Eintragungen über die Löschungen bei den an Hammeln 202 533, wogegen der Auftrieb in den
städtischen Bezirken ungleich größer ist als bei den gleichen Monaten dieses Jahres nur 17 502 Rinder,
ländlichen. In den letzten drei Jahren (1886/87 bis 61 075 Schweine, 17 001 Kälber und 160 424
1888/89) hat nämlich der Ueberschuß der Hammel betrug. Der Ausfall ist um so bedeutender,
Eintragungen bei den städtischen Bezirken als die Einwohnerzahl Berlins inzwischen um 40–50
zusammen 1 725 Millionen Mark, bei den ländlichen 000 Köpfe gestiegen ist.
Bezirken 342 Millionen Mark betragen. Speciell in
den letzten Jahren (1888/89) hat der Ueberschuß Vielfach herrscht die Meinung, daß an der
der Eintragungen in den Städten die ganz enorme Fleischtheuerung Manipulationen der
Höhe von 724 Millionen Mark erreicht, während der Zwischenhändler die Schuld tragen. Zwischen dem
Ueberschuß der Eintragungen in den ländlichen Viehzüchter und dem Fleischverzehrer stehen der
Bezirken in dem letzten Jahre 121 Millionen Mark Mäster, der Großhändler, der Großschlächter, der im
betrug. Schlachthofe schlachtet, und der Ladenschlächter,
der das vom Großschlächter gekaufte Fleisch an die
Suchen wir diese Zahlen an der Hand der Kunden auspfundet. In einem Artikel der
„Zeitschrift des Königl. Preuß. Statistischen Allgemeinen Fleischerzeitung tritt der Director des
Büreaus" (29. Jahrgang 1889, II. Halbjahr) zu Centralviehhofes, Oekonomierath Hausburg, der
deuten. Die hohen Zuwachsziffern der Belastung in Annahme entgegen, daß der Zwischenhandel die
den S t ä d t e n können nicht ohne Weiteres als eine Fleischtheuerung hervorgebracht habe. Wir lassen
Verschlechterung der wirthschaftlichen Lage des dahingestellt, ob die Zwischenhändler nicht häufig
städtischen Grundbesitzes angesehen werden; sie die Fleischpreise künstlich auf
entsprechen vielmehr dem g r o ß e n Z u w a c h s
a n W e r t h e n , welchen die zunehmende
Bebauung des Bodens und die Steigerung des
eigenen Verkehrswerthes desselben dort vielfach
geschaffen haben. Verglichen mit den Ziffern der
ländlichen Hypothekenbewegung geben die der
städtischen zugleich einen deutlichen Begriff
davon, wie sehr dem ländlichen Grundbesitze
gegenüber der städtische an volkswirthschaftlichem
Gewichte zunimmt und demgemäß auch in socialer
Hinsicht in den Vordergrund zu rücken beginnt.
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