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IX. Jahrgang. No. 65. Neueste Mittheilungen.

Verantwortlicher Herausgeber: Dr. jur. O. Hammann. Berlin, Dienstag, den 19.


August 1890.
Die Kaiserbegegnung in Rußland.
In dieser Hoffnung haben wir Deutsche allen
Der zweite Besuch unseres Kaisers in Rußland ist Grund, unseren Kaiser auf seiner Reise mit den
nun zur That geworden. Die Berichte sprechen von Gefühlen des Dankes und mit dem Wunsche zu
dem herzlichen Empfang, den der deutsche Kaiser begleiten, daß er auch auf dieser Reise sich die
bei dem russischen Kaiserpaare und bei der Herzen gewinnen und mit dem frohen Bewußtsein
Bevölkerung gefunden, und die russische Presse zurückkehren möge, wie stets, so auch jetzt wieder
widmet dem Besuche Betrachtungen, die bei uns auf das Beste für die wahren Interessen seines
volle Anerkennung und Würdigung finden werden. Volkes thätig gewesen zu sein.

Dieser zweite Besuch unterscheidet sich in vieler


Von der Kaiserreise nach Rußland.
Beziehung von dem ersten, welchen unser Kaiser
sogleich nach seiner Thronbesteigung in Rußland In jeder Beziehung erfreulich sind die vorliegenden
gemacht hat. Damals kam er in Fortsetzung der Berichte über den Besuch unseres Kaisers am
Traditionen seines Großvaters, um dem Herrscher russischen Hofe. Die Ankunft in Reval erfolgte
des mächtigen Nachbarreichs sich gewissermaßen Sonntag Mittag. Bei der Einfahrt in den Hafen
in seiner neuen Würde vorzustellen und seinerseits gaben die „Hohenzollern" und die „Irene" Salut,
den Willen zu bekunden, daß er an dem welcher von dem gesammten kurz vorher
freundschaftlich nachbarlichen Verhältniß eingetroffenen russischen Geschwader erwidert
festzuhalten gesonnen sei. Nachdem Kaiser wurde. Nach der Ankunft begab sich der
Alexander diesen Besuch im Herbst vorigen Jahres Commandeur des russischen Geschwaders,
erwidert, ist unser Kaiser einer Einladung zu den General-Admiral der Flotte Großfürst Alexis zur
russischen Truppenmanövern gefolgt. Man darf in Begrüßung Sr. Majestät an Bord der
dieser Einladung, wie in ihrer Annahme ein Zeichen „Hohenzollern". Se. Majestät ging im alten Hafen
dafür erblicken, daß die vor zwei Jahren bekundete vor dem Zollhause an Land, woselbst er von dem
Absicht der Aufrechterhaltung des freundschaftlich Großfürsten W l a d i m i r , dem deutschen
nachbarlichen Verhältnisses sich verwirklicht hat. Botschafter, General von Schweinitz, dem
Militärbevollmächtigten, Obersten von Villaume etc.
Aber noch in einer anderen Beziehung wird ein
erwartet wurde. Als Se. Majestät mit dem
Unterschied offenbar. Damals hatte unser Kaiser
Großfürsten Alexis, dem Prinzen Heinrich, dem
erst die Zügel der Regierung ergriffen und die Welt
Prinzen Albert von Sachsen-Altenburg, dem
war sich über das Wesen und die Ziele des Kaisers
Reichslanzler General von Caprivi und dem übrigen
noch im Unklaren. In der Zwischenzeit hat man
Gefolge das Ufer betrat, wurde er zunächst von
Gelegenheit gehabt, den Kaiser von vielen Seiten
dem Großfürsten Wladimir auf das Herzlichste
kennen zu lernen. Niemand kann heute daran
begrüßt. Der Kaiser trug die Uniform seines
zweifeln, daß der Kaiser nicht nur in den
Wyborg'schen Infanterie-Regiments mit dem Bande
traditionellen Bahnen der Friedenspolitik seines
des St. Andreas-Ordens, der Großfürst Wladimir
Hauses wandelt, sondern den hohen Beruf zu einer
war in preußischer Uniform mit dem Bande des
wahrhaften Friedensmission aus eigener
Schwarzen Adler-Ordens. Auf der eigens für den
Ueberzeugung ergriffen hat und in eigener
Empfang hergerichteten, reich geschmückten
selbständiger Weise zu erfüllen bestrebt ist. Die
Landungsbrücke war die Ehren-Compagnie vom
Welt ist deß Zeuge gewesen, daß unser
Wyborg'schen Regiment mit Musik und Fahne
jugendkräftiger Monarch, wie er im Innern für die
aufgestellt. Die Fahne war mit den Bändern geziert,
Wiederherstellung des socialen Friedens und für die
welche der Kaiser dem Regiment kürzlich verliehen
