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Springer-Lehrbuch

JürgenJost

Differentialgeometrie
und
Minimalflächen

Mit 17 Abbildungen

Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH


JürgenJost
Mathematisches Institut
Ruhruniversität Bochum
D-44780 Bochum

Mathematical Subject Classification (1991): 53-01, 53A10

ISBN 978-3-540-56904-6

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme


Jost, Jürgen: Differentialgeometrie und MinimaIflächenlJürgenJost.

(Springer-Lehrbuch)
ISBN 978-3-540-56904-6 ISBN 978-3-662-06718-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-06718-5

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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlsg Berlin Heidelberg New York 1994

Satz: Reproduktionsfertige Vorlage vom Autor mit Springer 'fEX-Makros


SPIN 10121426 4413140 - 5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier
Für Xianqing
Vorwort

Der vorliegende Text ist die etwas erweiterte Fassung einer Vorlesung, die
ich in Bochum für Mathematik- und Physikstudenten des vierten Studien-
semesters gehalten habe. Durch diese Vorlesung wollte ich die geometrische
Vorstellungskraft der Studenten schulen, sie auf anschauliche Weise zum Be-
griff der Riemannschen Mannigfaltigkeit hinführen und ihnen auch die in der
mathematischen Forschung heute so wichtige Verbindung von geometrischer
Anschauung und analytischen Methoden darstellen.
Das erste Kapitel hat eher einleitenden Charakter und behandelt die eu-
klidische Raumvorstellung und räumliche Kurven. Im zweiten und dritten
Kapitel werden Flächen im dreidimensionalen Raum behandelt und insbeson-
dere die wichtigen Begriffe der Gaußschen und der mittleren Krümmung ein-
geführt. Das vierte Kapitel behandelt die wohl wichtigste Klasse von Flächen
im Raum, nämlich Minimalflächen, also Flächen mit verschwindender mitt-
lerer Krümmung. Nach der Diskussion des Oberflächenfunktionals und einiger
Beispiele werden zunächst Verbindungen zur Funktionentheorie aufgezeigt
und die Weierstraßschen Darstellungsformeln für Minimalflächen hergeleitet.
Dann wird das Plateausche Problem gelöst, welches darin besteht, eine Mini-
malfläche zu vorgegebener Berandung zu finden. Hierfür sind Methoden der
reellen Analysis erforderlich. Insbesondere werden harmonische Funktionen
in wesentlicher Weise eingesetzt. Alle in diesem Kapitel benötigten Resultate
über harmonische und holomorphe Funktionen werden in einem Anhang ent-
wickelt. Wir stellen auch ein Resultat der globalen Differentialgeometrie vor,
nämlich den Satz von Bernstein, welcher besagt, daß es außer den Ebenen
keine über dem ganzen ]R2 definierten minimalen Graphen gibt. In den mei-
sten Lehrbüchern der Differentialgeometrie wird als Beispiel einer globalen
Aussage der Satz von Hilbert gegeben, daß man im dreidimensionalen Raum
keine vollständige Fläche konstanter negativer Gaußkrümmung realisieren
kann. Der Satz von Bernstein hat jedoch in der Entwicklung der Mathematik
eine wesentlich größere und anregendere Rolle gespielt, und so habe ich ihn,
da die Beweise von ähnlichem Schwierigkeitsgrad sind, dem genannten Satz
von Hilbert vorgezogen. Schließlich werden noch mit Hilfe des Maximumprin-
zips von Eberhard Hopf einige geometrische Aussagen über Minimalflächen
bewiesen. Dies ist die einzige Stelle des Buches, an der ich von dem Prinzip
abgewichen bin, nur aus den Anfängervorlesungen zur Analysis und Linearen
VIII Vorvvort

Algebra bekanntes Material ohne Bevveis zu vervvenden. Der Beweis dieses


Maximumprinzips ist zwar nicht übermäßig lang, paßt aber nicht recht zum
Wesen des vorliegenden Werkes und kann beispielsweise in meinem Analy-
sislehrvverk [J3] (vgl. die Bibliographie am Ende des vorliegenden Buches)
nachgelesen werden.
Das fünfte Kapitel führt über das Gaußsehe Theorema egregium, das
hochberühmte Theorem, welches besagt, daß die Gaußsehe Krümmung ei-
ner Fläche allein durch Messungen auf der Fläche selbst bestimmt werden
kann und folglich unabhängig von der Lage der Fläche im euklidischen Raum
ist, zum Begriff der abstrakten zweidimensionalen Riemannschen Mannigfal-
tigkeit. Als wichtiges Beispiel wird insbesondere die hyperbolische Ebene, das
Modell der nichteuklidischen Geometrie, ausführlich behandelt.
Im sechsten Kapitel diskutieren wir zunächst Kürzesteneigenshaften von
geodätischen Linien. Es ergeben sich gewisse Vervvandtschaften mit Überle-
gungen aus Kap. 4, wobei nun aber die Situation zwar einerseits abstrakter,
weil man keinen umgebenden Raum mehr hat, andererseits aber auch ele-
mentarer ist, weil man es jetzt mit dem eindimensionalen Variationsproblem
für Geodätische statt des zweidimensionalen für Minimalflächen zu tun hat.
Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten werden ausführlich behandelt,
und wir geben auch eine biegungs- und koordinateninvariante Deutung der
Gaußkrümmung einer Fläche. Den Abschluß bildet die Formel von Gauß-
Bonnet, das Paradigma einer globalen Beziehung zwischen Geometrie und
Topologie einer Mannigfaltigkeit. Dabei wird auch die topologische Klassifi-
kation der kompakten, orientierbaren Flächen hergeleitet.
Der durch seine Entstehung aus einer Vorlesung im wesentlichen vorge-
gebene Umfang des vorliegenden Buches bedingt, daß eine strenge Auswahl
aus dem zur Verfügung stehenden Stoff getroffen werden mußte. Ich habe
mich daher insbesondere meist auf solche Aspekte der Differentialgeometrie
beschränkt, die für Flächen, also zweidimensionale Objekte typisch sind. So
konnten leider wesentliche Begriffe der Riemannschen Geometrie wie die Par-
allelverschiebung nicht entwickelt werden. Hierzu verweise ich daher auf mein
Lehrvverk [J2] zur Riemannschen Geometrie.
Besonders am Anfang habe ich mich bemüht, den Text möglichst konkret
und anschaulich bleiben zu lassen. So habe ich insbesondere darauf verzich-
tet, eine ausführliche Erläuterung des Begriffes des Tangentialraumes an den
Anfang zu stellen, und stattdessen versucht, geometrische Einsichten mit ei-
nigermaßen geringem begrifflichem Instrumentarium zu vermitteln. Nichts-
destoweniger ist aber alles präzise definiert und bewiesen.
Wie schon gesagt, bauen auf den Kapiteln 2 und 3 zwei verschiedene
Themenkomplexe auf, zum einen die Minimalflächen in Kapitel 4 und zum
anderen die innere Geometrie der Flächen in den Kapiteln 5 und 6. Diese
beiden Themenkomplexe sind voneinander unabhängig, und so braucht auch
ihre hier gewählte Reihenfolge beim Lesen nicht eingehalten zu werden.
Vorwort IX

Bei den meisten Aussagen habe ich keine präzisen Quellenangaben gege-
ben. Diese lassen sich aber leicht in den Werken [B], [DHKW] und [N] der
Bibliographie aufspüren. Dagegen habe ich gelegentlich einige Bemerkungen
zum geistesgeschichtlichen Kontext der Entwicklung der Differentialgeome-
trie gemacht, um so auch einerseits die Anregungen und Fragestellungen aus
anderen Wissenschaften aufzuzeigen, von denen die Differentialgeometrie ih-
ren Ausgang genommen hat, und andererseits zu erläutern, daß differential-
geometrische Erkenntnisse manchmal von großer Bedeutung für andere Wis-
senschaften sind.

Ich danke Xiaowei Peng und Guido Schürmann für ihre sorgfältigen und
detaillierten Korrekturen. Armin Köllner hat die Zeichnungen erstellt, wobei
die Vorlage für die Zeichnung der Wendelftäche freundlicherweise von Eva
Maria Feichtner zur Verfügung gestellt wurde. Jost-Hinrich Eschenburg ver-
danke ich den Vorschlag, Satz 4.3 und seinen Beweis aufzunehmen. Isolde
Gottschlich danke ich besonders für den großen Elan und Enthusiasmus, mit
dem sie sich in die Details des Computersatzes mathematischer Formeln ein-
gearbeitet hat.

4. Oktober 1993, Bochum Jürgen Jost


Inhaltsverzeichnis

1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln .................. 1


1.1 Die euklidische Raumvorstellung ........................ 1
1.2 Raumkurven ......................................... 2
1.3 Die Frenetschen Formeln .............................. 4
1.4 Übungsaufgaben ...................................... 7

2. Flächen im ES; die erste Fundamentalform .............. 9


2.1 Flächenstücke und Flächen ............................. 9
2.2 Übungsaufgaben ...................................... 15

3. Die zweite Fundamentalform. Krümmung von Flächen 17


3.1 Normalenvektor, Definition der zweiten Fundamentalform 17
3.2 Die zweite Fundamentalform als Maß für die Abweichung
einer Fläche von ihrer Tangentialebene .................. 20
3.3 Krümmungsgrößen .................................... 25
3.4 Übungsaufgaben ...................................... 33

4. MinimalHächen. Das Plateausche Problem .............. 37


4.1 Erste und zweite Variation des Flächeninhaltes.
Definition einer Minimalfläche ......................... . 37
4.2 Minimalflächen in isothermen Parametern 47
4.3 Die Weierstraßschen Darstellungsformeln für
Minimalflächen ...................................... . 50
4.4 Das Plateausche Problem ............................. . 53
4.5 Existenz isothermer Parameter auf einer Minimalfläche ... . 70
4.6 Minimale Graphen. Der Satz von Bernstein ............. . 74
4.7 Das Maximumprinzip. Die Gestalt zweifach
zusammenhängender Minimalflächen ................... . 78
4.8 Übungsaufgaben ..................................... . 82
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen ..................... . 85
4.10 Übungsaufgaben ..................................... . 95
XII Inhaltsverzeichnis

