JürgenJost
Differentialgeometrie
und
Minimalflächen
Mit 17 Abbildungen
ISBN 978-3-540-56904-6
(Springer-Lehrbuch)
ISBN 978-3-540-56904-6 ISBN 978-3-662-06718-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-06718-5
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbeson-
dere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen
und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf
anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur
auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von
Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestim-
mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September
1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.
Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlsg Berlin Heidelberg New York 1994
Der vorliegende Text ist die etwas erweiterte Fassung einer Vorlesung, die
ich in Bochum für Mathematik- und Physikstudenten des vierten Studien-
semesters gehalten habe. Durch diese Vorlesung wollte ich die geometrische
Vorstellungskraft der Studenten schulen, sie auf anschauliche Weise zum Be-
griff der Riemannschen Mannigfaltigkeit hinführen und ihnen auch die in der
mathematischen Forschung heute so wichtige Verbindung von geometrischer
Anschauung und analytischen Methoden darstellen.
Das erste Kapitel hat eher einleitenden Charakter und behandelt die eu-
klidische Raumvorstellung und räumliche Kurven. Im zweiten und dritten
Kapitel werden Flächen im dreidimensionalen Raum behandelt und insbeson-
dere die wichtigen Begriffe der Gaußschen und der mittleren Krümmung ein-
geführt. Das vierte Kapitel behandelt die wohl wichtigste Klasse von Flächen
im Raum, nämlich Minimalflächen, also Flächen mit verschwindender mitt-
lerer Krümmung. Nach der Diskussion des Oberflächenfunktionals und einiger
Beispiele werden zunächst Verbindungen zur Funktionentheorie aufgezeigt
und die Weierstraßschen Darstellungsformeln für Minimalflächen hergeleitet.
Dann wird das Plateausche Problem gelöst, welches darin besteht, eine Mini-
malfläche zu vorgegebener Berandung zu finden. Hierfür sind Methoden der
reellen Analysis erforderlich. Insbesondere werden harmonische Funktionen
in wesentlicher Weise eingesetzt. Alle in diesem Kapitel benötigten Resultate
über harmonische und holomorphe Funktionen werden in einem Anhang ent-
wickelt. Wir stellen auch ein Resultat der globalen Differentialgeometrie vor,
nämlich den Satz von Bernstein, welcher besagt, daß es außer den Ebenen
keine über dem ganzen ]R2 definierten minimalen Graphen gibt. In den mei-
sten Lehrbüchern der Differentialgeometrie wird als Beispiel einer globalen
Aussage der Satz von Hilbert gegeben, daß man im dreidimensionalen Raum
keine vollständige Fläche konstanter negativer Gaußkrümmung realisieren
kann. Der Satz von Bernstein hat jedoch in der Entwicklung der Mathematik
eine wesentlich größere und anregendere Rolle gespielt, und so habe ich ihn,
da die Beweise von ähnlichem Schwierigkeitsgrad sind, dem genannten Satz
von Hilbert vorgezogen. Schließlich werden noch mit Hilfe des Maximumprin-
zips von Eberhard Hopf einige geometrische Aussagen über Minimalflächen
bewiesen. Dies ist die einzige Stelle des Buches, an der ich von dem Prinzip
abgewichen bin, nur aus den Anfängervorlesungen zur Analysis und Linearen
VIII Vorvvort
Bei den meisten Aussagen habe ich keine präzisen Quellenangaben gege-
ben. Diese lassen sich aber leicht in den Werken [B], [DHKW] und [N] der
Bibliographie aufspüren. Dagegen habe ich gelegentlich einige Bemerkungen
zum geistesgeschichtlichen Kontext der Entwicklung der Differentialgeome-
trie gemacht, um so auch einerseits die Anregungen und Fragestellungen aus
anderen Wissenschaften aufzuzeigen, von denen die Differentialgeometrie ih-
ren Ausgang genommen hat, und andererseits zu erläutern, daß differential-
geometrische Erkenntnisse manchmal von großer Bedeutung für andere Wis-
senschaften sind.
Ich danke Xiaowei Peng und Guido Schürmann für ihre sorgfältigen und
detaillierten Korrekturen. Armin Köllner hat die Zeichnungen erstellt, wobei
die Vorlage für die Zeichnung der Wendelftäche freundlicherweise von Eva
Maria Feichtner zur Verfügung gestellt wurde. Jost-Hinrich Eschenburg ver-
danke ich den Vorschlag, Satz 4.3 und seinen Beweis aufzunehmen. Isolde
Gottschlich danke ich besonders für den großen Elan und Enthusiasmus, mit
dem sie sich in die Details des Computersatzes mathematischer Formeln ein-
gearbeitet hat.
Der euklidische Raum E3 ist der Vektorraum ]R3, versehen mit dem eukli-
dischen Skalarprodukt, für v = (V 1 ,v2 ,v3 ),W = (W 1 ,w2 ,W3 ) E ]R3 ist also
< v,w >= v1w 1 + v 2 w 2 + v 3 w 3 • Manchmal schreiben wir zur Abkürzung
< v, w >= v . w und lvi =< v, v >! . Der E3 trägt also neben der linearen
noch eine zusätzliche metrische Struktur, welche es ermöglicht, Längen von
(genügend regulären) Kurven und Winkel zwischen differenzierbaren Kurven
sowie auch Flächeninhalte von Flächenstücken zu messen.
Der euklidische Raum ist homogen und isotrop. Die Homogenität bedeu-
tet, daß kein Punkt von einem anderen geometrisch unterschieden ist (dies
bezieht sich nicht auf die Vektorraumstruktur des ]R3, welche den Ursprung
auszeichnet, sondern auf die metrische Struktur), und die Isotropie, daß in
jedem Punkt sämtliche Richtungen geometrisch gleichwertig sind. Er ist un-
beschränkt und unbegrenzt. Der euklidische Raum E 3 gilt uns als der Raum
unserer alltäglichen geometrischen Vorstellung, und in ihm spielen sich die
den Gesetzen der Newtonschen Mechanik gehorchenden physikalischen Pro-
zesse ab. Nicht nur die Newtonsche Physik, sondern auch die als euklidisch be-
zeichnete Raumvorstellung sind allerdings historisch relativ junge Errungen-
schaften des menschlichen Geistes. Zwar ist die ebene euklidische Geometrie
schon von den alten Griechen im Umkreis der platonischen Philosophie ent-
wickelt worden, und die "Elemente" des Euklid gehören zu den berühmtesten
Büchern der Menschheit und bilden noch heute die Grundlage des Geome-
trieunterrichtes im Gymnasium, aber die räumliche Geometrie ist dort eher
nur in Ansätzen dargestellt. Überhaupt hat man sich damals wohl unter dem
Einfluß der Philosophie des Aristoteles den uns umgebenden Raum nicht als
euklidisch vorgestellt.
Aristoteles verstand nämlich den Raum nur als Ansammlung von Örtern.
Nach Aristoteles hatte jedes Ding einen ihm natürlich zukommenden Ort, zu
dem es hinstrebte, und so fiel ein losgelassener Gegenstand aus der Luft auf
den Erdboden, weil dort sein natürlicher Ort war. Eine solche Ansammlung
von Örtern ist aber völlig inhomogen, und auch nicht isotrop, da z.B. "oben"
und "unten" geometrisch ganz verschiedene Richtungen sind, und hat daher
wenig mit dem dreidimensionalen euklidischen Raum gemeinsam.
2 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln
1.2 Raumkurven
Wir beginnen mit den Kurven. Hierbei wird übrigens im Gegensatz zur
Flächentheorie die Dimension des umgebenden Raumes, keine wesentliche
Rolle spielen, und wir beschränken uns nur deswegen auf die Dimension 3,
um leichter an die geometrische Vorstellung appellieren zu können.
I sei ein Intervall in IR. Unter einer parametrisierten Kurve verstehen wir
eine Abbildung
c: 1-+ ]E3
Wir bezeichnen t E I als Parameter, und die Ableitung von c nach dem
Parameter t schreiben wir als
Da uns meist nur das Bild der Kurve c(I) als geometrisches Objekt im ]E3
interessiert, erlauben wir Parametertransformationen
cp:J-+I
wobei J ebenfalls ein Intervall in R. ist, und wir verlangen, daß cp umkehrbar
differenzierbar von der Klasse C 3 ist.
c := co cp : J -+ ]E3 ist dann die durch die Parametertransformation cp
aus c hervorgegangene Kurve. Offensichtlich geht dann umgekehrt c aus c
durch die Parametertransformation cp-l : I -+ J hervor. Wir wollen Kurven
im ]E3, die durch Parametertransformationen auseinander hervorgehen, als
äquivalent ansehen. Eine solche Äquivalenzklasse (parametrisierter) Kurven
heißt unparametrisierte Kurve.
L(c) := J
I
Ic(t)ldt.
Beweis.
cp:J-+I
Sl-+t(s)
sei eine Parametertransformation. Dann ist
L(c 0 cp) = J d
I ds c(t(s))lds =
J I dc dt
dt (t(s))11 ds (s)lds =
J I dc
dt (t)ldt = L(c)
J J I
Ic(t)1 == 1.
Lemma 1.2 Jede - wie immer als regulär vorausgesetzte - Kurve läßt sich
nach der Bogenlänge parametrisieren.
4 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln
J
t
Beispiele.
1) Es seien w, Wo E IRa, w#-O
c(t) := tw + Wo (t E IR)
definiert dann eine Gerade.
2) Es seien a, bE IR nicht beide gleichzeitig Null.
definiert dann für a = 0 eine Gerade, für b = 0 einen Kreis vom Radius
a und im allgemeinen Fall eine Schraubenlinie.
(1.1)
(1.3)
also denjenigen zu el(t) und e2(t) senkrechten Einheitsvektor, für den
1.3 Die Frenetschen Formeln 5
ist.
Dann ist für i,j = 1,2,3
1 füri=j)
< ei(t), ej(t) >= Oij ( = { 0 für i -I j
(1.4)
insbesondere also
(1.5)
Außerdem ist
. ( ) _ c(t) _ < c(t), c(t) > c(t) _ () Ic(t)- < el(t), c(t) > el(t)1
el t - Ic(t)1 Ic(t)1 3 - e2 t Ic(t)1 (1.6)
(1.7)
Setzen wir nun
so erhalten wir
el(t) = w12(t)e2(t)
e2(t) = -w12(t)el(t) + w23(t)e3(t)
e3(t) = -w23(t)e2(t)
Es sei nun
cp:J-+I
c"(s)
nach der Ketten- und Produktregel eine Linearkombination von c(t) und c(t)
für t = cp(s). Weil nun el(t) und e2(t) eine Orthonormalbasis der von c(t)
und c(t) aufgespannten Ebene und el(s) und e2(s) eine solche Basis der von
c' (s) und C" (s) aufgespannten Ebene bilden, müssen dann auch e2 (s) und
e2(t) bis höchstens auf das Vorzeichen übereinstimmen. Aus ~ > 0 folgt
aber leicht, daß auch die Vorzeichen gleich sind. Aus der Definition von e3
folgt schließlich auch e3 ( s) = e3 (t).
Weiter ist
Korollar 1.1 Krümmung und Windung hängen (bis auf das Vorzeichen der
Windung) nicht von der Parametrisierung einer Raumkurve ab (das Vor-
zeichen der Windung ändert sich bei orientierungsumkehrenden Parameter-
transformationen) .
Beweis. In Lemma 1.3 haben wir bewiesen, daß Krümmung und Win-
dung bei orientierungserhaltenden Parametertransformationen erhalten blei-
ben. Bei orientierungsumkehrenden
cp: J -+ I,
also solchen mit ~ < 0 ändern el und e2 ihr Vorzeichen, so daß das Vor-
zeichen der Krümmung erhalten bleibt, während sich dasjenige der Windung
ändert. 0
1.4 Übungsaufgaben
1.3: Sei a : I ---+ ]R3 eine stetig differenzierbare Kurve und [a, b] C I ein
abgeschlossenes Intervall. Für jede Zerlegung
J
b
1.4: Sei a : I ---+ ]Rn eine parametrisierte Kurve. Es sei [a, b] C I und
a(p) = p, a(b) = q(P:/: q). Man zeige:
J
b
d.h. die Kurve kürzester Länge von a(a) nach a(b) ist die Gerade,
die diese beiden Punkte verbindet.
1.5:
a: Man zeige, daß Krümmung und Windung einer Raumkurve in belie-
bigen Parametern gegeben sind durch
f: U -+ E3 ,
wobei U eine offene zusammenhängende Teilmenge des 1R2 ist. Wir fordern
hierbei zunächst, daß f von der Klasse Cl (stetig differenzierbar) ist; vom
nächsten Abschnitt an werden wir sogar verlangen, daß f von der Klasse
C 2 ist. Daß f eine Immersion ist, bedeutet, daß df(z) : T z lR2 -+ T f (z)1R 3
(die induzierte Abbildung zwischen den Tangentialräumen)l für alle z E U
injektiv ist, also immer den Rang 2 hat.
Aus rein technischen Gründen, um nämlich keine uninteressanten Sonder-
betrachtungen durchführen zu müssen verschärfen wir die Forderung, daß f
eine injektive Immersion ist, noch folgendermaßen: Es gibt eine offene Teil-
menge V des 1R2 , die den Abschluß von U enthält und auf die sich f zu einer
injektiven Immersion f : V -+ E 3 fortsetzen läßt. Falls U nicht beschränkt
ist, soll f außerdem eigentlich sein, d.h. das Urbild jeder beschränkten Menge
soll wieder beschränkt sein.
Häufig interessiert nur das Bild f(U), nicht aber die Parametrisierung f.
Wir erlauben daher Parametertransformationen, d.h. Diffeomorphismen
cp:V-+U,
wobei V ebenfalls eine offene Teilmenge des R2 ist. j := f 0 cp ist dann das
durch die Parametertransformation cp aus f hervorgegangene Flächenstück.
Offensichtlich geht dann f umgekehrt durch die Parametertransformation
cp-l aus j hervor. Wir bezeichnen zwei durch Parametertransformationen
auseinander hervorgehende Flächenstücke als äquivalent. Dies führt zum Be-
griff des unparametrisierten Flächenstückes. Schließlich wollen wir noch eine
Fläche E C ]E3 durch die Eigenschaft definieren, daß für jedes W E E eine
derartige Umgebung V von w im ]E3 existiert, daß V n E = f(U) für ein
Flächenstück f : U -+ ]E3 ist.
Eine Fläche ist also eine zweidimensionale immergierte Untermannigfal-
tigkeit des ]E3. 2
Die metrische Struktur des ]E3 induziert nun eine metrische Struktur auf
jedem Flächenstück f : U -+ R3. Der Tangentialraum an f(U) im Punkte
f(z), Tf(z)/(U), ist nämlich im Tangentialraum des]E3 in f(z), Tf(z)]E3, ent-
halten, und den letzteren identifizieren wir mit dem ]E3 und erhalten daher auf
diesem ein euklidisches Skalarprodukt. Für v, w E Tf(z)f(U) ist also (v, w)
wie oben definiert.
e,
Wir können dies auch etwas anders interpretieren: Es seien TJ E TzU.
e
Wir identifizieren und TJ mit df(e) bzw. df(TJ) E Tf(z)f(U) und erhalten
somit ein Skalarprodukt in U :
2 Diese Aussage ist nur nützlich für diejenigen Leser, die schon mit dem Man-
nigfaltigkeitsbegriff vertraut sind. Wir werden diese Aussage LF. nicht weiter
verwenden. Wir werden in Kapitel 5 genauer definieren, was eine Mannigfaltig-
keit ist. Eine immergierte Untermannigfaltigkeit des E3 ist dann eine Immersion
F : M -+ E3 einer Mannigfaltigkeit M in den E3 •
2.1 Flächenstücke und Flächen 11
8/ 8/ 8 8 8 8
E:= (8x' 8x)(= (d/(8x),d/(8x)}) = I(8x' 8x)
8/ 8/ 8 8
F:= (8x' [)y) = I(8x' 8y)
8/ 8/ 8 8
G:= (8y' 8y) = I(8y' 8y)
E, Fund G sind also reellwertige Funktionen auf U.
Manchmal schreiben wir auch
g11 := E,g12 := g21 := F,g22 := G,
und bezeichnen mit (gii)i,i=1,2 die zu (gii)i,i=1,2 inverse Matrix.
Schließlich sei noch
lvi := (v,v}1/2.
Es sei nun [a, b] C R, und c : [a, b] -4 /(U) eine reguläre 3 Kurve. Aus der
Definition eines Flächenstückes folgt, daß eine reguläre Kurve 7 : [a, b] -4 U
mit c = /07 existiert. Da nun c eine Kurve im E3 ist, können wir die Länge
von c berechnen:
b b
c = /07.
Wir schreiben 7(t) = (x(t),y(t)), also c(t) = /:c(-y(t))x(t) + /y(-y(t))iJ(t) , und
b
Auf diese Weise haben wir also die Länge von c allein durch die Kurve 7
in unserem Parameterbereich U sowie die erste Fundamentalform von /(U)
ausgedrückt, ohne weiter auf die metrische Struktur des E3 Bezug nehmen zu
müssen. Dies ist eine einfache, aber wichtige Erkenntnis, und diese Erkenntnis
bildete geistesgeschichtlich gesehen eines der wichtigsten Motive zur Entwick-
lung der Differentialgeometrie. Die in dieser Vorlesung vorgestellten Konzepte
3 "regulär" bedeutet hier, daß c stetig differenzierbar ist und die Ableitung von c
nirgendwo verschwindet
12 2. Flächen im ]E3 j die erste Fundamentalform
gehen zum größten Teil auf Gauss zurück, und für ihn war die motivierende
Fragestellung diejenige der Geodäsie oder Landvermessung. Jeder Teil der Er-
doberfläche kann als Flächenstück im ]E3 aufgefaßt werden, sofern man, wie
damals üblich, den uns umgebenden Raum als euklidisch ansieht, und bei der
Landvermessung ging es dann darum, die Geometrie der Erdoberfläche allein
durch Messungen auf dieser, nicht aber im umgebenden Raum (was damals
praktisch nicht möglich gewesen wäre) zu bestimmen. Wie wir gerade gesehen
haben, lassen sich Kurvenlängen durch Messungen auf der Fläche bestimmen,
ganz in Übereinstimmung mit unserer praktischen Erfahrung. Ähnlich ist es
mit Winkel- und Flächeninhaltsmessungen, wie wir gleich kurz in Formeln
erläutern wollen. Daß sich aus diesen so offensichtlichen Erfahrungstatsa-
chen eine tiefgreifende Theorie aufbauen läßt, war eine der fundamentalen
Erkenntnisse von Gauss, und seine bedeutendste Entdeckung auf diesem Ge-
biete war, daß auch noch eine weitere Größe, die nach ihm später so genannte
Gaußsche Krümmung, sich allein durch Messungen auf der Fläche ermitteln
läßt, obwohl sie allem Anschein nach von der Lage der Fläche im umgeben-
den Raum abhängt. Solche Größen, die allein von den Maßbestimmungen auf
der Fläche, also der ersten Fundamentalform abhängen, heißen Größen der
inneren Geometrie der Fläche. Es war dann eine Erkenntnis von Bernhard
Riemann, die nicht nur für die Mathematik, sondern auch für die Physik
und die Philosophie von höchster Bedeutung war, daß sich hierauf ein von
jeder Einbettung in einen euklidischen Raum unabhängiger Begriff aufbauen
läßt, nämlich derjenige der nach ihm benannten Riemannschen Mannigfaltig-
keit, d.h. derjenige einer mit einer - geeigneten Bedingungen genügenden -
Maßstruktur, also der Möglichkeit, Längen und Winkel zu messen, versehenen
Mannigfaltigkeit. Unter topologischen Gesichtspunkten sieht eine Mannigfal-
tigkeit im Kleinen wie ein euklidischer Raum aus, nicht aber unter metrischen
Gesichtspunkten.
