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Niedersächsisches

Kultusministerium

im Elementarbereich
niedersächsischer
Tageseinrichtungen
für Kinder

Niedersachsen
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Inhaltsverzeichnis

I. Grundlagen und allgemeine Ziele


1. Einleitung: Funktion und Charakter des Orientierungsplans 8
2. Grundwerte in der demokratischen Gesellschaft 10
3. Zum Bildungsverständnis - wie kleine Kinder lernen 11

II. Bildungsziele in Lernbereichen und Erfahrungsfeldern


Einführende Bemerkungen 12
1. Emotionale Entwicklung und soziales Lernen 14
2. Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und der Freude am Lernen 16
3. Körper - Bewegung - Gesundheit 18
4. Sprache und Sprechen 20
5. Lebenspraktische Kompetenzen 22
6. Mathematisches Grundverständnis 24
7. Ästhetische Bildung 26
8. Natur und Lebenswelt 28
9. Ethische und religiöse Fragen, Grunderfahrungen menschlicher Existenz 30

III. Die Arbeit in der Tageseinrichtung für Kinder


A. Methodische Aspekte und die Aufgaben der Fachkräfte
1. Grundprinzipien für die Förderung von Erziehungs- und Bildungsprozessen 33
2. Leben und Lernen in der Kindergruppe 36
3. Das Spiel - die elementare Lernform von Kindern 37
4. Die Einrichtung einer anregenden Lernumgebung 38
5. Beobachtung und Dokumentation - Grundlagen methodischen Vorgehens 39
6. Zusammenarbeit im Team und Aufgaben der Leitung 40
B. Erziehungspartnerschaft mit den Eltern
1. Grundlagen für eine Erziehungspartnerschaft 42
2. Erziehungspartnerschaft in der Praxis 43
3. Die Tageseinrichtung im sozialen Umfeld 45
C. Zusammenarbeit von Tageseinrichtung und Grundschule
1. Voraussetzungen und Ziele der Zusammenarbeit 46
2. Konkrete Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs 47

IV. Qualitätsentwicklung und -sicherung


1. Zielsetzung - Pluralität der Methoden 48
2. Beobachtung und Dokumentation als Instrumente der Qualitätssicherung 50

Anhang
1. zu Kap. III A: 4. Die Einrichtung einer anregenden Lernumgebung 52
2. zu Kap. III C: Zusammenarbeit von Tageseinrichtung und Grundschule 54
- Beispiele für einen Kooperationskalender -
3. Ausgewählte Literatur 57
4. Hinweise zu Bildungsplänen anderer Bundesländer 58

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Erklärung zum Orientierungsplan für Bildung und Erziehung
im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder

Die Unterzeichner begrüßen, dass mit der Herausgabe des Orientierungsplans für Bildung
und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder der
Bildungsauftrag des Elementarbereichs konkretisiert und in der Öffentlichkeit deutlich
gemacht wird.

Die Unterzeichner betrachten den Orientierungsplan als Grundlage für die Bildungsarbeit
in den niedersächsischen Einrichtungen des Elementarbereichs. Sie akzeptieren ihn als
Rahmen für die Erarbeitung der einrichtungsspezifischen Konzeptionen. Der Plan hat
empfehlenden Charakter. Die Verantwortung der Träger für die konkrete Ausgestaltung
der Bildungsarbeit bleibt davon unberührt.

Die Unterzeichner sind sich dessen bewusst, dass der Orientierungsplan für Bildung und
Erziehung anspruchsvolle Ziele verfolgt, die aus unterschiedlichen Gründen nicht überall
zeitnah und in gleicher Weise erreicht werden können.

Die Unterzeichner unterstützen die Einrichtungen bei der Umsetzung des Plans nach ihren
jeweils gegebenen Möglichkeiten und Strukturen. Grundlage sind die bei Unterzeichnung
geltenden Regelungen des niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder
und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen.

Es lassen sich aus dem Orientierungsplan weder gegen das Land noch gegen die Träger
der öffentlichen Jugendhilfe und die kreisangehörigen Städte und Gemeinden finanzielle
Forderungen ableiten. Aufgrund der extrem schwierigen Haushaltslage aller öffentlichen
Haushalte müssen die formulierten Ziele schrittweise und ohne finanzielle Mehrbelastung
gemeinsam umgesetzt und erreicht werden. Die Stärkung des Bildungsauftrages kann
deswegen nur im Rahmen der bestehenden finanziellen Möglichkeiten aller Beteiligten
verfolgt werden.

Hannover, den 12. Januar 2005

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Bernd Busemann Dr. Wolfgang Schrödter
Niedersächsischer Kultusminister Arbeitsgemeinschaft der kommunalen
Spitzenverbände Niedersachsens

Otto Drewes Präsident Dr. Eckhart v. Vietinghoff


Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Stellv. Vorsitzender des Rates der Konfödera-
Hannover e. V. tion evangelischer Kirchen in Niedersachsen

Dr. Hans-Jürgen Marcus Oberlandeskirchenrat Jörg-Holger Behrens


Caritasverband für die Diözese Leiter der Geschäftsstelle der Konföderation
Hildesheim e. V. evangelischer Kirchen in Niedersachsen

Henning Brandes Prälat Prof. Dr. Felix Bernard


Diakonisches Werk der Ev.-luth. Leiter des Katholischen Büros Niedersachsen
Landeskirche Hannovers e. V. - Kommissariat der katholischen Bischöfe -

Bernd Anders Michael Höfer


DRK-Landesverband Vorstand lagE e. V. (Landesarbeitsgemein-
Niedersachsen e. V. schaft Elterninitiativen Niedersachsen/Bremen)

Cornelia Rundt Andrea Sundermann


Paritätischer KitaLEV e. V. (Landeselternvertretung
Niedersachsen e. V. Kindertagesstätten)

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Vorwort

Der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsi-


scher Tageseinrichtungen konkretisiert den gesetzlichen Bildungsauftrag. Er wurde im
Januar 2005 zwischen dem Kultusministerium, der Arbeitsgemeinschaft der Kommu-
nalen Spitzenverbände, den Trägerverbänden der freien Wohlfahrt, den Kirchen, der
Landesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen und der Landeselternvertretung der
Kindertagesstätten in Niedersachsen als Grundlage für die Bildungsarbeit in Kinderta-
geseinrichtungen vereinbart.

Die Entstehungsgeschichte des Orientierungsplans ist ein wichtiges Beispiel für die enge
und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Kultusministerium und den nieder-
sächsischen Trägerverbänden. Mit dem Orientierungsplan verpflichten sich Land und
Träger dazu, die Qualität der frühkindlichen Bildung in Niedersachsen anhand träger-
übergreifend vereinbarter Bildungsziele und im Rahmen ihrer jeweiligen Möglichkeiten
zu entwickeln.

Der Orientierungsplan ist der Ausgangspunkt für die Erarbeitung und Weiterentwick-
lung von pädagogischen Konzepten von Kindertageseinrichtungen, ein Maßstab für die
Prozessqualität der pädagogischen Arbeit im Alltagsgeschehen und Grundlage für die
Qualifizierung von pädagogischen Fachkräften. Der Orientierungsplan ist kein abge-
schlossenes Werk, sondern ein fortlaufender Prozess, dem sich seine Unterzeichner nach
wie vor verpflichtet fühlen.

In Ergänzung zu diesem Ausgangsdokument wurden im Juni 2011 die Handlungs-


empfehlungen „Sprachbildung und Sprachförderung“ verabschiedet, die aktuelle Er-
kenntnisse aus Wissenschaft und Praxis aufgreifen. Sie detaillieren die Aussagen des
Orientierungsplans zu einer fach- und kindgerechten Begleitung von Lern- und Entwick-
lungsprozessen im Bildungsbereich „Sprache und Sprechen“. Ein Jahr später konnten
die Handlungsempfehlungen zur Arbeit mit Kindern unter drei Jahren veröffentlicht
werden. Sie erläutern, wie die Anforderungen des Orientierungsplans im Hinblick auf
die besonderen Entwicklungsanforderungen von Kindern unter drei Jahren umgesetzt
werden sollten.

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Der Orientierungsplan ist eine Erfolgsgeschichte, die ich ausdrücklich würdigen möchte.
Über die seitens des Kultusministeriums bereitgestellte Grundausstattung aller Kin-
dertageseinrichtungen und Grundschulen in ganz Niedersachsen hinaus wurde die
Broschüre bis heute über 20.000 Mal nachbestellt. Diese Zahl spiegelt nicht nur die
unvermindert hohe Akzeptanz des Orientierungsplans. Sie lässt auch darauf schließen,
dass sich das
Werk als Instrument der Praxis für die Gestaltung frühkindlicher Lern- und Entwick-
lungsprozesse in jeder Hinsicht bewährt hat.

Der Orientierungsplan ist zu einem zentralen Fundament für die frühkindliche


Bildung in Niedersachsen geworden. Mein Dank gilt allen Personen, die sich für seine
Entstehung und Weiterentwicklung eingesetzt haben und noch immer einsetzen. Mein
Dank gilt auch allen Pädagoginnen und Pädagogen, die seine Handlungsempfehlungen
professionell umsetzen und damit dafür Sorge tragen, dass unsere Kinder von einer
guten frühkindlichen Bildung und Erziehung profitieren können. Auf den Anfang
kommt es an!

Frauke Heiligenstadt
Niedersächsische Kultusministerin

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I. Grundlagen und allgemeine Ziele
1. Einleitung: Funktion und Charakter des Orientierungsplans

Die Entwicklung des Kindes zu In erster Linie richtet sich der


einer eigenverantwortlichen Orientierungsplan an die Träger
und gemeinschaftsfähigen Per- und an die Fachkräfte der Kin-
sönlichkeit ist das übergreifen- dertagesstätten, denn es geht
de Ziel frühkindlicher Betreu- um grundlegende Orientierun-
ung, Bildung und Erziehung. gen darüber, wie Kinder am
Dieser Auftrag des SGB VIII aus besten im Prozess ihrer Weltan-
dem Jahre 1991 an die Kinder- eignung - so verstehen wir Bil-
tagesstätten wird im nieder- dung - unterstützt werden kön-
sächsischen Gesetz über Tages- nen. Es ist das Anliegen des
einrichtungen für Kinder in den Orientierungsplans, in konzen-
§§ 2 und 3 aufgegriffen und trierter Form die fachlichen An-
der eigene Bildungs- und Erzie- forderungen an die sozialpä-
hungsauftrag ausdrücklich ge- dagogische Praxis zu benennen.
nannt. Die Träger sind verantwortlich
für die Sicherstellung der Rah-
Es kann also keinen Zweifel da- menbedingungen.
ran geben, dass Tageseinrich-
tungen für Kinder einen Bil- Angesichts der aktuellen Diskus-
dungsauftrag haben - und im- sion über die Leistungen unse-
mer hatten. Dennoch zeigt die res Bildungswesens ganz allge-
intensive Diskussion, die seit mein soll mit einem solchen
einigen Jahren bundesweit über Plan auch gegenüber den Eltern
das richtige Verständnis früh- verdeutlicht werden, wie in den
kindlicher Bildung geführt wird, vorschulischen Tageseinrichtun-
dass wir uns auch in Niedersach- gen, der elementaren Stufe un-
sen dieses Auftrags erneut ver- seres Bildungswesens, der Bil-
gewissern müssen. Hierzu be- dungsauftrag verstanden wird.
darf es einer gemeinsamen, Aber nicht nur für Eltern sollen
trägerübergreifenden Orientie- Bildungsziele und -bereiche
rung für die Wahrnehmung die- transparenter werden, sondern
ser Aufgabe. Es geht darum, die für alle Einrichtungen und Insti-
gesetzlichen Vorgaben in den tutionen, die mit der Kinderta-
§§ 2 und 3 zu konkretisieren gesstätte zu tun haben, insbe-
und um dort nicht berücksich- sondere für die Grundschulen.
tigte Aspekte zu erweitern. Der Die gewünschte Zusammenar-
Orientierungsplan dokumen- beit von Elementar- und Pri-
tiert den Konsens, der hinsicht- marbereich kann nur auf der
lich des Bildungsauftrages exis- Basis von Informationen über
tiert und der landesweit den Arbeitsweise und Auftrag der
Rahmen für einrichtungsspezi- jeweils anderen Seite gelingen.
fische Konzeptionen abgibt. Er Für die Aus- und Fortbildung
wendet sich ebenfalls an die hat ein solcher Plan ebenfalls
sonderpädagogischen Einrich- eine orientierende Funktion,
tungen des Elementarbereichs, die so bisher nicht existierte.
die nicht unter das KiTaG fallen.
Eine größere Verbindlichkeit
und Transparenz der Bildungs-
arbeit ist das Ziel.

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Tageseinrichtungen für Kinder Der Aufgabe der Qualitätsent-
sind der Jugendhilfe zugeord- wicklung und -sicherung (Teil
net und haben einen eigenstän- IV) müssen sich heute alle Bil-
digen Bildungsauftrag, an den dungseinrichtungen stellen. Die
die Grundschule bei ihrer Arbeit Leitung der Tageseinrichtung
anknüpft. Seitdem in den 90er ist in Abstimmung mit dem Trä-
Jahren eine breite - auch inter- ger aufgefordert, das jeweils
national geführte - Diskussion geeignete Verfahren zu wäh-
über Bildung in der frühen len. Qualitätsentwicklungsver-
Kindheit wieder auflebte, ist fahren führen über die kritische
auf der Basis wissenschaftlicher Reflexion der Praxis zu selbstbe-
Studien, u. a. der Hirnforschung, wusster Vertretung der eigenen
eine neue Sichtweise auf die Arbeit und mehr professioneller
spezifischen Lernpotentiale von Kompetenz. Der Orientierungs-
Vorschulkindern entstanden. plan für Bildung und Erziehung
als Ganzer ist diesem Ziel ver-
Daher wird zunächst das Bil- pflichtet.
dungsverständnis für den Ele-
mentarbereich formuliert, so Der Orientierungsplan wurde
wie es dem heutigen Stand der verfasst mit Blick auf die Drei-
Fachdiskussion entspricht. Des bis Sechsjährigen. Grundsätzli-
Weiteren werden die für alle che Ausführungen und der Kern
Bildungseinrichtungen ver- der Bildungsziele gelten ebenso
pflichtenden Grundwerte in der für die Arbeit mit unter Dreijäh-
demokratischen Gesellschaft ge- rigen. Die altersspezifischen Ent-
nannt. Sie sind als Leitmotive wicklungsschritte im Bildungs-
für die pädagogische Arbeit in prozess der Kinder unter drei
den Tageseinrichtungen zu ver- Jahren können aber nur ansatz-
stehen. weise im Rahmen dieses Plans
gewürdigt werden.
In Teil II werden die Bildungs- Die Arbeit im Hort wird nicht
ziele in Lernbereichen und Er- behandelt. Dies ist auch nicht
fahrungsfeldern in gestraffter in dem Beschluss „Gemeinsamer
Form vorgestellt. Darauf folgt Rahmen der Länder für die frü-
der Abschnitt zur Arbeit in der he Bildung in Kindertagesein-
Tageseinrichtung für Kinder richtungen” geschehen, den die
(Teil III). Die dort formulierten Jugend- und die Kultusminister-
Grundsätze sind keine Hand- Konferenz im Frühsommer 2004
lungsanweisungen im engeren verabschiedet haben. Die spezi-
Sinne. Sie sollen die Dimensio- fischen Aufgaben des Horts an-
nen der Fachlichkeit im Arbeits- gemessen zu beschreiben hätte
feld Kindertagesstätte umrei- den vorgegebenen Umfang des
ßen. Die konkrete Ausgestal- Textes gesprengt.
tung der Arbeit liegt in der Ver- Der Orientierungsplan ist in ei-
antwortung der Fachkräfte nem lesbaren Umfang gehal-
bzw. der Träger. ten. Nur dann kann er auch vie-
le Beteiligte rund um die Kin-
dertagesstätte erreichen. Er soll
und kann keine Fachliteratur
ersetzen; auf detaillierte Vor-
schläge wurde bewusst verzich-
tet.

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2. Grundwerte in der demokratischen Gesellschaft

Die pädagogische Arbeit in der reits von kleinen Kindern erfah- Mädchen und Jungen müssen
Tageseinrichtung begleitet und ren werden können, wenn diese ihre eigene Geschlechtsidentität
unterstützt die Entwicklung der Tugenden vom Team auch vor- entwickeln können, ohne durch
Persönlichkeit der Kinder im gelebt werden. Dies gilt ganz stereotype Sichtweisen und
Hier und Jetzt und bereitet auf besonders für das Miteinander Zuschreibungen in ihren Erfah-
künftige Lebens- und Lernab- von Kindern unterschiedlicher rungsmöglichkeiten einge-
schnitte vor. Damit werden not- sozialer oder nationaler Her- schränkt zu werden. Jungen
wendige Voraussetzungen für kunft und für das Zusammenle- und Mädchen erhalten gleiche
die gesellschaftliche und kultu- ben von Menschen mit und Chancen, die Aufmerksamkeit
relle Teilhabe der jungen Men- ohne Behinderung. Insofern hat und Unterstützung der Fach-
schen geschaffen. In den Tages- die Kindertagesstätte eine wich- kräfte zu erlangen.
einrichtungen für Kinder wer- tige Funktion für die gesell-
den die demokratischen Grund- schaftliche Teilhabe und die In- Durch altersangemessene Betei-
überzeugungen erfahrbar. Da- tegration aller hier aufwach- ligung der Kinder an Entschei-
zu gehören die Achtung vor senden Kinder. dungen können demokratische
der Menschenwürde, Toleranz, Verfahrensweisen im Alltag
Chancengleichheit und Solida- Einen besonderen Auftrag hat gelebt und die zunehmende
rität, die für unsere Gesellschaft die Tageseinrichtung bei Kin- Selbstständigkeit und Verant-
wesentlich sind. Das ist politi- dern aus schwierigen sozialen wortungsbereitschaft der Kin-
sche Bildung in einem elemen- Verhältnissen. Der Besuch einer der gefördert werden. Verein-
taren Sinne. Die Tageseinrich- Tageseinrichtung mit ihrer Fülle barungen treffen, Regeln ver-
tung legt damit ein Fundament von sozialen, kulturellen und abreden, die eigene Meinung
für das Hineinwachsen der Kin- praktischen Lerngelegenheiten vertreten, Vorschläge machen
der in die demokratische Gesell- bietet ihnen die Chance für ein - all dies kann in der Tages-
schaft. erfolgreiches Hineinwachsen in einrichtung für Kinder prakti-
unsere Gesellschaft. ziert werden. Die Partizipation
Andere Meinungen zu achten, der Eltern dient nicht nur der
Fremdem aufgeschlossen zu be- Die gemeinsame Erziehung be- kindlichen Entwicklung, son-
gegnen, Rücksichtnahme, ge- hinderter und nicht behinderter dern ist ebenfalls ein wichti-
genseitige Hilfe und gewaltfreie Kinder erfüllt das Recht auf Teil- ges Element bürgerschaftlicher
Konfliktaustragung sind in der habe am normalen Leben mit Kultur.
Kindertageseinrichtung täglich Hilfe heilpädagogischer Arbeit.
gefordert. Sie führen dazu, dass Sie bietet neben anderen Vor-
Toleranz, Solidarität und Aner- teilen allen Beteiligten die
kennung des Verschiedenen be- Chance, jeden Menschen ganz
unabhängig von der geistigen
oder körperlichen Leistungsfä-
higkeit des bzw. der Einzelnen
achten zu lernen und die Ver-
schiedenheit von Menschen als
Lebenstatsache zu erfahren.