Ueberwindung der schroffen Gegensätze im
hat. Die Ehrenwache präsentirte unter den Klängen
Parteileben sorgt, nach Außen hin unablässig die
der preußischen Nationalhymne. Als Se. Majestät
freundschaftlichen Beziehungen zu den Herrschern
die Ehren-Compagnie abschritt, begrüßte
der Nachbarreiche pflegt und auch auf diesem
Allerhöchstderselbe Sein Wyborg'sches Regiment in
Gebiete die Gegensätze auszugleichen oder zu
russischer Sprache, was mit enthusiastischen
mildern bestrebt ist.
Hurrahs beantwortet wurde. Die Officiere
In diesem Sinne wird man auch seinen jetzigen überreichten alsdann Sr. Majestät auf einer
Besuch in Rußland aufzufassen haben. Alle geschnitzten Holzschüssel Brot und Salz, auf einer
besonnenen Blätter in Deutschland, in den uns anderen einen Krug mit Soldatenkwas. Der Kaiser
verbündeten Staaten und auch in Rußland haben dankte huldvollst und sagte, er werde die schönen
sich dahin geäußert, daß hierbei irgendwelche Gaben Ihrer Majestät der Kaiserin schenken. Die
politischen Sonderziele oder Abmachungen nicht in Mitglieder der Revaler deutschen Kolonie
Frage stehen. Die politische Bedeutung des überreichten Sr. Majestät eine Adresse, welche
Besuchs liegt darin, daß er die Begegnung zweier gnädigst entgegengenommen wurde. Um 2¾ Uhr
Monarchen herbeiführt, welche beide friedliebend erfolgte per Bahn die Abreise nach Narwa, wo die
sind und unablässig für die Erhaltung der Ankunft um 8½ Uhr Abends stattfand. Hier wurde
Segnungen des Friedens im Interesse ihrer Völker Se. Majestät von dem Kaiser Alexander, dem
sorgen. Nicht als ob diese Bestrebungen jetzt Großfürsten-Thronfolger und den anderen
besonders gefährdet seien und einer direkten anwesenden Mitgliedern des russischen
Förderung durch persönliche Aussprache bedürften. Kaiserhauses auf's Herzlichste begrüßt. Kaiser
Aber die persönliche Berührung kann nur den Alexander sowohl wie der Großfürst-Thronfolger
friedlichen Tendenzen zu Gute kommen. Allen und die Mitglieder der russischen Kaiserfamilie
demokratisirenden Ideen und Theorien unseres hatten das Band des Schwarzen Adler-Ordens
Zeitalters zum Trotz ist der persönliche Einfluß der angelegt. Kaiser Alexander trug die Uniform des
Monarchen auf die Weltverhältnisse vielleicht Kaiser Alexander-Garde-Grenadier-Regiments. Am
gerade jetzt weit stärker als in früheren Zeiten. Bahnhof waren ferner eine sehr zahlreiche Suite,
Deshalb darf man von der persönlichen Berührung die Generalität, der russische Botschafter in Berlin
der beiden Monarchen einen weiteren Nutzen für Graf Schuwalow, der Großherzog von Hessen etc.
die Zukunft unseres ganzen Welttheils erhoffen. zum Empfang anwesend. Die Ehrenwache mit
Musik und Fahne stellte das Regiment
In der Begleitung unseres Kaisers befindet sich der Preobraschenski. Nach erfolgter Vorstellung
neue Kanzler. In Rußland haben gewisse Blätter begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten
den Kanzlerwechsel für ihre Zwecke auszubeuten Herrschaften zu Wagen nach der Polewzew'schen
gesucht. Man darf sich gewiß der Erwartung Villa, dem Absteigequartier Sr. Majestät des Kaisers
hingeben, daß sich dort die Vorstellungen, welche Wilhelm, woselbst Se. Majestät von der Kaiserin
man sich von dem Personenwechsel machte, von Rußland auf's Herzlichste bewillkommnet
alsbald berichtigen werden und daß man die wurde. Auf dem ganzen Wege dahin wurden die
Ueberzeugung erlangen werde, der neue Kanzler Majestäten sowie der Reichskanzler von Caprivi mit
werde die friedliche Mission seines Kaisers wirksam dem größten Jubel begrüßt. Bis zum Kaiserlichen
unterstützen. Das persönliche Kennenlernen wird Absteigequartier bildeten das Jäger-Regiment
auch hier das Mißtrauen verscheuchen. Ismailow sowie die Infanterie-Regimenter
Semenowski und Preobraschenski Spalier. Kurze
Zeit nach der Ankunft versammelten sich die
Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften zum
Mahle. Später fand Feuerwerk am Wasserfall statt.