5. Das Gaußsche Theorema egregium.


Die innere Geometrie von Flächen.
Zweidimensionale Riemannsche Geometrie .............. 97
5.1 Das Gaußsche Theorema egregium ...................... 97
5.2 Riemannsche Metriken ................................ 102
5.3 Geodätische Linien .................................... 105
5.4 Beispiele ............................................. 109
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie ...... 113
5.6 Übungsaufgaben ...................................... 120

6. Eigenschaften geodätischer Linien.


Der Satz von Gauß-Bonnet ............................. 123
6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten .............. 123
6.2 Die Gaußkrümmung in geodätischen Koordinaten.
Biegungsinvariante Deutung ............................ 132
6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel ......................... 134
6.4 Die Klassifikation kompakter orientier barer Flächen.
Die Gauß-Bonnet-Formel .............................. 139
6.5 Übungsaufgaben ...................................... 145

Bibliographie ........................................... 147


Sachverzeichnis ......................................... 149
1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln

1.1 Die euklidische Raumvorstellung

Der euklidische Raum E3 ist der Vektorraum ]R3, versehen mit dem eukli-
dischen Skalarprodukt, für v = (V 1 ,v2 ,v3 ),W = (W 1 ,w2 ,W3 ) E ]R3 ist also
< v,w >= v1w 1 + v 2 w 2 + v 3 w 3 • Manchmal schreiben wir zur Abkürzung
< v, w >= v . w und lvi =< v, v >! . Der E3 trägt also neben der linearen
noch eine zusätzliche metrische Struktur, welche es ermöglicht, Längen von
(genügend regulären) Kurven und Winkel zwischen differenzierbaren Kurven
sowie auch Flächeninhalte von Flächenstücken zu messen.
Der euklidische Raum ist homogen und isotrop. Die Homogenität bedeu-
tet, daß kein Punkt von einem anderen geometrisch unterschieden ist (dies
bezieht sich nicht auf die Vektorraumstruktur des ]R3, welche den Ursprung
auszeichnet, sondern auf die metrische Struktur), und die Isotropie, daß in
jedem Punkt sämtliche Richtungen geometrisch gleichwertig sind. Er ist un-
beschränkt und unbegrenzt. Der euklidische Raum E 3 gilt uns als der Raum
unserer alltäglichen geometrischen Vorstellung, und in ihm spielen sich die
den Gesetzen der Newtonschen Mechanik gehorchenden physikalischen Pro-
zesse ab. Nicht nur die Newtonsche Physik, sondern auch die als euklidisch be-
zeichnete Raumvorstellung sind allerdings historisch relativ junge Errungen-
schaften des menschlichen Geistes. Zwar ist die ebene euklidische Geometrie
schon von den alten Griechen im Umkreis der platonischen Philosophie ent-
wickelt worden, und die "Elemente" des Euklid gehören zu den berühmtesten
Büchern der Menschheit und bilden noch heute die Grundlage des Geome-
trieunterrichtes im Gymnasium, aber die räumliche Geometrie ist dort eher
nur in Ansätzen dargestellt. Überhaupt hat man sich damals wohl unter dem
Einfluß der Philosophie des Aristoteles den uns umgebenden Raum nicht als
euklidisch vorgestellt.
Aristoteles verstand nämlich den Raum nur als Ansammlung von Örtern.
Nach Aristoteles hatte jedes Ding einen ihm natürlich zukommenden Ort, zu
dem es hinstrebte, und so fiel ein losgelassener Gegenstand aus der Luft auf
den Erdboden, weil dort sein natürlicher Ort war. Eine solche Ansammlung
von Örtern ist aber völlig inhomogen, und auch nicht isotrop, da z.B. "oben"
und "unten" geometrisch ganz verschiedene Richtungen sind, und hat daher
wenig mit dem dreidimensionalen euklidischen Raum gemeinsam.
2 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln

Die Wegbereiter der euklidischen Raumvorstellung sind wohl erst die


Maler und Kunsttheoretiker der Renaissance gewesen. Sie wollten die Ge-
genstände in ihrer räumlichen Anordnung so malen, wie sie sich dem Betrach-
ter auf der Netzhaut seines Auges, also subjektiv, darstellen, und übertrugen
daher die Gesetze der Ausbreitung von Lichtstrahlen in die Konstruktion
der Linearperspektive, als deren eigentlicher Entdecker Brunelleschi gilt. So
sind ihre Bilder nach Gesetzmäßigkeiten der euklidischen Geometrie konstru-
iert, und wegen der geradlinigen Ausbreitung von Lichtstrahlen empfanden
sie auch den Anschauungsraum als euklidisch. Erst auf dieser Grundlage,
daß man sich nämlich den Raum als euklidisch vorstellt, waren die physikali-
schen Theorien von Galilei und Newton möglich, welche auf einer quantitativ-
mathematischen Basis standen und die qualitativ-logisch argumentierende
Naturphilosophie des Aristoteles ablösten.
Als dann die Nachfolger von Newton und Leibniz im 18. Jahrhundert die
Differentialrechnung weiterentwickelten, war es natürlich, die so entwickelten
Methoden auch auf Kurven und Flächen im Raum anzuwenden. Hier lie-
gen die historischen Anfange der Differentialgeometrie, und wir wollen daher
auch damit beginnen, Kurven und Flächen im euklidischen Raum zu stu-
dieren. Wir werden dann im Laufe dieser Vorlesung Begriffe und Konzepte
entwickeln, die uns in natürlicher Weise und der geschichtlichen Entwicklung
der Mathematik folgend die Voraussetzung der Realisierbarkeit unserer geo-
metrischen Studienobjekte im euklidischen Raum als unnötige Beschränkung
empfinden und daher aufgeben lassen. Übrigens haben auch die Physik und
sogar die Kunsttheorie seit mehreren Jahrzehnten die euklidische Raumvor-
stellung als zu restriktiv angesehen und überwunden.
Trotzdem bleibt das Studium von Kurven und Flächen im Raum die beste
Schulung der geometrischen Anschauung, und dies ist für uns noch mehr
als der historische Gesichtspunkt ein Grund, dieses Studium an den Anfang
dieser Vorlesung zu stellen.

1.2 Raumkurven

Wir beginnen mit den Kurven. Hierbei wird übrigens im Gegensatz zur
Flächentheorie die Dimension des umgebenden Raumes, keine wesentliche
Rolle spielen, und wir beschränken uns nur deswegen auf die Dimension 3,
um leichter an die geometrische Vorstellung appellieren zu können.
I sei ein Intervall in IR. Unter einer parametrisierten Kurve verstehen wir
eine Abbildung
c: 1-+ ]E3

der Klasse C 3 (dreimal stetig differenzierbar). Wir nehmen grundsätzlich an,


daß c regulär ist, daß also die Ableitung von c nirgendwo verschwindet.
1.2 Raumkurven 3

Wir bezeichnen t E I als Parameter, und die Ableitung von c nach dem
Parameter t schreiben wir als

c(to) = ~~ (to) für to EI.

Da uns meist nur das Bild der Kurve c(I) als geometrisches Objekt im ]E3
interessiert, erlauben wir Parametertransformationen

cp:J-+I
wobei J ebenfalls ein Intervall in R. ist, und wir verlangen, daß cp umkehrbar
differenzierbar von der Klasse C 3 ist.
c := co cp : J -+ ]E3 ist dann die durch die Parametertransformation cp
aus c hervorgegangene Kurve. Offensichtlich geht dann umgekehrt c aus c
durch die Parametertransformation cp-l : I -+ J hervor. Wir wollen Kurven
im ]E3, die durch Parametertransformationen auseinander hervorgehen, als
äquivalent ansehen. Eine solche Äquivalenzklasse (parametrisierter) Kurven
heißt unparametrisierte Kurve.

Definition 1.1 Die Länge der Kurve c: I -+]E3 ist

L(c) := J
I
Ic(t)ldt.

Lemma 1.1 Die Länge einer Kurve bleibt unter Parametertransformationen


erhalten.

Beweis.
cp:J-+I
Sl-+t(s)
sei eine Parametertransformation. Dann ist

L(c 0 cp) = J d
I ds c(t(s))lds =
J I dc dt
dt (t(s))11 ds (s)lds =
J I dc
dt (t)ldt = L(c)
J J I

nach der Substitutionsregel. o


Definition 1.2 Die Kurve c = c(t), t E I, heißt nach der Bogenlänge para-
metrisiert, wenn

Ic(t)1 == 1.

Lemma 1.2 Jede - wie immer als regulär vorausgesetzte - Kurve läßt sich
nach der Bogenlänge parametrisieren.
4 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln

Beweis. Das Lemma behauptet, daß eine Parametertransformation r.p : J -+


I mit 11sc(r.p(s))1 == 1 existiert. Wir definieren hierzu einfach s = 'IjJ(t) durch

J
t

S = Ic(t)ldt für ein to EI.


to

Weil c regulär, also 1t


= Ic(t)1 > 0 ist, ist die Beziehung s = 'IjJ(t) invertierbar,
18
und r.p = 'IjJ-l ist die gesuchte Parametertransformation, denn I c( r.p( s)) I =
1~~(r.p(s))I·I~1 = 1, da I~I = 11t1- 1 = I~~I-l. 0

Beispiele.
1) Es seien w, Wo E IRa, w#-O

c(t) := tw + Wo (t E IR)
definiert dann eine Gerade.
2) Es seien a, bE IR nicht beide gleichzeitig Null.

c(t) = (acost,asint,bt) (t E IR)

definiert dann für a = 0 eine Gerade, für b = 0 einen Kreis vom Radius
a und im allgemeinen Fall eine Schraubenlinie.

1.3 Die Frenetschen Formeln

c: I -+ ]E3 sei eine reguläre Kurve, für die

c(t) und c(t)


für alle tEl linear unabhängig sind. Wir definieren den Einheitstangenten-
vektor von c im Punkte t als

(1.1)

und den Normalenvektor als


( )._ c(t)- < el(t),c(t) > el(t)
(1.2)
e2 t .- Ic(t)- < el(t),c(t) > el(t)1
und schließlich den Binormalenvektor als

(1.3)
also denjenigen zu el(t) und e2(t) senkrechten Einheitsvektor, für den
1.3 Die Frenetschen Formeln 5

ist.
Dann ist für i,j = 1,2,3

1 füri=j)
< ei(t), ej(t) >= Oij ( = { 0 für i -I j

und durch Ableiten hieraus

(1.4)
insbesondere also

(1.5)
Außerdem ist

. ( ) _ c(t) _ < c(t), c(t) > c(t) _ () Ic(t)- < el(t), c(t) > el(t)1
el t - Ic(t)1 Ic(t)1 3 - e2 t Ic(t)1 (1.6)

zu e2(t) parallel, also insbesondere

(1.7)
Setzen wir nun

so erhalten wir

Satz 1.1 (Frenetsche Ableitungsgleichungen)

el(t) = w12(t)e2(t)
e2(t) = -w12(t)el(t) + w23(t)e3(t)
e3(t) = -w23(t)e2(t)

Es sei nun

cp:J-+I

eine orientierungserhaltende Parametertransformation, also

~~ > 0 für alle s E J.