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3. Zum Bildungsverständnis – wie kleine Kinder lernen

Jedes Kind ist von Geburt an mit betonen wir die Subjektivität Bildungsprozesse sind immer
allen Kräften dabei, sich der des Bildungsprozesses und die soziale und kommunikative Pro-
Welt zu zuwenden. Es tritt mit Wissbegierde des kleinen Kindes zesse zwischen Kindern sowie
seiner sozialen, dinglichen und bei der neugierigen Erkundung zwischen Kindern und Erwach-
kulturellen Umwelt und der seiner Welt. Das Kind lernt rasch senen. Insofern sprechen wir in
eigenen Körperlichkeit über und folgt mit einer für Erwach- diesem Zusammenhang von Ko-
Sinneseindrücke und handelnde sene erstaunlichen Ausdauer Konstruktion. Kinder sind auf
Bewegung aktiv und freudig in seinen eigenen Interessen und eine positive Resonanz ihrer Be-
Beziehung. Dabei baut es mit- Themen. Kindern Zeit zu lassen, zugspersonen angewiesen. Da-
tels der Wahrnehmung viel- ihren eigenen Rhythmus dabei durch können sie Ereignisse und
schichtige innere Bilder oder zu finden, ist ein wichtiger As- Erfahrungen als sinn- und be-
Vorstellungen auf, die sich im pekt der Bildungsbegleitung. deutungsvoll bewerten. Ohne
Laufe des Bildungsprozesses zu eine Sinn stiftende Kommunika-
einem „Weltbild” zusammenfü- Das zeigt sich besonders im tion würden die Kinder von der
gen. Das Kind nimmt auf diese Spiel. Die Fähigkeit zu spielen Fülle der Eindrücke überfordert.
Weise Beziehung zu seinen ist dem Menschen genau so an-
Nächsten auf und erfährt, wie geboren wie das Sprachvermö- Ebenso benötigt das Kind in
Dinge und Ereignisse um es her- gen. Und ebenso, wie Sprache der Kindertagesstätte Bezugs-
um nach Regeln funktionieren, und Sprechen sich nur in einem personen, die es in seinem For-
sich wiederholen und veränder- sprachlich anregenden Milieu schungs- und Entdeckungsdrang
bar sind. gut entwickeln können, bedarf unterstützen, herausfordern,
das Spiel der Kinder förderlicher ihm zusätzliche Erfahrungsmög-
Der Mensch ist ein geborener Bedingungen, um einen Reich- lichkeiten eröffnen und Zusam-
Lerner und von selbst bestrebt, tum an Erfahrungen zu ermög- menhänge aufzeigen. Diese
die Welt zu verstehen und lichen. Für das Krippen- und Kin- Form der pädagogischen Förde-
Handlungskompetenz zu erwer- dergartenkind ist das Spiel die rung ist sehr anspruchsvoll und
ben. Wir sprechen deshalb von wichtigste Form der handelnden verlangt den Erziehern und Er-
„Selbstbildung”, weil niemand Auseinandersetzung mit seiner zieherinnen vor allem Kreativi-
das Kind dazu motivieren muss. inneren und äußeren Welt. Es tät, Einfühlungsvermögen und
Niemand kann dem lernenden ist seine bevorzugte Methode eine geschulte Beobachtungsfä-
Menschen die geistige und ge- zu lernen. Deshalb gibt es im higkeit ab. Anregungsreiche
fühlsmäßige Verarbeitung sei- Grunde nichts Ernsthafteres für Räume und andere Gestaltungs-
ner Begegnungen mit der Welt die Kinder als das Spiel, in wel- elemente der Bildungseinrich-
(und mit sich selbst) abnehmen. chem sie sich ihre eigene Welt tung Kindertagesstätte sind wei-
Denn es besteht keine Möglich- schaffen. tere wichtige Bausteine einer
keit einer direkten Übertragung lernförderlichen Umgebung.
von Erfahrung, Wissen oder Natürlich bedürfen Kinder auch
Kompetenzen von Erwachsenen der Anleitung und des Vorbilds Das Bild vom aktiven, selbst-
auf Kinder. Zwischen der Welt der Erwachsenen, um in eine lernenden Kind stellt nicht in
und der kompetenten Persön- bereits sozial und kulturell ge- Frage, dass die Erfüllung der
lichkeit steht grundsätzlich die prägte Umwelt hineinzuwach- emotionalen Grundbedürfnisse
Konstruktionsleistung des Kin- sen. Für die Anforderungen der - Sicherheit, Geborgenheit und
des, die im frühen Kindesalter Erwachsenen an das Kind kann sichere Bindung an Mutter, Va-
vielfach unbewusst abläuft. Das auch der Begriff der Erziehung ter und an Bezugspersonen in
betrifft nicht nur das Weltbild eingesetzt werden. Es hat sich der Tagesstätte - die Vorausset-
sondern auch das Bild von sich aber nicht als sinnvoll erwiesen, zung für erfolgreiches Lernen
selbst, das Selbstbild. Bildung und Erziehung jeweils sind. Man denke z. B. an die
Wir verstehen somit das Kind streng zu trennen, wenn wir das Eingewöhnungsphase von (klei-
als aktiven, kompetenten Ak- selbst-lernende Kind in den Mit- nen) Kindern: Nur von einer
teur seines Lernens, nicht als telpunkt stellen. Im Übrigen sicheren Basis aus wenden der
Objekt der Bildungsbemühun- kennen andere Länder diese Un- Junge oder das Mädchen sich
gen anderer. Mit diesem Leitbild terscheidung auch nicht. erwartungsvoll Neuem zu.

11
II. Bildungsziele in Lernbereichen und Erfahrungsfeldern
Einführende Bemerkungen

Die Ausführungen zu den ein- der Lebenswelt? Dazu müssen


zelnen Lernbereichen beziehen Aussagen bei der Reflexion der
sich auf Grunddimensionen Arbeit möglich sein. Am Schluss
menschlicher Fähigkeiten, die jedes Lernbereichs werden des-
junge Menschen im Verlauf ih- halb einige Fragen als Anregun-
res Aufwachsens ausbilden. Sie gen formuliert, um das Gesche-
sollen ihnen helfen, handlungs- hen in der Tagesstätte reflek-
fähig zu sein und sich in der tieren zu können. Sie sind kei-
Welt zurecht zu finden. nesfalls als erschöpfend zu be-
trachten und sollen differenzier-
Die Bildungsziele in den Lern- te Beobachtungen einzelner
bereichen sind gedacht als Ori- Kinder nicht ersetzen.
entierung für die Erarbeitung
der einrichtungsspezifischen Die Inhalte der einzelnen Lern-
Konzeptionen und sollen An- bereiche können nicht nach Art
haltspunkte für die Evaluation von Schulfächern abgearbeitet
bieten: welche Möglichkeiten werden. Das widerspräche dem
bietet beispielsweise die Praxis Bildungsverständnis für die Pha-
im Kindergarten, dass Kinder se der frühen Kindheit, das un-
ein mathematisches Grundver- ter Abschnitt I. entwickelt wur-
ständnis erwerben können? de. Die Lerngelegenheiten wer-
Wie steht es um die Beteiligung den immer komplex angelegt
der Kinder oder die Erkundung sein.

12
Es geht ja darum, den Kindern Dimensionen des kindlichen
die selbsttätige, handelnde Aus- Lernens. Jede Einrichtung wird
einandersetzung mit ihrer Um- ihre eigenen Schwerpunkte set-
welt zu ermöglichen. zen. In jeder Einrichtung sollte
aber auch darauf geachtet wer-
Praktisch werden Bildungsziele den, dass im Lauf der Zeit alle
stets in mehreren Bereichen zu- Lernbereiche auf die eine oder
gleich verfolgt. Beispielsweise andere Weise Berücksichtigung
wird die Auseinandersetzung finden.
mit ethischen Fragen und
Grunderfahrungen menschli- Die beschriebenen Lernbereiche
cher Existenz nicht nur im Kom- und Erfahrungsfelder finden
munikationsmedium der Spra- sich in vergleichbarer Weise in
che sondern wo möglich auch nahezu allen bereits veröffent-
im kreativ-bildnerischen Bereich lichten Bildungsplänen anderer
stattfinden; sie berührt zugleich Bundesländer. Die Lernbereiche
auch das soziale und emotiona- spiegeln somit den Konsens
le Lernfeld. wider, der über die wichtigsten
Dimensionen allgemeiner Bil-
Die im Folgenden beschriebe- dung in unserer Gesellschaft
nen Lernbereiche und Erfah- existiert.
rungsfelder umfassen die Viel-
falt und die unterschiedlichen

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1. Emotionale Entwicklung und soziales Lernen

Die sozial-emotionale Entwick- Soziales Verhalten wird im Lauf Die Beziehungen zwischen Kin-
lung eines Kindes vollzieht sich des Aufwachsens zunächst in dern sind vom Grundsatz her
auf zwei Ebenen, die sich wech- der Familie und später in ver- Beziehungen unter Gleichen.
selseitig bedingen: auf der Ebe- schiedenen weiteren Bezie- Hierdurch erfahren Kinder
ne der Persönlichkeit personale hungsformen erlernt. In der Ta- Wichtiges über sich selbst und
Kompetenz und der des sozia- geseinrichtung vermitteln enge über die anderen. Zum Beispiel
len Lernens interpersonale Beziehungen zu den erwachse- über das Aushandeln sozialer
Kompetenz. Kinder entwickeln nen Bezugspersonen und zu an- Regeln, die Achtung persönli-
im Kontakt untereinander und deren Kindern Sicherheit. Das cher Bedürfnisse und Grenzen,
mit Bezugspersonen Fähigkei- Kind erfährt hierdurch verläss- den Ausdruck starker Gefühle
ten, sich als Person zu erleben, liche Bindungen: „Ich bin will- und den Umgang mit Konflik-
ihre Gefühle wahrzunehmen kommen, ich bin wichtig, ich ten. Sie lernen, anderen das
und auszudrücken. Ebenso er- wirke und kann etwas bewir- gleiche Recht zuzugestehen wie
lernen sie im Umgang unterein- ken.” sich selber, Rücksicht zu nehmen
ander soziale Verhaltensweisen und was es bedeutet, Freund-
und die Fähigkeit, ihre Bezie- Die sozial-emotionale Entwick- schaften zu schließen oder sich
hungen zu anderen Menschen lung des Kindes ist eng verbun- zu verlieben.
kompetent zu gestalten. Hier- den mit seiner psycho-sexuellen
bei spielt die emotionale Ent- Entwicklung. Kinder sind von Emotionale Kompetenz bedeu-
wicklung eine herausragende Geburt an sexuelle Wesen mit tet, sich seiner Gefühle bewusst
Rolle. Sie vollzieht sich im Kon- eigenen sexuellen Bedürfnissen zu sein und Gefühle ausdrücken
text anderer Entwicklungsberei- und Phantasien. Die Entwick- und zulassen zu können. Dies
che wie Wahrnehmung, Spra- lung eines positiven Körperge- heißt auch, gegebenenfalls Ge-
che, Denken oder Bewegung. fühls und - mit zunehmender fühle zu regulieren sowie mit
Selbstbewusstheit - der eigenen negativen Gefühlen und Stress-
Grundlage für soziales Lernen sexuellen Identität bilden einen situationen umgehen zu kön-
und für ein gelingendes Zusam- engen Zusammenhang. Kinder nen. Die Fähigkeit, Gefühle bei
menleben sind gemeinsam ge- mit sicherem Selbstwertgefühl anderen wahrzunehmen und
teilte Überzeugungen und Wer- als Junge bzw. als Mädchen ha- zu verstehen ist ein weiteres
te und die Bejahung emotio- ben auch gute Voraussetzun- Merkmal emotionaler Kompe-
naler Grundbedürfnisse. gen, Übergriffe wahrzunehmen tenz. Emotional kompetente
und sich davor zu schützen. Die Kinder sind in der Lage, mit den
Übernahme der Geschlechtsrol- vielschichtigen Gefühlen des
le als Junge bzw. Mädchen ist Lebens umzugehen. Sie lernen,
für jedes Kind von zentraler sich in andere hineinzuverset-
Bedeutung. Aufgabe der Tages- zen.
einrichtung ist es, sie in diesem
Prozess zu unterstützen und
dabei einengende Geschlechter-
stereotype zu vermeiden.

14
Die Perspektive des anderen Die sozial-emotionale Entwick-
übernehmen zu können - Em- lung der Jungen und Mädchen
pathie - ist grundlegend für das wird positiv beeinflusst, wenn
soziale Miteinander. Die Fähig- in der Tagesstätte eine wert-
keit, sich in die Gedanken an- schätzende Atmosphäre
derer hineinzuversetzen, kann herrscht, die den Kindern Ver-
bei Kleinstkindern noch nicht lässlichkeit und emotionale
vorausgesetzt werden. Sie rea- Sicherheit im Umgang mit den
gieren jedoch aufmerksam und eigenen Gefühlen bietet. Dazu
teilnahmsvoll auf Gefühlsäuße- gehören auch Respekt, Akzep-
rungen ihrer Nächsten. Emotio- tanz und das Ernstnehmen der
nen wie Liebe, Interesse, Über- Gefühle von Kindern und Er-
raschung, Wut, Angst, Traurig- wachsenen. Die Stärkung der
keit und Freude sind von vorn- Lebensfreude der Kinder muss dern über ihre Emotionen zu
herein angelegt und werden obenan stehen. Wichtig ist auch sprechen oder sie mit kreativen
zunehmend differenzierter. Der die Hilfestellung im Umgang Mitteln auszudrücken sind
Erwerb von emotionaler Kom- mit negativen Gefühlen und die ebenso wie (Rollen-)Spiele und
petenz ist die Basis für die sog. Vermittlung angemessener Ver- Kinderliteratur weitere Mög-
soziale Intelligenz. Damit ist die haltensweisen nach dem Motto lichkeiten zur Kultivierung der
Fähigkeit gemeint, das soziale „jedes Gefühl ist okay, aber Gefühle.
Miteinander selbstbewusst und nicht jedes Verhalten”.
gleichzeitig einfühlsam zu ge- Die Nutzung von Alltagssitua-
stalten. tionen als Anlass, um mit Kin-

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Fühlen sich die Kinder sicher und geborgen?


Kann jedes Kind von einer Bezugsperson in der Einrichtung getröstet werden?
Bei welchen Anlässen zeigen die Kinder Gefühlsreaktionen wie Freude, Wut, Trauer, Angst?
Haben die Kinder Spaß in der Einrichtung, wird viel gelacht?
Welche Kinder sind in der Kindergruppe besonders anerkannt (bzw. weniger anerkannt)?
(Was) spielt das Kind mit anderen Kindern? Bevorzugt es Jungen/Mädchen?
Zeigen die Kinder Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Gefühle anderer Kinder?
Können sie Frustration und Versagen aushalten und mit Enttäuschungen umgehen?
Sind Kinder häufig in Konflikte verwickelt und welcher Art sind diese Konflikte?
Entwickeln die Kinder selbst Ideen, Konflikte konstruktiv zu lösen?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

15
2. Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und der Freude am Lernen

In den ersten Lebensjahren bil- ergebnisoffen verläuft - ohne Der Erwerb von Lernstrategien
den Kinder ihre kognitiven Fä- Zeitdruck und in einem vom vollzieht sich nicht im luftleeren
higkeiten aus, indem sie Erfah- Kind bestimmten Lernrhyth- Raum, sondern immer an kon-
rungen auf der Grundlage sinn- mus. kreten Gegenständen und in
licher Wahrnehmungen ma- komplexen Situationen und
chen und daraus mittels der Grundlage kognitiven Lernens führt daher auch zu Wissensan-
Sprache oder auf andere Weise ist eine differenzierte Wahrneh- eignung. In der Kindertages-
ihr Bild von der Welt ordnen. mung: Bereits kleinste Kinder stätte wird sowohl spielerisch
Das geschieht beim Spiel und sollten viele Gelegenheiten vor- Grundwissen (z. B. Farben oder
bei allen weiteren Formen han- finden, sich zu bewegen und Wochentage benennen kön-
delnder Auseinandersetzung alle ihre Sinne zu nutzen, um nen, Körperteile kennen, Zäh-
mit Menschen und Dingen. sich die Welt zu erschließen und len) als auch „Weltwissen” er-
Kognitive Fähigkeiten heraus- ihr Sachinteresse herauszubil- worben. Damit ist die Kenntnis
zufordern ist selbstverständliche den. Sie lernen dadurch beiläu- von Geschichten, Liedern etc.
Aufgabe jeder Bildungseinrich- fig Bekanntes wieder zu erken- und von Naturphänomenen
tung und Grundlage für die nen, Klassifizierungen und ebenso wie lebenspraktisches
eigenverantwortliche Lebens- Zuordnungen vorzunehmen, Wissen gemeint.
gestaltung jedes Menschen. Gleiches und Unterschiedliches Es reicht nicht aus, den Kindern
Ebenso ist es für die Weiterent- zu bemerken oder auch Men- Lerngelegenheiten nur bereit
wicklung unseres Gemeinwe- genbegriffe zu bilden. zu stellen. Damit Kinder ein Be-
sens unerlässlich, dass alle Her- wusstsein über ihr Lernen ent-
anwachsenden ihre kognitiven Die Entwicklung kognitiver Fä- wickeln und das gewonnene
Potenziale so weit wie möglich higkeiten kann durch den Er- Wissen auf andere Situationen
entfalten können. werb von Lernstrategien wir- übertragen können, sollten die
kungsvoll gefördert werden. Erwachsenen die Kinder bei ih-
Die Förderung kognitiver Fähig- Kinder werden durch Gesprä- ren Aktivitäten beobachten und
keiten im Elementarbereich che und Beobachtungen zum begleiten. Das Gespräch da-
wurde in der Vergangenheit Nachdenken und zur Begriffs- rüber hilft ihnen, das Gelernte
häufig verwechselt mit einer bildung angeregt. Die Kinder zu behalten und altersgemäß
Vorverlegung schulischen Wis- äußern Vermutungen über das zu reflektieren.
senserwerbs und schulischen Verhalten von Dingen oder Per-
Unterrichts in die Tageseinrich- sonen (Hypothesenbildung) Die Vorbereitung der Kinder
tung für Kinder und genoss da- und überprüfen sie. Dabei soll- auf lebenslanges Lernen ist Er-
her keine Priorität. Es gibt aber ten kreative und ungewöhnli- folg versprechend, wenn Lern-
keinen Gegensatz zwischen che Denkwege in unterschied- angebote spannend und attrak-
dem Konzept des ganzheitli- liche Richtungen ausdrücklich tiv gestaltet sind - nur dann
chen Lernens und kognitiven zugelassen und wertgeschätzt, bleibt den Mädchen und Jun-
Herausforderungen. So nutzen Ergebnisse oder Lösungswege gen die Lust und die Freude am
Kinder zum Beispiel das Ange- nicht vorweg genommen wer- Lernen erhalten. Die metho-
bot, sich mit logisch-mathema- den. Schon sehr kleine Kinder disch-didaktische Herausforde-
tischen Phänomenen wie Men- arbeiten an Lösungen, wie sie rung besteht darin, strukturier-
gen und Größen im Kindergar- z. B. ein ersehntes Ziel erklet- te Lernangebote am Entwick-
ten zu beschäftigen oder su- tern oder Entfernungen im lungsstand der Kinder zu orien-
chen nach Erklärungen für Na- Raum überwinden können. tieren und z. B. an ihrer jewei-
turphänomene, ohne dass sie Kindern werden Problemlösun- ligen Konzentrationsspanne
überfordert erscheinen. Wichtig gen nicht abgenommen oder oder ihrem Bewegungsbedürf-
ist nur, dass dabei die Eigenak- vorgegeben, vielmehr werden nis und inhaltlich an den Fragen
tivität der Kinder zugelassen sie im Prozess der Suche nach und Interessen der Kinder aus-
und unterstützt wird und die Lösungen in einer fehlerfreund- zurichten. Das bedeutet prak-
Gestaltung des Lernprozesses lichen Atmosphäre begleitet. tisch, Kinder altersgemäß an

16
der Themenauswahl und bei der stehen als kognitive Fähigkeit entwickeln sie Vertrauen zu sich
Festlegung der Arbeitsschritte zur Hypothesenbildung und als selbst und können erfahren,
zu beteiligen. Kompetenz, Probleme zu lösen. dass sie Aufgaben lösen und
Probleme bewältigen können.
Kinder erhalten die Möglichkeit, Kinder lernen im Prozess ihres
ihr Gedächtnis zu trainieren Heranwachsens, ihr Verhalten In der Tageseinrichtung kön-
durch das Erlernen von Reimen mehr und mehr selbst zu steu- nen Kinder erfolgreich und mit
und Liedern, Geschichten erzäh- ern. Ziel ist es, Tätigkeiten eine Freude lernen, wenn eine feh-
len und erfinden. Durch Memo- Weile (altersentsprechend) lerfreundliche Atmosphäre
ry und andere Spiele wird die durchhalten und sich auf Auf- herrscht und Experimente zum
Merkfähigkeit gefördert. Das gaben konzentrieren zu kön- Alltag gehören. Durch Ermuti-
Angebot von zwei Sprachen be- nen. Das heißt, Ausdauer und gung und Unterstützung und
wirkt ein intensives Gedächtnis- Konzentration für wichtig und einen wertschätzenden Um-
training. Hierfür eignen sich be- wünschenswert zu erachten. gang mit Misserfolgen können
sonders solche Sprachen, die Kindern lernen schrittweise, ihr Kinder aus Fehlern lernen und
auch im häuslichen oder heimat- eigenes Verhalten zu planen aus Erfolgen Schlüsse ziehen.
lichen Umfeld der Kinder ge- z. B. durch sprachliche Beglei- Wiederholungen gehören dazu,
sprochen werden. tung von Handlungsabläufen sie festigen Lernerfolge und
(des Kindes oder der Erzieherin). machen den meisten Kindern
Wenn Kinder bildnerische, mu- Freude. Dies gilt sowohl für
sikalische oder sprachliche Aus- Die Erfahrung von Selbstwirk- konkrete Angebote und Situa-
drucksmöglichkeiten zur Dar- samkeit ist grundlegend. Kinder tionen, als auch für Lösungsstra-
stellung eigener Ideen oder der müssen erleben können, dass tegien und Lernwege. Der glei-
eigenen Persönlichkeit zur Ver- ihre soziale und dingliche Um- che Gegenstand kann aus ver-
fügung haben, wird ihre Krea- welt beeinflussbar ist, dass ihre schiedenen Perspektiven und
tivität gefördert. An dieser Stelle Ideen und Vorstellungen ernst mit verschiedenen Methoden
ist Kreativität besonders zu ver- genommen werden. Dadurch betrachtet werden.

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Zeigt das Kind Lernfreude und Neugier?