Weiter wurde aus Narwa von Montag früh berichtet:


Se. Majestät der Kaiser Wilhelm sandte heute
anläßlich des Geburtstages des Kaisers Franz
Joseph telegraphische Glückwünsche nach Wien.
Der Reichskanzler von Caprivi, der deutsche
Botschafter, General von Schweinitz und der
Geheime Legations-Rath Raschdau gehen
Donnerstag nach St. Petersburg, ebenso der Chef
des Civilcabinets, Wirkliche Geheime Rath von
Lucanus.

Verantwortl. Herausgeber: Dr. jur. O. H a m m a n n , Berlin SW., Zimmerstr. 87. – Im Selbstverlage des
Herausgebers. – Druck: W. M o e s e r H o f b u c h d r u c k e r e i , Berlin, Stallschreiberstr. 34. 35.

Am Montag Mittag war zur Feier des Was die l ä n d l i c h e n Bezirke betrifft, so haben
Patronatsfestes des Regiments Preobaschenski die Eintragungen in den gedachten letzten drei
große Parade. Der Revue ging ein Festgottesdienst Jahren 624 + 567 + 583 Millionen, zusammen 1
voraus, zu dessen Schluß Se. Majestät der Kaiser 774 Millionen Mark, die Löschungen 491 + 479 +
Wilhelm das Kreuz küßte. Ihm folgten der Czar, die 462 = 1 432 Millionen Mark betragen. In diesem
Czarewna und die hohen Persönlichkeiten des dreijährigen Zeitraum ist also eine
kaiserlichen Gefolges. Nach Beendigung des Mehrverschuldung von 342 Millionen Mark zu
Gottesdienstes erfolgte ein zweimaliger konstatiren! Freilich kann hierin auch noch nicht
Vorbeimarsch des Regimentes vor beiden ohne Weiteres allein eine direkte Verschlechterung
Monarchen. Hiernach fand ein Besuch des Lagers der wirthschaftlichen Lage erblickt werden; es ist
statt. Bei dem Frühmahl brachte der Czar in vielmehr in Betracht zu ziehen, daß der Realkredit
russischer Sprache einen Trinkspruch auf Kaiser in letzter Zeit besser und billiger geworden und daß
Wilhelm aus und schloß daran einen Toast auf den demgemäß ein Theil der Personalschulden in
Kaiser Fronz Joseph anläßlich dessen Geburtstages Hypothekenschulden umgewandelt worden ist, so
an. Kaiser Wilhelm brate hierauf die Gesundheit daß also eine wirkliche Mehrverschuldung des
des Czaren und des russischen Kaiserhauses Besitzers keineswegs überall vorliegen dürfte.
ebenfalls in russischer Sprache aus. Vor der Parade Immerhin ist aber auch zu berücksichtigen, daß die
hatte Kaiser Wilhelm dem Kaiser und der Kaiserin Löschungen keineswegs überall eine Verbesserung
von Rußland einen prachtvollen Jagdwagen zum der Lage der b i s h e r i g e n Besitzer bedeuten, so
Geschenk gemacht. Dem Frühmahl wohnten auch z. B. nicht bei den Zwangsversteigerungen und
der Reichskanzler v. Caprivi, der russische Minister auch nicht bei den Ankäufen der
des Auswärtigen v. Giers, der deutsche Botschafter Ansiedelungskommission in Westpreußen und
General v. Schweinitz, der russische Botschafter Posen. Die Amtsgerichte haben in den Uebersichten
Graf Schuwalow und der österreichische sehr häufig als Grund der Mehrbelastungen,
Botschafter Graf Wolkenstein-Trostburg, sowie auch Eintragungen von Erbgeldern und Kaufrestgeldern,
die Mitglieder der österreichischen Botschaft bei. aber sehr selten als Grund der Löschungen die
Der Minister v. Giers kehrte unmittelbar nach dem Abzahlung seitens kapitalkräftiger neuer
Dejeuner nach Petersburg zurück. Nachmittags Unternehmer angegeben. Welche Ursachen indeß
