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STAR TREK: ROMULANER

FanFiction

Geboren auf Romulus

- Geschichten rund um Romulus -

Elisabeth Holzenhauer

ebook
Erste Ebook-Ausgabe 10/2015

©Elisabeth Holzenhauer 2011

Adresse der Autorin: Elisabeth Holzenhauer,

Nastplatz 2, D-70376 Stuttgart

www.eholzenhauer.de

Cover und Layout: Elisabeth Holzenhauer

Veröffentlicht für www.zulu-ebooks.com

Disclaimer:

Die Rechte von Paramount auf StarTrek: ST-Bücher, ST-Filme, ST-Merchandise, ST-Franchise
bleiben unangetastet.

Inhalt:

1. Attentat auf Romulus


2. Das Gesicht des Verräters
3. Die Katze von Romulus
4. Die List des Romulaners
5. Geboren auf Romulus
6. Glossar
Attentat auf Romulus

Die hohe, schlanke Gestalt des Hru’hfe* Golan, der im Hause Eylan seit vielen Jahren beschäftigt
war, schritt wie jeden Morgen durch die Gänge der herrschaftlichen Villa und öffnete die Fenster
in den Zimmern. Der Hru’hfirrn*, Petrak tr’Eylan, hatte sich am
gestrigen Nachmittag zum Landsitz seines Bruders aufgemacht, um sich
(wie jedes Jahr) von den Strapazen seiner Verantwortung als erfolgreicher Firmeninhaber
eines Shuttle-Leasingunternehmens zu erholen. Golan konnte freier über die Bediensteten und
Sklaven des Hauses herrschen, wenn der Alte nicht da war. Solange nichts Ungewöhnliches
geschah, brauchte er sich keinerlei Sorgen machen. Was sollte schon passieren? In den fünfzehn
Jahren, die er im Dienste des Hauses Eylan stand, war noch nie etwas vorgefallen, was zur
Besorgnis Anlass gab.
Im Schlafgemach der Herrin war es stockfinster; die schweren Brokatvorhänge ließen kein
Sonnenlicht durch. Golan schaltete das Licht an, schritt auf das Fenster zu und zog die Vorhänge
beiseite. Er stutzte, denn er wusste, dass er gestern Abend das Fenster eigenhändig geschlossen
hatte; jetzt stand es einen Spalt weit offen und ließ die kühle Morgenluft herein.
Mit einem lauen Gefühl im Magen blickte er sich im Zimmer um, und seine dunklen Augen
weiteten sich vor Entsetzen, als er auf dem pompösen Bett die Senatorin und Herrin des Hauses,
Grith t’Eylan, liegen sah. Der verzierte Griff eines Dolches ragte wie ein Ast aus ihrem Rücken.
Wie lange mochte sie schon tot sein?
Bei den Elementen! Dachte Golan trat näher an das breite Bett heran und starrte auf die Tote.
Lieber würde er sich die Zunge abbeißen, als zuzugeben, dass er den Leichnam entdeckt hatte.
Das Beste ist Schweigen, sagte er sich, irgendein anderer wird sie schon finden!
Golan wusste genau, dass derjenige, der eine Leiche zuerst findet, bei der Polizei als Erster im
Verdacht stand, die Tat begangen zu haben. Auf leisen Sohlen schlich er aus dem Schlafgemach
seiner toten Herrin und huschte hinunter in die untere Etage.
Ira, die fleißige aber naive Sklavin, stand in der Küche am Herd und bereitete das Frühstück vor.
Ihr Gesicht war hübsch, wenn auch ein wenig einfältig.
„Möchten Sie auch eine Tasse Korthre-Tee trinken, Hru’hfe?“, fragte sie den Chefbediensteten
und holte einen Becher aus dem Schrank.
Golan nickte und nahm am Tisch Platz. Keine Miene verriet, dass er wenige Minuten zuvor die
Herrin des Hauses erdolcht aufgefunden hatte. Wer konnte sie nur ermordet haben? In Gedanken
ging er jeden Einzelnen der Hausbewohner durch, wer für das Attentat in Frage kam. Dem
Chefbediensteten war klar, dass es sich nur um einen politischen Mord handeln konnte, denn
seine Herrin war großzügig und tolerant gegenüber den Angestellten und Sklaven gewesen.
Während er dasaß und seinen Tee schlürfte, zogen Erinnerungen an Grith t’Eylan vor seinem
geistigen Auge vorüber. Ja, sie war in der Tat eine imposante Persönlichkeit gewesen, die im
Auditorium des Unteren Senats mit gewaltiger Stimme ihre Reden geschwungen hatte.
Viele waren gekommen, nur um sie reden zu hören, obwohl das, was sie zu sagen hatte, nichts
Neues gewesen war. Diese füllige, große Frau, in ihrem langen, reich verzierten Gewand und
kunstvoll hochgesteckten, dunklen Haaren, hatte das Charisma besessen, die
Massen anzuziehen, mit einer Stimme, die wie ein Orkan durch die
Hallen peitschte und die Leute in ihren Bann schlug. Es war jedes Mal ein Ereignis
gewesen, wenn sie auftrat, ein unvergessliches Erlebnis. Grith t’Eylan war Traditionalistin durch
und durch! Sie war beim konservativen Volk beliebt gewesen, wenn auch nicht in den Augen
ihrer jungen, progressiven Gegner, die sich einen „Wind“ um die wertvollste aller Tugenden,
dem Beherrschen des Mnhei’sahe* scherten, dem Ehrenkodex der Rihannsu*, der Moral und
Ordnung im Imperium zusammenhielt.
Zum Teufel mit diesen Welterneuerern! dachte Golan und konnte sich gut
vorstellen, wie sie sich heimlich eins ins
Fäustchen lachen, dass sie die altmodische Vettel endlich los sind! Doch das Volk wird
Grith vermissen, diese wundervolle, großherzige Frau.
Im Herzen des Hru’hfe machte sich tiefer Kummer breit. Zum Glück war Ira gerade mit der
Zubereitung des Frühstücks beschäftigt, so dass sie es nicht mitbekam.
Plötzlich drang ein Schrei durch das Haus. „Hru’hfe … Hru’hfe, kommen Sie schnell! - Schnell!“
Das war Morya, der elende Trunkenbold. Es verging kaum ein Tag, an dem er nicht nach
Feierabend in einer Kneipe verschwand und sich das Ale* kübelweise reinkippte, während seine
schwangere Frau daheim auf ihn wartete und nicht wusste, wie sie ihre beiden Söhne und das
dritte Kind, das sie erwartete, durchbringen soll.
Arme Arieme! Wenn du nicht schon wieder ein Balg im Bauch hättest, hätte ich deinen Mann
längst gefeuert! dachte Golan, während er aus der Küche stürzte und eine verwirrte Ira
zurückließ.
Morya schlotterte am ganzen Leib. „Ich … ich war es nicht, Hru’hfe!“ stammelte er. „Bei den
Elementen, wer ...“
„Halten Sie den Mund, Morya!“ befahl Golan, der hinauf ins Schlafgemach der Senatorin eilte
und abwechselnd einen Blick auf den Sklaven und dann auf die Tote warf. „Weder Sie noch ich
können herausfinden, wer die Senatorin erstochen hat! Beruhigen Sie sich, Morya! Rufen Sie die
anderen Bediensteten, und versammelt euch in der Küche, bis ich zu euch komme! Inzwischen
werde ich die Polizei verständigen.“
Morya hinunter ins Foyer und schlug auf den Gong. Die Schar der Bediensteten und Sklaven lief
zusammen. „In die Küche mit euch! - Alle!“, herrschte er sie an. „Es ist etwas Schreckliches
geschehen! Unsere Herrin ist ermordet worden!“
Wie auf Kommando brach ein lautes Wehgeschrei los. Den Chefbediensteten Golan kümmerte es
nicht. In aller Seelenruhe zückte er seinen Handkommunikator und informierte die Gesetzeshüter,
während er gleichzeitig mit nachdenklichem Gesicht den Blick nicht von der Mordwaffe ließ, die
aus dem Rücken der Senatorin ragte. Plötzlich fiel ihm ein, wem der Dolch gehörte. Es war
Yann’s Dolch. Der älteste Sohn der Hausherrin vermisste ihn schon seit einiger Zeit. Wer immer
ihm das Messer entwendet hatte, der musste der Mörder sein!
Keine fünfzehn Siuren* später wimmelte es in der Villa Eylan nur so von Polizeibeamten,
darunter zwei Offiziere des Tal Shiar*. Die anwesenden Bediensteten und Sklaven wurden
vernommen; zwei von ihnen konnten eine brauchbare Aussage machen.
*

Noch am gleichen Tag wurde der Ehemann der Senatorin, Petrak tr’Eylan, der das
Oberhaupt eines Neutralen Hauses war, über den Tod seiner Gattin informiert. Zwei Stunden
später traf er in seiner Villa, die er in i-Ramnau besaß, ein. Schmerz und Fassungslosigkeit
standen in seinem schmalen Gesicht.
„Wir müssen auch Sie in den Kreis der Verdächtigten
mit einbeziehen, Petrak tr’Eylan“, sagte der Kommissar; die beiden Tal Shiar-Offiziere
standen schweigend und bewegungslos hinter ihm.
„Nach den Angaben des
Medi-Scanners ist Ihre Frau etwa dreizehn Stunden und dreiundzwanzig Komma vier
Siuren tot! Wann genau haben Sie sich auf die Reise zu Ihrem Bruder begeben?“
„Exakt um fünfzehn Uhr dreißig, Rekkhai* Kommissar“, antwortete Petrak wahrheitsgemäß und
spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete.
„Vor etwa fünfzehn Stunden also!“, erwiderte der Kriminale. „Wer kann bezeugen, dass Sie
tatsächlich um diese Zeit abgeflogen sind? Und wo war um diese Zeit Ihre Gemahlin?“
„Meine Frau befand sich im Badezimmer. Sie nahm immer ein Bad, wenn sie von einer
Senatssitzung nach Hause kam“, antwortete Petrak. „Golan, der Hru’hfe - Morya -
Theron ... Sie können sie alle meine Aussage bestätigen!“
„Und Ihre Kinder?“ lenkte der Kriminalbeamte ein. „Der Hru’hfe sagte aus, dass die Mordwaffe
Ihrem ältesten Sohn Yann gehört, der sie seit Längerem vermisst. Seit wann genau vermisst er
seinen Dolch?“
„Seit etwa einem Monat.“
„Haben Sie einen Verdacht, wer ihn gestohlen haben könnte?“
„Yann sagte, er hätte den Dolch im Wald liegen gelassen. Er geht gerne in den Wald, um dort ein
paar Äste abzuschneiden. In seiner Freizeit schnitzt er Figuren. Er sagte, er hätte seinen Dolch in
aller Eile vergessen einzustecken; er sei noch einmal zurückgekehrt, um ihn zu holen. Aber der
Dolch nicht mehr da gewesen.“
„Wer weiß sonst noch davon?“, erkundigte sich der Kommissar.
Der Hru’hfirrn blickte verstört in die Gesichter der Männer, die vor ihm standen. „Meine Frau -
Golan - meine beiden jüngeren Söhne Akhim und Stev - und meine Tochter E’Liss natürlich.“
„Machen Sie bitte Aussagen darüber, wo sich Ihre Kinder am gestrigen Tag befanden“, forderte
der Kommissar den Hausherrn auf.
„Yann ist Kommandant auf der Ithaca, einem freien Handelsraumschiff. Er befördert
transparentes Aluminium zu verschiedenen Planeten innerhalb des Imperiums. Soviel ich weiß,
ist er seit vier Tagen wieder auf Tour. Mein zweiter Sohn Akhim ist Handelsattaché und war
schon seit einem halben Jahr nicht mehr hier. Dann ist noch Stev da, er ist gerade in Ausbildung
bei der Galae ...“
„Und Ihre Tochter, E’Liss?“ wollte der Kommissar wissen. „Wann war Ihre Tochter zum letzten
Mal hier, und wo ist sie jetzt?“
„E’Liss wohnt noch hier zu Hause. Sie wollte gestern Abend nach Rateg, zu ihrer Freundin Orta
Kolan“, antwortete der Hru’hfirrn und drehte sich nach Golan um. „Wissen Sie, wann meine
Tochter sich auf den Weg gemacht hat, Golan?“
„Etwa zwanzig Siuren später nachdem Sie abgeflogen sind, Hru’hfirrn“, antwortete der
Chefbedienstete.
„Sind Sie sicher, dass sie nicht noch einmal zurückgekommen ist?“ erwiderte der Kommissar.
Der Kommissar fragte nach Ortas genauer Adresse und befahl einen der beiden Tal Shiaristen,
eine KOM-Verbindung mit Orta Kolan herzustellen. Doch diese meldete sich nicht.
Kurzerhand gab er dem Tal Shiar-Mann den Befehl, mit zwei
Polizeibeamten nach Rateg zu fliegen und Erkundigungen über Orta Kolan einzuziehen.
Zwei Stunden später traf die Meldung des Tal Shiar-Offiziers aus Rateg ein, dass Orta Kolan und
E’Liss Eylan mit einem Shuttle Romulus verlassen hatten, in Richtung Gamma-Quadranten.