Wir setzen c = co cp und bilden zu c entsprechende Ausdrücke wie zu c und


kennzeichnen diese durch eine Tilde rv. Weiterhin setzen wir c'(s) = fsc(s)
etc.
6 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln

Lemma 1.3 Es ist ei(s) = ei(cp(s)) und

Wij(S) Wij(t). ( ) fü' .. 12 3


jC'(s) I = Ic(t)1 mzt t = cp s r z,J = , , . (1.8)

Beweis. Daß el(s) = el(cp(s)) ist, ist klar. Weiterhin ist

c"(s)

nach der Ketten- und Produktregel eine Linearkombination von c(t) und c(t)
für t = cp(s). Weil nun el(t) und e2(t) eine Orthonormalbasis der von c(t)
und c(t) aufgespannten Ebene und el(s) und e2(s) eine solche Basis der von
c' (s) und C" (s) aufgespannten Ebene bilden, müssen dann auch e2 (s) und
e2(t) bis höchstens auf das Vorzeichen übereinstimmen. Aus ~ > 0 folgt
aber leicht, daß auch die Vorzeichen gleich sind. Aus der Definition von e3
folgt schließlich auch e3 ( s) = e3 (t).
Weiter ist

Definition 1.2 ~(t) := 'mg( heißt Krümmung der Raumkurve c : I -+

]E3, r(t) := 1~(lN Windung.

Korollar 1.1 Krümmung und Windung hängen (bis auf das Vorzeichen der
Windung) nicht von der Parametrisierung einer Raumkurve ab (das Vor-
zeichen der Windung ändert sich bei orientierungsumkehrenden Parameter-
transformationen) .

Beweis. In Lemma 1.3 haben wir bewiesen, daß Krümmung und Win-
dung bei orientierungserhaltenden Parametertransformationen erhalten blei-
ben. Bei orientierungsumkehrenden
cp: J -+ I,

also solchen mit ~ < 0 ändern el und e2 ihr Vorzeichen, so daß das Vor-
zeichen der Krümmung erhalten bleibt, während sich dasjenige der Windung
ändert. 0

Aus (1.6) folgt übrigens, daß

( ) _ < €1(t),e2(t) >


~t - Ic(t)1
stets positiv ist.
1.3 Die Frenetschen Formeln 7

Korollar 1.2 Für eine nach der Bogenlänge pammetrisierte Kurve


c: 1-+ JE3,
wobei wie immer vomusgesetzt ist, daß c und c stets linear unabhängig sind,
gilt
K(t) = Ic(t)1 (1.9)

( ) _ det(c(t),c(t), 'c(t)) (1.10)


r t - K2 (t) .

Beweis. Wegen< c(t), c(t) >= 1 ist


el(t) = c(t)
und < c(t), c(t) >= 0, also
c(t)
e2(t) = Ic(t) I'
also el(t) = Ic(t)le2(t), also (1.9), und dann
r(t) =< e2(t), e3(t) >=< e2(t), el(t) A e2(t) >
'c (t). c(t)
=< Ic(t) I ,c(t) A Ic(t) I >, also (1.10). o

1.4 Übungsaufgaben

1.1: Seien A o c an, Bo c a m offene Mengen, und F : A o -+ B o sei eine


er-Abbildung mit Rang DF = kauf Ao. Es sei a E A o und b = F(a).
Dann existieren derartige offene Mengen A C Ao und B C B o mit
a E A,b E Bund er-Diffeomorphismen G: A -+ U c an,H: B -+
V c a m , daß H oFoG-l(U) c V
und die Abbildung die folgende einfache Form besitzt

HoFoG- 1 (X 1 , ••• ,xn ) = (x 1 , ••• ,xk ,0, ... ,0).

1.2: Eine Kreisscheibe vom Radius 1 in der xy-Ebene rollt gleichmäßig


die x-Achse entlang. Die durch einen Punkt auf dem Umfang der
Kreisscheibe beschriebene Kurve heißt Zykloide.
a: Man finde eine parametrisierte Kurve Cl( : a -+ a2 , deren Spur die
Zykloide ist, und bestimme ihre singulären Punkte.
b: Man berechne die Bogenlänge der Zykloide, die einer vollständigen
Rotation der Kreisscheibe entspricht.
8 1. Raumkurven; die Frenetschen Formeln

1.3: Sei a : I ---+ ]R3 eine stetig differenzierbare Kurve und [a, b] C I ein
abgeschlossenes Intervall. Für jede Zerlegung

a=to<h< ... <tn=b


n
von [a, b] betrachten wir die Summe E la(t l ) - a(ti-dl = l(a, P),
i=1
wobei P für die gegebene Zerlegung steht. Die Norm IPI einer Zerle-
gung P ist definiert als

IPI = max(ti - ti-I), i = 1, ... ,n.


Geometrisch gesehen ist l(a, P) die Länge eines a([a, b]) einbeschrie-
benen Polygons mit Ecken a(ti). Die Übungsaufgabe soll zeigen, daß
die Bogenlänge von a([a, b]) in gewissem Sinne der Grenzwert der
Längen einbeschriebener Polygone ist.
Man beweise, daß es zu vorgegebenem e > 0 ein 8 > 0 gibt, so daß
für IPI < 8

J
b

I 1a'(t)ldt -l(a, P)I < e gilt.


a

1.4: Sei a : I ---+ ]Rn eine parametrisierte Kurve. Es sei [a, b] C I und
a(p) = p, a(b) = q(P:/: q). Man zeige:

J
b

la(b) - a(a)1 ~ la'(t)ldt,


a

d.h. die Kurve kürzester Länge von a(a) nach a(b) ist die Gerade,
die diese beiden Punkte verbindet.
1.5:
a: Man zeige, daß Krümmung und Windung einer Raumkurve in belie-
bigen Parametern gegeben sind durch

(t) = Ii:(t) " c(t)1


~ Ii:(t)1 3
r(t) = det(i:(t), c(t), 'c (t))
---;I'":-:i:(~t)""-,,--'-c(7-':t)'-;-::12~

Hier ist X " Y das Kreuzprodukt im ]E3.

b: Man berechne Krümmung und Windung der "elliptischen Schrau-


benlinie"

c(t) = (acost, bsint, ct), ab :/: 0, tE IR.


2. Flächen im E3 ; die erste Fundamentalform

2.1 Flächenstücke und Flächen

Wir wollen nun zweidimensionale Gebilde, also Flächen, im E3 betrachten.


Wir gehen zunächst analog zu 1.2 vor.
Unter einem (parametrisierten) Flächenstück verstehen wir eine injektive
Immersion (auch "Einbettung" genannt)

f: U -+ E3 ,

wobei U eine offene zusammenhängende Teilmenge des 1R2 ist. Wir fordern
hierbei zunächst, daß f von der Klasse Cl (stetig differenzierbar) ist; vom
nächsten Abschnitt an werden wir sogar verlangen, daß f von der Klasse
C 2 ist. Daß f eine Immersion ist, bedeutet, daß df(z) : T z lR2 -+ T f (z)1R 3
(die induzierte Abbildung zwischen den Tangentialräumen)l für alle z E U
injektiv ist, also immer den Rang 2 hat.
Aus rein technischen Gründen, um nämlich keine uninteressanten Sonder-
betrachtungen durchführen zu müssen verschärfen wir die Forderung, daß f
eine injektive Immersion ist, noch folgendermaßen: Es gibt eine offene Teil-
menge V des 1R2 , die den Abschluß von U enthält und auf die sich f zu einer
injektiven Immersion f : V -+ E 3 fortsetzen läßt. Falls U nicht beschränkt

1 Es sei Zo E Rn. Unter dem Tangentialraum TzoR n des Rn im Punkte Zo verstehen


wir den n-dimensionalen Vektorraum {zo} x Rn, versehen mit der Vektorraum-
struktur des Rn. Elemente sind also von der Form (zo,v) mit v E Rn, und die
Vektorraumstruktur ist durch
Al (zo, VI) + A2(zo, V2) = (zo, Al VI + A2v2)
(Al, A2 E R, VI, V2 E Rn) gegeben. Wir werden häufig vermittels der Abbildung
(zo, v) f--+ V den Raum TzoR n mit dem Rn identifizieren.
Jede differenzierbare Abbildung f : U -+ Rn, wobei U offen im R m ist, induziert
dann für jedes Xo E U eine Abbildung
df(xo) : TxoR m -+ Tf(xo)R n
(xo, v) f--+ (f(xo), D f(xo)( v)),
wobei D f(xo) die Ableitung von f im Punkte Xo, wie üblich als lineare Abbildung
aufgefaßt, ist.
10 2. Flächen im E 3 j die erste Fundamentalform

ist, soll f außerdem eigentlich sein, d.h. das Urbild jeder beschränkten Menge
soll wieder beschränkt sein.
Häufig interessiert nur das Bild f(U), nicht aber die Parametrisierung f.
Wir erlauben daher Parametertransformationen, d.h. Diffeomorphismen

cp:V-+U,
wobei V ebenfalls eine offene Teilmenge des R2 ist. j := f 0 cp ist dann das
durch die Parametertransformation cp aus f hervorgegangene Flächenstück.
Offensichtlich geht dann f umgekehrt durch die Parametertransformation
cp-l aus j hervor. Wir bezeichnen zwei durch Parametertransformationen
auseinander hervorgehende Flächenstücke als äquivalent. Dies führt zum Be-
griff des unparametrisierten Flächenstückes. Schließlich wollen wir noch eine
Fläche E C ]E3 durch die Eigenschaft definieren, daß für jedes W E E eine
derartige Umgebung V von w im ]E3 existiert, daß V n E = f(U) für ein
Flächenstück f : U -+ ]E3 ist.
Eine Fläche ist also eine zweidimensionale immergierte Untermannigfal-
tigkeit des ]E3. 2
Die metrische Struktur des ]E3 induziert nun eine metrische Struktur auf
jedem Flächenstück f : U -+ R3. Der Tangentialraum an f(U) im Punkte
f(z), Tf(z)/(U), ist nämlich im Tangentialraum des]E3 in f(z), Tf(z)]E3, ent-
halten, und den letzteren identifizieren wir mit dem ]E3 und erhalten daher auf
diesem ein euklidisches Skalarprodukt. Für v, w E Tf(z)f(U) ist also (v, w)
wie oben definiert.
e,
Wir können dies auch etwas anders interpretieren: Es seien TJ E TzU.
e
Wir identifizieren und TJ mit df(e) bzw. df(TJ) E Tf(z)f(U) und erhalten
somit ein Skalarprodukt in U :

