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Katharina Jirec

E-Mail: katharina@jirec.de

Matrikel-Nummer: 20074483

Fachbereich Heilpädagogik (Bachelor)

8. Fachsemester: SS 2011

Im Kompetenzbereich: 5

Modul 7.1. Bachelorthesis

7.1.1. Exposé, Ausarbeitung und Vorbereitung auf das


Kolloquium

Die Vorbereitung von


Schulen auf integrative
Beschulung
- Eine Befragung der Schulleitung oder
des entsprechenden Zuständigen -

Bachelorthesis

________________________ ________________________

Prof. Dr. Gregor Renner Prof. Dr. Reinhard Markowetz

(1. Korrektor) (2. Korrektor)


Erklärung

Hiermit erkläre ich, Katharina Jirec, dass ich die


vorliegende Bachelorthesis selbstständig angefertigt,
keine anderen als die angegeben Hilfsmittel benutzt und
die Stellen der Bachelorthesis, die im Wortlaut oder im
wesentlichen Inhalt aus anderen Werken entnommen wurden,
mit genauer Quellenangabe kenntlich gemacht habe.

Ort, Datum Unterschrift


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung Seite 1

2. Grundbegriffe und Erläuterungen Seite 3


2.1 Integration Seite 3
2.2 Inklusion und inkludierender Unterricht Seite 4

2.3 Der Unterschied zwischen Integration


und Inklusion Seite 5
2.4 Anspruch auf ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot Seite 6

2.5 Sonderpädagogische Bildungs- und


Beratungszentren Seite 7

2.6 Zwei-Pädagogen-Modell und Teamteaching Seite 7

3. Geschichtlicher Überblick der Integration Seite 8

3.1 Frühe integrative Schulen Seite 9

4. Rechtliche Grundlagen der


Vereinten Nationen Seite 11

5. Rechtliche Grundlagen in Baden-Württemberg Seite 13

5.1 Leitgedanken Seite 14

5.2 Ausbau der inklusiven Bildungsangebote Seite 14

5.3 Erprobung in den Schwerpunktregionen Seite 16

5.4 Regelungen Seite 17

5.4.1 Sonderpädagogische Bildungsangebote


in allgemeinen Schulen und Sonder-
pädagogischen Bildungs- und
Beratungszentren Seite 17

5.4.2 Schulpflicht Seite 19

5.4.3 Schulbezirk Seite 19


5.4.4 Feststellen des Anspruchs auf ein
sonderpädagogisches Bildungsangebot Seite 20

5.4.5 Erfüllung des Anspruchs auf ein


sonderpädagogisches Bildungsangebot Seite 20

5.4.6 Bildungsplan, Stundentafel bei


inklusiven Bildungsangeboten Seite 21

5.4.7 Leistungsbewertung, Versetzungsent-


scheidung, Zeugnis bei inklusiven
Bildungsangeboten Seite 21

5.4.8 Lehrerzuweisung, Sachkosten bei


inklusiven Bildungsangeboten Seite 22

5.4.9 Gemeinsamer Unterricht für Schüler-


innen und Schüler ohne Anspruch auf
ein sonderpädagogisches Bildungs-
angebot an Sonderpädagogischen
Bildungs- und Beratungszentren Seite 23

5.5 Ergänzende Regelungen Seite 24

5.6 Verfahrenshinweise, Dokumentations-


Und Evaluationsaufgaben Seite 24

6. Warum integrativ und inklusiv Beschulen? Seite 25

7. Erläuterungen zum Forschungsstand Seite 31

8. Forschungsstand Seite 31

8.1 Integrative Schulversuche Seite 34

8.2 Integration und Inklusion 2008 Seite 36

9. Forschungsfrage Seite 37

10. Forschungsdesign Seite 38

10.1 Erklärung zu den Interviewfragen Seite 39

10.2 Durchführung Seite 39

10.3 Auswertung Seite 40


11. Fragestellung Seite 41

11.1 Interviewfragen Seite 42

11.2 Vorstellung der interviewten Schulen Seite 43

12. Überblick über die Ergebnisse Seite 44

13. Auswertung der Ergebnisse Seite 46

13.1 Auswertung der Ergebnisse der Fragen-


blöcke 1-4 Seite 46

13.1.1 Grundschule 1 Seite 46

13.1.2 Grundschule 2 Seite 48

13.1.3 Grundschule 3 Seite 49

13.1.4 Grundschule 4 Seite 51

13.1.5 Grundschule 5 Seite 52

13.1.6 Realschule Seite 53

13.1.7 Gymnasium 1 Seite 55

13.1.8 Gymnasium 2 Seite 57

13.1.9 Durchschnittswerte der Ergebnisse Seite 58

13.2 Auswertung der Ergebnisse des Fragen-


blocks 5 Seite 59

14. Persönliches Fazit aus den Ergebnissen Seite 66

15. Ausblick Seite 69

16. Quellenverzeichnis Seite 75

16.1 Literatur Seite 75

16.2 Internetquellen Seite 77


17. Anhang in schriftlicher Form

17.1 Transkription Interview Grundschule 1 Seite 81

17.2 Transkription Interview Grundschule 2 Seite 86

17.3 Transkription Interview Grundschule 3 Seite 89

17.4 Transkription Interview Grundschule 4 Seite 94

17.5 Transkription Interview Grundschule 5 Seite 97

17.6 Transkription Interview Realschule Seite 101

17.7 Transkription Interview Gymnasium 1 Seite 113

17.8 Transkription Interview Gymnasium 2 Seite 123

18. Anhang in Dateiform auf CD

18.1 Transkriptionen der Interviews

18.2 Regelung zur Umsetzung des Beschlusses


des Ministerrats vom 3. Mai 2010
„Schulische Bildung von jungen Menschen
mit Behinderung“

18.3 UN-Behindertenrechtskonvention
„Übereinkommen über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen“
Einführung

1. Einführung

Das Recht auf Bildung für alle Kinder ist ein in Artikel
26 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“
festgeschriebenes Menschenrecht. 1 Der deutsche Staat muss
dieses Recht auf der Grundlage der im Grundgesetz
enthaltenen Grundrechte gewährleisten. Um das Grund-
prinzip der Menschenwürde zu achten, muss die Einhaltung
dieses Rechts ohne Diskriminierung garantiert werden. Zur
Durchsetzung des Rechts auf Bildung besteht in der
Bundesrepublik Deutschland die allgemeine Schulpflicht.
Bildung bedeutet hier nicht nur die reine Vermittlung von
Fakten und Wissen, sie wird vielmehr als ressourcen-
orientierte, ganzheitliche Bildung der Persönlichkeit
eines Menschen verstanden. Diese moderne Auffassung von
Bildung wurde maßgeblich durch Wilhelm von Humboldt
geprägt. Er definierte Bildung als „die Anregung aller
Kräfte des Menschen, damit diese sich über die Aneignung
der Welt entfalten und zu einer sich selbst bestimmenden
Individualität und Persönlichkeit führen“. 2

Das Recht auf Bildung besteht für alle Menschen, der


Bildungsauftrag von Menschen mit Behinderung wurde aber
bisher in Deutschland meist selektiv von Schülerinnen und
Schülern ohne Behinderung ausgeführt. Nach einem Zitat
von Helmut Schelsky ist Schule „eine Institution, die
Lebenschancen vergibt“ 3 . Es stellt sich die Frage, ob
diese „Lebenschancen“ der Schülerinnen und Schüler mit
Behinderung die gleiche Qualität besitzen können, wenn
sie durch die abgetrennte Beschulung keine Teilhabe an
der Schülergesellschaft der allgemeinen Schule erfahren.

                                                            
1
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: Recht auf Bildung
2
Zitat: „www.bildungsxperten.net“: Was ist Bildung?
3
„Auf der Suche nach der Wirklichkeit“, S.137

 
Einführung

Auf diese Thematik wird im Kapitel 6 „Warum integrativ


und inklusiv Beschulen?“ näher eingegangen.

Dieser Konflikt, welcher schon in der Vergangenheit zum


Umdenken der Beschulungssituation von Kindern mit und
ohne Behinderung anregte, erhält durch die UN-
Behindertenrechtskonvention, welche am 26.03.2009 in
Deutschland in Kraft getreten ist, eine rechtliche Basis.
Falls Eltern eine Beschulung ihres Kindes mit Behinderung
an einer allgemeinen Schule wünschen, muss diesem Wunsch
nach eingehender Überprüfung stattgegeben werden. Die
rechtlichen Grundlagen der UN-Behindertenrechtskonvention
und die rechtliche Umsetzung in Baden-Württemberg werden
in den Kapiteln 4 „Rechtliche Grundlagen der Vereinten
Nationen“ und 5 „Rechtliche Grundlagen in Baden-
Württemberg“ detailliert dargestellt.

Bereits in den 1970er Jahren wurde die gemeinsame


Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung
untersucht. In diesen Schulversuchen konnte eine durchweg
positive Wirkung des gemeinsamen Unterrichts auf alle
Kinder festgestellt werden. Das Kapitel 8 „Forschungs-
stand“ beschäftigt sich mit dem Aufbau und den weiteren
Ergebnissen verschiedener Schulversuche in unter-
schiedlichen Städten. Hierbei werden interessante und
grundlegende Fakten über gemeinsamen Unterricht von
Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung
dargelegt.

Da Freiburg in der „Regelung zur Umsetzung des


Beschlusses des Ministerrats vom 3. Mai 2010 „Schulische
Bildung von jungen Menschen mit Behinderung““ als
Erprobungsstandort für gemeinsamen Unterricht festgelegt
wurde, bietet sich hier eine optimale Gelegenheit über
die bereits getätigte oder noch durchzuführende
Vorbereitung der Schulen zu forschen.


 
Grundbegriffe und Erläuterungen

Die genaue Fragestellung und die Gestaltung dieser


Forschung wird in Kapitel 9 „Forschungsfrage“ und
Kapitel 10 „Forschungsdesign“ beschrieben.

Das gute Gelingen des gemeinsamen Unterrichts von


Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung hängt
stark von der Vorbereitung der Schulen, der Lehrkräfte
und der Schülerinnen und Schüler sowie der allgemeinen
Bereitschaft zur Beschäftigung mit dem Thema „Integration
und Inklusion“ zusammen. Die Antworten auf die Fragen zur
Vorbereitung der Schulen finden sich in Kapitel 12
„Überblick über die Ergebnisse“ und Kapitel 13
„Auswertung der Ergebnisse“.

Abschließend wird im Kapitel 14 „Persönliches Fazit der


Ergebnisse“ eine Beurteilung der Ergebnisse vorgenommen
und in Kapitel 15 „Ausblick“ mögliche Trendszenarien
aufgezeigt.

2. Grundbegriffe und Erläuterungen

2.1 Integration

Die Übersetzung des Wortes „Integration“ aus dem


Lateinischen bedeutet „Wiederherstellung, Erneuerung“.
Integration im soziologischen Sinne ist die „Verbindung
einer unterschiedlichen Vielheit von Menschen zu einer
gesellschaftlichen (und kulturellen) Einheit.“ 4

                                                            
4
Zitat: „Meyers Taschenlexikon“, S. 1602

 
Grundbegriffe und Erläuterungen

Die soziale Integration im klassischen Sinne meint eine


Anpassung von Minderheiten und Randgruppen an das
bestehende System einer Gruppe oder Gesellschaft. Das
abweichende Verhalten der Minderheit oder Randgruppe soll
verringert werden. Als Adressaten dafür gelten meistens
Immigranten und Menschen mit Behinderung. Im Laufe des
Entwicklungsprozesses der Integration hat sich diese
Definition verändert, so dass Integration als Lernprozess
beider Seiten verstanden und abweichendes Verhalten als
Merkmal der Minderheit akzeptiert wird. 5

2.2 Inklusion und inkludierender Unterricht

Inklusion lässt sich aus dem Lateinischen mit


„Einschluss“ übersetzen. Verwendet man den Begriff der
Inklusion auf das Bildungssystem, so beschreibt er das
individuelle Unterrichten von heterogen zusammen-
gesetzten Gruppen. In den inkludierenden Unterricht
werden alle Schülerinnen und Schüler eingeschlossen.
Dadurch soll Ihnen ermöglicht werden, ihr individuell
höchstes Bildungsziel zu erreichen.

Um dies umzusetzen ist vorgesehen, dass sich jedes


Mitglied der Gruppe den Lehrstoff möglichst selbstständig
aneignet, wobei die Lehrerin oder der Lehrer als
Unterstützer fungiert und die benötigten Ressourcen zur
Verfügung stellt. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten
nach einem individuellen Lehrplan und in der für sie
geeigneten Form. Dies kann bedeuten, dass sie einzeln, zu
zweit oder in kleinen heterogenen Gruppen den Lehrstoff
erarbeiten. 6

                                                            
5
Vgl.: „www.sign-lang.uni-hamburg.de“: Institut für deutsche
Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser
6
Vgl.: „lexikon.stangel.eu“: Lexikon für Psychologie und Pädagogik

 
Grundbegriffe und Erläuterungen

2.3 Der Unterschied zwischen Integration und Inklusion

Die beiden Begriffe Integration und Inklusion werden


häufig gleichbedeutend benutzt. Jedoch bestehen die
beiden Systeme aus zwei verschiedenen Ansätzen.
Integration meint, dass Kinder mit einer Beeinträchtigung
in die allgemeine Schule mit einbezogen werden und ihnen
je nach Art der Beeinträchtigung ein differenzierter
Unterricht angeboten wird. Ein inkludierender Unterricht
versteht sich als gemeinsames Leben und Lernen aller
Schülerinnen und Schüler sowie als ein umfassendes
Unterrichtskonzept für alle. Im integrativen Modell wird
die Unterrichtsgruppe in zwei Teilen gesehen: Die
Schülerinnen und Schüler mit Behinderung und diejenigen
ohne Behinderung. Das Inklusionsmodell sieht die
Schülerschaft als nicht unterteilbare heterogene Gruppe.
Die inkludierende Schule profiliert hier ihr
Selbstverständnis während die integrierende Schule
Schülerinnen und Schüler mit Behinderung aufnimmt. Das
Integrationsmodell unterrichtet nach einem
individuumszentrierten Ansatz und bewegt sich auf der
administrativen Ebene. Das Inklusionsmodell sieht einen
systemischen Ansatz vor und beachtet auch die emotionale,
soziale und unterrichtliche Ebene. Im Integrationsmodell
werden die Ressourcen für die Kinder mit Behinderung
verwendet, welche hier eine spezielle Förderung,
individuelle Curricular für Einzelne und gesonderte
Förderpläne erhalten. Das Inklusionsmodell verwendet die
Ressourcen für das ganze System, also die Klassen oder
Schulen. Es bietet ein gemeinsames und individuelles
Lernen sowie ein individualisiertes Curriculum für alle
an und führt die Reflexion und Planung aller Beteiligten
gemeinsam durch. Die Integration ist ein Anliegen und der
Auftrag der Sonderpädagogik, während die Inklusion ein
Anliegen und Auftrag der Schul- und Sonderpädagogik ist.


 
Grundbegriffe und Erläuterungen

Im Integrationsmodell stellt die Sonderpädagogik eine


Unterstützung der Kinder mit Behinderung dar, im
Inklusionsmodell ist sie eine Unterstützung für
Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Klassen. Die
Überwachung zum Gelingen der Integration obliegt
Expertinnen und Experten, im Inklusionsmodell wird ein
kollegiales Problemlösen im Team angestrebt. 7

2.4 Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot

Der in den „Regelungen zur Umsetzung des Beschlusses des


Ministerrats vom 3. Mai 2010 „Schulische Bildung von
jungen Menschen mit Behinderung““ verwendete Begriff des
„Anspruchs auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot“
wurde bisher mit dem Begriff des „sonderpädagogischen
Förderbedarfs“ oder der „Sonderschulbedürftigkeit“
beschrieben.

Diese Begriffe wurden bisher verwendet, wenn bei einer


Schülerin oder einem Schüler folgende Beeinträchtigungen
vorlagen: „Blindheit, Gehörlosigkeit, Geistige
Behinderung, Körperbehinderung, Lernbehinderung,
Schwerhörigkeit, Sehbehinderung, Sprachbehinderung,
Taubblindheit, Verhaltensstörung oder Mehrfach-
behinderungen.“ 8 Der Anspruch auf ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot wird im Einzelfall festgestellt.

                                                            
7
Vgl.: „www.bdp-klinische-psychologie.de“: Gegenüberstellung
Integration-Inklusion
8
Zitat: „www.nibis.de“: Sonderpädagogischer Förderbedarf

 
Grundbegriffe und Erläuterungen

2.5 Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren

Die „Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren“,


welche bisher mit dem Begriff „Sonderschulen“ bezeichnet
wurden, haben die Aufgabe, bei der Erziehung und Bildung
von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein
sonderpädagogisches Beratungs-, Unterstützungs-, oder
Bildungsangebot, mit den allgemeinen Schulen zusammen zu
arbeiten. Wie in der neuen Begrifflichkeit beschrieben,
sollen die ehemaligen Sonderschulen Bildungs- und
Beratungszentren sein, welche zur Unterstützung aller
Beteiligten des gemeinsamen Unterrichts mit ihrer
Erfahrung und ihrem Sachverstand beitragen.

2.6 Zwei-Pädagogen-Modell und Teamteaching

Als „Zwei-Pädagogen-Modell“ wird ein Unterrichtsmodell


beschrieben, in welchem durchgehend oder zeitweise zwei
Pädagogen in einer Klasse anwesend sind. Diese müssen
nicht der gleichen Profession angehören und sollen sich
gegenseitig im „Teamteaching“ unterstützen.

Besteht das Team beispielsweise aus einer Grundschul- und


einer sonderpädagogischen Lehrkraft, soll im Teamteaching
jede Lehrkraft Ansprechpartner für jedes Kind sein und
nicht die sonderpädagogische Lehrkraft ausschließlich für
die Kinder mit Behinderung und die Grundschullehrkraft
für die Kinder ohne Behinderung zuständig sein. So können
alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse von den großen
Differenzierungsmöglichkeiten, welche durch den Einsatz
von zwei Lehrkräften entstehen, profitieren.


 
Geschichtlicher Überblick der Integration

3. Geschichtlicher Überblick der Integration

Die ersten Integrationsgedanken tauchen in der Geschichte


schon um das Jahr 1600 bei Comenius auf. Auch in der Zeit
der Aufklärung sind Integrationsbestrebungen entdeckt
worden.

In den letzten 30 Jahren des 19. Jhd. wurde die


Integrationsentwicklung durch die Einrichtung der sog.
„Hilfsschulen“ zurückgedrängt. Dies wurde kritisch
betrachtet und es wurden Bedenken dazu geäußert, da viele
Menschen Kinder mit einer Behinderung von dieser Zeit an
in die Hilfsschule „abgeschoben“ sahen.

In der Weimarer Verfassung wurde die Grundschule als


„Eine für alle Kinder gemeinsame Schule“ festgehalten.
Diese veränderte sich jedoch durch unterschiedliche
Entwicklungen weg vom Gesamtschulkonzept, weshalb nach
und nach mehr Sonderschulen eingerichtet wurden. 9

1970 wurde erneut die Überlegung angestellt, die


Sonderschulen in Gesamtschulen einzugliedern. Nach Hans
Eberwein beginnt hier die „erste Phase“ der Integrations-
diskussion, welche bis zur Mitte der 1970er Jahre anhielt
und sich mit den Theorien der Probleme integrativer
Beschulung sowie Modellen von Gesamtschulen
auseinandersetzte. 10

                                                            
9
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 504
10
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 506

 
Geschichtlicher Überblick der Integration

Die zweite Phase dauerte bis zum Jahr 1982 und


beschäftigte sich zunehmend mit Integrationsmodellen der
Grundschule, Kooperation von Grund- und Sonderschulen und
der Teilintegration von Schülerinnen und Schülern mit
einer Behinderung. In dieser Zeit (1973) veröffentlichte
der deutsche Bildungsrat eine Empfehlung „Zur
pädagogischen Förderung behinderter und von Behinderung
bedrohter Kinder und Jugendlicher“. 11 In dieser Phase
fanden viele Schulversuche zur Integration in
Grundschulen statt. 12

In der dritten Phase wird mit der Uckermark-Grundschule


in Berlin erstmals eine gesamte Schule als Versuch
integrativ. 13

Anfang der 1990er Jahre beginnt die vierte Phase, in


welcher sich viele verschiedene Integrationsformen und –
modelle mischen. Die früher bekannten Modelle werden
weiter und teilweise auch nebeneinander praktiziert,
zudem kamen „kombinierte Sonderschulen“ hinzu, welche mit
integrativen Grundschulklassen kooperieren. Auch
Einzelintegration wird teilweise durchgesetzt. 14

3.1 Frühe integrative Schulen

In Hessisch-Lichtenau entstand zum Beginn der 1950er


Jahre aus einem Regelgymnasium und einem im Ort
ansässigen Reha-Zentrum eine Gesamtschule, da dem
Regelgymnasium Schülerinnen und Schüler fehlten und den
Jugendlichen des Reha-Zentrums die Möglichkeit gegeben
werden sollte, ihre Schulbildung weiter zu führen.

                                                            
11
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 506
12
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 507
13
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 507
14
Vgl.: „Handbuch Integrationspädagogik 6. Aufl.“, S. 508

 
Geschichtlicher Überblick der Integration

Nach einer Erweiterung wurde diese Schule 1972 zur


„Freiherr-vom-Stein“ Schule. 15

Das Leibnitz-Gymnasium in Altdorf bei Nürnberg wurde


ebenfalls auf Grund der räumlichen Nähe zu einem Reha-
Zentrum integrativ. Dort sollte begabteren Schülern des
Reha-Zentrums den Abschluss der Hochschulreife ermöglicht
werden. 16

In München wurde Ende der 1960er Jahre eine integrative


Einrichtung für Kinder im Kindergartenalter geschaffen,
neben der nach der Einbringung der Montessori-Methoden
eine Grundschule eröffnete. 17 Als Ergebnis eines hier
durchgeführten Schulversuchs zeigte sich, dass die
integrative Beschulung in der Grundschule „möglich und
durchführbar“ ist. 18

In Hamburg wurden 1970 zwei sehbehinderte Schüler an der


Heinrich-Hertz-Schule integrativ beschult, nachdem sie
ein halbes Jahr lang durch speziellen Förderunterricht
vorbereitet wurden. Dies ging, wie viele solcher
Projekte, von engagierten Eltern aus. 19

                                                            
15
Vgl.: „Integration von Behinderten“, S. 95-96
16
Vgl.: „Integration von Behinderten“, S. 96
17
Vgl.: „Integration von Behinderten“, S. 97
18
Vgl.: „Integration von Behinderten“, S. 98
19
Vgl.: „Integration von Behinderten“, S. 98 
10 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

4. Rechtliche Grundlagen der Vereinten Nationen

Die in Deutschland und anderen Ländern in früheren Jahren


erprobten Schulversuche erhielten zum Anfang des 21.
Jahrhunderts eine rechtliche Grundlage auf
internationaler Ebene durch die Vereinten Nationen.
Dieser Zusammenschluss aus 192 Staaten, welcher 1945
gegründet wurde, hat als oberstes Ziel die Sicherung des
Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz
der Menschenrechte und die Förderung der  internationalen
Zusammenarbeit. Deutschland ist seit 1973 Mitglied der
Vereinten Nationen. Die am 24.Oktober 1945 in Kraft
getretene „Charta der Vereinten Nationen“ beinhaltet den
Schutz der Menschenrechte und Menschenrechtsabkommen,
welche international rechtsverbindliche Vereinbarungen
sind. Ein Bestandteil dieser Menschenrechtsabkommen ist
das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit
Behinderungen“ (Convention on the Rights of Persons with
Disabilities (CRPD)) welches am 13.12.2006 in einer
Resolution der Generalversammlung der UNO beschlossen
wurde und am 03.05.2008 in Kraft getreten ist. 20

Neben anderen Aspekten, wie der Gleichberechtigung und


Nichtdiskriminierung sowie vielen weiteren Rechts-
grundlagen für Menschen mit Behinderung, enthält die UN-
Behindertenrechtkonvention Bestimmungen zur Bildung von
Menschen mit Behinderung. In Artikel 24 der UN-
Behindertenrechtskonvention wird klar dargelegt, wozu
sich die Vertragsstaaten verpflichten.