„Glaubst du wirklich, das wir hier auf Deep Space Nine sicher sind, Orta?“ frage E’Liss ihre
ältere Freundin, die beide in ihrem Gemeinschaftsquartier saßen. „Ich finde, es war keine gute
Idee von dir, hierher zu kommen. Hätten wir nicht woandershin fliegen können?“
„Sei froh, dass man uns überhaupt hier aufgenommen hat!“ empörte sich Orta Kolan. „Die
Energiereserve für den Warpantrieb ist so gut wie aufgebraucht! Ohne Dilithium kommen wir
nicht weiter, also muss ich welches besorgen, Ich denke, dass dieser Pilzkopf von einem Ferengi
mir da weiterhelfen kann. Doch hab’ keine Angst, E’Liss, DS Nine ist der sicherste Ort im
ganzen Universum. Bis hierhin reicht der Arm des Romulanischen Imperiums nicht. Hier liefert
dich hier keiner aus, solange nicht bewiesen ist, dass du deine Mutter getötet hast. Hier herrschen
die Gesetze der Föderation, auch wenn wir beide Romulanerinnen sind und man uns mit
Misstrauen beäugt. Und wer sagt, dass die Bürger von ch’Rihan* keinen Anspruch auf Urlaub
hätten? Wenn ich das
verdammte Dilithium aufgetrieben habe, besitzen wir genug Energie, um durch das
Wurmloch zu fliegen. Aber ich weiß nicht, was uns drüben erwartet …“
„Bei den Elementen, Orta ... ich hab’ kein gutes Gefühl. Warum sind wir nicht nach Arkturus
geflogen?“
Ortas Gesicht färbte sich grün vor Zorn. „Du hast wohl immer noch nicht begriffen, dass dieser
Planet gänzlich ungeeignet für uns ist. Dort wimmelt es nur so von Kriminellen! Man würde uns
im Handumdrehen vergewaltigen, uns in irgendeinen Puff stecken oder umbringen! Alle
Verbrecher und Gestrauchelten der Galaxis tummeln sich auf Arkturus!“ Ortas Stimme wurde
sanft. „Hab’ doch Vertrauen zu mir, E’Liss! In all den Jahren unserer Freundschaft, habe ich dich
noch nie im Stich gelassen, und ich werde dich auch jetzt nicht im Stich lassen!“
E’Liss seufzte schwer, doch es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich auf ihre Freundin Orta
Kolan zu verlassen.

Major Kira stand in der OPS und verkündete Commander Disko die Ankunft zwei weiterer
Shuttles romulanischer Bauart, die um Andockerlaubnis baten.
„Stellen Sie eine KOM-Verbindung her, und fragen Sie die Romulaner, was sie wollen“, gab
Sisko ihr Anweisung. Kira tat, wie ihr geheißen, und das Gesicht des romulanischen Tal
Shiar-Offiziers erschien auf dem Bildschirm:
„Meine Name ist Trekot tr’Balar“, verkündete dieser. „Ich komme im Auftrag des
Romulanischen Imperiums und dessen Sicherheit. Auf Ihrer Station befinden sich zwei
romulanische Frauen, die unter Mordverdacht stehen, die Senatorin Grith t’Eylan ermordet zu
haben.“
Major Kira und Commander Benjamin Sisko blickten sich an. Ja, es waren tatsächlich gestern
zwei romulanische Frauen auf DS Nine eingetroffen Aber wie Mörderinnen sahen sie nicht
gerade aus!
„Es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, den Romulanern Zutritt auf DS Nine zu
gewähren“, sagte Commander Sisko. „Geben Sie Andockerlaubnis, Major Kira!“
„Andockerlaubnis erteilt!“, sagte die Bajoranerin zu dem Romulaner, dessen Gesicht au
f dem Bildschirm zu sehen war. Wenige Minuten später materialisierten acht romulanische
Offiziere auf der Kommandobrücke von DS Nine.

E’Liss klammerte sich an Orta Kolan, als der Türsummer ertönte. „Hier ist Commander Disko,
bitte öffnen Sie!“
„Mach’ nicht auf, Orta!“ kreischte E’Liss und klammerte sich noch fester an ihre Freundin.
Orta Kolan befreite sich von E’Liss’ Griff. „Es hat keinen Zweck, wenn wir uns verbarrikadieren.
Lass mich mit ihm reden! Es wird schon alles gut gehen!“
Die ältere der beiden Frauen löste die Türverriegelung, und herein traten Benjamin Si
sko, Sicherheitschef Odo und acht Romulaner - vier von ihnen stürmten auf die beiden Frauen zu.
„Halt!“ befahl Sisko. „So lange nicht bewiesen ist, dass diese beiden Frauen mit einem Mordfall
in Zusammenhang stehen, wird niemand festgenommen!“
Widerwillig ließen die Romulaner E’Liss und Orta los.
„Wir haben mit keinem Verbrechen etwas zu tun! Wir hatten lediglich die Absicht, uns hier auf
DS Nine für zwei, drei Tage zu amüsieren“, konterte Orta. „Glauben Sie mir, Commander, E’Liss
Eylan und ich wissen nicht das Geringste von einem Verbrechen! Wir sind unschuldige Frauen,
wir ...“
„Das sehen wir anders!“ schnarrte tr’Balar, der Tal Shiar-Offizier. „Die Senatorin Grith t’Eylan
wurde vor zwei Tagen erstochen in ihrem Bett aufgefunden. Die Mordwaffe steckte noch in
ihrem Rücken. Es sollte so aussehen, als hätte der älteste Sohn der Senatorin seine Mutter
umgebracht. Aber Yann befand sich zur Tatzeit als Kommandant auf der Ithaca. Und auch die
anderen beiden Söhne der Senatorin waren zur Tatzeit nicht im Hause ihrer Eltern. Allein Sie,
E’Liss, wohnen noch bei Ihrer Familie. Auch wenn Sie vorgaben, sich mit Ihrer Freundin Orta
Kolan in Rateg zu treffen, so war das eine glatte Lüge! Es war Ihre Absicht, sich aus dem Staub
zu machen! Einer der Bediensteten sah, dass Sie noch einmal in das elterliche Anwesen
zurückgekommen sind, bevor Sie sich auf den Weg nach Rateg machten, oder wo immer Sie sich
mit Ihrer Komplizin Orta Kolan treffen wollten.“
„Das ist nicht wahr!“ kreischte E’Liss. „Als ich das Elternhaus verließ, lebte meine Mutter noch!
Ich bin nicht mehr ins Haus zurückgekehrt, ich bin sofort nach Rateg geflogen! Und aus welchem
Grund sollte ich meine Mutter umbringen?“
„Neid. Zwistigkeiten. Vielleicht waren Sie scharf auf den Senatsposten Ihrer Mutter?“,
entgegnete tr’Balar. „Sie wissen, dass Senatsämter nur an Familienangehörige weitergegeben
werden können. In Ihrem Fall wäre es der Tod Ihrer Mutter gewesen, der Sie dazu berechtigte,
ihre Nachfolge anzutreten.“
„Ich habe sie nicht umgebracht!“, wiederholte E’Liss. „Und außerdem mache ich mir nichts aus
Politik! Der Posten meiner Mutter war mir vollkommen gleichgültig!“
„Solange Sie nicht drauf sitzen!“ konterte der Tal Shiar-Mann.
Benjamin Sisko hob die Hand. „Das geht zu weit, meine Herren! Durch bloße Anschuldigung
können wir nicht beweisen, dass E’Liss den Mord an ihre Mutter begangen hat.“
„Die Bedienstete Ira konnte aussagen, dass E’Liss Eylan am späten Nachmittag noch
einmal zurückgekommen ist.
E’Liss ging in den Keller und hatte dort nach etwas gesucht. Ich vermute den Dolch,
den sie ihrem Bruder gestohlen hat“, schnappte der Tal Shiar-Offizier und wand sich an die
Männer, mit denen er gekommen war. „Nehmt die beiden Frauen fest!“
„Alles Lüge, Lüge, Lüge!“, schrie E’Liss. „Ira ist eine Schwachsinnige, die überhaupt nicht
weiß was sie sagt! Glauben Sie mir, Commander Sisko: Ira kann Realität und Fantasie nicht
auseinanderhalten, sie ...“
„... ist nicht so blöd wie Sie denken!“, fiel tr’Balar E’Liss ins Wort. „Ira mag einfältig sein, aber
das macht sie nicht unglaubwürdig.“ Er wandte sich wieder an seine Leute: „Abführen!“
Wieder war es Commander
Sisko, der dagegen Einwände erhob, dass die beiden Frauen gegen ihren Willen
festgenommen werden sollten.
„Wenn Sie uns Schwierigkeiten machen, Commander ...“, sagte der Tal Shiar-Offizier und zückte
den Phaser.
Odo, der sich bisher herausgehalten hatte, stellte sich schützend vor seinen Boss. „Seien Sie
vernünftig!“ sagte er zu tr’Balar. „Geben Sie uns ein wenig Zeit, und ich garantiere Ihnen, dass
sich die Sache klären lässt, ob die beiden Frauen tatsächlich eines Verbrechens schuldig sind oder
nicht.“
„Wir haben den Auftrag, die Täterin und ihre Komplizin festzunehmen und sie dem
romulanischen Gericht zu überantworten!“ schnarrte der Tal Shiar-Mann. „Auf diese beiden
Frauen da, wartet die Todesstrafe, und deswegen leugnen sie ihre Tat!“
„Sie machen sich ebenfalls strafbar, Mister! Sie vergessen, dass hier auf DS Nine die Gesetze der
Föderation gültig sind“, erwiderte Odo. „Daran müssen auch Sie und Ihre Leute sich halten!
Geben Sie uns einen Tag Zeit - einen Tag, um die Wahrheit herauszufinden.“
Tr’Balar steckte die Waffe wieder ein. „Also gut! Ich gebe Ihnen einen Tag Zeit. Sollten Sie bis
morgen erfolglos geblieben sein, Constable, werden wir uns die beiden Frauen mit Gewalt
holen!“
Tr’Balars Gefolgsleute ließen Orta und E’Liss allein. Sisko und die anderen verließen das
Quartier der beiden Frauen ebenfalls.

Während Commander Sisko wieder auf die OPS gerufen wurde und sich die Romulaner zu
Quarks Bar aufmachten, blieb Odo, der Sicherheitsoffizier, unauffällig zurück. Der Formwandler
hatte sich in einen faustgroßen Stein verwandelt und rollte ungesehen unter E’Lissas Liege.
„Es hat keinen Zweck, Orta!“, jammerte E’Liss. „Wir sind verloren! Ira hat mich gesehen, wie
ich in den Keller ging. Aber ich hab’ geglaubt, sie würde sich nichts dabei denken, sie ... ach
verdammt!“
„Mach dir keine Sorgen“, beschwichtigte Orta ihre Freundin und nahm sie in den Arm.
„Ich weiß, welch großes Opfer du für das Imperium gebracht hast. Aber die Zeit ist noch nicht
reif, dass das Volk es versteht.“
„Ich musste meine Mutter töten, Orta!“, klagte E’Liss, und Tränen liefen ihr über die Wangen.
„Sie war nicht die großartige, großherzige Senatorin, für die das romulanische Volk sie gehalten
hatte. Sie war eine berechnende, skrupellose Frau! Ich habe ihr Tagebuch gefunden, habe darin
gelesen, was sie wirklich mit den mächtigsten Prätoren des Reiches geplant hatte: einen
gemeinen Krieg, Orta! Einen Krieg, den wir unmöglich gewinnen können! Sie wollten zuerst
Friedensverhandlungen mit der Föderation
aushandeln, ihr eine Kooperation anbieten, und dann, wenn sich die Föderation der V
ereinten Planeten in Sicherheit wähnt, ihre Vernichtung durchführen!
Aber meine Mutter hatte schon immer die Angewohnheit gehabt, alles in ihrem
Tagebuch festzuhalten. - Oh, Ort, was sollen wir bloß tun? Niemand außer du und ich wissen,
was wirklich hinter den Kulissen läuft, wovon das romulanische Volk nichts ahnt. Wenn ich doch
bloß das verdammte Tagebuch nicht gefunden hätte!“
Orta küsste E’Liss auf die Stirn. „Beruhige dich, Liebling! Noch hat man uns nicht aufs Schafott
geschleppt!“
Plötzlich rollte ein dicker Stein unter ihrer Liege hervor ... und vor ihr stand Odo, der
Sicherheitsoffizier von Deep Space Nine.
„Ich habe Ihr Gespräch mit angehört, meine Damen!“, sagte er. „Wo befindet sich das Tagebuch,
E’Liss? Haben Sie es dabei? Das würde vieles erleichtern.“
Die beiden Frauen blickten sich an. „Aber ...“, kam es gleichzeitig aus ihren Mündern.
„Ich bin ein Gestaltwandler“, gestand Odo. „Sie könnengetrost sein, dass man Sie nicht so ohne
weiteres das Gericht des Romulanischen Imperiums überantworten wird. Ich werde dafür sorgen,
dass die Föderation sich Ihres Falles annimmt. Und wenn es den Tatsachen entspricht, was Ihre
Mutter ihrem Tagebuch anvertraut hat, E’Liss, wird man Sie aller Wahrscheinlichkeit nach
freisprechen.“
E’Liss Eylan übergab dem Sicherheitsoffizier das besagte Tagebuch. Zehn Minuten später saßen
sie in Commander Siskos Büro, ebenso die acht Romulaner, die sich über Grith t’Ey
lans Tagebuch beugten und aus dem Staunen nicht mehr herauskamen.
„Ja, ich kenne diese Handschrift“, sagte Trekot Tr’Balar und fuhr mit einem Scanner über die
Seiten des Buches, um festzustellen, ob es sich nicht um eine Fälschung handelte. „Das Tagebuch
ist echt, und es ist tatsächlich die Handschrift der Senatorin Grith t’Eylan.“
„Sie verstehen bestimmt, dass wir Ihnen das Tagebuch vorerst nicht aushändigen werden, sagte
Commander Sisko. „Ich möchte nicht, dass dieses Beweismittel ‘versehentlich’
abhandenkommt!“
„Sie trauen mir nicht, Commander?“ entrüstete sich tr’Balar.
„Nicht ganz!“ gab Sisko offen zu und wandte sich an seinen Sicherheitsoffizier: „Constable Odo,
legen Sie das Tagebuch in den Repikator und replizieren Sie es!“
Odo nahm das Buch an sich und verschwand damit aus Siskos Büro. Kurze Zeit später kam er
mit einer Kopie des Tagebuchs zurück.
Der Tal Shiar-Offizier tr’Balar wandte sich an E’Liss. „Warum haben Sie uns die Sache mit dem
Tagebuch verschwiegen, E’Liss? Warum hatten Sie nicht die Sicherheitsbehörden oder den Tal
Shiar kontaktiert, als Sie das Tagebuch Ihrer Mutter fanden?“
E’Liss grinste breit. „Man hätte mich für eine überspannte Person gehalten, das müssen Sie doch
zugeben, tr’Balar.“
„Nun ja“, erwiderte der Tal Shiar-Offizier. „Womit Sie wahrscheinlich nicht ganz unrecht
hätten.“
Alle lachten erleichtert auf. Bis auf Commander Sisko machten sich die anderen auf zu Quarks
Bar.
Und während es sich Odo und die Romulaner an den Tischen gemütlich machten, sagte
Orta zu Quark: „Wie ich gehört habe, sind Sie Spezialist im Beschaffen von Dilithium. Mein
Shuttle hat dringend welches nötig.“
Quark grinste schelmisch über beide seiner großen Ohren. „Aber natürlich komme ich Ihnen da
gerne behilflich, Madame! Vorausgesetzt, Sie erübrigen ein gemeinsames Stündchen mit mir auf
dem Holodeck.“