Beschäftigen sich die Kinder (allein und mit anderen) ausdauernd mit der Erkundung von
Dingen/Sachverhalten?
Versucht das (jüngere) Kind, das Tun älterer Kinder nachzuahmen und zu erforschen?
Wie nutzt ein Kind seine Sinne, kann es gut (zu-)hören etc.?
Trauen Kinder sich zu, eigene (ungewöhnliche) Lösungen zu finden?
Haben sie Gelegenheit, Begriffe zu finden, Hypothesen zu bilden und Fragen zu stellen?
Können Kinder ihr Lernen an konkreten Beispielen beschreiben?
Welche Reime, Lieder können Kinder auswendig; können sie Geschichten erzählen?
Welche Erfahrung können Kinder machen, etwas selbstständig geplant und fertig gestellt/erreicht
zu haben?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

17
3. Körper – Bewegung – Gesundheit

Bewegung ist das Tor zum Ler- ren. Ziel der - vor allem in der
nen und hat im Zusammenspiel Psychomotorik entwickelten -
mit der Wahrnehmung eine Angebote ist es, eine Vielfalt
Schlüsselfunktion für die Ent- an sensorischen Erfahrungen zu
wicklung. Deshalb liegt bei der ermöglichen und das Körperbe-
Förderung kindlicher Kompe- wusstsein im positiven Sinne zu
tenzen ein besonderer Akzent stärken.
auf Bewegung. Gesundheit und
körperliches Wohlbefinden sind Kinder sind neugierig, ihren ei-
eng mit regelmäßiger Bewe- genen Körper und den anderer
gung verbunden. Kinder brau- kennen zu lernen, die eigene
chen vielfältige Bewegungser-
fahrungen als Anreize für ihre chen, gestalten die Fachkräfte
körperliche und geistige Ent- ein verlässliches und kindge-
wicklung. Durch entsprechende rechtes Angebot von Bewegung
Bewegungsmöglichkeiten wer- und Entspannung im pädagogi-
den bzw. bleiben Kinder körper- schen Alltag.
lich sicher. Während die Hirn-
forschung heute betont, dass Kinder fühlen sich gesund, sind
sich über Wahrnehmung und weniger unfall- und krankheits-
Motorik eine differenzierte Plas- gefährdet, weniger ängstlich
tizität des Gehirns aufbaut, und gehemmt, wenn ihr Körper
sehen Bildungsforscher vor al- zu seinem Recht kommt. Bewe-
gungsfreude wird durch Frei-
körperliche Entwicklung wahr- räume gefördert, in denen Kin-
zunehmen und zu erforschen. der sich draußen und drinnen
Sie wollen auch Zuwendung spontan bewegen können und
durch Körperkontakt spüren. zum Laufen, Rennen, Hüpfen,
Das Interesse am eigenen Kör- Kriechen und Toben herausge-
per reicht von einem liebevollen fordert werden. Durch die Nut-
Umgang mit sich selbst und an- zung z. B. einer Turnhalle, den
deren bis hin zur Auseinander- Besuch eines Frei- oder Hallen-
setzung mit Gesundheit und bades und den Aufenthalt in
Krankheit. Park, Feld und Wald kommen
die Kinder zu vielfältigen (Be-
Kinder kommen heute mit un- wegungs-)Erfahrungen auch
lem, dass sich Kinder als „Bewe- terschiedlichen körperlichen außerhalb der Tageseinrich-
gungswesen” aktiv die Welt er- Voraussetzungen und Vorerfah- tung. Funktionslust und Bewe-
schließen. Kommen die Freude rungen in die Kindertagesstätte. gungsfreude können Kinder
durch spontane Aktivität und Bewegungsarmut durch fehlen- auch erleben, wenn sie durch
der Erfolg im Kompetenzer- de Freiräume, Verhäuslichung, entsprechend fachlich fortgebil-
werb hinzu, fühlen sich Kinder übermäßiger Medienkonsum dete Fachkräfte zum Erproben
wohl und erleben sich voller und falsche Ernährung wirken und Üben angeregt und heraus-
Selbstvertrauen, selbstwirksam, sich auf die körperliche Entwick- gefordert werden: Gezielte
kraftvoll und stark. lung und das körperliche Ge- Kleingruppenförderung in spie-
schick vielfach nachteilig aus. lerischer Form unter Berücksich-
Die Tageseinrichtung bietet Dem muss die Kindertagesstätte tigung des individuellen Ent-
zahlreiche Gelegenheiten, Er- entgegenwirken im Sinne einer wicklungsstandes und der
fahrungen mit dem eigenen umfassenden Gesundheitsprä- Bedürfnisse der Kinder sind
Körper zu machen und die vention. Um Kindern eine ge- ebenso notwendig wie regel-
Wahrnehmung zu differenzie- sunde Entwicklung zu ermögli- mäßige Bewegungsstunden,

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psychomotorische Angebote sich auf Tempo, Klang und Prävention kindlicher Fehler-
und in den Tagesablauf inte- Rhythmus einstellen und selbst nährung zukommt. Wenn ge-
grierte offene Bewegungsgele- Bewegungs- und Tanzformen sundes Essen ansprechend an-
genheiten. erfinden und gestalten. Die Ver- geboten, gelegentlich auch
bindung zu anderen Bildungs- gemeinsam zubereitet wird,
Körperliche Geschicklichkeit bereichen, wie z. B. der Sprach- werden Körper und Sinne zu-
wird gefördert durch eine viel- förderung, ist hier besonders gleich erreicht und können
fältige Geräte- und Materialaus- offensichtlich. Ernährungsgewohnheiten posi-
stattung, die Kindern das Wip- tiv beeinflusst werden.
pen, Schwingen, Schaukeln, Der Einsatz von Körperkraft und
Rutschen, Klettern, Balancieren, die Steuerung der Bewegung Bewegung und Gesundheit sind
Springen und Fortbewegen werden unterstützt durch An- Bildungsbereiche, in denen
durch Roll- und Fahrgeräte er- gebote zum Raufen, Ringen, Mädchen und Jungen häufig
möglicht. Darüber hinaus kön- Boxen, Fechten nach gemein- ein sehr unterschiedliches Ver-
nen die Kinder durch Nutzung sam erarbeiteten Regeln. Aus- halten zeigen. Die Fachkräfte
von Alltagsmaterialien, Bauele- dauer kann sich bei Lauf- und müssen hier besonders darauf
menten usw. ihre Koordinati- Fangspielen verbessern. achten, dass beide Geschlechter
onsfähigkeit sowie Grob- und ihre Erfahrungsmöglichkeiten
Feinmotorik phantasievoll und Förderung von Bewegung und erweitern können.
selbstständig erproben. Gesundheit bedeutet auch eine Zum Beispiel sollen auch Jungen
Orientierungshilfe in Hygiene- angeregt werden, ihr Körper-
Körperbewusstsein in einem und Ernährungsfragen. Die be- bewusstsein oder ihre feinmo-
ganzheitlichen Sinne und das sorgniserregende Zunahme von torischen Fähigkeiten zu ent-
Hörvermögen entwickeln sich Übergewicht bereits bei Schul- wickeln, Mädchen ermutigt
- unter anderem - indem Kinder anfängern macht deutlich, dass werden, sich bei „wilderen” Be-
sich nach Klängen und in Ver- auch der Tageseinrichtung eine wegungsformen etwas zuzu-
bindung mit Liedern bewegen, hohe Verantwortung bei der trauen.

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Befinden sich die Kinder in einem guten Gesundheitszustand?


Haben sie eine ausgewogene Ernährung kennen gelernt?
Wie ist der grob- und feinmotorische Entwicklungsstand des Kindes, wie steht es um
seinen Gleichgewichtssinn?
Welche Möglichkeiten bestehen, dass Kinder eine Balance zwischen Anspannung und
Entspannung finden können?
Wie reagieren Kinder auf Körperkontakt? Können sie mit ihrem eigenen Körper und mit
dem anderer achtsam und liebevoll umgehen?
Bewegen sich die Kinder gerne?
Wie ist das Körperbewusstsein der Kinder ausgebildet?
Empfinden sich Mädchen und Jungen als stark und mutig?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

19
4. Sprache und Sprechen

Die gesprochene Sprache ist das Sprachentwicklung sowie die wird im Kindergartenalter nicht
wichtigste zwischenmenschliche mangelnde Beherrschung der wie die Muttersprache quasi von
Kommunikationsmedium. Die deutschen Sprache schränken die selbst erworben, deshalb bedür-
Rede von den „Hundert Spra- Kommunikationsfähigkeit von fen Kinder aus zugewanderten
chen des Kindes” macht deutlich, Kindern ein und beeinträchtigen Familien hierbei einer besonde-
dass es daneben aber noch viele ihre Lernmöglichkeiten nachhal- ren Unterstützung. Gleichzeitig
andere Weisen gibt, sich mitzu- tig in der Grundschule und in muss die Erstsprache mit ihrer
teilen: Über Mimik und Gestik, allen weiteren Bildungs- und So- Identität stiftenden Funktion ei-
über Töne, Bilder und Zeichen…. zialisationsprozessen. nen Platz in der Kindertagesstät-
Ohne sie wäre das menschliche te haben (zweisprachige Bilder-
Leben viel ärmer. Sie sind alle Sprachliche Bildung ist ein kon- bücher, fremdländische Buch-
jedoch nicht so hervorragend tinuierlicher Prozess, der nie ab- staben etc.). Wenn es gelingt,
geeignet, sich zu verständigen geschlossen ist. Er umfasst so- die Eltern für die sprachliche För-
und die materielle, soziale und wohl das Sprachverständnis als derung der Kinder - auch in der
geistige Welt zu erschließen. auch die Sprechfähigkeit. Daher Muttersprache - zu interessieren
ist es das wichtigste Ziel, bei den und wo möglich ebenfalls zum
Das Kind verfügt nach der Ge- Kindern die Freude am Sprechen Deutschlernen zu motivieren,
burt nicht über eine ausgebildete zu wecken bzw. zu erhalten. Das können die Kinder leichter Ge-
Sprache, auch wenn es von Be- schließt die Motivation zur Er- winn aus ihrer Zweisprachigkeit
ginn an auf Sprache hört. Es er- weiterung der sprachlichen Mög- ziehen.
wirbt seine nicht zufällig so ge- lichkeiten - den aktiven und pas-
nannte Muttersprache im Kon- siven Wortschatz zu vergrößern In den Regionen, in denen eine
takt und durch Kommunikation oder die Aussprache und den Regionalsprache gesprochen
mit seinen ersten Bezugsperso- Satzbau zu verbessern - ein. Kin- wird (z. B. Plattdeutsch) ist Mehr-
nen. Sprechenlernen ist eine der der lernen Sprechen im kontinu- sprachigkeit eine gute Möglich-
wichtigsten Lernleistungen klei- ierlichen sozialen Kontakt und keit, das Sprachverständnis und
ner Kinder. Spracherwerb ist ein hier besonders mit Erwachsenen, die Sprechfähigkeit zu erweitern.
eigenaktiver, konstruktiver Pro- zu denen sie eine gute Bezie-
zess, in welchem das Kind auf hung haben. Deshalb beeinflusst Sprachliche Bildung ist grund-
gelungene Dialoge und aktive die Erzieherin mit ihrem Spre- sätzlich in den Alltag integriert
sprachliche Anregungen ange- chen und ihrem Sprachgebrauch und kann durch die Schaffung
wiesen ist. die sprachliche Entwicklung der geeigneter Sprechanlässe - z. B.
Kinder stark und ist demzufolge durch entsprechende Raumge-
Tageseinrichtungen für Kinder aufgefordert, das eigene sprach- staltung - noch intensiviert wer-
stehen in der Verantwortung, liche Verhalten laufend zu reflek- den.
Strukturen und Konzepte zu ent- tieren und bewusst zu gestalten.
wickeln, um diesen zentralen Für die sprachliche Bildung ha-
Bildungsauftrag zu realisieren. Kinder mit einer anderen als der ben sich musikalische und rhyth-
Eine unzureichend gelungene deutschen Muttersprache müs- mische Formen wie Lieder, Rei-
sen die Chance erhalten, die me, Singspiele und Ähnliches,
deutsche Sprache so weit zu ler- verbunden mit Bewegung, als
nen, dass sie sich im Kindergar- besonders wirkungsvoll erwie-
ten auf Deutsch verständigen sen. Kinder lernen hierbei ganz
und später dem Unterricht fol- beiläufig den besonderen
gen können. Die Zweitsprache Sprachrhythmus und den Satz-
bau der (deutschen) Sprache in-
tensiv(er) kennen, erweitern ih-
ren Wortschatz und begegnen
der Sprache in einer Weise, die
Kindern besonders viel Freude
macht.

20
Darüber hinaus ist häufig eine sowie an paraverbalen Elemen-
gezielte Sprachförderung in be- ten wie Sprachmelodie, Tonfall,
sonderen Übungssituationen Betonung etc. seiner Gesprächs-
notwendig (regelmäßige Sprach- partner. Bei der Förderung von
spiele bzw. -übungen für kleine- Kindern ohne deutsche Sprach-
re Gruppen etc.). Differenzierte kenntnisse ist es besonders wich-
Vorgehensweisen setzen voraus, tig, nicht-sprachliche Kommuni-
dass der jeweilige Sprachstand kationsmittel bewusst einzu-
des Kindes berücksichtigt wird setzen (z. B. Blickkontakt).
und ggf. die Eltern des Kindes
einbezogen werden. Sprachliche Bildung hat durch
Erprobte Beobachtungsverfah- das Konzept der „Literacy” in
ren stehen hierfür zur Verfü- jüngster Zeit eine Erweiterung
gung. Zur gezielten und be- erfahren. Literacy steht für die kraft geschult. Zu lernen, dass
wussten Förderung der Sprach- Begegnung mit dem geschriebe- Buchstaben und Zeichen etwas
entwicklung in Kindertagesstät- nen Wort, mit Buchstaben und „bedeuten” und spielerisch da-
ten sind Kenntnisse über den Zeichen und für den Gebrauch mit umzugehen ist eine gute
Spracherwerb (in der Erst- wie der Sprache im fiktionalen Sinne, Vorbereitung auf den Erwerb
in der Zweitsprache) unerlässlich. d. h. Sprache zu verwenden für der Schriftsprache.
Aspekte der nicht-sprachlichen Ausgedachtes, Vorgestelltes:
Kommunikation spielen bei der Beim Geschichtenerzählen und
Förderung der Sprachentwick- Vorlesen, Reime schmieden und
lung eine wichtige Rolle. Das Bilderbuchbetrachten werden
Kind, das sich Sprache noch nicht nicht nur interessante Inhalte
vollständig erschlossen hat, ori- vermittelt, sondern auch kogni-
entiert sich an nonverbalen Hin- tive Fähigkeiten wie Abstrakti-
weisen, wie Mimik und Gestik onsvermögen und Vorstellungs-

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Sprechen die meisten Kinder in etwa altersentsprechend, ohne besondere Probleme und
Hemmungen?
Ist die vorsprachliche Entwicklung des Kleinstkindes altersgemäß (Vokalisieren etc.)?
Ist Deutsch die Muttersprache des Kindes, wächst es zwei- bzw. mehrsprachig auf, sprechen
die Eltern Deutsch?
Interessiert sich das einzelne Kind für Sprachliches, ohne selber viel zu sprechen; hört es zu?
Haben die Kinder Freude an Reimen, Sprachspielen etc. und kennen sie einige auswendig?
Welche Kinder Interessieren sich für Bücher und können selber daraus „vorlesen”?
Haben Kinder die Funktion von Buchstaben, Zahlen und anderen Zeichen entdeckt?
Welches Kind hat selbst einen Text/eine Nachricht verfasst (Brief verschickt, den Computer
genutzt)?
Haben Kinder selbst eine Geschichte erfunden/etwas Erlebtes in der Gruppe erzählt?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

21
5. Lebenspraktische Kompetenzen

Kinder haben ein großes Be- dass der Sinn diesen Tätigkeiten üben die Kinder dabei verschie-
dürfnis, sich an den Tätigkeiten nicht erklärt werden muss - er dene entwicklungsrelevante Fä-
der sie umgebenden Personen ist unmittelbar gegeben. higkeiten: Feinmotorik, Kogni-
zu orientieren. Besonders bei tion, um nur einige zu nennen.
kleinen Kindern besteht ein Oft verhindern Über-Fürsorg-
starker Wille, Dinge selbst tun lichkeit oder mangelnde Zeit Ein wichtiger Erfahrungsbereich
zu können. Auch ältere Kinder bzw. Ungeduld von Erwachse- auch schon für kleine Kinder ist
haben ein starkes Interesse an nen diese von Kindern selbst die selbstständige eigene Ver-
dem, was etwas ältere Kinder initiierten und damit als beson- sorgung. Hierzu zählen Tätig-
(bzw. in ihrer Entwicklung wei- ders befriedigend empfunde- keiten wie das eigene Anklei-
ter fortgeschrittene) schon kön- nen Kompetenzerfahrungen. den, Schuhe anziehen, das Auf-
nen. Lebenspraktisches Tun bie- Umgekehrt wirken sich Lob und füllen und selber Essen, Zähne
tet Kindern von klein auf eine Bestätigung bei der Bewälti- putzen, sich Waschen und vieles
Fülle von Lerngelegenheiten. gung eines selbst gesetzten Ziels mehr.
Es handelt sich dabei um ein besonders positiv aus.
Traditionselement der Kinder- Ein weiterer Erfahrungsbereich
gartenpädagogik, welches nach Es ist eine wichtige Aufgabe der ist das alltägliche häusliche Tun:
wie vor große Bedeutung hat Tageseinrichtung, dieses starke, Mit Wasser hantieren, Dinge
und das es unter neuen Vorzei- den Kindern offenbar mitgege- abwaschen und abtrocknen,
chen wieder zu entdecken gilt. bene Nachahmungs- und Auto- Blumen gießen etc. ist schon
Wegen seiner Vielseitigkeit ist nomiestreben zu fördern. Der für kleine Kinder attraktiv. Beim
das Lernfeld Lebenspraxis ein Wunsch, etwas alleine tun zu Tischdecken z. B. muss gezählt
wichtiger Baustein im Prozess wollen, ist für alle Kinder ein und der zur Verfügung stehen-
der frühen Bildung, gerade besonderer Entwicklungsanreiz. de Platz eingeteilt werden. Bei
auch für die unter Dreijährigen. „Hilf mir, es selbst zu tun“ ist all diesen Tätigkeiten erschlie-
das bekannte Motto der Mon- ßen sich nebenbei Eigenschaf-
Die Tageseinrichtung bietet den tessori-Pädagogik. Die Erfah- ten der dinglichen Welt.
Kindern viele Möglichkeiten, rung, dies aus eigenem Antrieb
lebenspraktische Kompetenzen zu können, hebt das Selbstwert- Besonders viele Lern- und Erfah-
neu zu erwerben oder auch das gefühl und unterstützt wieder- rungsmöglichkeiten bietet das
zu erproben, was sie bereits zu um die Motivation, sich weitere Herstellen oder auch Herrichten
Hause gelernt haben. Das Be- lebenspraktische Fertigkeiten von Mahlzeiten, Esswaren oder
sondere dieses Lernfeldes ist, anzueignen. Ganz nebenbei Getränken. Hierbei ist Zusam-
menarbeit gefordert; es muss
geplant, mit Mengen hantiert
und die Handgeschicklichkeit
(z. B. beim Obst- und Gemüse-
schälen) eingesetzt werden. Die
Eigenschaften der Zutaten wer-
den erkundet, das Produkt
- z. B. Backwaren - kann phan-
tasievoll gestaltet werden. In
diesem Erfahrungsfeld können
somit viele Verbindungen zu
anderen Lernbereichen herge-
stellt werden.

22
Weiter können Kinder in der Der Umgang mit technischen rücklegen, einkaufen, den Brief-
Tageseinrichtung den Umgang Geräten, die im Alltag präsent kasten entdecken und Post
mit unterschiedlichen Geräten, sind, kann ebenfalls spielend verschicken fördern die Selbst-
Materialien, Werkzeugen und erlernt werden: selber telefo- ständigkeit und stärken das
Werkstoffen erlernen, um ihre nieren, ein Bild auf dem Com- Selbstbewusstsein der Kinder.
handwerklichen und techni- puter im Büro erstellen, Fotos
schen Fertigkeiten zu entwi- machen und ausstellen oder ein Selbstständigkeit und die Si-
ckeln. Der überlegte Einsatz Bügeleisen benutzen etc. cherheit, alltägliche lebensprak-
echter Werkzeuge und die Be- tische Herausforderungen - al-
teiligung bei anfallenden Tätig- Lebenspraktische Fähigkeiten tersgemäß - gut zu bewältigen,
keiten (ein Bild anbringen, ein werden auch beim Erkunden sind gute Voraussetzungen für
Beet herrichten, ein Fahrrad der Lebenswelt erworben. Klei- selbsttätiges Lernen auch in an-
reparieren usw.) vermitteln den nere Wege selbstständig zu- deren Erfahrungsfeldern.
Kindern wie selbstverständlich
lebenspraktische Fertigkeiten,
die sowohl Jungen wie Mäd-
chen gleichermaßen beherr-
schen lernen können.

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Welche Tätigkeiten werden von den Kindern selbstständig ausgeführt?