Alles dieses werden wir aber später noch genauer sehen, und wir kehren
zunächst zu unseren elementaren Betrachtungen zurück.
Wegen (2.1) sprechen wir auch von dem "Längenelement" ds mit
ds 2 = Edx 2 + 2Pdxdy + Gdy2 (2.2)
Dies soll ausdrücken, daß für das Bogenlängenelement der Kurve c,
J
a+t
s(t):= Ic(t)ldt
a
die Beziehung
Sind Cl, C2 : [a, b] --t I(U) zwei reguläre Kurven auf I(U), die sich im
Punkte CI(tO) = C2(tO) schneiden, so ist der Schnittwinkel () durch
() _ < Cl (to), C2(tO) >
cos - IC1(to)I.lc2(to)1
gegeben. Ist ähnlich wie vorher Ci = 10 'Yi, 'Yi(t) = (Xi(t), Yi (t)) , i = 1,2, so
ist
EXlX2 + F(xdJ2 + X2Yl) + GYdJ2
cos () =--------~~--~~--~~--~~----~ (2.3)
(Ex~ + 2FxlYl + Gyni(Ex~ + 2Fx2Y2 + Gy~)!
(ausgewertet in to).
Insbesondere ist der Winkel im Punkte (xo, Yo) zwischen den Kurven
I(t, Yo) und I(xo, t) durch
< Ix, I y > F ( . ( »
cos() = I/xl'l/yl = VEG ausgewertet m Xo,Yo
gegeben. Unsere Parametrisierung ist also genau dann orthogonal in dem
Sinne, daß der Winkel zwischen den Parameterkurven 1(-, Yo) und I(xo,')
stets ein rechter ist, wenn F == 0 ist.
Es sei nun S eine beschränkte und meßbare Teilmenge von U. Der
Flächeninhalt von I (S) ist dann das Integral
A(S):= Js
I/x /\ Iyldxdy.
Wir wollen noch die Formel für das Transformationsverhalten der ersten
Fundamentalform explizit aufstellen:
'IjJ: V -+ U sei Parametertransformation, (x, y) = 'IjJ(e, 'fJ). Die Koeffizien-
ten der ersten Fundamentalform von j = f 0 'IjJ seien mit E, F, G bezeichnet.
Dann ist
< jf" jf, >=< fxxf, + fyYf" fxxf, + fyyf, > etc.
und daher
- - - 2 2
E =< ff" ff, >= Exf, + 2Fxf,Yf, + Gyf,
F = EXf,x1J + F(xf,Y1J + X1Jye) + GYf,Y1J (2.5)
- 2 2
G = EX1J + 2Fx1JY1J + GY1J
oder mit x = (x 1,X2) = 'IjJ(e),e = (e,e) etc.
Beispiele.
1) Wir betrachten die Einheitssphäre
Es ist
10 = (- sinOcoscp, - sin 0 sin cp, cos 0),
JCP = (- cos 0 sin cp, cos 0 cos cp, 0),
und daher
E =< JCP' JCP >= cos 2 0, F =< JCP' Je >= 0, G =< Je, Je >= 1
2) Für 0 < r < a betrachten wir den Torus T, gegeben durch J(O,cp) =
((a + rcoscp)cosO,(a + rcoscp)sinO,rsincp). Wählen wir (O,cp) aus
lR. x lR., so wird T durch J unendlich oft überdeckt; wählen wir (0, cp)
aus (0,271") x (0,271"), so wird er nur bis auf einen Meridian und einen
Parallelkreis überdeckt. Es gilt hier
JCP = r( - sin cp cosO, - sin cp sin 0, cos cp)
Je = (a + r coscp)( - sin 0, cos 0, 0),
also
E = (a + rcoscp)2,F = O,G = r 2.
Für den Flächeninhalt erhalten wir
JJ JJ
271" 271" 271" 271"
2.2 Übungsaufgaben
A= JJVI + n + J~
Q
dxdy
ist, wobei Q die senkrechte Projektion von R auf die xy-Ebene ist.
16 2. Flächen im JE3 j die erste Fundamentalform
2.3:
a: Die Koordinatenkurven einer Parametrisierung X (u, v) bilden ein
Tschebyscheff-Netz, wenn die Längen gegenüberliegender Seiten ei-
nes beliebigen von ihnen gebildeten Vierecks gleich sind.
Man zeige: Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür ist
oE = oG =0
ov ou .
b: Man beweise, daß, wenn die Koordinatenkurven ein Tschebyscheff-
Netz bilden, es möglich ist, die Koordinatenumgebung so umzupara-
metrisieren, daß die neuen Koeffizienten der ersten Fundamentalform
E = 1,F = cos(),G = 1
sind, wobei () der Winkel zwischen den Koordinatenkurven ist.
3. Die zweite Fundamentalform.
Krümmung von Flächen
3.1 Normalenvektoren,
Definition der zweiten Fundamentalform
n '- .,;:.f~x_/\....;f~y~
.- Ifx /\ fyl
n :U --+ 8 2 C E3 ,
v E T f (z)lR,3 ist nUn genau dann ein Tangentialvektor, also in Tf(z)!(U) ent-
halten, wenn
wobei wir nun T n (z)1R 3 mit T f (z)1R 3 identifiziert haben, um wieder Vektorfel-
der zu bekommen.
Lemma 3.1
an an
< n, ox >= 0 =< n, oy >
Definition 3.2
heißt
Zweite Fundamentalform von f.
Die zweite Fundamentalform ist offensichtlich bilinear und wegen
3.1 Normalenvektoren 19
8 8 8n 8J
II(8x' 8y) = - < 8x' 8y >
82 J 8J
=< n, 8x8y > wegen < n, 8y >= 0
8n 8J 8J
=-<-,->
8y 8x
wegen < n, 8x >= 0
8 8
=II(-,-)
8y 8x
auch symmetrisch.
Wir werden auch die folgenden Bezeichnungen verwenden
8 8
L = h l l = II(-, - )
8x 8x
8 8
M = h l2 = h21 = II(-,-)
8x 8y
8 8
N = h 22 = II(-,-)
8y 8y
Mit Xl = x,x2 = Y ist wie beim Beweis der Symmetrie von II
(3.1)
Im Gegensatz zur ersten Fundamentalform hängt nun die zweite nicht nur von
der Geometrie auf der Fläche, der inneren Geometrie, sondern auch von der
Lage der Fläche im Raum ab, der äußeren Geometrie, welche die Änderung
des Normalenvektors bestimmt.
Wir betrachten wiederum die Beispiele der Einheitssphäre 8 2 und des
Torus T.
1) Für den Normalenvektor der 8 2 bekommen wird
Es ergibt sich:
L = - < no,!o >= -coscp(a + rcoscp)
M = - < no,!rp >= 0
N = - < nrp,!rp >=-r
Es gilt dann
d et 11 = LN - M 2 = r cos cp ( a + r cos cp ) > 0 fu"r - '2
7r < cp < '2'
7r
Wir wollen uns eine geometrische Vorstellung von der zweiten Fundamental-
form verschaffen und beweisen hierzu
Lemma 3.2 ! : U --. ]E3 sei ein Flächenstück, Zo E U. Dann gibt es eine
derartige Umgebung Uo von zo, daß für alle z E Uo mit den Bezeichnungen
z = (zl, z2),
Zo = (z6,z3),xi := !Zi(ZO) (i = 1,2),no:= n(zo)
!(z) - !(zo) = (zl - zJ)X1 + (z2 - Z5)X2 + rJ(z)no + o(lz - zol)X1 (3.2)
+ o(lz - zol)X2
gilt, wobei rJ(zo) = 'TJzi(zo) = 0 (i = 1,2) und
'TJzizj(ZO) = hij(zo) (3.3)
ist.
3.2 Die Abweichung einer Fläche von ihrer Tangentialebene 21
2 2
j((.) - j(O) = Leij~i(O) + ~ L hij(O)eiejno + o(leI 2 ) (3.6)
i=l i,j=l
gebracht werden kann. ("nach einer Parametertransformation " heißt, daß wir
die Schlange rv weglassen)
Wir betrachten die quadratische Funktion
2
elliptisch
hyperbolisch
3.2 Die Abweichung einer Fläche von ihrer Tangentialebene 23
parabolisch
Satz 3.1 Jedes Flächenstück läßt sich in einer genügend kleinen Umgebung
eines Punktes Wo durch Umparametrisierung auf die Gestalt
2 2
f(x) - f(O) = L xiei + ~ L hij(O)xixjno + o(lxI 2 )
i=l i,j=l
9ij(0) = Dij
8
8xkgij (0) = 0 für i,j, k = 1,2.
Korollar 3.1 Ist f(O) elliptisch, so liegt f(Vl ) in einer Umgebung Vl von 0
ganz auf einer Seite der Tangentialebene im Punkte f(O). Ist f(O) dagegen
hyperbolisch, so trifft f(Vl ) in jeder Umgebung Vl von 0 beide Seiten dieser
Tangentialebene.
24 3. Die zweite Fundamentalform
Q(~) = ±1
ist die Gleichung eines Kegelschnittes (oder eines Geradenpaares), der als
Indikatrix von Dupin bezeichnet wird. Im elliptischen oder hyperbolischen
Fall vermittelt dieser Kegelschnitt um den Ursprung als Mittelpunkt eine
Vorstellung von den Schnittlinien der Fläche j(U) mit Parallelebenen der
Tangentialebene Tf(o)j(U) mit kleinem Abstand.
Korollar 3.1 erlaubt die folgende Umkehrung, welche ebenfalls direkt aus
(3.6) folgt:
Korollar 3.2 Liegt j(V) in einer Umgebung V von 0 ganz auj einer Seite
der Tangentialebene in j(O), so ist j(O) elliptisch oder parabolisch.
Korollar 3.3 j, l' : U ---+]E3 seien zwei Flächenstücke; es gelte j(O) = 1'(0),
und die bei den Flächen mögen in diesem Punkt auch die gleiche Tangential-
ebene haben. Mit Bezeichnungen wie in (3.4) seien
2 2
L hij(O)XiX j ~ L h~j(O)XiXj.
i,j=l i,j=l
2 2
L hij(O)XiX j > L h~j(O)XiXj,
i,j=l i,j=l
so existiert eine Umgebung V von 0 mit
3.3 Krümmungsgrößen
Wir betrachten nun eine Kurve c(t) = j 0'Y(t) auf j(U). Wir nehmen an, daß
c nach der Bogenlänge parametrisiert ist, also
Ic(t) I = 1,
und daß c(t) und c(t) linear unabhängig sind. Dann ist im Punkte c(t) das
Frenetsche Dreibein (el(t), e2(t), e3(t)) definiert (el(t) = c(t), e2(t) = I~ml'
e3(t) = el(t) 1\ e2(t)) , und die Krümmung K(t) ist durch
c(t) = el (t) = K(t)e2(t)
bestimmt (vgl. 1.3).
Beweis.
II(c(t), c(t)) = - < n(t), c(t) > (Zur Abkürzung ist hier
n(t) = n(-y(t)) gesetzt)
=< n(t), c(t) > wegen < n(t), c(t) >= 0
= K(t) < n(t), e2(t) >
o
Als Schmiegebene einer Kurve wird die von el(t) und e2(t), also von c(t)
und c(t) aufgespannte Ebene bezeichnet (die obigen Voraussetzungen mögen
weiter gelten). Es folgt der Satz von Meusnier:
Korollar 3.4 Ist cp E [0, ~l der Winkel zwischen der Flächennormalen n und
der Schmiegebene von c, so ist
wobei wie oben e2(to) = I~~~~~I ist, so sagen wir daß c im Punkte c(to) im
Normalschriitt liegt.
Es ist dann nach Korollar 3.4
Definition 3.4 Die Hauptkrümmungen von j(U) im Punkte j(z) sind das
Maximum und das Minimum von I\;x für XE TzU, X t- O. Ein XE TzU mit
3.3 KrÜßlmungsgrößen 27
I(X,X) = 1, für das ein Maximum oder Minimum angenommen wird, heißt
Hauptkrümmungsrichtung.
Beweis. Wie schon bemerkt, werden wegen der linearen Homogenität von
KX Maximum und Minimum auf der Menge der X E TzU mit I(X, X) = 1
angenommen. Weil I und I I symmetrisch sind, gilt mit (3.9)
d
dXKX = 0
Beweis. Die erste Aussage ist klar. Sind die beiden Hauptkrümmungen Kl
und K2 voneinander verschieden, so gilt für entsprechende Eigenvektoren von
L(z) nach (3.11)
Beweis. Die ersten Gleichungen in (3.12) und (3.13) folgen aus Satz 3.3.
Wir schreiben
also
2
a{ = Lhikl j (3.14)
k=l
und hieraus folgen die restlichen Gleichungen nach den Regeln der linearen
Algebra. 0
Satz 3.4 Die Gaußsehe Krümmung ist die Funktionaldeterminante der Gauß-
abbildung, und die mittlere Krümmung die Hälfte der Spur.
3.3 Krfunmungsgrößen 29
Hierbei wählen wir also wie üblich die erste Fundamentalform als Metrik
auf TzU, und wir berechnen Determinante und Spur bzgl. einer entsprechen-
den Orthonormalbasis. Die Gaußabbildung kann als Abbildung zwischen zwei
Flächen, nämlich f(U) und 8 2, interpretiert werden, und wir versehen die
Tangentialräume mit den entsprechenden ersten Fundamentalformen, und
dies liefert uns Orthonormalbasen, bzgl. derer wir die Gaußabbildung als
Matrix darstellen können.
Die Gaußsehe Krümmung ist nun sogar unter orientierungsumkehrenden
Parametertransformationen und Spiegelungen des ]E3 invariant, während die
mittlere Krümmung dabei das Vorzeichen wechselt.
Xl und X2 seien nun zwei orthogonale Hauptkrümmungsrichtungen.
Für X E TzU, [(X, X) = 1, sei () der Winkel zwischen Xl und X. (Der Winkel
wird natürlich bzgl. [ gemessen, also cos () = [(X, Xl»'
Dann besteht die Eulersche Formel:
k=l
Satz 3.5 I(U) sei ein Flächenstück der Klasse C 3 . Sind alle Punkte von
I(U) Nabelpunkte, so ist I(U) Teil einer Sphäre oder einer Ebene.
Insbesondere sind also die Hauptkrümmungen konstant.
Weil
folgt
KZl = ° KZ= 2.
1/- wO l2 =~,
2
K K
und 1 ist daher in der Sphäre mit Mittelpunkt 7 und Radius ~ enthalten.
D
3.3 Krfunmungsgrößen 31
Definition 3.6 Ein Flächenstück ! : U --t lE3 heißt lokal konvex im Punkte
!(zo) (zo EU), falls eine Umgebung V von Zo existiert, für die !(V) ganz in
einem der beiden abgeschlossenen Halbräume enthalten ist, in die Tj(zo)!(U)
den lE3 zerlegt.
Falls sogar
Beweis.
(i) Ist K(zo) > 0, so ist det(hij(zo)) > 0, !(zo) also elliptisch, und die
Behauptung folgt aus Korollar 3.l.
(ii) Dies ist eine Umformulierung von Korollar 3.2.
o
Korollar 3.9 E C lE3 sei eine kompakte Fläche mit Gaußk1"Ümmung K.
Dann existiert ein Wo E E mit K(wo) > 0.
Iwol = maxlwl
wEE
Dann haben E und S(lwol) im Punkte Wo die gleiche Normale und damit
auch die gleiche Tangentialebene. Daß die Normalen übereinstimmen, sieht
man folgendermaßen: Wir stellen E lokal als ein Flächenstück
!: U _lE3
mit
!(Zo) = Wo dar.
Dann nimmt die Funktion< !(z), !(z) >= 1!(z)1 2 im Punkte Zo ein Maxi-
mum an, und daher
1!(z)1 ~ 1!(zo)1
gilt, liegt !(U) ganz auf einer Seite von S(lwol) (genauer gesagt, zerlegt
S(lwol) den lE3 in einen Innenraum und einen Außenraum, und !(U) liegt
ganz im Abschluß des Innenraumes, also in {e E lE 3 : lei ~ Iwol}.
Nach Korollar 3.3 (i) dominiert nun hij(zo) die zweite Fundamentalform
von S(lwol), und diese hat nach Beispiel 1) positive Determinante. 0
Die dritte Fundamentalform ist jedoch von den beiden ersten linear
abhängig; es gilt nämlich
Satz 3.6
II I - 2HII + K I = O.
Beweis. Dies sieht man entweder durch Anwendung des Satzes von Cayley-
Hamilton, daß eine lineare Abbildung ihr charakteristisches Polynom erfüllt,
auf die Weingartenabbildung, oder durch die folgende direkte Überlegung:
< n x , n x > = 2H L - K E
< nx,n y > = 2HM -KF
< ny,ny > = 2HN -KG
oder
(3.17)
3.4 Übungsaufgaben
J
7r
H = ~ kn(B)dB
o
gegeben ist, wobei kn(B) die Normalkrümmung bei p längs einer Rich-
tung ist, die mit einer festen Richtung den Winkel B bildet.
b: Man zeige, daß die Summe der Normalkrümmungen für jedes Paar
orthogonaler Richtungen in einem Punkt pES konstant ist und
gleich 2H ist.
3.3: Man beschreibe den Teil der Einheitssphäre, der durch das Bild der
Gauß-Abbildung folgender Flächen überdeckt wird:
a: Rotationsparaboloid z = x 2 + y2.
b: Rotationshyperboloid x 2 + y2 - z2 = 1.
c: Katenoid x 2 + y2 = cosh 2 z.
34 3. Die zweite Fundamentalform
J
v
ep(v)=Ccosv,~(v)= VI-C2sin2vdv,
o
wobei C eine Konstante ist (C = ep(O)). Man bestimme den Definiti-
onsbereich von v und fertige eine Skizze vom Profil der Fläche in der
xz-Ebene in den Fällen C = 1,
C> 1, C < 1 an. Beachte, daß C = 1 eine Sphäre liefert.
c: Alle Rotationsflächen konstanter Krümmung K = 1 lassen sich auf
eine der folgenden Arten darstellen
1. ep(v) C cosh v,
~(v) JVI - C2 sinh vdv.
0
2
2. ep(v) C sinh v,
~(v) JVI - C2 cosh vdv.
0
2
3. ep(v) eV ,
v
~(v) J VI - e2v dv.
0
a: Falls K = 0 und H = konstant ist, ist M eine Ebene oder ein Zylinder.
Es sei wieder f : U --+ ]E3 ein Flächenstück der Klasse C 2 , und es sei
cp E CJ(U,R), also eine stetig differenzierbare Funktion mit kompaktem Trä-
ger.
Wir betrachten die Flächenstücke
ft = f +tcpn,
wobei n wie üblich der Normalenvektor ist (für genügend kleines Itl definiert
ft tatsächlich ein Flächenstück).
Wir wollen untersuchen, wie der Flächeninhalt von ft(U) von tabhängt.