ENDE
Das Gesicht des Verräters

Mhret tr’Mel stieg aus einem der Personenshuttles, die für den innerplanetaren Flugverkehr auf
Romulus eingesetzt wurden. Fünf Jahre hatte er in Rateg Agrarwissenschaft studiert und vor zwei
Tagen sein Abschlussdiplom erhalten. Nun war er nach Dartha zurückgekehrt, um ein paar
Wochen Urlaub im Kreise seiner Familie zu verbringen, bevor er seinen Dienst auf dem neu
besiedelten Planeten Athlay antrat, eine zuvor menschenleere Welt mit üppiger Flora und Fauna,
die sich am äußeren Rande des Romulanischen Reiches befand, an der Nahtstelle zwischen dem
Beta- und dem Gamma-Quadranten.
Seine Schwester Rhiana erblickte ihn durch die Fensterfront der großen Halle des Raumhafens
unter der Schar der Reisenden. Freudig eilte sie ihm entgegen. Mhret stellte seinen Koffer auf den
Boden, und beide fielen sich vor Wiedersehensfreude um den Hals.
„Lass dich ansehen!“, sagte Mhret und hielt seine Schwester ein wenig auf Abstand. Sie war
zierlich wie eine Tänzerin und nicht allzu groß. Ihr ovales Gesicht, das von einem schwarzen
Pagenkopf umrahmt war, brachte ihre großen, dunklen Augen zur Geltung. „Du bist ja eine
richtige Schönheit geworden! Wie hast du das bloß angestellt? Als ich dich zum letzten Mal
gesehen habe, warst du noch ein kleines Gör mit langen Zöpfen. Und jetzt sehe ich eine
Prinzessin vor mir. Deine Verehrer werden sich um dich reißen. Sag mir ja nicht, dass du noch
keinen Freund hast!“
Rhiana lachte. „Ein paar Bekannte schon. Aber ich habe es nicht eilig mit dem Heiraten. Und du
hast dich auch gut gemausert. Ein richtig gut aussehender Mann bist du geworden, ich könnte
neidisch werden! Wie lange gedenkst du zu bleiben?“
„Drei Wochen. Ich würde gerne länger bleiben, aber man hat mir einen gut bezahlten Posten als
Agrarwissenschaftler auf Athlay angeboten, den ich unmöglich ablehnen konnte.“ Mhret blickte
sich um. „Sag mal, bist du etwa allein gekommen? Ist Vater krank? Ich sehe ihn nirgendwo!“
Etwas bedrückt senkte Rhiana den Blick auf ihre Fußspitzen. „Nein, er ist nicht mitgekommen.
Seit Mutters Tod vor zwei Jahren hat er sich sehr verändert. Ich hatte dir doch geschrieben, dass
Mutter an Lungenfäule gestorben ist. Die ganze Stadt stand damals unter Quarantäne; niemand
durfte Dartha betreten oder verlassen. Und Vater ... nun, er ist nicht mehr der alte. Er stürzt sich
in Arbeit und Aktivitäten. Ausgerechnet Vater, der eher die Natur eines Einzelgängers hatte! Ich
glaube, er will sich auf diese Weise seelisch betäuben, indem er fast jeden Tag Gäste empfängt.
Er ist nicht mehr derselbe. Und ich bin darüber keineswegs glücklich.“
Ein wenig enttäuscht über seinen Vater, folgte Mhret seiner Schwester durch die große Halle und
ließ die Sicherheitskontrollen über sich ergehen. Rhianas Fluggleiter stand auf Parkdeck 10. Sie
stiegen ein. Rhiana, die am Steuer saß, tippte den Flugcode ein, während Mhret, der neben ihr
Platz genommen hatte, sich den Gurt umlegte.
Der Gleiter hob sich in die Höhe. Den Raumhafen und die Wolkenkratzer im Regierungsbezirk
Krokton unter sich lassend, nahm das Gefährt Kurs auf das Bhogh-Segment, das im Süden von
Dartha lag - ein vornehmer Ort, in dem es keine Wolkenkratzer gab, sondern prunkvolle Villen
der Reichen und Einflussreichen.
Sie hatten das stattliche Anwesen ihres Elternhauses betreten, als ihnen der Hru’hfe, der
Chefbedienstete Stev, entgegenkam und sich tief vor Mhret verbeugte. „Aefvadh, Rekkhai*
tr’Mel!“
Mhret verbeugte sich ebenfalls. „Shaoi’ben, Stev! Wo ist mein Vater?“
„Nun … ähm, Ihr Vater ist im Augenblick sehr beschäftigt. Ähm ... er hat zurzeit Gäste im
Haus“, stammelte Stev verlegen. „Ihr Vater möchte nicht gestört werden! Eine wichtige
Besprechung, verstehen Sie?“ In dem Moment öffnete sich die Tür zum großen Salon, und der
Herr des Hauses, Thorn tr’Mel, trat heraus. Das Gesicht des großen, stattlichen Mannes wirkte
müde und alt.
„Aefvadh, mein Sohn! Ich habe dich erst morgen erwartet, Mhret. Ich hoffe, du bist gesund ...“
„Ja, ja“, bestätigte Mhret schnell. „Mir fehlt nichts!“ Erst jetzt bemerkte er den Kummer im
Gesicht seines Vaters, in dessen Wangen sich tiefe Furchen gruben, und eine steile Falte zog sich
von der Nasenwurzel hoch zum Haaransatz.
Was bedrückte ihn?
„Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht, dass ich deine Schwester nicht zum Raumhafen begleitet
habe, um dich gebührend zu empfangen”, sagte Thorn. „Die Arbeit ... ich stecke bis zum Hals in
Arbeit! Komm, ich stelle dich meinen Gästen vor!“
Mhret folgte seinem Vater und seiner Schwester in den Salon, der mit massiven, kostbaren
Möbeln ausgestattet war. Um den Tisch in der Mitte erhoben sich vier Gäste: drei Vulkanier und
ein Terraner.
Wie angewurzelt blieb Mhret stehen und starrte auf die Männer. Sein Gesicht erstarrte zu Eis.
Ohne ein Wort zu sagen, warf er sich herum und stürmte aus dem Salon, die Treppe hinauf in die
obere Etage, in sein ehemaliges Zimmer und schlug die Tür zu.
Seine Schwester, die ihm nachgeeilt war, klopfte an seiner Tür. Mhret riss sie auf und zog Rhiana
ins Zimmer.
„Ist dir klar, mit welchen Leuten sich unser Vater verbündet hat? Mit den Erzfeinden des
Romulanischen Imperiums!“, sprach er aufgeregt in halb flüsterndem Ton. „Damit hat Vater sich
zum Verräter gemacht, Rhiana! Zum Verräter! Wenn das rauskommt, sind wir alle geliefert! Der
Tal Shiar wird uns verhören und foltern, bis nichts mehr aus uns rauszuholen ist! Und dann wird
man uns qualvoll hinrichten, in aller Öffentlichkeit, als abschreckendes Beispiel. Oh ihr
Elemente, wäre ich doch bloß in Rateg geblieben oder sofort nach Athlay geflogen! Wir sind
erledigt, Rhiana! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Vater auffliegt! Wir alle werden eines
grausamen Todes sterben, einschließlich unserer Bediensteten und Sklaven.“
„Bitte zeige ihn nicht bei den Behörden an, Mhret“, flehte seine Schwester. „Was sollen wir bloß
tun?“
„Mit ihm reden!“, antwortete Mhret. „Vater muss uns reinen Wein einschenken! Er muss uns
sagen, warum er sich mit unseren Feinden verbündet. Und übrigens: Wie ist es möglich, dass
diese Kerle hier ungesehen ein und ausgehen können?“
„Sie wohnen hier“, erwiderte Rhiana. „Vater beherbergt sie. Letzten Monat hat er einen
geheimen Zugang zu unserem Haus entdeckt - ein unterirdischer Gang. Dort unten gibt es
Kammern, und dort wohnen sie. Ich bin dem Vater einmal hinterher geschlichen, als er mit
seinen Gästen sich nach unten begab. Dort treffen sich heimlich eine Anzahl Leute.
Acht Rihannsu, drei weitere Vulkanier und ein Klingone. Ich habe zwanzig Personen gezählt.“
„Bist du gesehen worden?“
Rhiana schüttelte den Kopf. „Nein, zum Glück nicht! Es sind Guerillas. Leute, die im Untergrund
agieren. Ich weiß nicht, was sie vorhaben; ich weiß nur, dass Vater und seine Gäste die führenden
Köpfe einer großen Gruppe sind. Sie planen etwas! Aber was? Das habe ich noch nicht
herausgefunden! Vater redet mit mir nicht darüber, sondern tut so geheimnisvoll, als wenn davon
das Schicksal von ganz Romulus abhinge.“
„Wenn die Gäste sich wieder zurückgezogen haben, werde ich mir unseren alten Herrn
vorknöpfen!“ knurrte Mhret.
„Bitte, geh behutsam vor, Mhret“, bat Rhiana ihn. „In Befehlsmanier wirst du aus unserem Vater
nichts herausbekommen; dann schweigt er wie ein Grab!“
„Mach dir keine Sorgen, kleine Schwester. Ich weiß schon, wie ich es anstelle!“

Gegen Abend, als die Gäste fort waren, fand Mhret seinen Vater grübelnd vor dem Monitor des
Computers in der Bibliothek sitzen. Thorn tr’Mel blickte auf; er wirkte erschöpft und
zerbrechlich.
„Hast du einem Moment Zeit für mich, Vater?“, sprach Mhret leise. „Ich möchte dich etwas
fragen ...“
Mit einer Geste bot Thorn seinem Sohn an, ihm gegenüber Platz zu nehmen. „Was hast du auf
dem Herzen, mein Junge?“
Mhret ließ sich in den Ledersessel fallen und kam ohne Umschweife zur Sache: „Warum
verbündest du dich mit Vulkaniern und Terranern? Du hast dich zum Verräter gemacht, Vater!
Dir ist wohl nicht klar, dass du das Haus tr’Mel in Teufels Küche bringst! Ich weiß nicht, ob ich
mich für dich schämen oder ob ich dich hassen soll? Du bist eine Schande für das ganze
Romulanische Reich!“
„Bitte klage mich nicht an, Mhret“, flüsterte sein Vater. „Ich habe triftige Gründe für das, was ich
tue. Es steht so viel auf dem Spiel! Nicht nur die Existenz unseres Planeten. Der ganze
Beta-Quadrant ist in Gefahr ... auch das Klingonische Reich und das Imperium der Föderation.
Die Bedrohung kommt vom Delta-Quadranten. Eine fremde, humanoide Rasse breitet sich rasant
aus und vernichtet alles, was ihr im Wege ist. Sie nennen sich die Bhakar. Dazu benutzen sie eine
schreckliche Waffe ... nein, nicht das was du denkst, mein Sohn. Keine technische Kriegswaffe,
keine Thaleron-Strahlenkanone ... viel schlimmer! Sie greifen mit einer Virenwaffe an, die eine
entsetzliche Seuche verbreitet - eine Krankheit, die in wenigen Tagen durch Hirnlähmung zum
Tode führt. Bisher haben weder wir noch die Vulkanier, noch die Klingonen oder Terraner ein
Gegenmittel gefunden, um der Seuche Einhalt zu gebieten, die auf uns zusteuert.“
„Was sind das für Leute, die sich in dem unterirdischen Gang treffen, der sich unter unserem
Haus befindet?“ wollte Mhret wissen.
„Wer hat dir das verraten?“ fragte sein Vater zornig.
„Rhiana. Sie ist dir einmal heimlich gefolgt.“
„Nun, daran lässt sich nichts mehr ändern. Was diese Leute betrifft, mein Sohn: sie sind die
wenigen, die immun gegen diese neue Krankheit sind. Die Besatzung ihrer beiden Raumschiffe
bekam die Krankheit, als sie auf einem Planeten landeten, der von den Bhakar attackiert worden
war, und schleppte die Seuche mit an Bord. Fast alle Besatzungsmitglieder der beiden Schiffe
starben innerhalb weniger Tage. Nur wenige überlebten. Diese Überlebenden treffen sich
regelmäßig in dem unterirdischen Gang. Und sie werden die einzigen Überlebenden bleiben,
wenn hier alles an der Hirnlähmung zugrunde geht, sollten die Bhakar Romulus erreichen und
ihre tödliche Fracht auf unseren Planeten niederlassen. Alle vierzehn Tage spenden die
Überlebenden Blut, aber es ist den Wissenschaftlern noch nicht gelungen, rechtzeitig ein Serum
zu entwickeln, wenn nicht bald ein Wunder geschieht.“
„Wissen der Prätor und die Senatoren davon?“ fragte Mhret.
„Ja“, bestätigte sein Vater. „Die Wissenschaftler arbeiten rund um die Uhr. Jeder, der von der
Sache weiß, hat Order zu schweigen. Wenn etwas durchsickert, werden wir alle hingerichtet. Du
musst verstehen, das Prätoriat will eine Massenpanik unter der Bevölkerung verhindern. Nicht
auszudenken, wenn die Öffentlichkeit von der Bedrohung erfährt!“
„Hat einer von den Überlebenden Kontakt zu den Bhakar aufgenommen?“
Thorn tr’Mel schüttelte den Kopf. „Sie haben es versucht. Aber die Bhakar lassen erst gar nicht
mit sich reden. Sie mähen alles nieder, was auf einem Planeten intelligentes Leben trägt. Die
Krankheit trifft offenbar nur Humanoide. Uns erreichen täglich Schreckensnachrichten von den
Außenwelten des Imperiums. Die Bhakar rücken von Tag zu Tag näher an Romulus heran. Wenn
wir nicht bald etwas gegen diese Krankheit gefunden haben, rettet uns nichts mehr vor dem
sicheren Tod!“
„Aber warum tun die Bhakar so etwas?“ wollte Mhret wissen.
„Offensichtlich wollen sie jede Konkurrenz ausschalten, um die alleinigen Herrscher im
Universum zu sein.“
Plötzlich kam Mhret auf eine Idee. Es musste einen Grund geben, weshalb die Leute, die sich
heimlich unterhalb des Anwesens seines Vaters trafen, von der hirnlähmenden Krankheit nicht
berührt werden konnten.
„Vater, wann trefft ihr euch wieder an dem geheimen Ort?“
„Morgen Abend. Möchtest du mitkommen?“
„Ja“, antwortete Mhret.
Thorn nickte zum Einverständnis.