                                                            
20
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: Vereinte Nationen
11 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Bildung und


da dieses Recht ohne Diskriminierung und mit der
Verwirklichung der Chancengleichheit erfüllt werden muss,
haben die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem
zu gewährleisten. 21

Die Vertragsstaaten verpflichten sich weiter, dass


Schülerinnen und Schüler nicht infolge einer Behinderung
vom allgemeinen Schulsystem der Grundschule und der
weiterführenden Schulen ausgeschlossen werden. Zudem
müssen Maßnahmen zur Umsetzung von Bedürfnissen Einzelner
ergriffen werden sowie eine Unterstützung zur
Erleichterung einer erfolgreichen Bildung für diese
Schülerinnen und Schüler geleistet sein. Auch
verpflichten sie sich dazu, den Schülerinnen und Schülern
mit Behinderung einen Zugang zu geeigneten
Kommunikationsmöglichkeiten zu gewährleisten. 22

                                                            
21
Zitat: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“ : UN-Behinderten-
rechtskonvention, S.18
22
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“ : UN-Behinderten-
rechtskonvention, S.18-19
12 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5. Rechtliche Grundlagen in Baden-Württemberg

Jedes Bundesland hat seine eigenen Regelungen zur


Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. In Baden-
Württemberg sollen Eltern wählen können, welche Schule
ihr Kind besucht. Auf sogenannten „Bildungswege-
konferenzen“, an welchen die Schulen, das Schulamt und
die Jugendhilfe gemeinsam teilnehmen, werden die Eltern
über die Förderung ihres Kindes beraten. 23

Eine Änderung des Schulgesetzes, des Privatschulgesetzes


und anderer Rechtsvorschriften ist zum Schuljahr 2013/14
geplant. Bis dahin wurde eine „Regelung zur Umsetzung des
Beschlusses des Ministerrats vom 3. Mai 2010 „Schulische
Bildung von jungen Menschen mit Behinderung““ für die
Schulen vom Ministerium für Kultus, Jungend und Sport
Baden-Württemberg herausgegeben. Bereits zuvor sollen
2010/11 und 2011/12 die in den Regelungen beschriebenen
Entwicklungen eingeleitet werden.
Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-
Württemberg formuliert dazu Leitgedanken, Regelungen und
Verfahrenshinweise sowie Dokumentations- und
Evaluationsaufgaben. 24

                                                            
23
Vgl.: „www.bildungs-klick.de“
24
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 1
13 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5.1 Leitgedanken

In den Leitgedanken wird beschrieben, dass die schulische


Bildung von Schülerinnen und Schülern mit Beein-
trächtigungen aller Art und einem Anspruch auf
sonderpädagogische Angebote weiterentwickelt werden
sollen. Dabei berücksichtigt werden die UN-Behinderten-
rechtskonvention und pädagogische Erkenntnisse und
Erfahrungen. 25

5.2 Ausbau der inklusiven Bildungsangebote

In ganz Baden-Württemberg sollen inklusive


Bildungsangebote ausgebaut werden, was die staatlichen
Schulämter im bestehenden Rechtsrahmen bedarfsbezogen
durch folgende Maßnahmen unterstützen:

• „die Einführung von Bildungswegekonferenzen,


• den Aufbau einer Datensammlung zum regionalen
Bildungsangebot,
• die Initiierung und Pflege einer gezielten
Schulangebotsplanung bei der Schulverwaltung,
• den Ausbau des Sonderpädagogischen Dienstes unter
dem Gesichtspunkt der Effizienz,
• die Verdichtung des Netzwerkes zwischen allgemeinen
Schulen und Sonderschulen,
• den Aufbau eines Ansprechpartnersystems in
allgemeinen Schulen in Zusammenarbeit
mit den regionalen Arbeitsstellen Kooperation,
• die Erweiterung der Arbeitsstellen Kooperation um
Vertreter der Gymnasien und der beruflichen Schulen,

                                                            
25
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 1
14 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

• die konsequente Weiterentwicklung von Sonderschulen


(einschließlich der beruflichen Sonderschulen) zu
sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren;
das schließt den Unterricht von Schülern ohne
Behinderung im Wege von kooperativen Lösungen mit
ein,
• den Ausbau kooperativer Formen der beruflichen
Eingliederung und
• die Qualifizierung der Lehrerinnen und Lehrer durch
zentrale, regionale und schulinterne Fortbildungen
und Fortbildung im Rahmen einer Praxisbegleitung
sowie durch Austauschforen oder Hospitationen für
beteiligte und interessierte Lehrkräfte.“ 26

Die Einstellungen und Handlungen sollen reflektiert und


aufgebaut oder modifiziert werden. Die Schulen müssen
Steuerungswissen aufbauen und Begleit- und Steuerungs-
instrumente entwickeln. 27
Um den Lernort eines Kindes mit Beeinträchtigung zu
ermitteln, soll die Schülerin oder der Schüler selbst,
die Eltern und andere Beteiligte auf den genannten
Bildungswegekonferenzen darüber entscheiden. Dafür muss
geklärt werden, „ob ein Anspruch auf ein sonder-
pädagogisches Unterstützungs- und Beratungsangebot
(bisher Unterstützungs- und Beratungsangebote im Rahmen
des Sonderpädagogischen Dienstes) oder ob ein Anspruch
auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot (bisher
Sonderschulbedürftigkeit) besteht.“ 28

                                                            
26
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 1- 2
27
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 2
28
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 2
15 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

In einem Sonderpädagogischen Gutachten werden diese


Ansprüche geprüft sowie die Vorstellungen der Eltern zum
Bildungsweg ihrer Kinder festgehalten. 29

Die Bildungswegekonferenzen, deren Zusammensetzung je


nach Einzelfall variiert, werden vom staatlichen Schulamt
angeordnet und entwickeln Bildungsangebote für jede
Schülerin und jeden Schüler.
In Einzelfallbetrachtungen, Gesamtbedarfsanalysen und
Entwicklungen von gruppenbezogenen Bildungsangeboten wird
gemeinsam über den weiteren Weg beraten.
Nach gefallener Entscheidung zum Bildungsort wird diese
von der Schulverwaltung übernommen, falls keine
eindeutigen Gründe zur erneuten Überprüfung angeführt
werden. 30

5.3 Erprobung in Schwerpunktregionen

Um den Veränderungen hin zu einer Aufhebung der Pflicht


zum Besuch einer Sonderschule und einer Einführung zur
Pflicht zum Besuch einer Grund-, aufbauenden oder
Berufsschule einen rechtlichen Rahmen zu geben, muss das
Schul- und Privatschulgesetz geändert werden. Die
geplanten Änderungen werden in folgenden Bezirken der
staatlichen Schulämter erprobt: Stuttgart, Mannheim,
Freiburg, Konstanz und Biberach. Hierfür enthält die
Regelung zur Umsetzung des Beschlusses des Ministerrats
vom 3. Mai 2010 „Schulische Bildung von jungen Menschen
mit Behinderung“ die Richtlinien nach § 22 SchG. 31

                                                            
29
Vgl.: „ Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 2
30
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 2- 3
31
Vgl.: Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung, S. 3 
16 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5.4 Regelungen

5.4.1 Sonderpädagogische Bildungsangebote in allgemeinen


Schulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungs-
zentren

In folgenden sechs Punkten wird geregelt, welche


Schülerinnen und Schüler an welcher Schule unterrichtet
werden und wem welche Aufgabe zufällt:

1. „Die Erziehung, Bildung und Ausbildung von Schülern


mit einem Anspruch auf ein sonderpädagogisches
Beratungs-, Unterstützungs- und Bildungsangebot ist
Aufgabe aller Schulen. Die allgemeinen Schulen
arbeiten hierbei mit den Sonderpädagogischen
Bildungs- und Beratungszentren innerhalb und
außerhalb des Unterrichts zusammen.

2. Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren


beraten und unterstützen Schüler[innen und Schüler]
mit sonder-pädagogischem Beratungs- und
Unterstützungsbedarf an allgemeinen Schulen, deren
Eltern, Lehrkräfte sowie die weiteren Fachdienste.
[…]

3. Gemeinsamer Unterricht für Schüler[innen und


Schüler] mit und ohne Anspruch auf ein
sonderpädagogisches Bildungsangebot (gemeinsamer
Unterricht) kann an allgemeinen Schulen und an
Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungs-
zentren[…]stattfinden.

17 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

4. Gemeinsamer Unterricht kann für Schüler[innen und


Schüler] mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot an allgemeinen Schulen auch dann
erfolgen, wenn diese Schüler[innen und Schüler] dem
jeweiligen Bildungsgang der allgemeinen Schule nicht
folgen können (gemeinsamer ziel-differenter
Unterricht). Die allgemeinen Schulen treffen im
Hinblick auf diese Schüler[innen und Schüler]
angemessene Vorkehrungen. Sie werden hierbei von den
Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren
unterstützt.

5. Schüler[innen und Schüler] mit Anspruch auf ein


sonderpädagogisches Bildungsangebot, die den
gemeinsamen Unterricht an einer öffentlichen
allgemeinen Schule besuchen, begründen dort ein
Schulverhältnis (§ 23 Abs. 1 SchG), wenn die
allgemeine Schule der alleinige oder überwiegende
Lernort ist (inklusives Bildungsangebot).

Besuchen sie nur oder überwiegend ein


Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum,
begründen sie dort ein Schulverhältnis. Soweit sie
sowohl an einer allgemeinen Schule als auch an einem
Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum
unterrichtet werden, gilt ein Schulverhältnis auch
hinsichtlich des nicht überwiegend besuchten
Lernortes als begründet. […]

18 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

6. Die Schulaufsichtsbehörde kann im Einvernehmen mit


den beteiligten Schulträgern weitere Organisations-
formen des gemeinsamen Unterrichts an allgemeinen
Schulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und
Beratungszentren einrichten.“ 32

5.4.2 Schulpflicht

Die Schulpflicht gilt für die Pflicht zum Besuch einer


Grund- und einer aufbauenden Schule oder einer
Berufsschule für Schülerinnen und Schüler mit und ohne
Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot. Die
Schulpflicht wird auch durch das Besuchen eines sonder-
pädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums erfüllt. 33

5.4.3 Schulbezirk

Die Richtlinien geben Regelungen zur Schulbezirkswahl


vor. Eine Schülerin oder ein Schüler mit einem Anspruch
auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot, welche oder
welcher eine allgemeine Schule besuchen möchte, kann
diese unabhängig seines Wohnortes wählen.
Weitere Regelungen finden sich auf Seite 6 der Regelung
zur Umsetzung des Beschlusses des Ministerrats vom 3. Mai
2010 „Schulische Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“. 34

                                                            
32
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 4- 5
33
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 5
34
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 5- 6
19 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5.4.4 Feststellung des Anspruchs auf ein sonder-


pädagogisches Bildungsangebot

Nach der Feststellung eines Anspruchs auf ein sonder-


pädagogisches Bildungsangebot wird vom Staatlichen
Schulamt ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungs-
zentrum bestimmt, welches zusammen mit einer allgemeinen
Schule zur Umsetzung dieses Anspruchs beiträgt.
Es ist möglich, diesen Anspruch während des Besuchs einer
allgemeinen Schule festzustellen. Nach einer individuell
festgelegten Frist wird der Anspruch überprüft. Falls die
Schülerin oder der Schüler auch ohne ein sonder-
pädagogisches Bildungsangebot erfolgreich an einer
allgemeinen Schule unterrichtet wird, entfällt der
Anspruch. 35

5.4.5 Erfüllung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches


Bildungsangebot

Die Erziehungsberechtigten wählen, ob für die Schülerin


oder den Schüler der Anspruch in einer allgemeinen Schule
oder in einem Sonderpädagogischen Bildungs- und
Beratungszentrum erfüllt werden soll. Die Wahl wird auf
der Grundlage der Bildungswegekonferenz getroffen.
Kann die getroffene Wahl aus unabwendbaren Gründen nicht
berücksichtigt werden, entscheidet das Staatliche
Schulamt nach Befragung der Erziehungsberechtigten über
den Lernort. Bei einem Schulwechsel, etwa auf eine
aufbauende Schule oder eine Berufsschule, wird eine
erneute Bildungs- oder Berufswegekonferenz abgehalten. 36

                                                            
35
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 6 
36
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 7
20 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5.4.6 Bildungsplan, Stundentafel bei inklusiven


Bildungsangeboten

„Der Unterricht für Schüler[innen und Schüler] mit


Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot
orientiert sich an den im Rahmen der individuellen Lern-
und Entwicklungsbegleitung zusammen mit den jungen
Menschen selbst und mit ihren Eltern festgelegten
Entwicklungs- und Bildungszielen, am Bildungsplan und der
Stundentafel der allgemeinen Schule sowie am Bildungsplan
und der Stundentafel des entsprechenden Sonder-
pädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums.“ 37

5.4.7 Leistungsbewertung, Versetzungsentscheidung,


Zeugnis bei inklusiven Bildungsangeboten

Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein


sonderpädagogisches Bildungsangebot an einer allgemeinen
Schule werden nicht nach der Notenbildungsverordnung
beurteilt. Die Beurteilung bezieht sich auf die
individuell festgelegten Entwicklungs- und Bildungs-
ziele. 38
Für die Versetzung gelten folgende Regelungen: „Für
Schüler[innen und Schüler] mit Anspruch auf ein
sonderpädagogisches Bildungsangebot im Sinne der
Förderschule richtet sich das Aufsteigen in die nächst
höhere Klassenstufe nach den Bestimmungen der ent-
sprechenden Versetzungsordnung.

                                                            
37
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen
mit Behinderung“, S. 8 
38
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 8
21 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Schüler mit Anspruch auf ein sonstiges sonder-


pädagogisches Bildungsangebot können nach Beschluss der
Klassenkonferenz in die nächst höhere Klassenstufe
aufsteigen, wenn auf der Grundlage der individuellen
Entwicklungs- und Bildungsziele eine weitere erfolgreiche
Entwicklung zu erwarten ist.“ 39
An den Aufnahmeverfahren für die aufbauenden Schulen
nehmen die Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein
sonderpädagogisches Bildungsangebot nicht teil. Sie
erhalten das Zeugnis der allgemeinen Schule, wenn sie
diese allein oder überwiegend besucht haben. Das Zeugnis
liegt in Form des Zeugnisses der Sonderschule vor. 40

5.4.8 Lehrerzuweisung, Sachkosten bei inklusiven


Bildungsangeboten

„Die zur Verfügung stehenden Ressourcen (Sonderschul-


lehrerstunden, Sachkostenbeiträge für Schulträger) für
Kinder und Jugendliche mit Anspruch auf ein sonder-
pädagogisches Bildungsangebot bleiben weiterhin im
Bereich der Sonderpädagogik verankert, um sie von dort
aus passgenau, auch an der besuchten allgemeinen Schule,
zum Einsatz zu bringen.“ 41 Schülerinnen und Schüler mit
Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot
werden bei Fragen nach den Ressourcen dem sonder-
pädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums zugeordnet.

                                                            
39
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 8
40
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 8- 9 
41
Zitat: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S. 9-10
22 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Wird an der allgemeinen Schule durch den gemeinsamen


Unterricht der Klassenteiler betroffen, kann unter
bestimmten Umständen die Bildung einer zusätzlichen
Klasse autorisiert werden. Die Beförderungskosten werden
von den Stadt- und Landkreisen getragen. 42

5.4.9 Gemeinsamer Unterricht für Schülerinnen und Schüler


ohne Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot
an Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren

Entscheiden die Erziehungsberechtigten eines Kindes ohne


Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot,
dass dieses Kind den gemeinsamen Unterricht an einem
Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum
besuchen soll, wird dies ebenfalls in einer Bildungs-
wegekonferenz besprochen. Diese Schülerinnen und Schüler
begründen ihr Schulverhältnis in diesem Zentrum.
Für sie gelten die Bestimmungen der allgemeinen Schule im
Hinblick auf den Bildungsplan, die Stundentafel,
Leistungsbewertungen, Versetzung und das Aufnahme-
verfahren für die auf die Grundschule aufbauenden
Schularten. 43 Finanzielle Regelungen finden sich auf den
Seiten 12 und 13 in der Regelung zur Umsetzung des
Beschlusses des Ministerrats vom 3. Mai 2010 „Schulische
Bildung von jungen Menschen mit Behinderung“.

                                                            
42
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S.10 
43
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S.12
23 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

5.5 Ergänzende Regelungen

Die ergänzenden Regelungen bestimmen, wie mit der


Erhebung zur amtlichen Schulstatistik umgegangen werden
soll und erklären, dass, soweit nichts Abweichendes
bestimmt ist, die Regelungen des Schulgesetzes, der
Verwaltungsvorschrift „Kinder und Jugendliche mit
besonderem Förderbedarf und Behinderung“ sowie sonstige
Bestimmungen zu Sonderschulen gelten. 44

5.6 Verfahrenshinweise, Dokumentations- und


Evaluationsaufgaben

Die Staatlichen Schulämter und die Regierungspräsidien


begleiten und dokumentieren die Entwicklungsprozesse der
Schulen. Das Ministerium erstellt einen Leitfaden mit
Leitlinien, Fragestellungen und Qualitätsmerkmalen für
die Dokumentationsaufgaben, welcher fortlaufend
weiterentwickelt werden soll.

Von den Regierungspräsidien und Staatlichen Schulämtern


wird eine Koordinierungsgruppe, in welcher Vertreter
aller Schularten und weitere Personen zu finden sein
sollen, eingerichtet. In den Staatlichen Schulämtern
werden Informationsveranstaltungen angeboten. Die
Staatlichen Schulämter und die Regierungspräsidien sind
dafür verantwortlich, das von Ihnen entwickelte
Kommunikationskonzept zur Schaffung des Bewusstseins für
das geforderte Anliegen bei allen Beteiligten zu
dokumentieren. Es wurde zu Beginn des Schuljahres 2010/11
eine Bestandsaufnahme aller Schulämter angefertigt, um
das erforderliche Steuerungswissen zu entwickeln.
                                                            
44
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S.13-14 
24 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Dokumentiert werden soll auch, falls der elterlichen Wahl


in Einzelfällen nicht stattgegeben werden konnte, sowie
die finanziellen Auswirkungen und die damit aufgeworfenen
Steuerungsfragen. 45

6. Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Eine integrative oder inklusive Beschulung ist ein


verbindliches Recht eines Kindes mit Behinderung. In der
UN-Behindertenrechtskonvention „Übereinkommen über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen“ wird als Zweck des
Übereinkommens angeführt, dass alle Vertragsstaaten „den
vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte
und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen
[…] fördern, […] schützen und […] gewährleisten“ 46
wollen, sowie „die Achtung der ihnen innewohnenden Würde
zu fördern“ 47 . Als Grundsätze des Übereinkommens werden
folgende Punkte angeführt: Die Achtung der Menschenwürde,
der individuellen Autonomie, der Unabhängigkeit und der
Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Weiterhin
genannt wird der Grundsatz der Nichtdiskriminierung,
Teilhabe und Miteinbeziehung in die Gesellschaft. Zudem
wird die Achtung der Unterschiedlichkeit und Akzeptanz
der Vielfalt, Chancengleichheit, Zugänglichkeit und
Gleichberechtigung der Geschlechter aufgeführt.

                                                            
45
Vgl.: „Regelungen zur schulischen Bildung von jungen Menschen mit
Behinderung“, S.14-15
46
Zitat: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: UN-Behinderten-
rechtskonvention, S. 4
47
Zitat: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: UN-Behinderten-
rechtskonvention, S. 4
25 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Schlussendlich werden die Achtung der Fähigkeiten, welche


Kinder mit Behinderung entwickeln können und die Achtung
des Rechts auf Wahrung der Identität festgehalten. 48
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die geltende
Rechtsprechung diesen Grundsätzen anzupassen und alle
Maßnahmen zu treffen um sie umzusetzen. 49

Die in Artikel 24 des Übereinkommens genannten Rechte von


Menschen mit Behinderung haben zum Ziel, das Selbst-
wertgefühl zu entfalten um den Menschen mit Behinderung
zu ermöglichen, ihre Persönlichkeit, Begabungen,
Kreativität und geistige sowie körperlichen Fähigkeiten
auszubilden. Menschen mit Behinderung sollen in die Lage
einer wirklichen Teilhabe an der freien Gesellschaft
versetzt werden. Konsequenterweise wird für Schülerinnen
und Schüler mit Behinderung das Recht festgeschrieben,
Schulen des allgemeinen Schulsystems der Grundschule und
der weiterführenden Schulen zu besuchen. 50

Nicht nur durch das geltende Recht wird integrativer und


inklusiver Unterricht legitimiert. Viele Schulversuche
zeigen, dass eine wirkliche Integration und Inklusion von
Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft durch
gemeinsame Bildung ermöglicht wird. In Evaluationen von
Schulversuchen wurde immer wieder festgestellt, dass
Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung bei ihren
gemeinsam beschulten Kindern eine erstaunlich gute
Entwicklung des Sozialverhaltens feststellen konnten. 51

                                                            
48
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: UN-Behinderten-
rechtskonvention S. 5
49
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: UN-Behinderten-
rechtskonvention, S. 6- 7 
50
Vgl.: „www.institut-fuer-menschenrechte.de“ : UN-Behinderten-
rechtskonvention, S.18-19
51
Vgl.: „Behinderte Kinder und Jugendliche in Regelschulen“ , S. 142
26 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Dazu trägt auch bei, dass die Sozialkontakte in Klassen


mit gemeinsamem Unterricht höher sind als die von Regel-
klassen. Will unsere Gesellschaft ihren sozialen Aufgaben
gerecht werden, ist gemeinsame Bildung von Kindern mit
und ohne Behinderung ein wichtiger Grundstein.
Gemeinsames Leben und Lernen von Klein an fördert die
Akzeptanz und Toleranz gegenüber der Vielfalt der
Menschen.
Die Sorge, gemeinsamer Unterricht könnte sich negativ auf
die Schülerinnen und Schüler ohne Behinderung auswirken,
konnte immer wieder als unbegründet festgehalten werden.
Als Antwort auf diese Frage wurde zum Beispiel
formuliert, dass Kinder ohne Behinderung mehr von der
integrativen Beschulung profitieren als Kinder mit
Behinderung. Als Begründung wird angegeben, dass Kinder
mit Möglichkeiten zu differenziertem Denken und Handeln
den gut differenzierten Unterricht der integrativen
Beschulung besser nutzen können als Kinder, denen weniger
Differenzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 52
Weitere Ergebnisse von Schulversuchen, die diese Punkte
untermauern finden sich im Kapitel 8 „Forschungsstand“
und Kapitel 8.1 „Integrative Schulversuche“.

Die Bundesrepublik Deutschland und die in ihr lebende


Gesellschaft erfährt auch aus historischen Gründen die
Verantwortlichkeit, von der Norm abweichende Menschen
nicht aus der Gesellschaft auszuschließen. Die durch das
nationalsozialistische Regime verfolgte Politik der
Selektion von in der Gesellschaft nicht erwünschten
Merkmalen war in ihrer Verachtung der Menschenwürde ohne
Zweifel beispiellos. Auch deshalb besteht weiterhin eine
besondere gesellschaftliche und moralische Verpflichtung
zur Wahrung der Menschenwürde.

                                                            
52
Vgl.: „Integrativer Unterricht in der Grundschule“, S.203
27 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Die negativen Erfahrungen der Vergangenheit bilden neben


den unten in diesem Kapitel beschriebenen humanistischen
und christlichen Werten die Basis für die folgenden
Grundsätze und Leitgedanken, welche im Grundgesetz bei
der Gründung der Bundesrepublik Deutschland
niedergeschrieben wurden. Artikel 1 Absatz 1 besagt: „Die
Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ 53
Artikel 3 Absatz 3 schreibt vor: „Niemand darf wegen
seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse,
seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines
Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden.“ 54 Die inklusive
Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung
ist die konsequente Weiterführung dieser Grundrechte.

Auch die humanistischen Grundideen, welche sicherlich als


besonders prägend für unsere heutige Gesellschaft
eingeschätzt werden können, begründen die Notwendigkeit
des gemeinsamen Lebens und Lernens von Schülerinnen und
Schülern mit und ohne Behinderung. Der Humanismus
bezeichnet das Streben nach menschlicher Verbesserung und
das Glück sowie Wohlergehen jedes einzelnen Menschen als
höchsten Wert der Gesellschaft. Dazu müssen auch die
Würde des Menschen und seine Persönlichkeit geachtet
werden, da der Mensch im humanistischen Denken die
Fähigkeit besitzt, sich zu entwickeln und zu bilden. Die
Gesellschaft soll jedem einzelnen Menschen Weiter-
entwicklung und Freiheit gewährleisten. Auch in der
griechischen Philosophie finden sich Argumente zum
gemeinsamen Unterricht aller Kinder.

                                                            
53
Zitat: „www.bundestag.de“: Grundgesetz
54
Zitat: „www.bundestag.de“: Grundgesetz 
28 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Die Lehre von der „Einheit aller Dinge“ erklärt, dass der
Mensch ein Teil der „Ganzheit“ ist und sich als solches
erst erkennen kann, wenn er die „Einheit in der Vielfalt
und die Vielfalt in der Einheit“ sieht. In der Athener
Demokratie wurde so die „Paideia“ entwickelt, das Ideal
einer umfassenden geistigen und körperlichen Bildung des
Menschen, welches sich im ganzheitlich differenzierten
Unterricht nach den Ideen der Inklusion wiederfindet. 55

Konfuzius, ein für die Gesellschafts- und Sozialordnung


Chinas bestimmender Philosoph, vertrat folgende Meinung:
„Bildung soll allen zugänglich sein. Man darf keine
Standesunterschiede machen.“ 56 Es soll also kein
Unterschied zwischen den Schülerinnen und Schülern
gemacht werden. Überträgt man dieses Zitat auf die
heutige Zeit, kann dieser Ausspruch die Befürwortung des
gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne
Behinderung ausdrücken. Nicht nur Philosophen und
Humanisten beschäftigten sich mit dem Thema Bildung und
deren bestmöglicher Umsetzung. Viele Pädagogen befassten
sich zudem mit den Möglichkeiten der Bildung und ihrer
optimalen Verwirklichung. So war die Pädagogin Maria
Montessori der Meinung, die Schule und das sich aus ihr
ergebende Umfeld solle zur Persönlichkeitsentfaltung der
Schülerinnen und Schüler beitragen: „Die Aufgabe der
Umgebung ist nicht, das Kind zu formen, sondern ihm zu
erlauben, sich zu offenbaren.“ 57
Es finden sich somit zahlreiche Ansätze für eine
stichhaltige Begründung inklusiven Unterrichts in den
heute in unserer Morallehre verwurzelten Ideen bekannter
Philosophen und Pädagogen.

                                                            
55
Vgl.: „www.wikipedia.de“: Humanismus
56
Zitat: „www.zitate.de“: Konfuzius
57
Zitat: „www.zitate.de“: Maria Montessori
29 
 
Warum integrativ und inklusiv beschulen?