Wie viel Zeit und Unterstützung wird den Kindern gegeben, etwas allein zu machen?
Helfen sich die Kinder gegenseitig, z. B. beim Anziehen?
Haben die Kinder Gelegenheit, tatsächlich anfallende hauswirtschaftliche Aufgaben zu
übernehmen?
Haben die Kinder die Möglichkeit, mit echten Werkzeugen zu arbeiten?
Welche Aufgaben werden den Kindern der unterschiedlichen Alters- bzw. Entwicklungsstufen
zugetraut?
Wie reagieren die Eltern auf die erlernte Selbstständigkeit der Kinder?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

23
6. Mathematisches Grundverständnis

Bereits in den ersten Lebensjah- bahnt werden. Das Kennen ler- u. a. auch Fähigkeiten zur ma-
ren machen Kinder Erfahrun- nen mathematischer Zusam- thematischen Modellbildung
gen in Raum und Zeit. Mit zu- menhänge macht Kindern Freu- erworben und entwickelt.
nehmendem Alter nehmen sie de und lässt sie Beständigkeit
neben verschiedenen Formen und Kontinuität erfahren. Im Alltag der Tageseinrichtung
und Größen auch Zahlen wahr ebenso wie bei besonderen Pro-
und erschließen zunehmend de- Entsprechend dem Alter der jekten finden sich viele Gele-
ren Bedeutung im Alltag. Ihre Kinder gestaltet sich die Begeg- genheiten, elementare Erfah-
Beobachtungen und Erfahrun- nung mit mathematischen Phä- rungen zum Sortieren, Klassi-
gen fordern Kinder zu weiteren nomenen konkret und sinnlich fizieren und Quantifizieren zu
Erkundungen heraus und bie- erfahrbar, während eigentliches ermöglichen und bewusst zu
ten Anlässe zum Ordnen, Ver- mathematisches Verständnis das machen.
gleichen und Messen. Men- Abstrahieren von konkreten Ge-
gen- und Größenvergleiche so- genständen und Situationen In der Kindertagesstätte kommt
wie (voroperationale)Tätigkei- erfordert und an das Erlernen es nicht darauf an, dass die Kin-
ten wie das Hinzufügen oder und Verwenden von Symbo- der möglichst rasch zählen und
Hinwegnehmen, das Aufteilen len gebunden ist. Die Lernfor- komplexe geometrische Formen
oder Verteilen sind fundamen- schung spricht daher davon, kennen lernen. Vielmehr ist es
tale Handlungserfahrungen, dass Kinder zunächst mathema- für das mathematische Grund-
mit denen viele Kinder nicht so tische Vorläufer-Kenntnisse und verständnis wichtig, dass die
vertraut sind. Daher sollten die- -Fähigkeiten erwerben. Dafür Mädchen und Jungen in unter-
se Aktivitäten in der Kinderta- ist die frühe Kindheit die richti- schiedlichen Situationen im All-
gesstätte besonders in den Blick ge Zeit. Im Verlauf des weiteren tag und im Spiel angeregt wer-
genommen und gezielt ange- Bildungsprozesses werden dann den, Mengen zu erfassen und

24
zu vergleichen sowie Raum- andersetzung mit den Eigen- Erklärungen parat zu haben,
Lage-Beziehungen zu erkennen schaften verschiedener Körper vielmehr werden die Kinder
und zu bezeichnen. Begriffe (z. B. Würfel, Quader, Kugel) zum eigenen Denken und Er-
wie mehr - weniger, oben - un- und Flächen (Quadrat, Recht- kunden herausgefordert.
ten, groß - klein, hoch, höchster eck, Dreieck…). Aktivitäten wie
Punkt, Ecke - Mitte etc. sollten z. B. der Kartoffeldruck in spie- Zu der Dimension Zeit hingegen
zur Artikulation der kindlichen lerischer und altersgemäßer haben Mädchen und Jungen im
Erfahrungen und Beobachtun- Form veranschaulichen den Zu- Kindergartenalter nur elemen-
gen eingeführt und gefestigt sammenhang von Körpern und tare Zugänge, die wesentlichen
werden. Dabei wird mit zuneh- Flächen, wenn z. B. durch den biographisch bezogen sind (wie
mendem Alter der Kinder auch Abdruck eines Würfels ein Qua- alt bin ich, was mache ich heute,
das Zählen angebahnt und drat entsteht. was habe ich gestern erlebt).
durch Spiele oder Abzählreime Kenntnisse über Wochentage
eingeübt. Sprachliche Bildung In Bezug auf die Erfahrung von und Monate werden allmählich
ist daher eine wichtige Voraus- Größenbereichen eröffnet die in Bezug auf den konkreten
setzung für den Erwerb eines Kindertagesstätte als Lernwerk- Alltag angebahnt und durch
mathematischen Grundver- statt Möglichkeiten zum selbst- Lieder/Reime unterstützt.
ständnisses. ständigen Experimentieren mit
Masse/Gewichten und Längen,
Die kreative Gestaltung des Flächen, Rauminhalten. Die Kin-
Raumerlebens (z. B. im Außen- der werden ermuntert zu beo-
gelände, bei der Stadterkun- bachten, zu untersuchen und
dung, beim Malen, Basteln und zu fragen. Es ist weder notwen-
Bauen) führt auch zur Ausein- dig noch sinnvoll, für alles sofort

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Haben die (jüngeren) Kinder von sich aus Freude daran, Gegenstände und Spielzeug zu
gruppieren oder zu sortieren?
Wie orientieren sich die Kinder in Raum und Zeit? Welche entsprechenden Begriffe verwenden
sie dafür (nach dem Mittagessen, hinter der Tür…)?
Welche Möglichkeiten bestehen, dass Kinder mathematische Aktivitäten wie Ordnen,
Vergleichen, Messen ausführen können? Verwenden sie dabei bereits Zahlen?
Interessieren sich einzelne Kinder für Zahlen im Zusammenhang mit der Ordnung von Zeit
(Uhrzeit, Alter, Jahre…); kennen einige bereits die Wochentage, Monate …?
Welche mit Zahlen verbundenen alltagspraktischen Kenntnisse haben die Kinder (Haus- und
Telefonnummern, Anzahl von Gliedmaßen, Geld etc.)?
Können sie Zahlsymbole von anderen Zeichen wie Buchstaben unterscheiden? Welche Kinder
können bereits die Zahlwortreihe aufsagen oder sogar schon zählen?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

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7. Ästhetische Bildung

Ästhetik umfasst alles sinnliche Ästhetische Bildung bedient sich


Wahrnehmen und Empfinden. vieler Kommunikationsformen
Von Beginn an nimmt ein Kind wie Musik, Tanz, bildnerisches
durch Fühlen, Riechen, Schme- Gestalten. Durch sie werden
cken, Hören und Sehen Kontakt den Kindern Möglichkeiten er-
mit seiner Umwelt auf, und öffnet, ihr Bild von der Welt
zwar mit der Gesamtheit seiner durch konkretes Tun zu konstru-
Sinne. Es nimmt seine Umwelt ieren und ihre damit verbunde-
wahr. Das Wahrgenommene nen Gefühle auszudrücken.
löst Gefühle aus, wird mit Bishe- Ziel ist es, die ästhetische Wahr-
rigem verknüpft und betrifft nehmungsfähigkeit der Mäd-
das Individuum in seinem unmit- chen und Jungen zu erweitern
telbaren Erleben. und verschiedene Formen der
In der Tageseinrichtung können
Kinder durch Malen, Zeichnen,
Kollagen oder plastisches Ge-
stalten kreative Ausdrucksfor-
men und verschiedene (hand-
werkliche) Techniken selber
ausprobieren und sich aneig-
nen. Dafür lernen sie verschie-
dene Darstellungsformen ken-
nen und erwerben Kenntnisse
im Umgang mit unterschiedli-
chen Instrumenten, Geräten,
Materialien, Werkzeugen und
Werkstoffen. Dies sind Grund-
Ästhetische Erfahrungen sind Verarbeitung der sinnlichen lagen auch des handwerklichen
authentisch, sie können nicht Empfindungen zu ermöglichen. Gestaltens. Darüber hinaus be-
aus zweiter Hand bezogen wer- Dabei steht das Tun im Mittel- reichert es den Bildungsprozess,
den. Sie bilden eine Grundlage punkt und nicht das fertig ge- wenn auch Künstlerinnen und
für den Aufbau kognitiver staltete Produkt. Neben dem Künstler mit den Kindern arbei-
Strukturen. Kindliches Wahrneh- ästhetischen Empfinden werden ten können.
men und Empfinden ist unge- die Feinmotorik und Körperko-
teilt, ganzheitlich; alle Sinne ordination, die Nah- und Fern- Einige Tageseinrichtungen er-
sind zugleich angesprochen. sinne sowie Konzentration und öffnen Kindern auch einen al-
Deshalb kann die ästhetische Ausdauer angeregt und geför- tersgemäßen Zugang zu techni-
Bildung in der frühen Kindheit dert. schen Medien, insbesondere
nicht wichtig genug einge- dem Computer, damit sie des-
schätzt werden. Im Verlauf der Die Begegnung mit Werken der sen Lern- und Gestaltungsmög-
Entwicklung findet das Kind Musik, Malerei oder z. B. der lichkeiten kennen lernen und
Zugang zur Welt mehr und Bildhauerei aus aller Welt trägt kreativ nutzen können.
mehr auch über Zeichen und zur Bildung der Sinne und des
Symbolsysteme (z. B. Sprache). ästhetischen Empfindens bei. Die genannten Kulturtechniken
Ästhetische Erfahrung als un- Sie ermutigt die Kinder auch zu und Darstellungsformen helfen
mittelbare Bildung der Sinne eigenen Schöpfungen und er- den Mädchen und Jungen beim
bleibt aber weiterhin wichtig. weitert ihr Weltwissen. Erkunden, Strukturieren und

26
Abbilden ihrer Welt, ermögli- raum, eine Ecke in der Gruppe kurz-lang usw. Es erfährt sich
chen den Ausdruck eigener Ge- oder im Außengelände können und seine soziale wie materielle
fühle und die Weitergabe von diese Funktion erfüllen. Umwelt aber auch im Kontext
Erfahrungen an andere. Hierzu von Sprache, Tempo, Klang,
gehören selbst geschaffene Ge- Den eigenen Körper erprobt Körper und Bewegung. Dane-
genstände zur Nutzung und De- und erlebt das Kind als beson- ben lernt es Instrumente ken-
koration oder einfache Kons- deres Ausdrucksmittel in Musik, nen und selber zu bauen.
truktionen als ihr Abbild von Tanz, Pantomime und Theater.
Welt. Vorgefertigte Bausätze Hier wird deutlich, dass bei äs- Musik hat auch eine wichtige
oder Malbücher oder rein re- thetischer Bildung immer meh- Bedeutung für das Zusammen-
zeptive PC-Programme erfüllen rere Sinne zugleich im Spiel sind leben in der Gruppe. Hier ist
diese Zwecke nicht, sie vermö- und unterschiedliche Erfah- auch Raum dafür, Lieder aus
gen nur, ein Kind zu „beschäf- rungsfelder angesprochen sind. anderen Kulturkreisen kennen
tigen”. zu lernen. Durch Musikmachen
Für den Bereich der Musik oder Singen kann Gemeinsam-
Der Wunsch des Kindes, sich bringt das Kind seine eigene keit zum Ausdruck gebracht
die geheimnisvolle Welt der Er- musikalische Grundausstattung und können besondere Rituale
wachsenen zu „erarbeiten” mit: seine Stimme als eigenes im Tages- oder Wochenlauf un-
kann sich besonders gut durch Instrument und seinen Herz- terstrichen werden. Kein Tag in
den angeleiteten Umgang mit schlag als Grundrhythmus. Über der Tageseinrichtung sollte ver-
Werkzeugen und Materialien Sprechgesang, Sing- und rhyth- gehen, ohne dass Musik in der
aller Art in einem Atelier erfül- mische Spiele und Lieder er- einen oder anderen Weise sel-
len, wie es die Reggio-Pädago- schließt sich das Kind die klassi- ber gemacht wird.
gik in überzeugender Weise ge- schen Toneigenschaften der
zeigt hat. Aber auch ein Werk- Musik wie laut-leise, hoch-tief,

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Haben die Kinder Zugang zu den verschiedensten Materialien (Knete, Ton, Wasser, Farben)?
Werden die Kinder zum Malen und bildnerischen Gestalten ermutigt?
Können Kinder eigenständig und verantwortungsvoll mit Werkzeug umgehen?
Wurden Kinder in eine kreative Nutzung moderner Medien eingeführt?
Haben Kinder Freude daran, sich kreativ auszudrücken und selbst darzustellen?
Singen die Kinder, kennen sie Lieder?
Hat jedes Kind mindestens ein Musikinstrument benutzt, selbst gebaut?
Haben mehrere Kinder an einer eigenen „Theater”-Aufführung mitgewirkt?
Hat das zugewanderte Kind Gelegenheit, ein Kunstwerk aus seinem Herkunftsland vorzustellen?
Haben die Kinder Bilder, Plastiken, Theaterstücke, Musik von Künstlerinnen und Künstlern
kennen gelernt?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

27
8. Natur und Lebenswelt

Die Begegnung mit Natur in Forschungsdrang der Kinder an, Es ist wichtig, dass Kinder Natur
ihren verschiedenen Erschei- weil es z. B. auf Kälte und Wär- im Zusammenhang, als Lebens-
nungsformen und Erkundun- me reagiert und seine Eigen- raum für Pflanzen und Tiere
gen im Umfeld der Tagesein- schaften verändern kann. kennen lernen. Ein Ökosystem
richtung erweitern und berei- bietet sich zum Betrachten,
chern den Erfahrungsschatz der Es ist weder notwendig noch Sammeln, Beobachten und
Kinder. Sie lassen sie teilhaben sinnvoll, für alles sofort Erklä- Staunen an, es gibt der Phanta-
an einer realen Welt, die nicht rungen parat zu haben. Die Kin- sie zu tun und ermutigt zum
didaktisch aufbereitet ist und der sollen ermuntert werden Forschen und Fragen.
bieten die Chance zum Erwerb zu beobachten, zu untersuchen
von Weltwissen, Forschergeist und zu fragen, Mädchen genau- Beim Bauen, Gestalten und
und lebenspraktischen Kompe- so wie Jungen. Hierbei werden Konstruieren mit natürlichen
tenzen. die Kinder zum Denken heraus- Materialien lernen die Kinder
gefordert, indem sie Vermutun- die Eigenschaften oder auch
Kinder experimentieren mit ih- gen anstellen und ihre Hypothe- den „Eigensinn” elementarer
rem Spielzeug und den Dingen sen selber überprüfen können. Kräfte wie Wasser oder Erde
ihrer Umgebung noch bevor sie oder die Einzigartigkeit natür-
sprechen können. Sie erfor- Je nachdem, wie und wo Kinder licher Formen kennen.
schen die Eigenschaften und aufwachsen, wird das Außenge-
Gesetzmäßigkeiten der physika- lände der Tageseinrichtung so Die Eindrücke, die Kinder aus
lischen/materiellen Welt, z. B. ausgestaltet sein müssen, dass diesen Begegnungen mitneh-
die Schwerkraft. Es reizt sie, sie Natur mit allen Sinnen erle- men, sind vielfältiger Art. Sie
Ursachen - Wirkungszusammen- ben können und z. B. der Um- sprechen die Sinne an, aber
hänge logisch zu analysieren gang mit Feuer, Wasser, Luft auch die Emotionen. Tiere wer-
und selber zu konstruieren. Auf und Erde möglich ist. Wo der den geliebt (und manchmal ge-
diese Weise nehmen schon Standort der Tageseinrichtung fürchtet). Das Kind kann ihnen
kleinste Kinder Einfluss auf ein es erlaubt, bieten sich Exkursio- beispielsweise Dinge sagen, die
konkretes Geschehen (Bauklotz nen und Ausflüge in Grünanla- es anderen Menschen nicht an-
fallen lassen). Das befriedigt gen oder Wald und Feld an. vertrauen würde. Pflanzen wer-
Kinder sehr und verstärkt das den bewundert - und müssen
Erleben von Selbstwirksamkeit. gepflegt werden. So kann Natur
auch ein soziales Lernfeld sein,
Darüber hinaus eröffnet die in dem Kinder Verantwortung
Kindertagesstätte als Lernwerk- übernehmen.
statt Möglichkeiten zum selbst-
ständigen Experimentieren mit Umweltbildung im Elementar-
Gewichten, Mengen, stofflicher bereich gründet in der Liebe
Beschaffenheit und anderen Ei- zur und Bewunderung der Na-
genschaften der Dinge. Auf die- tur, denn was man liebt, wird
se Weise wird ein naturwissen- man auch schützen. Kinder ler-
schaftliches Grundverständnis nen mit der Zeit auch rationale
erworben. Naturphänomene Argumente für den Umwelt-
wie Licht und Schatten regen schutz kennen; Katastrophen-
nicht nur zum Staunen und Be- szenarios sind aber nicht am
obachten an, sondern können Platze. Ein achtsamer Umgang
auch durch kreative Gestaltung mit natürlichen Ressourcen, das
angeeignet werden. Das Ele- Erleben ökologisch intakter
ment Wasser z. B. bietet schon Lebensräume und praktische
kleinsten Kindern vielfältige Projekte (z. B. Bachpatenschaf-
Spielanreize. Es regt auch den ten) bringen Kindern den

28
Schutz der Umwelt nahe, ohne dass Kinder ihre nähere und feld ist besonders geeignet,
zu moralisieren. Das Vorbild der weitere Wohnumgebung er- „Dritte” an der Bildungsarbeit
Erwachsenen ist hierbei ent- kunden. Elternhaus und Tages- in der Tagesstätte zu beteiligen:
scheidend. stätte können sich hier gut er- Zum Beispiel (ältere) Dorf- oder
gänzen. Stadtbewohner, die etwas zu
Wenn irgend möglich, sollten erzählen haben oder Menschen,
die Kinder Gelegenheit erhal- Erkundungen werden von den die beruflich oder ehrenamtlich
ten, ihr (städtisches, dörfliches) Erzieherinnen vorbereitet. Sie mit Natur und Umwelt zu tun
Umfeld zu erkunden oder auch erweitern den Wissenshorizont, haben.
Ausflüge zu interessanten Ein- fördern die Selbstständigkeit
richtungen und Betrieben (Feu- der Kinder z. B. im Verkehr und Natur und Lebenswelt regen
erwehr, Krankenhaus, …), Bau- liefern Erlebnisse, die im Spiel zum Erforschen von Zusammen-
werken oder in ein geeignetes oder in kreativen Gestaltungen hängen an und fordern zum
Museum zu unternehmen. Viele vertieft werden. Was es heißt, Beispiel Fragen wie: Warum
Kinder „kennen” zwar die wei- in einer bestimmten Stadt, in tagsüber die Sterne nicht zu
te Welt aus dem Fernsehen, einem bestimmten Dorf zu sehen sind, warum Vögel flie-
kommen aber selten in direkte leben und wie es früher dort gen können oder weshalb es in
Berührung mit ihrer näheren aussah - dafür lassen sich auch einer christlichen Kirche anders
oder weiteren Umgebung. Sei schon kleinere Kinder interes- aussieht als einer Moschee? Die-
es, dass sie überall hin mit dem sieren. Entsprechende (Bilder-) se und tausend andere Fragen
Auto gebracht werden müssen Bücher oder mündliche Erzäh- zeugen von der natürlichen
oder aber von Seiten der Eltern lungen mit geschichtlichem Wissbegierde der Kinder, die
keine Möglichkeit besteht, das oder biographischem Hinter- sich gleichermaßen auf das na-
gewohnte Umfeld zu verlassen. grund ergänzen die unmittel- türliche wie auf das gebaute
Es ist jedoch elementar wichtig, bare Anschauung. Dieses Lern- Umfeld richten kann.

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Haben die Kinder genügend Gelegenheit, mit Erde/Sand und mit Wasser zu experimentieren?
Haben die Kinder Gelegenheit zum Beobachten von Pflanzen und Tieren?
Kennen sie die Namen der wichtigsten Pflanzen und Tiere?
Hat das einzelne Kind ein Lieblingstier? Welche Rolle spielt es in seinen Spielen und kreativen
Produkten?
Übernehmen Kinder Verantwortung bei der Pflege von Pflanzen oder Tieren?
Haben sie Freude am Gestalten mit natürlichen Materialien?
Haben die Kinder Gelegenheit, physikalische oder chemische Gesetzmäßigkeiten im Experiment
zu erproben?
Kennen Kinder die wichtigsten Einrichtungen ihrer Gemeinde?
Welche Kinder können kleinere Wege bereits selbstständig zurücklegen?
Können die jüngeren Kinder einige Strecken zu Fuß erledigen?
Ist das Kind schon mit der Geschichte seiner Region in Berührung gekommen?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

29
9. Ethische und religiöse Fragen, Grunderfahrungen menschlicher Existenz

Kinder stellen existentielle Fra-


gen. Sie sind auf ihre Weise Phi-
losophen und Theologen, sie
sind von sich aus aktiv und be-
strebt, ihrer Welt einen Sinn zu
geben, Antworten zu finden
auf besondere Ereignisse, die
sie beschäftigen. Woher komme
ich? Wozu bin ich da? Wo gehe
ich hin? Das sind Fragen, die
etwa beim Tod naher Angehö-
riger oder der Geburt eines Ge-
schwisterkindes entstehen. Je-

Schon von klein auf spüren Kin- In der Kindertagesstätte ma-


der Glück und Trauer, Gebor- chen die Kinder positive Grund-
genheit und Verlassenheit, Ver- erfahrungen: Geborgenheit,
trauen und Angst. Dies sind Vertrauen und Angenommen-
existentielle Erfahrungen, die sein sind die wichtigsten. Sie
alle Menschen in ihrem Leben sind eine wertvolle Basis, um
machen und die von kleinen den Spannungen in der Welt
Kindern intensiv erlebt werden. gewachsen zu sein, aber auch
Erwachsene müssen die Kinder um mit biographischen Brüchen
bei diesen Erfahrungen beglei- und Krisen umgehen zu kön-
ten. Dabei helfen Geschichten. nen. Erwachsene nehmen ihre
Sie können eine wichtige Quelle Aufgabe wahr, Kindern dabei
für das Durchleben dieser Erfah- zu helfen, Wertmaßstäbe zu
entwickeln und ihre eigenen
der Mensch, also auch das Kind, Wertvorstellungen als Orientie-
ist auf der Suche nach der Be- rung zur Verfügung zu stellen.
antwortung seiner existentiel- Kinder lernen, was gut und was
len Fragen und auf der Suche böse ist. Sie lernen, dass es gut
nach Orientierung. Jedes Kind ist, solidarisch zu sein und an-
braucht dazu Angebote, Anre- deren zu helfen. Sie lernen To-
gungen und die Ermutigung, leranz, die Achtung der Umwelt
selber nachzudenken und selber und der Mitmenschen vor allem
Antworten zu geben. Kinder durch das Vorbild der Erwach-
müssen sich angenommen, senen und durch gelebte Demo-
wertgeschätzt und mit ihren kratie in der Kindertagesstätte
Fragen ernst genommen füh- (siehe I). So können sie ihren
len. eigenen Standpunkt gewinnen.
rungen sein und den inneren
Prozess der Auseinanderset-
zung unterstützen. Kinder brau-
chen auch Erzählungen, in de-
nen Glaubenszeugnisse weiter-
gegeben werden, um so Bei-
spiele gelungenen Umgangs
mit Grunderfahrungen mensch-
licher Existenz kennen zu ler-
nen.

30
Jedes Kind trifft in seinem Um- wusst. Dies ist auch Teil des so- und Gelegenheit zur Meditati-
feld in der einen oder anderen zialen Lernens. Die wichtigste on, um zur Ruhe zu kommen
Weise auf religiöse Themen, Ri- Unterstützung bei diesem Lern- und sich zu besinnen. Bei der
tuale, Feste, Glaubenszeugnisse prozess ist eine Elternschaft, die Gestaltung von Festen als Höhe-
und Überlieferungen. Kinder selbst diese gegenseitige Offen- punkte im Jahreslauf können
hören von religiösen Inhalten. heit praktiziert. viele Bildungsziele dieses Lern-
Auch wenn sie keineswegs im- bereichs verfolgt werden. Feste
mer ihren Sinn verstehen, so Kinder brauchen, um eine Ori- ermöglichen Erfahrung von Ge-
passen sie diese ihrem Verstehen entierung im Leben zu finden, meinschaft, die Unterbrechung
an. Zur Tradition und Geschichte die Auseinandersetzung mit des Alltags und das Bewahren
unseres Landes gehören christ- religiösen und weltanschauli- kultureller Traditionen, dürfen
liche Inhalte. Inzwischen sind chen Fragen und Traditionen. aber nicht die Themen der Kin-
die meisten Kindertagesstätten Religiöse und ethische Themen der und die anderen Bildungsin-
jedoch Orte, in denen sich Kin- sind somit, auch unter dem halte an den Rand drängen.
der und Erwachsene unter- Stichwort „Philosophieren mit
schiedlicher Herkunft, Kultur Kindern” Bildungsinhalt. Die Er- In diesem Orientierungsplan, der
und Religion begegnen und die- wachsenen stellen sich dieser für alle niedersächsischen Kin-
se Tradition nicht für alle selbst- Herausforderung, finden ge- dertagesstätten gelten soll,
verständlich ist. Offenheit für meinsam mit den Kindern Ant- bleibt die konfessionelle Ausrich-
und die Achtung vor anderen worten, erläutern den eigenen tung der religiösen Bildung ent-
Kulturen und religiösen Be- (religiösen) Standpunkt und ge- sprechend der Trägerautonomie
kenntnissen können hier von ben den Kindern Deutungs- eine Angelegenheit der einzel-
klein auf eingeübt werden. Kin- muster. nen Träger. Kindertagesstätten
der lernen andere Gewohnhei- ohne konfessionelle Bindung
ten, Bräuche und Erklärungen Konkret im Alltag heißt das: Kin- greifen die existentiellen Fragen
kennen, sie nehmen die Unter- der brauchen Rituale zur Orien- der Kinder auf, indem sie gesell-
schiede wahr und werden sich tierung und Strukturierung ihres schaftlich anerkannte Werte und
ihrer jeweiligen Herkunft be- Alltags. Kinder brauchen Stille Normen zugrunde legen.