*
Bis zum Zeitpunkt des Treffens fiel es Mhret schwer, Ruhe zu bewahren und sich seiner
Schwester gegenüber nichts anmerken zu lassen. Den ganzen Tag spielte er mit seinem Vater
Schach - ein Spiel, das in der Föderation sehr beliebt ist und Einzug ins Romulanische Imperium
gefunden hatte.
Dann war es soweit. Sein Vater ließ Rhiana kommen. Auch sie sollte anwesend sein. Gemeinsam
mit seinen Gästen, den drei Vulkaniern und dem Terraner, begaben sich Thorn, Rhiana und
Mhret hinunter in das Kellergewölbe des großen Hauses. Dort, wo der Wein gelagert war, befand
sich eine hölzerne Tür hinter einer Reihe von Fässern. Dahinter führte eine kleine Treppe in einen
niedrigen Gang. Thorn tr’Mel, der die Taschenlampe trug, ging voraus. Sie mussten
hintereinander gehen und die Köpfe einziehen, um sich nicht an der Decke zu stoßen. Der enge
Gang machte eine Biegung, und noch eine, dann führte eine weitere Treppe hinunter. Dort unten
gab es vier Kammern. Mhret warf einen Blick in eine hinein; sie war spärlich eingerichtet, mit
einer Liege aus Kunststoff, einem Tisch und einem Stuhl. An der Wand stand ein Kleiderständer.
Zwei Türen weiter befanden sich ein Abort und ein Waschbecken.
Hinter der letzten Tür auf der rechten Seite befand sich ein geräumiges Zimmer. Zwanzig
Personen hatten dort auf Klappstühlen Platz genommen. Wie waren sie bloß in diese
unterirdische Katakombe gekommen ohne gesehen zu werden? Mhret brauchte nicht lange zu
überlegen; eine versteckte Tür befand sich hinter einem Vorhang, von dort ging es nach draußen
ins Freie.
Die Anwesenden blickten auf die Neuankömmlinge.
„Thorn, du hast uns nicht angekündigt, dass du Neulinge mitbringst“, sagte S’Prenn, der
unübersehbar ein Vulkanier war.
„Es sind mein Sohn Mhret, meine Tochter Rhiana, und die anderen kennt Ihr ja bereits. Mhret
weiß worum es geht“, sagte Thorn tr’Mel. „Er möchte mit Euch sprechen.“
Mhret redete nicht lange um den heißen Brei: „Wie mein Vater mir mitteilte, seid Ihr die
Überlebenden Eurer Raumschiffsbesatzung, die einer entsetzlichen Seuche zum Opfer gefallen
ist. Und ich finde, es muss einen Grund geben, weshalb Ihr nicht wie die anderen erkrankt seid.
Ich habe mir die ganze letzte Nacht den Kopf darüber zerbrochen, woran das wohl liegen mag,
dass es Euch nicht erwischt hat. Nun, ich habe in Rateg Agrarwissenschaft studiert. Und dazu
gehört ganz besonders eine Ausbildung in Botanik. Es kam mir in den Sinn, dass Ihr vielleicht
etwas gegessen haben könntet - ein Gemüse, einen Salat, ein Kraut oder einen bestimmten Tee
getrunken habt …“
„Was soll die blöde Frage?“ unterbrach ihn ein junger Rihannsu, der die Uniform der Galae trug.
„Bist du hierhergekommen, um uns mit dummem Geschwafel auf den Geist zu gehen?“
„Gewiss nicht“, beteuerte Mhret. „Es könnte aber ein Hinweis sein, dass Ihr alle - wie der Zufall
es will - etwas gegessen habt …“
„Wartet, bevor Ihr Mhret kritisiert“, rief eine hübsche Romulanerin. „Er könnte recht haben. Es
muss einen Grund geben, warum unser Blut okay ist und obwohl wir Blut spenden, die
Wissenschaftler nicht in der Lage sind, ein geeignetes Serum herzustellen. Bevor die Besatzung
der Thrai erkrankte, saß die halbe Mannschaft in den Speiseräumen. Jeder aß was er wollte. Ich
aß ein Gericht, das ich mit einem Gewürz versah, welches auf ch’Rihan nur schwer zu haben ist
und selbst auf den Schiffen nur selten Verwendung findet, weil es einen unangenehmen
Mundgeruch verursacht. Ich glaube es heißt ... Knoblauchsalz. Es wird von einer getrockneten
Knolle hergestellt, die auf verschiedenen Planeten der Föderation angebaut wird. Manche Leute
essen die Knolle auch roh …“
„Wer von Euch hat noch diesen Knoblauchsalz verwendet?“ unterbrach Mhret die Romulanerin.
„Sieben Rihannsu hoben die Hand; sie alle hatten auf der Thrai gedient.
„Was ist mit den anderen?“ fragte Mhret. „Was habt Ihr gegessen?“
„Wir waren auf der Hnoiykar“, meldete sich ein Rihannsu mittleren Alters. „Ich hatte zu meiner
Fleischspeise ein paar rohe, neuartige Zwiebeln gegessen, und ähm … sie schmeckten scharf.
Und Petrak meinte, ich würde aus dem Mund riechen wie ein Hlai aus dem Hintern, weswegen
ich ihm eine Ohrfeige gab. Ich sagte, das Zeug schmeckt scharf aber verdammt gut; er möge es
doch selber mal probieren! Pfeif’ auf den Mundgeruch!“
„Petrak, hast du von dem Zeug gegessen?“ fragte Mhret.
„Ja“, antwortete der Gefragte. „Ich empfahl die zehenartige Zwiebel Telak, der an unserem Tisch
saß, weiter. Nachdem er davon gekostet hatte, empfahl er es den anderen am Nebentisch.“
„Und Ihr habt alle davon probiert?“ vergewisserte sich Mhret.
Die anderen zwölf nickten.
Nun wandte sich Mhret an den Terraner, der Ralph Peterson hieß, ein dreiundzwanzigjähriger
Aupair-Kadett, im Austausch gegen einen Rihannsu, der bei Starfleet eine Ausbildung machte.
„Ich sehe, du hast Block und Stift in der Hand. Zeichne mir eine solche Knolle.“
Es dauerte ein paar Minuten, und Peterson hatte eine Knoblauchzwiebel aufs Papier ‚gezaubert’
und überreichte Mhret das Blatt.
Mhret hielt es hoch. „Sieht diese Zwiebel so aus?“
Alle beteuerten es.
„Nun, wenn dem so ist“, ergriff S’Prenn das Wort. „Ich hoffe, wir liegen richtig in der Annahme,
dass die Knolle einen Stoff enthält, der uns vor einer Katastrophe größten Ausmaßes bewahrt.
Das Problem ist nur, wie kriegen wir so viel und so schnell wie möglich den Knoblauch zu den
bedrohten Planeten?“
„Sofort die Föderation verständigen, Knoblauch in rauen Mengen zu replizieren und
schnellstmöglich auf alle bedrohten Planeten der drei Quadranten, auf denen Humanoide leben,
zu exportieren“, sagte Peterson. „Auch wenn die Knolle bei uns auf Romulus wenig bekannt ist,
aber wir haben sie! Repliziert sie auf Teufel komm raus und verteilt sie im Imperium. Und für die
Klingonen gilt dasselbe!“
Binnen einer halben Stunde war der Prätor von Romulus informiert. Dieser befahl der gesamten
Bevölkerung von ch’Rhian und ch’Havran* das Verspeisen der Knolle. Und nicht nur das! Die
sonst befeindeten Völker legten Waffenruhe ein, damit die Versorgung mit dem Knoblauch
ungehindert vonstattengehen konnte.
So wurde die größte intergalaktische Gefahr gebannt. Die bedrohten Völker waren nun
immunisiert. Die Raumkreuzer der Bhakar, wo immer man sie antraf, wurden zerstört.
Im Hause tr’Mrel wurde gefeiert. Ein hoher Senator überreichte Mhret und seinem Vater Thorn
den „Orden für Tapferkeit zum Wohle des Romulanischen Imperiums“.
Als Thorn tr’Mel die letzten Gäste verabschiedet hatte und mit seinen beiden Kindern Mhret und
Rhiana alleine war, sagte Mhret: „Vater, Rhiana und ich möchten uns bei dir entschuldigen ...“
„Wozu denn?“
„Wir hatten dich zu Anfang für einen Verräter gehalten, Papa“, gestand Mhret.
„Nicht nur ihr beide“, antwortete Thorn tr’Mel schmunzelnd und schloss seine Kinder in die
Arme. „Es sei euch verziehen! Niemand sieht hinter der Stirn des anderen.“

ENDE
Die Katze von Romulus

Ich erinnere mich noch genau an jenen kühlen Herbsttag, als sei es gestern gewesen. Zu Fuß
befand ich mich auf dem Weg zur Bezirksstelle der Galae, die für meine Heimatstadt i’Ramnau
zuständig war, als mir die Katze begegnete. Es war ein wunderschönes Tier, mit rotblondem,
dichtem Fell und zwei Augen, die im Sonnenlicht wie heller Bernstein funkelten.
Die Katze wühlte in einem umgekippten Abfallkorb nach Essbarem. Vielleicht war sie ihrem
Besitzer entlaufen oder einfach ausgesetzt worden. Als sie mich bemerkte, hielt sie inne und
blinzelte mich an – und ich blinzelte zurück. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ohne lange zu
überlegen, schnappte ich mir das Kätzchen und versteckte es unter meinem Mantel.
In der Bezirksstelle der Galae hatte man mich bereits erwartet. Mit sechs anderen jungen
Burschen wurde ich mit einem Gleiter nach Rateg geflogen, zum zweitgrößten Raumhafen von
Romulus. Zum Militärdienst einberufen, wie jeder Rihannsu, der das 18. Lebensjahr vollendet
hat, wurden wir als einfache Ulanen auf einem Warbird abkommandiert, der den stolzen Namen
Sternenhammer trug.
Mit meinen sechs Kameraden hatte ich nun für die nächsten drei Jahre mein Quartier auf dem
Warbird zu teilen. Sie brachen in schallendes Gelächter aus, als mir das Kätzchen aus dem
Mantel sprang. Jeder von den Anwesenden hatte sie sofort ins Herz geschlossen, und wir gaben
ihr den Namen Daehla*, was in der Rihannsu-Sprache Freundin heißt. Wenn wir nach den
Essenspausen aus dem Mannschaftsspeisesaal zurückkamen, brachten wir ihr heimlich
Leckereien mit, die aus Fleischresten von unseren Mahlzeiten bestanden.
Umso erschrockener waren wir, als Daehla eines Tages nicht mehr in unserem Quartier war. Wir
sahen in alle Spinde nach und suchten jeden Winkel gab, doch die Katze war nirgends zu finden!
Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die wir eingehalten hatten, musste sie wohl von einem der
Offiziere entdeckt worden sein. Oder wir hatten vielleicht einen Verräter in unserer Gruppe.
Doch jeder von uns beeidete, dass kein Wort über die Existenz der Katze über seine Lippen
gekommen war.
Wir zerbrachen uns die Köpfe, wie unser Liebling hatte verschwinden können und wo sie wohl
sein mochte. Keiner von uns wusste eine Antwort. Da das Halten von Tieren auf einem Warbird
strengstens verboten war, konnten wir unmöglich die anderen Kameraden und erst recht nicht die
Vorgesetzten nach dem Verbleib der Katze fragen. So blieb uns nichts anderes übrig, als den
Mund zu halten und Augen und Ohren aufzusperren.
Was immer wir auch heimlich unternahmen, Daehla blieb verschwunden!