Im Behindertenrechtsabkommen wird wie oben genannt auf


die Würde des Menschen hingewiesen. Diese hat ihren
Ursprung auch in den christlichen Lehren und den hieraus
für unsere Gesellschaft immer noch geltenden Werten.
Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes und somit gleich: „So
schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes
Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als
Frau.“ 58 Im neuen Testament wird zum bestmöglichen
Einsatz für Schwache oder Menschen mit Behinderung
aufgefordert.

Jesus sagt:„Wahrlich ich sage euch: Was ihr für einen


meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten
Schwestern getan habt, das habt ihr für mich getan.“
Dadurch wird auch der Grundsatz der Nächstenliebe
ausgesprochen. 59
In der Bibel wird weiter ebenfalls ein Gleichheits-
grundsatz sowie eine Befürwortung der gesellschaftlichen
Vielfalt durch Jesus beschrieben. Er unterscheidet nicht
zwischen Pharisäern, Aussätzigen und Zöllnern 60 , welche
in der jüdischen Gesellschaft sehr verschieden angesehene
Bevölkerungsteile repräsentierten. In zahlreichen
neutestamentlichen Gleichnissen zeigt sich, dass
Unterschiede im Stand oder Ansehen für Jesus keine
Bedeutung haben. Man könnte daraus ableiten, dass kein
schulsystemischer Unterschied zwischen Schülerinnen und
Schülern gemacht werden sollte, da hierbei – wenn auch
ungewollt – eine Hierarchie in der Schülerschaft
aufgebaut wird.

                                                            
58
Zitat: „Gute Nachricht Bibel“, Altes Testament, S.4; 1. Mose 1, 27
59
Zitat: „Gute Nachricht Bibel“, Neues Testament, S.39;
Matthäus 25, 40
60
Zitat: „Gute Nachricht Bibel“, Neues Testament, S.106;
Lukas 19, 1-10
30 
 
Forschungsstand

7. Erläuterungen zum Forschungsstand

Die ersten Schulversuche zu integrativer Beschulung


wurden in Deutschland Anfang der 1970er Jahre
durchgeführt. Diese wurden evaluiert und in dieser Arbeit
als Forschungsstand zum Thema „Die Vorbereitung der
Schulen auf integrative Beschulung“ vorgestellt. Zuerst
werden allgemeine Ergebnisse der Integrationsforschung
dargelegt, dann die Ergebnisse von verschiedenen
Schulversuchen vorgestellt und zum Schluss ein kurzer
Ausblick auf die Daten der heutigen Integration und
Inklusion gegeben.

8. Forschungsstand

Ulf Preuss-Lausitz sagt im „Handbuch der Integrations-


pädagogik“, dass Integrationsforschung nicht zum Ziel
hat, zu beweisen, dass Integration bessere Ergebnisse
erzielt als das Regelsystem, sondern dass sie keine
negativen Folgen nach sich zieht. Die Schwierigkeiten der
Integrationsforschung sieht er darin, dass die zu
erforschenden Gruppen nur schwer miteinander verglichen
werden können, da es sich um viele verschiedene Arten von
Behinderungen handelt. 61

                                                            
61
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 242
31 
 
Forschungsstand

1988 gab es noch kaum abgeschlossene Ergebnisse der


Integrationsforschung und es ließen sich damals nur
Trendaussagen treffen.

So gab es zu Schulversuchen in Berlin, Hamburg, Bremen


und Bonn Elternbefragungen zu Integrationsklassen, welche
viele Übereinstimmungen trotz der verschiedenen
Behinderungsarten der Kinder aufzeigte. Die Eltern der
Kinder mit und ohne Behinderung stellten eine positive
Wirkung der Integrationsklassen auf die Förderung und
Erziehung der Schülerinnen und Schüler fest. In der
Schulleistung werden keine negativen Auswirkungen der
Integration auf die Kinder ohne Behinderung und eine in
der Tendenz eher positive Wirkung auf die Kinder mit
Behinderung festgestellt. Ergebnisse aus der Schweiz
zeigen, dass Schülerinnen und Schüler mit Lernschwächen
in regulären Klassen auch ohne sonderpädagogische
Förderung besser gefördert werden konnten als in
„Hilfsklassen“. 62 Zur sozialen Integration war 1988
erforscht, dass die Kinder mit Behinderung entgegen der
Befürchtungen keine soziale Isolation in den Klassen
erfuhren und auch die Beziehungen außerhalb der Schule
gut gestaltet wurden. 63

Helmut Reiser berichtet im „Handbuch der Integrations-


pädagogik“ von den Ergebnissen einer Befragung in einem
integrativen Schulversuch, dass der starke Leistungs-
unterschied der Kinder bei durchgängig differenziertem
Unterricht kein Problem für diese darstellt. Die
schlechten Schülerinnen und Schüler hemmen die Guten
nicht in ihren Leistungen und umgekehrt und die Kinder,
starke wie schwache, werden gleich gut gefördert.

                                                            
62
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 244
63
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 245
32 
 
Forschungsstand

Die Entwicklung der Kinder mit Behinderung in den


Integrationsklassen ist langfristig gut. 64

Hans Wocken erklärt im gleichen Buch über die Entwicklung


der Schulleistungen von Schülerinnen und Schülern in
heterogenen Lerngruppen. Er bezieht sich hier auf einen
Test von Goldberg aus dem Jahr 1969. Hierbei wurden
Schülergruppen mit geringem und mit großem Intelligenz-
gefälle untersucht. Die Leistungsentwicklung war bei
großem Gefälle positiver ausgefallen als bei geringem
Gefälle, was sich allerdings nicht in allen Schulfächern
zeigte. Die lernschwachen Kinder wirkten nicht auf die
Leistung der guten ein und die sehr leistungsfähigen
Kinder wirkten nur gering auf die schwächeren
Schülerinnen und Schüler. 65 In anderen system-
vergleichenden Studien wird eine ausgeglichene
Leistungsbilanz zwischen heterogenen und homogenen
Lerngruppen festgestellt. 66 Als Ergebnis hält Wocken
fest, dass die beiden Gruppen sich nicht sonderlich in
ihren Lernleistungen unterscheiden und so der Leistungs-
vorteil von homogenen Lerngruppen also nicht empirisch
belegbar ist. Die Leistung von starken Schülerinnen und
Schülern ist in beiden Gruppen etwa vergleichbar gut,
schwache Kinder erzielen aber in heterogenen Gruppen
bessere Leistungen.

Homogene Lerngruppen sind laut Wocken pädagogisch


einfacher zu führen, jedoch würden heterogene Gruppen
mehr Chancen aber auch mehr Risiken mit sich bringen. 67

Rainer Maikowski und Wolfgang Podlesch berichten in ihrem


Artikel im „Handbuch der Integration“ von einem Erfolg
der sozialen Integration durch Integrationsklassen.

                                                            
64
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 254
65
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 257
66
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 258
67
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 259  
33 
 
Forschungsstand

Hier herrscht laut einer soziometrischen Befragung der


Schüler eines Integrationsversuchs eine intakte
Sozialstruktur, bei welcher die Kontakte intensiver sind
als in Regelklassen. Besonders abgelehnt werden die
Kinder mit hohem Aggressionspotential, welche oft nicht
die Kinder mit einer Behinderung sind. Die Interaktion
zwischen Jungen und Mädchen sind vergleichbar mit
Regelklassen, der Freizeitkontakt der Schüler ist höher
als der einer Sonderschulklasse. 68

8.1 Integrative Schulversuche

In einigen Bundesländern und Städten wurden seit Anfang


der 1970er Jahre Schulversuche zur integrativen
Beschulung mit verschiedenen Konzepten durchgeführt. Als
allgemeine Ergebnisse dieser Schulversuche kann man
festhalten, dass integrativer Unterricht vor allem ein
hohes Maß an innerer Differenzierung, Selbsttätigkeit der
Schülerinnen und Schüler sowie eine Lebenswelt- und
Handlungsorientierung des Unterrichts fordert. Dies waren
auch schon die Grundgedanken der Reformpädagogik. 69

Die Schulen mussten dafür geöffnet und der Unterricht


handlungsorientiert werden. 70

Auch aus diesem Grund konnte in den Versuchen die


Projektarbeit als geeignete Methode zum Lernen und Lehren
beobachtet werden. Die Kinder fanden so zu neuen
Interaktions-, Kommunikations- und Kooperationsformen,
welche hilfreich für ihre sozialen Beziehungen waren. 71

                                                            
68
Vgl.: „Handbuch der Integrationspädagogik 2. Aufl.“ , S. 277
69
Vgl.: „Gutachten zur Integration“, S.55
70
Vgl.: „Gutachten zur Integration“, S.57
71
Vgl.: „Integrativer Unterricht in der Grundschule“, S.40
34 
 
Forschungsstand

In allen Schulversuchen wurden die Klassen zumindest


zeitweise von zwei Pädagogen unterrichtet. Diese waren
Grundschul-, Sonder- und Heilpädagogen oder Erzieher. Es
stellte sich während den Versuchen keine eindeutige
Präferenz für eine bestimmte Berufsgruppe heraus, solange
das „Zwei-Pädagogen-Modell“ eingesetzt wurde.

Die Klassengröße lag zwischen 15 und 20 Kindern, wobei


die Zahl der Kinder mit Behinderung nicht mehr als fünf
betrug. Nach neueren Studien hat sich jedoch heraus-
gestellt, dass eine Größe von 20 Kindern zu positiveren
Entwicklungen in den Sozialkontakten führt.

In den Schulversuchen wurde nach dem Lehrplan der Regel-


grundschule gelehrt, teilweise konnte aber der Lehrplan
der Sonderschulen als Hilfe hinzugezogen werden.

Es wurde festgestellt, dass die Eltern integrativ


beschulter Kinder offenbar hohes Interesse an der
Schulpraxis haben, ihre Motivation sich aber danach
richtet, ob sie ein Kind mit oder ohne Behinderung in der
Klasse haben. Durch Befragungen wurde herausgefunden,
dass die Kinder in den Inklusionsklassen gern zur Schule
gingen.

Sorgen um eine Benachteiligung der Kinder mit


integrativer Beschulung gegenüber denen einer
Regelbeschulung sind laut verschiedenen Ergebnissen nicht
begründet. 72 Schülerinnen und Schüler mit einer
Behinderung verursachen keine Probleme, die nicht auch
bei Schülerinnen und Schülern ohne Behinderung auftreten
könnten. 73

                                                            
72
Vgl.: „Integrativer Unterricht in der Grundschule“, S.203
73
Vgl.: „Integrativer Unterricht in der Grundschule“, S.205
35 
 
Forschungsstand

Als allgemeines Ergebnis wird auch festgehalten, dass die


größte Herausforderung der integrativen Beschulung die
Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten sind, welches nicht
immer die Schülerinnen und Schüler mit einer Behinderung
sind. 74 Die sozialen Kontakte der einzelnen Kinder werden
auch über die Klassen- und Schulgrenze hinaus als gut
beschrieben. In der Schulleistung waren die Integrations-
klassen mit den Parallelklassen gleichauf und standen
diesen nicht nach. 75 Zusätzlich zu den schriftlichen
Leistungsbewertungen der Kinder im Zeugnis, sollte diese
bei Bedarf zusätzlich verbal erfolgen können. 76

Die Integrationskinder werden abschließend als gut


integriert und mit unerwarteten Entwicklungsfortschritten
beschrieben. 77

8.2 Integration und Inklusion 2008

Auch in Baden-Württemberg wurden bereits vor den


rechtlichen Regelungen der UN-Behindertenrechtskonvention
und den daraus folgenden Umstellungen im Schulrecht
Kinder mit Behinderungen in allgemeinen Schulen
unterrichtet.
Im Schuljahr 2007/08 wurden in Baden-Württemberg 21.738
Schülerinnen und Schüler mit Behinderung, oder die von
einer Behinderung bedroht sind, an allgemeinen Schulen
unterrichtet. Diese Zahl ist im Vergleich zu den 1990er
Jahren deutlich angestiegen; damals waren es ungefähr
15.000 Schülerinnen und Schüler.

                                                            
74
Vgl.: „Integrativer Unterricht in der Grundschule“, S.165 
75
Vgl.: „Behinderte Kinder und Jugendliche in Regelschulen“ , S.131 
76
Vgl.: „Das Fläming Modell“, S.39
77
Vgl.: „Behinderte Kinder und Jugendliche in Regelschulen“ , S.145
36 
 
Forschungsfrage

Im gleichen Schuljahr besuchten 54.169 Schülerinnen und


Schüler eine Sonderschule. 78 Aus dem Vergleich der Zahlen
der bereits in allgemeinen Schulen unterrichteten Kinder
und Jugendliche mit Behinderung lässt sich schließen,
dass die Bereitschaft, diese Kinder und Jugendliche im
allgemeinen Unterricht zu beschulen, gestiegen ist.
Jedoch sagt die erhöhte Zahl nichts über die Qualität und
den Erfolg des angebotenen gemeinsamen Unterrichts aus.

9. Forschungsfrage

In dieser Thesis wird erforscht, ob in öffentlichen


Regelschulen von Freiburg die Zahl von Schülerinnen und
Schülern mit einer inklusiven Beschulung zugenommen hat,
wie und ob sich die Schulen vor dem Hintergrund der in
Kapitel 4 und 5 beschriebenen Konventionen und Regelungen
auf Inklusionsschüler vorbereitet haben und wo Probleme
gesehen werden.

Es wird untersucht, ob und wie die Lehrkräfte geschult


und vorbereitet wurden und ob zusätzliches Fachpersonal
eingestellt wurde. Wenn dies der Fall sein sollte, wird
erhoben, welche Ausbildung dieses Fachpersonal hat und
wie viele Personen eingestellt wurden.

Zusätzlich wird beobachtet, ob seitens der Schulleitung


Schulungen für die Lehrkräfte zum Thema Inklusion
angeboten wurden und wie sich der Unterricht didaktisch
verändert hat oder welche Veränderungen als notwendig
betrachtet werden.

                                                            
78
Vgl.: „www.schule-bw.de“
37 
 
Forschungsdesign

10. Forschungsdesign

Bezüglich des Forschungsdesigns galt es zuerst, die


gewünschten Ergebnisse und Erwartungen hinsichtlich der
Antworten zu formulieren. Da zum Thema des Forschungs-
feldes bisher keine Studien veröffentlicht sind, ist eine
Heterogenität der Antworten zu erwarten. Um ein möglichst
differenziertes Antwortspektrum zu erhalten, soll den
Befragten die Möglichkeit gezielter Abschweifungen sowie
das Einbringen eigener Aspekte und das Setzen von
Schwerpunkten gegeben werden. Von einer Befragung über
standardisierte, geschlossene Fragen ist daher abzusehen.
Eine Erhebung per Fragebogen wird aufgrund oft niedriger
Rücklaufquoten ausgeschlossen. Als geeignete Methode
erscheint eine halbstandardisierte persönliche Befragung
mit halboffenen und offenen Fragen. Diese ermöglicht es,
auf Aussagen der Befragten zu reagieren und je nach
Situation die Fragen umzustellen oder nachzufragen.

Die Befragten sollen Personen der Schulleitung oder


eigens für Inklusion zuständiges Personal der Schulen
sein, welche mit der Organisation und den Veränderungen
vertraut sind. Die zeitliche Verfügbarkeit der Personen
empfiehlt, die Befragung kurz zu halten.

Um Ergebnisse für die Forschungsfrage zu erhalten, wird


die Befragung inhaltlich in fünf Fragenblöcke unterteilt.

38 
 
Forschungsdesign

10.1 Erläuterungen der Interviewfragen

Die Interviewfragen werden so zusammengestellt, dass sie


fünf Forschungsbereiche abdecken.
Der erste Bereich erfragt allgemeine Informationen über
inklusiv beschulte Schülerinnen und Schüler, der zweite
Informationen zur allgemeinen Vorbereitung der Schule und
der Schulleitung, der dritte Bereich erfasst die
Vorbereitung der Lehrkräfte, der vierte die Vorbereitung
und Veränderung des Unterrichts und der fünfte Bereich
gibt Raum für sonstige Anmerkungen der befragten Person.

10.2 Durchführung

Um möglichst viele Interviewpartner zu finden, wurden die


Fragen so gehalten, dass sie auch kurz zu beantworten
sind und somit das Interview auf eine Länge von ungefähr
15 Minuten angesetzt war. Beantwortete eine Person die
Fragen sehr ausführlich wurde jedoch die benötigte Zeit
eingeräumt.
Zum Intervieweinstieg wurde kurz erläutert, was die Basis
der Forschung und die Forschungsfrage ist und eventuelle
Fragen der interviewten Person beantwortet.
Anschließend wurden Fragen bezüglich des Datenschutzes
geklärt und die Einwilligung der Person zur Aufnahme des
Interviews durch ein digitales Tonaufnahmegerät wurde
eingeholt, dieses wurde daraufhin eingeschaltet. Danach
wurden nacheinander die Bereiche abgefragt.
Beantwortete eine befragte Person bereits vorgreifend
eine andere Frage wurde dies kurz angemerkt und der
Person nach Erreichen dieser Frage je nach Bedarf
nochmals die Möglichkeit gegeben, differenzierter darauf
zu antworten. Kam in der Beantwortung einer Frage ein

39 
 
Forschungsdesign

neuer Aspekt hinzu, wurde eine zusätzliche Frage


eingebaut.
Da eine große Heterogenität der Antworten zu erwarten
war, wurden die Fragen je nach Situation im Wortlaut und
im zeitlichen Bezug umgestellt.

10.3 Auswertung

Die Interviews wurden nach der Durchführung transkribiert


und ausgewertet. Die Antworten auf die verschiedenen
Fragen wurden nach den verschiedenen Fragenblöcken
gebündelt kurz zusammengefasst. Danach wurden die
Ergebnisse verglichen und in einem Ergebnisüberblick
dargestellt. Ein Schaubild wie unten in diesem Kapitel
beschrieben zeigt die Gesamtvorbereitung der Schulen.
Anschließend folgt eine genaue Darstellung der
Kernaussagen zu den Fragenblöcken 1 bis 4 der einzelnen
Schulen. Um die Ergebnisse der Fragenblöcke 1 bis 4 zu
veranschaulichen, wurde für jede Schule ein Schaubild mit
den verschiedenen Vorbereitungsparametern erstellt.
Dieses stellt kurz dar, wie weit die Vorbereitung in der
jeweiligen Schule fortgeschritten ist. Die Schaubilder
beinhalten die folgenden Parameter:
• „Erfahrung Inklusion“: Wie viel Erfahrung hat die
Schule bis jetzt mit Inklusion?
• „Literatur“: Wie viel Literatur wurde von der
Befragten Person bisher selbst gelesen?
• „Sachverständiger“: Wie viel Kontakt hatte die
Schule bereits mit Sachverständigen?
• „Schulungen“: Wie oft wurden bisher Schulungen für
die Lehrkräfte angeboten?

40 
 
Fragestellung

• „speziell eingestellt“: Wurde bis jetzt speziell


eine Fachkraft eingestellt? Wenn ja, wie viele
Fachkräfte?
• „Kollegium“: Besteht das Kollegium zurzeit aus
Grundschul-, Hauptschul-, Realschul- und
Gymnasiallehrern oder bekommt das Kollegium im
Moment von zusätzlichem Personal Unterstützung? Wenn
ja, um wie viel Unterstützung handelt es sich?
• „Unterricht“: Wie viele Veränderung gab es bisher im
bereits bestehende Unterricht?
• „2-Pädagogen“: Besteht bereits ein zwei-Pädagogen-
Modell? Wenn ja, wird es oft und in mehreren Klassen
eingesetzt?

Die Parameter wurden in Werte von 0 bis 100 aufgeführt


und im Abstand von 20 Einheiten unterteilt. 0 bedeutet
„kein/e“ oder „noch nicht“, 20 „wenig/e“, 40 „einige/in
einigen“, 60 „mehr/ere/s“ oder „in mehreren“, 80 „viel/e“
oder „in vielen“ und 100 „sehr viel/e“ oder „in
allen/immer“.
Schließlich wurden die Ergebnisse des fünften Fragen-
blocks kurz zusammengefasst und danach ausführlich in
schriftlicher Form analysiert.

11. Fragestellung

„Die Vorbereitung von Schulen auf integrative Beschulung“

Haben sich Schulen im Raum Freiburg auf integrative oder


inklusive Beschulung vorbereitet? Wenn ja, wie sah diese
Vorbereitung aus?

41 
 
Fragestellung

11.1 Interviewfragen

1. Fragenblock:
Allgemeine Informationen über inklusiv beschulte
Schülerinnen und Schüler:
- Besucht ein inklusiv beschulter Schüler Ihre Schule?
Wenn ja, seit wann?

2. Fragenblock:
Informationen zur allgemeinen Vorbereitung der
Schule und der Schulleitung:
- Wurde im Vorfeld vorbereitende Literatur benutzt?
Wenn ja, welche?
- Wurde zur Vorbereitung ein Sachverständiger
hinzugezogen? Wenn ja, wer?

3. Fragenblock:
Die Vorbereitung der Lehrkräfte:
- Wurden bereits Schulungen für die Lehrkräfte
angeboten? Wenn ja, welche?
- Wurde speziell jemand eingestellt? Wenn ja, welcher
Profession?
- Wie setzt sich momentan das Lehrerkollegium
zusammen?

42 
 
Fragestellung

4. Fragenblock:
Die Vorbereitung und Veränderung des Unterrichts:
- Wie wird Unterricht konkret gestaltet? Gibt es
Umgestaltungen (z.B. Projektarbeit) oder bleibt der
Unterricht in gewohnter Weise bestehen?
- Wie viele Pädagogen werden in den Klassen
eingesetzt? Gibt es Pläne für ein 2-Pädagogen-
Modell?

5. Fragenblock:
Sonstige Anmerkungen:
- Gibt es noch etwas von Ihrer Seite zur Vorbereitung
oder etwas anderem, das Ihnen wichtig ist, zu sagen?

11.2 Vorstellung der interviewten Schulen

Alle auf die Schulen bezogenen Daten werden anonymisiert


dargestellt. Es wurden an acht öffentlichen Schulen der
Stadt Freiburg Befragungen durchgeführt, fünf Grund-
schulen, eine Realschule und zwei Gymnasien. An vier
Grundschulen wurde die Schulleitung befragt, an einer
Grundschule das Schulleitungsteam. An der Realschule
wurde ebenfalls die Schulleitung befragt. An einem
Gymnasium fand die Befragung mit der stellvertretenden
Schulleitung sowie mit einem zum Thema engagierten
Elternteil statt, am anderen Gymnasium wurde ein Mitglied
des Schulleitungsteams befragt.

43 
 
Überblick über die Ergebnisse

12. Überblick über die Ergebnisse

100
90
80
70
GS1
60
GS2
50
GS3
40
30 GS4
20 GS5
10 Real
0 Gym1
Gym2

An allen acht befragten Schulen gibt es bereits


Erfahrungen mit Schülerinnen oder Schülern mit
Beeinträchtigungen. An einer Grundschule gibt es eine
eigens eingerichtete Inklusionsklasse, an zwei
Grundschulen besteht eine Kooperationsklasse, eine
Grundschule hat eine Außenklasse und an einer anderen
Grundschule werden vier Kinder inklusiv beschult. Die
Realschule wird seit vielen Jahren immer wieder von
Kindern mit einer körperlichen Beeinträchtigung und
momentan von zwei leicht autistischen Kindern besucht,
ein Gymnasium nimmt seit langer Zeit Kinder der Kinder-
und Jugendpsychiatrie auf, während das andere Gymnasium
langjährige Erfahrungen mit Schülerinnen und Schülern mit
unterschiedlichen Arten von Behinderungen hat.

Vier der fünf befragten Grundschulen haben sich nicht mit


spezieller Literatur auf das Thema Inklusion vorbereitet,
an der Realschule und den beiden Gymnasien wurde
sporadisch Literatur genutzt.
44 
 
Überblick über die Ergebnisse

Drei der Grundschulen, die Realschule und beide Gymnasien


hatten bereits Kontakt mit einem Sachverständigen.
An drei Grundschulen, der Realschule und beiden Gymnasien
wurden noch keine Schulungen zum Thema Inklusion für die
Lehrkräfte angeboten.
Es wurde an keiner Schule speziell für die inklusive
Beschulung eine Fachkraft eingestellt. Nur an einer
Grundschule gibt es pädagogische Assistenzkräfte im
regulären Schulbetrieb, an den anderen Schulen sind
ausschließlich Pädagogen des jeweiligen Schultyps und
selten eine sonderpädagogische Fachkraft für einige
Förderstunden tätig.
An zwei Grundschulen existiert in den Klassen, in welchen
inklusiv beschult wird, ein Zwei-Pädagogen-Modell, eine
Grundschule beschult Schüler inklusiv ohne Zwei-
Pädagogen-Modell. Zwei Grundschulen und die Realschule
haben noch keinen Inklusionsunterricht, würden sich
hierfür aber ein Zwei-Pädagogen-Modell in den Klassen
wünschen. An einem Gymnasium besteht schon für die
Klassenlehrerstunden ein entsprechendes Modell, sollte
hier inklusiv beschult werden, würde dort ein Ausbau
dieses Modells gewünscht sein. Am anderen Gymnasium gibt
es trotz inklusiver Beschulung kein Zwei-Pädagogen-
Modell.