Dieses Skalarprodukt wird als


Erste Fundamentalform I
des Flächenstücks f : U -+ ]E3 bezeichnet. Es ist wichtig, darauf hinzu-
weisen, daß dieses Skalarprodukt im allgemeinen von dem euklidischen Ska-
larprodukt auf U, aufgefaßt als Teilmenge des ]E2, verschieden ist. Die erste
Fundamentalform gibt also die Maßverhältnisse der Fläche f(U) C ]E3, nicht
aber die euklidischen Maßverhältnisse von U wieder.
Wir wollen noch einige Bezeichnungen einführen: Wir wählen Koordina-
ten x, y auf U und setzen (nach Gauss)

2 Diese Aussage ist nur nützlich für diejenigen Leser, die schon mit dem Man-
nigfaltigkeitsbegriff vertraut sind. Wir werden diese Aussage LF. nicht weiter
verwenden. Wir werden in Kapitel 5 genauer definieren, was eine Mannigfaltig-
keit ist. Eine immergierte Untermannigfaltigkeit des E3 ist dann eine Immersion
F : M -+ E3 einer Mannigfaltigkeit M in den E3 •
2.1 Flächenstücke und Flächen 11

8/ 8/ 8 8 8 8
E:= (8x' 8x)(= (d/(8x),d/(8x)}) = I(8x' 8x)
8/ 8/ 8 8
F:= (8x' [)y) = I(8x' 8y)
8/ 8/ 8 8
G:= (8y' 8y) = I(8y' 8y)
E, Fund G sind also reellwertige Funktionen auf U.
Manchmal schreiben wir auch
g11 := E,g12 := g21 := F,g22 := G,
und bezeichnen mit (gii)i,i=1,2 die zu (gii)i,i=1,2 inverse Matrix.
Schließlich sei noch
lvi := (v,v}1/2.
Es sei nun [a, b] C R, und c : [a, b] -4 /(U) eine reguläre 3 Kurve. Aus der
Definition eines Flächenstückes folgt, daß eine reguläre Kurve 7 : [a, b] -4 U
mit c = /07 existiert. Da nun c eine Kurve im E3 ist, können wir die Länge
von c berechnen:
b b

l(c) = J Ic(t)ldt = J (c(t), c(t)}1/2dt,


a a

wobei natürlich c(t) = ~~ ist.


Wie vorausgesetzt, existiert eine Kurve 7 : [a, b] -4 U mit

c = /07.
Wir schreiben 7(t) = (x(t),y(t)), also c(t) = /:c(-y(t))x(t) + /y(-y(t))iJ(t) , und
b

L(c) = JU:cx + /yiJ,/:cx + /yiJ}!dt


a
b

= J(Ex 2 + 2FxiJ + GiJ2)!dt (2.1)


a

Auf diese Weise haben wir also die Länge von c allein durch die Kurve 7
in unserem Parameterbereich U sowie die erste Fundamentalform von /(U)
ausgedrückt, ohne weiter auf die metrische Struktur des E3 Bezug nehmen zu
müssen. Dies ist eine einfache, aber wichtige Erkenntnis, und diese Erkenntnis
bildete geistesgeschichtlich gesehen eines der wichtigsten Motive zur Entwick-
lung der Differentialgeometrie. Die in dieser Vorlesung vorgestellten Konzepte

3 "regulär" bedeutet hier, daß c stetig differenzierbar ist und die Ableitung von c
nirgendwo verschwindet
12 2. Flächen im ]E3 j die erste Fundamentalform

gehen zum größten Teil auf Gauss zurück, und für ihn war die motivierende
Fragestellung diejenige der Geodäsie oder Landvermessung. Jeder Teil der Er-
doberfläche kann als Flächenstück im ]E3 aufgefaßt werden, sofern man, wie
damals üblich, den uns umgebenden Raum als euklidisch ansieht, und bei der
Landvermessung ging es dann darum, die Geometrie der Erdoberfläche allein
durch Messungen auf dieser, nicht aber im umgebenden Raum (was damals
praktisch nicht möglich gewesen wäre) zu bestimmen. Wie wir gerade gesehen
haben, lassen sich Kurvenlängen durch Messungen auf der Fläche bestimmen,
ganz in Übereinstimmung mit unserer praktischen Erfahrung. Ähnlich ist es
mit Winkel- und Flächeninhaltsmessungen, wie wir gleich kurz in Formeln
erläutern wollen. Daß sich aus diesen so offensichtlichen Erfahrungstatsa-
chen eine tiefgreifende Theorie aufbauen läßt, war eine der fundamentalen
Erkenntnisse von Gauss, und seine bedeutendste Entdeckung auf diesem Ge-
biete war, daß auch noch eine weitere Größe, die nach ihm später so genannte
Gaußsche Krümmung, sich allein durch Messungen auf der Fläche ermitteln
läßt, obwohl sie allem Anschein nach von der Lage der Fläche im umgeben-
den Raum abhängt. Solche Größen, die allein von den Maßbestimmungen auf
der Fläche, also der ersten Fundamentalform abhängen, heißen Größen der
inneren Geometrie der Fläche. Es war dann eine Erkenntnis von Bernhard
Riemann, die nicht nur für die Mathematik, sondern auch für die Physik
und die Philosophie von höchster Bedeutung war, daß sich hierauf ein von
jeder Einbettung in einen euklidischen Raum unabhängiger Begriff aufbauen
läßt, nämlich derjenige der nach ihm benannten Riemannschen Mannigfaltig-
keit, d.h. derjenige einer mit einer - geeigneten Bedingungen genügenden -
Maßstruktur, also der Möglichkeit, Längen und Winkel zu messen, versehenen
Mannigfaltigkeit. Unter topologischen Gesichtspunkten sieht eine Mannigfal-
tigkeit im Kleinen wie ein euklidischer Raum aus, nicht aber unter metrischen
Gesichtspunkten.
Alles dieses werden wir aber später noch genauer sehen, und wir kehren
zunächst zu unseren elementaren Betrachtungen zurück.
Wegen (2.1) sprechen wir auch von dem "Längenelement" ds mit
ds 2 = Edx 2 + 2Pdxdy + Gdy2 (2.2)
Dies soll ausdrücken, daß für das Bogenlängenelement der Kurve c,

J
a+t

s(t):= Ic(t)ldt
a
die Beziehung

( dS)2 = E(dx)2 2p dx dy G(dY )2


dt dt + dtdt+ dt
gilt. Insbesondere hängt der Ausdruck vom ds 2 in (2.2) nicht von der Wahl
des Parameters t auf der Kurve ab. ds 2 ergibt sich also unmittelbar aus der
Fläche f(U).
2.1 Flächenstücke und Flächen 13

Sind Cl, C2 : [a, b] --t I(U) zwei reguläre Kurven auf I(U), die sich im
Punkte CI(tO) = C2(tO) schneiden, so ist der Schnittwinkel () durch
() _ < Cl (to), C2(tO) >
cos - IC1(to)I.lc2(to)1
gegeben. Ist ähnlich wie vorher Ci = 10 'Yi, 'Yi(t) = (Xi(t), Yi (t)) , i = 1,2, so
ist
EXlX2 + F(xdJ2 + X2Yl) + GYdJ2
cos () =--------~~--~~--~~--~~----~ (2.3)
(Ex~ + 2FxlYl + Gyni(Ex~ + 2Fx2Y2 + Gy~)!
(ausgewertet in to).
Insbesondere ist der Winkel im Punkte (xo, Yo) zwischen den Kurven
I(t, Yo) und I(xo, t) durch
< Ix, I y > F ( . ( »
cos() = I/xl'l/yl = VEG ausgewertet m Xo,Yo
gegeben. Unsere Parametrisierung ist also genau dann orthogonal in dem
Sinne, daß der Winkel zwischen den Parameterkurven 1(-, Yo) und I(xo,')
stets ein rechter ist, wenn F == 0 ist.
Es sei nun S eine beschränkte und meßbare Teilmenge von U. Der
Flächeninhalt von I (S) ist dann das Integral

A(S):= Js
I/x /\ Iyldxdy.

Der Transformationssatz für mehrfache Integrale zeigt, daß dieser Ausdruck


nicht von der Wahl der Parametrisierung abhängt. Aus der Regel

I/x /\ l y l 2+ < Ix, I y >2= I/xl 2. I/yl2


folgt

I/x /\ Iyl = VEG - F2,


also

A(S) = J(EG - F 2 )idxdy. (2.4)


s
Wir wollen noch bemerken, daß man sich bei der Bestimmung von Längen
und Flächeninhalten auf unserer Fläche leicht von der Einschränkung befreien
kann, daß sich diese als Bild einer einzigen Parameterumgebung U C ]R2
darstellen lassen. Weil sämtliche Ausdrücke allein durch die Geometrie auf
I(U) bestimmt sind, müssen sie unter Parametertransformationen invariant
bleiben und lassen sich daher für beliebige stetig differenzierbare Unterman-
nigfaltigkeiten des ]E3 erklären.
14 2. Flächen im JE3 j die erste Fundamentalform

Wir wollen noch die Formel für das Transformationsverhalten der ersten
Fundamentalform explizit aufstellen:
'IjJ: V -+ U sei Parametertransformation, (x, y) = 'IjJ(e, 'fJ). Die Koeffizien-
ten der ersten Fundamentalform von j = f 0 'IjJ seien mit E, F, G bezeichnet.
Dann ist

< jf" jf, >=< fxxf, + fyYf" fxxf, + fyyf, > etc.
und daher
- - - 2 2
E =< ff" ff, >= Exf, + 2Fxf,Yf, + Gyf,
F = EXf,x1J + F(xf,Y1J + X1Jye) + GYf,Y1J (2.5)
- 2 2
G = EX1J + 2Fx1JY1J + GY1J
oder mit x = (x 1,X2) = 'IjJ(e),e = (e,e) etc.