Wochen vergingen. Und noch immer keine Spur von unserer kleinen Freundin. Meine sechs
Kameraden und ich hatten schon die Hoffnung aufgegeben, sie je wiederzufinden.
Eines Tages aber, enttarnten sich vor unserem Warbird vier klingonische Kampfraumer. Da das
Romulanische Reich mit den Klingonen wegen der Nichteinhaltung der Neutralen Zone, deren
Grenze die Klingonen wieder einmal ignoriert hatten, sich im Kriegszustand befand, mussten wir
mit dem Schlimmsten rechnen. Auf unserem Schiff herrschte Alarmstufe Rot.
JedesBesatzungsmitglied stand auf seinem Posten.
Wir befanden uns in der prekären Situation des Unterlegenen.
Als der Feind das Feuer eröffnete, hatten wir es nur dem starken Schutzschild unseres Warbirds
zu verdanken, dass unser Schiff nicht auseinander brach. Obwohl unser Riov ein Meister der
Taktik war, standen unsere Chancen Eins zu Tausend, dass wir die Attacke der Klingonen
überlebten. Durch die Dauerbefeuerung wurde der Schild unseres Schiffes instabil, und es war
nur noch eine Frage weniger Siuren, uns im Jenseits wiederzufinden! Fast jedes
Besatzungsmitglied betete im Stillen zu den Elementen, dass sich doch noch eine Möglichkeit zu
unserer Rettung finden möge.
Und das Wunder geschah!
Wie aus den Nichts tauchte die Katze Daehla plötzlich auf der Kommandobrücke auf, sprang mit
einem Satz auf die Konsolenbank und lief über die Schalttasten ohne zu ahnen, dass sie mit ihren
Pfoten den Impuls an sämtliche Photonentorpedos auslöste und damit den Klingonen den Garaus
machte. Mir schien, als grinste Daehla zufrieden, als die letzte klingonische Kriegsschwalbe
explodierte.
Gelassen sprang sie von der Konsole herunter, setzte sich auf den Boden und putzte sich
ausgiebig, als wäre nichts geschehen.
Wir aber, versammelten uns im Kreis um die Katze, die uns das Leben gerettet hatte.
Unser Riov, der sonst nicht viel von Humor hielt, beförderte Daehla offiziell zum Mitglied
unserer Crew und ehrte sie mit einer großen Portion Sahne.
Und seither heißt das Motto auf der Starhammer: Katze an Bord – Unglück geht fort!

ENDE
Die List des Romulaners

In der Wachstube des Prätorenpalastes saßen die beiden Gardisten Donatus tr`Mel und Tav
tr’Khellian vor der riesigen Monitorwand. Alle zwei Minuten wechselte das Bild und zeigte ein
anderes Zimmer im Palast. Die Überwachungsgeräte speicherten unentwegt die Vorgänge eines
jeden Winkels des großen Gebäudes auf Video-Magnetchips.
Donatus gähnte, und auch Tav war anzusehen, dass er erschöpft war. Den nächtlichen
Wachkontrolldienst vor dem Monitor zu verbringen und die ständig wechselnden Bilder im Auge
zu behalten, war sehr ermüdend. Selten geschah etwas Außergewöhnliches, was den Einsatz der
persönlichen Leibgarde des Prätors erforderte.
Donatus schwang sich aus dem Sessel, ging hinüber zum Replikator und tippte den Code für ein
heißes, koffeinhaltiges Getränk ein. Wenige Sekunden später entnahm er den Becher mit der
heißen Flüssigkeit und trank einen Schluck.
„Au! - Heiß!“, fluchte Donatus, der sich die Zunge verbrannt hatte. „Das Gebräu, das die
Terraner Kaffee nennen, war das Vernünftigste, was wir je von ihnen erbeutet haben.
Vorausgesetzt, man verbrennt sich beim Trinken nicht den Mund.“
Tav lachte. „Wenn du dir nur dabei den Mund verbrennst, hä, hä ... Selbst die Feinde des
Imperiums wissen zu genießen! Wenn du schon vor dem Replikator stehst, dann sei so gut und
lasse mir auch einen Becher Kaffee raus. Sonst schlafe ich hier noch ein!“
„Warum soll es dir besser gehen wie mir?“ Donatus grinste, tippte auf die Tastatur des
Replikators, und wieder erschien ein heißer Becher des aromatischen Getränks. Er brachte ihn
seinem Kollegen: „Auf die letzte Stunde Schicht!“
„Auf zur letzten Runde!“, rief Tav. Vorsichtig nippte er an seinem Getränk; es war in der Tat sehr
heiß. Tav wartete, bis der Kaffee sich etwas abgekühlt hatte, dann trank er ihn mit Genuss.
Donatus, der wieder an seinem Platz saß, blickte wie gewohnt auf die Monitorfront, die fast die
ganze Wand einnahm. Hin und wieder gähnte er hinter vorgehaltener Hand und nippte an seinen
Kaffee.
Plötzlich war er hellwach. Da! Auf dem riesigen Bildschirm hatte sich etwas verändert. Anstatt
die Räumlichkeiten der Palastzimmer zu zeigen, erschien eine nebelige Gestalt auf dem Monitor,
die sich langsam verdichtete, bis sie deutlich zu erkennen war.
„Das ist ja der Prätor!“, rief Tav tr’Khellian. Sofort sprangen die beiden Gardisten von ihren
Plätzen und salutierten. „Euer Hoheit wüschen?“, riefen sie wie aus einem Munde.
Das Gesicht des alten Prätors war sehr bleich. Seine Augen wirkten gebrochen. Der Herrscher
des Romulanischen Imperiums bewegte die Lippen. Er sprach etwas, aber Tav und Donatus
konnten kein Wort verstehen.
„Euer Hoheit, wir hören Sie nicht“, rief Tav tr’Khellian. Lautlos sprach der Prätor weiter. Tav
drehte nervös an dem Lautsprecherregler, doch außer Rauschen und Pfeifen war nichts zu
vernehmen.
„Ich glaube, unsere Lautsprechanlage ist defekt“, sagte Tav. „Ich werde den Techniker kommen
lassen.“ Er wollte gerade auf die Interkom-Taste drücken, als plötzlich das Gesicht des Prätors
milchig und durchsichtig wurde und wie ein Nebelhauch von der Bildfläche verschwand.
Tav und Donatus blickten sich fragend an.
„Seltsam, nicht wahr?“, sagte Donatus. „Der Prätor sah aus wie ein Toter!“
„Er hat in der Tat ausgesehen wie ein Leichnam. Mich graust es richtig!“, antwortete Tav. „Er
wollte uns etwas mitteilen. Es wird ihm doch wohl nichts ... zugestoßen sein?“
„Ich hoffe nicht!“, erwiderte Donatus. „Schalte mal rüber auf seine Suite!“
Tav bediente ein paar Tastaturen. Die Zimmer der Prätorensuite zeigten sich auf dem riesigen
Monitor.
„Er ist nicht dort!“, bemerkte Tav. „In seinen Zimmern hält sich niemand auf. Selbst auf dem
Abort nicht. Irgendwo muss der Prätor doch sein?!“
„Warte mal!“ erwiderte Donatus und wandte sich seiner Konsole zu. „Ich schau im Ostflügel
nach. Vielleicht ist er bei seinem Sohn?“
Aber auch dort war der Prätor nicht zu finden.
Nachdem die beiden Wachgardisten jeden Winkel über ihre Monitore abgecheckt hatten, stand es
für die beiden fest: Der Prätor war nicht im Palast!
„Wir müssen es seinem Sohn melden“, meinte Tav.
„Aber kein Wort von der mysteriösen Erscheinung auf dem Bildschirm, verstanden!“, knurrte
Donatus mahnend. „Hanaj wird uns kein Wort glauben. Er wird annehmen, wir seien übermüdet
und sehen Gespenster. Wir müssen Acht geben, wie wir es ihm sagen, sonst werden wir beide
vom Dienst suspendiert und können uns im Reich als Viehzüchter betätigen.“
Tav sah auf den Chronometer an der Wand. „In einer viertel Stunde ist Wachablösung. Dann
gehen wir beide zu Hanaj. Das wirkt auf jeden Fall glaubwürdig.“

Nachdem die Wachablösung stattgefunden hatte, machten sich Tav und Donatus auf den Weg
zum Sohn des Prätors. Dieser kam gerade aus der Dusche und hatte sich in einen seidenen
Morgenmantel gewickelt, als es an der Tür summte.
„Nanu? Das Frühstück kommt aber heute pünktlich“, sagte er. Erstaunt bemerkte er auf dem
kleinen Bildschirm über der Tür, dass es nicht der Zimmerservice war, sondern zwei Gardisten
der Prätorenwache.
Persönlich öffnete Hanaj den beiden die Tür. „Was gibt es so Wichtiges, dass Sie mich in aller
Frühe aufsuchen, meine Herren?“
„Es ist etwas Außergewöhnliches geschehen, Hoheit“, ergriff Tav tr’Khellian das Wort. „Ihr
Vater hat den Palast verlassen ohne dass wir davon erfahren haben.“
„Mein Vater ist nicht im Palast? Nicht in seiner Suite?“ vergewisserte sich Hanaj und wurde blass
vor Sorge.
„So ist es, Hoheit!“, antwortete Tav.
„Haben Sie nach ihm suchen lassen?“ fragte der Sohn des Prätors.
„Noch nicht“, antwortete Tav und gab Donatus einen kleinen Schubs. „Sag du es ihm, Kollege!“
Donatus trat vor. „Wir haben etwas Seltsames auf dem Monitor wahrgenommen, ähm ...“
„Nun rede schon, Mann!“ fauchte Hanaj ungeduldig.
So ruhig und sachlich wie möglich, berichtete Donatus dass plötzlich der Prätor auf dem Monitor
in der Wachstube zu sehen gewesen war, um ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Aber leider
funktionierten die Lautsprecher nicht. „Um ehrlich zu sein, Hoheit …“, sagte Donatus. „Tav und
ich hatten den Eindruck, dass Ihr Vater eher einer Leiche glich als einem Lebenden.“
Hanaj wurde blass wie ein Laken. „Wenn ihr euch einen üblen Scherz mit mir erlaubt ... Ich rate
euch beiden, mich nicht zum Narren zu halten, wenn euch euer Leben lieb ist!“
„Bei den Elementen: wir sagen die Wahrheit!“, verteidigte sich Tav.
„Habt ihr schon im Orchideengarten nachgesehen?“ erkundigte sich der Sohn des Prätors. „Mein
Vater pflegt es, nach dem Frühstück dort zu lustwandeln, um sich an den herrlichen Blüten zu
erfreuen, bevor er sich seinen Regierungspflichten zuwendet. Kommt beide mit, wir schauen dort
nach!“
Ohne auf die Etikette zu achten, dass er im Morgenmantel war, rannte Hanaj mit den beiden
Gardisten in den Westflügel des Palastes, zur Suite seines Vaters. Sie eilten durch den großen
Wohnsalon, hinaus auf die Terrasse und schlugen den Weg zum Orchideengarten ein.
„Vater ... Vater, steckst du hier irgendwo?“, rief Hanaj. Als er keine Antwort erhielt, wandte er
sich besorgt an seine beiden Begleiter. „Wir müssen jeden Winkel des Gartens durchkämmen!
Wenn mein Vater hier sein sollte, werden wir ihn finden. Wenn nicht, werde ich eine Suchaktion
vornehmen lassen, denn dann muss ihm etwas zugestoßen sein! Mein Vater verlässt niemals ohne
mir vorher Bescheid zu sagen, den Palast. Er weiß, dass er kein gesundes Herz hat. Aber das
behaltet ihr bitte für euch!“
Donatus und Tav nickten. Sie wussten, dass keine Gerüchte
über den alten Prätor in Umlauf kommen durften, schon um seiner Sicherheit willen. In der
Familie des Prätors gab es mehr als einen Angehörigen, der zu gern den Platz des obersten
Regierenden einnehmen würde.
Ohne noch ein Wort zu verlieren, durchforsteten die drei Männer den Orchideengarten, sahen
hinter jeden Strauch, in jede Ecke, in jeden Winkel.
Da! Hanajs Herz setzte ein, zwei Schläge aus, als er seinen Vater reglos vor einer Sitzbank liegen
sah. Er stürzte auf ihn zu, warf sich vor ihm auf die Knie, fasste den alten Mann bei den
Schultern und schüttelte ihn. „Vater, Vater ...“
„Er ist tot, Hoheit!“, sagte Donatus nach einer Weile. „Ihr Vater lebt nicht mehr!“
Weinend beugte sich Hanaj über den Toten und schloss ihm die gebrochenen Augen. „Niemals
wird es einen so guten Prätor geben, wie mein Vater einer gewesen ist. Das Reich ... es wird
untergehen!” Tränen flossen über Hanajs Gesicht - Tränen des Schmerzes, die kein Ende
nahmen.
Bestürzt standen Tav und Donatus neben dem Sohn des verstorbenen Prätors. Auch ihnen tat es
weh, dass der gute Herrscher das Tal der Lebenden verlassen hatte.