fand ein Volksfest am Narowaflusse statt. auch den Eintragungen bezw. Löschungen im
Einzelnen zu Grunde liegen, so kann an der
Auch die russische Presse bemühte sich, dem statistisch festgestellten Thatsache nichts geändert
hohen Gaste einen guten Empfang zu bereiten. So werden, daß eine stete Vermehrung der ländlichen
schreibt das offiziöse „Journal de St. Petersbourg: Bezirke, im Jahre 1886/87 um 133 Millionen, im
„Da die neue Zusammenkunft zwischen dem Kaiser nächsten Jahre mit seiner guten Ernte um nur 88
Wilhelm und dem Kaiser Alexander schon lange im Millionen, und im letzten Jahre um 121 Millionen
Voraus angekündigt worden ist, konnte die Presse Mark, zusammen also um 342 Millionen Mark
ihr bereits zahlreiche Besprechungen widmen; die vorliegt. Diese Zunahme der Verschuldung erhält
Einen schrieben ihr die höchste politische Tragweite ihre wirthschaftliche Bedeutung dadurch, daß sie
zu, die Anderen dagegen sprachen ihr fast jede eine stetige ist – die gute Ernte des Jahres 1887/88
Bedeutung bezüglich der internationalen hat sie nur gehemmt, aber nicht aufgehoben – und
Beziehungen ab. Es genügt indessen, sich an die daß der K a u f w e r t h des ländlichen
Thatsachen zu halten, um der wirklichen Sachlage Grundbesitzes, entgegen dem städtischen
gerecht zu werden. Es ist unbestreitbar, daß die Grundbesitz, überwiegend im S i n k e n begriffen
Beziehungen guter Nachbarschaft und Freundschaft ist. Gerade in Betracht dieser Verhältnisse ist die
zwischen beiden mächtigen Kaiserreichen durch stetige Mehrverschuldung des ländlichen Besitzes
Begegnung ihrer Souveräne, von denen man weiß, eine Erscheinung, welche nicht leicht zu nehmen
daß sie ihre ganze Thätigkeit und Sorge der ist. Die Thatsache des Sinkens des Werthes des
Wohlfahrt ihrer Völker und der Förderung ihres Grundbesitzes würde an und für sich noch kein
Gedeihens widmen, für welche die Nothstand sein, wenn in entsprechender Weise
Aufrechterhaltung und Festigung des Friedens die auch die Verschuldung sich verminderte. Ebenso
erste Bedingung ist, noch inniger gestaltet werden. würde – wie in den Städten – die Verschuldung
Der dem erhabenen Gaste in Rußland bereitete nicht allzu viel zu bedeuten haben, wenn der
herzliche Empfang wird in dem Geiste dieses Kaufwerth im Steigen begriffen wäre. Die
Monarchen und der hervorragenden Ergebnisse der Statistik der Hypothekenbewegung
Persönlichkeiten seiner Umgebung nur die constatiren aber nun im Gegentheil eine
Ueberzeugung befestigen können, daß Rußland in regelmäßige Zunahme der Schuldenlast bei
Frieden und guter Freundschaft mit der deutschen gleichzeitigem Sinken des Werthes. Dies Beides
Nation zu leben wünscht. Und dies ist gewiß eins zusammen zehrt an der wirthschaftlichen Stellung
der kostbarsten Friedenspfänder." des ländlichen Grundbesitzes, welche sich auch
angesichts der letzten schlechten Ernte trotz der
Wir knüpfen hieran noch eine telegraphische seitdem gestiegenen Productenpreise nicht
Nachricht aus Paris, wonach auch das „Journal des gehoben haben dürfte.
Débats" über den Besuch des Kaisers Wilhelm bei
dem russischen Hofe einen Artikel bringt, in
welchem es ausführt, daß der Besuch ein Beweis Die hohen Fleischpreise in Berlin.