9kl(e) = L gij('IjJ(e))X~k~l (2.6)


i,j=l
Schließlich wollen wir noch bemerken, daß, weil das euklidische Skalarprodukt
unter euklidischen Isometrien, also Drehungen, Spiegelungen und Translatio-
nen des ]E3, invariant ist, für jede Isometrie I des ]E3 die ersten Fundamen-
talformen von f(U) und 10 f(U) einander gleich sind.

Beispiele.
1) Wir betrachten die Einheitssphäre

Weil wir Winkelparameter wählen wollen, schreiben wir statt x, Y lieber


<p,8 :
f(<p,8) = (cos8cos<p,cos8sin<p,sin8)
mit 8 E [-~,~l,<p E [0,211"].
Allerdings ist die Parametrisierung hierbei für 8 = ±~ nicht regulär.
Setzen wir U = (- ~, ~) x [0,211"] (oder, um ein offenes U zu haben,
U = (-~,~) x IR), so ist

f(U) = S2\{(0, 0, ±1)},


also S2 ohne Nord- und Südpol.
2.2 Übungsaufgaben 15

Es ist
10 = (- sinOcoscp, - sin 0 sin cp, cos 0),
JCP = (- cos 0 sin cp, cos 0 cos cp, 0),
und daher

E =< JCP' JCP >= cos 2 0, F =< JCP' Je >= 0, G =< Je, Je >= 1
2) Für 0 < r < a betrachten wir den Torus T, gegeben durch J(O,cp) =
((a + rcoscp)cosO,(a + rcoscp)sinO,rsincp). Wählen wir (O,cp) aus
lR. x lR., so wird T durch J unendlich oft überdeckt; wählen wir (0, cp)
aus (0,271") x (0,271"), so wird er nur bis auf einen Meridian und einen
Parallelkreis überdeckt. Es gilt hier
JCP = r( - sin cp cosO, - sin cp sin 0, cos cp)
Je = (a + r coscp)( - sin 0, cos 0, 0),
also
E = (a + rcoscp)2,F = O,G = r 2.
Für den Flächeninhalt erhalten wir

JJ JJ
271" 271" 271" 271"

A(T) = J EG - F 2dcpdO = r( a + r cos cp )dcpdO = 471"2ra.


o 0 0 0

2.2 Übungsaufgaben

2.1: Man berechne die ersten Fundamentalformen der folgenden parame-


trisierten Flächen dort, wo sie regulär sind:
a: X(u, v) = (a sin u cosv, bsin usin v, ccosu); Ellipsoid.
b: X(u,v) = (aucosv,businv,u 2); elliptisches Paraboloid.
e: X(u,v) = (aucoshv,businhv,u 2); hyperbolisches Paraboloid.
d: X (u, v) = (a sinh u cos v, bsinh u sin v, c cosh u); zweischaliges Hyper-
boloid.
2.2: Man zeige, daß der Flächeninhalt A eines beschränkten abgeschlos-
senen Gebietes R der Fläche z = J(x, y)

A= JJVI + n + J~
Q
dxdy

ist, wobei Q die senkrechte Projektion von R auf die xy-Ebene ist.
16 2. Flächen im JE3 j die erste Fundamentalform

2.3:
a: Die Koordinatenkurven einer Parametrisierung X (u, v) bilden ein
Tschebyscheff-Netz, wenn die Längen gegenüberliegender Seiten ei-
nes beliebigen von ihnen gebildeten Vierecks gleich sind.
Man zeige: Eine notwendige und hinreichende Bedingung dafür ist

oE = oG =0
ov ou .
b: Man beweise, daß, wenn die Koordinatenkurven ein Tschebyscheff-
Netz bilden, es möglich ist, die Koordinatenumgebung so umzupara-
metrisieren, daß die neuen Koeffizienten der ersten Fundamentalform

E = 1,F = cos(),G = 1
sind, wobei () der Winkel zwischen den Koordinatenkurven ist.
3. Die zweite Fundamentalform.
Krümmung von Flächen

3.1 Normalenvektoren,
Definition der zweiten Fundamentalform

Es sei wiederum f : U --+ E3 ein parametrisiertes Flächenstück. Wir verlangen


von nun an, daß f von der Klasse C 2 ist. x und y seien wiederum Parameter
auf U. Der Einheitsnormalenvektor an f(U) ist dann durch

n '- .,;:.f~x_/\....;f~y~
.- Ifx /\ fyl

gegeben. Wir bemerken, daß n nur unter orientierungserhaltenden Umpa-


rametrisierungen, also solchen mit det dcp > 0, invariant ist. Ist dagegen cp
orientierungsumkehrend, also det dcp < 0, so hat der Einheitsnormalenvektor
von f 0 cp das umgekehrte Vorzeichen wie derjenige von f. Diese Tatsache
wird jedoch erst später, wenn wir zu globalen Betrachtungen übergehen, eine
Rollen spielen.

Definition 3.1 Die Abbildung

n :U --+ 8 2 C E3 ,

die z E U den Einheitsnormalenvektor an f(U) im Punkte f(z) zuordnet,


heißt Gaußabbildung von f.

Hierbei haben wir den Tangentialraum Tf (z)R3 wiederum mit dem R3


identifiziert. Da die Länge von n zu 1 normiert ist, liegt n(z) dann in der
Einheitssphäre 8 2 •
Die Gaußabbildung wird auch als sphärische oder Normalenabbildung
bezeichnet.
Wenn wir n als Abbildung interpretieren, die jedem z E U einen Vektor
aus T f (z)R 3 zuordnet, so haben wir das Einheitsnormalenvektorfeld definiert.
Genauso ordnen auch ~ und U jedem z E U einen Vektor aus Tf(z)!(U) C
Tf(z)R3 zu. Vektorfelder, deren Werte in Tf(z)f(U) liegen, heißen tangentiale
Vektorfelder.
18 3. Die zweite Fundamentalform

tangentiale Vektorfelder Normalenvektorfeld

v E T f (z)lR,3 ist nUn genau dann ein Tangentialvektor, also in Tf(z)!(U) ent-
halten, wenn

< n(z),v >= 0


ist.
Wir betrachten nun die Abbildung dn :

dn(z) : T z lR 2 ---> T f (z)1R 3 ,

wobei wir nun T n (z)1R 3 mit T f (z)1R 3 identifiziert haben, um wieder Vektorfel-
der zu bekommen.

Lemma 3.1
an an
< n, ox >= 0 =< n, oy >

Beweis. Dies folgt durch Differentiation VOn

< n,n >= 1. o

~~ und ~~ sind also wieder Tangentialvektoren.

Definition 3.2

heißt
Zweite Fundamentalform von f.
Die zweite Fundamentalform ist offensichtlich bilinear und wegen
3.1 Normalenvektoren 19

8 8 8n 8J
II(8x' 8y) = - < 8x' 8y >
82 J 8J
=< n, 8x8y > wegen < n, 8y >= 0
8n 8J 8J
=-<-,->
8y 8x
wegen < n, 8x >= 0
8 8
=II(-,-)
8y 8x
auch symmetrisch.
Wir werden auch die folgenden Bezeichnungen verwenden
8 8
L = h l l = II(-, - )
8x 8x
8 8
M = h l2 = h21 = II(-,-)
8x 8y
8 8
N = h 22 = II(-,-)
8y 8y
Mit Xl = x,x2 = Y ist wie beim Beweis der Symmetrie von II
(3.1)
Im Gegensatz zur ersten Fundamentalform hängt nun die zweite nicht nur von
der Geometrie auf der Fläche, der inneren Geometrie, sondern auch von der
Lage der Fläche im Raum ab, der äußeren Geometrie, welche die Änderung
des Normalenvektors bestimmt.
Wir betrachten wiederum die Beispiele der Einheitssphäre 8 2 und des
Torus T.
1) Für den Normalenvektor der 8 2 bekommen wird

n(cp,O) = I~: ~~:I = (cosOcoscp,cosOsincp,sinO) = J(cp,O),

also II = - < dn,dJ >= - < dJ,dJ >= -1.


Erste und zweite Fundamentalform stimmen hierbei also bis aufs Vor-
zeichen überein. Dies ist auch anschaulich klar, denn die Gaußabbildung
bildet jeden Punkt der 8 2 auf sich selbst ab.
2) Für den Normalenvektor des Torus erhalten wir

n(O, cp) = (cos cp cos 0, cos cp sin 0, sin cp).


Der Normalenvektor von T ist also in unserer Parametrisierung der
gleiche wie der Positionsvektor der 8 2 , und mit den Rechnungen für die
8 2 erhalten wir daher direkt die Formeln für n9 und n",.
20 3. Die zweite Fundamentalform

Es ergibt sich:
L = - < no,!o >= -coscp(a + rcoscp)
M = - < no,!rp >= 0
N = - < nrp,!rp >=-r
Es gilt dann
d et 11 = LN - M 2 = r cos cp ( a + r cos cp ) > 0 fu"r - '2
7r < cp < '2'
7r

also auf der Außenseite,


d 11 0 f " 7r 37r
et < ur '2 < cp < 2'
also auf der Innenseite, und

detII =0 für cp = ±~,


also auf dem Ober- und Unterkreis des Torus.

3.2 Die zweite Fundamentalform als Maß für die


Abweichung einer Fläche von ihrer Tangentialebene

Wir wollen uns eine geometrische Vorstellung von der zweiten Fundamental-
form verschaffen und beweisen hierzu

Lemma 3.2 ! : U --. ]E3 sei ein Flächenstück, Zo E U. Dann gibt es eine
derartige Umgebung Uo von zo, daß für alle z E Uo mit den Bezeichnungen
z = (zl, z2),
Zo = (z6,z3),xi := !Zi(ZO) (i = 1,2),no:= n(zo)
!(z) - !(zo) = (zl - zJ)X1 + (z2 - Z5)X2 + rJ(z)no + o(lz - zol)X1 (3.2)
+ o(lz - zol)X2
gilt, wobei rJ(zo) = 'TJzi(zo) = 0 (i = 1,2) und
'TJzizj(ZO) = hij(zo) (3.3)
ist.
3.2 Die Abweichung einer Fläche von ihrer Tangentialebene 21

(3.2) stellt f(uo) (approximativ) als Graph über der Tangentialebene im


Punkte f(zo) dar. Die Höhenfunktion ", beschreibt den Abstand zwischen f(z)
und dieser Ebene. (3.3) drückt dann aus, daß die zweite Fundamentalform
beschreibt, wie f sich von seiner Tangentialebene "wegkrümmt".