Anregungen zur Reflexion und Bildungsbegleitung *

Haben Kinder schon einmal über existentielle Fragen gesprochen, die sie bewegen?
Wie gehen Kinder mit Trennung um? Wie groß ist ihr Bedürfnis nach Schutz und Fürsorge?
Hat sich das Kind an Gesprächen über Wertvorstellungen beteiligt, seine Meinung auf Nach-
frage gesagt?
Durch welche Rituale und Feste im Tages- und Jahreslauf sind die Kinder besonders
angesprochen?
Wie beteiligen sich die Kinder anderer religiöser oder kultureller Herkunft als die Mehrheit
an den gemeinsamen Festen?
Welche Kinder kennen Geschichten, die ethische oder religiöse Fragen behandeln?
...

* Diese sind beispielhaft zu verstehen und erheben


nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

31
32
III. Die Arbeit in der Tageseinrichtung für Kinder
A. Methodische Aspekte und die Aufgaben der Fachkräfte

In den folgenden Abschnitten Die Tageseinrichtung als Lern- ten Lernbereiche berücksichti-
werden etliche Ausführungen ort, in dem sich Kinder ko-kons- gen, sondern auch der Unter-
aus den voran gegangenen Ka- truktiv die Welt aneignen, bie- schiedlichkeit gerecht werden,
piteln im Kontext methodischer tet ein großes Spektrum von welche die Kinder und ihre El-
Fragen noch einmal aufgegrif- Erfahrungsmöglichkeiten mit tern in die Einrichtung mitbrin-
fen. Es handelt sich dabei um Menschen und Dingen. Die gen.
Kernaussagen zum Bildungspro- Konzeption jeder Einrichtung
zess von Kindern, welche die muss dies methodisch berück-
„Philosophie” dieses Orientie- sichtigen und gleichzeitig nicht
rungsplans ausmachen. nur die in Kapitel II aufgeführ-

1. Grundprinzipien für die Förderung von Erziehungs- und Bildungsprozessen

Die pädagogischen Fachkräfte stätte ist die Zusammenführung sene und damit auf neue Mög-
übernehmen für die Zeit des der Lebensgeschichte jedes ein- lichkeiten des sozialen Lernens.
Tagesstättenbesuchs der Kinder zelnen Kindes (jedes Kind wird Die pädagogische Arbeit vor
einen Auftrag der Eltern für die dort „abgeholt”, wo es steht) allem in sog. Brennpunkt-Kitas,
Betreuung, Bildung und Erzie- und der Erziehungsinteressen in denen die Mehrheit der Kin-
hung ihres Kindes. Dieser Auf- der Eltern mit dem Auftrag der der aus einem ungünstigen fa-
trag wird durch die individuelle Tageseinrichtung. Jedes Kind miliären Hintergrund kommt,
Bildungsbegleitung jedes Kin- erhält Unterstützung für seinen ist sehr anspruchsvoll. Die Fach-
des und durch seine Aufnahme individuellen Bildungsweg. Die kräfte müssen sich stärker auf
und Anerkennung als Mitglied Fachkräfte berücksichtigen so- elementare Bedürfnisse der
in der Kindergruppe umgesetzt. ziale oder geschlechtsspezifi- Kinder einlassen - Versorgung,
Allen Eltern soll klar werden, sche Benachteiligungen ebenso Verlässlichkeit und Geborgen-
dass ein mehrjähriger Besuch wie besondere Bedürfnisse von heit etc. - und die Kinder Schritt
von Krippe und Kindergarten Kindern (chronisch kranke, ver- für Schritt an die Lerngelegen-
vor der Einschulung den Kin- haltensauffällige und entwick- heiten heranführen. Zusammen
dern gute Startbedingungen lungsverzögerte Kinder, aber mit dem öffentlichen Träger
für ihre gesamte Bildungslauf- auch hochbegabte Kinder usw.). der Jugendhilfe und in Koope-
bahn eröffnet und zu mehr ration mit Einrichtungen des
Chancengleichheit führt. Dies Gerade für Kinder mit Entwick- Sozial- und Gesundheitswesens
gilt besonders für viele Kinder lungsdefiziten oder solche, die sind große Anstrengungen er-
aus zugewanderten Familien, unter mangelnder Versorgung forderlich, gerade diesen Kin-
die in der Kindertagesstätte mit leiden und mit ihren Familien dern den Besuch einer Tages-
der Verkehrssprache - Deutsch von sozialer Ausgrenzung be- einrichtung zu ermöglichen.
- in Berührung kommen. droht oder bereits betroffen Professionelle Förderung und
sind, ist der Besuch einer Tages- die Teilhabe an Bildungsange-
Ausgangspunkt für das sozial- einrichtung eine enorme Bil- boten sind für diese Kinder und
pädagogische Handeln der dungschance. Hier treffen sie ihre Familien besonders not-
Fachkräfte in der Kindertages- auf andere Kinder und Erwach- wendig.

33
Für eine altersgerechte Ent-
wicklung der kindlichen Moto-
rik und seines Selbstgefühls be-
nötigt das Kind eine Vielfalt an
Körper-, Bewegungs- und Sin-
neserfahrungen durch prakti-
sches Tun.

Die pädagogische Arbeit in der


Einrichtung ermöglicht Kindern
die frühe Teilhabe an Wissen
und bietet allen Kindern ausrei-
chend viele Bildungsgelegen-
heiten. Nicht das Ergebnis, son-
dern der Weg ist in erster Linie
das Ziel, indem Kindern die ei-
genen Lernprozesse und die
Wirksamkeit ihres Tuns bewusst
Bei der methodischen Heran- Grundvoraussetzung des Ler- werden. Die Ermutigung zu
führung der Kinder an Lernge- nens ist die Herstellung von Kreativität, zum Nachdenken
legenheiten geht es um zweier- sicheren Beziehungen der Kin- und zur Wahl verschiedener
lei: Die Förderung der indivi- der untereinander und zu ihrer Lösungsstrategien und die wie-
duellen Persönlichkeitsentwick- Erzieherin. derholte Beschäftigung mit ei-
lung (Ich-Stärke, „Eigen-Sinn”, nem Thema lässt Kinder zu
personale Kompetenz) und die Das freie Spiel in der Kinder- selbstbewussten Experten ihres
Förderung der sozialen Bezie- gruppe ist für Kinder eine ele- Themas werden. Unerlässlich
hungsfähigkeit (Sozialkompe- mentare Form der Weltan- ist hierfür die Schaffung von
tenz, Gemeinsinn, interpersona- eignung. Die gezielte Beobach- vielen Sprechanlässen.
le Kompetenzen). tung und eine sensible Wahr-
Es ist die hohe Kunst der Elemen- nehmungsfähigkeit der Fach-
tar-Pädagogik, Lernprozesse kräfte spielen hierfür eine gro-
durch eigenaktives Handeln von ße Rolle. Mit einem breiten
Kindern allein und in der Gruppe Methodenrepertoire an passen-
zu ermöglichen. Gleichzeitig den Angeboten - von einer An-
müssen auf der Basis der Beo- regung zum Rollenspiel bis hin
bachtung konkreter Situationen zur Hilfestellung für Konflikt-
zum richtigen Zeitpunkt die rich- lösungen - setzen sie entwick-
tigen Angebote für einzelne lungsfördernde Impulse, die in
Kinder oder die ganze Kinder- das Freispiel der Kinder einflie-
gruppe entwickelt werden. ßen können.

34
Die gezielte Förderung von
Bildungsprozessen setzt gute
Kenntnisse über die Entwick-
lung verschiedener Kompeten-
zen in den frühen Lebensjahren
der Kinder voraus. Die geplante
und überprüfbare Bildungsbe-
gleitung jedes Kindes erfordert
regelmäßiges Beobachten und
die Reflexion über seinen er-
reichten Entwicklungsstand
und seine Rolle in der Kinder-
gruppe. Hierzu gehört auch das
Erkennen von Entwicklungsrisi-
ken oder von besonderen Be-
gabungen. Beobachtungsver-
fahren und eine systematische
Dokumentation sind wichtige
Methoden der Bildungsbeglei- Die Umsetzung des Rechtsan- Fürsorge für die Gesundheit der
tung. spruchs auf einen Kindergar- Kinder und ihr körperliches
tenplatz und der demographi- Wohlbefinden in Zusammenar-
sche Wandel haben dazu ge- beit mit den Eltern ist eine un-
führt, dass zunehmend mehr bedingte Voraussetzung für die
jüngere Kinder in Kindergar- Förderung der kindlichen Bil-
tengruppen aufgenommen dungsprozesse. Einer besonde-
werden. Dadurch vergrößert ren Unterstützung bedürfen,
sich die Altersspanne in den wie bereits gesagt, sozial be-
Gruppen. Dies erfordert kon- nachteiligte Kinder. Alle Kinder
zeptionell eine verstärkte inne- sollen sich in der Kindertages-
re Differenzierung und die an- stätte sicher und geborgen füh-
gemessene Berücksichtigung len, ohne Zeitdruck ihren indi-
der Entwicklungsbedürfnisse viduellen Lernrhythmus finden
sehr junger Kinder. Pflegerische und ein positives Selbstwertge-
Tätigkeiten nehmen einen grö- fühl entwickeln. Jedes Kind soll
ßeren Zeitraum ein. Insofern gerne in die Einrichtung kom-
muss die gesamte Arbeit anders men können.
geplant werden, damit weder
die jüngeren noch die älteren
Kinder zu kurz kommen.

35
2. Leben und Lernen in der Kindergruppe

In der Kindertagesstätte erleben Mädchen aller Altersstufen, die Im Verlauf ihrer Kindertages-
sich viele Kinder zum ersten Mal Integration von Familien unter- stättenzeit machen Kinder die
in einer größeren Gemeinschaft schiedlicher kultureller Her- für ihre Entwicklung wichtige
unter Gleichen, die im Prinzip kunft und die gemeinsame Er- Erfahrung der unterschiedlichen
dieselben Rechte und Möglich- ziehung behinderter und nicht Rollenübernahme. Verschiedene
keiten haben. Das Leben in der behinderter Kinder ermögli- Projektangebote z. B. zum The-
Gruppe ermöglicht den Kindern chen Kindern eine große Aus- ma „Neuanfang/Übergänge”
soziale Erfahrungen, die sie so wahl an Kontakten. Kinder su- erleichtern die Auseinanderset-
in ihrer Familie nicht machen chen das Vorbild von Kindern, zung mit einer neuen Rolle bzw.
können: Die Kindergemein- schließen Freundschaften und die Trennung von einer alten.
schaft ist - wenn die individuelle erproben eigene Stärken und Die Kinder können das Älter-
Unterstützung und die Entwick- Schwächen zusammen und in werden in der Gruppe positiv
lung sozialer Kompetenzen der Auseinandersetzung. Hier- erleben. Jedes Kind erfährt auch
ernst genommen werden - ein für brauchen sie Spielkamera- in der Kindergruppe, dass Jun-
Lernort für Demokratie und für den und -kameradinnen der gen und Mädchen alle Erfah-
die grundlegenden Werte und gleichen Entwicklungsstufe rungsfelder in gleicher Weise
Normen des gesellschaftlichen ebenso wie den Kontakt zu jün- offen stehen und dass eingren-
Zusammenlebens. Die demo- geren und älteren Kindern. Das zende Geschlechtsrollenmuster
kratischen Werte Toleranz, So- Spielen mit anderen Kindern überwunden werden können.
lidarität, Rücksichtnahme und und der Vergleich mit den Wünschenswert ist es, männ-
Anerkennung des jeweils Ande- anderen stärken das eigene liche Bezugspersonen in den
ren werden über Aushandeln Selbstwertgefühl sowie die Kita-Alltag einzubinden. Jedes
und Vereinbaren von sozialen persönliche Widerstandsfähig- Kind soll selbstbewusst eine an-
Regeln und das Einüben von keit (Resilienz). Es ist die Auf- erkannte Position in der Kinder-
Handlungsmöglichkeiten ge- gabe der pädagogischen Fach- gruppe einnehmen können -
lernt. Über eine Beteiligungs- kräfte, das Geschehen in der allerdings nicht auf Kosten an-
kultur (z. B. die Einführung gesamten Kindergruppe im derer.
einer Kinderkonferenz im Kin- Blick zu haben.
dergarten) werden Kinder von Die geistige Auseinanderset-
Anfang an mit demokratischen Einzelne Kinder benötigen zung mit sich selbst und der
Verfahren vertraut gemacht. u. U. eine Unterstützung durch „Welt” vollzieht sich für Kinder
die Erzieherin, um in der Kin- auch über das Gespräch - unter-
dergruppe Akzeptanz zu fin- einander und im Dialog mit ei-
den. Ehrliche Rückmeldungen nem erwachsenen Gegenüber.
sowie Lob und persönliche Wichtig ist, dass die Erzieherin
Wertschätzung sind für jedes sich für jedes der Kinder inte-
Kind wichtig. ressiert, ihm ehrliche Antworten
und Rückmeldungen gibt und
Durch die Förderung der Grup- das Kind als Gesprächspartner
penidentität wird die Entwick- ernst nimmt. Die Erzieherin
lung emotionaler und sozialer sucht, so oft es der Tagesablauf
Kompetenzen der Kinder un- zulässt, Gesprächsanlässe mit
terstützt. Rituale im Alltagsge- dem einzelnen Kind und mit
In der Praxis haben sich alters- schehen und im Wochenablauf Kindergruppen. Der Sprach-
gemischte und alterserweiterte festgelegte Aktivitäten helfen förderung und der Pflege von
Kindergruppen und die sichere Kindern, sich zu orientieren und Sprachanlässen kommt eine
Zugehörigkeit zu einer Stamm- vermitteln Sicherheit über wie- besondere Bedeutung zu. Die
gruppe bewährt. Auch offene derkehrende Abläufe. Gemein- Fachkräfte sollten auch ihren
Konzepte lassen sich damit ver- schaftsaktionen und Feste sor- eigenen Sprachgebrauch reflek-
einbaren. Ein ausgewogenes gen für die Entwicklung eines tieren (z. B. nicht im Telegramm-
Verhältnis zwischen Jungen und „Wir-Gefühls”. stil sprechen).

36
3. Das Spiel – die elementare Lernform von Kindern

In jeder Kultur ist das Kinderspiel Schwächen und sie setzen sich Es ist nicht der Sinn des Spieles,
zu Hause, jedes Kind „muss” mit Rollen auseinander - freiwil- ein bestimmtes Ergebnis hervor-
spielen. In der Altersgruppe der lig und mit Spaß, mit Versuch zubringen. Es erprobt aber
Null bis Sechsjährigen kommt und Irrtum und ohne Angst, gleichsam als Nebenprodukt ver-
dem Spiel die Schlüsselrolle beim denn das Spiel kann von ihnen schiedene Fähigkeiten, wie die
Lernen und bei der emotionalen selbst jederzeit verändert oder sinnliche Wahrnehmung, die
Verarbeitung ihrer Erlebnisse zu. abgebrochen werden. Wesent- Entwicklung der Grob- und Fein-
Das Spiel vermittelt die kulturel- lich für das Spiel ist die Hand- motorik sowie Sorgfalt, Interes-
len Werte und Lebensformen lung, nicht das Ergebnis. se, Konzentration, Problembe-
der jeweiligen Gesellschaft. Im wältigung, Ausdauer, Rücksicht,
Spiel erproben Mädchen und Kinder spielen allein und mit Geduld und vieles mehr. Das
Jungen die Handlungsweisen anderen Kindern zusammen: Kind benötigt zum Spielen Zeit
der sie umgebenden Erwachse- Die Spielart kann sich ständig und eine vertraute Umgebung,
nen. Sie nehmen sich als Vorbild, wandeln - von einer kleineren in der es sich sicher fühlt.
was sie in ihrer Umgebung erle- zur größeren Gruppe, von der
ben und machen es nach, ohne Einzeltätigkeit ins Rollenspiel.
den moralischen Wert der Hand- Spiele sind die tätige Auseinan-
lung zu beurteilen. dersetzung des Kindes mit seiner
inneren und äußeren Umwelt
Heute haben nur wenige Kinder und ein „Begreifen” von Zusam-
die Gelegenheit, z. B. die Ar- menhängen mit allen Sinnen:
beitsprozesse der Erwachsenen Ein Kind im frühesten Lebensal-
unmittelbar mitzuerleben. Kin- ter kommt vom Greifen des
der verarbeiten im Spiel immer Spielzeugs über das Ausprobie-
mehr auch die Eindrücke aus ren zu einem Verstehen der ele-
Fernsehen und Video/DVD. mentaren physikalischen Geset-
Das Allerwichtigste in der Um- ze (z. B. der Schwerkraft) bis hin
gebung des Kindes sind Erwach- zum Konstruktionsspiel (z. B.
sene, die selbst sinnvolle, zum erbauen von Buden, eines Berg-
Leben gehörende Tätigkeiten werks etc.). Um zum Begriff des
ausüben. Denkens zu kommen, muss ein
Begreifen im Physisch-Sinn-
Kinder spielen aus eigenem lichen vorausgehen - also vom
Antrieb, sie konstruieren und Greifen zum Begreifen.
rekonstruieren im Spiel soziale Eine andere Form des Spiels ist
Beziehungen, sie schaffen sich das Verwandlungs- bzw. das Rol-
die passenden Bedingungen und lenspiel, Gefühle, Sprache und
verhalten sich so, als wäre das Phantasie stehen hier im Vorder-
Spiel Wirklichkeit. Das Phäno- grund.
men des freien Spiels ist seine
Zwecklosigkeit. Gleichwohl ver-
läuft das Spiel nicht willkürlich,
sondern beim genauen Beob-
achten erkennt man gestaltende
Faktoren und einen in sich ge-
ordneten Ablauf. Mit ihrer Phan-
tasie und allen ihren körperli-
chen und geistigen Kräften
gestalten Kinder im Spiel die
Welt nach ihren Vorstellungen.
Sie erproben Stärken und

37
4. Die Einrichtung einer anregenden Lernumgebung

Kindertagesstätten sind „Werk- begrenzte „Draußen-Spiel-Zeit” schein kommen lassen können.


stätten des Lernens”: Die Aus- oder eine Bewegungsstunde Weniger ist oftmals mehr:
stattung in der Einrichtung soll beschränkt. Im Prinzip sollten Qualitativ hochwertige und
so gestaltet sein, dass sie zu alle Räume des Hauses und auf wertgeschätzte Materialien,
selbstaktivem Handeln, zum Be- dem Gelände so weit wie mög- möglichst wenig vorgefertigte
wegen, zur Gestaltung von Be- lich für Kinder nutzbar gemacht Materialien, echte Alltagsge-
ziehungen, zu konzentriertem werden. Auch die allgemeinen genstände (wie scharfe Messer,
Arbeiten und zur Muße einlädt. Verkehrsflächen wie Flure, Trep- Sägen etc.) oder z. B. ein Gemäl-
Das Raumkonzept und eine ge- pen und Räume, in denen inter- de eines Künstlers/einer Künst-
zielte Auswahl von Mobiliar essante Alltagstätigkeiten statt- lerin sind einem Überangebot
und Materialien können ent- finden (z. B. die Küche), können von gängigem Spielzeug für
scheidend dazu beitragen, bespielbar oder zumindest er- Kinder oder z. B. Sesamstraßen-
Bildungsziele in der Tagesstätte fahrbar sein. Plakaten vorzuziehen.
zu erreichen.
Die Raumaufteilung in den Ein großzügiges Außengelände
Gruppenräumen sollte verän- ist für jede Einrichtung von un-
derbar sein (z. B. verstellbare schätzbarem Wert. Der Aufent-
Wände, Vorhänge) entspre- halt im Freien mit vielen Mög-
chend den aktuellen Bedürfnis- lichkeiten zum Laufen, Klettern,
sen in der Kindergruppe. Beson- Balancieren, Verstecken usw.
dere Anforderungen durch das und die Möglichkeit, unmittel-
pädagogische Konzept (wie bar Natur zu erleben, eröffnet
z. B. bei offener Gruppenarbeit eine fast unbegrenzte Möglich-
oder integrativer Arbeit) wer- keit des Lernens. In der pädago-
den im Raumkonzept mit be- gischen Planung sollte dem
rücksichtigt. Spiel und Bewe- „Draußen sein” eine besondere
gung sind ebenso möglich wie Priorität eingeräumt werden.
Die Räume in der Kindertages- konzentriertes Arbeiten und Traditionelle Spielplatz-Aus-
stätte sind für alle übersicht- Rückzug. Generell gilt, Räu- stattungen können durch die
lich gestaltet und ermöglichen me nicht mit einer zu großen Planung von Naturspielräumen
gleichzeitig vielfältige Aktivitä- Anzahl an Kinderprodukten ersetzt werden.
ten. Wünschenswert sind natür- (lieber Eigentumskästen und
liche Baustoffe, warme Farbtö- -mappen anlegen), durch zu viel Für die Kinder ist es wichtig,
ne, ausreichend Tageslicht, viel Spielzeug oder beispielsweise sich mit den Räumen ihrer Ta-
Platz für Bewegung und lärm- durch eine kindertümelnde Aus- geseinrichtung identifizieren
geschützte Bereiche. Einzelne schmückung zu überladen. Das zu können. Bei der Planung und
Funktionsräume oder -ecken Auge soll in allen Räumen Ru- Gestaltung räumlicher Verände-
und die Materialien sind den hepunkte finden können und rungen oder Neuanschaffungen
Kindern vertraut und frei zu- das Thema, mit dem sich Kinder können die Kinder mit ihren
gänglich. Leben und Lernen ist beschäftigen, auch zum Vor- Ideen beteiligt werden und die
in der Tageseinrichtung nicht Durchführung miterleben (z. B.
ausschließlich auf einen Grup- eine Regalbreite mit ausmessen,
penraum, die Möglichkeiten einen Kunstdruck mit aussuchen
zum Bewegen nicht auf eine etc.). Nicht nur die Kinder und
Mitarbeiterinnen, sondern auch
die Eltern und externe Fachkräf-
te sollten sich in der Einrichtung
willkommen fühlen und zum
Verweilen angesprochen wer-
den (z. B. durch die Einrichtung
eines Elterntreffpunktes).