Es ist
A(ft(U)) = !(det(g!j))!dz 1 dz 2
u
= A(f(U)) - 2t !
u
cpH det(gij)!dz 1 dz 2 (4.1)
:tA(ft(U))lt=O = 0,
und daher
! u
cpH det(gij)!dz 1dz 2 = 0 für alle cp E CJ(U,R.). (4.2)
Es ist dann
und
gilg~2 - (gi2)2 = gUg22 - g~2 + 2tgu L cpk < fzk z2, f z2 >
k
denn es ist
ß
ßzk det(gij) = 2« fzlzk,fzl >< f Z2,fz2 > + < fZ2zk,z2 >< fZl,fzl >
- < fzlzk, f z2 >< fZl, f Z2 > - < f z2zk, fZl >< fZl, f Z2 »
und der Faktor 2 in dieser letzten Formel führt dazu, daß wir in der vorherigen
det(gij )! herausziehen müssen.
f
Es folgt det(gfj)! = det(gij)! + t Iz,.(cpk det(gij)!) + o(t) und daher
Satz 4.2 Ein Flächenstück f : U ---+ ]E3 (der Klasse C 2) ist genau dann
stationär für den Flächeninhalt bzgl. aller Variationen der Klasse CJ (U),
falls
H==O.
Dies motiviert
Insbesondere sind also Flächen der Klasse C 2 , die den Flächeninhalt lokal
minimieren, Minimalflächen. Eine Minimalfläche braucht jedoch nicht um-
gekehrt flächeninhaltsminimierend zu sein. Allerdings sind genügend kleine
Teile einer Minimalfläche stets strikt flächeninhaltsminimierend bezüglich ih-
rer eigenen Randwerte, wie die folgende Aussage zeigt:
Satz 4.3 f : U ~ ]E3 sei ein minimales Flächenstück. Dann besitzt jeder
Punkt Zo E U eine Umgebung V mit der Eigenschaft, daß jede andere Fläche
g: V ~ ]E3 mit glav = flav einen größeren Flächeninhalt als f hat, sofern
9 nicht nur eine Umpammetrisierung von flv ist.
Beweis. O.E. nehmen wir an, daß der Normalenvektor n(zo) an f(U) im
Punkte f(zo) der dritte Koordinateneinheitsvektor e3 ist. In einer Umgebung
U' von Zo gilt dann
mit einer Funktion cp : U' ~ lR. Wir können auch annehmen, daß U' glatten
Rand hat.
Wir setzen nun das Normalenfeld n von.! auf U' x lR. durch
n(z, t) := n(z)
auf den Zylinder U' x lR. C ]E3 fort. Man kann dies auch geometrisch
dahingehend interpretieren, daß n(z, t) das Normalenvektorfeld der Fläche
ft(z) = (z, f(z) + t) ist.
Wie im Satz 3.1 beschrieben, wählen wir nun el, e2 als Orthonormalbasis von
Tf(z)f(U). Dann gilt für die Koeffizienten der ersten Fundamentalform
gij(Z) = Dij
ß
< ßnn,n >= O.
Weil nun f(U) als Minimalfläche
4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 41
div n(z,t) =< n el ,e1 > + < n e2 ,e2 > + < ! n,n >= o.
denn n ist die Flächennormale von ft(U') und f(U'), und diese beiden
Flächen haben natürlich den gleichen Flächeninhalt, da sie sich nur um eine
Translation voneinander unterscheiden.
Es sei nun 9 : U' - lE3 eine weitere Fläche mit glau' = flau' und der
momentanen zusätzlichen Annahme, daß g(U') (ebenso wie f(U')) in U' x R
enthalten ist. Für genügend großes t sind dann die Flächen f(z) und gt(z) =
g(z) + t disjunkt. Daher beranden f(U'),l(U') und alU: eine offene Menge
Ut in U' x R. Wir rechnen wie vorher
o= J
Ut
div n = J
aUt
< n, v > dA
= J
alu~
<n,v>dA+ J
gt(U')
<n,v>dA-A(f(U')).
Der erste Term auf der rechten Seite verschwindet nach der vorigen Rechnung,
und weil n und v beide die Länge 1 haben, ist< n, v >~ 1, und daher
A(f(U')) = J<
gt(U')
n,v > dA = J<
g(U')
n,v > dA ~ A(g(U')),
42 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem
mit Gleichheit genau dann, wenn stets n = /I gilt, wenn also der Normalenvek-
tor n von j(U') und der Normalenvektor /I von g(U') stets übereinstimmen.
Weil j(U') und g(U') gleiche Randwerte haben, stimmen sie dann selb~t
überein.
Wir müssen uns nun noch von der oben gemachten Annahme befreien, daß
g(U') in U' x lR enthalten ist. Hierzu verkleinern wir U' zu einer Umgebung V
von Zo mit der Eigenschaft, daß j(V) in einer Kugel K enthalten ist, welche
wiederum ganz in U' x lR liegt. Nun bezeichne 7r : JE3 -+ K die Projektion längs
radialer Geraden von JE3 auf K. 1t' ist also auf K die Identität und projiziert
JE3\K abstandsverkleinernd auf 8K. Daher gilt für jedes 9 : V -+ JE3
A( 7r 0 g(V)) ::; A(g(V)),
mit Gleichheit nur, falls g(V) c K, also 7r 0 g(V) = g(V) gilt.
Gilt gl8v = jl8v, so ist auch 7r 0 glav = jl8v, denn j(8V) liegt nach
Konstruktion in K. Daher impliziert das vorstehende Argument
d2
dt2A(ft(U))lt=O ~ 0 (4.4)
Satz 4.4 Eine notwendige Bedingung dafür, daß j(U) ein lokales Minimum
des Flächeninhaltes bildet, ist, daß die zweite Variation des Flächeninhaltes
(4.6)
JU
1
(-'2 Llf(u)cp + Kcp)cpdet(gij)2 dz dz
1 1 2
(4.8)
Beweis. 11:1 und 11:2 seien die Hauptkrümmungen. Aus 11:1 + 11:2 = 2H = 0
folgt 11:111:2 ~ O. 0
Eine Minimalfläche hat also immer eine satteiförmige oder ebene Gestalt.
Wir wollen uns auch anschaulich klarmachen, warum die Bedingung H == 0
zur Stationarität des Flächeninhaltes führt. Verschiebt man in einer Umge-
bung von Wo die Fläche ein bißchen in der Richtung der Normalen, so verkürzt
sich eine der Krümmungslinien im gleichen Maße, wie die andere verlällgert
wird, weil die beiden Krümmungen betragsgleich, aber von entgegengesetzten
Vorzeichen sind.
44 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
Ein triviales Beispiel einer Minimalftäche im ]E3 ist eine Ebene. Wir wollen
nun weitere Beispiele vorstellen. Hierzu bezeichnen wir die Koordinaten im
]E3 mit (P, p, P).
1) Kettenftäche (Katenoid).
I(s, t) = (coshs cos t, cosh ssint, s).
Die Kettenftäche entsteht also durch Drehung der Kettenlinie P =
cosh 13 um die dritte Koordinatenachse.
Es ist
Is = (sinhscost,sinhssint, 1)
/t = (- cosh s sin t, cosh s cos t, 0)
Iss = (cosh s cos t, cosh s sin t, 0)
Ist = (- sinh s sin t, sinh s cos t, 0)
Itt = (- cosh s cos t, - cosh s sin t, 0)
Is Alt (-coshscost,-coshssint,coshssinhs)
n= =
cosh s(1 + sinh2 s)'2
1
I/s A Itl
( - cosh s cos t, - cosh s sin t, cosh s sinh s)
=
cosh 2 S
E =< Is, Is >= 1 + sinh2 s = cosh2 S
F =< Is,/t >= 0
G =< /t, It >= cosh2 s
L =< n,/ss >=-1
M =< n,/st >= 0
N =< n,/tt >= 1
4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 45
H=!EN-2FM+GL =0
2 EG-F2 .
Die Kettenfläche ist also tatsächlich eine Minimalfläche.
2) Wendelfläche (Helikoid)
f(s,t) = (tcoss,tsins,s).
H=~EN-2FM+GL =0
2 EG-F2 .
Die Wendelfläche ist also ebenfalls eine Minimalfläche.
3) Die Ennepersche Fläche
x x3 xy2 Y y3 x 2y x 2 y2
f(x,y) = (2 - (3 + 2'-2 + (3 - 2'2 - 2)'
Es ist
1 x2 y2
fx = (2 - 2 + 2'-x y ,x)
1 y2 x2
fy = (x Y'-2 +2 - 2'-y)
fxx = (-x, -y, 1)
fxy = (y, -x, 0)
fyy = (x, y, -1) = - fxx
1 x2 y2 x4 y4 X2y 2
E =< fx, fx >= "4 + 2 + 2 + 4 + "4 + -2-
F =< fx,fy >= 0
1 x2 y2 x4 y4 x 2y 2
G =< fy, fy >= "4 + 2 + 2 + 4 + "4 + -2- = E
L =< n,fxx >= - < n,fyy >= -N,
und hieraus folgt wieder nach (3.13)
4.2 Minimalflächen in isothermen Parametern 47
H=O.
Wir erinnern uns daran, daß sich die geometrischen Eigenschaften eines Flä-
chenstücks nicht ändern, wenn wir eine Umparametrisierung vornehmen.
Statt nun aber die Tatsache, daß man ein Flächenstück auf beliebig viele
verschiedene Weisen parametrisieren kann, als Nachteil anzusehen, wollen
wir diese Tatsache zu unserem Vorteil wenden und unter den vielen Para-
metrisierungen solche auswählen, die unsere Rechnungen besonders einfach
machen. Besonders günstig sind häufig die folgenden Parameter:
gilt.
Der Name "konform" rührt daher, daß in diesen Parametern die Winkel
in Tz U, gemessen mittels der ersten Fundamentalform, gleich den mittels der
euklidischen Metrik auf Tz U = T z]E2 sind. df vermittelt also eine winkeltreue
Abbildung zwischen TzU, nunmehr (ausnahmsweise) mit der euklidischen Me-
trik des]E2 versehen, und Tf(z)/(U), versehen (wie üblich) mit der induzierten
Metrik des ]E3.
(4.9) ist äquivalent zu
(4.10)
Lemma 4.2 f : U --+ ]E3 sei ein in isothermen Parametern Z1, z2 gegebenes
Flächenstück. Dann gilt für die mittlere K TÜmmung
H = h 11 + h 22 (4.11)
2A 2 '
48 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
und
1
I1f = 2Hn = ,X2 (h u + h22 )n, (4.12)
11=,X2
1(/]2 (P)
(8z1)2 + (8z2)2 (4.14)
(4.9) bedeutet
8f 8f 8f 8f 8f 8f
< 8z1' 8z1 >=< 8z2' 8z2 >, < 8z1' 8z2 >= O.
Wir leiten die erste dieser Gleichungen nach zl, die zweite nach z2 ab und
erhalten
8 2f 8f 8 2f 8f 8f 8 2f
< (8z 1)2' 8z1 >=< 8z18z2,' 8z2 >= - < 8z1' (8Z2)2 > .
Hieraus folgt mit (4.14)
8f
< I1f, 8z 1 >= 0 (4.15)
und entsprechend
8f
< I1f, 8z 2 >= O. (4.16)
Schließlich ist
1 82 f 82f 1
< I1f, n >= ,X2 < (8z 1)2 + (8z 2)2' n >= ,X2 (h u + h22) = 2H. (4.17)
Es folgt direkt:
t1f = 0
erfüllt.
Wir wollen Korollar 4.2 zum Anlaß nehmen, um kurz die Beziehung von
Minimalflächen zur Funktionentheorie zu diskutieren, auch wenn dies für die
Behandlung des Plateauschen Problems nicht unbedingt erforderlich ist.
Für ein Flächenstück f : U --t ]E3 in beliebigen, nicht notwendig isother-
men Parametern ZI, z2 betrachten wir nUn die komplexwertige Abbildung
F : U --t e 3 , definiert als
öf . öf
F(z) = öz i - 2 öz 2 . (4.18)
(4.19) bedeutet, daß die Parameter zl, z2 genau dann isotherm sind, wenn
F·F=O
ist.
öF
öi
(:= ~
2
(ÖF +i ÖF )) =0
öz i öz 2
(4.21)
und erfüllt
F·F=O. (4.22)
Ist umgekehrt U C ]R2 einfach zusammenhängend und F U --t e3 eine
Abbildung, die (4.21), (4.22) und
50 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
(4.23)
in U erfüllt, so wird durch
J
z
Beweis. Wie schon bemerkt, ist (4.22) gleichwertig damit, daß die Parame-
ter isotherm sind, und es ist
ßF ß2f ß2f
2 ßz = {ß Zl)2 + {ß z 2)2 = >.2!!.f
ß I ( -(F·F)+~-{F·F)
-=(F.F)=- ß .ß ) =0,
ßz 2 ßZI ßz 2
mit
F·F=O
konstruieren, und dann I durch (4.24) definieren. Jedoch werden wir hier
nicht zeigen können, daß die von uns konstruierten Abbildungen überall
erfüllen. Jedenfalls wissen wir aber, daß die Nullstellen einer holomorphen
Abbildung F, sofern F nicht identisch verschwindet, isoliert sind. Es wird
daher höchstens endlich viele Punkte geben, in denen lF(z)1 2 = 0 ist.
Aus diesem Grunde verallgemeinern wir den Begriff der Minimalfläche
folgendermaßen:
Definition 4.4 Wir sagen, daß eine nichtkonstante Abbildung I E C 2 (U, ]E3)
eine parametrische (oder (möglicherweise) verzweigte) Minimalfläche dar-
stellt, falls I harmonisch, d.h. 111 = 0, und konform, d.h.
öl öl öl öl öl öl
< özl ' özl >=< öz2' öz2 >, < özl' öz2 >= 0
ist.
F·F=O.
Solern nicht F I = =
iF 2, F 3 0 gilt (in welchem Falle die durch (4.24) defi-
nierte Minimalfiäche eine Ebene ist), existieren eine holomorphe Funktion h
und eine meromorphe Funktion gaul U mit der Eigenschaft, daß in jedem
Punkt, in dem g(z) einen Pol der Ordnung m hat, h(z) eine Nullstelle der
Ordnung mindestens 2m hat, und
(4.25)
Umgekehrt erfüllt für jedes solche Paar h, g die vorstehend definierte holo-
morphe Abbildung F = (F I , F 2, F3)
F·F=O.
J~h(e)(l
Z
Jl(z) = Re - g2(e))de + Cl
Zo
J4 +
Z
J
Z
J3(z) = Re +
h(e)g(e)de C3,
Zo
wobei hund 9 wie in Lemma 4.4 und Cl, C2, C3 Konstanten sind und Zo ein be-
liebiger Punkt des Parameterbereiches ist und die Integrale unabhängig vom
Verbindungsweg zwischen Zo und z sind. Hierbei ist J genau dann regulär,
also überall ein Flächenstück, wenn h nur in den Polstellen von 9 verschwin-
det, und h dabei in einer Polstelle von g der Ordnung meine Nullstelle der
Ordnung genau 2m hat.
F( ) .= öJ(z) _ .öJ(z)
z. öz l Z öz2 '
und die Darstellung folgt dann aus den Lemmata 4.3 und 4.4. Die erhaltene
Minimalfläche ist nach Lemma 4.3 weiterhin genau dort nicht regulär, wo
JF(zW = 0
ist. Wie man aus (4.25) erkennt, passiert dies aber genau dann, wenn h(z)
irgendwo eine Nullstelle von mehr als der zweifachen Ordnung des Pols von
gin z hat. 0
4.4 Das Plateausche Problem 53
Wir wollen uns nun dem Plateauschen Problem zuwenden, bei dem es sich
darum handelt, zu einer geschlossenen Jordankurve 'Y im E3 eine Mini-
malfläche E mit Rand 8E = 'Y zu finden. Dieses Problem trägt den Namen
des belgischen Physikers, der es im 19. Jahrhundert durch Seifenhautexperi-
mente popularisierte, obwohl es schon im 18. Jahrhundert von Lagrange als
mathematisches Problem formuliert worden war.
Wir wollen das Problem folgendermaßen präzisieren:
Es sei D:= {z = (x,y) E JR2, Izl 2 < I} die offene Einheitskreisscheibe, jj
ihr Abschluß. Gesucht ist dann eine Abbildung
54 4. Minimalfiächen. Das Plateausche Problem
AU) = /«
D
f:z;,J:z; >< fy,fy > - < f:z;,Jy >2)!dxdy
zu gewinnen. Auf diese Weise läßt sich jedoch sicherlich keine konforme Para-
metrisierung gewinnen, denn wie wir in §2 gesehen haben, ist AU) parame-
trisierungsinvariant, zeichnet also keine Parametrisierung aus. Während diese
Parametrisierungsinvarianz in §2 als geometrischer Vorteil erschien, zeigt sie
sich hier als analytischer Nachteil, denn wir können von einem f, welches
AU) minimiert, keine guten Regularitätseigenschaften erwarten, weil wir es
nämlich mit einer beliebig schlechten Parametertransformation verknüpfen
können, ohne an der Minimalität etwas zu ändern. Wir betrachten aus die-
sem Grunde statt des Flächeninhaltes das Dirichletintegral von f
DU) := ~ /«
D
f:z;,f:z; > + < fy,fy »dxdy.
Natürlich kann man in all diesen Definitionen D durch einen beliebigen Pa-
rameterbereich U ersetzen.
und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn f konform in U ist, also ii) erfüllt.
~(E+G) ~ VEG-F2
und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn
E = G,F = 0
ist.
Wir setzen wie üblich E =< Ix, Ix >, F =< Ix, Iy >, G =< Iy, Iy > und
erhalten die (4.26) entsprechende Beziehung zwischen den Integranden von
D und A. 0
Auf der Grundlage von Lemma 4.5 wollen wir nun D statt A minimieren.
Wir werden hierdurch eine konform parametrisierte Fläche erhalten, die dann
auch A minimiert. Indem wir A durch D ersetzen, zerstören wir also die Pa-
rametrisierungsinvarianz. Dadurch daß wir D minimieren, erhalten wir nicht
nur das minimale Flächenstück als geometrisches Objekt, sondern gleich-
zeitig auch noch eine ausgezeichnete, nämlich konforme Parametrisierung.
Man kann zeigen, daß man jedes Flächenstück konform parametrisieren kann.
Hieraus folgt in Verbindung mit Lemma 4.5, daß das Infimum von D gleich
demjenigen von A ist.
Nun ist aber auch eine konforme Parametrisierung eines Flächenstücks
noch nicht eindeutig bestimmt. Vielmehr besteht noch die Möglichkeit einer
konformen Parametertransformation:
(4.27)
erfüllt.
(4.28)
und ist daher winkeltreu (bzgl. der euklidischen Metriken auf U und V). Ist
I :U -+ ]E3 ein konform parametrisiertes Flächenstück und h : V -+ U eine
konforme Parametertransformation, so ist j .- loh : V -+ ]E3 ebenfalls
konform parametrisiert, denn
< jf", jf" > =< Ixxf" + lyYf", Ixxf" + lyYf" >
=< Ix, Ix > x~+ < I y, Iy > Y~ + 2 < Ix, Iy > xf"Yf"
=< Ix, Ix > (x~ + Y~),
56 4. Minimalflä.chen. Das Plateausche Problem
(4.29)
eine konforme Selbstabbildung von D gegeben (welche 8D auf sich selbst ab-
bildet).