Beweis. Wenn wir im Punkte Zo die Taylorentwicklung von f betrachten,


so ist

f(z) - f(zo) = (Zl - ZJ)fZl(ZO) + (z2 - z5)fz2(zo) + ~(zl - zJ)2fz1Z1(ZO)


+ (zl - ZJ)(z2 - Z5)fz1z2(ZO) + ~(z2 - z5)2fz2z2(ZO) + o(lz - zOI2).
Mit ",(z) :=< f(z) - f(zo), no > folgt dann aus der Def. von hij die Behaup-
~ 0

Ist Yb Y2 eine beliebige Basis von Tj(zo)f(U) (z.B. Yi = Xi, i = 1,2), so


können wir, weil dann Y1 ,"1'2, n eine Basis von T j (zo)R.3 ist, auch

f(z) - f(zo) = et(z)Y1 + e(z)Y2 + v(z)no


schreiben. Da
2 of,k
fz'(zo) = L ozi (ZO)Yk (i = 1,2)
k=l

ist, existiert eine Parametertransformation (nach eventueller Verkleinerung


von Uo)
cp: Va -+ Uo, cp(f,) = z(f,) (die Umkehrabbildung von f, = f,(z))

mit der Eigenschaft, daß für 1 = f 0 cp und f, E Va, cp-l(ZO) = 0


1(f,) - 1(0) = etY1 + eY2 + v(f,)no (3.4)

gilt, wobei wieder v(O) = 0 = v~. (0), i = 1,2 und

v~'~j (0) = hij (0) (2. Fundamentalform von 1 : Va -+ JE3) (3.5)

gilt. Ist Yi = fz'(zo), so ist hij(O) = hij(zo).


1
Durch (3.4) ist nun lokal als Graph über der Tangentialebene im Punkte
1(0) dargestellt.
Aus (3.4) und (3.5) folgt, daß nach einer Parametertransformation f lokal
auf die Gestalt
22 3. Die zweite Fundamentalform

2 2
j((.) - j(O) = Leij~i(O) + ~ L hij(O)eiejno + o(leI 2 ) (3.6)
i=l i,j=l
gebracht werden kann. ("nach einer Parametertransformation " heißt, daß wir
die Schlange rv weglassen)
Wir betrachten die quadratische Funktion
2

Q(e) := ~ L hij (O)eie j ·


i,j=l
Ist det hij (0) > 0, so beschreibt Q ein elliptisches Paraboloid, und j heißt im
Punkt j(O) elliptisch, ist det hij (0) < 0, so beschreibt Q ein hyperbolisches
Paraboloid, und j heißt in j(O) hyperbolisch, und ist det h ij (0) = 0, aber
(hij(O)) f; 0 in Vo, so stellt Q einen parabolischen Zylinder dar, und j heißt
in j (0) parabolisch.

elliptisch

hyperbolisch
3.2 Die Abweichung einer Fläche von ihrer Tangentialebene 23

parabolisch

Satz 3.1 Jedes Flächenstück läßt sich in einer genügend kleinen Umgebung
eines Punktes Wo durch Umparametrisierung auf die Gestalt
2 2
f(x) - f(O) = L xiei + ~ L hij(O)xixjno + o(lxI 2 )
i=l i,j=l

bringen, wobei Wo = f(O), eb e2 eine Orlhonormalbasis von Tf(o)f(U) (f :


U --+ ]E3, x E U) und no ein Normaleneinheitsvektor an f(U) in f(O) ist.
Für die Metrik gilt dann

9ij(0) = Dij
8
8xkgij (0) = 0 für i,j, k = 1,2.

Beweis. Die behauptete Darstellung folgt durch Umbenennung aus (3.6), da


wir nach den Überlegungen die zu (3.6) führten, fei (0) als beliebige Basis von
Tf(o)f(U), insbesondere also als Orthonormalbasis wählen können. Weiter
gilt
2
9ij(X) =< fxi (x), fx j (x) >=< ei + L hik(O)xkno + o(lxl), ej
k=l
2
+L hjl(O)xlno + o(lxl) >
l=l
=< ei, ej > +o(lxl),
weil no zu el und e2 senkrecht ist.
Hieraus folgt unmittelbar die zweite Behauptung. o
Wir bemerken noch als Konsequenz aus (3.6)

Korollar 3.1 Ist f(O) elliptisch, so liegt f(Vl ) in einer Umgebung Vl von 0
ganz auf einer Seite der Tangentialebene im Punkte f(O). Ist f(O) dagegen
hyperbolisch, so trifft f(Vl ) in jeder Umgebung Vl von 0 beide Seiten dieser
Tangentialebene.
24 3. Die zweite Fundamentalform

Im parabolischen Fall muß man La. Glieder höherer Ordnung heranziehen,


um eine entsprechende Aussage machen zu können.

Q(~) = ±1
ist die Gleichung eines Kegelschnittes (oder eines Geradenpaares), der als
Indikatrix von Dupin bezeichnet wird. Im elliptischen oder hyperbolischen
Fall vermittelt dieser Kegelschnitt um den Ursprung als Mittelpunkt eine
Vorstellung von den Schnittlinien der Fläche j(U) mit Parallelebenen der
Tangentialebene Tf(o)j(U) mit kleinem Abstand.
Korollar 3.1 erlaubt die folgende Umkehrung, welche ebenfalls direkt aus
(3.6) folgt:

Korollar 3.2 Liegt j(V) in einer Umgebung V von 0 ganz auj einer Seite
der Tangentialebene in j(O), so ist j(O) elliptisch oder parabolisch.

Man kann die Aussage auch folgendermaßen verschärfen:

Korollar 3.3 j, l' : U ---+]E3 seien zwei Flächenstücke; es gelte j(O) = 1'(0),
und die bei den Flächen mögen in diesem Punkt auch die gleiche Tangential-
ebene haben. Mit Bezeichnungen wie in (3.4) seien

j(~) - j(O) = eY + eY + v(~)no,


1 2

1'(~) - 1'(0) = eY + eY + v'(~)no.


1 2

Die beiden zweiten Fundamentaljormen seien (hij ), (h~j).


Dann gilt:
(i) Ist für alle ~ E U v(~) ~ V'(~), so ist für alle X = (Xl, X 2) E ]R2

2 2
L hij(O)XiX j ~ L h~j(O)XiXj.
i,j=l i,j=l

(ii) Ist jür alle X E ]R2

2 2
L hij(O)XiX j > L h~j(O)XiXj,
i,j=l i,j=l
so existiert eine Umgebung V von 0 mit

v(~) > V'(~) für alle ~ E V.

Der Beweis folgt wiederum direkt aus (3.4) - (3.6).


3.3 Krfunmungsgrößen 25

3.3 Krümmungsgrößen

Wir betrachten nun eine Kurve c(t) = j 0'Y(t) auf j(U). Wir nehmen an, daß
c nach der Bogenlänge parametrisiert ist, also

Ic(t) I = 1,
und daß c(t) und c(t) linear unabhängig sind. Dann ist im Punkte c(t) das
Frenetsche Dreibein (el(t), e2(t), e3(t)) definiert (el(t) = c(t), e2(t) = I~ml'
e3(t) = el(t) 1\ e2(t)) , und die Krümmung K(t) ist durch
c(t) = el (t) = K(t)e2(t)
bestimmt (vgl. 1.3).

Satz 3.2 Unter den obigen Vomussetzungen gilt

II(c(t),c(t)) = K(t) < n(t),e2(t) >.

(II(c(t),c(t)) := II(i'(t),i'(t)) mit c = j °'Y wie oben; wir identifizieren


e
also wie üblich einen Tangentialvektor an U mit dj(e).)

Beweis.
II(c(t), c(t)) = - < n(t), c(t) > (Zur Abkürzung ist hier
n(t) = n(-y(t)) gesetzt)
=< n(t), c(t) > wegen < n(t), c(t) >= 0
= K(t) < n(t), e2(t) >
o
Als Schmiegebene einer Kurve wird die von el(t) und e2(t), also von c(t)
und c(t) aufgespannte Ebene bezeichnet (die obigen Voraussetzungen mögen
weiter gelten). Es folgt der Satz von Meusnier:

Korollar 3.4 Ist cp E [0, ~l der Winkel zwischen der Flächennormalen n und
der Schmiegebene von c, so ist

III(c(t), c(t)) I = K(t) cos cp(t).


Ist insbesondere cp < ~, so ist

K(t) = III(c(t), c(t))l.


coscp(t)

Wir bemerken, daß eine entsprechende Aussage auch im Falle c(t) = 0


gilt; dann ist nämlich nach dem Beweis von Satz 3.2
26 3. Die zweite Fundamentalform

II(c(t) , c(t)) = O. (3.7)


1\;(t) hängt also nur von c( t) und dem Winkel zwischen n und der Schmiege-
bene von c ab. Alle Kurven auf j(U) durch j(z) mit der gleichen Richtung
und der gleichen Schmiegebene haben also dieselbe Krümmung. Insbeson-
dere genügt es, um die Verteilung der Krümmung der Flächenkurven in ei-
nem Flächenpunkt kennenzulernen, die Schnitte der Fläche mit Ebenen zu
untersuchen.
Es sei wieder c = j 0 'Y eine Kurve mit Ic(t)1 = 1, für die c(t) und c(t)
linear unabhängig sind. Gilt für t = to

wobei wie oben e2(to) = I~~~~~I ist, so sagen wir daß c im Punkte c(to) im
Normalschriitt liegt.
Es ist dann nach Korollar 3.4

III(c(to) , c(to)) I = I\;(to)· (3.8)

Definition 3.3 j : U - t ]E3 sei ein Flächenstück, X E TzU, lXI = 1. Die


Normalkrümmung im Punkte j(z) in Richtung X ist dann
I\;x = II(X, X).