45 
 
Auswertung der Ergebnisse

13. Auswertung der Ergebnisse

13.1 Auswertung der Ergebnisse der Fragenblöcke 1-4

13.1.1 Grundschule 1

GS1
100
90
80
70
60
50
40
30
20 GS1
10
0

Grundschule 1 hat seit 2001 eine Integrationsklasse


welche drei Kinder mit Behinderung besuchen. Sechs
weitere Kinder mit festgestelltem sonderpädagogischem
Förderbedarf besuchen die Schule ohne spezielle
Betreuung, ein autistisches Kind besucht die Schule mit
einer Schulbegleitung. Zwei Kinder der Schule haben eine
Körperbehinderung und neun Kinder sind dem Sonder-
pädagogischen Dienst zur Überprüfung gemeldet. Zudem
besuchen viele Kinder mit ADHS und Verhaltens-
auffälligkeiten die Schule. Von 2001-05, 2003-07 und
2005-09 gab es an der Schule ISEP-Klassen (integratives
Schulentwicklungsprojekt), was jedoch 2010 aus
verwaltungstechnischen Gründen nicht mehr weitergeführt
werden konnte.

46 
 
Auswertung der Ergebnisse

Aufgrund langjähriger mentaler Vorbereitung war es laut


der Schulleitung nicht notwendig, Literatur zu Rate zu
ziehen. Wenn bei Kindern der sonderpädagogische
Förderbedarf festgestellt war, wurde jeweils ein
Sachverständiger hinzugezogen.

Die vom staatlichen Schulamt angebotenen Schulungen für


die Lehrkräfte werden wenig besucht, da die Lehrkräfte
der Schule meist selbst Fortbildungen durchführen. An der
Grundschule 1 wurde keine zusätzliche Kraft für die
Inklusion eingestellt. An der Schule arbeiten zu Zeit
Grundschulpädagogen, eine pädagogische Assistentin, eine
Assistenzkraft, eine Jugendliche im Freiwilligen Sozialen
Jahr, zwei Jahrespraktikantinnen der Arbeitserziehung und
ein Vierteljahrespraktikant der Arbeitserziehung.

Da sich die Grundschule 1 schon seit ihrer Gründung den


reformpädagogischen Ansätzen verpflichtet hat, war der
Unterricht von keinen grundlegenden Veränderungen
betroffen. Die Inklusionsklasse wird durchgehend von zwei
Pädagogen im Teamteaching unterrichtet, in einer weiteren
Modellklasse werden weitestgehend zwei Pädagogen
eingesetzt.

47 
 
Auswertung der Ergebnisse

13.1.2 Grundschule 2

GS2
100
90
80
70
60
50
40
30
20 GS2
10
0

Zurzeit besuchen keine inklusiv beschulten Schüler die


Grundschule 2. Zwei Kinder mit Lernbehinderung besuchen
die Schule im Rahmen einer Kooperationsklasse mit einer
Förderschule.

Die Schule führte in der Gesamtlehrerkonferenz eine


Besprechung zum Thema Inklusion durch, hat sich bisher
aber nicht durch Literatur vorbereitet. Bisher wurde noch
kein Sachverständiger hinzugezogen, die Schulleitung
würde im Inklusionsfall eine Fachperson des jeweiligen
Schultyps oder des Schulamtes kontaktieren.

Es fanden noch keine Schulungen für die Lehrkräfte statt,


die Schulleitung hält aber eventuell eine schulinterne
Fortbildung für sinnvoll. Bisher besteht das
Lehrerkollegium aus Grundschulpädagogen, eine
sonderpädagogische Fachkraft wäre aber gewünscht.

48 
 
Auswertung der Ergebnisse

Die Schulleitung geht davon aus, dass sich der Unterricht


verändern würde, wenn an der Schule ein inklusiv
beschultes Kind angemeldet werden würde. Diese
Veränderung würde mehr Differenzierung beinhalten.

In den Inklusionsklassen müsste es laut der Schulleitung


Teamteaching geben um eine Inklusion möglich zu machen.

13.1.3 Grundschule 3

GS3
70
60
50
40
30
20
GS3
10
0

Die Grundschule 3 wird seit 2010 von einem Kind, welches


als “Grenzfall“ und nicht als klassisches
„Inklusionskind“ beschrieben wird, ohne spezielle
Unterstützung besucht. Weiterhin wird ein Kind mit
Hörbehinderung beschult. Es besteht ein
Aussenklassenmodell mit einer Schule für Kinder mit
geistiger Behinderung.

49 
 
Auswertung der Ergebnisse

Von der Schulleitung wurden einige Bücher zum Thema


Inklusion bestellt sowie in Grundschulfachzeitschriften
Artikel gelesen. Der Besuch eines Sachverständigen wäre
im Inklusionsfall geplant. Eine Person des Schulamtes
besuchte bereits die Schule um über die Organisation zu
informieren.

Die Schulungen der Lehrkräfte wurden sehr individuell


gestaltet. Ein Mitglied des Schulleiterteams besuchte
eine Akademiefortbildung, andere Lehrkräfte haben
gemeinsam verschiedene Podiumsdiskussionen und
Inklusionsveranstaltungen besucht. Viele Lehrkräfte haben
sich durch Bücher, Internet, Veranstaltungen,
Diskussionen, Fernsehen oder andere Medien informiert.

Speziell für die inklusive Beschulung gibt es bisher


keine Fachkraft an der Schule. Das Kollegium setzt sich
aus Grund- und Hauptschullehrern zusammen. Die
Aussenklasse wird von einer Sonderpädagogin geleitet.
Diese ist aber nur für ihre Klasse einsetzbar.

Da an der Grundschule 3 der offene Unterricht ein


wichtiger Bestandteil ist und dort auch eine
altersgemischte Klasse unterrichtet wird, sieht das
Schulleitungsteam in diesem Aspekt eine Inklusion ohne
weitreichende Veränderungen als gut möglich an. Ein Zwei-
Pädagogen-Modell würde dafür begrüßt werden. Da die
Schule über sehr gute räumliche Voraussetzungen verfügt,
wäre eine Inklusion eines Schülers mit körperlicher
Beeinträchtigung laut den Aussagen des Schulleitungsteams
ohne große Vorbereitungen möglich.

50 
 
Auswertung der Ergebnisse

13.1.4 Grundschule 4

GS4
100
90
80
70
60
50
40
30
20 GS4
10
0

Seit 2009 und 2010 besuchen zwei Kinder mit


Lernbehinderung die Grundschule 4. Weiterhin werden dort
zwei Kinder mit Autismus, welche eine Schulbegleitung
haben, beschult.

Es wurde bisher keine vorbereitende Literatur benutzt.


Zur Unterstützung werden das Beratungsnetz der
Förderschulen und die Beratung über das staatliche
Schulamt hinzugezogen.

Bisher gab es zum speziellen Thema keine Schulungen für


die Lehrkräfte. Eine sonderpädagogische Fachkraft kommt
für wenige Förderstunden an die Schule, ansonsten besteht
das Kollegium aus Grundschullehrkräften.

An der Grundschule 4 gibt es bisher kein ausgewiesenes


Sonderschul- oder Inklusionskonzept, jedoch wird im
Unterricht der Versuch einer möglichst großen
Differenzierung unternommen. Für ein Zwei-Pädagogen-
Modell gibt es im Moment an der Grundschule 4 nicht
genügend Personal.

51 
 
Auswertung der Ergebnisse

13.1.5 Grundschule 5

GS5
100
90
80
70
60
50
40
30
20 GS5
10
0

An der Grundschule 5 besteht seit 2008 ein Kooperations-


klassenmodell mit einer Schule für Lernhilfe. Diese
Klasse besuchen mittlerweile noch fünf von ehemals sechs
Schülerinnen und Schülern mit Lernbehinderung. Ansonsten
werden an der Schule zwei Kinder mit sonderpädagogischem
Förderbedarf, ein Kind mit Erziehungshilfebedarf und ein
Kind mit Lernhilfebedarf beschult.

Aufgrund der langjährigen persönlichen Erfahrung der


Schulleitung mit Inklusion in einem anderen Bundesland
wurde keine vorbereitende Literatur hinzugezogen. Als
Sachverständiger war Herr Friedemann, ehemaliger
Schulleiter der Albert-Schweitzer-Schule,
Ansprechpartner.

Bisher wurden keine Schulungen für die Lehrkräfte


angeboten. Es gibt an der Schule noch keine feste
Fachkraft für Inklusion. Das Kollegium besteht aus
Grundschullehrkräften, davon eine Person mit Montessori-
Diplom. Zusätzlich kommt eine sonderpädagogische
Fachkraft für 14 Stunden in der Woche an die Schule.
52 
 
Auswertung der Ergebnisse

Da an der Schule von je her ein großes Leistungsgefälle


zwischen den Kindern bestand, musste schon immer sehr
differenziert unterrichtet werden. Dadurch stellt die
inklusive Beschulung wenig zusätzliche organisatorische
Probleme dar.

Die Kooperationsklasse wird von einer Regellehrkraft und


einer Sonderschullehrkraft im Teamteaching unterrichtet.

13.1.6 Realschule

Real
100
90
80
70
60
50
40
30
20 Real
10
0

An der Realschule wurden ab und zu Kinder mit


unterschiedlichen körperlichen Beeinträchtigungen
unterrichtet. Seit 2006 und 2008 sind zwei autistische
Kinder ohne Begleitung beschult. Unter den Regelschülern
finden sich viele Kinder mit ADHS und einer Lese-
Rechtschreibschwäche.

Die Schulleitung hat sich über aktuelle Artikel aus


Internet und Fachzeitschriften über das Thema Inklusion
informiert.

53 
 
Auswertung der Ergebnisse

Bei den regelmäßigen Treffen des Arbeitskreises der


geschäftsführenden Schulleiterinnen und Schulleiter aller
Schularten ist der geschäftsführende Schulleiter der
Sonder- und Förderschulen, Herr Jansen, Sachverständiger
und Ansprechpartner.

Schulungen zum übergeordneten Thema Inklusion wurden


bisher noch nicht angeboten, dies soll jedoch
stattfinden. Zu Fachthemen wie zum Nachteilsausgleich
oder bestimmten Krankheiten von Schülerinnen und Schülern
besuchten verschiedene Lehrkräfte immer wieder
Schulungen. Die befragte Person meint, an Regelschulen
würden bisher wenige Schulungen angeboten, da die Schulen
mit vielen anderen Themen ausgelastet seien. Es ist im
Moment noch keine Fachkraft für Inklusion an der
Realschule angestellt, das Kollegium besteht aus
Realschullehrkräften. Regelschullehrkräfte kommen laut
Aussage der Schulleitung bisher normalerweise nicht oder
nur wenig mit Kindern der Sonderschule in Kontakt.

Wenn Inklusion der Regelfall werden solle, müsste sich


laut Aussage der befragten Person die Gesamtstruktur der
Schulen sehr verändern. Bisher gäbe es an den Realschulen
viel Frontalunterricht mit Wissensvermittlung und wenig
Differenzierung. Da die Struktur in sich sehr starr sei,
würden Veränderungen aber längere Zeit brauchen. Die
Schulleitung ist zurzeit im Gespräch mit der Stadt um
über die räumlichen Gegebenheiten zu sprechen, da in der
Realschule, wie in vielen anderen Schulen in Freiburg
auch, die Klassen überfüllt sind. Ein Zwei-Pädagogen-
Modell wäre für die Schulleitung wünschenswert. Eine
zeitweise Doppelbesetzung in Inklusionsklassen wäre nicht
genug.

54 
 
Auswertung der Ergebnisse

13.1.7 Gymnasium 1

Gym1
100
90
80
70
60
50
40
30
20 Gym1
10
0

Das Gymnasium 1 wird öfter von Schülerinnen und Schülern,


die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt
werden, besucht. Dort soll getestet werden, ob für diese
Kinder ein Regelschulbesuch wieder möglich ist. Bisher
wurden am Gymnasium 1 keine typischen „Inklusionskinder“
unterrichtet. Bei Schülerinnen und Schülern mit
Beeinträchtigungen lag immer eine Gymnasialempfehlung
vor.

Da am Gymnasium 1 eine Beratungslehrerin tätig ist,


welche über aktuelle Literatur verfügt, wenden sich
sowohl die Schulleitung, als auch Lehrkräfte,
Schülerinnen und Schüler sowie Eltern an sie. Aus diesem
Grund wurde bisher auch kein externer Sachverständiger
hinzugezogen.

Schulungen zum Thema Inklusion wurden bisher nicht


angeboten, da sich die Lehrkräfte in diesem Fall auch an
die Beratungslehrerin wenden können. Bisher wurde keine
spezielle Fachkraft für Inklusion eingestellt.

55 
 
Auswertung der Ergebnisse

Die Beratungslehrerin ist schon länger Mitglied des


Kollegiums und bildete sich über viele Jahre hinweg
weiter. Ansonsten sind die Lehrkräfte Gymnasiallehrer.

Mit den notwenigen Veränderungen des Unterrichts für eine


inklusive Beschulung setzte sich am Gymnasium 1 eine
Projektgruppe rund um den befragten Elternteil
auseinander. Diese kontaktierten dafür Herrn Friedmann,
welcher riet, mit kleinen Schritten zu beginnen. Er
schlug beispielsweise eine Kooperation mit der Richard-
Mittermaier-Schule oder anderen Schulen, die sonder-
pädagogische Aufträge haben, vor. Zuerst solle ein
Nachmittag eventuell in Form einer AG gemeinsam gestaltet
werden. Danach sollten die Kinder schrittweise in den
Unterricht integriert werden. Eine sofortige Inklusion
wäre seiner Meinung nach nur für Kinder mit einer
körperlichen Beeinträchtigung umzusetzen. Die anderen
Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer sowie
die Eltern waren bei der Präsentation des Projekts sehr
daran interessiert.

Am Gymnasium 1 existiert bereits ein Zwei-Pädagogen-


Modell auf der Ebene der Klassenlehrerfunktion. Diese
unterrichten in den Klassenlehrerstunden je eine Klasse
im Teamteaching. Für die Umsetzung der inklusiven
Beschulung würde die Schulleitung es aber unterstützen,
außerschulische Fachkräfte hinzuzuziehen.

56 
 
Auswertung der Ergebnisse

13.1.8 Gymnasium 2

Gym2
100
90
80
70
60
50
40
30
20 Gym2
10
0

Im Gymnasium 2 werden schon seit mehreren Jahren immer


wieder Kinder mit verschiedenen Behinderungen beschult.
Auch hier liegt bei den Schülerinnen und Schülern immer
eine Gymnasialempfehlung vor.

Die befragte Person am Gymnasium 2 gehört dem


Schulleitungsteam an und hat sich nur wenig durch
Literatur in den Bereichen Pädagogik und Psychologie
vorbereitet. Als Sachverständige wurden eine Expertin der
Hörgeschädigten Schule Stegen sowie Frau Weyler, welche
die Autismusbeauftragte des Schulamtes Freiburg ist,
hinzugezogen.

Schulungen für die Lehrkräfte wurden bisher keine


angeboten, das Kollegium besprach sich in Konferenzen zu
auftretenden Problemen. Eine sonderpädagogische Fachkraft
gibt es bisher nicht, das Kollegium besteht aus
Gymnasialfachlehkräften.

57 
 
Auswertung der Ergebnisse

Der konkrete Fachunterricht am Gymnasium 2 hat sich nicht


verändert. Einige Sequenzen des Unterrichts laufen
naturgemäß anders ab, da das Kind mit Behinderung anders
auf manche Dinge reagiert. Ein Zwei-Pädagogen-Modell ist
noch nicht geplant, wäre aber laut der befragten Person
wünschenswert.

13.1.9 Durchschnittswerte der Ergebnisse

Aus den Durchschnittswerten der befragten Schulen für die


Frageblöcke 1 bis 4 ergibt sich folgendes Schaubild:

Durchschnitt
100
90
80
70
60
50
40
30
20 Durchschnitt
10
0

Es konnte bisher kein Anstieg der Zahl der inklusiv


beschulten Schüler nach Inkrafttreten der UN-
Behindertenrechtskonvention und der in Baden-Württemberg
geltenden Regelungen beobachtet werden. Das Schaubild
zeigt, dass die durchschnittliche Erfahrung der Schulen
mit Inklusion zwar recht hoch ist, die Vorbereitung im
Vergleich dazu aber eher niedrig. Der durchschnittliche
Kontakt zu Sachverständigen ist höher als die
hinzugezogene Literatur und die angebotenen Schulungen.

58 
 
Auswertung der Ergebnisse

Speziell für die Inklusion fest eingestellte Fachkräfte


gibt es nicht, die Kollegien der Schulen erhalten wenig
zusätzliche Unterstützung durch weitere Kräfte. Der
Unterricht wurde, falls ein oder mehrere Schülerinnen und
Schüler inklusiv beschult werden, aus den bereits oben
genannten Gründen im Durchschnitt wenig verändert.
Durchschnittlich besteht an wenigen Schulen zeitweise ein
zwei-Pädagogen-Modell.

13.2 Ergebnisse des Fragenblocks 5

Die Antworten im fünften Frageblock waren sehr


unterschiedlich. Fast alle Schulen machen sich Gedanken
über die Organisation und Finanzierung der Inklusion. Die
Überlegungen zu notwendigen räumlichen Veränderungen, der
Ressourcenfrage, dem fehlenden Fachpersonal und einer
professionellen Vorbereitung beherrschen die Aussagen der
Befragten in diesem Fragenblock.

Grundschule 1

Die Grundschule 1 ist mit den Rahmenbedingungen der


Inklusion bereits gut vertraut. Die befragte Person
beschäftigt sich gerade mit den Zahlen der inklusiv
beschulten Schülerinnen und Schüler in Freiburg, die
nicht als solche in den Statistiken geführt werden. Die
Zahl beläuft sich laut der Aussage im Grundschulbereich
auf 200 von insgesamt 1720 Schülerinnen und Schüler. Die
befragte Person sagt, dass die weiterführenden Schulen
nicht mit einer so hohen Zahl gerechnet hätten.

59 
 
Auswertung der Ergebnisse

Grundschule 2

In der Grundschule 2 werden bisher keine Schülerinnen


oder Schüler inklusiv beschult. Die befragte Person macht
sich vor allem Gedanken über die räumlichen Gegebenheiten
des Schulgebäudes.
Bisher ist die Schule nicht barrierefrei, so hätte ein
Kind mit Rollstuhl Schwierigkeiten. Hier müssten aus
Sicht der befragten Person Umgestaltungen stattfinden um
eine Inklusion zu ermöglichen, auch da kaum zusätzliche
Räume zu Verfügung stehen um beispielsweise den
Unterricht in mehrere Gruppen aufzuteilen.

Grundschule 3

In der Grundschule 3 ist dem Schulleitungsteam die


Ressourcenfrage ein wichtiges Anliegen. Beide sind der
Meinung, dass die personelle Besetzung für eine gelungene
Inklusion maßgebend ist. Ihrer Meinung nach ist Inklusion
nicht nur eine Frage der Haltung sondern auch der
Rahmenbedingungen, welche gut durchdacht werden müssten
und auch mit Kosten verbunden wären. Das Team sagt, dass
die Schule einem Inklusionskind ohne diese
Rahmenbedingungen vermutlich nicht ausreichend gerecht
werden kann.
Das Schulleitungsteam weist auch darauf hin, dass in
Freiburg eine Bündelung von Schülern mit ähnlicher
Beeinträchtigung geplant ist, welche dann gemeinsam an
einer Schule beschult werden sollen.

60 
 
Auswertung der Ergebnisse

Grundschule 4

Die Grundschule 4 beschult schon inklusiv, würde dafür


aber dringend mehr Fachpersonal benötigen. Die befragte
Person gibt an, dass die Landesverwaltung und die
nachgeordneten Schulbehörden von der Behinderten-
rechtskonvention überrascht wurden und das Schulamt jetzt
erst mit konkreten Maßnahmen beginnen würde. Die befragte
Person beobachtet gespannt die Entwicklungen, welche
durch die neue Landesregierung angestoßen werden.

Grundschule 5

Die befragte Person der Grundschule 5 hat langjährige


persönliche Erfahrungen auf dem Gebiet der Inklusion aus
einem anderen Bundesland. Für den gemeinsamen Unterricht
wäre es nach Meinung der befragten Person gut, wenn eine
sonderpädagogische Fachkraft fest an der Schule
angestellt wäre. So könnte diese flexibel dort eingesetzt
werden, wo sie gebraucht wird. Dieses Modell wurde in
einem anderen Bundesland, in welchem die befragte Person
zuvor beschäftigt war, bereits praktiziert und war dort
sehr erfolgreich. Da an der Grundschule 5 gerade eine
weitere Kooperationsklasse vorbereitet wird, ist es der
befragten Person sehr wichtig, dass jeder Inklusionsfall
als Einzelfall betrachtet werden sollte und daher jeder
Fall eine andere Herangehensweise benötigt. Somit seien
zu enge Richtlinien, welche die Klassengröße und Anzahl
der Kinder mit Behinderung betreffen, für solche Klassen
hinderlich.

61 
 
Auswertung der Ergebnisse

Realschule

Die Schulleitung der Realschule ist der Meinung, dass


jede Freiburger Schule bereits Erfahrungen mit Kindern
hat, die einen Förderbedarf oder eine körperliche
Beeinträchtigung haben und diese schon zum Normalstatus
gehören. Allerdings sei das Unterstützungssystem für
Kinder mit einer geistigen Beeinträchtigung nicht
geklärt. Die bereitgestellten Stunden der Sonderpädagogen
wären für die Regelschule meistens zu wenig, aber die
Sonderschulen müssen diese aus ihrem eigenen Kontingent
bestreiten, was diesen Aspekt erschwert. Bisher gibt es
keine gesetzlich festgelegte sonderpädagogische
Stundenzahl.

Die befragte Person erläutert, dass zunächst angeordnet


war, dass die Inklusion an den Regelschulen ressourcen-
neutral gestaltet werden sollte, was aber von allen
Seiten als nicht durchführbar angesehen wurde. Da die
Klassengröße der Realschulen bereits mehr als
ausgeschöpft ist, hält es die befragte Person für schwer,
zusätzlich noch Kinder inklusiv zu beschulen und diesen
dabei gerecht zu werden. Die notwendige Differenzierung
im Regelunterricht wäre schon sehr schwer, aber das
inklusiv beschulte Kind sollte im Unterricht nicht nur
„mitlaufen“, sondern in die Arbeitsprozesse mit
einbezogen sein, um auch bei den Schülerinnen und
Schülern ohne Behinderung eine Akzeptanz zu erlangen. Die
Probleme der Inklusion lägen nicht an der Haltung der
beteiligten Personen sondern an den Rahmenbedingungen, an
welchen auch Fragen zum Leistungsniveau, Bewertung,
Versetzung und Abschluss-prüfungen hingen. Das
Fachlehrerprinzip der weiterführenden Schulen erschwere
die Inklusion auch, da dadurch die Lehrperson für eine
Klasse mehrmals am Tag wechselt.

62 
 
Auswertung der Ergebnisse

Die bisherige Zahl der Schülerinnen und Schüler, welche


nach einer inklusiven Beschulung in der Grundschule eine
weiterführende Schule besuchen, ist laut Aussage der
befragten Person sehr niedrig. Ob sich dies ändert, würde
vom Erfolg der Inklusion in den weiterführenden Schulen
abhängen.
Die befragte Person der Realschule sagt, dass ein Modell,
welches aus den USA bekannt ist, in Deutschland durchaus
vorstellbar sein könnte. Hierbei übernimmt eine Schülern
oder ein Schüler ohne Beeinträchtigung im Rahmen eines
Unterrichtsfachs die Betreuung für ein inklusiv
beschultes Kind für einen gewissen Zeitraum. Aber auch
dafür müsse sich das System ändern, andere räumliche
Voraussetzungen geschaffen, über die Betreuungs-
modalitäten verhandelt und die Zielrichtung neu ausgelegt
werden.

Die Schulleitung der Realschule befürwortet Inklusion aus


dem Grund, da die Heterogenität der Menschen auch in der
Schule wiedergespiegelt werden soll. Es sei wichtig, die
Strukturdebatte fortzuführen, Mut für eine
Strukturveränderung aufzubringen, welche Geld und Zeit
kostet, sowie sich nicht von den momentan großen
Hindernissen davon abbringen zu lassen. Jedoch müsse
Inklusion professionell angegangen werden und kein
„laienhaft zusammengestückeltes“ Hilfsmodell werden. Auch
die Schulleitung der Realschule will die Entscheidungen
der neuen Landesregierung abwarten.

63 
 
Auswertung der Ergebnisse

Gymnasium 1

Im Gymnasium 1 werden die Rahmenbedingungen der Inklusion


auch als wichtiges Thema angesehen. Diese müssten sich
ändern um Inklusion erfolgreich zu gestalten. Die
befragten Personen geben an, es müssten mehr Räume, mehr
Personal und eine gute Finanzierung gewährleistet sein.
Die Klassengrößen sollten sich ändern und es müsste
geklärt werden, wie damit umgegangen wird, wenn der
bisherige Nachteilsausgleich für das inklusiv beschulte
Kind nicht ausreicht. Weiterhin würden sie sich einen
Handlungsleitfaden in Form einer „Checkliste“ für die
Schulen wünschen, in welchem aufgeführt wird, was im Fall
einer Anmeldung für eine inklusive Beschulung zu tun ist.
Die Bereiche „bauliche Voraussetzungen“, „Reduzierung der
Umzugsfrequenz der Klassen“ und „zusätzlich benötigte
Unterstützung“ (evtl. sonderpädagogische Betreuung oder
Person im Freiwilligen Sozialen Jahr) sollten darin
abgedeckt werden. Die Schulleitung würde im Fall einer
Anmeldung auch einen „Inklusionsbeauftragten“ an der
Schule benennen, bei welchem alle organisatorischen
Aspekte zusammenlaufen sollten. Die befragten Personen
sind der Meinung, dass die Inklusion in den
weiterführenden Schulen ein Problem geben könnte, da
viele Eltern ihre inklusiv beschulten Kinder nach der
Grundschule nach ihrer Ansicht nicht an einer Freiburger
Hauptschule weiter beschulen lassen wollten. Sie sehen
ein Problem darin, dass auch Eltern von Kindern ohne
Beeinträchtigung ihre Kinder am liebsten an einem
Gymnasium anmelden wollen würden, da das soziale Umfeld
an bestimmten Haupt- und Realschulen keinen guten Ruf
hätte. Aufgrund der zusätzlichen Belastung der
Schülerinnen und Schüler durch das achtjährige Gymnasium
würden viele Kinder in der Mittelstufe auf eine

64 
 
Auswertung der Ergebnisse

Realschule wechseln, weshalb dort die Klassen oft sehr


groß wären und somit Inklusion fast nicht möglich sei.