Die Begräbnisfeier des alten Prätors dauerte mehrere Tage. Das ganze Reich trauerte um den
Verlust des ehrenvollen Herrschers.
Doch es verging kein Monat, da heiratete Hanajs Mutter Gina, die Witwe des Prätors, dessen
Bruder Krenn und übertrug ihm die Macht über das Romulanische Reich.
Darüber erzürnt, wie leicht es seiner Mutter fiel, sich mit seinem Onkel Krenn zu trösten, blieb
Hanaj der Hochzeitsfeierlichkeiten fern, die mit Prunk und Pomp begangen wurde.
Schwermütig geworden über den Verlust seines Vaters, mied Hanaj jeglichen Kontakt zu seiner
Mutter Gina und ließ sich nur bei seinem Onkel, den neuen Prätor, blicken, wenn dieser nach ihm
verlangte.
Den Tod seines Vaters nicht überwindend, verschlechterte sich Hanajs Gesundheitszustand von
Tag zu Tag. Er nahm an keinen Sitzungen des Oberhauses im Senat mehr teil, erschien auf keine
Bankette, aß und schlief schlecht und magerte ab.
Als er sich mit Selbstmordgedanken trug, riss ihn eine KOM-Nachricht aus der Trübnis. Der
Wachgardist Tav tr’Khellian, der an diesem Abend wieder gemeinsam mit seinem Kollegen
Donatus tr’Mel Nachtdienst hatte, meldete ihm, dass sich der Geist des verstorbenen Prätors auf
dem Monitor gezeigt habe. Der alte Prätor verlange seinen Sohn zu sprechen! Hanaj hielt Tavs
Nachricht für einen üblen Streich und drohte ihm mit Enthauptung. Aber Tav kreischte in
höchster Verzweiflung:
„Nein Hoheit! Es liegt mir fern, mich über Euch zu belustigen. Ich habe versucht, die
Bildsequenz auf Ihren Computer umzuleiten. Das ist mir leider nicht gelungen. Bitte kommen Sie
in die Wachstube; er liegt im Nordflügel, im obersten Stockwerk! Überzeugen Sie sich selbst, Ihr
Vater will Sie sprechen!“
Hanaj ließ sich die Aufforderung nicht zwei Mal sagen. Wie von tausend Furien gehetzt, rannte
er durch den Palast, stürzte die Treppen hinauf, bis er völlig außer Atem die Wachstube erreichte.
Das Abbild seines Vaters nahm die ganze Bildfläche in Anspruch. „Hanaj, mein Sohn“, sprach
der verstorbene Prätor aus dem Totenreich, mit einer unwirklich klingenden Stimme, „ich bin
einem Mord zum Opfer gefallen! Krenn war es! Er hat mich ermordet!“
„Vater, bitte sage mir, wie es geschehen konnte“, bat Hanaj.
„Ich hatte wie gewohnt meinen Orchideengarten aufgesucht, wie ich es jeden Tag tat. Ich setzte
mich auf die Bank, vor der du mich gefunden hast. Ich war ein wenig eingenickt, denn ich hatte
die Nacht zuvor schlecht geschlafen. Mein Bruder Krenn schlich sich von hinten an mich heran
und träufelte mir ahnungslos Schlafenden Berberanöl ins Ohr - ein hochwirksames Gift. Es drang
in mein Gehirn und tötete mich! Räche mich, mein Sohn! Krenn darf nicht Prätor bleiben!“,
sprach der verstorbene Prätor. „Krenn ist ein gewissenloser Tyrann, der es schon immer auf den
Prätorenthron abgesehen hat! Um sein Ziel zu erreichen, hat er mich ermordet und deine Mutter
geheiratet. Räche mich, mein Sohn! Räche mich!“ Hanaj wollte etwas erwidern, doch die Gestalt
seines Vaters löste sich auf wie eine Wolke bei aufklarendem Himmel.
„Wenn ich nur wüsste, wie ich den Mörder meines Vaters zur Strecke bringen könnte ohne das
man mich für einen Geisterseher hält?“, sinnierte Hanaj. Er schleppte sich auf einen freien Sitz
und starrte vor sich hin. Eine ganze Weile saß er reglos da ohne etwas zu sagen, so sehr nagte die
Verzweiflung an ihm.
„Mir kommt da eine Idee, Hoheit“, wandte sich Tav tr’Khellian an den Sohn des verstorbenen
Prätors.
Hanaj blickte auf. „Sprich!“
„Ihr Onkel, das weiß fast jeder hier im Palast“, begann Tav zu reden, „hat eine Vorliebe für
Computerspiele. Es ist bekannt, dass er seine Kriegsstrategien, als er noch Flottenadmiral war, an
seinem Computer simulierte, bevor er sie in die Tat umsetzte …“
„Was willst du damit sagen, Gardist?“ fiel ihm Hanaj ins Wort, der sich keinen Reim darauf
machen konnte, welche List Tav verfolgte.
„Wenn ich Ihrem Onkel ein Computerspiel programmiere, das seine Intelligenz herausfordert-
ein Spiel, wie er visuell an die Macht eines Prätors herankommt, dass er den Sieg nur auf eine
bestimmte Weise erlangen kann ... zum Beispiel, wie er Ihren erlauchten Vater ermordet hat.
Wenn ich das Spiel fertig habe, werden Sie es ihm überreichen, Hoheit. Dann warten wir die
Reaktion Ihres Onkels ab. Vielleicht haben wir Glück, und das Spiel überführt ihn seiner Tat.“
Hanajs Gesicht leuchtete auf. „Du bist ein Genie, Tav! Sollte dein Plan gelingen, werde ich dich
zum Generalmajor meiner Leibgarde ernennen! Wie lange brauchst du, bist du das Computerspiel
programmiert hast?“
„Etwa eine Zehntagswoche.“
„Ich beurlaube dich vom Dienst, bis du mit deiner Arbeit fertig bist“, sagte Hanaj. „Mach dich
sofort an die Arbeit!”
Tav erhob sich vom Platz, salutierte und verließ die Wachstube. Sein Kollege Donatus forderte
einen anderen Wachgardisten an.
Hanaj begab sich in seine Suite zurück.

Die Zeit verging wie im Fluge. Tav tr’Khellian verbrachte jede freie Minute, um das Mörderspiel
zu programmieren. Er besaß außerordentliches Talent. Noch bevor die Zehntagswoche
verstrichen war, überreichte er dem Sohn des ermordeten Prätors das Spielemodul.
„Ich gehe jetzt zu meinem Onkel“, sagte Hanaj. „Und du sagst Donatus tr’Mel Bescheid, er soll
sich und eine Gruppe Gardisten bereithalten! Während ich meinem Onkel Krenn das Geschenk
überreiche, wirst du und Donatus’ Männer vor der Tür Wache stehen ... falls ich euch brauche!“
Tav nickte zum Einverständnis. Er drückte auf die Taste seines KOM-Gerätes und gab Donatus
die Anweisung durch.
Dann schritten sie zur Tat.
Der Prätor war gerade von einer Senatssitzung zurück; seine Laune war nicht die beste. Als er
Hanaj vor seiner Tür erblickte, murrte er ihn an: „Was willst du, Neffe?!“
Hanaj zog das in einer Geschenkschachtel verpackte Computerspiel hervor, und antwortete:
„Ich habe ein Geschenk für dich, Onkel! Ich möchte mich zutiefst entschuldigen, dass ich deiner
Hochzeit mit meiner Mutter nicht beigewohnt habe.“
„Ich habe jetzt keine Zeit!“, knurrte Krenn. „Komm später wieder!“
„Willst du nicht wenigstens nachschauen, was ich dir mitgebracht habe?“
Krenn riss ihm das Päckchen aus der Hand und riss es auf. „Oh, ein Computerspiel!“ Seine
Miene hellte sich auf. „Komm rein, Junge!“ Er hielt seinem Neffen die Tür auf.
Hanaj trat ein. Krenn, der ihm gefolgt war, schob das Spielmodul in seinen Computer. „Ich werde
es gleich ausprobieren!“, rief er.
Hanaj postierte sich hinter seinem Onkel und schaute ihm beim Spielen zu. Nachdem sich Krenn
weiter „vorgekämpft“ hatte und der Sieg nahe war, erschien gegen Ende des Spiels die visuelle
Gestalt des ermordeten Prätors auf dem Bildschirm.
„Verdammt! - Wie bringe ich den alten Hund bloß um?“ flüsterte Krenn, der so in das Spiel
vertieft war, dass er seinen Neffen ganz vergaß. „Ah ... das Fläschchen!“ Der visuelle Krenn
beugte sich über den schlafenden visuellen Prätor und - tropft, tropf, tropf - träufelte er ihm das
Gift ins Ohr. Der visuelle Prätor wand sich kurz in Krämpfen, dann fiel er von der Sitzbank und
starb.
„So also hast du meinen Vater ermordet!“ rief Hanaj. Erst jetzt begriff Krenn, dass sein Neffe ihn
mit List überrumpelt hatte. Wutschnaubend sprang er von seinem Platz auf:
„Das wirst du mir büßen, Hanaj! Ich werde dich töten, du hinterhältige Kanaille!“ Kaum hatte er
den Phaser aus seinem Gürtelhalfter gerissen, da stürmten auch schon Tav tr’Khellian und
Donatus tr’Mel mit einer Gruppe Gardisten in Krenns Suite herein und verhafteten ihn.
Noch am selben Tag fand die Hinrichtung des Prätorenmörders statt. Hanajs Mutter Gina, die die
Intrige zur Ermordung des alten Prätors eingefädelt hatte, nahm sich mit Gift das Leben.

ENDE
Geboren auf Romulus

Was für ein Linzu* der Stammvater des Familienclans tr’Arrakh wirklich gewesen ist, weiß
niemand mehr so genau. Doch welchen Charakter das letzte Oberhaupt der Familie Arrakh besaß,
davon konnten die Bewohner von Lanrogh, einem kleinen Ort unweit von der Stadt Vlaihon, ein
Liedchen singen! Tarik tr’Arrakh war gefürchtet wegen seiner Grausamkeit und seiner
Verachtung anderer Linzu gegenüber. Mit Ausnahme Rakhol, seinen jungen Hru’hfe*, den erwie
einen Sohn liebte.
Rakhol war ein stattlich großer Mann mit breiten Schultern und besaß Muskeln wie kleine
Pakete. Er verstand es, seinem Herrn zu schmeicheln und seinen Devotismus gezielt einzusetzen.
Ansonsten behandelte Tarik die übrigen Bediensteten seines Hauses genauso schlecht, wie er als
Kommandant der Kriegsschwalbe Bluthammer seine Zenturionen zu behandeln pflegte. Tarik
hasste alle Rihannsu, für die das Mnhei’sahe* kein hohler Begriff war, sondern sich streng an den
Ehrenkodex hielten.
Der Herr des Hauses Arrakh war ein Kämpfer. Er liebte den Krieg. An Schlachten teilzunehmen,
war seine Leidenschaft, die sein romulanisches Blut in Wallung brachte. Trotz seiner
Verwegenheit und seines Mutes, den er oft genug unter Beweis gestellt hatte, litt Tarik darunter,
dass er es nicht weiter als zu einem Riov* gebracht und keine weiteren Auszeichnungen und
Ehrungen erhalten hatte. Der alte Haudegen hatte es in seiner militärischen Laufbahn nicht
begriffen, dass auch die disziplinierte und faire Führung einer Raumschiff-Crew vonnöten ist, um
auf der Leiter des Erfolges aufwärts zu klettern. Wenn das Imperium ihm seinen jährlichen
Urlaub gewährte, verweilte Tarik auf seinem Landsitz in Lanrogh und fütterte seine beiden
Thraiin*, die er sich in einem extra dafür gebauten Zwinger hielt. Er hatte vor Jahren zwei junge
Thraiin gefangen, nachdem er das Muttertier erschossen hatte, denn er hatte sich in den Kopf
gesetzt, diese beiden Bestien zu zähmen. Und es war ihm in der Tat gelungen, die Thraiin
abzurichten, die ihn als seinen Herrn und Leittier anerkannten. Sie taten ihm nichts, doch ein
Fremder durfte nicht in die Nähe des Zwingers kommen, dann fletschten sie ihre messerscharfen
Zähne, und in ihren gelben Augen funkelte die Mordlust. Zweimal am Tag betrat Tarik den
Zwinger und fütterte seine „Kinderchen“, wie er sie liebevoll nannte, mit rohem, noch blutigem
Fleisch. Rakhol, der junge Hru’hfe, schaute ihm oft dabei zu.

Eines Tages war es für Tarik tr’Arrakh an der Zeit, sich nach einer Gattin umzusehen. Er war
nicht mehr jung genug, um eine Schar Nachkommen zu zeugen, damit der Stamm der Arrakh
nicht ausstarb.
Das Schicksal meinte es gut mit ihm, als am Tag des Eitreih’hveinn* sein Augenmerk auf die
schöne Viola fiel, die die Tochter des Kaufmanns tr’Meikh war. Sie war erst siebzehn Jahre jung
und gerade vor einem Monat aus der Obhut des staatlichen Schulinternats entlassen worden.
Tarik hatte ihren Eltern viel Geld geboten, als er um die Hand ihrer Tochter anhielt, und der alte
tr’Meikh, der in Geldnöten war, da ihm die Steuerbehörde im Nacken saß, willigte nur allzu gern
ein. Violas Mutter weinte zum Abschied, als Tarik Viola noch am selben Abend mitnahm und
sich wenige Tage später mit ihr vermählte. Obwohl Viola todunglücklich in der Ehe war, fügte
sie sich an der Seite ihres Mannes.
Ein Jahr war vergangen, und Viola gebar Tarik eine Tochter. Der alte tr’Arrakh konnte den
Schmerz nicht überwinden, dass Viola ihm keinen Sohn geschenkt hatte. Fortan behandelte er sie
wie eine Sklavin, schlug sie und das Kind, das ihm nichts bedeutete.
Das Leben an der Seite ihres Mannes wurde für Viola immer unerträglicher. Aus Furcht um das
Leben ihrer kleinen Tochter Lleila, brachte sie das Kind zu ihrer Cousine Beth t’Faehol, deren
Ehe mit Telos kinderlos geblieben war. Dem alten Tarik erzählte Viola, dass Lleila im See beim
Spielen ertrunken sei.
Tr’Arrakh lachte aus vollem Halse und klopfte sich schadenfreudig auf die Schenkel. „Ein
unnützes Maul weniger zu stopfen!“ höhnte er, während es seiner Gattin fast das Herz zerbrach.
„Komm Weib, lass uns einen Sohn zeugen!“ brummte ihr Gatte. „Ich will einen Sohn! Einen
Sohn, der so stark ist wie ein Omoth!*“
Viola erschrak und wich der tierischen Begierde ihres Mannes aus. Da packte Tarik die Wut. Er
zerrte sein Weib bei den Haaren aufs Bett und tat ihr Gewalt an.
Von ihrem Ehemann erniedrigt, der sie wie ein Tier genommen hatte, schlich Viola, tief in ihrer
Seele verletzt, des Nachts auf den Dachboden und erhängte sich.
Am anderen Morgen vermisste Tarik sie beim Frühstück und erlitt einen cholerischen Anfall,
dass sein Weib die Unverfrorenheit besaß, nicht mit ihm zu speisen. Tausend Verwünschungen
spie er aus und befahl der Dienerschaft nach seine Gattin zu suchen. Eigenhändig wollte er sie
züchtigen, dieses ungehorsame Luder!
Alles was im Hause Arrakh Beine hatte, suchte nach Viola. Doch es war Rakhol, der am Abend
die Leiche der Hausherrin auf dem Dachboden fand. Vor Zorn entbrannt, verlangte Tarik eine
Peitsche und schlug damit, besessen vom Hass, auf die Tote ein. Diese unselige Frau hatte es
gewagt, sich aus dem Leben zu stehlen, fort von seiner Seite! Sie hatte sich seiner Tyrannei
entzogen, sich dem widersetzt, was ihre Bestimmung war, ihm einen Sohn zu gebären. Tarik zog
den Trauring vom Finger, spuckte darauf, und schleuderte ihn fort. Den Leichnam Violas ließ er
am Dachbalken hängen, bis ihr Fleisch von den Knochen fiel.