für das zwischen Deutschland und Rußland
In den großen Städten, namentlich Berlin, sind die
bestehende gute Einvernehmen sei.
Fleischpreise sehr hoch. In Berlin werden im
Kleinverkauf gezahlt für das Pfund Rindfleisch
Zur Hypothekenbewegung. (Kochfleisch) 75 Pfg., Filet 1,50 Mk., Kalbfleisch 70
Pfg., Keule 90 Pfg., Hammelfleisch (zum Kochen)
Es liegt jetzt zum dritten Male ein Nachweis über 80 Pfg., Schweinefleisch 80–90 Pfg. Die nächste
den Zu- und Abgang der Hypothekenschulden in Ursache liegt natürlich in dem verringerten Angebot
den städtischen und ländlichen Bezirken Preußens von Waare. Für die sechs Markthallen Berlins
vor. Es stellt sich hierbei heraus, daß 1. regelmäßig wurden im Juli-August 1889 auf dem
die Eintragungen von Hypotheken die Löschungen Centralviehhof aufgetrieben an Rindern 22 707
überwiegen und daß 2. der Ueberschuß der Stück, an Schweinen 76 059, an Kälbern 17 992,
Eintragungen über die Löschungen bei den an Hammeln 202 533, wogegen der Auftrieb in den
städtischen Bezirken ungleich größer ist als bei den gleichen Monaten dieses Jahres nur 17 502 Rinder,
ländlichen. In den letzten drei Jahren (1886/87 bis 61 075 Schweine, 17 001 Kälber und 160 424
1888/89) hat nämlich der Ueberschuß der Hammel betrug. Der Ausfall ist um so bedeutender,
Eintragungen bei den städtischen Bezirken als die Einwohnerzahl Berlins inzwischen um 40–50
zusammen 1 725 Millionen Mark, bei den ländlichen 000 Köpfe gestiegen ist.
Bezirken 342 Millionen Mark betragen. Speciell in
den letzten Jahren (1888/89) hat der Ueberschuß Vielfach herrscht die Meinung, daß an der
der Eintragungen in den Städten die ganz enorme Fleischtheuerung Manipulationen der
Höhe von 724 Millionen Mark erreicht, während der Zwischenhändler die Schuld tragen. Zwischen dem
Ueberschuß der Eintragungen in den ländlichen Viehzüchter und dem Fleischverzehrer stehen der
Bezirken in dem letzten Jahre 121 Millionen Mark Mäster, der Großhändler, der Großschlächter, der im
betrug. Schlachthofe schlachtet, und der Ladenschlächter,
der das vom Großschlächter gekaufte Fleisch an die
Suchen wir diese Zahlen an der Hand der Kunden auspfundet. In einem Artikel der
„Zeitschrift des Königl. Preuß. Statistischen Allgemeinen Fleischerzeitung tritt der Director des
Büreaus" (29. Jahrgang 1889, II. Halbjahr) zu Centralviehhofes, Oekonomierath Hausburg, der
deuten. Die hohen Zuwachsziffern der Belastung in Annahme entgegen, daß der Zwischenhandel die
den S t ä d t e n können nicht ohne Weiteres als eine Fleischtheuerung hervorgebracht habe. Wir lassen
Verschlechterung der wirthschaftlichen Lage des dahingestellt, ob die Zwischenhändler nicht häufig
städtischen Grundbesitzes angesehen werden; sie die Fleischpreise künstlich auf
entsprechen vielmehr dem g r o ß e n Z u w a c h s
a n W e r t h e n , welchen die zunehmende
Bebauung des Bodens und die Steigerung des
eigenen Verkehrswerthes desselben dort vielfach
geschaffen haben. Verglichen mit den Ziffern der
ländlichen Hypothekenbewegung geben die der
städtischen zugleich einen deutlichen Begriff
davon, wie sehr dem ländlichen Grundbesitze
gegenüber der städtische an volkswirthschaftlichem
Gewichte zunimmt und demgemäß auch in socialer
Hinsicht in den Vordergrund zu rücken beginnt.