Beweis. Wir bemerken zunächst, daß wegen lai< 1 für z E D, also Izl < 1,
1 - äz i:- 0 ist. Daher ist w auf ganz D definiert. Wir wollen nun w(D) cD
zeigen. Es ist hierfür nachzuweisen, daß aus Izl < 1 auch Iw(z)1 < 1 folgt.
Nun ist
:I (a - z)(ä - z) aä + zz - az - äz
Iw(z)1 = (1 - az)(1 - az) = 1 + aazz - az - äz'
4.4 Das Plateausche Problem 57
und weil für 0 :::; a, ß < 1, a + ß < 1 + aß gilt, folgt für Izl < 1
Iw(z)1 < 1.
Ebenso folgt aus Izl = 1 auch Iw(z)1 = 1, und w bildet daher 8D = {z :
Izl = I} auf sich selbst ab. Schließlich bleibt nachzuweisen, daß w konform
ist, also die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen (4.27) erfüllt und
als Parametertransformation überall maximalen Rang hat.
Dies kann man entweder direkt nachrechnen oder daraus schließen, daß w
offensichtlich holomorph ist und daher die Cauchy-Riemannschen Differenti-
algleichungen erfüllt und
_ icp aä-l
Wz - e (1 _ az)2
nirgendwo in D verschwindet. o
Bemerkung. Man kann sogar zeigen, daß sämtliche konformen Selbst ab-
bildungen von D von der Form (4.29) sind. Hierauf werden wir später
zurückkommen. Man kann jedoch schon direkt nachrechnen, daß die Trans-
formationen der Form (4.29) eine Gruppe bilden.
Lemma 4.8 Es gelte 0 :::; (h < (J2 < (J3 < 211', 0 :::; 111 < 112 < 113 < 211'. Dann
existiert (genau) eine Möbiustmnsjormation w der Einheitskreisscheibe mit
w(e i9j ) = eifJj,j = 1,2,3.
Dies werden wir später sehen (und zwar am Ende von Kapitel 5).
Wir wollen nun das Plateausche Problem angreifen, indem wir D(f) in
der Klasse C aller Abbildungen j : D _ ]E3
jE C 1 (D) n C°(i»,
die 8D monoton4 auf'Y abbilden, minimieren. Damit dies überhaupt möglich
ist, müssen wir an'Y die Forderung stellen, daß überhaupt eine solche Abbil-
dung j mit endlichem Dirichletintegral existiert. Wir werden diese Bedin6ung
unten genauer diskutieren.
Es sei (fn)nEN Ce eine Minimalfolge, also
4 Daß f monoton ist, heißt, daß f gleichmäßiger Limes von stetigen bijektiven Ab-
bildungen von 8D auf "y ist. Man beachte später, daß ein gleichmäßiger Limes
monotoner Randabbildungen wieder monoton ist. Die monotonen Randabbildun-
gen bilden also eine unter gleichmäßiger Konvergenz abgeschlossene Klasse.
58 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem
Wir wollen nun die Folge der Randwerte 1/Jn := !n18D kontrollieren.
Hierzu müssen wir noch eine kleine Modifikation unserer Konstruktion
vornehmen
Es seien 0 S fh < ()2 < ()3 < 21T beliebig, und Ab A 2 , A 3 irgend drei
verschiedene Punkte von "(. Wir verlangen nun noch, daß für alle n
(4.30)
gilt. Dies ist nun keine wesentliche Einschränkung, denn für 9 E C gibt es
!Pl,!P2,!P3 E [0,21T) mit
g(ei<pj) = A j , j = 1,2,3.
D(g 0 w) = D(g).
Folglich ist
f (41TKo)~
IJ (ZI) - !(z2)1 S (1 1).1 (4.31)
og 6 2
gilt.
4.4 Das Plateausche Problem 59
J
S(zQ,r)nD
(4.33)
JD
1!<p12dcp ~ ::; 2D(J).
Bemerkung. Es ist wichtig zu beachten, daß das r in Lemma 4.8 La. von Zo
und! abhängt und die Aussage nicht für alle r E (6, v'8) zu gelten braucht.
Beweis. Es sei c > O. Wir haben zu zeigen, daß ein 6 > 0 mit der Eigenschaft
existiert, daß für alle Zo E 0 D und alle n E N und alle z E 0 D mit Iz - Zo I < 6
(4.34)
60 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem
ist. Weil (fn) eine Minimalfolge für D(g) in C ist, können wir zunächst
(47rKo)~ .
-'---1""""1:- < e /2 1st. (4.35)
(log "8 )2
Nach Lemma 4.9 existiert dann zu jedem Zo E 8D und jedem n E Nein r,
8 < r < .[8, mit der Eigenschaft, daß für alle Zb Z2 E jj mit Izo - zil = r, i =
1,2
(4.36)
Weil nun 'l/Jn monoton ist, wird 'Y durch 'l/Jn(Wl) und 'l/Jn(W2) in zwei
Teilbögen 'Yl und 'Y2 zerlegt, wobei
(4.37)
höchstens einen der Punkte Ab A 2 , A 3 enthält.
4.4 Das Plateausehe Problem 61
,1 ,2.
kleinere der beiden Teilbögen
und Weil nun, eine Jor-
dankurve ist, existiert zu je-
dem c > 0 ein 'f/ > 0 mit der
Eigenschaft, daß für irgendzwei
Punkte Xl, X2 E , mit lXI -
x21 < 'f/ , durch Xl und X2 in
zwei Teilbögen " und ," zer-
legt wird, wobei für alle XE,'
(4.38)
gilt. Weil nun ,1
in dem oben angegebenen Sinne der kleinere der beiden
Teilbögen ist, können wir ,1
= " annehmen.
Wir wählen nun 8 mit 0 < 8 < 1 derart, daß neben (4.35) auch
(47rKo)!
-'--":':'1'< 'f/ (4.39)
(log i)"2
gilt, wobei 'f/ in der gerade beschriebenen Weise durch c bestimmt wird.
Wir wählen dann r,8 < r < -/8, nach Maßgabe von Lemma 4.9.
Dann gilt insbesondere
(47rKo)!
l'l/In(Wl) - 'l/In(W2) I ::; 1 1 < 'f/.
(log ;5)"2
und damit
Aus der Dreiecksungleichung folgt dann für z E ßD, Iz - zol < 8, also insbe-
sondere z E Cl
Weil die Folge ('l/In)nEN nach Lemma 4.10 auf ßD gleichgradig stetig und
auf ßD gleichmäßig beschränkt ist, können wir den Satz von Arzela-Ascoli
anwenden und schließen, daß ('l/In) nach Auswahl einer Teilfolge gleichmäßig
gegen ein stetiges 'l/I : ßD -> ]E3 konvergiert, welches dann wie die 'l/In ßD
monoton auf, abbildet.
62 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
:::; D(fn).
Folglich bildet (hn)nEN ebenfalls eine Minimalfolge, und wir werden nun diese
statt der ursprünglichen (fn) verwenden.
Nach dem Maximumprinzip ist für n, mE N
L1h(z) = 0 für z E D.
~2 J
B(O,p)
l'Vhl 2 lim ~2
= n-+oo J
B(O,p)
l'VhnI2 :::; lim inf ~2
n-+oo
J
D
l'Vhnl2
D(h)(= -21 J
D
IVhI 2 ) ~ liminf
n-+oo
D(h n ) = inf{D(g) : 9 E C}, (4.41)
Wir wollen nun D(h 0 O"t 1 ) an der Stelle t = 0 nach t differenzieren; daß
dies möglich ist, folgt aus dem Satz über die Differenzierbarkeit eines Inte-
grals nach einem Parameter, weil< h x , h x >, < h x , hy > und< hy, hy >
integrierbar und die Ableitungen von ex, etc. nach t beschränkt sind.
Wir setzen
f)O"t .
-f) = V +zw.
t jt=O
Wir errechnen nun, indem wir noch ausnutzen, daß für t = 0 O"o(z) = Z, also
ex = 'T/y = 1, ey = 'T/x = 0 ist,
d D(h 0 O"t-1 )jt=o
dt =2 J
1 {( < hx, hx > - < hy, hy > )(wy - vx) (4.43)
D
- 2 < h x , hy > (vy + wx)}dxdy.
Weil nun mit hauch ho O"t 1 E C und h das Dirichletintegral in C minimiert,
nimmt D(hoO"t 1 ) an der Stelle t = 0 ein Minimum an.
Es folgt
d -1
0= dt D(h 0 O"t )jt=O,
also
0= J{( <
D
hx, h x > - < hy, hy > )(wy - vx)
<p :=< hx,h x > - < hy,hy > -2i < hx,hy >
(man vgl. (4.19) für f = h, Zl = X, z2 = y).
(4.44) wird dann mit (v + iw)z = !(vx - wy + i(vy + wx ))
0= -2 Re J
D
<p' (v + iw)zdxdy. (4.45)
Unser Ziel ist nun, aus (4.44) oder (4.45) <P = 0 durch geeignete Wahl von v
und w herzuleiten. Zunächst beobachten wir, daß wir beliebige v,w E C5(D),
also mit kompaktem Träger zulassen können, denn
0=2 Re JD
cpz(v + iw)dxdy (4.46)
cpz == O. (4.47)
cP ist also holomorph. Dies folgt jedoch schon daraus, daß h harmonisch ist
(vgl. die Bem. nach Lemma 4.3) und stellt insofern keine neue Erkenntnis
dar.
Wir betrachten nun Variationen
at(z) = zeita(z)
0= J
8D
(v(cpldy + CP2dx ) + w(cpldx - CP2dy)).
erhalten.
Da wir jedoch die Regularität von cP auf aD noch nicht kennen, können
wir stattdessen nur mit B(O,p):= {z E D: Izl ::; p},p < 1,
0= lim
p ..... l
J
8B(O,p)
(v(cp1dy + CP2dx ) + w(cp1dx - CP2dy))
0= lim Im
p-+l
J
8B(O,p)
(II + iW)<pdz. (4.50)
o= lim Im
p-+l
J a{z)z2<p{z)dB
J
8B(O,p)
Nun ist 1]{z):= Im (Z2<p{Z» harmonisch (dies rechnet man entweder direkt
nach oder folgert es daraus, daß <p holomorph ist).
Für w E D sei nun
der Kern der Poissonschen Darstellungsformel auf B{O,p) (vgl. Satz 1 des
Anhangs über harmonische Funktionen). Wir setzen nun (für festes w E D)
mit
für Izl > Po
'( ) ._ {
"z.- ~lzHwl-Po
po-Iwl für p0_ > Izl >
- po+lwl
2
0= lim
p-+l
J Kp{z, w)1]{z)dB. (4.52)
8B(O,p)
1]=0 (4.53)
in D.
4.4 Das Plateausehe Problem 67
ßx = TJy, ßy = -TJx ,
und wegen (4.53) ist daher Z2cp(z) konstant. Nun verschwindet aber z2c,o(z)
für z = 0, und daher ist z2c,o(z) und damit auch c,o(z) in D identisch Null.
Die Beziehung
bedeutet aber gerade, daß unsere harmonische Funktion h konform ist. Damit
ist das Plateausche Problem in der hier behandelten Fassung gelöst:
Satz 4.5 Es sei 'Y eine geschlossene Jordankurue der Klasse Cl im E3. Dann
bemndet 'Y eine pammetrische Minimalftäche. Genauer existiert eine Abbil-
dung
h E CO (i), E 3) n CW (D, E3) mit den folgenden Eigenschaften:
(i) h ist in D harmonisch: Llh = 0
Beweis. Wir zeigen zunächst, daß für 'Y E Cl die oben definierte Klasse C
nicht leer ist. Es sei hierzu
c: 8D -+ 'Y
hl 8D : 8D -+ 'Y
fnl8D : 8D -+ 'Y
ist.
Als gleichmäßiger Limes surjektiver Abbildungen ist hl 8D wiederum sur-
jektiv.
68 4. Minimalfiächen. Das Plateausehe Problem
eine auf H definierte Minimalfläche. Wir wollen zeigen, daß T} kein Teilinter-
vall von R auf einen Punkt in 1 abbilden kann, denn dann kann auch h kein
Teilintervall von 8D auf einen Punkt auf 1 abbilden.
°
Es sei nun I ein Teilintervall von R mit T}(I) = Wo E 1. O.E. sei I =
(-r,r), und 0.E. sei auch Wo = (andernfalls betrachten wir T} - wo). Wir
betrachten B(O,r) := {x + iy E <C,x 2 + y2 :::; r 2}. Wir setzen T}(x,y) =
-T}(x, -y) für y < 0, X2+y2 :::; r und erhalten so eine Abbildung T} : B(O, r) -+
]E3.
Nun sei T}1 : B(O, r) -+ ]E3 die harmonische Abbildung mit
T}118B(O,r) = T}18B(O,r)
(vgl. Satz 1 des Anhangs über harmonische Funktionen).
Ferner setzen wir
T}2 : B(O, r) -+ ]E3
T}2(X, y) = -T}l(X, -y)
T}2 ist dann ebenfalls harmonisch, und wegen T}(x, y) = -T}(x, -y) und der
obigen Randbedingungen für T}1 folgt
T}218B(O,r) = T}118B(O,r)·
also
4.4 Das Plateausche Problem 69
und daher
711(X,0) = 0 für lxi $ r.
Daher ist
71lI8(B(O,r)nH) = 7118(B(O,r)nH»
und wiederum nach Korollar 2 des Anhangs
< 71x, 71x >=< 71y, 71y >, < 71x, 71y >= 0.
°
Nun ist 71x == auf I, weil I ein Teil der x-Achse ist und auf einen Punkt
abgebildet wird, und wegen der Konformalität daher auch 71y == °
auf I,
°
daher auch 71xy == 0 auf I. Weil 71 harmonisch ist und 71xx == 0 auf I ist,
ist auch 71yy == auf I. Durch fortgesetztes Differenzieren folgt iterativ, daß
auf I sämtliche Ableitungen von 71 verschwinden. Daher ist nach Korollar 1
des Anhangs 71 == const. auf B(O, r) und dann wiederum wegen der reellen
Analytizität auch auf ganz H. Hieraus folgt, daß h auf D und mithin auch
auf aD konstant ist, im Widerspruch zu der Tatsache, daß h aD surjektiv
auf'Y abbildet. 0
Bemerkung. Man braucht für unser Verfahren nur vorauszusetzen, daß 'Y
rektifizierbar ist. Daß die Abbildungen in C von der Klasse Cl sein müssen,
ist nämlich nicht unbedingt erforderlich; es reicht die Zugehörigkeit zu dem
Sobolevraum H1,2, also endliches Dirichletintegral. Man parametrisiert eine
rektifizierbare Kurve dann nach der Bogenlänge und definiert f wie in (4.54).
Dann gilt DU) < 00.
Das Plateauproblem wurde erstmals im Jahre 1930 von J. Douglas und T.
Rad6 gelöst. Der hier vorgestellte Beweis geht im wesentlichen auf R. Courant
zurück.
Wir wollen auch darauf hinweisen, daß wir bei der Lösung des Plateau-
schen Problems an keiner Stelle ausgenutzt haben, daß der Bildraum drei-
dimensional ist. Satz 4.5 gilt daher für geschlossene rektifizierbare Jordan-
kurven im JEd, d ~ 2 (für d = 1 existieren natürlich keine geschlossenen
Jordankurven). Insbesondere erhalten wir für d = 2
Wir wenden uns der Frage nach der Existenz isothermer Parameter auf ei-
ner MinimalHäche zu. Zunächst stellen wir hierzu allgemeine Überlegungen
über isotherme Parameter an. Durch f(x 1 , x 2 ) sei ein Flächenstück gegeben.
Wir wollen neue Parameter = (e, e e)
einführen, welche das Flächenstück
e
isotherm parametrisieren. Ist (Xl, x 2 ) = 'I/J(e, 2 ) so muß mit = f 0 'I/J und J
9ij =< Jf.i, Jf.; >
911 = 922,912 = 0
gelten, also nach (2.6)
1 1
911 X f.1Xf.1 + 2912 X 1f.1Xf.12 +922 X 2f.1Xf.12 = 911 X 1f.2Xf.2
1
+2g12 X 1f.2Xf.22 +922 X 2f.2Xf.22 (4 •55)
11
g11 X f.1Xf.2 + 912 (Xf.1Xf.2
1221)
+ Xf.1Xf.2 + 922 X 2
f.1Xf.2 =
20 (4.56)
Diese Gleichungen sind erfüllt, falls
2 g12 1
Xf.1 = --Xf.1 -
v'detY1
---Xf.2
g22 922
(4.57)
4.5 Existenz isothermer Parameter auf einer Minimalfiäche 71
gilt, wobei die gij sich auf die alten Parameter Xl, x 2 beziehen
(gij =< fxi'/x j ». Wir invertieren (4.57), um Differentialgleichungen für e
e
und 2 als Funktionen von Xl und x 2 zu erhalten, also
und hieraus
e1=~el-~e2
x v'det 9 x y'detg x
c2 922 cl 912 cl
~x2 = v'detg ~xl - v'det 9 ~x2
also
~;1 = -y'det9(g12~;1 + l2~;2)
(4.58)
(;2 = y'detg(gll(;l + 9 l2 e;2)
Wir wollen nun - auf einer Minimalfläche - (4.58) lösen und somit die
Existenz isothermer Parameter erhalten.
(4.58) läßt sich als Verallgemeinerung der Cauchy-Riemannschen Diffe-
rentialgleichungen der Funktionentheorie auffassen. Ist nämlich 9ij = 8 ij , so
wird (4.58) zu
c2 _ cl
~X1 - -~X2
(;2 = (;1,
also genau den Cauchy-Riemannschen Gleichungen.
Zur Lösung werden wir daher ähnlich wie in der Funktionentheorie vor-
gehen, nämlich zu einer harmonischen Funktion eine konjugiert harmonische
Funktion suchen, wobei "konjugiert" gerade bedeutet, daß die beiden funk-
tionen (4.58) lösen.
g=(~ ~).
Dann ist
Beweis. Wir haben diese Aussage schon in Lemma 4.2 für isotherme Pa-
rameter gesehen. Da wir die Existenz isothermer Parameter aber erst noch
beweisen wollen, können wir dies hier nicht benutzen.
Die Formel (4.59) gilt jedoch auch, wenn wir eine Parametertransforma-
tion durchführen, die / auf die Gestalt (3.6) bringt, im Punkte ( = 0; (= 0
entsprach dabei einem beliebig gewählten Punkt auf unserem Flächenstück.
Nach Satz 3.1 stimmt nämlich in den dortigen Bezeichnungen im Punkte
/(0) der Laplace-Beltrami-Operator mit dem euklidischen Laplaceoperator
J.1 (a~~)2 überein, und es ist im Punkte /(0) E (a~~)2 / = spur(hij(O))no,
und dies ist die behauptete Formel in /(0). Wir beweisen nun die Invari-
anz des Laplace-Beltrami-Operators unter Parameterwechseln. Da die rechte
Seite von (4.59) offensichtlich invariant unter Parameterwechseln ist, folgt
somit (4.59) in beliebigen Parametern, weil wir schon gezeigt haben, daß die
Formel in speziellen Parametern (nämlich denjenigen aus Satz 3.1) gültig ist.