Die Jahre gingen dahin. Tr’Arrakh war grau geworden. Doch noch immer war er der alte
Haudegen von einst. Weiber, Wein und Schwert, so hatte er es gehalten, sechzehn Jahre lang, seit
dem Selbstmord seiner Gattin. Einmal im Monat, wenn Aidoann* in vollem Rund stand, gab er
ein Zechgelage.
Und das Schicksal wollte es, dass tr’Arrakh bei einem der Orgien, die er abhielt, von
einem Gast erfuhr, dass seine Tochter Lleila in Wahrheit gar nicht im See ertrunken war,
sondern in Rateg bei der angesehenen Familie Faehol als Pflegekind lebte.
Über diese Nachricht auf der Stelle nüchtern geworden, machte sich Tarik mit zwei Männern auf
den Weg zu Beth t’Faehol und ihrem Mann. Dass seine Tochter inzwischen zu einer jungen Frau
herangewachsen war, kümmerte Tarik wenig. Sie war sein Fleisch und Blut. Und als ihr Vater
hatte er das Recht, sie zurückzuholen.
Lleila war zu Tode erschrocken, als dieser bärtige, ergraute Riov tr’Arrakh, der die Augen eines
Mörders besaß, bei ihren Pflegeeltern erschien und Anrecht auf sie erhob. Dieser
verabscheuungswürdige Mann, der die Gesetze des Mnhei’sahe missachtete, soll ihr Vater sein?
Beth und Telos weinten, als sie Lleila die Wahrheit eingestanden. Und sie weinten noch mehr, als
Tarik sie mit allen nur erdenklichen Strafen bedrohte, so dass das alte Ehepaar Lleila, ihr
geliebtes Pflegekind, in die Hände des raubeinigen, leiblichen Vaters gab.
„Gebt mir wenigstens meine Zofe Rahel mit“, flehte Lleila. „Sie soll mich trösten, dass ich die
liebevolle Obhut meiner Pflegeeltern entbehren muss.“
Rahel weinte mit Lleila. Auch sie wollte lieber sterben, als von ihrer geliebten Herrin getrennt zu
sein. Und mit ihrer geliebten Freundin Rahel, folgte Lleila ihrem Vater nach Lanrogh.

Es verging etwa eine Woche, als Lleila ihren Vater und seinen Diener Rakhol zum ersten Mal
zum Zwinger begleitete, in dem die beiden Thraiin gefangen gehalten wurden. Tarik schloss den
Zwinger auf und fütterte seine „Kinderchen“ wie gewohnt mit rohem Fleisch. Da erblickte ein
Thrai Lleila vor dem Zwinger stehen, dessen Tor einen Spalt breit offen stand. Sofort ließ es den
Brocken aus seinem Maul fallen und stürzte, als wäre der Teufel in ihn gefahren, auf das Tor zu.
Geistesgegenwärtig zog Rakhol seinen Phaser aus dem Halfter und zielte damit auf die Bestie,
die sich auf Lleila stürzte, traf aber daneben. Tarik schäumte vor Wut und schlug Rakhol mit
einem Fausthieb nieder. Wie konnte es dieser Nichtsnutz von einem Hru’hfe es wagen, auf sein
„Kindchen“ zu schießen!
Der zweite Thrai, der die Hilflosigkeit Rakhols, der am Boden lag, erkannte, stürzte sich mit
sabbernden Lefzen auf ihn. Und diesmal war es Tarik, der den Phaser aus seinem Gürtel riss und
die Bestie erschoss. Lleila schrie um ihr Leben; der erste Thrai, der sie angegriffen hatte, hatte sie
übel zugerichtet, und sie blutete aus zahlreichen Wunden.
Ein greller Strahl aus dem Phaser Rakhols traf das Raubtier in letzter Sekunde, bevor es seine
dolchartigen Zähne in Lleilas Kehle bohren konnte. Rakhol taumelte auf Lleila zu, trug sie auf
den Armen ins Haus, während Tarik seine toten Bestien beweinte und über ihre grauen Felle
strich.
Von diesem schrecklichen Tag an, begann Rakhol sich mehr und mehr in die Tochter des
Hausherrn tr’Arrakh zu verlieben. Er pflegte Lleilas Wunden, gab ihr die Medizin, die ihr der
Arzt verordnet hatte, und richtete es immer so ein, dass er so oft wie möglich in ihrer Nähe
weilte.
Aber Lleilas Liebe galt einem anderen - einem jungen Romulaner namens Gondo, der in ihrem
Alter war. Er war der einzige Sohn eines Senators, den sie auf einem Informationsseminar der
Galae kennen gelernt hatte.
Seit Lleila bei ihrem Vater wohnte, hatte sie wenig Gelegenheit, ihrem geliebten Gondo eine
Subraumnachricht zukommen zu lassen, ohne dass ihr Vater oder einer der Bediensteten es
bemerkten.
Rahel, ihre Zofe und einzige Freundin, die ihr aus den Kindertagen geblieben war, besaß jedoch
viel Phantasie und erfand immer einen Grund, zusammen mit Lleila das Haus zu verlassen. So
konnte Leila außerhalb des Anwesens Arrakh - fern von den Bespitzelungen durch ihren Vater
und den eifersüchtigen Blicken Rakhols - Gondo Nachrichten voller Zärtlichkeit und Liebe
übermitteln.
Gondo, der bei seinem Vater lebte und einmal das Amt des Senators erben wird, verzehrte sich
nach Lleila. Er litt darunter, dass er nicht bei ihr sein, nicht ihre zarten Wangen berühren konnte.
Ach, wenn er ihr doch bloß schreiben oder per Funk ihr seine Liebe übermitteln könnte, ohne
dass er um ihre Sicherheit fürchten musste!
An seinem 20. Geburtstag hielt es Gondo nicht mehr aus. Krank vor Sehnsucht nach Lleila,
machte er sich auf den Weg nach Lanrogh. Als Rakhol ihm persönlich die Tür öffnete und nach
seinem Begehr fragte, befürchtete Gondo, dass Lleila vielleicht ein Aehallh* geworden sei und
ihm die ganze Zeit etwas vorgegaukelt hatte. Enttäuscht wandte er sich gerade zum Gehen, als
plötzlich der alte tr’Arrakh hinter Rakhol auftauchte und Gondo fragte, weshalb er ihn sprechen
wolle.
Gondo drehte sich nach Tarik um. „Ich habe ein persönliches Anliegen“, sagte er. „Ich hatte
gehofft, es mit Ihnen, Rekkhai* tr’Arrakh, unter vier Augen besprechen zu können.“
„Treten Sie ein, junger Mann!“ bat Tarik und führte ihn in sein Arbeitszimmer. Gondo redete
nicht lange um das Thema herum, berichtete dem alten tr’Arrakh, wie er Lleila kennen gelernt
hatte und bat um die Hand seiner Tochter.
„Ein Senatorensöhnchen, soso!“, knurrte Tarik und beäugte den jungen Mann
misstrauisch von der Seite. Dann legte er ihm die fleischige Hand auf die Schulter:
„Nun gut, du siehst nicht gerade schwächlich aus, mein Junge. Und eine gute Partie für meine
Tochter bist du obendrein! Ich gebe dir jedoch nur dann mein Einverständnis, wenn du innerhalb
eines Jahres mit Lleila einen Sohn zeugstund unter meinem Dach wohnst. Ich will einen
würdigen Enkel, verstehst du? Zeuge mir bloß keine Weiber! Das musst du mir versprechen,
Junge! Und kein Wort über unsere Abmachung!“
Gondo kratzte sich verlegen am Hinterkopf, sagte eine Weile nichts. Dann antwortete er:
„Nun gut, ich werde tun, was Ihr von mir verlangt, Rekkhai tr’Arrakh. Bevor das Jahr zu Ende
geht, sollt Ihr einen Enkel haben!“
Tr’Arrakh grinste breit. Seine Hand drückte auf die Klingel an seinem Schreibtisch. Rakhol
erschien prompt in der Tür. „Bring mir Wein und Lleila!“ befahl Tarik. „Wo steckt Lleila? Hol’
sie her, Rakhol!“
Wenige Minuten später kehrte Rakhol mit Lleila und einer Flasche teuren Yffirrn-Wein* zurück.
Lleilas Herz hüpfte vor Freude. Sie umarmte ihren Geliebten und umarmte ihren Vater, dass er
sein Ja zur Hochzeit gegeben hatte.
Aber schon bald nach der Trauung sollte Gondo erfahren, welch ein Ekel sein Schwiegervater
war. Auf Schritt und Tritt belauerte Tarik das junge Paar und trieb so manchen Schabernack mit
ihnen. Doch am schlimmsten war es, wenn der alte Haudegen Gondo mit wütenden Blicken
strafte, wenn Lleila wieder einmal in der Monatsmitte aufs Neue ihre Monatsblutung bekam.
Das Jahr ging dahin, ohne dass Lleila in guter Hoffnung war. „Du hast mir einen Enkel
versprochen, Gondo!“ knurrte Tarik. „Ich sollte dich vierteilen oder aus dem Haus jagen!“
Gondos Gesicht wurde grün vor Verlegenheit. „Die Elemente haben es noch nicht gewollt“,
entschuldigte er sich achselzuckend.

Eines Tages - Eisn* stand hoch am Himmel - bat Lleila ihre Zofe und Jugendfreundin Rahel, mit
ihr im nahe gelegenen Wald hinter dem See zu picknicken. Das Wetter war herrlich. Gondo und
Tarik hatten in Ihhliae* zu tun und würden erst am späten Abend wieder zu Hause sein.
Gemeinsam machten sich die beiden Frauen auf den Weg, packten auf einer kleinen Wiese im
Wald das Geschirr aus dem Korb, breiteten ein weißes Tischtuch aus, und ließen sich nieder. Bei
Tee und süßem Gebäck plauderten sie von alten Zeiten, redeten über dieses und jenes und
vergaßen dabei die Zeit.
Allmählich wurde es dunkel. Lleila und Rahel legten das benutzte Geschirr in den Korb zurück
und wollten sich gerade auf den Heimweg begeben, als unerwartet ein maskierter
Mann hinter einem Baum hervortrat, sich auf Lleila stürzte und Anstalten machte, sie zu
entführen.
Geistesgegenwärtig, nicht auf ihre eigene Sicherheit bedacht, stürzte Rahel hinter dem
Unheimlichen her, holte ihn ein und versuchte, Lleila seinen Händen zu entreißen. Dabei riss sie
dem Kerl die Maske vom Gesicht und erschrak, als sie Rakhol erkannte.
Aber der Unhold floh nicht, stieß stattdessen Lleila grob von sich und schlug Rahel zu Boden.
Die treue Zofe verlor das Bewusstsein.
Jetzt ging es um ihr eigenes Leben! In ihrer Panik, floh Lleila vor Rakhol immer tiefer in den
Wald hinein, anstatt hinaus.
Getrieben von seinem Verlangen, Tariks Tochter zu besitzen, verfolgte der Unhold in rasender
Eifersucht die Frau, die er seit langem begehrte, und die vor einem Jahr Gondos Weib geworden
war. Oh, welch eine Schmach! Und doch - - -
Der Abstand zwischen ihm und Lleila, der Frau seiner Begierde, verringerte sich von Sekunde zu
Sekunde. Rakhol bekam Lleilas schwarzes Haar zu fassen, er riss sie zu Boden, und dann - - -
*

Rahel, die aus der Bewusstlosigkeit erwachte, begann wie eine Gefolterte zu schreien. Sie raffte
sich auf, tappte in der Dunkelheit des Waldes, in dem es inzwischen stockfinster geworden war,
umher, und rief immer wieder Lleilas Namen.
Plötzlich vernahm Rahel ein Geräusch. Wie angewurzelt blieb sie stehen und spähte in die
Finsternis. Ein leises Wimmern drang an ihr Ohr … ein Schluchzen.
„Lleila?“ rief sie.
Das Weinen verstummte. Rahels Herz schlug ihr bis zum Hals. Rakhol konnte immer noch
auftauchen, und sie, die unerwünschte Zeugin, ermorden.
„Lleila ...?“ rief Rahel erneut mit zitternder Stimme. „Wo bist du?“
Mit einem Mal war es wieder still. Rahel wusste, dass sie hier nicht einfach stehen bleiben
konnte. Sie musste weiter, sie musste Lleila finden! Mutig tastete sie sich in dem dunklen Wald
weiter vor, immer tiefer hinein. Unter ihren Füßen splitterte sprödes Gehölz.
Was war das? - Ein Thrai, der sie mit bösen, gelben Augen beobachtete und sie im nächsten
Moment aus dem Hinterhalt angriff?
Rahel wagte nicht, sich umzudrehen; als sie es dennoch tat, war hinter ihr nur die Finsternis des
Waldes. Und wieder vernahm sie ein leises Wimmern. Diesmal hörte sie es ganz deutlich! Rahel
wandte sich nach allen Seiten um und stolperte über eine Wurzel. Als sie sich mit aufgeschürften
Knien wieder erhob, fühlte sie, dass es keine Wurzel gewesen war, die sie hatte hinstürzen lassen
... sondern ein Schuh.
Ja, es war ein Schuh - ein hellbrauner Schuh mit flachem Absatz. Und er gehörte Lleila!
Den Schuh an sich pressend, rief Rahel wieder den Namen ihrer geliebten Freundin und Herrin.
Da endlich bekam sie Antwort. Etwa zehn Meter von ihr entfernt, erblickte sie Lleilas Gestalt, die
sich wie eine Schlafwandlerin bewegte. Ihr Kleid war zerfetzt, der Busen halb entblößt. Mit
tränenüberströmtem Gesicht wankte Lleila auf Rahel zu und stürzte sich in die Arme ihrer
Freundin. Weinend schleppten sich die beiden Frauen heim.
Doch wo waren die Bediensteten? - Wo war Gondo? - Wo war Tarik? Das Haus schien wie
ausgestorben, als hätte das Unheil alle Bewohner vertrieben.