Eine der befragten Personen hat Kontakt zu einem Verein


„Bildung neu denken“. Daher verfügt diese Person über
Erfahrungsberichte von anderen Schulen und deren
Probleme. Eine Schule in freier Trägerschaft hatte laut
der Aussage der befragten Person zwei bis drei Kinder mit
körperlicher Beeinträchtigung aufgenommen, welche zuvor
eine andere Schule besucht hatten. Es sei schwierig
gewesen, die Situation des Schulalltags umzusetzen, da
zusätzliches pädagogisches Personal fehlte und die
eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer den Mehraufwand nicht
alleine bewältigen konnten. Der außerschulische Aufwand
sei groß gewesen, der labile Gesundheitszustand der
inklusiv beschulten Kinder hätte oft zu problematischen
Situationen geführt und der Transport zur Schule klappte
nicht immer reibungslos. Das Projekt an der Schule in
freier Trägerschaft wird nicht weiterlaufen, was an der
nicht leistbaren Umsetzung läge. Die befragte Person
nimmt auch deshalb an, dass viele Eltern ihre Kinder mit
Beeinträchtigung lieber an einer Sonderschule beschulen
lassen würden, da sie wüssten, dass ihr Kind dort optimal
versorgt ist. Um Inklusion an der Regelschule gut
umzusetzen, wären mehr finanzielle Investitionen
notwendig.

Den befragten Personen am Gymnasium 1 ist auch wichtig,


dass das Thema Inklusion und seine Vorbereitung sowie
Probleme und Lösungen auch von den Professoren aus der
Katholischen Hochschule heraus an die entsprechenden
Verantwortlichen im Schulamt und der Regierung getragen
würde. Es sei wichtig, dass die Experten der Katholischen
Hochschule den Verantwortlichen vermitteln, dass
Inklusion nicht „von heute auf morgen“ funktioniert.

65 
 
Persönliches Fazit aus den Ergebnissen

Gymnasium 2

Am Gymnasium 2 ist Inklusion schon seit mehreren Jahren


Bestandteil des Schullebens, deshalb ist es der befragten
Person wichtig, Ihre Erfahrung in der Vorbereitung der
Klasse und der Eltern weiterzugeben. Es sei ebenso
wichtig, die Eltern zu informieren und aufzuklären sowie
die Kinder in der Klasse. Oftmals sei dies bei den Eltern
schwieriger, da diese sich viele Sorgen und Gedanken um
das Wohlbefinden und schulische Fortkommen ihres Kindes
ohne Behinderung machten. Auch zum Thema Demokratie-
pädagogik wäre Aufklärung der Eltern ein Aspekt, der
wesentlich zum Gelingen der Inklusion beitragen würde.

14. Persönliches Fazit aus den Ergebnissen

In den Befragungen wurde deutlich, dass die Schulen eine


grundsätzlich offene Haltung gegenüber der inklusiven
Beschulung haben. Es wird aber auch aufgezeigt, dass
Inklusion unter den zur Zeit gegeben Rahmenbedingungen
nicht optimal möglich ist.

Um Inklusion erfolgreich zu ermöglichen, müssten sich für


viele Schulen die Rahmenbedingungen deutlich ändern.
Bereits die räumlichen Voraussetzungen der meisten
Schulen lassen einen differenzierten Unterricht nur in
geringem Maße zu. Im Moment verfügen die Schulen oft nur
über kleine und überfüllte Klassenräume und nur selten
über zusätzliche Möglichkeiten, Unterricht in
Kleingruppen zu ermöglichen.

66 
 
Persönliches Fazit aus den Ergebnissen

Eine Ausstattung mit speziellen Mitteln für inklusiven


Unterricht ist nicht gegeben.
Nicht nur in die räumlichen Gegebenheiten müsste
investiert werden, sondern auch in die Ausstattung von
Fachpersonal. An den Schulen sollten sonderpädagogische
Fachpersonen fest in das Kollegium eingebunden werden, um
eine Doppelbesetzung der Lehrkräfte in den Klassen zu
gewährleisten. Diese Doppelbesetzung wäre notwendig, um
im Sinne der Inklusion allen Kindern der Klasse die
optimale Förderung zukommen zu lassen. Ebenso sollte an
den Schulen eine speziell für die Inklusion zuständige
Person eingesetzt werden, welche sich um die Organisation
kümmert und bei welcher alle Informationen gebündelt
werden. Die Schulen bräuchten momentan klare Vorgaben zur
Beurteilung und Versetzung der Schülerinnen und Schüler,
welche inklusiv beschult werden sowie zur Zielsetzung
hinsichtlich des Bildungswerdegangs.

Im eigentlichen Sinne der Inklusion ist keine


Sonderbehandlung der inklusiv beschulten Schülerinnen und
Schüler vorgesehen, weshalb für eine wahre Inklusion die
Strukturen des Bildungssystems komplett aufgebrochen
werden müssten. Meiner Meinung nach würde eine
Gesamtschule für alle Schülerinnen und Schüler jeder
Schulform mit einem Kollegium aus Regelschul- und
Sonderschullehrkräften das Leitbild der Inklusion am
besten umsetzen können. Diese Schulform müsste mit
fachkundiger Hilfe gut geplant und die dafür notwendigen
Veränderungen mit einem langfristigen Zeitplan angesetzt
werden.

In den Grundschulen gibt es weniger Strukturprobleme als


in den weiterführenden Schulen, da an den Grundschulen
vom Lehrplan und der Lehrersituation her einfacher auf
die notwendigen Veränderungen für eine Inklusion
eingegangen werden kann.
67 
 
Persönliches Fazit aus den Ergebnissen

Es gibt dort ein Klassenlehrkraft, welche die meisten


Stunden in der Klasse übernimmt und so die Möglichkeit
hat, gezielter die Bedürfnisse der einzelnen Kinder zu
ermitteln. Der Lehrplan eignet sich gut für offenen
Unterricht mit differenzierten Aufgabenstellungen. In den
weiterführenden Schulen jedoch hat eine Klasse für die
meisten Unterrichtsfächer eine andere Lehrerin oder einen
anderen Lehrer und der Lehrplan sieht eine wenig
differenzierbare Wissensvermittlung vor. Die
weiterführenden Schulen haben als Leistungsziel für die
Schülerinnen und Schüler die Abschlussprüfung und damit
das Erreichen eines Schulabschlusses festgelegt. In der
Grundschule ist es daher leichter, verschiedene
Leistungsziele zu definieren und umzusetzen. In den
weiterführenden Schulen spielen Dinge wie Versetzung und
Benotung eine sehr viel größere Rolle als in den
Grundschulen, weshalb hier ein alternatives Verfahren für
inklusiv beschulte Kinder schwieriger einzuflechten ist.
In den Grundschulen ist der allgemeine Leistungsdruck
niedriger und die Gesamtsituation wird von Natur aus dort
spielerischer gestaltet, was eine differenzierte
Betrachtungsweise für jede Schülerin und jeden Schüler
eher zulässt. Aus diesem Grund nehme ich an, dass mehr
Schülerinnen und Schüler in den Grundschulen inklusiv
beschult werden als später in einer weiterführenden
Schule. Da viele Schulen schon mit ihren Problemen der
Regelbeschulung sehr ausgelastet sind, kann ich es gut
nachvollziehen, dass die inklusiv beschulten Kinder nach
der Grundschule auf eine Sonderschule wechseln. Soll
Inklusion in ihrem eigentlichen Sinne gelingen, muss sich
dies ändern.

68 
 
Persönliches Fazit aus den Ergebnissen

Dass die Schulen mit ihrer momentanen Situation


überlastet sind, zeigt sich nicht nur in den Befragungen
sondern auch in den Rückmeldung auf die Anfrage für eine
Befragung. Viele Schulen vergaben keine Befragungs-
termine, da sie aufgrund der eigenen organisatorischen
Aufgaben entweder keine Zeit fanden, jemanden für 15
Minuten zu einer Befragung zu entbehren oder sich aus den
gleichen Gründen noch nicht mit dem Thema Inklusion
beschäftigen konnten und daher keine Befragung wünschen.

15. Ausblick

Damit Inklusion gelingen kann, müssen viele Maßnahmen


ergriffen werden. Die Verantwortlichen sollten die
Courage aufbringen, Lösungsmöglichkeiten und
Veränderungsvorschläge zu prüfen und gegebenenfalls
umzusetzen, auch wenn diese gravierende Veränderungen im
bestehenden System verlangen. Nur so eröffnet sich eine
Chance auf eine positive Entwicklung im gemeinsamen
Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne
Behinderung und eine echte Akzeptanz und Teilhabe in der
Gesellschaft. Die meisten Schulen sind noch weit von
einer optimalen Vorbereitung auf den gemeinsamen
Unterricht entfernt. Jedoch muss, wenn auch im Moment in
kleiner Zahl, mit Anmeldungen von Schülerinnen und
Schülern mit Behinderung - insbesondere an Grundschulen -
gerechnet werden.

69 
 
Ausblick

Die Entwicklung der Inklusion in Baden-Württemberg könnte


in drei verschiedenen Richtungen verlaufen, welche im
Folgenden aufgezeigt werden sollen.

Szenario 1

Die bestmögliche Entwicklung würde eintreten, wenn der


durch die rechtlich vorgegebenen Grundlagen nun
entstehende Druck in der Umstrukturierung viel bewegt.
Die Struktur des Schulsystems löst sich auf und führt zum
Entstehen vieler Gesamtschulen für alle Schülerinnen und
Schüler an zahlreichen Orten. Die Haupt-, Real-, Berufs-
und Sonderschulen sowie Gymnasien formen sich zu
professionsübergreifenden Bildungszentren. Die
Schülerinnen und Schüler werden hier im gemeinsamen
Unterricht in leistungsheterogenen Gruppen von mehreren
Pädagogen unterrichtet. Einzelne Leistungsziele werden
festgelegt und im zieldifferenten Unterricht umgesetzt.
So können die Menschenrechte gewahrt werden und den
Schülerinnen und Schülern dieser Bildungszentren kommt
eine möglichst optimale Förderung zu. Nicht nur die
Chancen zur Teilhabe der Kinder mit Behinderung steigen
so, sondern auch das zunehmende Problem der Integration
und Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit
Migrationshintergrund könnte eingedämmt werden. Wirkliche
Chancengleichheit unabhängig vom Elternhaus würde so auch
für diese Kinder entstehen. Auch die Situation an einigen
Hauptschulen, welche mittlerweile „Brennpunkt-
hauptschulen“ genannt werden, kann durch eine Verteilung
der Schülerinnen und Schüler auf Lerngruppen
verschiedener Leistungs- und Herkunftsmilieus und
differenzierter Förderung in den Bildungszentren
entschärft werden.

70 
 
Ausblick

Der Entwicklung des „Aussterbens“ von Schulen im


ländlichen Raum könnte ebenfalls mit der Einrichtung
eines Bildungszentrums entgegengewirkt werden. Besuchen
alle Schülerinnen und Schüler einer Region eine
gemeinsame Schule, würde der Standort dieser Schule durch
eine ausreichende Schülerzahl gesichert werden.

Hierfür wäre neben den genannten strukturellen


Veränderungen auch eine Umverteilung der finanziellen
Mittel notwendig. Die separate Finanzierung der
unterschiedlichen Schulen müsste zur Gesamtfinanzierung
des Bildungszentrums umgeformt werden. Auch andere
Mittel, wie zum Beispiel Teile der Finanzierung von
Gewaltprävention an „Brennpunktschulen“ oder speziellen
Einrichtungen zur Eingliederung von Menschen mit
Migrationshintergrund sowie anderen Maßnahmen, die dann
auch in den Auftrag des Bildungszentrums übergehen
würden, könnten zur Finanzierung dieses Zentrums
umverteilt werden.

Durch die momentane Veränderung der politischen


Landschaft Baden-Württembergs sind solche Überlegungen
realistischer als in der Vergangenheit. Die grün-rote
Landesregierung vertritt in Ihren politischen Grundsätzen
die Ideen einer gemeinsamen Bildung von allen
Schülerinnen und Schülern und könnte somit den Grundstein
für Gesamtbildungszentren in ganz Baden-Württemberg
legen.

71 
 
Ausblick

Szenario 2

Es sind jedoch auch umgekehrte Entwicklungen nicht


auszuschließen. Da im Moment noch eher wenige konkrete
Maßnahmen an den Schulen und von den Schulämtern
durchgeführt werden, könnte das zurzeit bestehende Modell
der improvisierten Inklusion über längere Zeit bestehen
bleiben. Den Schulen würde es an Ausstattung und
Fachpersonal mangeln, was dazu führen würde, dass die
zuständigen Lehrkräfte versuchen, mit ihren wenigen
Mitteln den gemeinsamen Unterricht zu gestalten. Das
daraus resultierende „Hilfskonstrukt“ führt zu einer
Überforderung der Lehrkräfte und der Schulen, da sich
diese in ihrer momentanen Situation auch ohne
Schülerinnen und Schüler mit Behinderung oft schon an den
Grenzen der Belastbarkeit befinden. Die Lehrkräfte
versuchen, das Kind mit Behinderung in ihre Klasse
aufzunehmen, können ihm aber keine optimale Förderung
zukommen lassen. Im schlechtesten Fall sitzt das Kind im
Unterricht dabei, wird aber ansonsten aus Mangel an Zeit
und Personal sich selbst überlassen. Dies ist verlorene
Zeit für die Entwicklung der Schülerin oder des Schülers
mit Behinderung. Die Schülerinnen und Schüler ohne
Behinderung profitieren auch nicht von der inklusiven
Beschulung und könnten durch die Ablenkung der Lehrkraft
durch das Kind mit Behinderung eventuell einer
suboptimalen Situation ausgesetzt sein. In diesem Fall
hätte der gemeinsame Unterricht für keinen der
Beteiligten einen Vorteil und die Fördersituation würde
sich für die Schülerinnen und Schüler mit und ohne
Behinderung verschlechtern.

72 
 
Ausblick

Szenario 3

Als realistisch kann eine Entwicklung zwischen den


Extremen der genannten Szenarien angesehen werden. Die
Schulen bleiben in ihrer groben Struktur bestehen und
werden durch verschiedene Maßnahmen auf den gemeinsamen
Unterricht vorbereitet. Die Schülerinnen und Schüler
werden, wie im Moment in der Planung des Schulamts
Freiburg vorgesehen, je nach Art ihrer Beeinträchtigung
in verschiedenen Schulen gebündelt beschult. Diese
Schulen werden mit mehr Fachkräften zur Unterstützung
ausgestattet und erhalten die notwendigen Veränderungen.

Die Inklusion gelingt je nach Schule mehr oder weniger


optimal und benötigt einige Zeit, um sich zu etablieren.
An den Grundschulen wird die so umgesetzte Inklusion
vermutlich gut gelingen können, jedoch könnte es weiter-
hin Schwierigkeiten im Übergang auf eine weiterführende
Schule geben, da die generellen Strukturprobleme nicht
gelöst wurden. Die sonderpädagogischen Bildungs- und
Beratungszentren werden voraussichtlich weiterhin
vorrangig der Ort sein, an welchem Schülerinnen und
Schüler mit Behinderung beschult werden. Jedoch erhalten
Eltern, welchen die Teilhabe ihres Kindes an der
Schulgesellschaft der allgemeinen Schule wichtig ist, die
Möglichkeit, dies zu realisieren. Es könnte einige
Schulen geben, die sich in der Inklusion besonders
hervorheben und an welchen Eltern dann bevorzugt ihr Kind
mit Behinderung beschulen lassen.

73 
 
Ausblick

Weitere Forschung

Die Entwicklung der Inklusion in Baden-Württemberg und im


Rest von Deutschland ist sicherlich mit Spannung
weiterhin zu beobachten. Der Sachverhalt könnte mit
besonderem Fokus auf die weitere Vorbereitung der Schulen
und der Umgestaltung der Strukturen erneut untersucht
werden. Vermutlich wären Tendenzen zu größeren
Entwicklungen in etwa fünf Jahren zu sehen, diese könnten
dann ebenfalls nochmals erforscht werden. Gerade Freiburg
als Erprobungsstandort könnte mit Erfolgen vorangehen,
was ebenfalls in neuen Forschungen evaluiert werden
sollte.

74 
 
Quellenverzeichnis

16. Quellenverzeichnis

16.1 Literatur

• „Auf der Suche nach der Wirklichkeit“


Schelsky, Helmut: Auf der Suche nach der
Wirklichkeit. Gebundene Ausgabe. Düsseldorf.
(Diederichs). 1965.

• „Behinderte Kinder und Jugendliche in Regelschulen“


Christ, Klaus; Fuchs, Isolde; Hildeschmidt, Anne;
Jung, Joachim; Krämer, Herbert; Molaro-Philippi,
Iris; Raidt, Peter; Sander, Alfred: Behinderte
Kinder und Jugendliche in Regelschulen –
Jahresbericht 1987 über schulische Integration im
Saarland. St. Ingbert. (Werner J. Röhrig Verlag).
1988

• „Das Fläming Modell“


Projektgruppe Integrationsversuch (Hrsg.): Das
Fläming Modell – Gemeinsamer Unterricht für
behinderte und nichtbehinderte Kinder an der
Grundschule. Weinheim; Basel. (Beltz Verlag). 1988

• „Gutachten zur Integration“


Mand, Johannes: Gutachten zur Integration von
lernbehinderten und verhaltensgestörten Schülern in
Schulen der Sekundarstufe I: zwei Gutachten für das
Pädagogische Landesinstitut Brandenburg. Kempen.
(Verlag für Empirische Forschung, Wissenschaft und
Literatur). 1999

75 
 
Quellenverzeichnis

• „Gute Nachricht Bibel“


Gute Nachricht Bibel, Sonderausgabe des
Bibellesebundes und des Deutschen EC-Verbandes.
Revidierte Fassung 1997 der „Bibel in heutigem
Deutsch“. Stuttgart. (Deutsche Bibelgesellschaft).
1997

• „Handbuch der Integration 2. Aufl.“


Eberwein, Hans (Hrsg.): Behinderte und
Nichtbehinderte lernen gemeinsam – Handbuch der
Integrationspädagogik. 2., überarbeitete Auflage.
Weinheim; Basel. (Beltz Verlag). 1990

• „Integrativer Unterricht in der Grundschule“


Feuser, Georg; Meyer, Heike: Integrativer Unterricht
in der Grundschule –Ein Zwischenbericht-. Solms.
(Jarick Oberbiel Verlag) 1987

• „Meyers Taschenlexikon“
Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.): Meyers
Taschenlexikon in 10 Bänden. Band 5 Indi-Lau.
Mannheim. (Bibliographisches Institut & F.A.
Brockhaus AG, B-I-Taschenbuchverlag). 1996

76 
 
Quellenverzeichnis

16.2 Internetquellen

• „www.bdp-klinische-psychologie.de“:
Gegenüberstellung Integration-Inklusion

http://www.bdp-klinische-
psychologie.de/service/downloads/Integration_Inklusi
on%20Gegen%FCberstellung.pdf

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.bildungs-klick.de“

http://bildungsklick.de/a/73000/inklusion-viele-
modelle-statt-einer-schule-fuer-alle/

               Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.bildungsxperten.net“: Was ist Bildung?

http://www.bildungsxperten.net/wissen/was-ist-
bildung/

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.bundestag.de“: Grundgesetz

http://www.bundestag.de/dokumente/rechtsgrundlagen/g
rundgesetz/index.html

Aufgerufen am 11.06.2011

77 
 
Quellenverzeichnis

• „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: Recht auf


Bildung

http://www.institut-fuer-
menschenrechte.de/de/menschenrechtsinstrumente/verei
nte-nationen/menschenrechtsabkommen.html

weiterführender Link:
http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?Lan
gID=ger

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: UN-
Behindertenrechtskonvention

http://www.institut-fuer-
menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-
Dateien/Pakte_Konventionen/CRPD_behindertenrechtskon
vention/crpd_de.pdf

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.institut-fuer-menschenrechte.de“: Vereinte
Nationen

http://www.institut-fuer-
menschenrechte.de/de/menschenrechtsinstrumente/verei
nte-nationen.html

Aufgerufen am 11.06.2011

78 
 
Quellenverzeichnis

• „www.lexikon.stangel.eu“: Lexikon für Psychologie und


Pädagogik

http://lexikon.stangl.eu/244/inklusion/

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.nibis.de“: Sonderpädagogischer Förderbedarf

http://www.nibis.de/~infosos/foerderbedarf-
entwicklung.htm

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.schule-bw.de“

http://www.schule-
bw.de/entwicklung/bildungsbericht/themenheft/c.pdf

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.sign-lang.uni-hamburg.de“: Institut für


deutsche Gebärdensprache und Kommunikation
Gehörloser

http://www.sign-lang.uni-
hamburg.de/projekte/slex/seitendvd/konzepte/l52/l521
1.htm

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.wikipedia.de“: Humanismus
79 
 
Quellenverzeichnis

http://de.wikipedia.org/wiki/Humanismus#cite_ref-5

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.zitate.de“: Konfuzius

http://www.zitate.de/autor/Konfuzius/

Aufgerufen am 11.06.2011

• „www.zitate.de“: Maria Montessori

http://www.zitate.de/autor/Montessori%2C+Maria/

Aufgerufen am 11.06.2011

80 
 
Transkription der Interviews

17. Anhang

17.1 Transkription Grundschule 1

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung

Frage: Besucht ein inklusiv beschulter Schüler Ihre


Schule und wenn ja, seit wann und wie viele?

Antwort: Wir haben seit diesem Schuljahr eine


Inklusionsklasse. Dort sind drei Kinder, eins mit starker
Entwicklungsverzögerung, zwei mit Down-Syndrom. Und dann
haben wir eine Reihe von Schülern, da müsse Sie
spezifizieren, was Sie genau mit Inklusion meinen. Wir
haben eine Reihe von Schülern, bei denen ein
sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt ist die
trotzdem hier sind, ohne zusätzliche Unterstützung. Das
sind 6 Kinder. Wir haben aktuell 9 Kinder dem
Sonderpädagogischen Dienst gemeldet zur Überprüfung,
einfach um Fakten zu schaffen. Nicht, weil wir die Kinder
loswerden wollen, sondern weil wir denken, das sind
Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Wir haben
ein autistisches Kind mit Schulbegleitung, wir haben ein
halbseitig gelähmtes Kind jetzt in der vierten Klasse und
in der gleichen vierten Klasse gibt es ein Kind, das
aufgrund von Wachstumsproblemen an den Rollstuhl gebunden
ist. Dann haben wir jede Menge von Kindern mit ADHS-
Syndrom.
81 
 
Transkription der Interviews

Und noch viele Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten, wo


wir jeweils denken, die müssten auch der Sonderschule
vorgestellt werden.

Fr.: Wann hat die Schule angefangen, auch Schüler


aufzunehmen, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf
haben?

A: 2001 hatten wir die erste sogenannte ISEP-Klasse, das


integrative Schulentwicklungsprojekt. Wir hatten
insgesamt drei Durchgänge von ISEP: 2001-05, 2003-07 und
2005-09. Wir haben uns als Schule ab 2006 positioniert.
In unserem Schulprogramm steht, dass wir für den
gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne
Behinderung sind. Wo wir allerdings genau die
Ressourcenlage definieren müssen, das kann nicht ohne
zusätzliche Unterstützung erfolgen. Sicher, seit 2001
verfolgt die Schule diesen Weg.

Fr.: Wissen Sie, ob im Vorfeld zur Vorbereitung auf diese


Schüler Lektüre benutzt wurde, und wenn ja, welche?

A: Sie meinen, ob sich die Kollegen fortgebildet haben?

Fr.: Zur konkreten Schulung der Lehrkräfte habe ich


später auch noch eine Frage. Es gibt ja Schulversuche und
alle mögliche Literatur. Haben Sie etwas davon gelesen?

A: Das war nicht unbedingt notwendig, weil wir seit 2006


gezielt für das Fortführen des gemeinsamen Unterrichts
gekämpft haben, das war 2009/10 leider nicht möglich, aus
verwaltungstechnischen Gründen. Insofern war ich in einer
Luxussituation jetzt etwa vor einem Jahr als wir dann
gefragt wurden, ob wir Kinder mit Inklusion nehmen würden
oder nicht. Da hatte ich vier Kolleginnen zur Auswahl,
die es gern gemacht hätten. Das haben wir dann
miteinander besprochen, wie wir das angehen in diesem
Schuljahr.
82 
 
Transkription der Interviews

Insofern war die mentale Vorbereitung längst da.


Letztendlich hat das Kollegium gesagt, oder haben die
Inklusionskollegen gesagt, „wir lassen und auf die Kinder
ein“ und so wurde einfach mit den Kindern zusammen
erfahren, was geht und wo sind Grenzen.