38
5. Beobachtung und Dokumentation – Grundlagen methodischen Vorgehens

Die Begleitung und Förderung Förderangebote zu entwickeln.


kindlicher Bildungsprozesse in Sie dienen auch dazu, Benach-
der Tagesstätte erfordert päda- teiligungen und Diskriminierun-
gogische Neugier: gen durch einschränkende Rol-
Erzieherinnen sind forschende lenzuweisungen (z. B. „Mäd-
Pädagoginnen, die mit Offen- chen verstehen nichts von Elek-
heit, einer sensiblen Wahrneh- trik”) aufzuspüren und diesen
mungsfähigkeit von Situationen entgegen zu wirken. Zuweilen
und mit einem teilnehmenden ist bereits allein die durch das
Interesse den ganz individuellen Beobachtungsverfahren einge-
Bildungsweg jedes Kindes zu leitete erhöhte Aufmerksamkeit
ergründen versuchen. Erziehe- für das betroffene Kind ein Ent-
rinnen müssen wissen, womit wicklungsansporn.
sich das Kind beschäftigt, was in der Einrichtung informiert
es gerne tut oder eher vermei- In regelmäßigen Abständen werden. Das Beratungsgespräch
det und welche Stellung es in wird ausnahmslos jedes Kind der Fachkräfte mit den Eltern
der Kindergruppe einnimmt. beobachtet. Aufzeichnungen zur Entwicklungsförderung ih-
Erzieherinnen berücksichtigen, können in Bildungs- und Lern- res Kindes lässt sich auf der
wenn sich einzelne Kinder in dokumentationen jedes Kindes Grundlage regelmäßiger Beo-
einer besonderen Situation be- zusammengetragen werden bachtungen fundiert führen.
finden (z. B. durch die Trennung und halten vor allem konkrete Über die Planung und Doku-
der Eltern) und sie müssen er- Lerngeschichten und Eigenpro- mentation der pädagogischen
kennen können, wenn sich spe- duktionen des Kindes fest. Fach- Arbeit besteht eine gute Mög-
zifische Entwicklungsrisiken kräfte setzen Beobachtungen lichkeit, eine Erziehungspart-
oder Besonderheiten (z. B. Hoch- auch für die individuelle Ent- nerschaft zwischen Erzieherin-
begabung) abzeichnen. Die Be- wicklungsbegleitung der Kinder nen und Eltern aufzubauen und
obachtung ist in jedem Fall eine und das Teamgespräch darüber das Expertenwissen der Eltern
zentrale Aufgabe der pädago- ein. Sie tragen dann einen an- über ihre Kinder ernst zu neh-
gischen Fachkräfte und ein un- deren Charakter, in dem sie den men und zu nutzen.
erlässliches Instrument der Bil- Erzieherinnen einen systemati-
dungsbegleitung von Kindern. schen Überblick über die indivi- Das Team muss in Absprache
duellen Lern(fort)schritte des mit dem Träger grundsätzlich
Ziel der Beobachtungen ist im- Kindes verschaffen (vgl. auch entscheiden, welche Aufzeich-
mer die Erweiterung des Ver- die Ausführungen hierzu in Ka- nungen dem Kind bzw. seinen
ständnisses der Fachkräfte für pitel IV). Eltern gehören und den Eltern
die Eigenart, das Verhalten und persönlich ausgehändigt wer-
Erleben des Kindes. Seine Ent- Alle Beobachtungen und die den, wenn das Kind vom Besuch
wicklungsfortschritte und seine aufgezeichneten Bildungs- und der Kindertagesstätte abgemel-
eventuellen Schwierigkeiten Lerndokumentationen sind sen- det wird. Aufzeichnungen, die
können deutlicher wahrgenom- sible Daten, die dem Daten- für die interne pädagogische
men werden. Auf keinen Fall schutz unterliegen und gesi- Arbeit verwendet werden, dür-
darf das Ergebnis von Beobach- chert aufzubewahren sind. Sie fen nicht weitergegeben wer-
tungen dazu führen, dass Kin- können im Rahmen der inter- den und müssen nach einem
der abgestempelt werden, etwa nen pädagogischen Arbeit im angemessenen Zeitraum ord-
durch die einseitige Bewertung Team verwandt werden, dürfen nungsgemäß vernichtet wer-
z. B. als distanzlos, als zurück- aber nur mit Einwilligung der den.
geblieben oder brav etc.. Die Eltern an Dritte weitergegeben
Beobachtungen sollen stattdes- werden. Die Eltern sollten von
sen dazu führen, bezogen auf Anfang an über die Praxis der
die Besonderheiten des einzel- Bildungsbegleitung und Doku-
nen Kindes ganz individuelle mentation der Lernentwicklung

39
6. Zusammenarbeit im Team und Aufgaben der Leitung

Die pädagogische Arbeit in der Die Arbeit in der Einrichtung


Tageseinrichtung wird maßgeb- orientiert sich an einer pädago-
lich beeinflusst durch ein gutes gischen Konzeption, die vom
Klima und eine konstruktive Team gemeinsam (weiter-)
Zusammenarbeit der Mitarbei- entwickelt und getragen wird.
ter und Mitarbeiterinnen. Die Die Selbst- und Fremdevalua-
Erwachsenen als Vorbild und tion der Qualitätsentwicklung
Gegenüber der Kinder prägen und die Qualitätssicherung der
durch ihr eigenes Handeln das eigenen pädagogischen Arbeit
soziale Lernfeld. sind Bestandteil der Konzep-
tion, die regelmäßig fortge-
Die Einrichtungsleitung hat eine schrieben wird (hierzu auch das
verantwortungsvolle Lenkungs- Kapitel IV).
funktion für die Umsetzung des
Bildungs-, Erziehungs- und Be- Die Erzieherinnen in der Grup-
treuungsauftrags der Tagesein- pe müssen in gegenseitiger Ab-
richtung. Um dem Bildungsauf- stimmung auf die Aktivitäten
trag gerecht zu werden, der und Interessen einzelner Kinder
diesem Orientierungsplan zu- bzw. von Gruppen reagieren
grunde liegt, bedarf es einer können. In Teambesprechun-
engagierten und tatkräftigen gen findet der Austausch über
Unterstützung der angestellten die alltägliche pädagogische
Fachkräfte durch die Leitung. Arbeit statt sowie die gemein-
Sie übernimmt auch die Initiati- same Planung (Wochen-/Mo-
ve für die gemeinsame Erarbei- natspläne, Ausflüge und Pro-
tung der einrichtungsspezifi- jekte, Materialbeschaffungen,
schen Konzeption, die sich an Aufgabenverteilungen, Beo-
den Bildungszielen des Plans bachtungs- und Dokumenta-
orientiert und leitet im Allge- tionsverfahren, Vorbereitung
meinen die Teambesprechun- von Elterngesprächen und vie-
gen. Sie hat eine wichtige Funk- les mehr). Für bestimmte The-
tion bei der Herstellung und men oder Vorhaben, z. B. die
Aufrechterhaltung von notwen- Zusammenarbeit mit einer an-
digen Außenkontakten zu den deren Institution im Stadtteil,
anliegenden Grundschulen und wird die Teambesprechung ge-
zu anderen Institutionen. Die gebenenfalls erweitert bzw. zu
Leitung ist ebenfalls Ansprech- einer ausgewählten Thematik
partnerin für die Elternvertre- gestaltet. Bei teiloffenen und
tung und fördert den Aufbau offenen Einrichtungskonzeptio-
und die Gestaltung der Erzie- nen wird die Zusammenarbeit
hungspartnerschaft zwischen der pädagogischen Fachkräfte
Eltern und pädagogischen Fach- auch gruppenübergreifend or-
kräften. Die Leitung steht in ganisiert. Das Experten-Kön-
engem Kontakt mit dem Träger, nen einzelner Kolleginnen
der sie bei der Wahrnehmung (auch aus anderen Einrichtun-
dieser anspruchsvollen Aufga- gen) wird für alle Kinder mög-
ben unterstützt. lichst optimal eingesetzt.

40
Die Aussprache über das eigene Eine professionelle pädagogi-
pädagogische Handeln und sche Arbeit in den Einrichtun-
über Lösungsstrategien für Kon- gen bedarf einer angemessenen
flikte (was tun, wenn eine Er- Unterstützung durch Fachbera-
zieherin zu einem Kind ein sehr tung. Diese dient der Sicherung
ambivalentes Verhältnis aufge- der Fachlichkeit in den Einrich-
baut hat?) sind ebenfalls Be- tungen und unterstützt in ei-
standteil der pädagogischen Ar- nem kontinuierlichen Prozess
beit. Eine gute Zusammenarbeit die pädagogische Arbeit. Durch
im Team lebt auch davon, dass die Fachberatung werden die
eigene Stärken und Schwächen Mitarbeiter und Mitarbeiter-
angesprochen werden und eine innen in ihrer Fachkompetenz
selbstkritische Auseinander- gefördert und dabei beraten,
setzung mit der eigenen ge- wie sie ihre Arbeit selbstständig
schlechtsspezifisch geprägten und auf einem hohen fachli-
Profession der Erzieherin mög- chen Niveau innovativ gestalten
lich ist. Die gegenseitige kolle- können.
giale Beratung ist ein fester Be-
standteil der Teambesprechun- Fort- und Weiterbildung der
gen. In vielen Einrichtungen pädagogischen Fachkräfte sind
wird die gemeinsame Reflexion unerlässlich. Es gibt sowohl ge-
durch eine Supervision ergänzt. meinsame Team-Fortbildungen
(z. B. als Inhouse-Seminar), als
Die Zusammenarbeit mit ande- auch die Fortbildung einzelner
ren Berufsgruppen in integrati- „Expertinnen”. Die Auswahl der
ven Gruppen ermöglicht einen Fortbildungsinhalte sollte für
interdisziplinären Austausch die ganze Einrichtung einen Zu-
verschiedener Professionen und gewinn erbringen und in einen
einen Kompetenztransfer. Die Zusammenhang mit der pro-
hierbei entstehenden verschie- zesshaften Weiterentwicklung
denen Blickwinkel auf das Ent- der Konzeption gestellt wer-
wicklungspotenzial jedes ein- den.
zelnen Kindes führen zu einer
ganzheitlichen Wahrnehmung
des Erziehungs- und Bildungs-
auftrages. Die heilpädagogische
Arbeit ist aber nicht als thera-
peutischer Auftrag im engeren
Sinne zu verstehen, dem die
Tageseinrichtung nachkommen
müsste.

41
B. Erziehungspartnerschaft mit den Eltern
1. Grundlagen für eine Erziehungspartnerschaft

Elternhaus und Familie legen


als primäre und wichtigste So-
zialisationsinstanz entscheiden-
de Grundlagen für die Entwick-
lung der Kinder. Die Kinderta-
gesstätte als erste Einrichtung
öffentlicher Erziehung und Bil-
dung knüpft an die Erfahrun-
gen des Kindes in seiner Familie
an und erweitert diesen Erfah-
rungshorizont. Oft betritt das
Kind in der Tageseinrichtung
erstmals einen Lebensraum au-
ßerhalb seines familiären Um-
felds. Dabei muss das Kind die
Chance haben, seine bisher in
der Familie erworbenen Fähig-
keiten in die Kindertagesstätte
mit einbringen zu können. Die
familiäre Welt ist seine Basis,
von der aus sich das Kind Neues
aneignen kann oder sich diesem
eher verschließt.

Erfahrungen mit den Entwick- Es ist den Eltern freigestellt, ob


lungsangeboten der Einrich- ihr Kind eine Tagesstätte be-
tung zu verknüpfen. sucht; allerdings existiert für
jedes Kind ab seinem dritten
Das Kinder- und Jugendhilfe- Geburtstag bis zum Schuleintritt
gesetz verpflichtet die Kinder- ein individueller Rechtsanspruch
tagesstätten, mit den Eltern auf einen Kita-Platz. Das Recht
der Kinder zusammen zu arbei- auf Betreuung, Bildung und Er-
ten und sie an allen wesent- ziehung wird - bezogen auf das
lichen Angelegenheiten der Ta- eigene Kind - von den Eltern
geseinrichtung zu beteiligen auf die Einrichtung per (Betreu-
(§ 22, Abs. 3 SGB VIII). ungs-)Vertrag übertragen.
Schon aufgrund dieser Rechts-
Es ist für das Kind und seine lage sind die Tageseinrichtun-
Familie wichtig, in der Kinder- gen zum Wohle des Kindes zu
tagesstätte einen sozialen Raum einer guten Erziehungspartner-
vorzufinden, der sich generell schaft verpflichtet, über die der
durch Akzeptanz und Interesse Erziehungs- und Bildungspro-
auszeichnet. Wenn die Eltern zess des Kindes gemeinsam be-
erleben, dass ihre eigenen Le- gleitet und gestaltet wird.
benserfahrungen und ihre Er-
ziehungskompetenz anerkannt
und eingebracht werden kön-
nen, geben sie auch ihren Kin-
dern die Chance, ihre familiären

42
2. Erziehungspartnerschaft in der Praxis

betreuung ihrer Kinder mitge-


staltend tätig zu sein.

In der Praxis sind unterschied-


lichste Formen der Elternarbeit
mittlerweile ein selbstverständ-
licher Bestandteil in der Arbeit
der Kindertagesstätte. Eltern
haben einen großen Bedarf an
Information, Beratung und Aus-
tausch. Dem entspricht die Ein-
richtung z. B. durch Informa-
tionsabende/-nachmittage und
Befragungen der Eltern, durch
Elterngespräche, durch Aushän-
digung der pädagogischen Kon-
zeption usw.
Alle Eltern können nach Abspra-
che hospitieren. Zum Schutz
und Wohl des Kindes müssen
u. U. auch Kriseninterventions-
gespräche mit Eltern geführt
werden. Auch hier ist die Ermu-
tigung von Eltern, gegebenen-
Ein familienfreundliches Klima und das pädagogische Konzept falls Hilfe anzunehmen, ein Ziel
und eine gute Zusammenarbeit in ihrer Sprache zugänglich zu pädagogischen Handelns.
mit den Eltern ermöglichen ge- machen. Das wird dort, wo sehr
meinsames Handeln. Die päda- viele verschiedene Sprachen ge-
gogischen Fachkräfte stellen sprochen werden, nicht immer
Transparenz über die pädagogi- möglich sein. In manchen Fällen
sche Arbeit in der Tageseinrich- können auch Eltern gelegentlich
tung her und klären die Eltern Dolmetscherdienste leisten.
über die Möglichkeiten der Be-
teiligung auf. Sie gehen mit In- Das Engagement von Eltern in
teresse und Offenheit auf alle der Einrichtung und die Erwar-
Eltern zu und sprechen auch die tungen an die Fachkräfte kön-
Väter gezielt an, um die sie für nen sehr unterschiedlich sein:
die Mitarbeit zu gewinnen. Mitunter übernimmt die Tages-
Wichtig ist, dass keine Eltern einrichtung über Beratung und
oder Elterngruppen von Infor- Hilfsangebote mehr als nur eine
mationen ausgeschlossen sind familienergänzende Rolle, z. B.
und dass alle Eltern im Alltags- wenn die Lebensbedingungen
leben der Kindertagestätte mit- der Eltern belastend sind. Ganz
wirken und sich beteiligen kön- allgemein ist das Bewusstsein
nen. Die Tageseinrichtung be- bei Eltern über prägende Ein-
müht sich, denjenigen Eltern, flüsse während kindlicher Ent-
die nicht ausreichend die deut- wicklungsprozesse gewachsen
sche Sprache beherrschen, alle und somit auch das Interesse,
notwendigen Informationen bei der pädagogischen Fremd-

43
Eltern müssen in ihrer Erzie- kräften einlassen und die eige- gen), an interkulturell gepräg-
hungskompetenz ernst genom- ne Verantwortung für die Bil- ten Treffen und engagieren sich
men werden. Ihre Mitwirkung dungsbegleitung ihres Kindes im Förderverein. Auch prakti-
bezüglich pädagogischer Fra- wahrnehmen. Auf ihre Weise sche Mitwirkung ist gefragt,
gen (z. B. über Elternabende können sie die Bildungsziele z. B. bei einem Elternfrühstück
mit einem pädagogischen dieses Plans mit verfolgen. Zu oder in einem Elterncafe, einem
Schwerpunkt) und Elternbetei- einer guten Zusammenarbeit „Oma-Opa-Tag” oder einem
ligung sind selbstverständlich. gehört auch, dass beide Seiten „Vater-Kind-Tag”, bei Festen
Die Eingewöhnungsphase in die Absprachen und Verabredun- und Feiern und bei Ausflügen.
Einrichtung wird von Eltern und gen einhalten und Termine
Erzieherinnen gemeinsam ge- ernst nehmen. Eltern nehmen ihre Mitwir-
staltet. Es finden regelmäßige kungsrechte im Elternrat und
Gespräche über die Entwicklung Eltern werden selber als Akteu- im Beirat der Kindertagesstätte
des Kindes statt. Die Anregun- re in den Alltag der Kinderta- wahr. Hierzu werden die Eltern
gen von Eltern als „Experten” gesstätte eingebunden und durch Offenheit des Trägers und
ihres Kindes werden von den übernehmen durch ihre Mitar- der Einrichtung für Kritik und
Fachkräften ernst genommen. beit Verantwortung: Eltern be- Wünsche ermutigt. Nur in der
teiligen sich an der Konzep- deutlich spürbaren Atmosphäre
Wenn sich die Erziehungspart- tionsentwicklung und an der einer offenen „Beschwerde-
nerschaft erfolgreich gestalten Gestaltung von Veranstaltun- kultur” gelingt es Eltern und
soll, müssen auch die Eltern sich gen und Familiengottesdien- der Einrichtung, sich in ihrem
auf den Dialog mit den Fach- sten (in kirchlichen Einrichtun- jeweiligen Anliegen ernst zu
nehmen und zugleich ihren
gemeinsamen Handlungsspiel-
raum sowie die Grenzen der
Kindertagesstättenarbeit zu
erkennen.