Zum Beweis von Lemma 4.12 bleibt also nur noch die nachstehende Aus-
sage zu zeigen
= - Jv
k,E1 gkl ß~l (h 0 cp) ß~k ("I 0 cp)y'detgdetdf. 2 . (4.62)
4.5 Existenz isothermer Parameter auf einer Minimalfläche 73
folglich
2
Da auch ~(h 0 cp) = m~l hx"'x~ etc. ist, erhalten wir aus (4.62)
Da
J
u
L1 g h· 'f}y'det gdx 1dx 2 = J
v
(L1 g h) 0 cp . 'f} 0 cpy'det gdede , (4.64)
ist, folgt die Beh. aus (4.61), (4.63), weil diese Formeln für beliebiges 'f} E
CJ (U) gelten. 0
Die hier vorgeführte Beweismethode von Lemma 4.12, daß man nämlich
eine Formel zunächst in speziellen, geeignet gewählten Parametern beweist
und dann aus Invarianzeigenschaften folgert, daß sie auch in beliebigen Pa-
rametern gültig bleiben muß, ist von großer Wichtigkeit in der Differential-
geometrie.
Aufgrund von Lemma 4.12 können wir auf einer Minimalfläche immer
nichttriviale harmonische Funktionen, also Lösungen von L1 g h = 0, finden,
nämlich beispielsweise die Komponenten des Positionsvektors. Insbesondere
existiert für jeden Punkt eine Umgebung, in der eine harmonische Funk-
tion mit dort nirgendwo verschwindendem Gradienten existiert. Es sei nun
e(x 1, x 2) eine solche harmonische Funktion. Wir betrachten dann das Diffe-
rential
w := w1dx 1 + w2dx 2 := - y'detg(g12(~1 + g22~!2)dxl (4.65)
+ y'detg(gl1~!l + g12~!2)dx2.
Weil e harmonisch ist, also ',1E. a~' ( .J<1et9gij ~!j) = 0, ist
(4.66)
Wir nehmen nun an, daß die gewählte Umgebung U unseres Punktes Zo der
Minimalfläche einfach zusammenhängend ist. Dann setzen wir für z E U
74 4. Minimalfl.ächen. Das Plateausche Problem
!
z
e(z):= w, (4.67)
Zo
wobei wir das Integral über eine beliebige (glatte) Zo und z verbindende
Kurve erstrecken. Weil U einfach zusammenhängend und dJ.oJ = ist, ist das
Integral von der Wahl des Verbindungsweges unabhängig.
°
Es gilt
Satz 4.6 Jeder Punkt einer Minimalftäche besitzt eine Umgebung, in der
isotherme Pammeter existieren.
Bemerkung.
1) Satz 4.6 und sein Beweis können geometrisch folgendermaßen zusam-
mengefaßt werden: Man benötigt zwei harmonische Funktionen auf der
°
Minimalfläche mit gleich langen, zueinander senkrechten Gradienten.
Die erste erhält man wegen H = beispielsweise als geeignete Kom-
ponente des Positionsvektors, die zweite aus der Beobachtung, daß der
um 90 Grad gedrehte Gradient einer harmonischen Funktion wieder
Gradient einer harmonischen Funktion ist.
2) Satz 4.6 gilt auch für beliebige Flächen, nicht nur für minimale. Der
Beweis erfordert stärkere Hilfsmittel als uns hier zur Verfügung stehen.
Wir verweisen auf [JI] und die dort angegebenen Referenzen.
Wir wollen nun minimale Graphen betrachten, also Minimalflächen, die sich
als Graph einer Funktion z = cp(x, y) über der xy-Ebene oder einem Teil
davon darstellen lassen.
Der Positionsvektor eines Graphen ist
L f
=< n, xx >= VI +CPxxcp; + Cp~ ,
M = CPxy
V+ cpi + Cp~
I ,
N = cpyy
VI + cpi + Cp~
und nach (3.13) daher
Satz 4.7 Der Graph einer Funktion cp E C 2 (U, ]R), U c ]R2, ist genau dann
minimal, wenn cp die Minimalflächengleichung
erfüllt.
Satz 4.8 Jeder über der ganzen Ebene sich erstreckende minimale Graph,
also jede Minimalfläche der Form f : ]R2 -+ ]E3,
76 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
Beweis. Wir konstruieren zunächst ein globales, d.h. auf dem ganzen 1R2
definiertes, isothermes Koordinatensystem.
Nach Lemma 4.12 sind insbesondere die ersten beiden Komponenten von
J, also xl und x 2, harmonische Funktionen auf der Minimalfläche. Wir setzen
e :=x1
und definieren e wie in (4.67), (4.65), welches sich jetzt wegen e;l 1,
e;2= 0 zu
e:= /(-Jdetgg12dx1 + Jdetgg ll dx 2)
1 1 2
= / v'det 9 (g12 dx + g22 dx )
vereinfacht. Entsprechend setzen wir
rJ2 := x 2
rJ:=
1 1 /
~(glldx 1 + g12dx 2 ).
ydetg
e
Genauso wie (e, 2) definieren auch (rJ1, rJ2) isotherme Parameter. Um eine
symmetrische Gestalt zu bekommen, setzen wir
Wir führen die Integration über den Verbindungsweg x = y + r(z - y), 0 :::;
r:::; 1, aus. Der letzte Ausdruck wird dann
J~dr(zi
1
= .1; (zi -
$=1
yi)2 + .~
$,3=1.yaetg
- yi)(zi _ yi)
o
( stellt also ein auf dem ganzen R.2 definiertes isothermes Parametersystem
unseres minimalen Graphen dar.
Wir betrachten nun die in (4.18) eingeführte Abbildung
F ()
( = 8(1 -
8f .8f
Z 8(2
(1
= F ,F ,F
2 3)
: R.
2
--+
3
C .
weil x 1-+ (x) und damit auch (1-+ x«() überall maximalen Rang hat.
Daher ist überall F 1 # 0, F 2 # 0, und weiter
F2 ) 1 -1 2
Im ( F1 = IF 1 12 Im(F F ) # 0,.
also z.B. überall
Im (~:) < 0.
Daher ist nach Korollar 5 des Anhangs über harmonische Funktionen die
holomorphe Funktion ~ konstant, also
78 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
F2 = cF l , C = a + iß, ß =I O.
Dies bedeutet
+ ßX~2
X~l = aX~1
2
X(2 = - ßX(l
+ aX(21 •
1
Die Abb. (1, (2) 1--+ (y1, y2) erfüllt also die Cauchy-Riemannschen Differen-
tialgleichungen. Wie nach Def. 4.5 bemerkt, sind daher mit (1,(2) auch
(y1, y2) isotherme Parameter.
Wir betrachten nun die in (4.18) eingeführte Abbildung bezüglich (y1, y2),
also
y := 88J
!P () . 8J (1 2 3) 2 C3 •
y 1 -l8 y 2 = !P ,!P ,!P :IR --+
!p.!p == 0,
weil (y1, y2) isotherme Parameter sind, und deswegen ist auch ~ konstant.
Daher ist die dritte Komponente von J, also cp, linear in y1 und y2 und damit
auch in Xl und x 2 • 0
Der hier vorgeführte Beweisansatz des Satzes von Bernstein stammt von
J. Nitsche.
Satz 4.9 Es seien cp(l) ,cp(2) : U --+ IR zwei Lösungen der Minimalftächenglei-
chung
Falls die Differenz cp(l) - cp(2) in einem inneren Punkt von U ein Maximum
oder Minimum annimmt, ist
4.7 Zweifach zusammenhängende Minimalflächen 79
Korollar 4.5 f(l), f(2) : U --+ ]E3 seien zwei Minimalftächen, Zo E U. Ist
f(l)(ZO) = f(2)(zO), so schneiden sich f(l)(V) und f(2)(V) in jeder Um-
gebung V von Zo, sofern nicht f(l)(U) = f(2)(U) ist. Zwei verschiedene
Minimalftächen können sich also nicht in in einem Punkt berühren, ohne
sich in jeder Umgebung dieses Punktes zu schneiden. Insbesondere kann
eine Minimalftäche, die eine Ebene berührt, nicht in einer Umgebung des
Berührungspunktes auf einer Seite dieser Ebene liegen.
Beweis von Korollar 4.5 Wir können annehmen, daß f(l) und f(2) im
Punkte Zo die gleiche Tangentialebene haben, und wir können auch anneh-
men, daß diese Tangentialebene parallel zur xy-Ebene ist, denn wir können
die Tangentialebene immer durch eine Rotation des ]E3 in eine zur xy- Ebene
parallele Ebene überführen, und durch eine Rotation werden Minimalflächen
in ebensolche überführt. Wir können dann f(l) und f(2) als Graphen rp(l) , rp(2)
über dieser Ebene, also über der xy-Ebene darstellen und Satz 4.9 anwen-
~a 0
Beweis von Satz 4.9 Wir wollen den Satz auf das Maximumprinzip von
E. Hopf zurückführen, welches lautet 0
Satz (E. Hopf) n sei ein Gebiet im Rd, u E C 2(n) eine Lösung von
Hierbei seien die Koeffizienten bi beschränkt, aij symmetrisch, also aij = aji,
e
und es gelte für alle x E n, E Rd
Alel 2 ~ $,3=1
. ~ aij(X)eiej ~ Alel 2
Weil <p(l) und <p(2) von der Klasse C 2 sind, sind die ersten und zweiten Ab-
leitungen in einer Umgebung jedes Punktes Zo E U beschränkt, und die Ko-
effizienten an, ... b2 erfüllen daher die Voraussetzungen des Satzes von Hopf,
und die Beh. folgt aus diesem. 0
Der wesentliche Punkt in der Reduktion des Beweises von Satz 4.9 auf
den Satz von E. Hopf bestand darin, daß, weil die Lösungen <p(l) und <p(2) der
nichtlinearen Minimalfiächengleichung schon gegeben waren, wir Größen,
die von <p(l) und <p(2) und deren Ableitungen abhängen, als Koeffizienten
einer linearen Differentialgleichung für die Differenz auffassen können.
Insbesondere erhalten wir einen neuen Beweis von Korollar 4.1, daß es
nämlich keine kompakten Minimalfiächen im]E3 gibt.
Wir wollen Satz 4.9 benutzen, um die Gestalt zweifach zusammenhängen-
der Minimalfiächen zu untersuchen. Wir erinnern an die Kettenfiäche (Kate-
noid), dargestellt durch
4.7 Zweifach zusammenhängende Minimalflächen 81
x 2 + y2 = cosh2(z)
Betrachten wir beispielsweise die beiden
Kreislinien
z = ±1, x 2 + y2 = cosh2 1,
so beranden diese nicht nur jeweils eine ebene
.....................................~ ..... .
und daher minimale Kreisscheibe, sondern
zusammen auch ein Stück der Kettenfläche,
also eine zweifach zusammenhängende Mi-
nimalfläche.
Es stellt sich nun die Frage, ob jedes Paar von disjunkten geschlosse-
nen (glatten) Jordankurven im ]E3 eine zweifach zusammenhängende Mini-
malfläche beranden kann. Wir wollen uns überlegen, daß dies nicht der Fall
ist, und zwar durch Betrachtung der Kreislinien
Wir werden zeigen, daß diese beiden Jordankurven für genügend kleines r > 0
keine zusammenhängende Minimalfläche beranden können. Hierzu betrach-
ten wir die Familie C t von Kettenflächen, definiert durch
also
Es sei
. {cosht
ro := mf -t-' 0 < t < 00 } > o.
Wir behaupten nun, daß für r < ro die beiden Kreislinien keine zusam-
menhängende Minimalfläche E beranden können. Nach Korollar 4.6 müßte
E zunächst in dem Zylinder
Dieser Ausdruck strebt für t -+ 0 und jedes z E [-1,1] gegen 00, und für
t -+ 00 und z -# 0 ebenfalls gegen 00, aber für t -+ 00 und z = 0 gegen o.
82 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
Es folgt hieraus zunächst, daß für genügend kleines t > 0 die Kettenfläche
Ct ganz außerhalb des Zylinders liegt. Nach Wahl von ro sind für r < ro
weiterhin alle Flächen Ct disjunkt zum Rande von E, nämlich den Kurven
z = ±1,x2 +y2 = r 2 .
Weil sich aber für t -+ 00 und z = 0 die Fläche Ct im Nullpunkt
zusammenschnüren, muß es nach dem Zwischenwertsatz ein
Weil für t < to die Flächen Ct disjunkt zu E sind und auch Cta zu ßE
disjunkt ist, müssen sich Cta und E in einem inneren Punkt berühren, ohne
sich zu schneiden. Dies widerspricht aber Korollar 4.5, womit unsere Beh.
bewiesen ist.
4.4: Beweisen Sie, daß eine glatte geschlossene Jordankurve 'Y C 1E3 nicht
zwei verschiedene Minima des Flächeninhaltes beranden kann, die
sich in der Form z = cp(x, y) darstellen lassen (hierbei sind x, y, z
euklidische Koordinaten im 1E3 , und eine Darstellung z = cp(x,y)
bedeutet, daß die Fläche Graph über einem Teilgebiet der xy-Ebene
ist).
Anleitung: Sind z = CPI (x, y), z = CP2 (x, y) zwei derartige Flächen,
so hat z = !(CPI(X, y) + CP2(X, y)) kleineren Flächeninhalt.
4.6: Es sei f : U - 1E3 ein Flächenstück. Wir wollen den Flächeninhalt von
f(U) unter der Nebenbedingung minimieren, daß der Volumenterm
!
u
< f,fx 1\ fy > dxdy
einen vorgegebenen festen Wert hat und wie beim Plateauproblem die
Randwerte vorgeschrieben sind. Leiten Sie die Euler-Lagrangeschen
Gleichungen her (Hinweis: Lagrangescher Multiplikator) und zeigen
Sie, daß eine Lösung konstante mittlere Krümmung haben muß.
4.1: Es sei 'Yr = {(e, 7], 0) E 1E3 : (2 + 7]2 = r 2 },0 < r < 1. Geben Sie zwei
konforme Abbildungen
f = jj _1E3
mit
Llf = 2fx 1\ fy in D
und für x 2 + y2 = 1
4.8: "I sei eine geschlossene Jordankurve im ]R3, die gleichmäßiger Limes
von geschlossenen Jordankurven "In der Klasse C2 ist.
In : D ---+ E3 sei eine Lösung des Plateauschen Problems für "In.
Es gelte
I(D) c S.
Versuchen Sie, diese Aussage auch ohne die Voraussetzung, daß as
von der Klasse C2 ist, zu zeigen.
n c ]Rd sei ein beschränktes Gebiet mit Rand an E Cl. v bezeichne die
äußere Normale an an. Für ein Vektorfeld X der Klasse Cl auf ii gilt dann
der Divergenzsatz
J
n
div Xdv = J
an
X·vds, (1)
J
n
vLludx + J<
n
V'u, V'v > dx = J ~~
an
v ds . (2)
Vertauscht man die Rollen von u und v und subtrahiert das Ergebnis von
(2), so ergibt sich die zweite Greensehe Formel
J
n
(vLlu - uLlv)dx = J ~~
an
(v - u ~:)ds . (3)
{)2 1 2 .... d 2
{) .{) . r(x, y) = dw {Ix - yl bij - d(x t - yt)(x J - yJ)}lx - yl- - (5)
x xJ t d
Insbesondere ist r harmonisch.
Wir setzen nun
J r(x,y)Llu(x)dx= J {)u
(r(x,y){)v(x)-u(x)
{)r(x, y)
{)vx )ds x (6)
M
+ J
mB~~
{)u {)r(x, y)
(r(x, y) {)v (x) - u(x) {)vx )ds x
8B(y,e)
Wir wollen nun untersuchen, was für c -+ 0 passiert. Weil Llu beschränkt
und r integrabel ist, strebt die linke Seite von (6) gegen
J r(x, y)Llu(x)dx .
n
Ferner ist auf {)B(y,c) r(x,y) = r(c) und daher für c -+ 0
J
8B(y,e)
r(x, y) {){)u (x)ds :::; dwdcd- 1r(c) sup lV'ul
V B~~
-+ 0.
Schließlich
-J 8B(y,e)
u(x) :~ (x,y)ds = r'(c) J
8B(y,e)
u(x)ds
(man beachte, daß v die äußere Normale von {)(fl\B(y,c)), also die innere
Normale von {)B(y,c) ist)
dwd~d-l J
8B(y,e)
u(x)ds -+ u(y).
Wir setzen v(x) = h(x, y) in (3) ein und addieren das Ergebnis zu (7); es
folgt
u(y) = J u(x)
ßG(x,y)
ßvx ds x + J G(x, y)Llu(x)dx. (8)
an n
Die Greensche Funktion einer Kugel B(O, R) läßt sich leicht bestimmen,
hierzu sei für y i:- 0
R2
fj := IYl2 y
G(x,y) = O.
Daher ist das durch (9) definierte G tatsächlich die Greensche Funktion von
B(O,R).
Aus (10) sieht man auch, daß G symmetrisch in x und y ist, also
G(x,y) = G(y,x),
88 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem
u(y) =
R2 -lyl2
dwd R
J Ix _ u(x)
Yld ds x . (12)
8B(O,R)
u(O) = dwd~d-l
8B(O,R)
J u(x)ds (13)
J JJ
R R
dwdpd-lu(O)dp = u(x)dsdp,
° ° 8B(O,p)
also
u(O) = Wd~d J
B(O,R)
u(x)dx. (14)
Wir beweisen nun, daß man umgekehrt durch das Randintegral in (12) eine
harmonische Funktion erhält:
( )._ {R:-J~2
u y .- 8B(O,R)
J ,:~~ld ds x für y E B(O, R)
(15)
cp(y) für y E ßB(O, R)
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 89
o
eine harmonische Funktion der Klasse C 2(B(0, R)) n CO(B(O, R)) definiert.
harmonisch in Y ist.
Es bleibt die Stetigkeit am Rande nachzuweisen.
Wir wenden (12) für u = 1 an und erhalten
Es sei nun Yo E 8B(0,R),c > 0. Weil cp stetig ist, existiert ein 6 > 0 mit
Es sei noch
lu(y) - u(Yo)1 = J I
8B(O,R)
K(x,y)(cp(x) - cp(Yo))dsxl
wobei wir für das erste Integral (16) und (17) und für das zweite (18) und die
Tatsache, daß wegen Iy - Yo I < 6 für Ix - Yo I > 26, Ix - Yl ~ 6 ist, ausgenutzt
haben.
Da IYol = R ist, können wir nun Iy - Yol so klein wählen, daß auch
2M(R2 - lyI 2)Rd - 2 c
6d < '2
wird und die Stetigkeit von u im Punkte Yo folgt. D
90 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
Beweis. Für z E {} wählen wir eine Kugel B(z,R) es {}. Dann ist für y E
o
B(z, R) nach (12)
u(y) =
R2 -Iy - zl2
dJJJd R
! u(x)
Ix _ ylddS z ,
8B(z,R)
o
und dies ist reellanalytisch in y E B(z, R). o
Satz 2 (Maximumprinzip): u E C2({}) sei harmonisch. Existiert ein xo E {}
mit
u(xo) = sup u(x) oder u(xo) = inf u(x), so ist u konstant.
zEn zEn
Insbesondere ist für alle x E {}, wenn u auf fi stetig ist,
inf u(y) ~ u(x) ~ sup u(y).
yE8n yE8n
Beweis. Es sei u(xo) = sup u(x) =: J.L, also {}p. := {y E {} : u(y) = J.L} =I- 0.
zEn
Weil u in {} stetig ist, ist {}p. abgeschlossen. Wir wenden nun für y E (}p. (14)
auf eine Kugel B(y, R) es {} an und erhalten
Hieraus folgt u(x) = J.L für alle x E B(y, R). Damit ist (}p. auch offen, und es
muß !7p. = {} gelten. 0
Korollar 2 Sind UbU2 E CO(fi)nC2 ({}) harmonisch, und ist Ul 11w = U211w
so ist Ul = U2.