Fr: Und wurde zur Vorbereitung davor ein Sachverständiger


hinzugezogen, der Ihnen Unterstützung angeboten hat?

A: Insofern als der sonderpädagogische Förderbedarf klar


beschrieben wurde, ja.

Fr.: Und wurden Schulungen für die Lehrkräfte angeboten


und welche, wenn ja?

A: Es werden welche angeboten im Bereich des staatlichen


Schulamts Freiburg, allerdings nehmen da meine
Kolleginnen eher spärlich teil, weil sie selber oft in
der Fortbildner-Situation sind.

Fr.: Wurde speziell daraufhin abgezielt eine Lehrkraft


eingestellt?

A: Nein. Wir haben ja die Situation, dass wir wie gesagt


seit 2006 einen Beschluss gefasst haben, dass wir für den
gemeinsamen Unterricht sind. Und die Voraussetzung für
die Zustimmung im Kollegium war, dass wenn man ja sagt,
diese Kinder oder Klasse übernehmen muss und nicht weiter
gefragt wird. Dann hätte ich die Situation, dass ich
dauernd immer nachfragen müsste. Der Beschluss fiel
übrigens einstimmig, das scheint mir noch ganz wichtig zu
sein.

Fr.: Und wie setzt sich momentan das Lehrerkollegium


zusammen?

83 
 
Transkription der Interviews

A: 21 Personen lehrendes Personal, drei Männer, der Rest


Frauen, Vollzeitbeschäftigt sind wir zu dritt, alle
anderen sind Teilzeitbeschäftigt. Vom Altersdurchschnitt
her ist es so, dass in den nächsten vier, fünf Jahren der
Großteil des Kollegiums pensioniert wird. Die anderen
sind jüngere Kolleginnen und Kollegen.

Fr.: Und das sind Grundschullehrerinnen- und lehrer?

A: Nein, aber die habe ich nicht zum lehrenden Personal


gezählt. Wir haben noch eine pädagogische Assistentin, in
der Inklusionsklasse eine Assistenzkraft, eine FSJlerin,
wir haben darüber hinaus zwei Jahrespraktikantinnen der
Arbeitserziehung plus einen Vierteljahrespraktikanten der
Arbeitserziehung. Insgesamt so über 100 Unterstützer die
direkt am Kind arbeiten. Bei rund 220 Kindern die wir
haben.

Fr.: Und als Sie 2001 oder auch 2006 umgestellt haben,
hat sich da auch der Unterricht konkret verändert hin zu
Projektarbeit oder ist das eher vergleichbar mit anderem
Grundschulunterricht geblieben?

A: Also die Schule hat seit ihrer Eröffnung 1971, sie


wird dieses Jahr 40 Jahre alt, sich den reform-
pädagogischen Grundsätzen verpflichtet gesehen. Insofern
war die Eröffnung der ersten ISEP-Klasse 2001 eine
konsequente Fortsetzung dieses Projekts. Insofern hat
sich der Unterricht spezifisch für diese Kinder geändert,
da wir auch im Teamteaching arbeiten in diesen Klassen,
was sehr viel Zeit für die gemeinsame Vorbereitung
fordert. Grundlegendes hat sich nicht geändert, von
diesem reformpädagogischen Gedanken aus weitergehend war
das eine konsequente Fortsetzung.

84 
 
Transkription der Interviews

Fr.: Da haben Sie meine nächste Frage schon mit


beantwortet, ob es ein „2-Pädagogen-Modell“ in den
Klassen gibt.

A: Ja, das haben wir weitgehend in den ISEP-Klassen und


durchgehend in der Inklusionsklasse.

Fr.: Gibt es noch etwas zur Vorbereitung oder zur


Durchführung von Ihrer Seite zu sagen, was Ihnen wichtig
ist?

A: Also in der Freiburger Schullandschaft schaffen wir


uns gerade einen Überblick, wie viele Kinder denn aktuell
schon inklusiv beschult werden, insgesamt. Und für die
Grundschule in Freiburg kann ich eine Zahl nennen. Da
geht es um die 1720 Kinder insgesamt und 200 Kinder die
derzeit inklusiv beschult werden, ohne dass sie in den
Statistiken entsprechend auftauchen. Nicht in
Inklusionsklassen, nicht in Außenklassen und auch nicht
in Kooperationsklassen. Schon eine erhebliche Zahl und
die sind wir grade dabei zu verifizieren. Man sieht auch,
dass schon sehr viel passiert, in den Grundschulen. Diese
Zahl hat die weiterführenden Schulen, vor allem das
Gymnasium, ziemlich überrascht, die da nicht mithalten
können, obwohl es auch dort Inklusionskinder gibt.

Fr.: Vielen Dank für das Interview!

85 
 
Transkription der Interviews

17.2 Transkription Interview Grundschule 2

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung

Frage: Besucht ein inklusiv beschulter Schüler Ihre


Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort: Nein, es besucht noch kein inklusiv beschulter


Schüler unsere Schule. Wir haben zwei Kinder hier an der
Schule, die einen Förderbescheid für Lernschwache haben.
Sie gehören vom Status her zu einer Förderschule. Aber
das läuft noch nicht als Inklusion sondern als
Kooperation.

Fr.: Haben Sie bereits Literatur zu Rate gezogen, für den


Fall, dass ein Inklusionsschüler angemeldet werden würde?
Wenn ja, welche?

A: Nein, wir haben noch keine Literatur zu Rate gezogen.


Wir haben jetzt auch noch keine bestimmte Richtung der
Inklusion besonders in Blick genommen. Wir haben in der
Gesamtlehrerkonferenz die Vorgaben des Schulamtes
miteinander besprochen und auch signalisiert, dass wir
grundsätzlich offen sind. Aber das gehen wir dann an. Das
hängt auch davon ab, ob das ein Kind mit Down-Syndrom
oder eins ist, das nicht hört oder eine Körperbehinderung
hat. Dann wird es auch spannend, dann müssten wir
schauen, wie das geht.

Fr.: Würden Sie für diesen Fall einen Sachverständigen


hinzuziehen? Wenn ja, wer wäre das?

A: Dann müssen wir auf jeden Fall jemanden hinzuziehen.


Ich denke, dafür gibt es eine zuständige Förderschule.

86 
 
Transkription der Interviews

Entweder eine G-Schule, wenn es ein geistig behindertes


Kind ist, oder die Sehbehindertenschule oder wenn es eine
Lernbehinderung ist die Förderschule. Da werden wir auf
jeden Fall Leute heranziehen, die uns da beraten. Und das
Schulamt, da gibt es auch Fachleute, die nur das Thema
Inklusion im Blick haben.

Fr.: Sollten dann Schulungen für die Lehrkräfte angeboten


werden? Wenn ja, welcher Art?

A: Da gibt es keine Vorüberlegungen. Ich gehe davon aus,


dass die Lehrerin oder der Lehrer in dessen Klasse ein
solches Kind kommt sicher eine besondere Schulung
braucht.

Aber je nach dem auch das ganze Kollegium weitergebildet


werden muss, da jeder irgendwo mit den Kindern auch zu
tun hat. Ich denke, das werden wir vielleicht auch durch
eine schulinterne Fortbildung machen. Also dass jemand in
die Schule kommt und die Beratung macht.

Fr.: Sollte speziell jemand eingestellt? Wenn ja, welche


Profession?

A: Schön wäre es. Aber die Träume habe ich nicht. Je nach
Anzahl der Kinder, wenn es mehrere sind, ist eigentlich
versprochen, dass eine Sonderpädagogische Kraft an die
Schule kommt. Für eine halbe Stelle oder eine größere
Stundenanzahl.

Fr: Im Moment besteht Ihr Lehrerkollegium aus


Grundschulpädagogen?

A: Ja, wir haben niemand speziellen.

Fr.: Wird oder muss sich der Unterricht mit einem


inklusiv beschulten Schüler verändern oder sind Ihre
bisherigen Strukturen so angelegt, dass er in gewohnter
Weise bestehen bleiben könnte?
87 
 
Transkription der Interviews

A: Ich gehe davon aus, dass Inklusion den Unterricht


verändern wird. Wenn noch ein Sonderpädagoge mit dabei
ist, würde das auch bedeuten, dass eine Lehrkraft zum
Teamteaching bereit sein muss. Oder dass in zwei
verschiedenen Räumen gleichzeitig Unterricht ist, eine
kleinere Gruppe in der das behinderte Kind dabei ist und
eine größere, in welcher „normaler“ Unterricht abläuft.
Das wird auf jeden Fall eine Umstellung bedeuten.

Fr.: Sie könnten sich also ein 2-Pädagogen-Modell


vorstellen?

A: Ich kann es mir nicht anders vorstellen.

Fr.: Gibt es von Ihrer Seite noch etwas Wichtiges zu


sagen, was von mir aufgenommen werden soll?

A: Ja, was auch überlegt werden muss, was sicher kommen


wird, ist die Frage, ob das räumlich machbar ist. Wenn
Eltern mit einem Rollstuhlfahrerkind hier aus der
Umgebung darauf bestehen würden, dass das Kind bei uns in
die Schule geht, müsste die Stadt die Schule hier so
umbauen, dass ein Rollstuhl barrierefrei rein kann. Das
ist bei uns nicht gegeben. Es gibt Schulen, da hat jedes
Klassenzimmer einen Nebenraum, in dem Einzelförderung
oder etwas anderes stattfinden kann. Das haben wir auch
nicht. Da müsste man schon auch an Umbau oder an
Umgestaltung der räumlichen Möglichkeiten denken. Daran
denkt im Moment konkret überhaupt noch niemand.

Fr: Sie wünschen sich da also ganz konkret Unterstützung


von der Stadt?

A: Ja, vom Schulträger.

Fr: Vielen Dank für das Interview!

88 
 
Transkription der Interviews

Anmerkung: Bei der Verabschiedung sagt die befragte


Person, sie wünsche sich, dass sie eine Heilpädagogin
oder einen Heilpädagogen an der Schule einstellen könnte.
Zitat: „Einen Heilpädagogen an der Schule würde ich mir
wünschen. Wenn man zählen würde, wie viele Kinder unsere
Schule nachmittags ein heilpädagogisches Angebot in
Anspruch nehmen, dann könnten wir auch gleich einen hier
anstellen.“

17.3 Transkription Interview Grundschule 3

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), zwei Personen des


Schulleitungsteams

Frage: Besucht bereits ein inklusiv beschulter Schüler


Ihre Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort 1: Es ist seit letztem Jahr ein Kind da, bei


welchem es offenstand, ob es eine Sonderschule oder die
Regelschule besucht. Wir haben uns allerdings ohne
gesondertes Unterstützungssystem dazu entschieden, dass
es uns hier besucht, und das auch recht erfolgreich. Aber
das ist ein Grenzfall, das kann man nicht als das
klassische Inklusionskind bezeichnen.

Fr.: Wurde im Vorfeld vorbereitend Literatur benutzt?


Wenn ja, welche?

89 
 
Transkription der Interviews

Antwort 2: Ich habe einiges gelesen, ich weiß nicht alle


Titel. Wir haben einige Bücher bestellt und gelesen und
in Grundschulfachzeitschriften, die wir an der Schule
haben, steht auch einiges zu diesem Thema.

Fr: Wurde zur Vorbereitung ein Sachverständiger


hinzugezogen oder ist dies geplant?

A1: Wenn der konkrete Fall eintritt dann wäre es


zwangsläufig so, dass man sich kurzschließt.

A2: Es gibt inzwischen Fachpersonal am Schulamt


angesiedelt, die speziell den Bereich inklusive
Beschulung abdecken. Es waren zwei Kolleginnen auch hier
im Kollegium und haben uns informiert, wie das Procedere
von Seiten des Schulamtes für die Stadt Freiburg geplant
ist. Wir haben keinen Einfluss darauf zu sagen: „Wir
nehmen nur dieses Kind“.

Das wollten wir letztes Jahr, dann hieß es aber, dass das
nicht geht. In Freiburg ist eine Bündelung geplant, d.h.
mindestens drei bis vier Kinder mit einer ähnlichen Art
der Beeinträchtigung gehen dann an eine Schule, werden
dort hingefahren und bekommen dann auch
sonderpädagogische Stunden.

Fr.: Wurden bereits Schulungen für die Lehrkräfte


angeboten oder angedacht?

A1: Ich habe gerade eine dreitägige Akademiefortbildung


zu diesem Thema gehabt. Die Lehrkräfte haben sich intern,
als letztes Jahr dieses Thema anstand, informiert. Wir
waren auf verschiedenen Podiumsdiskussionen unter-
schiedlichster Art, oder es war auch mal eine Gruppe vom
Kollegium bei einer Inklusionsveranstaltung. Speziell war
das das Einzige. Viele Kollegen haben sich schon mit dem
Thema, durch Bücher, Internet, Veranstaltungen,
Diskussionen, Fernsehen oder andere Medien, informiert.
90 
 
Transkription der Interviews

Fr.: Wurde speziell jemand eingestellt?

A2: Darauf haben wir keinen Einfluss, da wir keine


Privatschule sind. Wir haben zwar eine Sonderpädagogin im
Haus, da wir eine Kooperation mit einer Klasse einer
Schule für Kinder mit geistiger Behinderung haben. Aber
das ist das sogenannte Aussenklassenmodell, dass diese
Klasse hier bei uns angesiedelt ist und ganz eng mit
einer Klasse hier aus unserem Stadtteil zusammenarbeitet.
Aber sie ist Klassenlehrerin für ihre Kinder.

Fr.: Ihr Lehrerkollegium setzt sich also momentan aus


Grundschulpädagogen zusammen?

A1: Ja, Grund- und Hauptschullehrern.

Fr.: Wie sollte sich der Unterricht verändern wenn ein


Inklusionsschüler kommt? Oder besteht Ihr Unterricht
bereits in Strukturen, die eine Inklusion sehr leicht
ohne größere Umstellungen ermöglicht?

A1: Das sind jetzt natürlich noch Zukunftsvisionen. Man


kann sich das im konkreten Fall noch nicht vorstellen,
wie es sein wird, wenn ein solches Kind kommt. Es bringt
auch unterschiedliche Fähigkeiten oder auch Probleme mit,
auf die man eingehen muss. Unser Konzept ist der offene
Unterricht, das heißt, dass Elemente des offenen
Unterrichts immer integriert sind, obwohl es auch
gebundenen Unterricht gibt. Wir haben räumlich gute
Voraussetzungen, wir haben eine Behindertentoilette und
sind barrierefrei mit Aufzug. Es würde den Unterricht
vermutlich nicht beeinträchtigen, wenn ein Kind mit
Körperbehinderung und Rollstuhl käme. Das könnte sich
sicherlich bald selbstständig oder mit wenig Hilfe hier
im Haus bewegen.

91 
 
Transkription der Interviews

A2: Die räumlichen Rahmenbedingungen sind wirklich sehr


gut. Wir haben Jahrgangsklassen und altersgemischte
Klassen, ich denke in den altersgemischten Klassen , in
welcher ohnehin sehr individuell gearbeitet wird, könnte
ich mir die Integration eines solchen Kindes noch besser
vorstellen. Obwohl die Jahrgangsklassen auch offene
Elemente haben ist das einfach nochmal offener und
individueller in diesen altersgemischten Klassen.

A1: Bei einem körperbehinderten Kind wären mehr


organisatorische Sachen zu klären, während sich bei einem
Kind von der G-Schule eher die Frage stellt, ob es gleich
unterrichtet werden kann. Aber dieser Fall ist bei uns
bisher eben noch nicht aufgetreten.

Fr.: Könnten Sie sich ein 2-Pädagogen-Modell in den


Klassen vorstellen? Oder besteht vielleicht sogar schon
Teamteaching?

A1: Das hätten wir gerne. Wenn wir flächendeckend einen


Sonderpädagogen in die Grundschulklasse bekommen, dann
wird man sich darauf einstellen. Nächstes Jahr kommt ein
autistisches Kind in meine Klasse, da wird flächendeckend
eine Schulbegleitung in der Kernzeit angedacht sein. Das
ist zwar kein Lehrer, aber dennoch wird man immer zu
zweit in der Klasse sein.

Fr.: Gibt es noch etwas zur Vorbereitung zu sagen, das


Ihnen wichtig ist?

A2: Beim Thema Inklusion ist die personelle Besetzung


ganz wichtig. Die Ressourcen, das ist unabdingbar. Ich
kann nicht einfach ein Kind in eine Klasse setzen und zum
Grundschullehrer sagen: „Jetzt mach mal“. Dafür gibt es
richtig ausgebildete Sonderpädagogen, das sind wir eben
nicht. Das ist das, warum wir auch sagen, dass wir auf
jeden Fall Inklusion machen wollen und die Haltung da

92 
 
Transkription der Interviews

ist, aber nicht zum Nulltarif und nicht auf Kosten der
anderen Kinder, auf Kosten der Lehrkräfte, auf Kosten des
Kindes mit der Behinderung, wenn es nicht gut genug
gefördert werden kann. Das ist unsere große Forderung
oder unser großer Kritikpunkt, dass das so schleichend
kam: „So jetzt macht halt mal, zeigt mal, dass ihr auch
für Behinderte seid und lehnt sie nicht ab“. Aber da ist
man im Land Baden-Württemberg erst auf den ersten
Schritten zu Überlegen, was gibt es an guten Modellen,
was kann man machen, wie kann es weitergehen. Aber die
Ressourcenfrage ist wirklich sehr wichtig.

Fr.: Sie wünschen sich hier ganz konkret Unterstützung


von der Stadt?

A2: Ja, auf jeden Fall. Und je nach Beeinträchtigung des


Kindes muss man wirklich auch flächendeckend zu zweit in
einer Klasse sein. Wenn es ein Kind mit Hörbehinderung
ist – wir haben übrigens auch eins an der Schule- dann
kann man das auch alleine schaffen, oder auch mit einer
leichten Körperbehinderung geht das. Aber wenn es in den
Bereich der geistigen Behinderung geht oder um Kinder mit
Verhaltensoriginalitäten, diese können eine Klasse sehr
aufmischen und eine Lehrkraft an den Rand ihrer Kräfte
bringen. Man braucht da wirklich Unterstützung.

A1: Man muss das einfach gut durchdenken und nicht


einfach blind solche Versuche starten. Und man sollte
nicht die Haltung mit der Ressourcenfrage verknüpfen, es
hat nichts damit zu tun, wenn man aus gutem Gewissen und
zum Wohl der Kinder „Nein“ sagt, weil wir es nicht
leisten können. Nicht, weil wir nicht wollen oder weil
die Haltung nicht da ist. Das muss man scharf trennen,
zum Wohl der Kinder. Nicht, dass man sagt, „Wir nehmen
und wir schauen mal“ und benutzen die Kinder als
Versuchskaninchen, lassen das ganze zwei Jahre laufen.

93 
 
Transkription der Interviews

Das sind wertvolle Jahre im Leben eines Kindes, gerade


eines behinderten Kindes. Man muss in der Planung soweit
denken, dass man möglichst alle Eventualitäten abdeckt
und im Vorhinein bedenkt.

Fr.: Vielen Dank für das Interview!

17.4 Transkription Interview Grundschule 4

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung

Frage: Besucht bereits ein inklusiv beschulter Schüler


Ihre Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort: Wir haben zwei Schüler, ein Mädchen seit


vergangenem Schuljahr und einen Jungen seit diesem
Schuljahr, die lernbehindert sind und wir haben noch zwei
autistische Schüler, die eine Schulbegleitung haben.

Fr: Wurde im Vorfeld vorbereitende Literatur benutzt?

A: Nein.

Fr: Wurde zur Vorbereitung ein Sachverständiger


hinzugezogen? Wenn ja, wer?

A: Ja, es gibt das Beratungsnetz der Förderschulen, die


Beratung über das staatliche Schulamt. Diese
Beratungsgespräche müssen vorher geführt werden, die
Diagnostik muss gestellt werden. Das machen die
Fachkollegen.
94 
 
Transkription der Interviews

Wir bekommen die Kinder, wenn die Eltern die Beschulung


in der allgemeinbildenden Schule trotzdem wünschen.

Fr: Wurden bereits Schulungen für die Lehrkräfte


angeboten? Wenn ja, welche?

A: Nein, gar nicht.

Fr: Wurde speziell jemand eingestellt?

A: Für die beiden lernbehinderten Kinder hatten wir im


letzten Schuljahr einige wenige Förderstunden von der
Sonderschule, dieses Schuljahr sind es maximal zwei
Stunden für diese beiden Kinder. Das wird auch nicht so
gerne gemacht, diese Verzettelung. Man will die Kinder
bündeln. Wir bekommen Sie höchstens mit ein – zwei
Förderstunden. Dafür kommt jemand von außen.

Fr: Ihr Lehrerkollegium setzt sich also aus Grundschul-


pädagogen zusammen?

A: Genau. Es gibt noch keinen festangestellten


Sonderpädagogen.

Fr: Wurde der Unterricht umgestaltet oder wurde das


bestehende Konzept so belassen?

A: Also wir haben kein ausgewiesenes Sonderschul- oder


Inklusionskonzept. Wir haben die Stunden dafür nicht und
sind eine ganz reguläre Grundschule. Natürlich versuchen
die Kollegen in differenzierendem Unterrichten den
Kindern in irgendeiner Weise gerecht zu werden. Mehr
können wir nicht tun. Ob es den Kindern immer gerecht
wird, bezweifeln wir manchmal. Wir stellen im Moment
fest, dass es bei den autistischen Kindern leichter ist
als bei den Lernbehinderten. Aber solange der
Elternwunsch die Maßgabe ist, sind uns die Hände
gebunden. Das muss man klar sagen.

95 
 
Transkription der Interviews

Fr: Die Einbindung läuft also so mehr oder weniger gut?

A: Das läuft schon mehr. Aber es ist nicht befriedigend.

Fr: Gibt es in diesen Klassen ein zwei-Pädagogen-Modell?

A: Nein, dafür gibt es zu wenig Personal.

Fr: Gibt es von Ihrer Seite noch etwas zu sagen, das


Ihnen wichtig ist?

A: Speziell zur Inklusion muss man sagen, dass diese


Entwicklung seit der Ratifizierung dieses
Behindertenrechtsabkommens der EU gültiges Recht ist. Und
das hat die Landesverwaltung ziemlich überrascht. Und
damit auch alle nachgeordneten Schulbehörden. Das
Schulamt fängt jetzt an mit konkreten Maßnahmen für das
neue Schuljahr um das mehr in den Schulen zu verankern.
Sie wollen auch mehr Stunden dafür bereitstellen. Die
neue Landesregierung ohnehin. Man wird abwarten, wie gut
sie es umsetzen können. Im Moment ist das Konzept so,
dass man versucht, möglichst viele Standorte zu finden,
die solche Kinder aufnehmen. Nächstes Schuljahr
unterrichtet eine Schule in einem anderen Stadtteil
inklusiv, zumindest mal vier Jahre lang eine Klasse. Dann
wird man schauen, ob das noch weiter in die Breite geht.
Dass wir zwei lernbehinderte Kinder hier haben ist nicht
im Sinne der inklusiven Beschulungspolitik. Die möchte
man gerne an eine Klasse bündeln. Wenn es diese aber
nicht gibt, sitzen die Kinder in den regulären Schulen.
Wir müssten dringend für solche Kinder zusätzliches
Personal haben. Wir bräuchten Fachkräfte, also
Fachpädagogen für Lernbehinderung, Autismus und so
weiter.

Fr: Vielen Dank für das Interview!

96 
 
Transkription der Interviews

17.5 Transkription Interview Grundschule 5

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung

Frage: Besucht bereits ein inklusiv beschulter Schüler


Ihre Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort: Wir haben nicht nur einen sondern wir haben fünf
und hatten sechs. Sie sind alle in einer Klasse, das ist
ein Modellprojekt, ein Kooperationsmodell zusammen mit
der Schule für Lernhilfe, es sind also alles
Lernhilfekinder. Sie sind jetzt im dritten Jahr hier an
der Schule. Darüber hinaus haben wir zwei Kinder, die
zurzeit in einer anderen Stufe inkludiert werden. Das
sind Kinder, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf
nachgewiesen haben. Eins Erziehungshilfe, eins Lernhilfe,
beide sind an unserer Schule. Wir sind aber dabei,
zusätzliche Stunden für diese Kinder im Rahmen der
Inklusion zu bekommen.

Fr: Wurde im Vorfeld vorbereitende Literatur benutzt?

A: Nein, ich habe eine ziemlich langjährige Erfahrung


mitgebracht, da ich aus einem anderen Bundesland komme
und ich dort an einer Schule mit Inklusion war. Dort
waren Kinder mit Behinderungen aller Richtungen.

Fr: Haben die Lehrkräfte sich vielleicht individuell mit


Literatur beschäftigt?

A: Eine Kollegin, die persönlich aus dem Waldorfbereich


kommt, hat sich bereit erklärt und das zusammen mit einer
Kollegin aus der Sonderschule aufgebaut. Dabei habe ich
sie beraten.

97 
 
Transkription der Interviews

Fr: Wurde ein externer Sachverständiger zu Rate gezogen?

A: Wir haben das damals zusammen mit Herrn Friedemann


gemacht, der ehemalige Schulleiter der Albert-Schweitzer-
Schule, es wurde mit ihm gemeinsam entwickelt.

Fr: Wurden bereits Schulungen für die Lehrkräfte


angeboten?

A: Speziell zum Thema Inklusion nicht.

Fr: Kam eine Lehrkraft zusätzlich von außerhalb an die


Schule?

A: Es ist so, dass Leute von außerhalb kommen um sich


unser Modell hier anzuschauen.