Offensichtlich ist I\;-X = I\;x·


Um sämtliche Normalkrümmungen im Punkte j(z) zu bekommen, reicht
es nach den obigen Überlegungen aus, sämtliche Schnitte von j(U) mit Ebe-
nen durch j(z) zu betrachten, die den Normalenvektor n(z) enthalten. Ein
solcher Schnitt liefert nämlich in einer Umgebung von j(z) eine Kurve c(t);
es sei j(z) = c(to). Ist c(to) = 0, so ist nach (3.8)
II(c(to),c(to)) = o.
Andernfalls parametrisieren wir c(t) nach der Bogenlänge. Die Schmiegebene
von c ist dann gerade die Ebene, mit der wir j(U) schneiden, und nach
(3.8) ist dann die Normalkrümmung im Punkte j(z) (bis aufs Vorzeichen)
die Krümmung I\;(to) der Kurve c im Punkte j(z) = c(to).
Ist X E TzU beliebig (X t- 0), so können wir auch
II(X,X)
I\;x = I(X,X) (3.9)

setzen. Es gilt dann für A t- 0

I\;>..x =I\;x· (3.10)

Definition 3.4 Die Hauptkrümmungen von j(U) im Punkte j(z) sind das
Maximum und das Minimum von I\;x für XE TzU, X t- O. Ein XE TzU mit
3.3 KrÜßlmungsgrößen 27

I(X,X) = 1, für das ein Maximum oder Minimum angenommen wird, heißt
Hauptkrümmungsrichtung.

Weil {X E TzU : I(X,X) = 1} kompakt und KX homogen ist, werden


natürlich Maximum und Minimum von K immer auf dieser Menge angenom-
men. Wir beweisen nun den Satz von Rodriguez.

Satz 3.3 Hauptkrümmungen und HauptkTÜmmungsrichtungen von f(U) im


Punkte f(z) sind genau die Eigenwerte und Eigenvektoren der Länge 1 der
Weingartenabbildung

L(z) := -dn(z) 0 df(z)-l : TzU --+ TzU.

Beweis. Wie schon bemerkt, werden wegen der linearen Homogenität von
KX Maximum und Minimum auf der Menge der X E TzU mit I(X, X) = 1
angenommen. Weil I und I I symmetrisch sind, gilt mit (3.9)
d
dXKX = 0

{::} I1(X, Y) - KxI(X, Y) = 0 für alle Y E TzU


{::} - < dn(X), df(Y) > -KX < df(X), df(Y) >= 0 für alle Y
{::} -dn(X) - Kxdf(X) = 0, weil df
maximalen Rang hat
{::} L(z)X = KXX
o
Korollar 3.5 Ist im Punkte z I I zu I proportional, so ist jedes
X E TzU (I(X, X) = 1) Hauptkrümmungsrichtung.
Andernfalls gibt es genau zwei HauptkTÜmmungsrichtungen, und diese
sind bzgl. I und bzgl. I I zueinander orthogonal.

Beweis. Die erste Aussage ist klar. Sind die beiden Hauptkrümmungen Kl
und K2 voneinander verschieden, so gilt für entsprechende Eigenvektoren von
L(z) nach (3.11)

K1I(X b X 2 ) = I1(Xb X 2) = I1(X2, Xt} = K2 I (X2, Xt},


o
Weil I und 11 unter (orientierungserhaltenden) Parametertransformati0-
nen und Translationen und Drehungen des ]E3 invariant sind, gilt dies auch
für die Hauptkrümmungen von f(U), und damit ebenfalls für die folgenden
Krümmungsgrößen.
28 3. Die zweite Fundamentalform

Definition 3.5 j : U -+ ]E3 sei Flächenstück, z E U, ~l und ~2 seien die


Hauptkrümmungen von j(U) im Punkte j(z). Die Gaußsche Krümmung von
j(U) im Punkte j(z) ist dann

und die mittlere Krümmung ist

Lemma 3.3 Es ist

K(z) = detL(z) = det(h ij ) = LN - M 2 (3.12)


det(gij) EG - F2
2
1 1 '" .. 1 EN - 2FM + GL
H(z) = 2 spur L(z) = 2 ~ hijgtJ = 2 EG _ F2 (3.13)
i,j=l

Beweis. Die ersten Gleichungen in (3.12) und (3.13) folgen aus Satz 3.3.
Wir schreiben

also Ea~ if,; = -dn 0 dj-l (*1.)


= -dn( 8~' ).
Multiplikation mit l!r
ergibt
2
La7gkj = hij ,
k=l

also
2

a{ = Lhikl j (3.14)
k=l

und hieraus folgen die restlichen Gleichungen nach den Regeln der linearen
Algebra. 0

Wir wollen die Aussage von Lemma 3.3 folgendermaßen interpretieren:

Satz 3.4 Die Gaußsehe Krümmung ist die Funktionaldeterminante der Gauß-
abbildung, und die mittlere Krümmung die Hälfte der Spur.
3.3 Krfunmungsgrößen 29

Hierbei wählen wir also wie üblich die erste Fundamentalform als Metrik
auf TzU, und wir berechnen Determinante und Spur bzgl. einer entsprechen-
den Orthonormalbasis. Die Gaußabbildung kann als Abbildung zwischen zwei
Flächen, nämlich f(U) und 8 2, interpretiert werden, und wir versehen die
Tangentialräume mit den entsprechenden ersten Fundamentalformen, und
dies liefert uns Orthonormalbasen, bzgl. derer wir die Gaußabbildung als
Matrix darstellen können.
Die Gaußsehe Krümmung ist nun sogar unter orientierungsumkehrenden
Parametertransformationen und Spiegelungen des ]E3 invariant, während die
mittlere Krümmung dabei das Vorzeichen wechselt.
Xl und X2 seien nun zwei orthogonale Hauptkrümmungsrichtungen.
Für X E TzU, [(X, X) = 1, sei () der Winkel zwischen Xl und X. (Der Winkel
wird natürlich bzgl. [ gemessen, also cos () = [(X, Xl»'
Dann besteht die Eulersche Formel:

Korollar 3.6 "'x = "'1 cos2 () + "'2 sin2 () und daher


"'x = II(X, X) = II(cos()X l + sin()X2,coS()Xl + sin()X2)
= cos2 ()II(Xl,X1 ) + sin2 ()II(X2,X2),
denn es ist II(X1! X 2) = 0 nach Korollar 3.3.

Wir kehren zu unseren obigen Beispielen zurück:


1) 8 2 : Hier ist"'l ="'2 = -1, also H = -l,K = 1.
2) Der Torus T : Wir betrachten wieder die Matrix der Weingartenab-
bildung (cf. (3.14»
2
at = L., h k9
, " i
k'3.

k=l

Im Falle von T ergibt sich aus unseren früheren Formeln:


1 - cosep 2 1 2 1
al= ,al=a2=O,a2=--'
a+rcosep r

Die Hauptkrümmungen sind also


1 -cosep
"'1 = -- und "'2 = ,
r a + rcosep
und dann
K - cosep H __ ~ a + 2rcosep
- r(a + rcosep)' - 2r ( a + rcosep ).
30 3. Die zweite Fundamentalform

Definition 3.6 I(z) E I(U) heißt Nabelpunkt, falls


Kl(Z) = K2(Z),

Satz 3.5 I(U) sei ein Flächenstück der Klasse C 3 . Sind alle Punkte von
I(U) Nabelpunkte, so ist I(U) Teil einer Sphäre oder einer Ebene.
Insbesondere sind also die Hauptkrümmungen konstant.

Beweis. Nach Voraussetzung ist


- < nzi,/zj >= K(Z) < Izi,/zj > für i,j = 1,2, wobei
K nicht von i und j abhängt,
und daher

nzi = -K(z)/zi i = 1,2. (3.15)


Es folgt durch Differenzieren

Weil

folgt

und weil IZl und I Z2 linear unabhängig sind, folgt

KZl = ° KZ= 2.

K ist also konstant.


(3.15) ergibt nun

n = -KI + Wo für ein Wo E ]E3. (3.16)


Ist K = 0, so ist n konstant und I(U) daher Teil einer Ebene, denn es ist
dann
-/zr < I, n >=< Izi, n > + < I, nzi >= 0, und 1 bildet daher mit dem
konstanten Vektor n einen festen Winkel.
Ist K i:- 0, so folgt aus (3.16)

1/- wO l2 =~,
2
K K

und 1 ist daher in der Sphäre mit Mittelpunkt 7 und Radius ~ enthalten.
D
3.3 Krfunmungsgrößen 31

Weil die Hauptachsen eines Kegelschnittes gerade die Eigenrichtungen der


zugehörigen quadratischen Form sind, folgt auch

Korollar 3.7 Die Hauptk1"Ümmungsrichtungen sind die Achsen der Dupin-


schen Indikatrix.

Definition 3.6 Ein Flächenstück ! : U --t lE3 heißt lokal konvex im Punkte
!(zo) (zo EU), falls eine Umgebung V von Zo existiert, für die !(V) ganz in
einem der beiden abgeschlossenen Halbräume enthalten ist, in die Tj(zo)!(U)
den lE3 zerlegt.
Falls sogar

!(V) n Tj(zo)!(U) = {f(zoH


gilt, so heißt! im Punkte !(zo) lokal streng konvex.
Eine eingebettete Fläche E C lE3 heißt konvex, falls E für jedes W E E
ganz in einem der beiden abgeschlossenen Teilräume enthalten ist, in die TwL'
den lE3 zerlegt. E heißt streng konvex, falls für jedes W E E

Korollar 3.8 ! : U --t lE3 sei ein Flächenstück, Zo E U


(i) Ist K(zo) > 0, so ist! im Punkte !(zo) lokal streng konvex.

(ii) Ist! in !(zo) lokal konvex, so ist K(zo) ~ 0.

Beweis.
(i) Ist K(zo) > 0, so ist det(hij(zo)) > 0, !(zo) also elliptisch, und die
Behauptung folgt aus Korollar 3.l.
(ii) Dies ist eine Umformulierung von Korollar 3.2.
o
Korollar 3.9 E C lE3 sei eine kompakte Fläche mit Gaußk1"Ümmung K.
Dann existiert ein Wo E E mit K(wo) > 0.

Beweis. Wir wählen ein Wo E E mit

Iwol = maxlwl
wEE

(ein derartiges Wo existiert wegen der Kompaktheit von E).


Wir betrachten nun die Sphäre
32 3. Die zweite Fundamentalform

Dann haben E und S(lwol) im Punkte Wo die gleiche Normale und damit
auch die gleiche Tangentialebene. Daß die Normalen übereinstimmen, sieht
man folgendermaßen: Wir stellen E lokal als ein Flächenstück
!: U _lE3
mit

!(Zo) = Wo dar.
Dann nimmt die Funktion< !(z), !(z) >= 1!(z)1 2 im Punkte Zo ein Maxi-
mum an, und daher

< !(zo), !Zi(ZO) >= 0, i = 1,2.