*
Am darauffolgenden Tag erkrankte Rahel an hohem Fieber. Lleila ließ nach dem Arzt rufen.
Doch der Medi-Tricorder des Mediziners konnte keine genaue Ursache feststellen.
„Es muss sich um ein Fieber handeln, dass durch einen Schock ausgelöst worden ist. Oder durch
einen Insektenstich“, sagte der Arzt zu Lleila. „Wie mir Ihr Vater berichtete, waren Sie gestern
mit Rahel im Wald. Kann es sein, dass Ihre Zofe möglicherweise von einem Insekt ...?“
„Nein Maenek*!“ antwortete Lleila eine Spur zu schnell. „Rahel war kerngesund! Sie wurde
weder von einem Tier gestochen noch gebissen.“
„Hat sie vielleicht eine Pflanze berührt, auf die sie allergisch reagiert?“ erkundigte sich der Arzt.
„Nicht, dass ich wüsste!“, erwiderte Lleila.
„Ihr Vater sagte, dass Sie und Rahel gestern Abend sehr spät nach Hause gekommen sind“,
sprach der Doktor weiter. „Ist Ihnen beiden vielleicht etwas zugestoßen, worüber Sie nicht reden
möchten?“ Er warf einen Blick auf Gondo, der hinter Lleila stand, und schwieg augenblicklich.
Nachdem Lleila auf die letzte Frage des Arztes nichts erwidert hatte, verabreichte er Rahel eine
fiebersenkende Injektion, steckte den Medi-Tricorder ein und versprach, in zwei Tagen noch
einmal vorbeizuschauen. Gondo begleitete ihn zur Haustür.
Doch selbst das Antibiotikum vermochte es kaum, Rahels Fieber zu senken. Die arme, geliebte
Freundin redete im Delirium: „Rakhol ... Rakhol hat ihr ein Leid angetan!“ Immer und immer
wiederholte sie den Satz, so dass Gondo, der ins Krankenzimmer zurückkehrte, Lleila
besorgt musterte und ihr leise zuflüsterte:
„Du hast den Arzt etwas verschwiegen, nicht wahr? Was hast du und Rahel erlebt? Sag es mir!“
Lleila biss sich auf die Lippen und schwieg. Sie wagte nicht, ihrem Gatten in die Augen zu
schauen.
„Rakhol ist verschwunden!“, sagte Gondo leise. „Hat er etwas damit zu tun?“
„Keine Ahnung!“, log Lleila. In dem Moment öffnete Rahel die Augen. „Durst ...“, flüsterte sie
matt.
Lleila gab ihr zu trinken, wechselte das Tuch auf Rahels Stirn und ignorierte Gondo, der sich
plötzlich überflüssig vorkam. Danach fiel Rahel wieder in den Dämmerzustand zurück und
fabulierte wirre, unzusammenhängende Worte.
Das Fieber wollte nicht weichen. Lleilas Besorgnis um Rahel wuchs von Stunde zu Stunde. Die
halbe Nacht wachte sie am Bett ihrer Freundin, bis ihr selbst vor Erschöpfung die Augen
zufielen.
Als Lleila in der frühen Morgenstunde erwachte, als das Tageslicht die Wolkendecke noch nicht
durchdrang, griff sie nach Rahels Hand und stellte fest, dass sie eiskalt war.
Alle Farbe wich aus Lleilas Gesicht. Fassungslosigkeit und Entsetzen ergriffen sie. Lleila wollte
schreien, aber kein Laut drang aus ihrer Kehle.
Es gab keinen Zweifel. Rahel war tot!
Das Verscheiden ihrer geliebten Freundin hatte Lleila in eine schwere Depression gestürzt. Der
alte Tarik hatte Rahel auf seinem Grundstück beerdigt. Lleila aß kaum noch etwas und magerte
ab. Gondo versuchte sie zu trösten. Er brachte ihr kleine Geschenke mit, versuchte, ihr jeden
Wunsch von den Augen abzulesen, aber Lleila hatte keinen Blick mehr für die schönen Dinge des
Lebens.
Doch wenige Monate nach der unseligen Tat, regte sich die Saat in Lleilas Leib, den Rakhol in
ihr gesät hatte. Gondo, Tarik und auch den Bediensteten im Hause Arrakh blieb es nicht
verborgen, dass Lleilas Antlitz immer schmaler, ihr Bauch aber immer runder wurde.
„Wer ist der Vater deines Kindes?“, schrie Gondo eines Morgens seine Gattin an, als sie ihre
Schwangerschaft nicht mehr verbergen konnte. „Seit dem Tag, als du mit Rahel den Ausflug
gemacht hast, verweigertest du mir jede Zärtlichkeit. Ist es Rakhol, mit dem du mich betrogen
hast?“
Lleila brachte keinen Ton der Rechtfertigung heraus. Schließlich sagte sie nach einer Weile: „Die
Elemente haben es so gewollt!“
Gondo packte sein Weib grob beim Arm: „Hast du ein Verhältnis mit Rakhol? Sag mir die
Wahrheit!“
„Ha, ha, ha …“, lachte Tarik, der wie aus dem Boden gestampft hinter Gondo auftauchte. In
seinem Gesicht glühte die Schadenfreude. „Natürlich war es Rakhol! Ich selbst habe ihm
befohlen, meine Tochter zu schwängern. Hast du unsere Abmachung vergessen, Gondo? Das Jahr
ist um, und du hast kläglich versagt!
Noch nicht einmal einen weiblichen Nachwuchs hast du zustande gebracht, du elender
Schwächling!“
Gondo traute seinen Ohren nicht. Augenblicklich ließ er Lleila los und packte Tarik am
Jackenaufschlag: „Wo ist Rakhol?“
„Fort!“, erwiderte Tarik tr’Arrakh. „Rakholchen ist fort! Und er wird nicht eher wiederkommen,
bis sein Sohn geboren ist!“
„Was hast du getan?“ schrie Gondo. „Besitzt du kein Gewissen? Nicht einmal was die Ehre
deiner Tochter betrifft? Dein eigen Fleisch und Blut!“
„Lleila trägt in ihrem Schoß den würdigen Nachfolger meines Hauses“, knurrte Tarik. „Des
Hausses Arrakh! Mein eigenes Weib starb in jungen Jahren und konnte mir folglich keinen Sohn
mehr gebären. Hätte ich etwa meine eigene Tochter schwängern sollen? Du hast es ja nicht
fertiggebracht ...“
„Schweig!“ unterbrach ihn Gondo.
Aber Tarik ließ sich nicht unterbrechen. „Sei Lleila weiterhin ein guter Ehemann, und ziehe das
Kind groß. Ich werde dich gut dafür bezahlen, ich ...“
„Verflucht sollst du sein, Tarik!“, schrie Gondo. Er packte tr’Arrakh an der Kehle und würgte
ihn, dass dem Alten die Augen aus dem Kopf quollen.
Tarik, der wie ein Fisch außerhalb des Wassers nach Luft schnappte, zerrte an den Handgelenken
seines Gegners, dessen Hände sich wie Schraubzwingen um seinen Hals gelegt hatten. Dabei war
Tarik beileibe kein Schwächling, sondern strotzte selbst im Alter noch voller Kraft und Energie.
Aber die grenzenlose Wut auf den Schwiegervater, hatte Gondo genügend Kraft verliehen, den
Alten niederzuwürgen, vor dessen Augen es zu flimmern begann, bevor dieser das
Bewusstsein verlor.
Gondo ließ den Alten los und drehte sich nach Lleila um.
Aber Lleila war nicht mehr im Zimmer. Hals über Kopf war sie aus dem Haus gerannt, hinunter
zum See. Das Gesicht von Tränen überströmt, stieg sie in das Wasser. Sie wollte nicht mehr
leben mit der Schmach, die Rakhol auf Befehl ihres Vaters ihr angetan hatte. Was sollte sie noch
in dieser Welt? Sie wollte zu Rahel, zu ihrer toten Rahel.
Das Wasser reichte ihr nun bis zu den Hüften, als sie plötzlich Gondos Stimme rufen hörte:
„Komm zurück, Lleila! Ich bitte dich, komm zurück! Egal, was geschehen ist, wir werden es
gemeinsam tragen! Ich liebe dich, Leila! Bitte, komm zurück!“
Ohne auf Gondos Rufen zu achten, schritt Lleila immer tiefer in das Nass, das nun ihre Schultern
benetzte. Nur fort aus dieser grässlichen Welt! Das Kind darf nicht geboren werden! Rakhols
Kind - und ihr Kind -, das nicht in Liebe gezeugt worden war.
Gondo zögerte nicht lange. Er riss sich die Jacke vom Leib, sprang in den See und schwamm mit
raschen Zügen auf Lleila zu, die wie hypnotisiert weiter watete, bis das Wasser ihren Mund
erreichte.
Mit seinen kräftigen Armen umfasste er den fülligen Leib seiner lebensmüden Gattin. „Tu es
nicht, Lleila! Ich liebe dich!“, flüsterte Gondo. „Ich werde dich trotzdem immer lieben, auch
wenn das Kind in deinem Schoß nicht aus meiner Lende Kraft gezeugt worden ist.“
„Oh, süßer Tod!“, murmelte Lleila. „Hinweg ist alles Leid, wenn ich nicht mehr bin.“
„Leben sollst du, Lleila! Du - und das Kind!“ Stück um Stück führte Gondo Lleila ans Ufer
zurück, die sich willenlos wie in Trance von ihm führen ließ.
Als sie endlich das Anwesen Arrakh erreicht hatten, stürzte dem jungen Paar ein Bediensteter
entgegen:
„Kommen Sie schnell, Rekkhai, Gondo! - Rekkhai Tarik hat den Verstand verloren! Er lallt wie
ein kleines Kind. Kommen Sie, schnell! Ich kümmere mich solange um Ihre Frau.“
Gondo gab Lleila in die Obhut des Bediensteten und rannte ins Haus. Er stürmte in das Zimmer,
in welchem er Tarik niedergewürgt hatte. Der Alte lag noch immer auf dem Boden, starrte Gondo
mit glasigen Augen an, und lallte mit sabberndem Mund:
„Rakholchen, Rakholchen, du bist zu mir zurückgekehrt. Komm, helfe deinem alten Herrn auf
die Füße, mein Herzblatt! Ach, wärst du doch mein Sohn! Ich wusste, dass du zu mir
zurückkommen wirst ... dass du mich nicht im Stich lässt ...“
„Ich bin nicht Rakhol“, schnarrte Gondo, zerrte Tarik auf die Beine, schleifte ihn durch das halbe
Haus und befahl der Dienerschaft, den Alten nicht mehr aus den Augen zu lassen, der anfing zu
wimmern und vergeblich nach Rakhol rief.
„Euer Herr bedarf eurer Pflege“, verkündete Gondo. „Er ist nicht mehr bei Sinnen!“
Und Tarik tr’Arrakh sollte es nie wieder werden. Aus ihm wurde ein jammernder Tattergreis, der
mit Bauklötzchen und Modell-Warbirds spielte, wie ein kleiner Junge. Die längere
Bewusstlosigkeit, die er durch Gondos Attacke erlitten hatte, hatte seinen Verstand zerstört.
Lleila, die jeden Kontakt zu ihrem Vater mied, trug schwer an ihrer Schwangerschaft. Die Zeit
der Fernsonne rückte näher. Und ebenso die Stunde der Geburt.
Als es endlich soweit war, gebar sie unter Schmerzen einen Knaben. Gondo und Lleila erzogen
das Kind nach den Gesetzen des Mnhei’sahe. Bis zum Tag seines fünften Geburtstags blieb es bei
seinen Eltern, danach kam es in die Obhut des staatlichen Schulinternats.
*

„Und was ist aus dem Knaben geworden?“ fragte der junge Galae-Admiral, den Prätor, der ihm
diese Geschichte erzählt hatte.
„Ich bin Lleilas Sohn“, antwortete der Prätor. „Ich, Neral, Oberster Prätor des Romulanischen
Imperiums!“

ENDE
Glossar

Aefvadh = „Sei willkommen!“


Aehallh = Monstergeist, Trugbild
Aidoann = Mond von Romulus
Ale = romulanischer Wein
ch’Havran = Remus
ch’Rihan = Romulus
Dartha = eine Stadt auf Romulus, heutiges Khi’bara-than
Eisn = Sonne von Romulus
Fvai (Mehrz. Fvaiin) romul. Hund, ähnlich einer terranischen Dogge
Galae = romul. Sternenflotte
Hru’hfe = Chefbedienstete
Hru’hfirrn = Hausherr
Ihhei = Madame (Anrede)
i-Ramnau = eine Stadt auf Romulus
Khedrai = Priester der Khedren
Khedren = romul. Glaubenssekte
Kre’Riov = Admiral
Linzu (Mehrz. Linzuin) = romulanischer Mensch
Maenek = Arzt
Mnhei’sahe = romul. Ehrenkodex
Nei’rrh = romul. kleiner Vogel
Plek = romul. 2-saitiges Musikinstrument
Rath’leifi = alte Hauptstadt und Fluss gleichen Namens auf Romulus
Rhehiv’je = eine Stadt auf Romulus
Rekkhai = Herr (Anrede)
Rihannsa = romulanische Sprache
Rihannsu = Romulaner
Riov = Captain
Shaoi-ben = Begrüßung eines Untergebenen
Siuren = Sekunden
Sanheg = seltene romul. Pflanze, ähnl. dem Lavendel
Thrai (Mehrz. Thraiin) = romul. Raubtier
Yffirrn = romul. wohlschmeckende Beeren

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