Fr: Das Lehrerkollegium setzt sich also aus


Grundschulpädagogen zusammen?

A: Ja, wir haben keinen Sonderpädagogen direkt bei uns.


Wir haben zwar eine Kollegin mit einem Montessori-Diplom,
die die Familienklasse leitet. Es ist schon so, dass die
Inklusion nicht die Sache einer Klasse ist, sondern der
ganzen Schule. Wir haben mit den Kindern auch in anderen
Zusammenhängen zu tun, Schulfeste, Projekttage, Pausen
usw. Letztlich ist das Thema nie das einer einzelnen
Klasse. Das haben wir dann schon vorbereitet. Es war
nicht einfach am Anfang aber da sind wir auf dem Weg.

Fr: Wurde der Unterricht verändert oder war das bereits


bestehende Konzept geeignet, um die Kinder inklusiv zu
Beschulen?

A: Ansätze waren schon da. Wir sind eine Schule mit sehr
starkem Leistungsgefälle. Wir haben sehr schwache Kinder
und sehr fitte Kinder. Wenige in der Mitte.

98 
 
Transkription der Interviews

Wir müssen auch in den normalen Klassen ohne Inklusion


sehr stark differenziert Arbeiten. Daher war die
Umstellung nicht so groß und problematisch.

Fr: Wie viele Pädagogen sind in den Klassen eingesetzt?


Besteht ein 2-Pädagogen-Modell?

A: In der Kooperationsklasse ist eine Klassenlehrerin aus


dem Grundschulbereich mit möglichst vielen Stunden – das
ist ein sehr wichtiger Gewinn – und eine Sonderpädagogin
mit 14 Stunden. Da gib es teilweise dann eine
Doppelbesetzung und teilweise muss die Kollegin damit
auch alleine zurechtkommen. Das setzt eine enge
Teamarbeit voraus. Unser Modell ist so, dass die
Sonderschullehrerin sich nicht nur um die Sonderschüler
kümmert, sondern wirklich im Teamteaching unterrichtet
wird. Sie wechseln sich ab im Unterricht.

Fr: Meine letzte Frage ist, ob es noch etwas Sonstiges


von Ihrer Seite zu sagen gibt?

A: Wir planen die nächste Klasse in diese Richtung. Es


ist mir bewusst, dass es nicht das ganz optimale
Inklusionsmodell ist. Eigentlich sollte es so sein, dass
die Kinder, die im Stadtteil wohnen und
sonderpädagogischen Förderbedarf haben, genauso verteilt
wie alle anderen verstreut auf alle Klassen hier her
kommen. Aber das funktioniert nicht, solange die Kollegen
in diese Richtung noch nicht vorbereitet sind. Wir machen
uns jetzt auf den Weg und können hoffentlich mit drei
Kindern aus unserem Einzugsbezirk wieder einsteigen in
die Inklusion. Wir werden aber vermutlich noch andere
Kinder dazu holen. Die Klasse wird von einer erfahrenen
Kollegin, die sich jetzt neu auf den Weg macht aber schon
länger an der Schule ist, zusammen mit einer Kollegin aus
der Förderschule übernommen. Ich denke, dass wir nach und
nach uns im Kollegium weiterentwickeln.
99 
 
Transkription der Interviews

Wir lernen voneinander, die anderen können sich das


natürlich auch anschauen. Ich habe
Unterrichtshospitationen angeregt. So kann man auch
Erfahrungen austauschen. Wobei man immer wieder sagen
muss, jeder Fall von Inklusion ist anders. Jedes Kind ist
anders und man muss immer nach individuellen Lösungen
suchen. Auch mit der Menge der Kinder in einer Klasse ist
es verschieden. Manchmal klappt es mit fünf gut, manchmal
sind fünf zu viel. Das kommt auf den einzelnen
Förderbedarf der Kinder an. Das ist ein weites Feld, in
welchem sehr viel Flexibilität gefordert ist.

Fr: Wie viele Kinder mit und ohne Behinderung gingen bei
Ihrem Modell in eine Klasse?

A: Es waren maximal sechs mit Behinderung und insgesamt


24 Kinder. Das sind Richtlinien, die ich für bedenklich
halte. Wir hatten Glück, dass es keine 24 waren. Wir
haben hier einen hohen Ausländeranteil, ein starkes
Gefälle, kleine Klassenräume und wenig Differenzierungs-
räume, das sind alles Bedingungen, die nicht optimal
sind. Da war ich schon froh, dass es keine 24 Kinder in
der Klasse wurden. Aber auch da finde ich muss man
aufpassen mit festgezurrten Richtlinien. Das kann mal
super gut gehen mit 6 Kindern mit Behinderung und
insgesamt 24, es kann aber auch sein, dass das nicht
funktioniert. Es kann sein, dass drei in einer Klasse von
20 gehen. Da muss man wirklich aufpassen, dass man das
individuell betrachtet. Oft gibt es die Kombination
zwischen Lern- und Erziehungshilfe, und wenn da ein
extrem schwieriges Kind in der Klasse ist, kann das auch
als einzelnes Kind eine Gruppe sprengen. Man darf nicht
vergessen, dass der Rest der Schule eine normale
Regelschule ist.

100 
 
Transkription der Interviews

Die Nischensituationen wie die Pausen oder der Schulweg


sind alles Situationen, mit dem ein Kind ganz alleine
zurechtkommen muss, da es hier keine Begleitung gibt. Das
muss man immer im Auge behalten.

Was ich mir wünsche würde, wäre, dass man die


Sonderpädagogen direkt an den Schulen hat, als Lehrer im
Team, nicht abgeordnet, sondern als festen Bestandteil
des Kollegiums. Dann könnte man auch die Stunden anders
verteilen. Das war auch so ein Modell, das ich aus dem
anderen Bundesland mitgebracht habe. Dort hatten wir zwei
Sonderpädagogen an der Schule, die konnten so verteilt
werden, wie sie gebraucht wurden.

Fr: Vielen Dank für das Interview!

17.6 Transkription Interview Realschule

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung

Frage: Besucht ein inklusiv beschulter Schüler Ihre


Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort: Also da muss man zunächst wahrscheinlich einmal


erfassen, was man überhaupt darunter versteht. Welcher
Typus von Schüler da überhaupt in Frage kommt. Wenn man
das sehr weit sieht, dann hat denke ich mal jede
Realschule in Freiburg oder wahrscheinlich auch in Baden-
Württemberg Kinder mit im Haus die einer zusätzlichen
Förderung bedürfen und die eine Beeinträchtigung
aufweisen.
101 
 
Transkription der Interviews

Also zum Beispiel Körperbehinderte oder Kinder, die eine


Lernbeeinträchtigung haben, eine Sehbehinderung oder oder
oder… Die gehören eigentlich denke ich in jeder Schule
schon zum Normalstatus. Die spannende Frage ist ja, um
das sich das ganze jetzt wesentlich stärker dreht, da
geht es ja um geistig behinderte oder geistig
beeinträchtigte Kinder und da sind für mich
weiterführende Schulen in einer relativ komplizierten
Situation, weil nach wie vor nicht geklärt ist, wie das
Unterstützungssystem aussieht, wie viele Sonderpädagogen
könnte man zum Beispiel je nach Grad der Behinderung/
Beeinträchtigung dann tatsächlich in die Schule, in die
Regelschule mit bekommen. Dann sind die weiterführenden
Schulen, also zumindest die Realschulen und Gymnasien,
relativ voll. Das heißt, wir haben starke Klassen, also
wir haben hier außer bei den Fünftklässlern in den
Klassen 29-30 Schüler sitzen, was den zusätzlichen Rahmen
natürlich schwer vorstellbar macht, jetzt nochmal einem,
zwei oder drei Kindern zusätzlich die Möglichkeit zu
geben, bzw. umgekehrt: diesem Kind gerecht werden zu
können. Die Arbeit mit den Regelschülern ist schon
schwierig genug und wenn dann so eine Sondersituation
kommt, dann muss man natürlich auch das Wohl dieses
Kindes stark im Auge haben und es wäre nicht der Sinn der
Übung zu sagen wir beschulen integrativ, das Kind sitzt
hier zwar in der Schule und wir können dann uns einen
Kleber ans Revers machen und sagen, wir führen das Ganze
integrativ durch, gleichzeitig werden wir dem Kind nicht
gerecht. Von dem her ist die Ausgangslage im Moment
relativ schwierig. Es gibt sicher auch Schulen oder
Kollegen, die sich allein mit dem Gedanken schon schwer
tun, zu sagen, wir müssen uns auch mit Kindern
beschäftigen, die eine geistige Beeinträchtigung haben.
Das ist oft auch eine Einstellungssache, wie stellt sich
ein Kollegium insgesamt dieser Aufgabe.
102 
 
Transkription der Interviews

Soweit ich das überblicke, also hier in Freiburg ist es


schon so, dass der größte Teil aller Schulen von der
Einstellungssituation her, von der Haltungssituation her
damit kein Problem hat. Das Problem sind tatsächlich die
Rahmensituationen. Daran hängen natürlich auch wieder so
Problemfelder wie: auf welchem Leistungsniveau soll das
ablaufen, wird der Schüler genauso bewertet wie der
„normale“ Schüler, gilt die Versetzungsordnung genauso,
machen sie eine Abschlussprüfung? Da hängt so viel dran,
was letztlich auch einer Klärung bedarf. Das macht das
Ganze im Moment nicht einfach. Da auch eine Entscheidung
zu treffen und eine Möglichkeit zu finden, während zum
Beispiel die Körperbehinderten… wir hatten bis letztes
Jahr hier ein Mädchen im Rollstuhl, obwohl wir im Haus
keinen Lift haben. Da war das völlig problemlos, weil die
Mitschüler sich einfach super gekümmert haben, dass das
Mädchen immer an den Stellen war, auch mit Rollstuhl, wo
sie hin musste. Da war Integration oder Inklusion, es war
eher eine Integration als eine Inklusion, war überhaupt
kein Problem. Und da war das Miteinander richtig gut.

Fr: Meine Frage zielt auf den zweiten von Ihnen genannten
Schülertypus hin. Habe ich es richtig verstanden, dass
ein solcher Schüler noch nicht hier ist?

A: Also mit einer geistigen Beeinträchtigung nicht. Wir


haben zwei Schüler mit Autismus, die Fälle mit ADHS und
LRS rechnen wir schon mal gar nicht. Da haben wir gleich
ein paar Dutzend. Die haben auch nicht unbedingt immer
diesen Förderbedarf erfasst. Aber wenn man differenziert
zwischen Körperbehinderten und anderen Beeinträchtigten
dann haben wir lediglich Kinder mit einer körperlichen
Beeinträchtigung.

103 
 
Transkription der Interviews

Das ist aber völlig problemlos, während in dem Moment, in


dem es in den geistigen Bereich geht, dann wüsste ich im
Moment auch keine Schule in Freiburg, was die Realschule
und den Gymnasialbereich angeht, die da jemanden inklusiv
unterrichtet. Die Lessing Realschule hat eine Sonderform,
eine Kooperations- oder Außenklasse. Die haben 5, 6 oder
7 Kinder mit geistiger Beeinträchtigung die parallel oder
inklusiv in der Regelklasse unterrichtet werden.
Allerdings haben die dann ein Zugeständnis vom
Regierungspräsidium, dass die normale Klassengröße eben
bei 20 liegt. Und das ist natürlich schon ein Unterschied
zu unseren Klassen. Und die haben immer jemanden dabei
von der Richard-Mittermaier-Schule, ein oder zwei
Betreuer sind da immer mit dabei. Dann hat man einfach
eine andere Betreuungssituation in der Klasse.

Fr.: Und die Schüler mit einer körperlichen


Beeinträchtigung sind schon immer mit dabei gewesen?

A: Ja, genau.

Fr.: Und die beiden mit Autismus sind seit wann an Ihrer
Schule?

A: Da muss ich überlegen, das eine Mädchen ist in der 9.


Klasse, die ist seit Anfang an da. Das andere Mädchen ist
in der 7. Klasse und auch seit Anfang an da. Die
Ausprägung ist aber nicht so dramatisch, dass man da
einen Begleiter braucht. Wir hatten in einer Situation
mal die Überlegung, bei einem anderen Mädchen, dass dann
aber wieder gegangen ist, weil sie wieder in die Klinik-
schule musste, ob sie mit einem Autismusbegleiter hier
zur Schule gehen könnte. Das haben aber die Eltern
verworfen, da sie keine Sondersituation für das Mädchen
wollten. Aber das sind Einzelfälle, die in der Regel auch
lösbar sind.

104 
 
Transkription der Interviews

Fr.: Meine weiteren Fragen beziehen sich auf die


Vorbereitung oder die Überlegungen zu Vorbereitungen für
den Fall, dass sich ein Inklusionsschüler anmelden
sollte.

A: Also es gibt im Moment in Freiburg einen Arbeitskreis


der geschäftsführenden Schulleiter aller Schularten, die
mit dem geschäftsführenden Schulleiter der Sonder- und
Förderschulen, das ist Herr Jansen, zusammensitzen. Wir
suchen im Moment nach Möglichkeiten, wie man welche
Lösungen finden könnte. Wobei sich dieses Suchen im
Moment im theoretischen Bereich bewegt. Aufgrund der
politischen Umbruchsituation mit der neuen
Landesregierung ist nochmal abzuwarten, was sich da
bezüglich der Lehrerzuwendung oder Zuteilung tut. Die
grün-rote Koalition hat in dieser Richtung deutlich
stärker signalisiert, dass sie da eine andere
Schulpolitik wollen.

Fr: Zu diesen theoretischen Überlegungen habe ich einige


Fragen. Haben Sie zur Vorbereitung Lektüre zu Rate
gezogen, wenn ja, welche?

A: Als letzter Stand in dieser Runde haben wir den


Arbeitsauftrag mitgenommen, zu sehen, wie viele Anfragen
es an den Schulen tatsächlich gibt, um das zu
konkretisieren, um welche Zahl es eigentlich tatsächlich
geht. Ich bin im Moment daran, das zu erheben. Die
Schülerzahlen, die ich bisher als Rückmeldung bekommen
habe bezüglich der Anfragen mit diesem Hintergrund sind
eigentlich schon fast marginal. Das bewegt sich in einer
Größenordnung von ein bis fünf Schülern an allen sechs
Realschulen. Das ist nicht die große Masse von Schülern,
die jetzt plötzlich Einlass begehren. Es gibt eine Gruppe
in diesem Arbeitskreis, die bis zur nächsten Sitzung
Mitte Juni die internationalen Vergleiche zusammentragen.

105 
 
Transkription der Interviews

Was gibt es in anderen Ländern und wie machen die es?


Dann sind wir selber im Gespräch mit der Stadt Freiburg
was das Raumprogramm angeht. Gibt es Möglichkeiten an
Schulen, die vielleicht von den räumlichen Kapazitäten
her eher in Frage kämen, dass man da von den
Räumlichkeiten her Möglichkeiten schafft, dass für Kinder
mit einer geistigen Beeinträchtigung dann gleichzeitig
auch Rückzugsmöglichkeiten geschaffen werden können? Dass
diese Kinder dann zum Beispiel auch mit ihren Betreuern
in machen Stunden tatsächlich alleine bzw. mit ihrer
Gruppe betreut werden könnten. Wobei sich auch dort
abzeichnet, dass die Schwierigkeiten groß sind, weil die
Schulen eigentlich alle bis auf die Wentzinger, die im
Moment im Umbau sind, die Wentzinger Schulen haben eine
etwas komfortablere Situation, alle anderen platzen eh
aus allen Nähten. Was jetzt Literatur bzw. das geistige
Futter zu dieser Thematik angeht, geht jeder natürlich
unterschiedlich vor. Ich selbst habe einiges an Artikeln
gelesen, ich kann jetzt gar nicht mehr genau sagen, wer
die Autoren waren. Da versucht man sich natürlich ins
Bild zu setzen und mehr und mehr einen Blick für diese
Sache zu bekommen. Das sind im Moment die
Strampelversuche, eine halbwegs passable Lösung
hinzubekommen.

Fr.: Also Sie haben eher aktuelle Artikel aus


Fachzeitschriften oder dem Internet gelesen?

A: Ja genau.

Fr.: Haben Sie oder dieser Arbeitskreis einen


Sachverständigen hinzugezogen?

106 
 
Transkription der Interviews

A: Der geschäftsführende Schulleiter der Sonder- und


Förderschulen, Jansen, ist natürlich ein Fachmann. Er ist
ausgebildeter Sonderpädagoge und war früher lange Zeit in
einer Einrichtung in Karlsruhe, ist jetzt Leiter von der
Klinikschule hier und gleichzeitig der Leiter aller
Sonder- und Förderschulen in Freiburg. Er bringt einen
hohen Sachverstand ein und füttert uns mit Grundwissen.
Für uns, für den „Normallehrer“, der im
Normalschulbereich arbeitet, war bis vor einiger Zeit
auch nicht klar, was Kinder mit Förderbedarf, Kinder mit
Lernbehinderung, Kinder mit Notwendigkeit zum Erziehungs-
beistand usw. sind. Das ist ein sehr differenziertes
Bild. Solange die Kinder in der Förderschule oder Sonder-
schule waren, hatten wir diese im Normalfall gar nicht im
Blick. Die waren gut versorgt und somit war das Thema für
uns auch nicht existent.

Fr: Im nächsten Fragenblock geht es um die Lehrkräfte, ob


Schulungen angeboten werden sollen, auch was vom Arbeits-
kreis angedacht ist.

A: Also das wäre sicher ein weiter Schritt, wenn man


tatsächlich Lösungsmöglichkeiten am Horizont erblickt,
dann wäre es natürlich unabdingbar, dass die Leute sich
auch in dem Bereich fortbilden lassen. Im Moment ist dies
an den Regelschulen noch wenig in Bewegung, weil viele
eigentlich genug an der Hacke haben. Es ist auch eine
individuell zu leistende Arbeit, dazu kann man niemanden
verdonnern. Wir haben natürlich im Rahmen der Situation
wie sie bei uns ansteht, dass Kinder verschiedene
Nachteilsausgleiche brauchen, sind immer wieder auch
Kollegen bei Fortbildungen. Wir haben im Moment ein
Mädchen, welches Multiple Sklerose hat, da waren eine
Klassenlehrerin und eine andere Kollegin bei einer
speziellen Fortbildung zum Umgang mit MS. Solche Sachen
werden schon wahrgenommen.
107 
 
Transkription der Interviews

Das liegt aber stark am individuellen Interesse der


Kollegen, in wie weit sie sich fort- und weiterbilden.

Fr.: Sie hatten die Versorgung mit Sonderpädagogen schon


angesprochen, diese sollten dann auch an der Schule
angestellt werden?

A: Es gibt im Moment gerade im Grundschulbereich Modelle,


in welchen zumindest in einem bestimmten Stunden-
kontingent die Kollegen aus den Sonderschulen in den
Grundschulen sind. Die zugeordnete Stundenzahl ist den
Regelschulen immer zu wenig und die Sonderschulen müssen
das aus ihrem eigenen Pool bestreiten. Das ist dann ein
Rechenbeispiel, wie viele Stunden können sie abtreten und
macht das überhaupt Sinn, wenn die Klasse sechs Stunden
hat, wir haben aber nur zwei Stunden einen
Sonderpädagogen, was macht man in den anderen vier
Stunden? Das Land Baden-Württemberg hat sich zumindest in
der alten Fassung der alten Landesregierung nicht
festlegen wollen oder können, wie viele Stunden von
Sonderpädagogen es zuverlässig bei welchem
Erscheinungsbild gibt. Deshalb war alles immer sehr
zurückhaltend. Vergangenes Jahr hieß es zunächst mal
ressourcenneutral, das heißt, es muss so gehen, da
standen die Schulen dann Kopf. Wie sollte das
funktionieren? Da ist man politisch auch ganz unklug
vorgegangen und hat mehr Porzellan zerschlagen als
notwendig. Zunächst mal wurde da etwas naiv gedacht, die
Regelschule könnte das leisten. Da gibt es wie ich schon
sagte immer die Problematik, ob man letztendlich dem Kind
gerecht wird. Dann hat man zwar jemanden inklusiv im Haus
aber eigentlich haben alle den Schaden, das zu betreuende
Kind zu allererst. Die anderen machen dann Notlösungen
mit Hilfskräften, das kann es eigentlich auch nicht sein.
Das System muss schon auch professionell strukturiert
sein, so dass es Sinn macht.
108 
 
Transkription der Interviews

Fr: Momentan setzt sich Ihr Lehrerkollegium noch aus


„normalen“ Pädagogen zusammen?

A: Ja, wir haben noch keine Sonderpädagogen im Haus. Bei


den Körperbehinderten besteht auch kein Bedarf. In
anderen Schulen, in den Grundschulen die ich kenne, gibt
es das als Inklusions- oder Aussenklassenmodell. Einige
von den Grundschulen sind da auch andere Schritte
gegangen. Die Schwierigkeit ist bei den weiterführenden
Schulen das Fachlehrerprinzip, was die Sache enorm
erschwert. Sie haben alle 45 Minuten einen anderen in der
Klasse stehen, was es ungleich schwieriger macht als an
einer Grundschule, an der ein Klassenlehrer den ganzen
Tag mit den Kindern zusammen ist und einen anderen Bezug
herstellen kann. Ich verstehe aber das Anliegen der
Eltern, die sagen, das sind vier Jahre und dann steht
mein Kind plötzlich da und man weiß nicht, was man weiter
macht. Und es sollte ja eigentlich weiter beschult
werden. Die Zahl solcher Fälle, die darauf drängen, dass
ihr Kind weiter in der Regelschule beschult wird, ist
zurzeit aber nicht sehr hoch. Das hängt aber auch vom
Erfolg ab, ob sich das ändert.

Fr.: Wie könnte sich der Unterricht gestalten? Bleibt er


so bestehen und läuft der Schüler im schlechtesten Fall
mit oder wandelt er sich und wohin?

A: Das Wort „Differenzierung“ ist da für mich das


Zauberwort. Wenn wir die Differenzierung schon in unserem
Normalfall immer hinbekommen würden, wäre ich schon mal
ganz begeistert. Dass funktioniert selbst im Regelfall
nicht oder nicht so wie man sich das idealerweise
vorstellt. Also wenn man eine Lösung finden würde, die
heißt, der Schüler läuft halt mit, dann halte ich das für
keine gute Lösung.

109 
 
Transkription der Interviews

Also nur zu sagen, dass er so hinten drin sitzt, bekommt


etwas zum Malen und dann ist Ruhe, jetzt mal brutal
formuliert, dann kann man das lassen. Es geht natürlich
darum, dass Schüler mit in diese Arbeitsprozesse und in
diesen Arbeitsalltag eingebunden werden. Nur dann kann
auch bei den gesunden Schüler letztlich eine Akzeptanz
für diese Kinder kommen. Wenn man sie nur als
„Maskottchen“ irgendwo sitzen hat, passiert bei den
gesunden Kindern nichts. Das ist der Sinn davon, dass es
ein harmonisches Miteinander gibt, ein gegenseitiges
Helfen. Das setzt natürlich voraus, dass die
Unterrichtsstruktur sich eigentlich dramatisch verändern
müsste. Da sind schon fast revolutionäre Umbrüche, die
man sich da vorstellen muss. Darum tut sich das Ganze so
schwer. In einer Struktur, die in sich extrem starr ist
und selbst im Regelfall nur ganz wenig Bewegung
verzeichnet. Das war in den Anfangszeiten der Diskussion,
vor einem Jahr, ein typisches Merkmal: die Leute, die
darüber diskutiert haben, hatten eigentlich keine Ahnung,
wie es an Schulen tatsächlich abläuft. Sie haben die
Vorstellung, man könnte diese Schüler einfach so dazu
nehmen, ein bisschen ein Auge auf sie haben und etwas
differenzierter Arbeiten, dann würde das schon gehen. Ich
weiß von zwei Beispielen im Grundschulbereich, die
komplett eine Dauerbeobachtung bräuchten. Aber wenn dort
nur ein Teil der Regelstunden über einen zusätzlichen
Helfer abgedeckt ist, dann ist das definitiv zu wenig, da
man nicht sagen kann, die ersten drei Stunden werden
vergehen, denn der Helfer ist da, aber was machen wir mit
dem restlichen Block wenn die Helfer nicht mehr da sind
und es den Kindern aber da vielleicht schlecht geht. Dann
ist der Lehrer einmal von der fachlichen Seite und von
der Gesamtsituation mit den Anderen nicht in der Lage,
richtig zu helfen. Das scheint mir schon relativ
kompliziert zu sein.
110 
 
Transkription der Interviews

Fr.: Würden Sie ein 2-Pädagogen-Modell bevorzugen?

A: Ja, mindestens.

Fr: Und wie könnte der Unterricht verändert werden? Zum


Beispiel hin zu Projektarbeit?