Satz 3 u: {} - IR sei harmonisch, {}' es {}. Dann gilt für jeden Multiindex
a
Beweis. Mit u ist auch :;, i = 1, ... d, harmonisch, und aus (14) folgt für
B(y,R) es {}
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 91
8u(y)
8x i
1
wdRd
J 8u(x)dx -
8x i
1
- wd Rd
J u(x)vids x
B(y,R) 8B(y,R)
und hieraus
8u d
8 x-t. (y)1 ::; R
1 sup
8B(y,R)
lul
Dies ist die Beh. für lai = 1, und iterativ folgt leicht die allgemeine
Aussage. 0
Beweis. Nach Satz 3 sind alle Ableitungen einer solchen Folge (Un)nEJII auf
fl' gleichgradig stetig. Nach dem Satz von Arzela-Ascoli existiert daher eine
Teilfolge mit den behaupteten Konvergenzeigenschaften. Weil insbesondere
die zweiten Ableitungen konvergieren, ist die Grenzfunktion ebenfalls har-
monisch. 0
Eine weitere Konsequenz von Satz 3 ist der Satz von Liouville:
Beweis. u : ]Rd --+ ]R sei harmonisch, y E ]Rd. Mit u ist auch die Ein-
schränkung von u auf jede Kugel B(y, R) harmonisch. Aus Satz 3 folgt
d
IDu(y)1 ::; R sup lul· (20)
B(y,R)
Da u n. Vor. beschränkt ist, folgt mit R --+ 00 Du(y) = O. Dies gilt für jedes
y E ]Rd, und u ist folglich konstant. 0
Bemerkung. Wenn wir den Beweis von Korollar 3 analysieren, sehen wir,
daß wir die Aussage folgendermaßen verschärfen können:
Eine harmonische Funktion u : ]Rd --+ ]R mit
ist konstant.
92 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem
Unter dieser Voraussetzung strebt nämlich die rechte Seite von (20) für
jedes feste Y E JRd gegen Null, weil sie durch Rjlyl . R;' , sup lul be-
y B(O,R+lyl)
schränkt ist, und mit r = R + lyl und R -+ 00 ist der Limes superior hiervon
Null.
Wir können sogar zeigen:
Beweis. Wir wenden Satz 3 nun auf die zweiten Ableitungen von u an.
Für Y E JRd folgt wie vorher
2 (R+IYI)2 (2d)2
ID u(y)1 ::; R (R I 1)2 sup lul
+Y B(O,R+lyl)
zeigt.
Satz 5 il sei ein beschränktes Gebiet im JRd, ail E Cl (genauer braucht man
nur, daß auf il der Gaußsche Integralsatz gilt), hE C 2(il,JR) n CO(.l?,JR) sei
harmonisch und erfülle D(h) < 00. Dann gilt für alle fE C 2(il, JR)nCO(.l?,JR)
mit
die Beziehung
wobei
Beweis.
D(f) = D(h + f - h)
d
=~JL{18hI2 2 8h8 (f-h) + 18 (f-h)1 2 }d 1 d d
X ... x
2 8 x t' + 8x't 8' xt 8'
xt
n i=l
d
= ~ J?= {I :~ 12 - ~Llh(f - h) + 18(~~ h) 12 } dx 1 .•. dx d
n t=l
durch Anwendung des Gaußschen Integralsatzes. Nun ist aber nach Voraus-
setzung Llh == 0, und es folgt
D(f) ~ '12 J~ 8h 2 1 d
~18xil dx ... dx = D(h). o
n t=l
(23)
Satz 6
(i) Ist f = u + iv holomorph, so sind u und v harmonisch.
(ii) Sind f = [l ~ C,g : [l' ~ C holomorph und ist f([l) C [l' , so ist
auch gof holomorph.
(iii) Ist f : [l ~ C holomorph, h : [l' ~ IR harmonisch und ist f([l) C [l' ,
so ist hof harmonisch
94 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem
Beweis.
(i) Aus (23) u zz + u yy = v yz - v zy = 0, da f E C 2 • Mithin ist u und
ähnlich auch v harmonisch.
(ii),(iii) Dies errechnet man direkt aus der Kettenregel.
o
Korollar 5 f : C - C sei holomorph, und der Real- oder der Imaginärteil
sei durch eine Konstante nach oben oder nach unten beschränkt. Dann ist f
konstant.
Ist das kleinste n, das (ii) erfüllt, positiv, so heißt Zo Polstelle von fund
n die Ordnung dieser Polstelle.
Ein holomorphes f ist nach Satz 6(i) und Korollar 1 analytisch. Daher
sind die Nullstellen von f, sofern f nicht identisch verschwindet, isoliert und
haben eine wohlbestimmte Ordnung. Die Ordnung einer Nullstelle Zo von f
ist nämlich das größte n E N, für das
lim (z - zo)-n j(z)
z~zo
in C existiert.
Ist f holomorph, so ist das Differential
d(f(z)dz) = fzdz 1\ dz = 0,
4.10 Übungsaufgaben 4.10 - 4.14 95
J
ZI
f(z)dz
Zo
J J
ZI ZI
gilt.
b: u : [l --t IR sei eine nichtnegative harmonische Funktion, [l C IRd.
Dann existiert für jedes [l' <E [l eine nur von d, [l' und [l abhängige
Konstante C mit
supu S Cinfu.
Jl' Jl'
96 4. MinimaIßächen. Das Plateausche Problem
u(y) ~ dwd~d-l J
8B(y,R)
u{x)ds
gilt.
b: Zeigen Sie das starke Maximumprinzip für ein subharmonisches U :
n - IR : Existiert ein Xo E n mit
U{Xo) = sup U{X),
zEn
Wir kehren nun zu dem schon früher erwähnten Problem zurück, die Geo-
metrie einer Fläche möglichst weitgehend durch Messungen auf der Fläche
selbst, also allein durch die erste Fundamentalform, zu bestimmen. Anders
formuliert, handelt es sich darum, diejenigen geometrischen Größen einer
Fläche zu bestimmen, die nicht von der Einbettung der Fläche in den Raum,
also der zweiten Fundamentalform abhängen. Für diesen Zweck ist es insbe-
sondere angebracht, die Möglichkeit, daß sämtliche Messungen oder zumin-
dest sämtliche lokalen Messungen auf zwei verschiedenen Flächen zum glei-
chen Ergebnis führen, daß also die ersten Fundamentalformen zweier Flächen
übereinstimmen können, begrifflich zu fassen:
Definition 5.1 E, E' seien Flächen im ]E3,.,p : E ---t E' eine stetig differen-
zierbare Abbildung. .,p heißt Isometrie, falls .,p ein Diffeomorphismus ist und
für alle p E E, und v, w E TpE
< v,w >=< d.,p(v),d.,p(w) > (5.1)
gilt. In diesem Falle heißen E und E' (zueinander) isometrisch .
.,p heißt lokale Isometrie, falls für jedes p E E eine Umgebung a von p in
E existiert, für die .,pln eine Isometrie zwischen a und .,p(a) c E' ist. E und
E' heißen lokal isometrisch zueinander, falls jeder Punkt in E bzw. E' eine
zu einer Teilmenge von E' bzw. E isometrische Umgebung besitzt.
Für Flächenstücke läßt sich die Bedingung der Isometrie natürlich durch
eine Bedingung für eine Parametertransformation ausdrücken; f : U ---t
]E3, I' : U' ---t ]E3 seien also parametrisierte eingebettete Flächenstücke,
.,p : f(U) ---t f'(U') eine Isometrie. Dann ist cp := 1'-1 0 .,p 0 f : U ---t U'
ein Diffeomorphismus, also eine Parametertransformation, und für die ersten
Fundamentalformen gilt (z E U, v, w E Tz lR2 )
gij(V,W) = g~j(dcp(v),dcp(w)), (5.2)
(gij(V,W) bedeutet lJ,9ijViw j für v = (V 1 ,V2 ), W = (W 1 ,W 2 )) wobei (gij)
~,3
und (g~j) die 1. Fundamentalformen von f in z bzw. von f' in cp(z) sind
(i,j=1,2).
98 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
E=G=1,F=0.
Andererseits sei U' := {(x,y) =E]R2 : 0 < x < 211", -00 < y < oo},
Andererseits gilt aber auch für die 1. Fundamentalform von U als Teilmenge
der euklidischen Ebene in den Polarkoordinaten (r, ())
E = 1,F = O,G = r 2 ,
5.1 Das Gaußsche Theorema egregium 99
und f" : U ---+ I"(U) ist daher eine Isometrie zwischen U, also einem Teil der
Ebene,und dem Kreiskegel, aus dem die B = 0 entsprechende Kurve entfernt
ist.
Wir betrachten nun wieder ein Flächenstück I : U ---+ ]E3, welches wir von
nun als von der Klasse C 3 voraussetzen, und wollen die zweiten Ableitungen
von I und die ersten Ableitungen des Normalenvektors n durch lXi, Ix2, n
und die erste und zweite Fundamentalform ausdrücken. Da lXi (Z), Ix2 (z)
und n(z) eine Basis von T f (z)]E3 bilden, geht es also darum, die Koeffizienten
von Ixix2 etc. in dieser Basis zu bestimmen.
(5.4)
(5.5)
wobei
k
r ij = -21 E2 9
kl.
(9U,j + gjl,i - gij,t
)
(5.6)
1.=1
mit
{}
gU,j := {}x j gu etc.
und haben z.z., daß aij = h ij und ri~ die in (5.6) angegebene Form hat.
Zunächst durch Multiplikation von (5.7) mit lXi
(5.8)
also
und ebenso
gji,i = E rtgki + E r~9kj (5.11)
k k
gij,i = E ri~9kj
k
+ Ek rtgki . (5.12)
(5.6) ergibt sich dann unter Benutzung von (5.9) aus (5.10) + (5.11) - (5.12).
(5.5) folgt direkt aus der Definition von (hij ). 0
Satz 5.2 Für ein Flächenstück I E C 3 (U, JE3) bestehen die Gaußglei-
chungen
E(l'3~
k gkn + lk gkn,j) = 0, also l~
,3
E ln lm 9mn,3..
= - m,n
Setzt man dies in (5.16) ein, so errechnet man, daß (5.14) gleichbedeutend
mit dem Übereinstimmen der Koeffizienten von fxk in nxixj = nxjxi ist. D
Die wichtigste Folgerung aus den Gaußgleichungen ist, daß die Determi-
nante der 2. Fundamentalform und damit auch die Gaußsche Krümmung
sich aus den Koeffizienten der 1. Fundamentalform und ihren Ableitungen
berechnen läßt.
Satz 5.3 Für die Gaußsche Krümmung eines Flächenstückes f E C 3 (U, JE3)
gilt
(5.17)
Korollar 5.1 (" Theorema egregium '~: Die Gaußsche Krümmung einer Flä-
che ist invariant 'j.Lnter lokalen Isometrien.
Dies folgt direkt, weil lokale Isometrien die erste Fundamentalform und
damit auch den Ausdruck auf der rechten Seite von (5.17) invariant lassen.
D
Die Formel (5.17) und das hieraus folgende Theorema egregium müssen
als eine der wichtigsten Entdeckungen der Mathematik überhaupt angesehen
werden, weil sie in den Händen von Bernhard Riemann konstitutiv für einen
ganzen Zweig der Mathematik, die sog. Riemannsche Geometrie, und mit
dieser auch für die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins wurde.
102 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
Da es unser Ziel ist, nur geometrische Größen zu untersuchen, die allein durch
die erste Fundamentalform bestimmt sind, also unabhängig von einer Einbet-
tung in den lE3 sind, liegt es nahe, auch begrifflich auf die Einbettbarkeit zu
verzichten und beispielsweise offene Teilmengen U des ]R2 zu betrachten, die
mit einer positiv definiten, symmetrischen, differenzierbar vom Punkte z E U
abhängenden 2 x 2-Matrix versehen sind. Diese Matrix wird also die Rolle
der ersten Fundamentalform spielen.
Definition 5.2 U sei eine offene Teilmenge des ]R2. Eine Riemannsche Metrik
ist eine zweimal differenzierbare Abbildung 9 = (gij )i,j=1,2 von U in den
Raum der positiv definiten, symmetrischen, (2 x 2)-Matrizen.
Definition 5.3 U und U' seien offene Teilmengen des ]R2 mit Metriken
(gij), (g~j)' Ein Diffeomorphismus cp : U -+ U' heißt Isometrie, falls für alle
z EU, v,w E TzU
g(z)( v, w) = g' (cp(z)) (dcp( v), dcp(w)) (5.18)
gilt, also
2 .. 2 2 acpk(z) acpl(z) . .
E gdz)v'w3 = E E g' (cp(z))--.---.-v'w 3, (5.19)
i,j=l 3 i,j=1 k,l=1 kl ax' ox3
also
(5.20)
(U, (gij)) und (U', (g~j)) heißen in diesem Falle (zueinander) isometrisch.
ds 2 = . t
t,J=l
gij(x)dxidx j .
E g~e(cp(x))dykdye = E gij(x)dxidx j ,
k,e i,j
und das sog. Bogenelement ds 2 bleibt daher invariant unter Parameterwech-
seln.
Wir wollen nun unsere Begriffsbildungen global fassen.
Hierzu benötigen wir zunächst den Begriff der differenzierbaren Mannig-
faltigkeit, an der wir mit der folgenden Definition erinnern:
und genauer
Z E (U x V) n P- 1 (c) {:::::} z3 = g(zl, z2).
Unsere Karte ist also in der offenen Menge (U x V) n P- 1 (c) einfach durch
die Projektion (zl,z2,z3) I-t (ZI,z2) gegeben, mit Umkehrung (ZI,z2) I-t
(ZI,z2,g(zl,z2)). Als Untermenge des]R3 ist P-l(c) natürlich hausdorffsch
und besitzt eine abzählbare Basis der offenen Mengen. Weil alles differen-
zierbar ist, sind auch die Kartenwechsel differenzierbar, und somit ist p-l(c)
tatsächlich eine differenzierbare Mannigfaltigkeit.
Wir werden in Kürze konkrete Beispiele differenzierbarer Mannigfaltigkei-
ten kennenlernen. Wir wollen jedoch zunächst den Begriff der Riemannschen
Metrik einführen.
Die Riemannsche Metrik darf also nicht von der gerade gewählten Karte
abhängen.
Ist 9 eine Riemannsche Metrik auf U C ]R2, 'Y : [a, b] - U eine differenzierbare
Kurve, so definieren wir die Länge von 'Y durch
J
b
L("f):= (5.21)
a
J1J. gij("f(t))'~-/~dz.
b
E("f) 1
:= -2 (5.22)
t,3
a
Für ein Flächenstück f : U - ]E3 ist die Länge von 'Y also gerade die euklidi-
sche Länge von f("f) C ]E3, cf. (2.1).
Aufgrund der Transformationsformel (5.20) sind Länge und Energie einer
Kurve'Y invariant unter Isometrien. Dies bedeutet, daß wir auch die Länge
und Energie einer differenzierbaren Kurve c in einer Fläche E mit Riemann-
scher Metrik definieren können, indem wir jeweils in lokalen Karten (5.21)
bzw. (5.22) zugrundelegen. Genauer unterteilen wir für 'Y : [a, b] - E das
Intervall [a, b] in Teilintervalle [ti> ti+l]' i = 0, ... m - 1, to = a < t 1 < t2 <
... t m = b, mit der Eigenschaft, daß 'Yl[t;,tHl] jeweils ganz in einer Karte-
numgebung Ei liegt. Für 'Y1[t;,t;+l] definieren wir dann die Länge mittels der
Metrik auf Ui = zi(Ei) durch L("fI[t;,tHl]) = L(Zi("fl[t;,tHd)) und setzen
Der entscheidende Punkt ist, daß die so definierte Länge wegen der Eigen-
schaft, daß Kartenwechsel Isometrien sind, unabhängig von der Zerlegung der
Kurve und der Wahl der Karten ist.
Entsprechend läßt sich die Energie E ('Y) einer Kurve definieren.
Wir wollen nun Länge und Energie vergleichen:
Lemma 5.1 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik, 'Y : [a, b] - E eine
differenzierbare Kurve. Dann gilt
L("f)2 ~ 2(b - a)E("f), (5.23)
wobei Gleichheit genau dann eintritt, wenn 'Y proportional zur Bogenlänge
pammetrisiert ist, also
106 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
ist.
I (~ gij(r(t))1i1 j )! dt :::; (b -
a
Z,J
a)! (I ~
b
a
Z,J
gij(r(t))1 i 1 jdt )!,
und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn der Integrand konstant ist. D
Wir erinnern nun daran, daß sich jede differenzierbare reguläre (d.h.
1(t) 1= 0 in [a, b]) Kurve nach der Bogenlänge parametrisieren läßt; wir setzen
hierzu für a :::; 7 :::; b
r
S(7) := 1(~9ij1i1j)!dt
z,J
= L(rl[a,rj)
a
S(7) ist dann eine monoton wachsende Funktion mit s(a) = 0, s(b) = f :=
L(r), und weil -y regulär ist, ist s invertierbar.
-)'(s) := -Y(7(S))
ist dann die gewünschte Parametrisierung nach der Bogenlänge.
Es folgt somit aus Lemma 5.1:
Korollar 5.2 Die Kurven kürzester Länge (beispielsweise zwischen zwei vor-
gegebenen Endpunkten) sind genau die nach der Bogenlänge parametrisierten
Kurven kleinster Energie.
Statt die Länge zu minimieren, minimieren wir daher die Energie, was uns
den zusätzlichen Vorteil bringt, daß Extremalen automatisch nach der Bo-
genlänge parametrisiert sind. Ganz ähnlich sind wir schon in §4 vorgegangen,
als wir statt des Flächeninhalts das Dirichletintegral minimiert haben.
Wir erinnern nun daran, daß für ein zweimal differenzierbares Minimum
-y eines Variationsintegrals
F(r) = 1 f(r,1)dt
die Euler-Lagrange-Gleichungen
!!:.-
Bf _ Bf = 0 für alle Indizes k gelten müssen.
dt B1 k B-yk
Die Euler-Lagrange-Gleichungen der Energie E(r) sind nun (unter Ausnut-
zung von gij = gji)
5.3 Geodätische Linien 107
d . 1 ""
0= dt(E9jk(--y(t))'P(t)) - -2 E.gij,k(--y(t))-Y~(t)-YJ(t)
J ~,J
= Ej 9J"ki j + i,j
E g"k
J ,
i-yi-yj - ~2 i,j
E giJ, k-yi-yj für k = 1,2
Wir wollen uns kurz überlegen, was das Bestehen von (5.25) für eine Kurve
c = f 0 "I auf einem parametrisierten Flächenstück f : U ---+ ]E3 bedeutet. Wir
berechnen
c(t) = -yl(t)fx1(--y(t)) +-y2(t)fx2(,(t))
c(t) = i1(t)fx1 + i2(t)fx2 + -yl (t)'Yl (t)fX1x1
+ 2-yl(t)'Y2(t)fx1x2 + -y2(t)'Y2(t)fx2X2 (5.26)
= E(ij(t) + E r1l(--y(t))-yk(t)-yl(t))fx j
j k/
+ E hkl(--y(t))'Yk(t)-yl(t)n(--y(t))
k,l
mittels der Ableitungsgleichungen (5.4).