Verantwortl. Herausgeber: Dr. jur. O. H a m m a n n , Berlin SW., Zimmerstr. 87. – Im Selbstverlage des
Herausgebers. – Druck: W. M o e s e r H o f b u c h d r u c k e r e i , Berlin, Stallschreiberstr. 34. 35.

Wirkung des englischen


der Höhe halten und ob es allenthalben zutrifft, daß Markenschutzgesetzes von 1887.
in der Zeit hoher Fleischpreise der Nutzen der
Groß- und Ladenschlächter am geringsten sei. Der britische General-Konsul in Frankfurt a. M.,
Jedenfalls aber liegt die Hauptursache für die Charles Oppenheimer, äußert sich in einem Bericht
Erscheinung in der durch schlechte Ernten und an das britische Auswärtige Amt über die Wirkung
geringe Viehpreise veranlaßten Verringerung der des englischen Handelsmarkengesetzes wie folgt:
Viehhaltung. „Ein Vergleich der Tabellen über die Ausfuhr von
Deutschland nach Großbritannien zeigt, daß
Die Zucht von Rindern und Schafen des Landes, ungeachtet des Handelsmarkengesetzes und
insbesondere der preußischen Ostseeprovinzen hat anderer Maßregeln die Ausfuhr von Deutschland
unter den letztjährigen höchst dürftigen nach Großbritannien sich keineswegs vermindert
Futterernten erheblich gelitten. Die Landwirthschaft hat. Es scheint, daß eine ganze Anzahl von Artikeln
war genöthigt, ihren Viehstand durch Abstoßung nach und via Großbritannien in größeren
irgendwie entbehrlicher Thiere gegen den Quantitäten als in früheren Jahren verschifft wurde.
Winterhunger zu schützen. Es ist unglaublich, – Die Erfahrung des verflossenen Jahres lehrt, daß
sagt Herr Hausburg in seinem Artikel – wie viel das Handelsmarkengesetz, welches jetzt auf fast
Tausende dieser jungen, dürftigen, unreifen Thiere sämmtliche britische Kolonien ausgedehnt worden
der Berliner Markt in den letzten beiden Jahren ist, weit davon entfernt, die deutsche
aufgenommen hat. Weiter heißt es über die Exportindustrie zu schädigen, die Aufmerksamkeit
Schweinezucht: Eine Reihe von Jahren bis zum ausländischer Käufer auf ihre Leistungsfähigkeit
Frühjahr 1889 hatten wir am Berliner Viehmarkt gelenkt hat, welche vor dem Erlaß des Gesetzes
Ueberfluß an Schweinen und niedrige, viel zu nicht hinreichend gewürdigt worden war. Es
niedrige Schweinepreise, welche das Mastfutter scheint, daß Waaren mit der Inschrift „in
schlecht bezahlt machten. Die Züchter schafften Deutschland gefertigt", in häufiger Nachfrage und
daher eine Zuchtsau nach der anderen ab; die die direkten Beziehungen deutscher Kaufleute mit
Ferkel, welche bis vor wenigen Jahren aufgezogen, ausländischen Käufern erweitert worden sind." In
gemästet und in einem Alter von 5–6 Monaten und deutschen Handelskreisen überwog schon 1887 der
darüber zu Markte gebracht worden waren, Glaube, daß die Forderung des englischen
erschienen jetzt, kaum geboren, als „Spanferkel" Gesetzes, den Ursprung der Waareneingänge nach
auf dem Tische des Züchters. Nur wenige England genau zu bezeichnen, nur vortheilhaft für
vorsichtige Züchter, welche den Umschlag und die den Absatz deutscher Waaren wirken und die
heutige Zeit kommen sahen, erhielten und deutschen Producenten veranlassen werde, die
vergrößerten sogar ihren Schweinebestand. So sah Ausländerei in der Waarenbezeichnung
es nicht blos in Preußen, sondern nach und nach abzustreifen. Die Beschwerden waren hauptsächlich
auch in anderen schweinezüchtenden Ländern aus; gegen die Handhabung des Gesetzes durch die
für diese wurde es erst recht kritisch, als ihnen die englischen Behörden gerichtet, welche in manchen
Ausfuhr nach Deutschland und Preußen durch die Fällen aus kleinlichen unsachgemäßen Gründen
Sperre abgeschnitten worden war. Waaren anhielten.