A: Also punktuell lässt sich das schon machen, aber im


Regelfall ist da nach wie vor viel Wissensvermittlung, ob
diese frontal oder in der Gruppe passiert, ist es doch
viel Stoff, der an die Schüler herangetragen wird. Dann
würde man den Kindern, die eine längere Zeit brauchen
oder eventuell den Stoff gar nicht erfassen können nicht
gerecht werden. Ich kenne das von amerikanischen Schulen,
meine Tochter war ein Jahr in den USA. Die hatten dort
ein integratives oder inklusives System. Dort waren
behinderte Kinder, auch stark geistig behinderte Kinder,
mit in der Schule. Sie hatten eigene Räumlichkeiten. Die
Schüler hatten ein Unterrichtsfach, „personal training“
oder in diese Richtung, in welchem Schüler die Betreuung
für eines dieser Kinder für ein halbes Jahr mit
übernommen. Sie haben sie in manchen Unterrichtsstunden
begleitet und nach ihnen geschaut und versucht, die Dinge
auf kleiner Flamme zu erklären. Da hat das relativ gut
funktioniert. Aber das war natürlich ein sensationeller
Verteilerschlüssel, eine Schülerin hatte ein behindertes
Kind für einen bestimmten Zeitrahmen zu betreuen. Es fand
dann auch sehr viele soziale Interaktion statt. Solche
Modelle könnte ich mir hier schon vorstellen. Aber das
heißt natürlich, die Gesamtstruktur in der Schule muss so
verändert werden, von den Räumlichkeiten über die
Betreuungsmodalitäten bis hin zu der Zielrichtung für die
gesunden und die behinderten Schüler. Da gibt es sicher
spannende und denkbare Modelle, andere Länder sind da
teilweise auch schon deutlich weiter.

111 
 
Transkription der Interviews

Aber einfach den Schulen etwas überzustülpen und zu sagen


„Macht mal“, damit wird man niemandem gerecht.

Fr.: Meine letzte Frage ist, ob von Ihrer Seite noch


etwas Wichtiges zur Vorbereitung oder zu Sonstigem gesagt
werden soll?

A: Ich würde mir wünschen, dass an dieser Strukturdebatte


drangeblieben wird. Es wäre schade, wenn man die vielen
Hindernisse sieht, die sich momentan enorm auftürmen, und
daraus den Schluss zieht, dass man es nicht hinbekommt
und es sein lässt – was EU-Rechtlich auch gar nicht gehen
würde – nur es muss tatsächlich von allen
Entscheidungsträgern der Mut aufgebracht werden, die
Strukturveränderungen herbeizuführen, welche auch Geld
kosten und Zeit brauchen. Die Phase wird vielleicht fünf
oder auch 10 Jahre gehen, bis fruchtbare Ergebnisse da
sind. Von der Grundidee her finde ich es gut, dass man
inklusiv arbeitet und stärker differenziert, so dass sich
die Heterogenität, die unter Menschen besteht, in der
Schule widerspiegelt. Das muss aber auf eine
professionelle Ebene aufgesetzt werden und nicht
laienhaft zusammengestückelt als Hilfsmodell ablaufen.

Fr.: Vielen Dank für das Interview!

112 
 
Transkription der Interviews

17.7 Transkription Interview Gymnasium 1

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person der


Schulleitung und ein engagierter Elternteil

Frage: Besucht bereits ein inklusiv beschulter Schüler


Ihre Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort 1: Das ist natürlich eine Definitionsfrage. Da


muss ich sagen, dass wir sicherlich schon länger und auch
bevor es solche Richtlinien gab, solche Situationen
hatten. Und es gibt auch schon länger eine gesetzliche
Grundlage, wie man damit umgeht. Dass man einen
Nachteilsausgleich einsetzen kann, dass man Zeugnisse
oder Noten aussetzen kann. Das haben wir in den letzten
Jahren auch gemacht. Aber dass das offiziell unter dem
Titel Inklusion läuft war bis jetzt bei uns nicht der
Fall. Darum ist es letztlich sicher eine
Deklarationsfrage. Es kommt häufiger vor, dass Kinder aus
der Kinderpsychiatrie zu uns kommen. Entweder, weil
Schüler die schon bei uns waren dort in Therapie sind
oder Schüler die an anderen Schulen eingeschult waren,
dort stationär sind und zu einem bestimmten Zeitpunkt auf
eine normale Beschulung getestet werden. Normalerweise
gibt es dort die Klinikschule und irgendwann wird
versucht, diese Kinder wieder in den normalen
Schulbetrieb zu integrieren. Das machen wir häufig, dann
kommen Schüler aus der Klinikschule für ein paar Wochen,
Monate oder auch den Rest des Schuljahres zu uns. Je
nachdem wie erfolgreich das ist. Solche Fälle hatten wir
öfter, wir haben nur nie den Begriff Inklusion verwendet.

Fr: Ein Schüler mit einer stärkeren geistigen Behinderung


war aber noch nicht an Ihrer Schule?
113 
 
Transkription der Interviews

A1: Nein. Mit bestimmten Krankheitsbildern hatten wir


Schüler, aber nicht mit einer geistigen Behinderung. Es
gab bei den Fällen immer eine Gymnasialempfehlung.

Fr: Wurde im Vorfeld vorbereitende Literatur benutzt?

A1: Wir haben eine Beratungslehrerin, sie ist komplett


ausgebildet und verfügt auch über Literatur, die sie
aktualisiert. Und sie wird hinzugezogen, mit Ihr
besprechen wir uns. Von dem her sind wir da versorgt und
es gab nicht mehr eine zusätzliche Lektüre, die wir
verwendet oder angeschafft hätten.

Fr: Wurde ein Sachverständiger außer Ihrer Beratungs-


lehrerin hinzugezogen?

A1: Die Beratungslehrerin ist über viele Jahre hinweg


ausgebildet worden und berät uns in allen Belangen.

Antwort 2: Sie berät im Kollegium und die Kinder und auch


uns Eltern. Alle haben Zugang zu Ihr.

A1: Trotzdem habe ich auch extern schon die eine oder
andere Meinung zu einem Thema eingeholt. Das waren aber
keine Fremden, sondern Menschen die ich schon kannte.

A2: Im Regierungspräsidium gibt es die schul-


psychologische Beratungsstelle mit Herrn Hennig, den man
zu Rate ziehen könnte.

Fr: Und im Hinblick auf „klassische“ Inklusionskinder


würden Sie sich im Schulleiterarbeitskreis an den
Ansprechpartner wenden?

A1: Als letztes Jahr die Email an die Schulen ging, dass
Inklusion jetzt möglich ist, wurde in der
Schulleiterkonferenz erst einmal besprochen, wie wir
damit umgehen und was das für uns bedeutet. Wir haben uns
ausgetauscht, wie es an anderen Schulen läuft.

114 
 
Transkription der Interviews

Das ist ein Prozess, der sicherlich auch jetzt noch im


Gang ist und weiter geht. Die Situation an den Schulen
ist unterschiedlich. Es gibt Schulen, an welchen
dauerhaft Rollstuhlkinder beschult werden, das haben wir
hier nicht, einfach weil es sich nicht ergeben hat.
Darüber findet ein Austausch statt.

Fr: In dieser Schulleiterrunde wurde bisher aber noch


niemand als expliziter Sachverständiger vorgestellt?

A1: Ich war dieses Schuljahr nur einmal dabei, deshalb


kann ich darüber nichts sagen.

Fr: Wurden bereits Schulungen für die Lehrkräfte


angeboten oder wenden diese sich an die Beratungs-
lehrerin?

A1: Das ist in der Regel der Weg, genau. Oder wir machen
zu bestimmten Schülern Sonderbesprechungen,
Klassenkonferenzen oder kleine Besprechungen mit den
Klassenlehrern, auch mit der Beratungslehrerin und der
Schulleitung. Oder auch mal Klassenlehrer, ein Arzt der
Klinikschule und die Schulleitung. Das wären dann in
diesen Fällen die Sachverständigen.

Fr: Wurde speziell jemand eingestellt? Zum Beispiel die


Beratungslehrerin?

A1: Sie ist schon sehr lange hier und auch schon sehr
lange Beratungslehrerin, das war vor meiner Zeit, vor 15
oder 20 Jahren.

A2: Aber in dem Fall war unser Gymnasium auch ein


Vorreiter. Es war eines der ersten Gymnasien, das eine
Beratungslehrerin verordnet hatte.

Fr: Aber eine sonderpädagogische Kraft haben Sie nicht?

A1: Nein, keine.

115 
 
Transkription der Interviews

Fr: Das Lehrerkollegium besteht demnach aus


Gymnasiallehrern?

A1: Ja, das sind alles Gymnasiallehrer.

Fr: Würd sich der Unterricht für ein Inklusionskind


verändern oder würden Sie versuchen, es in den bisher
bestehenden Unterricht zu integrieren?

A1: Die Kinder der Klinik kommen in den ganz normalen


Unterricht, manchmal mit der Ausnahme, dass sie nicht den
vollständigen Unterricht besuchen. In den Testphasen
kommen sie häufig stunden- oder tageweise zu uns. Aber
das passiert letztlich im Rahmen des normalen
Unterrichts.

Fr: Wenn Sie sich vorstellen, es kommt ein Kind mit einer
größeren Beeinträchtigung. Meinen Sie, dass das
funktioniert oder müsste sich dazu etwas verändern?

A2: Wir hatten zu diesem Thema letztes Jahr mit Schülern


und Eltern ein Projekt in der Projektwoche: „Unsere
Schule, eine inklusive Schule“. Wir hatten Herrn Dr.
Friedemann vom Regierungspräsidium hinzugezogen. Er war
früher der Leiter der Albert-Schweitzer Schule III in
Landwasser und ist auf dem Gebiet sehr erfahren. Wir
hatten eine Lehrerin mit im Boot, die für dieses Thema
sehr offen war und immerhin 9 Schülerinnen und Schüler,
die sich für dieses Thema interessierten. Wir hatten
zuerst die baulichen Gegebenheiten untersucht, für seh-
und hörbeeinträchtigte Schüler. Da haben wir einige
Stellen entdeckt, die schwierig sein könnten. Allerdings
war ein Mädchen in der Gruppe, dessen Schwester mit
Hörbeeinträchtigung hier an der Schule ist, welche
berichtete, dass dieses Mädchen gut zurecht kommt.

116 
 
Transkription der Interviews

Wir hatten Rollstühle und sehbeeinträchtigende Brillen an


und haben eine Bestandsaufnahme gemacht und waren ganz
sensibilisiert für diese Situation. Dann hatten wir den
Herrn Friedemann da um ihn als Experten zu fragen.
Baulich ließe sich das alles umsetzten, ein typisches
Inklusionskind kann kommen, aber wie ist es mit der
Unterrichtsgestaltung? Er hat geraten, wenn die Schule
eine inkludierende Schule sein möchte, dann ist es
wichtig, kleine Schritte zu machen. Also nicht „Da sind
die Kinder“, sondern eine Kooperation mit zum Beispiel
der Richard-Mittermaier-Schule oder mit Schulen, die
sonderpädagogische Aufträge haben, einen Nachmittag
gemeinsam gestalten, vielleicht in Form einer AG. Und
dann peu à peu in den Unterricht hinein holen. Aber
gleich komplett inkludierend zu sein ließe sich
eigentlich nur für Kinder mit einer körperlichen
Beeinträchtigung umsetzten. Da die Gymnasialempfehlung
eigentlich schon voraussetzt, dass gewisse
Lernvoraussetzungen da sind. An diesem Punkt sind wir
gerade. Als die Projekte vorgestellt wurden fanden die
Plakate dieser Gruppe sehr großen Zulauf. Auch von der
Elternschaft, die Rückmeldungen waren sehr positiv, also
die Bereitschaft von den Eltern und Kindern ist da.

A1: Wenn jetzt natürlich der Fall eintritt, morgen wäre


ein Kind da, das bisher an einer Sonderschule beschult
wird und nicht ohne Weiteres in den Unterricht im
Klassenverband mitversorgt werden kann, auch nicht mit
der Rücksichtnahme die wir bis jetzt hatten, müssten die
Rahmenbedingungen hinterfragt werden, ob das unter diesen
Rahmenbedingungen funktioniert. Da hätte ich schon auch
Zweifel, dass es damit einfach gleich funktionieren
könnte. Wir hatten bisher sehr große Klassen. Es hat sich
im Moment in den fünften Klassen etwas entspannt, aber
sonst hatten wir nie Klassen mit weniger als 32 Schülern.

117 
 
Transkription der Interviews

Es ist klar, dass das in einer solchen Situation


schwieriger ist.

A2: Die Schule alleine kann das nicht stemmen, da müssen


sich die Rahmenbedingungen komplett ändern. Es gibt
Erfahrungsberichte aus einer Schule in freier
Trägerschaft. Dort wurden zwei oder drei Kinder mit
körperlicher Beeinträchtigung aufgenommen, die vorher in
einer anderen Schule waren. Da ist die Situation im
Schulalltag so schwierig zu meistern, weil zusätzliches
pädagogisches Personal fehlt und die Lehrer es nicht
allein stemmen. Hinzu kommt, dass der außerschulische
Aufwand groß ist, bei Ausflügen etc., hinzu kommt der
labile Gesundheitszustand der Kinder, oder dass der
Transport zur Schule nicht klappte. Da gibt es ganz
verschiedene Faktoren. Die Frage, ob das die Schule von
sich aus stemmen kann, lässt sich nur aus einer „good
will“ Situation beantworten, die Realität sieht anders
aus. Da muss hier in Freiburg noch sehr viel getan
werden, damit das wirklich funktioniert. Das Projekt an
der Schule in freier Trägerschaft wird nicht
weiterlaufen, was nicht daran liegt, dass die Schule das
nicht will, sondern dass das einfach nicht umgesetzt
werden kann. Dann sagen die Eltern zum Schluss auch, dass
ihr Kind lieber auf eine Sonderschule gehen soll, da dort
die Rahmenbedingungen gesetzt sind und die eigentliche
Inklusionsidee muss dann an diesen ganz praktischen,
operativen Notwendigkeiten scheitern.

A1: Solche Maßnahmen kosten Geld. Und das ist letztlich


auch der Punkt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür
genug Geld investiert wird an den Gymnasien. Das müsste
aber getan werden. Ein Klassenlehrer, der den größten
Teil dieser Arbeit auch zu leisten hätte, kann das nicht
aus seinem jetzigen Budget schöpfen.

118 
 
Transkription der Interviews

Er hat im Moment ca. 30 Minuten pro Woche für das


Klassenlehrer-Sein, und das ist jetzt schon weit
gesprengt. Wenn tatsächlich ein Fall käme müsste das
Klassenlehrerteam viel mehr investieren, das könnte ich
mir auch vorstellen, aber es müsste vergütet werden und
die Zeitkapazitäten da sein.

A2: Es müssten auch Partner mit in die Schule kommen. Das


kann kein klassischer Gymnasiallehrer alleine machen.

A1: Aber auch wenn die Partner da wären, würde es für das
Kollegium eine deutliche Mehrarbeit bedeuten. Die Räume
sind ein weiterer Punkt. Wir haben an den meisten
Gymnasien in Freiburg die Situation, dass die Klassen
häufig umziehen von Stunde zu Stunde, was für ein solches
Kind sehr schwierig sein kann. Die Räume sind insgesamt
recht knapp bemessen. Wenn man ein Kind hätte, dessen
Klasse möglichst in einem Raum bleiben sollte, wäre es
noch vorstellbar dass es dann einen Sonderstatus gibt und
die Klasse in Ihrem Raum bleibt. Sobald es aber mehrere
sind, geht das nicht mehr. Also müssten die
Raumkapazitäten stimmen.

Fr: Sie würden dann in diesem Fall ein 2-Pädagogen-Modell


in den Klassen befürworten?

A1: Wir haben zwei Klassenlehrer, das wurde vor ein paar
Jahren eingeführt. Es ist schon mal gut, dass es da zwei
Ansprechpartner gibt. Aber ich denke, dass wir zusätzlich
einen außerschulischen Partner mit ins Boot holen
müssten.

Fr: Arbeiten die beiden Klassenlehrer im Teamteaching?

A1: In den Klassenlehrerstunden ja, ansonsten sind sie


Fachlehrer.

119 
 
Transkription der Interviews

Fr: Gibt es von Ihrer Seite noch etwas zu sagen, das


Ihnen wichtig ist?

A2: Es wäre schön, wenn dieses Thema aus der Katholischen


Hochschule heraus zu den Verantwortlichen getragen würde,
die das mitgestalten.

A1: Ich denke auch, dass es viel bringt, wenn von der
Katholischen Hochschule vertreten wird, dass es nicht
funktioniert, zu sagen, wir beschulen von heute auf
morgen inklusiv.

A2: Ich denke es wäre wichtig, wenn für die Schulen eine
Art Handlungsleitfaden entwickelt wird. So dass man weiß,
falls eine Anmeldung eines Inklusionskind kommt, was man
als Schule zu tun hat und worauf geachtet werden muss.
Eine Art Checkliste: Haben wir die baulichen Voraus-
setzungen, lässt sich die Umzugsfrequenz der Klassen
reduzieren, wie viel zusätzliche Unterstützung brauchen
wir, braucht man sonderpädagogische Betreuung oder einen
Jugendlichen im Freiwilligen Sozialen Jahr und so weiter.

A1: Auch bei den Lehrkräften bräuchte man jemanden, der


das als Funktion wahrnimmt. Man muss eine Kapazität
schaffen bei welcher das in der Schule zusammen läuft.
Die Schulleitungen können das sicherlich nicht zusätzlich
machen. Wie den Drogenbeauftragten oder BOGY-Beauftragten
einen Inklusionsbeauftragten in der Schule selbst. Wenn
man den Klassenlehrern sagt, sie müssten das einfach so
noch dazu machen, wird es sehr schwierig.

Fr: Sie würden sich ganz konkret einen Handlungsleitfaden


wünschen?

A2: Das würde ich als richtig hilfreich für alle finden.

120 
 
Transkription der Interviews

A1: Ja, genau. Allerdings haben wir jetzt noch kein so


großes Interesse gespürt, da wir auch noch keine solche
Anmeldung hatten. Wenn man das als Konzept haben möchte
und Inklusion nicht als absoluten Ausnahmefall sondern
als Regelfall haben möchte, dann muss das anders
angedacht und finanziert werden. Nächstes Jahr wird die
Grundschulempfehlung abgeschafft, da wird die Situation
sich ändern.

A2: Ich kenne ein Kind, das eine körperliche


Beeinträchtigung hatte und im Regelkindergarten war. Die
Eltern wollten gerne, dass ihr Kind danach eine
Regelschule besucht. Damals war die Grundschule nicht
bereit. Das Kind musst dann eine Sonderschule besuchen
und ich konnte beobachten, wie die Eltern immer mehr
überzeugt waren, dass das die einzig richtige
Entscheidung ist, das Kind aus dem Regelschulbetrieb
auszusondern und auf eine Sonderschule zu schicken. Das
war dann auch in den Köpfen der Eltern verfestigt. Das
wächst jetzt also erst von unten nach oben. Die ersten
Schulen, die Inklusionsbereitschaft zeigen müssen, sind
die Grundschulen. Es gibt bisher nur wenige, die es
tatsächlich machen, da die Voraussetzungen nicht da sind.
Gerade in Freiburg ist für die Inklusionsidee ein großes
Problem, dass die Hauptschulen Brennpunktschulen sind und
damit sehr schwierig. Eltern von Kindern mit geistiger
Beeinträchtigung werden ihre Kinder nach der Grundschule
lieber auf eine Sonderschule schicken als auf diese
Brennpunkthauptschulen. Wer also eine körperliche
Beeinträchtigung hat und geistig sehr fit ist, hat damit
erst mal keine Probleme. Da rege ich auch an, etwas davon
wegzugehen wenn man von Inklusion spricht, damit nur
diese Kinder zu meinen. Der Freiburger Bildungsbericht
zeigt, dass die Anzahl der Kinder, die nach der
Grundschule eine Sonderschule besuchen, sehr hoch ist.

121 
 
Transkription der Interviews

Da habe ich den Verdacht, dass viele Eltern lieber


wollen, dass die Kinder eine Sonderschule besuchen als
eine Freiburger Hauptschule.

A1: Das ist auch bei mancher Realschule so. Ganz oft wird
gekämpft, dass die Kinder aufs Gymnasium kommen, aber
nicht unbedingt wegen des Bildungsabschlusses, den sie
bei uns bekommen, sondern weil man nicht möchte, dass das
Kind auf eine andere Schule kommt. Nicht wegen den
Lehrern, sondern wegen den Klassenkameraden dort und der
sozialen Situation.

A2: Das ist stadtteilabhängig, aber ich denke, dass


Inklusion dort wenige Chancen hätte. Der Lehrkörper ist
schon so damit beschäftigt, die Kinder, die keine
klassischen Inklusionskinder sind, zu inkludieren und
einen Klassenverband herzustellen und sie durch ihre
Schulzeit zu bringen.

A1: Es gibt auch das Problem, dass ständig Schüler


nachtröpfeln. Gerade beim achtjährigen Gymnasium gehen ab
der 6. Oder 7. Klasse reihenweise Gymnasiasten auf die
Realschulen und die Realschulen fassen das kaum noch, die
Klassengrenzen werden gesprengt. Und von dort gehen dann
wieder Kinder auf die Hauptschule. Zum Teil wachsen die
Klassen in den Realschulen auf ein Maß, das nicht mehr zu
bewältigen ist, und dann ist es fast Hohn, zu sagen, sie
sollten die Inklusion auch noch einfach so bewältigen.
Das ist auch eine Geldfrage und wie viele Klassen man am
Anfang ansetzt.

A2: Es gibt gar nicht genug Schulen, um alle aufzufangen.

Fr: Vielen Dank für das Interview!

122 
 
Transkription der Interviews

17.8 Transkription Interview Gymnasium 2

Anwesende: Katharina Jirec (Studentin), eine Person des


Schulleitungsteams

Frage: Besucht bereits ein inklusiv beschulter Schüler


Ihre Schule? Wenn ja, seit wann?

Antwort: Ja. Einer ist seit 2009/10 hier. Wir hatten


bereits davor immer wieder Schüler mit Körperbehinderung,
Sprach- und Hörbehinderung und mit Autismus an unserer
Schule. Also bestimmt schon seit 10 oder 12 Jahren. Vor
ca. 8 Jahren war hier ein hörbehindertes Kind, da haben
wir eine Einweisung von einer Betreuerin der
Hörgeschädigtenschule in Stegen bekommen.

Fr: Wurde im Vorfeld vorbereitende Literatur benutzt?

A: Mit Literatur habe ich mich nur bedingt vorbereitet.


Der Paragraph der Behindertenrechtskonvention ist mir
vertraut. Mit zusätzlicher Literatur in Richtung
Pädagogik und Psychologie habe ich mich nur ganz kurz
beschäftigt.

Fr: Wurde zur Vorbereitung ein Sachverständiger


hinzugezogen? Wenn ja, wer?

A: Die Sachverständige aus der Hörgeschädigtenschule war


wie gesagt hier. In den letzten vier Wochen hatten wir
Kontakt zur Beauftragten vom Schulamt für Autismus, Frau
Weyler.

Fr: Wurden Schulungen für die Lehrkräfte angeboten?

A: Nein. Schulungen nicht. Wir haben Konferenzen


abgehalten, in welchen wir die Probleme besprochen haben.

123 
 
Transkription der Interviews

Fr: Wurde speziell jemand eingestellt?

A: Nein. Wir haben keine sonderpädagogische Fachkraft.

Fr: Also setzt sich das Kollegium nur aus


Gymnasiallehrern zusammen?

A: Ja, und zwar aus Fachlehrern.

Fr: Hat sich der Unterricht verändert? Wenn ja, wie?

A: Ja. Es geht nicht ohne Einführung. Man kann nicht den


Schüler mit Behinderung mitnehmen und sagen „Hier ist
er“. Das ist nicht möglich. Man muss die Klasse
vorbereiten, man muss die Eltern vorbereiten und vor
allem muss man auf das Ungleichgewicht in der Klasse
vorbereiten. Das kann sich so äußern, dass die Schüler
vieles als ungerecht empfinden. Und um aufzuzeigen, dass
Gerechtigkeit nach anderen Kriterien gemessen werden
muss, wenn wir einen Köperbehinderten oder seelisch
Behinderten oder ein anderes Kind mit Behinderung haben.
Das muss man mit der Klasse zuvor besprechen. Man muss
viel erklären, auch den Eltern.

Fr: Wurde der Fachunterricht konkret umgestaltet?

A: Nein. Der konkrete Fachunterricht wird genauso


gestaltet. Aber er wird anders „gestört“. Es gibt immer
Sequenzen im Unterricht die dann anders sind, da das
jeweilige Kind sich anders verhält, anders bewertet wird,
anders darauf reagiert als die anderen Kinder.

Fr: Wie viele Pädagogen werden in den Klassen eingesetzt?


Gibt es Pläne für ein Zwei-Pädagogen-Modell?

A: Nein, davon können wir träumen. Wir haben für eins der
Kinder eine Schulbegleiterin, das ist genial. Das zweite
bei uns im Haus hat auch eine Schulbegleiterin, aber
nicht im Unterricht.

124 
 
Transkription der Interviews

Fr: Gibt es von Ihrer Seite noch etwas Wichtiges zur


Vorbereitung oder Sonstigem zu sagen?

A: Ich glaube es geht überhaupt nicht, dass wir die


Kinder in die Klassen geben ohne vorher mit den Eltern zu
reden. Manchmal finde ich die Eltern ein größeres Problem
als die Kinder. Bei den Kindern bin ich direkt nah dran
und kann ad hoc viel erklären. Die Eltern machen sich
tausend Gedanken, wie ihr „normales“ Kind darunter leiden
könnte, dass es ein Kind mit Behinderung in der Klasse
gibt, wie ihr „normales“ Kind zu kurz kommen könnte oder
ungerecht behandelt wird. Das bedarf dringender
Unterstützung und Aufklärung. Aufklärung auch in Richtung
von Demokratiepädagogik. Dass es den
Behindertenrechtsparagraphen gibt, dass dieser
unterschrieben wurde und dass wir da nicht drum rum
kommen. Die Eltern dürfen sagen „ich will mein Kind hier
einschulen“. Das halte ich für mindestens so wichtig wie
die Aufklärung der Kinder.

Fr: Vielen Dank für das Interview!

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