108 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
Der Koeffizient von n(')'(t)) in (5.26) ist gerade II(-Y(t),-Y(t)). Ist l-y(t) I =
1, so ist dies gerade die Normalenkrümmung des Flächenstücks in Richtung
-y( t).
Wir wollen nun annehmen, daß, und damit gleichzeitig auch c nach der
Bogenlänge parametrisiert ist, also
Dann ist
~(t) = Ic(t)1
die Krümmung der Raumkurve c(t) im E3. Da nun der Koeffizient von n
in (5.26) die Normalkrümmung ist, wollen wir den tangentialen Anteil in
(5.26) als tangentiale Krümmung interpretieren. Wir bemerken noch, daß
wegen Ic(t)1 == 1 c(t) immer senkrecht zu c(t) ist. Wir wählen nun auf
dem Flächenstück einen zu c(t) senkrechten Einheitstangentialvektor v(t) =
v( c(t)) derart, daß (c(t), v(t)) die gleiche Orientierung wie (fx1 (c(t)), fx2 (c(t)))
haben. Wir schreiben dann (5.26) als
Ist c(t) nicht unbedingt nach der Bogenlänge parametrisiert, so müssen wir
allgemeiner
schreiben. Der Faktor Ic(t)1 vor v(t) ist deshalb eingeführt, daß ~g(t) un-
abhängig von der Durchlaufgeschwindigkeit Ic(t)1 definiert ist.
Definition 5.7 Die in (5.29) definierte Größe ~g heißt geodätische oder Sei-
tenkrümmung der Kurve c(t) auf dem Flächenstück f : U --t E 3 .
Satz 5.4 Eine nach der Bogenlänge parametrisierte Kurve auf einem Flä-
chenstück im E 3 ist genau dann geodätisch, wenn ihre geodätische Krümmung
verschwindet.
Für eine reguläre Kurve ,(t) auf einer Fläche mit Riemannscher Metrik
wählen wir lokal einen zu 1'(t) senkrechten Tangentialvektor v( t) = v 1 -1zr +
2 8
vp.
Definition 5.8 Die geodätische Krümmung einer nach der Bogenlänge pa,.
rametrisierten, zweimal differenzierbaren Kurve, ist
Man beachte, daß die geodätische Krümmung nur bis auf die Wahl eines
Vorzeichens von v(t) bestimmt ist. Wie in Satz 5.4 ist eine Kurve auf E genau
dann geodätisch, wenn ihre geodätische Krümmung verschwindet.
5.4 Beispiele
K _
t
t=1
g2t(rfl,2 - rf2,1 t (rnr~2 - r~r~l»
+ m=l
- gng22 - g~2
wobei die Christoffelsymbole wie vorher durch
r;k. = 21 f g it
(gjl,k + gkl,j - gjk,t)
gegeben sind.
110 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
Nach Satz 5.3 stimmt die so definierte Krümmung für eine Fläche im JE3
mit der durch die zweite Fundamentalform definierten Gaußschen Krümmung
überein.
1 + x3 1 - (x 3 )2
= (1 _ x3)2 = e +",
2 2
1 - x3 ,
z+ 0 z=l(e,,,,) = (e 2 ! e
",2' 2 : ",2) ,
Wir werden allerdings später sehen, daß jede geodätische Linie kürzeste
Verbindung zwischen allen auf ihr genügend nahe beisammen liegenden
Paaren von Punkten ist.
2) Die projektive oder elliptische Ebene JP>2 wird dadurch gewonnen, daß
wir auf der 8 2 x und -x miteinander identifizieren. Wir führen also
auf der 8 2 die Äquivalenzrelation x '" y : {=::::> x = -y ein und setzen
JP>2 := 8 2/ '" als Menge der ÄQuivalenzklassen. Wir erhalten dann eine
Abbildung
unter der jeder Punkt des JP>2 genau zwei Urbilder hat.
112 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
(V,W)1P'2:= (d7r11(v),d7r11(w))s2.
Weil die Kartenwechsel Isometrien sind, ist dies unabhängig von der
Wahl der Karte 7r(Va).
Die Metrik ist also so gewählt, daß 7r : 8 2 -+ ]p2 eine lokale Isome-
trie wird. Weil Isometrien geodätische Linien in ebensolche überführen,
sind die geodätischen Linien des ]p2 gerade die Bilder unter 7r der
geodätischen Linien der 8 2.
Wir bemerken noch, daß sich der]p2 nicht als Untermannigfaltigkeit des
]E3 realisieren läßt. Dies werden wir später beweisen.
An diesem Beispiel sehen wir, daß der Begriff der zweidimensionalen
Riemannschen Mannigfaltigkeit eine echte Erweiterung des Begriffs der
Fläche im ]E3 darstellt.
c(t) = (cos(at+ao),sin(at+ao),bt+b o)
mit Konstanten a, b, ao, bo.
Ist a = 0, so ergibt sich eine Mantellinie, ist b = 0, eine Kreislinie,und
im allgemeinen Fall erhält man eine Schrauben kurve oder Helix.
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie 113
Ähnlich möge sich der Leser die geodätischen Linien auf einem Kreis-
kegel veranschaulichen.
Wir wollen nun ein Beispiel, nämlich die sog. hyperbolische Ebene, studie-
ren, welches nicht in den ]E3 immergiert (und übrigens auch in diesen nach
einem Satz von Hilbert, den wir hier nicht beweisen, nicht immergierbar) ist,
sondern abstrakt gegeben ist. Als Vorbereitung hierzu nehmen wir zunächst
die Formel für die Krümmung einer Riemannschen Metrik, nämlich
19 2
r 121 = 21 g 11 (g11,2 + g21,1 - g12,1
)
= 2~
1 1 11 1 g,1
r 22 = 2g (2g21 ,2 - g22,1) = -2g
r 112 = 21 g 22( 2g12,1 - g11,2 ) = -21 9
g,2
1 1 g,2
= 29 .
2 22
r 22 = 2g (2g22,2 - g22,2)
Definition 5.11 Eine Gruppe G operiert auf einer Menge X (als Transfor-
mationsgruppe), falls eine Abbildung
GxXI--+X
(g, x) 1--+ gx
mit (glg2)X = gl(g2X) für alle gI.g2 E G,x E X und ex = x, wobei e das
neutrale Element von G ist, für alle x E X gegeben ist.
Die Operation heißt transitiv, wenn zu je zwei Punkten xI. X2 E X ein
9 E G mit gXl = X2 existiert, also jeder Punkt von X durch die Operation
von G in jeden anderen überführt werden kann.
Die Isotropiegruppe eines Punktes Xo E X ist die Gruppe derjenigen
gE G, die gxo = Xo erfüllen.
az+b
gz=--.
cz+d
Da y = Im(z) > 0, kann der Nenner nie verschwinden; daher ist gz zunächst
als Punkt von C wohldefiniert. Es bleibt z.z., daß für zEH gz wieder in H
liegt. Es ist
2ilm z= az+b _ az+b = (az+b)(cz+d)-(az+b)(cz+d) (5.31)
9 cz + d cz + d Icz + dl 2
= (ad - bc)(z - z) > 0,
Icz + dl 2
da ad - bc = 1 und ~ Imz = ~z - Z > 0.
Also liegt gz in H. Daher operiert Sl(2, R) als Transformationsgruppe auf
H, wobei die Verknüpfung in der Gruppe durch Matrixmultiplikation gegeben
ist (ist
Satz 5.6 8l(2, IR) operiert als Isometriegruppe transitiv auf H. Die Isotro-
piegruppe jedes Punktes ist isomorph zu 80(2).
Dies bedeutet, daß 9 die Riemannsche Metrik invariant läßt, also isometrisch
operiert.
Um nachzuweisen, daß 8l(2, IR) transitiv operiert, zeigen wir, daß es zu
jedem wEH ein 9 E 8l(2, IR) mit gi = w gibt, daß also der Punkt i E H
durch die Operation von 8l(2, IR) in jeden anderen Punkt von H überführt
werden kann. Aus der Gruppeneigenschaft der Operation von 8l(2, IR) folgt
dann die Transitivität.
Es sei also w = u + iv E H. Mit a = fo,b = -.Jü,c = Fv,d = 0 gilt
ai + b .
ci+d = U+W.
Damit ist eine Transformation, die i in w überführt, gefunden. Als nächstes
bemerken wir, daß bei einer transitiven Operation einer Gruppe G auf einer
Menge X die Isotropiegruppen sämtlicher Punkte zueinander konjugiert sind.
Es seien Xl,X2 E X, mit X2 = gXl für ein 9 E G. Dann ist
G X2 : = {r G : )'X2 = X2} = {r E G : g-l)'gXl =
E Xl}
R ai + b =0 I ai + b =1
e.
ct+ d ' m.
ct+ d '
Satz 5.1 Die geodätischen Linien von H sind (bis auf die Parametrisierung)
Bögen von euklidischen Kreisen oder Geraden, die die reelle Achse {y = O}
senkrecht treffen.
r l l = -r22
2 2
=
1
-r21 =-.
1
y
Es ergibt sich damit für die Differentialgleichung, die eine geodätische Linie
erfüllen muß, (x = ~~, etc.)
2· . ·2·2
y
.. - -xy= ,O··+x-
x y 0
=.
y y
Ist x = 0, so ist x konstant, und wir erhalten eine Gerade, die die reelle Achse
senkrecht trifft. Ist x :/= 0, so folgt aus der ersten Gleichung
1
(x - xo)
2
+ y2 = -
2 c
erfüllt, welcher die reelle Achse senkrecht trifft. Weil man durch jeden Punkt
von H und jede Richtung in diesem Punkt eine solche Gerade oder einen sol-
chen Kreis legen kann, haben wir damit nach Satz 5.5 sämtliche Geodätischen
von H bestimmt. 0
118 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie
Beweis. Für zEH ist z + i =f. O. Daher ist 1](z) wohldefiniert. Weiter ist
Re(z - i) = Re(z + i) und für zEH, also Imz > 0, Im(z - i) < Im(z + i)
I il
und daher
z-
--. <1,
z+z
und somit 1](z) E D. Schließlich ist die Abbildung
.1+w
W ()
w =2--
1-w
zu 1] invers und bildet D nach H ab, denn es ist
Sind nun ei'Pl, e i 'P2, e i 'P3 drei verschiedene Punkte aus oD, so wählen wir
das obige 9 zu Xj = 'TJ- 1 ei'Pj, j = 1,2,3. Dann bildet 'TJogo'TJ-I ei'Pl auf 1, e i 'P2
auf ~+!, e i 'P3 auf -1 ab. Ein beliebiges Tripel verschiedener Punkte aus oD
läßt sich also durch eine konforme Abbildung von jj auf (1, ~+!, -1) abbilden.
Daher kann auch jedes solche Tripel in jedes andere überführt werden, und
Lemma 4.7 ist bewiesen.
5.6 Übungsaufgaben
L-iM
um die z-Achse erzeugten Torus und auf diesem Torus die durch die
Punkte (a+r, 0), (a-r, 0) und (a, r) erzeugten Kurven. Berechnen Sie
deren geodätische Krümmung. Welche dieser Kurven sind geodätisch?
Können Sie noch weitere geodätische Linien auf dem Torus angeben?
6. Eigenschaften geodätischer Linien.
Der Satz von Gauß-Bonnet
Satz 6.1 U C ]R2 troge eine Riemannsche Metrik, c : [a, b] ~ U sei eine
reguläre Kurve, So E (a, b). Dann existieren eine Umgebung U' c U von
c(so) und cp : V ~ U' mit den folgenden Eigenschaften (x = (xl, x 2 ) E V) :
(i) In einem So enthaltenden Intervall I ist die Kurve c(s) durch Xl =
0, x 2 = s gegeben.
(ii) Die Kurven x 2 = const: sind nach der Bogenlänge parometrisierte
Geodätische, die jede der Kurven xl = const. senkrecht schneiden,
und die Abschnitte 6 ::; Xl ::; ~2 zwischen den Kurven xl = 6 und
Xl = ~2 haben alle die gleiche Länge ~2 - ~1'
gl1 == 1,g12 == O.
Diese Geodätische existiert für Ix 1 1:::; c = c(x 2 ), und durch eventuelle weitere
Verkleinerung von I können wir annehmen, daß c > 0 unabhängig von x 2 ist.
Da die Kurve )'(x 1 ) von x 2 abhängt, schreiben wir nun statt )'(x 1 )
c(x 1 , x 2 ).
Weil die Lösung von (6.1), (6.2) differenzierbar von den Anfangswerten
abhängt, ist die Abbildung
Nun ist
g12,1 == o. (6.4)
Nun ist aber g12(O, x 2) = 0, weil die Geodätischen c(·, x5) für festes x5 wegen
(ß(0),c'(x 1)) = (v(x 1),C'(x 1)) = 0 die Kurve c(0,x 2) = c(x 2) senkrecht
schneiden. Daher ist wegen (6.4)
g12 == O.
Damit ist auch (iii) bewiesen, und (ii) ergibt sich direkt aus unserer Kon-
struktion.
Ist umgekehrt g11 == 1, g12 == 0, so ist r'A = rl1 = 0, und daher ist (6.3)
erfüllt, so daß die Kurven x 2 == const. geodätisch sind, und (iv) folgt.
Ist c(x 2) = c(O, x 2) nach der Bogenlänge parametrisiert, so ist
g22(0, x 2) == 1,
und daher auch g22,2(0, x 2) == O. Ist c(x 2) geodätisch, so gilt noch für Xl =0
a 2x k ax i ax j
--+Erk.--=o k=1,2,
(ax )2 i,j » ax 2 ax 2
2
und mit der schon vorhandenen Information folgt leicht, daß für xl = 0
sämtliche Christoffelsymbole verschwinden. 0
Xl = rcoscp,x 2 = rsincp.
Für jedes cp E (0,271') betrachten wir die Geodätische "( : [0, ro) --+ U mit
Weil [0,271') kompakt ist, kann ro > 0 hier unabhängig von cp gewählt werden.
Weil "((r) von cp abhängt, schreiben wir wieder c(r, cp) statt "((r).
Wir schreiben auch c(r,cp) = c(x 1,x2) mit Xl = rcoscp,x 2 = rsincp.
Es ist
126 6. Der Satz von Gauß-Bonnet
o _ I 2 oe or oe o<p
OxI e(x ,x ) = or oxI + o<p oxI
oe Xl oe x 2
or r - o<pr2 '
zunächst für r > o. Nun ist aber
oe(r,<p) _ oe(O,<p) o2e(0,<p) ( )
o<p - o<p + o<por r+o r,
und weil g~ (0, <p) = 0 ist, folgt, daß c auch für r = 0 stetig nach xl und
ebenso nach x 2 differenzierbar ist. Es ist nach (6.6)
o2e(0, <p) .
o<por = - sm <PVI + COS <PV2,
und somit
o (0 ) <px I sin <px I sin <px2 cos <px2
+ +
COS
~ I e ,<p = VI V2 VI - V2
uX r r r r
= VI
und ebenso
o
ox2e(0,<p) = V2·
Daher wird nach dem Satz über die Umkehrfunktion eine Umgebung von
(0,0) in ]R2 durch (Xl, x 2) f-+ c(x I , x 2) bijektiv auf eine Umgebung von Zo
abgebildet, und bezüglich der Basis VI, V2 ist die Funktionalmatrix im Punkte
(0,0) die Einheitsmatrix.
Definition 6.2 (r, <p), wie vorstehend konstruiert, wobei r der Einschränkung
0$ r $ ro unterworfen und ro so bestimmt ist, daß die Abbildung
(Xl, x 2) f-+ c(xI, x 2)
für Xl = r cos <p, x 2 = r sin <p, 0 $ r $ ro, <p E [0,271"], injektiv ist,
heißen geodätische Polarkoordinaten oder lliemannsche Normalkoordinaten
im Punkte zoo Die Kurven
r = const. heißen geodätische Kreise um zoo
Bemerkung. Wie bei ebenen Polarkoordinaten ist auch hier die Abbildung
(r, <p) f-+ e(r, <p),
mit G(r,cp) > 0 für r > 0, G(O,cp) = O. Insbesondere sind die radialen
Geodätischen cp = const. senkrecht zu den geodätischen Kreisen r = const.
Dann ist
(6.8)
Weiterhin sind nach Konstruktion die Kurven cp = const. nach der Bo-
genlänge parametrisierte Geodätische. Hieraus folgt
9rr == 1 (6.11)
g<P<P 9r<p,r = O.
Beweis. Dies folgt aus Satz 6.2 und Satz 6.1 (iv). o
Wir wollen noch weitere nützliche Formeln für Normalkoordinaten herlei-
ten:
Lemma 6.1 Wie in Satz 6.2 seien (r, cp) geodätische Polarkoodinaten in ei-
ner Umgebung eines Punktes Zo E E.
Wir setzen
Xl = rcoscp,x 2 = rsincp
und schreiben die Metrik in diesen Koordinaten als
ds 2 = g11(dx 1)2 + 2g12dx1dx2 + g22(dx 2)2.
Dann gilt für r = 0
g11 = 1 = g22,g12 = 0 (6.13)
aaX gij = 0
U
für alle i,j,k = 1,2. (6.14)
(Man vgl. die entsprechenden Aussagen im Satz 3.1.)
g12 = O.
Leiten wir (6.17) an der Stelle r = 0 nach r ab, so folgt
cos 2 cp(g11,l cos cp + g11,2 sin cp)
= sin2 cp(g22,1 cos cp + g22,2 sin cp),
woraus man zunächst durch Einsetzen von cp = 0 bzw. ~ für r =0
g11,l = 0 = g22,2
und dann
g11,2 = 0 = g22,1
gewinnt. Ableiten von (6.16c) nach r liefert dann auch an der Stelle r = 0
g12,1 = 0 = g12,2. 0
Wir wollen uns jetzt mit der Frage auseinandersetzen, wann geodätische
Linien kürzeste Verbindungen ihrer Endpunkte sind, und umgekehrt auch
nachweisen, daß kürzeste Verbindungen immer geodätisch sind.
Satz 6.3 Auf V = {(xl, x 2) : 6 S Xl S 6,1]1 S x 2 S 1]2} C ]R2 sei eine Rie-
mannsche Metrik in geodätischen Parallelkoordinaten wie in Satz 6.1 gegeben.
Dann ist jede Geodätische x 2 = const. eindeutige kürzeste Verbindung ih-
rer Endpunkte unter allen ganz in V enthaltenen Kurven mit den gleichen
Endpunkten.
i(t), t 1 S t S t2 .
eine in V enthaltene Kurve mit i(t1) = (a, x~), i(t2) = (b, x~), so ist
L(i) ~ L(,,{),
und die Ungleichung strikt, falls das Bild von i nicht mit demjenigen von "{
übereinstimmt.
130 6. Der Satz von Gauß-Bonnet
Beweis.
L(i) = 7{(d~I)2
tl
+ 922(i(t))(~:)2 } ! dt wegen g11 == 1, g12 == 0
J
t2
Hierbei ist die erste Ungleichung für i[tb t2] # 'Y[a, b] strikt. o
Bemerkung. Nach Weierstraß sagt man auch, daß die Geodätischen x 2 =
const. ein Feld von Geodätischen bilden. Für den Beweis von Satz 6.3 ist
entscheidend, daß jede der Geodätischen x 2 = const. in ein solches Feld
eingebettet ist. Der Satz bleibt nicht richtig, wenn die Geodätische nicht in ein
Feld eingebettet werden kann (Beispiel: Großkreis bögen auf der 8 2 , die länger
als ein Halbkreis sind) oder wenn man zum Vergleich auch Kurven zuläßt,
die das Feld verlassen (Beispiel: Jeder echte Teilbogen eines Meridiankreises
auf einem Kreiszylinder läßt sich in ein Feld paralleler geodätischer Bögen
einbetten. Ist er jedoch länger als ein Halbkreis, so ist er wiederum nicht
kürzeste Verbindung seiner Endpunkte).