Die zeitweise Sperre gegen Oesterreich und


Spareinlagen.
Dänemark war bekanntlich zur Verhütung der
Seucheneinschleppung erforderlich. Bei den Der Betrag der Spareinlagen im Regierungs-Bezirk
Schweinen wird auch am ersten das Mißverhältniß Frankfurt a. O. hat bei 53 Sparkassen im Jahre
zu geringen Angebots schwinden, da bei der 1889/90 um 10 822 600 ℳ zugenommen und ist in
großen Frühreife der Zuchtsauen und ihrer den letzten 5 Jahren von 60 562 909 ℳ auf 107
Fruchtbarkeit rascher Ersatz möglich ist. Die Preise 962 382 ℳ, also um 47 399 473 ℳ gewachsen.
für Schweinefleisch sind auch die ersten, die
bereits sinken. Länger muß es natürlich dauern, bis Es betrugen die neuen Einlagen 27 885 025 ℳ 27
die Lücken des Rindviehbestandes wieder ersetzt Pf, wogegen nur 20 145 774 ℳ 20 Pf
sind, da die Vermehrung des Rindviehs viel zurückgezogen wurden. Die Reserve-Fonds
langsamer sich entwickelt. Da die diesjährige betrugen am Jahresschlusse 8 850 818 ℳ 33 Pf
Futterernte im allgemeinen befriedigend ist, so Aus den Reserve-Fonds sind zu öffentlichen
halten auch die Landwirthe behufs Ausnutzung der Zwecken verwendet im abgelaufenen
guten Weiden und Ersatz der Lücken im Rechnungsjahre 272 368 ℳ 37 Pf, seit dem
Viehbestande mit der Veräußerung etwa Bestehen der Sparkassen 2 710 408 ℳ 87 Pf
marktfähiger Thiere zurück.
Die Zahl der im Umlauf befindlichen
Politische Tagesfragen. Sparkassenbücher ist um 17 563 Stück auf
Taufe. überhaupt 271 260 Stück gestiegen, so daß auf
ungefähr jede vierte Person im Bezirk ein
Montag Mittag erfolgte in Tatoi bei Athen die Taufe Sparkassenbuch entfällt; 86 170 Stück
des Sohnes des Kronprinzen Konstantin und der Sparkassenbücher lauten über Beträge unter 60 ℳ
Prinzessin Sophie, Schwester unseres Kaisers. Dem Der größere Theil der Sparkassen gewährt noch 3⅓
feierlichen Akte, welcher durch den Archimandriten % Zinsen, nachdem dem Bestreben, den Zinsfuß
vorgenommen wurde, wohnte die Kaiserin auf 3 % herabzusetzen, entgegen getreten ist. In
Friedrich, die gesammte königliche Familie, das dieser Entwickelung des Sparkassenwesens
diplomattsche Korps, die Minister und sonstigen bekundet sich ein erfreulicher Fortschritt in der
Staatswürdenträger bei. Der Täufling erhielt den Wohlhabenheit und dem Sparsinn der Bevölkerung.
Namen Georg. Prinzessin Sophie und deren Sohn
erfreuen sich des besten Wohlbefindens. Socialdemokratisches.