44
3. Die Tageseinrichtung im sozialen Umfeld

Die Tageseinrichtung erfüllt


eine bedeutende Rolle im Ge-
meinwesen und ist für Eltern
von kleinen Kindern wichtig als
Kommunikationsort. Die Kin-
dertagesstätte übernimmt eine
vernetzende Funktion und
sucht die Kooperation mit an-
deren Institutionen in der Regi-
on, z. B. mit anderen Einrichtun-
gen der Bildungs- und Kultur-
arbeit, mit sozialen Diensten,
Nachbarschaftszentren, mit Ver-
einen und Ämtern. Die Koope-
ration mit der Grundschule ist
selbstverständlich. Eine gute
Zusammenarbeit der genann-
ten Einrichtungen eröffnet
wichtige Förder- und Erfah-
rungsmöglichkeiten für alle Kin-
der, erleichtert Übergänge, den ten und -kontakte zu knüpfen. dafür vorgesehenen politischen
Zugang zu Neuem und unter- Je stärker die Kindertagesstätte Gestaltungsspielräume als Lob-
stützt ein Zusammengehörig- eine Anlaufstelle für Familien byisten für eine gute Betreu-
keitsgefühl im sozialen Umfeld. mit kleinen Kindern ist, desto ung, Bildung und Erziehung
eher können sich private Eigen- von Kindern ein. Über die Ar-
Die Zusammenarbeit mit Exper- initiativen entwickeln (von der beit in Elternbeiräten, die Zu-
ten außerhalb der Einrichtung Baby-Gruppe bis beispielsweise sammenarbeit mit den Trägern,
(Logopäden, Frühförderung, zum gemeinsamen Lauftreff). mit Ämtern, Schulen und ande-
Sozialdienst, Ärzte, Therapeu- Kindertagesstätten können da- ren Institutionen und Vereinen
ten, Familienberatung etc.) ist zu beitragen, dass Nachbar- und über die Thematisierung
im Interesse der Kinder und ih- schaftshilfe und ein soziales Mit- der Interessen von Kindern und
rer Familien. Fördermaßnah- einander entstehen. Die Ko- Eltern in den politischen Partei-
men, Therapien oder das Her- operation mit den Familien en findet demokratische Mit-
anziehen von externen Exper- trägt auch dazu bei, dass die wirkung vor Ort statt.
tinnen und Experten sollen so pädagogische Arbeit der Kin-
weit wie möglich in den Einrich- dertagesstätten in der breiten
tungsalltag integriert werden. Öffentlichkeit die Akzeptanz
Niedrigschwellige Bildungs- und findet, die der Bedeutung ihrer
Beratungsangebote sollten in Aufgaben gerecht wird.
Kooperation mit der Tagesein-
richtung Familien zugänglich Über aktive Elternschaften und
gemacht werden. Insbesondere -beiräte entwickelt sich bürger-
die Zusammenarbeit mit den schaftliches Engagement für die
Familienbildungsstätten ist er- Interessen von Kindern und Fa-
fahrungsgemäß ein großer Ge- milien. Eltern sind Kooperati-
winn für die Familien. Kinder- onspartner der pädagogischen
tagesstätten haben auch eine Fachkräfte und werden im ge-
Familien unterstützende Funk- meinsamen Bemühen um gute
tion. Sie können Eltern helfen, strukturelle Rahmenbedingun-
sich aus sozialer Isolierung zu gen im Gemeinwesen tätig.
lösen und Familienfreundschaf- Sie setzen sich im Rahmen der

45
C. Zusammenarbeit von Tageseinrichtung und Grundschule
1. Voraussetzungen und Ziele der Zusammenarbeit

Der Übergang vom Kindergar- und Grundschule erleichtert Beide Institutionen müssen da-
ten in die Grundschule stellt für den konkreten Übergang und her miteinander in Kontakt tre-
das Kind, ähnlich wie der Ein- schlägt eine Brücke zwischen ten. Sie entwickeln gemeinsam
tritt in den Kindergarten, einen den unterschiedlichen Lernkul- ein Verständnis der Kompeten-
Meilenstein in seiner Entwick- turen: Durch die Bildungsarbeit zen, die das Kind während sei-
lung dar. Die Einschulung ist in im Kindergarten entwickelt ner Kindergartenjahre erwer-
der Regel auch für seine Eltern sich die Schulbereitschaft bzw. ben konnte und treten in ein
ein wichtiger Schritt im Leben Schulfähigkeit der Kinder. Die Gespräch über darauf aufbau-
ihres Kindes. Dieser Übergang Schule legt Wert darauf, das ende Entwicklungs- und Lern-
muss sorgfältig gestaltet wer- Wissen der Erzieherinnen über prozesse in der Grundschule ein.
den, soll er für die Mädchen die Kinder in Erfahrung zu brin- Grundlage für das Bildungsver-
und Jungen der Beginn einer gen und vorschulische Lernpro- ständnis im vorschulischen Be-
weiteren positiven Entwick- zesse der Kinder unter Berück- reich ist vor allem der Orien-
lungsphase sein. sichtigung des schulischen Bil- tierungsplan für Bildung und
dungsauftrags weiterzuführen. Erziehung.
Die Grundschule steht nach
dem Niedersächsischen Schulge- Beide Institutionen vereinbaren
setz und im Rahmen ihrer pä- gemeinsame Strukturen und
dagogischen Verantwortung in Verfahren, die es dem Kind er-
der Pflicht, eng mit dem Kinder- möglichen, den Eintritt in die
garten zu kooperieren. In dem Schule angstfrei und freudig zu
Grundsatzerlass des Kultusmi- erleben, sich in der neuen Um-
nisteriums „Die Arbeit in der gebung schnell zu orientieren
Grundschule” vom 03.02.2004 und seine Leistungsfähigkeit
ist dies im Einzelnen ausgeführt. weiter zu entfalten.
Ebenso besteht nach dem KiTaG
für die Tageseinrichtungen der Eine erfolgreiche Zusammenar-
Auftrag zur Zusammenarbeit beit zwischen Kindergarten und
mit der Grundschule (§ 3 Ab- Die Vorbereitung auf den Über- Grundschule setzt gegenseitige
satz 5). gang und die Förderung des Akzeptanz und Anerkennung
Kindes im Hinblick auf den der jeweils anderen Ausbildung
Die Kooperation muss von allen Schuleintritt wird in der Kinder- und der damit erworbenen
Beteiligten ernst genommen gartengruppe gezielt verfolgt. Kompetenzen voraus. Basis für
und bejaht werden und als kon- Aufgabe des Kindergartens ist das gegenseitige Verstehen ist
kurrenzfreier Prozess auf glei- es, konkrete Strukturen und Ab- die Abklärung der jeweiligen
cher Augenhöhe auf Dauer ge- läufe zu schaffen, die im letzten Erwartungen an die Kooperati-
staltet, kontinuierlich reflektiert Kindergartenjahr zum Tragen on, die Abstimmung über päda-
und weiter entwickelt werden. kommen und den Übergang gogische Grundlagen, Erzie-
Sie schließt insbesondere die vorbereiten und gestalten. Das hungsstile und die Ziele der bei-
gemeinsame Gestaltung des kann zum Beispiel bedeuten, den Institutionen. Es müssen
Übergangs ein. dass die Kindertagesstätte die Vereinbarungen getroffen wer-
(Tages-)Abläufe so plant, dass den, wie die Beteiligten durch
Kindergarten und Grundschule alle Kinder, die gemeinsam ein- das Kennenlernen der jeweils
haben gemeinsame pädagogi- geschult werden, immer wieder anderen Arbeitsweise und des
sche Grundlagen. Im Mittel- zu gemeinsamen Projekten zu- jeweils anderen Auftrags und
punkt steht die Förderung der sammen kommen können. Die durch konkrete Formen der Zu-
Persönlichkeit des Kindes als Vorfreude der Kinder auf den sammenarbeit den Übergang
Akteur seiner Entwicklung im nächsten Lebensabschnitt, die der Kinder vom Kindergarten
Rahmen tragfähiger sozialer Einschulung, ist eine gute Vor- in die Grundschule erleichtern
Beziehungen. Eine gute Koope- aussetzung für erfolgreiches können.
ration zwischen Kindergarten Lernen in dieser Phase.

46
2. Konkrete Maßnahmen zur Erleichterung des Übergangs

Die Kooperation zwischen den beiden Institutionen kann durch


folgende Formen ausgestaltet werden:

Es findet ein regelmäßiger Hospitationen von Lehr- Erleichtert wird das Zusam-
Austausch zwischen den Fach- kräften im Kindergarten bzw. menwirken von Kindertages-
kräften des Kindergartens und von Fachkräften des Kindergar- stätte und Grundschule, wenn
den Lehrkräften der Grundschu- tens in der Schule erleichtern Kooperationsbeauftragte aus
le über die pädagogischen Kon- das Kennenlernen. Die Lehr- Kindertagesstätte und Grund-
zepte der jeweils anderen Ein- kraft erzählt den Kindern vor schule benannt werden, die als
richtung und über bestehende Schuleintritt über die Schule; direkt Zuständige einerseits die
Schwierigkeiten genereller Art Erzieherinnen und Erzieher be- Thematik fachlich erörtern und
bei der Einschulung statt. suchen die Kinder nach Schul- anderseits eine gelingende Um-
eintritt. Die Besuche werden setzung sicher stellen können.
Lehrkräfte und sozialpäda- von Lehrkräften und Erzieherin- Es hat sich auch bewährt, eine
gogische Fachkräfte besuchen nen gemeinsam ausgewertet. schriftlich fixierte Kooperations-
gemeinsam Fortbildungsveran- Diese wechselseitigen Besu- vereinbarung zu treffen, die für
staltungen zu Bildungsinhalten, che werden wo möglich durch beide Seiten Verbindlichkeit
bei denen die Zusammenarbeit wechselseitige Teilnahme an herstellt und als Basis für die
zwingend ist. Sprachförderung Gremien und Veranstaltungen weitere konstruktive Zusam-
allgemein und die Förderung ergänzt. menarbeit dient.
des Deutschen als Zweitsprache
sind heute und dürften noch Notwendig ist die Überein-
längere Zeit eines dieser wich- kunft zwischen Kindertagesstät-
tigen Fortbildungsthemen sein. te und Grundschule, dass Eltern
Aber auch andere Bildungsbe- selbstverständlich einbezogen
reiche wie z. B. mathematisches werden müssen. Gegenseitige
Grundverständnis bzw. Mathe- Wertschätzung sowie grundle-
matik oder Natur und Lebens- gende gemeinsame Positionen
welt bzw. Sachkunde bieten sich und Leitvorstellungen, die im
für gemeinsame Fortbildungen Kontakt mit den Eltern realisiert
an. werden, sind für die Elternar-
beit unerlässlich.

Für die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule im
Sinn der o. g. Voraussetzungen und Zielsetzungen bietet es sich an, einen Zeitablauf abzustimmen
und eine Struktur gemeinsam zu erarbeiten, die alle Einzelvorhaben einschließlich der Inhalte und
Methoden beispielhaft darstellt. Solch ein Kooperationskalender ist - orientiert an den unterschied-
lichen Sachlagen vor Ort - jeweils von den Beteiligten konkret zu besprechen und zu verändern
(Beispiele als Anregungen im Anhang). Dabei werden z. B. die Größe der Kindertagesstätte bzw.
die der Grundschule und die Anzahl der Einrichtungen, mit denen jeweils kooperiert werden muss,
mit darüber entscheiden, wie intensiv die Zusammenarbeit im Rahmen der verfügbaren Arbeitszeit
stattfinden kann.

47
IV. Qualitätsentwicklung und -sicherung
1. Zielsetzung – Pluralität der Methoden

Das niedersächsische Gesetz unter Berücksichtigung der ge- schen Arbeit konkretisiert. Die
über Tageseinrichtungen für setzlichen Vorgaben, der sozial- Aussagen des hier vorgelegten
Kinder verpflichtet jede Einrich- räumlichen Rahmenbedingun- Orientierungsplans zur Bildung
tung, eine pädagogisches Kon- gen und des Leitbildes des und Erziehung im Elementarbe-
zeption vorzulegen und regel- Trägers die in den §§ 2 und 3 reich fließen in die Fortschrei-
mäßig fortzuschreiben. In der des niedersächsichen KiTaG for- bung der pädagogischen Kon-
Einrichtungskonzeption werden mulierten Ziele der pädagogi- zeption ein.

48
Professionelle Erziehungs- und Die Erfassung der Qualität pä- tätsziele, indem sie die zuvor
Bildungsarbeit in Tageseinrich- dagogischer Arbeit in Tagesein- festgelegten Merkmale erfas-
tungen umfasst die regelmäßi- richtungen für Kinder wird auch sen, werten und im Rahmen der
ge Überprüfung der eigenen bundesweit in verschiedenen pädagogischen Arbeit weiter-
Arbeit (Qualitätsfeststellung Modellversuchen, Forschungs- entwickeln.
und Evaluation), die prozesshaf- ansätzen und durch das vom
te Weiterentwicklung (Quali- Bundesministerium für Familie, Die Qualitätsentwicklung der
tätsentwicklung) und ihre Um- Senioren, Frauen und Jugend eigentlichen pädagogischen Ar-
setzung in die Praxis (Qualitäts- 1999 gestartete Programm beit wird als Aufgabe der Fach-
sicherung). Tageseinrichtungen „Nationale Qualitätsinitiative kräfte verstanden. Darüber hin-
für Kinder sind vorschulische im System der Tageseinrichtun- aus können auch Träger mit
Bildungseinrichtungen und gen für Kinder” entwickelt und geeigneten Verfahren die Qua-
müssen sich der Aufgabe stel- erprobt. Jeder Träger bzw. jede lität ihrer Aufgabenwahrneh-
len, für eine Implementierung Einrichtung entscheidet sich für mung erfassen und weiter ent-
(Umsetzung) der in diesem Ori- ein bestehendes Qualitätsent- wickeln. Die Instrumente des
entierungsplan formulierten Bil- wicklungs- und -sicherungs- Qualitätsmanagements sind die
dungsziele in die pädagogische verfahren bzw. für ein selbst Entwicklung von Bewertungs-
Praxis zu sorgen. Träger und entwickeltes Verfahren. Dies maßstäben, die Selbst- und
Tageseinrichtungen sind aufge- sollte auf der Basis der pädago- Fremdevaluation, z. B. durch
fordert, die eigene Qualitäts- gischen Konzeption, eines im Fachberatung und Fortbildung
entwicklung und -sicherung zu Team hergestellten Konsenses oder durch externe Fachleute,
einem selbstverständlichen Be- über die gemeinsamen Arbeits- und die Dokumentation.
standteil ihrer pädagogischen schritte und unter Abwägung
Arbeit zu machen. Einrichtungs- der zur Verfügung stehenden
bezogen werden Qualitätskrite- Ressourcen geschehen.
rien entwickelt, die den Prozess
der Bildungsarbeit in der Ein- Qualitätsentwicklung in der Ein-
richtung transparent machen richtung bedeutet, dass die Zie-
und die Konzeption durch Aus- le der pädagogischen Arbeit
sagen über die Begleitung, För- bestimmt werden und dass das
derung und Herausforderung Handeln, die Strukturen und
frühkindlicher Bildungsprozesse alle Prozesse im Alltag der Ein-
erweitern. richtung einer Reflexion im
Sinne der gemeinsamen Quali-
Für das Qualitätsmanagement tätsziele unterworfen werden.
in Tageseinrichtungen gibt es Die Qualitätssicherung dient
inzwischen unterschiedliche der Herstellung von Transpa-
Qualitätssysteme (vgl. Literatur- renz der pädagogischen Arbeit
angaben). Einige Träger haben nach Innen und Außen und er-
bereits trägerspezifische Hand- möglicht es festzustellen, wie-
reichungen zum Qualitätsmana- weit die Ziele erreicht wurden.
gement und Güte-Kriterien ent- Die Fachkräfte überprüfen die
wickelt. von ihnen entwickelten Quali-

49
2. Beobachtung und Dokumentation als Instrumente der Qualitätssicherung

Gezielte Beobachtungen sind Damit kein Kind aus dem Blick- welche die Erzieherinnen da-
ein fester Bestandteil der päda- feld der Erwachsenen gerät, ist raus ziehen. Aufzeichnungen
gogischen Arbeit in allen Tages- es sinnvoll, feste Beobachtungs- über das Verhalten von Kindern
einrichtungen. Die regelmäßi- zeiten in den Alltag der Einrich- und über den sozialen Kontext
ge Beobachtung und ihre Auf- tung zu integrieren. Alle Beo- bedürfen immer einer einfühl-
zeichnung sind Instrumente der bachtungen werden zeitnah samen Interpretation und kön-
Bildungsbegleitung, die aus- dokumentiert und im Team im nen im Verlauf von Ereignissen
nahmslos jedem Kind gilt (vgl. gemeinsamen Gespräch reflek- auch wieder neu interpretiert
hierzu auch Kapitel III). Entspre- tiert. Für die Interpretation des werden.
chend dem Bildungsverständnis Beobachteten ist es sehr hilf-
dieses Plans ist es das Ziel von reich, wenn mindestens zwei Beobachtungen und ihre Do-
Beobachtungen, eine qualitativ Kolleginnen beobachtet haben kumentation dienen nicht allein
gute pädagogische Arbeit in und ihre unterschiedlichen der Bildungsbegleitung ein-
der Tageseinrichtung leisten zu Wahrnehmungen in die päda- zelner Kinder. Ihr Ziel kann
können. gogische Diskussion einbrin- auch sein, Gruppenprozesse be-
gen. wusster wahrzunehmen oder
Die Interessen des Kindes, sein sich zu einem ausgewählten
Entwicklungsstand und seine Die Fachkräfte müssen sich im Thema gezielt die bisherige
besonderen Fähigkeiten sowie Rahmen ihrer Konzeption über pädagogische Praxis zu verge-
seine Situation in der Kinder- die Ziele und den Einsatz von genwärtigen. Beobachtung und
gruppe sollen systematisch auf- Beobachtungsverfahren und Dokumentation sind in diesem
gespürt werden. Die Dokumen- -methoden verständigen. Teil- Sinne auch Instrumente der
tation des Beobachteten bildet nehmende freie Beobachtun- Qualitätsfeststellung (Evalua-
eine Grundlage für die Reflexi- gen (z. B. festgehalten in lau- tion) und Qualitätsentwicklung
on im Team, für Gespräche mit fenden Notizen oder Tagebü- der pädagogischen Arbeit.
den Eltern und - in ausgewähl- chern) und geplante strukturier-
ten Fällen - auch für die gemein- te Beobachtungen können sich
same Reflexion mit dem Kind ergänzen. Wichtig ist die Ver-
(z. B. eine Video-Aufnahme ge- ständigung über die Fragestel-
meinsam ansehen). lung (Was möchte ich erfah-
ren?) und die möglichst genaue
Unterscheidung zwischen dem,
was tatsächlich beobachtet wer-
den konnte, und den Schluss-
folgerungen und Bewertungen,

50
Zurzeit gibt es in der pädagogi- Abständen werden die Kinder heitsförderung bei einzelnen
schen Diskussion verschiedene im Alltag beobachtet. Dabei Kindern und in der Kindergrup-
Ansätze, Dokumentationen werden der Kontext der jewei- pe. Diese Dokumentationen
in die praktische pädagogische ligen Situation und das, was sich fließen in die Evaluation der
Arbeit zu integrieren. an Kommunikation in dieser pädagogischen Arbeit im Team
Situation abspielt, mit aufge- ein und werden nicht weiter
Eine Möglichkeit der Doku- zeichnet. Ziel ist die individuelle gegeben. Sie können aber z. B.
mentation ist die Herstellung Bildungsbegleitung der Kinder von den Fachkräften als Hinter-
von Bildungsbüchern oder Port- in einem ihnen angemessenen grundmaterial für Elterngesprä-
folios für jedes Kind. Hier han- Entwicklungstempo. Bis zum che genutzt werden.
delt es sich vor allem um eine Schuleintritt werden die Lern-
Sammlung von Produkten kind- potenziale und die Entwicklung Der gezielte Einsatz be-
licher Aktivitäten oder von Bil- des Kindes systematisch als Ent- stimmter standardisierter Beo-
dern, Fotos, Geschichten, Video- wicklungsverlauf dokumentiert bachtungsverfahren kann ins-
Aufnahmen etc., die für das und für die pädagogischen besondere dann sinnvoll sein,
Kind wichtig sind, gegebenen- Fachkräfte nachvollziehbar fest- wenn in maßgeblichen Entwick-
falls auch „Zertifikate” (Roller- gehalten. Die Eltern sind eben- lungsbereichen (Körper- und
führerschein) oder Geschichten, falls in die Entwicklung der Bil- Handmotorik, Sprachentwick-
die die Erzieherin für das Kind dungs- und Lerngeschichten ein- lung, Hör- und Sehvermögen,
(auf-)geschrieben hat. Das Bil- bezogen. Die Weitergabe an Hochbegabung usw.) eine deut-
dungsbuch gehört dem Kind. Es Dritte kann nur mit Einverständ- liche Abweichung von der gro-
bestimmt über seinen Inhalt mit nis der Eltern erfolgen. ßen Mehrheit aller gleichaltri-
und über seine Verwendung gen Kinder erkennbar ist.
(z. B. wer darin lesen darf oder Eine andere Möglichkeit Andere Verfahren sind z. B. die
was darin aufgenommen wird). ist die Sammlung von Aufzeich- (vor-)schulische Sprachstands-
Es erhält das Bildungsbuch als nungen von freien oder struk- feststellung, bei der die Fach-
sein Eigentum, wenn es die Kin- turiert durchgeführten Beo- kräfte mitwirken können. Auf-
dertagesstätte verlässt. Dieses bachtungen sowie z. B. von Mei- grund ihrer Berufserfahrung im
unterstützt Identifikationspro- nungsbildern und Rückmeldun- Umgang mit gleichaltrigen Kin-
zesse, es vermittelt Wertschät- gen (z. B. durch Eltern, durch dern erkennen Erzieherinnen
zung, fördert das Selbstbewusst- Kinder, durch andere Institutio- und Erzieher in der Regel früh-
sein und die Fähigkeit des Kin- nen), die von den Fachkräften zeitig auffallende Entwicklun-
des zu Selbst-Reflexion. aus unterschiedlichen Anlässen gen von Kindern und sollten
festgehalten werden. Beobach- ihre Beobachtungen zum An-
Die Aufzeichnung von tungsanlässe ergeben sich aus lass nehmen, das Gespräch hier-
Bildungs- und Lerngeschichten dem gesamten Spektrum der zu mit Eltern und Kolleginnen
dient dazu, die Entwicklung ei- Förderung - von den sozial- zu suchen und gegebenen-
nes Kindes kontinuierlich zu do- emotionalen und kognitiven falls Expertenwissen hinzuzu-
kumentieren. In regelmäßigen Kompetenzen bis zur Gesund- ziehen.

Für die genannten Aufzeichnungen und Dokumentationen


gilt der Datenschutz (vgl. dazu auch Kap. III, 1).

Es besteht heute in dem gesamten System Tageseinrichtungen für Kinder eine hohe Bereitschaft,
die eigene Fachlichkeit professionell weiter zu entwickeln. Qualitätsmanagement ist ein kommu-
nikativer Prozess und setzt die Zusammenarbeit aller an der Arbeit von Tageseinrichtungen für
Kinder beteiligten Personen voraus. Die Träger stehen in der Verantwortung, eine professionelle
Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Tageseinrichtung zu gewährleisten

51
Anhang
1. Zu Kapitel III A: 4. Die Einrichtung einer anregenden Lernumgebung

Anregungen der Praxis für eine gute räumliche und materielle Ausstattung in den Kindertagestätten
werden im Folgenden vorgestellt.