Satz 6.4 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik. AufÜ = {(r,'P) : 0:::;
r:::; ro,
0:::; 'P :::; 211"}, einem Teil des Bildes einer Kartenabbildung, sei die Riemann-
sche Metrik in geodätischen Polarkoordinaten gegeben.
Dann ist jede radiale Geodätische 'Y(r) = {(r, 'Po), 0 :::; r :::; ro} ('Po =
const.) eindeutige kürzeste Verbindung zwischen je zwei auf ihr liegenden
Punkten im Vergleich zu allen Kurven in E.
Die Aussage von Satz 6.4 ist insofern erheblich stärker als diejenige von
Satz 6.3, als nun zum Vergleich sämtliche Kurven in E und nicht nur die
ganz in Ü verlaufenden zugelassen sind.
Beweis. Es reicht z.z., daß 'Y kürzeste Verbindung zwischen dem Ursprung
r = 0 und dem Punkt (ro, 'Po) ist, denn gäbe es zwischen irgendzwei Punkten
(rb 'Po), (r2, 'Po),
rl < r2 :::; ro eine kürzere Verbindung i, so auch zwischen diesen beiden
Endpunkten, nämlich die Vereinigung von 'Yl[o,rl],i und 'Yl[r 2,ro]. _
Wir zeigen zunächst die Kürzesteneigenschaft im Vergleich zu ganz in U
verlaufenden Kurven i(t), i(tl) = (0, 'Po), i(t2) = (ro, 'Po), tl :::; t :::; t2,
i(t) = (r(t), 'P(t)).
Wie im Beweis von Satz 6.3 ist dann
6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten 131
mit strikter erster Ungleichung, falls das Bild von i von demjenigen von "(
verschieden ist.
Nun sei i(t), tl :::; t :::; t2, eine beliebige Kurve in E mit Endpunkten
i(tl) = (O,CPo) und i(t2) = (ro,cpo). Dann existiert ein kleinstes to E (tl,t2]
°: :;
mit i(to) E ßU = {(ro, cp),
cp :::; 271"}. Es sei i(to) = (ro, cpd.
Die Kurve il[tl,tO] verläuft dann ganz in U, und nach dem schon Bewiese-
nen wissen wir
L(il[ft,to]) ~ ro,
denn die rechte Seite ist die Länge der radialen Geodätischen von (0, CPI) =
i(tl) nach (ro, CPI) = i(to)· Die Ungleichung ist strikt, falls to < t2, also falls
i das Innere von U verläßt, oder falls i nicht das gleiche Bild wie eine radiale
Geodätische hat. D
Die Argumente in den Beweisen der Sätze 6.3 und 6.4 bleiben für alle
Kurven i gültig, für die in der Riemannschen Metrik (gij)
J
d-i d-
dt dt
j
)!dt
tl
existiert, also z.B. für stückweise stetig differenzierbare Kurven. Unter sol-
chen Kurven sind also die Geodätischen lokal die Kürzesten, denn man kann
nach Satz 6.2 jeden Punkt aus E als Zentrum geodätischer Polarkoordinaten
wählen, z.B. einen der Endpunkte einer betrachteten Kurve.
Wir treffen nun die folgende
Definition 6.3 E sei Fläche mit Riemannscher Metrik. Eine Kurve "(
[a, b] -+ Eheißt rektifizierbar, falls
Lb) = sup Lb, Z) < 00,
z
wobei das Supremum über alle Zerlegungen Z von [a, b], gegeben durch to =
a < t l < ... < tk = b (k E N), mit der Eigenschaft, daß für jedes i E {I, ... k}
"((ti) im Bild geodätischer Polarkoordinaten mit Zentrum "((ti-I) enthalten
ist, gebildet wird, und wobei L( ,,(, Z) die Summe der Längen der radialen
Geodätischen in Polarkoordinaten mit Zentrum "((ti-I) von "((ti-I) nach "((ti)
ist.
Die Definition ist also ganz analog zur Definition der Rektifizierbar-
keit einer Kurve im ]Rd; es werden nur Geradenstücke im ]Rd durch kurze
Geodätische auf E ersetzt.
132 6. Der Satz von Gauß-Bonnet
Beweis. Weil die Aussage von Satz 6.4 für stückweise geodätische Kurven
gilt, überträgt sie sich durch einen Grenzübergang auch auf rektifizierbare
Kurven. Es folgt, daß alle genügend kleinen Teilstücke von, geodätisch sind.
Wegen der Kompaktheit von [a, b] existiert nämlich ein von to E [a, b] un-
abhängiges e > 0 mit der Eigenschaft, daß für
Tl = max(a, to - e) und T2 = min(b, to + e)
,(T2) im Bilde geodätischer Polarkoordinaten mit Zentrum ,(Tl) liegt. Nach
Satz 6.4 ist dann der Abschnitt '1[7"1,7"2]' welcher ,(to) enthält, geodätisch. Da
dies für jedes to E [a, b] gilt, muß , selbst geodätisch sein. 0
r. l 1 r 2 1 g,l r. 2 1 g,2
22 = -'2 g
,b 12 = 2g' 22 = 2g· (6.20)
6.2 Die Gaußkrümmung in geodätischen Koordinaten 133
ist
(6.21)
v'G(O, <p) = °
ar8 v'G(O,<p) = 1
82
8r 2v'G(O, <p) = O.
134 6. Der Satz von Gauß-Bonnet
a2
ar2 v'G = -Kv'G,
und daher existiert ~.jG für r = 0, und
r3
v'G = r - K(zohi + o(r3 ).
Nun folgt leicht
J
271"
r;::; 1l'K(zo)r3 3
i(r) = vGdcp = 27rr - 3 + o(r )
o
und
J
r
2 7rK(zo)r 4 4
a(r) = i(r)dr = 7rr = 12 + o(r )
o
und hieraus die Behauptung. D
"( : [a, b] -+ E sei eine stückweise glatte, reguläre, geschlossene Kurve, also
"((a) = "((b). Wir unterteilen [a, b] durch
derart, daß "(I [aj, bj ] für j = 1, ... k glatt ist. Der Außenwinkel Bj im Punkte
"((bj) = "((aj+l) ist der orientierte Winkel zwischen -y(bj ) und -y(aj+l), ge-
messen in (-7r, 7r].
Wir kommen zur lokalen Fassung des Satzes von Gauß-Bonnet:
Satz 6.6 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik (gij) und Krümmung
K, 1jJ : P -+ E sei ein DijJeomorphismus eines ebenen Polygons P nach E.
In P sei dann die Metrik durch (gij) dargestellt.
Bj,j = 1, ... k, seien die Außenwinkel und "'g die geodätische Krümmung
der positiv durchlaufenen Randkurve apo Dann gilt
6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel 135
J P
Kdet(gij)!dx l dx 2 + J
8P
K,g(t)dt+fBj =211".
Zur Vorbereitung des Beweises betrachten wir zunächst eine Kurve ')'(t)
in U, wobei in U geodätische Parallelkoordinaten (xl,x 2 ) gegeben seien, also
(6.23)
= (')'l(t), ')'2 (t)) sei nach der Bogenlänge parametrisiert, also (1',1')
')'(t) = 1.
Dann existiert eine Funktion cp( t) mit
. 8 sincp(t) 8
')'(t) = coscp(t) 8x l + y'g 8x 2 .
Ein hierzu senkrechter Einheitsvektor ist durch
. 8 coscp(t) 8
v(t) = - sm cp(t) 8x l + y'g 8x 2
gegeben.
(6.24)
Beweis. Es ist
K,g(t) = er l +E
k,e
r~e1'k1'e)(-sincp)
+ (')'.. 2 + E r2 ·k .e)coscp
ke')' ')' In 9
k,e yg
Daher wird
• 2
K, = sm • 1 sin2 <p ( . )
<p<p - -g 1 - - - sm<p
9 2' g
2 1 (g,l cos<p + g,2,j9
•
sin'f)
. cos <p
+cos <P<P-2" (/9)3 sm<p /9g
1 g,l sin<p cos <p
+2· --cos<p----g
2g /9/9
1 g,2 sin 2 <p cos <p
+2"g-g- /9 g
. 1 g,l .
=<p+--sm<p
2 g
. 8 r;;.2
= <p + 8x 1 yg"f D
1 1
einführen können. Es ist dann
K det(gij )! dx 1dx 2 = K ygdx 1dx 2
P P
in der Notation von (6.23), also ds 2 = (dX 1 )2 + g(dX 2)2
= - 1 82
(8x 1 )2 fgdx dx
12 (
nach 6.19)
18=1
P
=- fgdx 2 . (6.25)
8P
Wir durchlaufen 8P in positivem Sinne mit einer Bogenlängenparametri-
sierung "f(t) also (1',1') == 1. Dann erhalten wir aus (6.24) und (6.25)
1 P
K det(gij)! dx 1 dx 2 = 1
8P
cp(t)dt - 1
8P
K,g(t)dt, (6.26)
wobei cp(t) und K,g(t) stückweise stetig sind und an den Ecken von 8P Sprung-
steIlen haben. Wir unterteilen das Definitionsintervall von "f in Teilintervalle
[aj, bj ] mit bj = aj+l,j = 1, ... k - 1, derart, daß 'Yl[aj,bj] für j = 1, ... keine
reguläre glatte Kurve ist. Es ist also
1 f 1cp(t)dt.
bj
cp(t)dt =
8P aj
6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel 137
Die Sprünge cp(bj ) - cp(aHI) unterscheiden sich dann von den nega-
tiven Außenwinkeln (-Oj) jeweils um ein ganzzahliges Vielfaches von 21l'
(j = 1, .. . k).
Also ist
J
bj
(6.28)
ist.
138 6. Der Satz von Gauß-Bonnet
Insbesondere zeigt das Argument auch, daß die Beh. von Satz 6.6 für jedes
derartige Dreieck richtig ist ((6.26) - (6.28)).
Ein beliebiges Polygon P, welches nun nicht mehr unbedingt ganz in einem
System geodätischer Parallelkoordinaten enthalten sein muß, kann nun immer
in Dreiecke L1 v , v = 1, ... I, der oben beschriebenen Art zerlegt werden. Die
Anzahl der Dreiecke ist also I. Ebenso sei e die Anzahl der Eckpunkte und
k die Gesamtzahl der Kanten in dieser Zerlegung. Es ist dann
e-k+I=1. (6.29)
Dies folgt leicht induktiv, denn es gilt für ein einzelnes Dreieck und das Hin-
zufügen eines Dreiecks erhöht e und 1 um 1 und k um 2 oder läßt e gleich
und erhöht kund 1 um 1, ändert also die Wechselsumme e - k + 1 nicht. Für
jedes Dreieck gilt nun, wenn wir für die Außenwinkel
setzen,
(6.30)
Wir summieren nun (6.30) über v. Auf der linken Seite erhalten wir dann
J J
P
K+
8P
Kg ,
weil alle inneren Kanten zweimal, und zwar mit entgegengesetzter Orientie-
rung durchlaufen werden, und sich daher die entsprechenden Integrale über
K g gegenseitig wegheben. Auf der rechten Seite erhalten wir
f
E (271" + J;(aj" - 71"))
v=l 3"
Hierbei ist e' die Anzahl der inneren Ecken, k' diejenige der inneren Kanten,
und die Summen erstrecken sich über die äußeren Ecken von P, und aj :=
71" - (}j, wobei (}j die Außenwinkel sind. Nun ist e' - k' = e - k, weil die
Anzahl der äußeren Ecken gleich derjenigen der äußeren Kanten ist, und
daher erhalten wir auf der rechten Seite
Korollar 6.4 Wenn alle Kanten des Polygons P geodätisch sind, so ist
J K = Eaj + (2 - k)1I",
P
wobei aj wiederum die Innenwinkel sind und k die Anzahl der Kanten (=
Anzahl der Ecken) ist. Speziell gilt für ein geodätisches Dreieck
.t a '=1I"+JK
j=l 3
P
Wir wenden uns nun globalen Aspekten zu und treffen zunächst die folgende
Bei einer orientierbaren Fläche läßt sich konsistent festsetzen, wann eine
Basis Vl, V2 eines Tangentialraumes positiv orientiert ist. Man bezeichnet sie
nämlich als positiv orientiert, wenn sie die gleiche Orientierung wie die Ko-
ordinatenbasis -/xr,
~ haben. Weil sämtliche Übergangsabbildungen posi-
tive Funktionaldeterminante haben, ist diese Eigenschaft unabhängig von
der Wahl der Karte. Ebenso kann man dann konsistent bestimmen, wann die
Randkurve einer Teilmenge n positiv, also derart durchlaufen wird, daß. n
immer links liegt. Eine solche Festlegung war in der Gauß-Bonnet-Formel für
die Bestimmung des Vorzeichens von "'g und auch für die Orientierung der
Winkel erforderlich.
und daß der Durchschnitt der Bilder zweier verschiedener Polygone <P(P"l)
und <P(P"2) entweder leer ist oder aus einem gemeinsamen Eckpunkt oder aus
einer gemeinsamen Kante besteht.
Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, daß jede differenzierbare,
orientierte, kompakte Fläche eine solche Polygonzerlegung besitzt.
Definition 6.7 Eine Polygonzerlegung, bei der alle Polygone Dreiecke sind,
heißt Triangulierung.
Beispiel.
1. Schritt: Tritt in dem Symbol die Folge aa- 1 auf, außerdem aber
noch weitere Buchstaben, so werden die Seiten a und a- 1 identifiziert oder
"beigezogen ". Man erhält ein neues Polygon, aus dessen Symbol die Folge
aa- 1 gestrichen ist. Dies wiederholt man so lange, bis es entweder keine Folge
der Form aa- 1 mehr gibt oder bis nur noch zwei Seiten übrigbleiben, die dann
eine Folge aa- 1 bilden. Im letzteren Fall liegt schon eine Normalform vor, und
wir hören auf.
alle Ecken zur Äquivalenzklasse P gehören. Es sei a eine Seite, die eine Ecke
aus P und eine Ecke einer anderen Klasse Q enthält. In der Q-Ecke schließt
dann eine Seite b an a an, die Klasse der anderen Ecke sei R (R kann
= P oder Q sein). Nach dem 1. Schritt ist b =f. a- 1 . Wir verbinden nun die
P-Ecke von a mit der R-Ecke von b durch eine Diagonale, c genannt. Wir
erhalten ein Dreieck A mit Seiten a, b, c. Dieses Dreieck wird längs c von II
abgeschnitten und dann mit der Seite b an die Seite b- 1 von II angeklebt.
Wir erhalten so ein neues Modell II' unserer Fläche. Während Lllängs einer
Seite mit Ecken P und R an dem Rest von II befestigt und die Ecke Q frei
war, ist Ll nur längs einer Seite mit Ecken Q und R an dem Rest von II'
befestigt, während eine P-Ecke frei ist.Daher hat II', wie gewünscht, eine
P-Ecke mehr und eine Q-Ecke weniger als II.
Wir können also von jetzt an annehmen, daß alle Ecken von II äquivalent
sind.
1. Schritt
Q
:(V\
a P P
E
b P
~
2. Schritt
Q P c R
7
P~R \ c /
\ \
\
,/
/
\ /
/
,
I
\
\ b- 1 I
Q R
3. Schritt
b
c c c
a- 1 a a d- 1
/ /
/ /// //
/ /
b- 1 c- 1 c- 1
Satz 6.7 Das Symbol eines eine kompakte, orientierbare, triangulierte Fläche
repräsentierenden Polygons kann durch die vorstehend beschriebenen Umfor-
mungen auf die Form
(i) aa- 1
oder
(';';) al blaI-lb- a2 b2a2-lb-
2 ... a p bpap-lb-
1 1 1
•• 1 p
X(M) = 2- 2p.
X(M) =I-k+e.
Beweis. Wir haben im Beweis von Satz 6.6, daß für ein trianguliertes Poly-
gon II mit I' Dreiecken, k' Kanten und e' Ecken
ist. Nun sei II das in Normalform gebrachte Polygon zur Triangulierung von
M. Es werden dann im Falle p > 0 sämtliche Ecken miteinander identifiziert,
und außerdem wird jede Kante mit einer anderen identifiziert. Also
1 = I', e = e' bzw. e' - (4p - 1)
k = k' - 1 bzw. k' - 2p.D
Satz 6.8 17 sei eine kompakte, orientierte, differenzierbare Fläche mit einer
Riemannschen Metrik (gij) und einer 'I'riangulierung. Dann ist
J
IJ
Kdet(gij)!dx 1dx 2 = 271'X(17) (6.32)
J IJ
K = 271' + (2 - k)7I' = 471' - 4p7l' = 271'X(17).D
Korollar 6.6
(i) Die Eulercharakteristik einer kompakten, differenzierbaren, orientier-
baren Fläche hängt nicht von der gewählten T'riangulierung oder der
Orientierung ab.
(ii) Die Gesamtkrümmung JK einer Fläche E mit Riemannscher Metrik
E
hängt nicht von der gewählten Metrik, sondern nur vom Geschlecht
von E ab.
Beweis. Die linke Seite VOn (6.32) ist von der Triangulierung und Orientie-
rung, die rechte Seite von der Metrik unabhängig. 0
6.5 Übungsaufgaben
6.1: Versuchen Sie, ein gemeinsames Schema für die Beweise der Sätze 4.3
und 6.3 herauszufinden und abstrakt zu formulieren.
6.2:
a: Eine Fläche E mit K ~ 0 kann kein geodätisches Polygon mit nur
zwei Seiten enthalten, also ein Zweieck mit geodätischen Seiten.
b: Verallgemeinern Sie den Beweis der Aussage aus a), um zu zeigen, daß
auf einer Fläche mit Krümmung K ~ 0 zwei verschiedene geodätische
Kurven mit gleichen Endpunkten nicht stetig ineinander überführt
werden können.
6.3: Zeigen Sie, daß man die euklidische Metrik des ]E2 nicht auf einer
beschränkten, offenen Menge n so abändern kann, daß auf n die
Krümmung überall positiv ist, während die Metrik auf ]E2\n fest
bleibt. Genausowenig läßt sich auch negative Krümmung auf n er-
zielen.
Anleitung: Wenden Sie die Gauß-Bonnet-Formel auf eine kompakte
Menge an, welche den Abschluß von n im Innern enthält.
Bibliographie
An dieser Stelle soll nur noch auf einige Lehrwerke hingewiesen werden,
welche Ergänzungen und Ausblicke zum Stoff dieses Buches bieten. Ein außer-
ordentlich schönes Lehrbuch zur Differentialgeometrie bleibt nach wie vor
[B) W. Blaschke, Vorlesungen über Differentialgeometrie I, Springer,
41945
Wer sich der Mühe unterzieht, sich mit der gelegentlich etwas veralteten und
umständlichen Notation dieses Buches vertraut zu machen, wird mit einem
wesentlichen Gewinn an geometrischer Vorstellungskraft belohnt. Ein völlig
überarbeitete Neuauflage dieses Werkes wurde von Leichtweiß erstellt:
[BL) W. Blaschke, K. Leichtweiß, Elementare Differentialgeometrie, Sprin-
ger, 1973