Um den bekannten Beschlüssen der Berliner


Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin ist Versammlung entgegenzutreten, war für Mittwoch
früh auf seiner Dampfyacht „Conqueror" im Hafen eine neue allgemeine Versammlung der
von Brest eingetroffen und wird von dort aus die socialdemokratischen Parteigenossen Berlins und
ihm von den Aerzten angerathene Seereise nach Umgegend nach der Brauerei Friedrichshain
dem Schwarzen Meere antreten. Das einberufen, in welcher der Abgeordnete Singer über
augenblickliche Befinden des Großherzogs wird als „die Angriffe auf die Taktik der
ein befriedigendes bezeichnet. socialdemokratischen Fraktion" sprechen wollte.
Die Versammlung soll auf Grund des
Ministerreisen. Socialistengesetzes verboten sein. Recht lebhaft
scheint es übrigens bei der mehrfach erwähnten
Der Vicepräsident des Staatsministeriums, von Dresdener Parteiversammlung zugegangen zu sein,
Bötticher, und der Minister des Innern, Herrfurth, in welcher über die „Sächsische Arb.-Ztg."
begeben sich dieser Tage auf Urlaub nach Karlsbad. verhandelt wurde. Selbst socialdemokratische
Der Finanzminister Dr. Miquel wird voraussichtlich Blätter berichten: „Herr Harnisch, der
keinen Sommerurlaub nehmen. Von den übrigen Miteigenthümer der „Sächs. Arb.-Ztg.", sprach in so
Ministern dürften demnächst der Kriegsminister provocirender Weise, daß in der Versammlung ein
von Verdy du Vernois und der Arbeitsminister v. Sturm der Entrüstung entstand und Gefahr war,
Maybach ihren Urlaub beendigt haben. daß die Versammlung aufgelöst wurde. Da sprang
Herr Bebel auf, faßte den Redner, um ihn zur
Besinnung zu bringen, bei der Schulter und rief ihm
zu: er provocire wohl absichtlich, um die
Versammlung zu sprengen. Darauf mäßigte sich
Herr Harnisch. Daß der Vorsitzende die Beiden habe
trennen müssen, beruht auf einer optischen
Täuschung des Berichterstatters des „Tageblatts."
Daß ein Redner, um „zur Besinnung gebracht zu
werden" an der Schulter gefaßt wird, ist jedenfalls
ein neues Verfahren.

Personalien.

Der neuernannte, bisher beurlaubte


Regierungsassessor v. S c h l e c h t e n d a l ist der
Königlichen Regierung zu Osnabrück überwiesen
worden.

Verantwortl. Herausgeber: Dr. jur. O. H a m m a n n , Berlin SW., Zimmerstr. 87. – Im Selbstverlage des
Herausgebers. – Druck: W. M o e s e r H o f b u c h d r u c k e r e i , Berlin, Stallschreiberstr. 34. 35.

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