Generell gilt, Räume nicht zu überladen mit einer zu großen Anzahl an Kinderprodukten (lieber
Eigentumskästen und -mappen anlegen), durch zu viel Spielzeug oder beispielsweise durch eine
kindertümelnde Ausschmückung. Das Auge soll in allen Räumen Ruhepunkte finden können und das
Thema, mit dem sich Kinder beschäftigen, auch zum Vorschein kommen lassen können. Weniger ist
oftmals mehr: Qualitativ hochwertige und wertgeschätzte Materialien, möglichst wenig vorgefertigte
Materialien, echte Alltagsgegenstände (wie scharfe Messer, Sägen etc.) oder z. B. ein Gemälde eines
Künstlers/einer Künstlerin sind einem Überangebot von gängigem Spielzeug für Kinder oder
z. B. Sesamstraßen-Plakaten vorzuziehen.
Mit den nun folgenden Vorschlägen wird eine Zuordnung zu den einzelnen Lernbereichen hergestellt,
auch wenn sie sich mehreren Zielen zuordnen lassen (eine Bühne eignet sich zum Vortragen, zum Rollenspiel,
zum Tanzen usw.). Vgl. hierzu auch Kapitel III. Es geht bei dieser Aufzählung ausdrücklich um Ideen und
Anregungen. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Lernbereich 1: Lernbereich 2: Bewegungsmaterialien (Bewe-


Emotionale Entwicklung Entwicklung kognitiver gungsbaustelle, variable und
und soziales Lernen Fähigkeiten und der Freude transportable Gegenstände), Seile,
am Lernen Bälle, Pedalos, Fahrzeuge, Roll-
Für das Spiel einzelner Kinder un- bretter, Trampolin, Hängematte,
tereinander: Ausstattung einer Experimen- Schaukel. Im Außenbereich: Klet-
Einbau von verschiedenen Ebe- tierwerkstatt. Wecker, Radios, ter- und Versteckmöglichkeiten,
nen, Podesten/Bühne, abgeteilte Taschenlampen, Kerzen, Wasser- Hügel und Tunnel sowie unter-
und nicht einsehbare Ecken und spiele, Magnetfelder, Lupendosen, schiedlich gestaltete Untergründe.
Nischen und im Außenbereich, Vergrößerungsgläser, Fotoappara- Hochsitze und Türme zum Erklim-
Spielhäuser, Bauwagen, Weidenti- te, Videokamera, Computer und men, begehbare Dächer, Brücken
pis, Sitzgruppen, Terrassen, Innen- interaktiv zu nutzende Program- zum Überqueren. Differenzierte
höfe oder Hütten und Ähnliches. me für Kinder vor der Einschulung. Einfriedungen, Hecken- und Wei-
Memory und andere Gedächtnis- denzäune, eingebaute Glaskugeln
Für Rollenspiele: spiele, Knobel-Aufgaben, und Spiegel, Naturwebrahmen.
Eine Vielfalt von zweckfreien Ma- „Tüftler”-Kiste. Hölzer, Reifen, Bretter, Regenrin-
terialien wie Tücher, Stoffe, Kisten, nen, Rohre, Natur- und Mauerstei-
Kissen, Hölzer etc., Puppen, Ver- ne etc.
kleidungsmaterial und Alltagsma- Lernbereich 3:
terialien für die Rollenspielthemen Körper – Bewegung Orte für Ruhe und Konzentration,
Familie, Einkaufen, Schule usw., – Gesundheit Entspannung und Erleben von
Spiegel. Für die individuelle Iden- Dunkelheit:
titätsentwicklung: ein eigenes Fo- Orte für Sport, Tanz, Theater, „Traumstundenzimmer”/Raum für
to (eventuell mit der eigenen Fa- Toben, spontane Bewegungsspiele Meditation/Köpererfahrung, Ku-
milie), Eigentumskiste oder -fach (innen und außen): schelecken und Snoozelen, Schla-
(Foto oder eigener Name, kein Bewegungsaufforderung zum fen und Rückzug. Matten, Kissen,
Tiername!), Ausstellungsvitrine Laufen, Rutschen, Schaukeln, Klet- Decken, gedämpftes Licht, Kasset-
oder Ausstellungswand für ausge- tern, Fahren, Sportspiele, Krie- tenrekorder für Musik, Therapie-
suchte Kinderkunstwerke. chen, Raufen, Hüpfen, Balancieren geräte etc.
etc. Breite Flächen ohne Möblie-
Demokratie Lernen: rung, verschiedene Ebenen, schie-
eine Wandtafel/Pinnwand für die fe Ebenen, große und kleine
Darstellung der Kinderbeschlüsse Schrägen, Treppen und Leitern,

52
Lernbereich 4: Umgang mit technischen Geräten: Lernbereich 8:
Sprache und Sprechen Fotoapparat und/oder Videoka- Natur und Lebenswelt
mera, Projektor und Leinwand,
Eigenständig zu nutzende Kinder- Computer, Telefon, technische Naturerfahrungen:
bibliothek, Gesellschaftsspiele, Haushaltsgeräte. Umgang mit den vier Grundele-
eine Dokumentensammlung oder menten Erde, Wasser, Luft und
Nachschlagkiste, eine Schreibecke Feuer. Nutzgärten, Blumenbeete,
mit unterschiedlich nutzbaren Lernbereich 6: Kräuterspiralen, Kompostanlagen,
Medien (Papiere, Schreibgeräte, Mathematisches Grund- Obstbäume, Beerensträucher,
Schreibmaschine, Computer), bild- verständnis Sandlandschaften, Weidenanla-
liche Darstellungen von schrift- gen und Naturwiesen, Wasseran-
lichen Symbolen, Namenschilder, Materialien wie Centstücke/Geld- lagen, Matschlöcher und Feucht-
zwei- oder mehrsprachige Infos, stücke, Holzwürfel, Perlen, Bau- biotope, Feuerstellen und Lehm-
Erstellen eines Kindergruppen- steine. Hilfsmittel wie Zahlenbret- öfen, Wetterstationen und Wind-
Tagebuchs, erzählauffordernde ter, Maßbänder, Messbecher, Waa- und Duftspiele, Umgang mit
Bühne, Fingerpuppen oder „Story- gen, Thermometer, Uhren, Tabel- Tieren.
board” (Pappbühne mit einem len, Kalender und Ähnliches.
Erzählanfang). Erforschung der physikalischen/
materiellen Welt:
Lernbereich 7: Ausstattung der Experimentier-
Lernbereich 5: Ästhetische Bildung werkstatt (siehe auch Lernbereich
Lebenspraktische 2 und 6), Licht- und Schattenspiele,
Kompetenzen Musik und Tanz: Geräte zum Messen und Wiegen,
Einfache Musikinstrumente wie Erwärmen, Kühlen. Gläser, Ordner,
Selbstständige eigene Versorgung: Rasseln, Kazus, Trommeln etc., Kästen, Ausstellungsraum etc.
Zugang zu eigener Ersatzwäsche einige wenige wertvolle Instru- zum Sammeln, Ausstellen, Beo-
und eigenen Schuhen, eigene mente. Liederbücher, Platten, Ton- bachten, Pflanzenpressen, Kom-
Zahnpflegeausstattung, Möglich- kassetten, DVDs. Material zum poster, Öko-Tonne etc.
keit zum selbstständigen Früh- selber Bauen einzelner Instrumen-
stück. te („Regenmacher”). Materialien Umwelterkundung:
zum Dämpfen, Verstärken von Tö- Netzpläne (z. B. der U-Bahn),
Alltägliches häusliches Tun: nen. Tanzmusik, klassische Musik, Stadtpläne/Landkarten. Sachbü-
Möglichst viele im häuslichen All- Musik anderer Kulturen. Rhyth- cher und Material zu/von besuch-
tag üblichen Geräte und Haus- mus-, Singspiele und Reime. ten Einrichtungen. Geschichtliches
haltsgegenstände wie z. B Hand- oder biographisches Anschauungs-
feger, Wischeimer etc. (nicht als Bildnerisches Gestalten: material aus der eigenen Stadt/
Spielzeug), die auch in der Kita Naturmaterialien aller Art (Mu- Region.
benutzt werden. Alle notwen- scheln, Steine, Korken, Holz etc.),
digen Materialien zum Kochen, Wasser, Sand, Knete, Ton. Wachs.
Backen und gemeinsamen Essen. Papier und Farben aller Art (Was- Lernbereich 9:
Der Körpergröße von Kindern ser-, Öl-, Pigmentfarbe), Farben Ethische und religiöse Fragen;
angepasste Küchenausstattung, mit hoher Leuchtkraft, Staffelei, Grunderfahrungen mensch-
bzw. stabile Hocker/Schemel Werkbänke. „Schätze” wie Perlen, licher Existenz
zum Draufstellen. Ausstattung farbige Scherben, Federn etc.
zum Einkaufen. Bücher über Kunstwerke, Künstler, Orte der Ruhe/Meditation. Bild-
berühmte Bauwerke. Bastelmate- bände/Bücher über verschiedene
Handwerkliches Können und rialien, Matschtische, Schaukästen Religionen. Mitgebrachte Symbole
Experimentieren: und Präsentationsflächen. kulturellen/religiösen Inhalts bzw.
Werkzeuge wie Messer, Sägen, über Grunderfahrungen von Le-
Nägel, Hammer etc., eine Werk- ben und Tod.
bank, Gartengeräte, Nähzeug,
Material für kleine Reparaturen.

53
2. Zu Kapitel III C.: Zusammenarbeit von Tageseinrichtung und Grundschule

Beispiele für einen Kooperationskalender


Die folgenden „Kalender” sind als Anregung zu verstehen. Nicht alle Vorschläge
lassen sich an jedem Ort umsetzen, aber einzelne Ideen sicherlich!

Beispiel A Zeitpunkt Maßnahmen im Kindergarten Maßnahmen in der Grundschule

ca. 12-15 Erstellung der Jahresplanung für das letzte


Monate Jahr im Kindergarten, abgestimmt auf die
vor der Altersgruppe und deren Entwicklungsstand,
Einschu- mit Angeboten für den emotionalen, kog-
lung nitiven, sozialen, motorischen Bereich, mit
Beginn des ersten Projekts im August

August Bildung einer gruppenübergreifenden


Vorschulgruppe (Maxi-Club, 6erBande etc.)
Entscheidung über die Beteiligung
der sog. Kann-Kinder

Reflexion und Dokumentation des Entwick-


lungsstandes der Kinder im letzten Kinder-
gartenjahr zur Vorbereitung der ersten
Staffel individueller Elterngespräche

Bildung einer Kooperationsgruppe zur Vorplanung der Zusammenarbeit


für die nächsten Monate
Benennung der Kooperationsbeauftragten für das kommende Kindergartenjahr

September Unterstützung der Sprachstandsfeststellung Schulanmeldung


durch Erzieherinnen Durchführung der Sprachstands-
feststellungen und Ergebnismitteilung
an Eltern und Kindergarten

Gemeinsames Erstellen eines Anforderungsprofils

Erstellung eines individuellen Förderplanes


für alle Vorschulkinder unter Einbeziehung
der Sprachstandserhebung und der struk-
turierten Beobachtungen der Erzieherinnen

Durchführung der ersten Elterngespräche


zum individuellen Entwicklungsstand und
Förderbedarf des Kindes

Oktober / Spätestens ab hier:


November Laufende Dokumentation der Entwick-
lungsschritte und des Förderbedarfes

Beteiligung an einer Informationsveranstaltung zum Thema „Schulbereitschaft”


für die Eltern der zukünftigen Schulkinder im Kindergarten

54
Zeitpunkt Maßnahmen im Kindergarten Maßnahmen in der Grundschule

Dezember/ Ausführliche Reflexion und Dokumentation


Januar des Entwicklungsstandes und des Förder-
bedarfs der zukünftigen Schulkinder zur
Vorbereitung der zweiten Staffel individu-
eller Elterngespräche

Aktualisierung der individuellen Förderpläne

Februar Durchführung der zweiten Elterngespräche Beginn der von der Schule verantworteten
zum individuellen Entwicklungsstand und Sprachförderungsmaßnahme
Förderbedarf des Kindes

März Zukünftige Lehrkräfte kommen in den Kindergarten, stellen sich vor


und hospitieren in den Gruppen

Einladung des Kindergartens an ehemalige Ab hier: evtl. Spielnachmittage in der Schule


Kindergartenkinder, um über die Schule für solche Kinder, bei denen nicht feststeht,
berichten zu lassen ob sie schulfähig sind

Ab hier bis ca. Mai: Schuluntersuchungen

April / Mai Kindergartenkinder lernen die Schule kennen (Gebäude, Klassenzimmer, Schulhof etc.)

Info-Veranstaltung über Inhalte des folgen-


den Kindergartenjahres in der gruppen-
übergreifenden Vorschulgruppe

Juni Wenn möglich mehrere Besuche


• im zukünftigen Klassenverband • bei der zukünftigen Klassenlehrerin
• im zukünftigen Klassenraum,
um Unterrichts- und Pausensituationen zu erleben

Gezielter Informationsaustausch zwischen Lehrkräften und Erzieherinnen über die


zukünftigen Schulkinder in Bezug auf Sprachkompetenz, Entwicklungsschritte und
Interessen des Kindes, Schulbereitschaft

Juli Verabschiedung im Kindergarten

Beteiligung an der Einschulungsfeier

Nach der Gemeinsame Bewertung der Kooperation im zurück liegenden Kindergartenjahr


Einschu-
lung Austausch über einzelne Kinder bei evtl. Problemen

55
Beispiel B Zeitpunkt Maßnahmen

September Beginn der „Kennenlerntage” und der Absprachen zwischen Kindergarten


10 Monate und Grundschule
vor Einschu- • Auswertung von Beobachtungen;
lung Erstellen individueller Förderpläne, Elterngespräch, Förderung

Oktober Anmeldung im Rahmen einer offenen Atmosphäre


9 Monate Zeitpunkt: Nachmittag; Ort: Schule
vor Einschu- • Schulkinder der Klassen 3 helfen den neuen Mitschülerinnen und Mitschülern
lung bei der Erkundung der Schule (übernehmen Patenschaften) am Tag der Anmeldung;
der Förderkreis bereitet Tee, …

Dezember Gemeinsame Veranstaltungen Schule und Kita (Basar, Theaterstück, etc.)


bis Juni Kindergarten-Kinder basteln für die Kinder (Klassenräume) der Partnerklassen, …

Besuch der Schulkinder im Kindergarten


• Kindergarten-Kinder zeigen ihre Arbeiten, bewirten Grundschul-Kinder, …

Projekt:
Wir helfen unseren neuen MitschülerInnen (als Fortsetzung der Kennenlerntage)
in der Grundschule / Teilnahme am Unterricht des ersten Schuljahres
• Schüler/innen erstellen für Nichtleserinnen und -leser verständliche Hinweise
zur Orientierung in der Schule / zur Schulordnung
(Piktogramme, Farbmarkierungen im Gebäude zum Wiederfinden
der wichtigsten Personen und Räume)

Nach der Schulkinder zeigen ihre Arbeiten, bewirten Kindergarten-Kinder,


Einschu- helfen ihnen im „Unterricht”, …
lung
Kontaktaufnahme aller Schulkinder eines Ortsteiles / einer Straße zu den Schul-
neulingen (gemeinsames Erkunden von Schulweg und Wohngegend), …

Schulkinder helfen den neuen Mitschülern bei der Erkundung der Schule
am Tag der Einschulung, sind Ansprechpartner in den ersten Schulwochen
(Busbetreuung, Pausenspiele …), …

56
3. Ausgewählte Literatur

Arbeiterwohlfahrt, Bundesverband e.V. (Hrsg.): Laewen, Hans-Joachim und Andres, Beate (Hrsg.):
Musterqualitätshandbuch, Tageseinrichtungen für Kinder. Künstler, Forscher, Konstrukteure. Werkstattbuch zum
Bonn, Arbeiterwohlfahrt 2001 Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen.
Neuwied, Luchterhand 2002
Becker-Textor, Ingeborg: Der Dialog mit den Eltern.
München, Don Bosco Verlag 2001 Leupold, Eva Maria: Handbuch der Gesprächsführung.
Freiburg, Herder 2004
Böttcher, Gudrun und Reich, Angelika: Soziale Kom-
petenz und Kreativität fördern. Berlin, Cornelsen-Scriptor Naumann, Sabine: Was heißt hier schulfähig? Übergang
1998 in Schule und Hort. Weinheim, Beltz 2000

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Ostfriesische Landschaft: Frühe Mehrsprachigkeit


und Jugend: Auf den Anfang kommt es an! Perspektiven unter Einbeziehung der Regionalsprache Plattdeutsch.
zur Weiterentwicklung des Systems der Tageseinrichtungen Material- und Arbeitsmappe, Aurich,
für Kinder in Deutschland. Ostfriesische Landschaft/Plattdütskbüro 2003
Weinheim, Basel, Berlin, Beltz Verlag 2003
Pesch, Ludger und Sommerfeld, Verena:
Dornes, Martin: Die frühe Kindheit. Entwicklungs- Beschwerde-Management. Weinheim, Beltz 2002
psychologie der ersten Lebensjahre.
Frankfurt/M., Fischer 1997 Riemann, Ilka / Wüstenberg, Wiebke: Die Kindergarten-
gruppe für Kinder ab einem Jahr öffnen? Eine empirische
Dreier, Anette: Was tut der Wind, wenn er nicht weht? Studie. Frankfurt, Fachhochschulverlag 2004
Begegnungen mit der Kleinkindpädagogik in Reggio Emilia.
Berlin 1999 Salisch, Maria von: Emotionale Kompetenz entwickeln.
Stuttgart, Kohlhammer Verlag 2002
Elschenbroich, Donata: Weltwissen der Siebenjährigen.
Wie Kinder die Welt entdecken können. Schäfer, Gerd E.: Bildungsprozesse im Kindesalter.
München, Verlag Antje Kunstmann 2001 München, Weinheim, Juventa 1995

Fthenakis, Wassilios E.: Elementarpädagogik nach Scheilke, Christoph und Schweitzer, Friedrich (Hrsg.):
Pisa. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen Kinder brauchen Hoffnung, Band I Mit Geheimnissen leben.
werden können. Freiburg, Herder Verlag 2003 Gütersloher Verlagshaus und Verlag Ernst Kaufmann 1999

Griebel, Niesel, Reidelhuber, Minsel: Tietze, Wolfgang / Viernickel, Susanne (Hrsg.):


Erweiterte Altersmischung in Kindergarten und Schule; Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder.
Grundlagen und Praxishilfen für Erzieherinnen. München, Weinheim, Beltz 2002
Don Bosco Verlag 2004
Tophinke, Doris: Sprachförderung im Kindergarten -
Honig, Michael-Sebastian / Joos, Magdalena / Schreiber, Julia, Elena und Fatih entdecken gemeinsam die deutsche
Norbert: Was ist ein guter Kindergarten? Theoretische und Sprache. Weinheim, Basel, Berlin, Beltz 2003
empirische Analysen zum Qualitätsbegriff in der Pädagogik.
Weinheim und München, Juventa 2004 TPS Sammelband „Kinder - Lernen - Bildung”.
Theorie und Praxis der Sozialpädagogik. Kallmeyer 2002
Hopf, Arnulf, Prof.: Vom Kindergarten in die Grund-
schule. Weinheim, Beltz 2004 Ulich, Michaela / Oberhuemer, Pamela / Soltendieck,
Monika, Staatsinstitut für Frühpädagogik: Die Welt trifft sich
Klafki, Wolfgang: Kategoriale Bildung. Zur bildungs- im Kindergarten. Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung.
theoretischen Deutung der modernen Didaktik. Neuwied, Luchterhand 2001
Weinheim, Basel, Berlin, Beltz 1975
Weber, Sigrid (Hrsg.): Die Bildungsbereiche im Kinder-
Krieg, Elsbeth (Hrsg.): Step-Kitapraxis (6 Bände). garten. Freiburg, Herder 2003
Münster, Comenius-Institut 2004
Ziesche, U. / Herrnberger, G. / Karkow, Ch.:
Laewen, Hans-Joachim: Qualitätswerkstatt Kita - Zusammenarbeit von Kita und
Die ersten Tage in der Krippe. Familie. Weinheim, Beltz 2003
Weinheim, Beltz 2003
Zimmer, Renate: Handbuch der Bewegungserziehung.
Laewen, Hans-Joachim und Andres, Beate (Hrsg.): Freiburg, Herder 2004
Bildung und Erziehung in der frühen Kindheit. Bausteine
zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen.
Weinheim, Beltz 2002

57
4. Hinweise zu Bildungsplänen anderer Bundesländer

Bildungspläne anderer Bundesländer (Stand Frühjahr 2005)

Bundesland Titel Behörde oder Verlag Stand

Baden- Orientierungsplan für Bildung Sozialministerium im Entstehen


Württemberg und Erziehung

Bayern Der Bayrische Bildungs- und Erzie- Beltz Verlag 2003


hungsplan für Kinder in Tagesein-
richtungen bis zur Einschulung

Berlin Berliner Bildungsprogramm für die verlag das netz, Berlin 2004
Bildung, Erziehung und Betreuung von
Kindern in Tageseinrichtungen bis zu
ihrem Schuleintritt

Brandenburg Grundsätze der Förderung elemen- Ministerium für Bildung, 2004


tarer Bildung in Einrichtungen der Jugend und Sport
Kinderbetreuung in Brandenburg

Bremen Rahmenplan für Bildung und Senator für Arbeit, 2004


Erziehung im Elementarbereich Frauen, Gesundheit und
Soziales

Hamburg Bildungsempfehlungen für Kinder- Sozialbehörde im Entstehen


tagesstätten

Hessen Bildungs- und Erziehungsplan Sozialministerium im Entstehen


für Kinder von 0-10 Jahren

Mecklenburg- Rahmenplan für zielgerichtete Vorbe- Sozialministerium 2004


Vorpommern reitung von Kindern in Tageseinrich-
tungen auf die Schule

Nordrhein- Vereinbarung zu den Grundsätzen Ministerium für Schule, 2003


Westfalen über die Bildungsarbeit in Tagesein- Jugend und Kinder
richtungen für Kinder

Rheinland-Pfalz Bildungs- und Erziehungsem- Beltz Verlag 2004


pfehlungen für Kindertagesstätten
in Rheinland-Pfalz

Saarland Bildungsprogramm für Saarländische Ministerium für Bildung, 2004 / Erpro-


Kindergärten; Handreichungen für Kultur und Wissenschaft bungsphase
die Praxis

Sachsen Bildungsleitfaden für päd. Fachkräfte Sächsisches Staats- Entwurfs-


in sächsischen Kinderkrippen und ministerium für Soziales fassung 2004
Kindergärten

Sachsen-Anhalt Bildungsprogramm für Kindertages- Ministerium für Gesund- 2004


stätten in Sachsen-Anhalt heit und Soziales

Schleswig- Leitlinien zum Bildungsauftrag von Ministerium für Bildung, 2004


Holstein Kindertagesstätten Wissenschaft, Forschung
und Kultur

Thüringen Leitlinien frühkindlicher Bildung Ministerium für Soziales, 2003


Familie und Gesundheit

Beschluss der Jugend- und der Kultusministerkonferenz, Mai bzw. Juni 2004:
Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen.

58
Vielen Dank der Tageseinrichtung „Till Eulenspiegel” Braunschweig
und allen anderen Eltern und Kindern für ihre Zustimmung zur
Veröffentlichung der Fotoaufnahmen in dieser Broschüre.

59
Herausgeber:
Niedersächsisches Kultusministerium
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Schiffgraben 12
30159 Hannover
www.mk.niedersachsen.de

Gestaltung:
a punkt a design, Dipl. Des. Anja Albrecht
Braunschweig

Druck:
gutenberg beuys feindruckerei GmbH
September 2011
ISBN 3-00-016349-2

Bestellung:
bestellung@feindruckerei.de

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