Folglich ist !(zo) senkrecht zu allen Tangentialvektoren und gibt daher die
Normalenrichtung an; dies ist aber auch die Normalenrichtung von S(lwol)
im Punkte Wo = !(zo).
Weil nach Wahl von Zo für alle z EU

1!(z)1 ~ 1!(zo)1
gilt, liegt !(U) ganz auf einer Seite von S(lwol) (genauer gesagt, zerlegt
S(lwol) den lE3 in einen Innenraum und einen Außenraum, und !(U) liegt
ganz im Abschluß des Innenraumes, also in {e E lE 3 : lei ~ Iwol}.
Nach Korollar 3.3 (i) dominiert nun hij(zo) die zweite Fundamentalform
von S(lwol), und diese hat nach Beispiel 1) positive Determinante. 0

Definition 3.7 Die dritte Fundamentalform eines Flächenstückes ! :U -


lE 3 ist erklärt durch

Die dritte Fundamentalform ist jedoch von den beiden ersten linear
abhängig; es gilt nämlich

Satz 3.6
II I - 2HII + K I = O.

Beweis. Dies sieht man entweder durch Anwendung des Satzes von Cayley-
Hamilton, daß eine lineare Abbildung ihr charakteristisches Polynom erfüllt,
auf die Weingartenabbildung, oder durch die folgende direkte Überlegung:

wobei 1\;1. 1\;2 die Hauptkrümmungen sind.


3.4 Übungsaufgaben 33

Sind nun Xl und X2 die entsprechenden Hauptkrümmungsrichtungen,


(dn + /'i,ldf)X l = 0 = (dn + /'i,2df)(X2), so ist für alle Y
(III - 2HII + KI)(Xl, Y) = 0 = (III - 2HII + KI)(Y,X 2 ).

Weil Xl und X 2 eine Basis von Tz U bilden und I I I - 2H I I + K I symmetrisch


ist, folgt die Behauptung 0

Ausgeschrieben bedeutet Satz 3.6

< n x , n x > = 2H L - K E
< nx,n y > = 2HM -KF
< ny,ny > = 2HN -KG
oder

(3.17)

3.4 Übungsaufgaben

3.1: Versuchen Sie, erste und zweite Fundamentalformen für Flächenstücke


im En(n 2 4) zu definieren!
3.2:
a: Man zeige, daß die mittlere Krümmung H bei pES durch

J
7r

H = ~ kn(B)dB
o
gegeben ist, wobei kn(B) die Normalkrümmung bei p längs einer Rich-
tung ist, die mit einer festen Richtung den Winkel B bildet.
b: Man zeige, daß die Summe der Normalkrümmungen für jedes Paar
orthogonaler Richtungen in einem Punkt pES konstant ist und
gleich 2H ist.
3.3: Man beschreibe den Teil der Einheitssphäre, der durch das Bild der
Gauß-Abbildung folgender Flächen überdeckt wird:
a: Rotationsparaboloid z = x 2 + y2.
b: Rotationshyperboloid x 2 + y2 - z2 = 1.
c: Katenoid x 2 + y2 = cosh 2 z.
34 3. Die zweite Fundamentalform

3.4: (Rotationsflächen konstanter Krümmung.)


(ep( v) cos u, ep( v) sin u, ~(v)) sei als Rotationsfläche konstanter Gauß-
scher Krümmung gegeben. Um die Funktionen ep und ~ zu bestim-
men, wähle man den Parameter v so, daß (ep')2 + (~')2 = 1 ist (das
bedeutet geometrisch, daß v die Bogenlänge der erzeugenden Kurve
(ep( v), ~(v)) ist). Man zeige

a: Für ep gilt ep" + K ep = 0, und ~ ergibt sich als ~ = J VI - (ep')2dv;


dabei ist 0 < u < 27r, und der Definitionsbereich von v ist so zu
wählen, daß das letzte Integral sinnvoll ist.
b: Alle Rotationsflächen konstanter Krümmung K = +1, die die Ebene
Oxy senkrecht schneiden, sind gegeben durch

J
v

ep(v)=Ccosv,~(v)= VI-C2sin2vdv,
o
wobei C eine Konstante ist (C = ep(O)). Man bestimme den Definiti-
onsbereich von v und fertige eine Skizze vom Profil der Fläche in der
xz-Ebene in den Fällen C = 1,
C> 1, C < 1 an. Beachte, daß C = 1 eine Sphäre liefert.
c: Alle Rotationsflächen konstanter Krümmung K = 1 lassen sich auf
eine der folgenden Arten darstellen

1. ep(v) C cosh v,
~(v) JVI - C2 sinh vdv.
0
2

2. ep(v) C sinh v,
~(v) JVI - C2 cosh vdv.
0
2

3. ep(v) eV ,
v
~(v) J VI - e2v dv.
0

Man bestimme den Definitionsbereich von v und fertige eine Skizze


vom Profil der Fläche in der xz-Ebene an.
d: Die einzigen Rotationsflächen mit K == 0 sind der senkrechte Kreis-
zylinder der senkrechte Kreiskegel und die Ebene.
3.5:
a: Zeigen Sie, daß die Schmiegebene einer Asymptotenlinie auf einer
Fläche mit der Tangentialebene dieser Fläche zusammenfällt!
3.4 Übungsaufgaben 35

b: Zeigen Sie, daß für die Windung 7 einer Asymptotenlinie


72 =-K

gilt, wobei K die Gaußsehe Krümmung der Fläche ist!


3.6: M sei eine abgeschlossene, zusammenhängende Flächen. Zeigen Sie

a: Falls K = 0 und H = konstant ist, ist M eine Ebene oder ein Zylinder.

b: Falls M keinen Nabelpunkt besitzt, und Kund H konstant sind, ist


M ein Zylinder.
c: Falls I = I I oder I = I I I ist, ist M eine Sphäre mit Radius = 1 und
umgekehrt.
d: Falls II = III ist, ist M eine Sphäre mit Radius = 1, eine Ebene
oder ein Zylinder mit Radius = 1.
4. Minimalftächen. Das Plateausehe Problem

4.1 Erste und zweite Variation des Flächeninhaltes.


Definition einer Minimalfläche

Es sei wieder f : U --+ ]E3 ein Flächenstück der Klasse C 2 , und es sei
cp E CJ(U,R), also eine stetig differenzierbare Funktion mit kompaktem Trä-
ger.
Wir betrachten die Flächenstücke
ft = f +tcpn,

wobei n wie üblich der Normalenvektor ist (für genügend kleines Itl definiert
ft tatsächlich ein Flächenstück).
Wir wollen untersuchen, wie der Flächeninhalt von ft(U) von tabhängt.
Es ist

f!i = fzi + tcpnzi + tcpzin


und es folgt für die Komponenten der ersten Fundamentalform von ft

wobei wir Lemma 3.1 benutzt haben.


Mittels (3.17) ergibt sich

gtj = gij - 2tcphij + t 2cp2(2Hhij - Kgij ) + ecpzicpz;,


Unter Beachtung von (3.12) und (3.13) folgt nun
det(g~j) = det(gij)(1 - 4tcpH + t 2cp2(4H 2 - 2K) + 4ecp2 K
2
+ t2 L gklcpz/ccpzl) + o(e)
k,l=l
und daher aus der Taylorformel für VI + x = 1 + ~ - ~X2 + o(x2 )

(detg~j)! = det(gij)! (1 - 2tcpH + ecp2 K + ~t2 Ellcpz/ccpzt) + o(t2).


38 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Es ergibt sich für den Flächeninhalt von P(U)

A(ft(U)) = !(det(g!j))!dz 1 dz 2
u
= A(f(U)) - 2t !
u
cpH det(gij)!dz 1 dz 2 (4.1)

+t2 !{~Ellcpz/ccpzt +cp2 K}det(gij)!dz 1 dz 2


+ o(t2 ).
Ist nun der Flächeninhalt von f(U) stationär bei Variationen der Fläche, so
ist insbesondere

:tA(ft(U))lt=O = 0,

und daher

! u
cpH det(gij)!dz 1dz 2 = 0 für alle cp E CJ(U,R.). (4.2)

Aus dem Fundamentallemma der Variationsrechnung folgt

Satz 4.1 Eine Fläche stationären Flächeninhaltes erfüllt


H:::O.

Es mag zunächst scheinen, daß die Beschränkung auf Variationen in Nor-


malenrichtung sehr einschneidend ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn eine
Variation in tangentialer Richtung bedeutet nur eine Umparametrisierung der
Fläche und sollte daher den Flächeninhalt nicht ändern, oder zumindest nur
in höherer als erster Ordnung. Wir wollen uns auch durch eine Rechnung
hiervon überzeugen.
Wir betrachten also jetzt für cpk E CJ(U, R.), k = 1,2

Es ist dann

f!. = fz' + "'f:.tcpkfz/cz. + "'f:.tcp~dz/c,


k k
also
4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 39

g;j = 9ij + t L cpk < fzkzi, fzj > +t L CP~i9jk


k k

+ t L cpk < fzkzj, fzi > +t L Cp~jgik + o(t)


k k

und
gilg~2 - (gi2)2 = gUg22 - g~2 + 2tgu L cpk < fzk z2, f z2 >
k

+ 2tg22 L cpk < fzkzl, fzl >


k

- 2tg12 L cpk < fZk Zl , f Z2 >


k

- 2tg12 L cpk < fZk z2, fzl >


k

+ 2tgU(CP;2g21 + CP~2g22) + 2tg22 (CP;l gu + cp~lg12)


- 2tg12(cp;lg21 + cp~lg22) - 2tg12(cp;2gU + cp~2g12) + o(t)
ß k
= det(gij) + 2t det(gij) 2 E ß k (cp det(gij) 2) + o(t)
1 1
k Z

denn es ist
ß
ßzk det(gij) = 2« fzlzk,fzl >< f Z2,fz2 > + < fZ2zk,z2 >< fZl,fzl >
- < fzlzk, f z2 >< fZl, f Z2 > - < f z2zk, fZl >< fZl, f Z2 »
und der Faktor 2 in dieser letzten Formel führt dazu, daß wir in der vorherigen
det(gij )! herausziehen müssen.
f
Es folgt det(gfj)! = det(gij)! + t Iz,.(cpk det(gij)!) + o(t) und daher

A(ft(U)) = A(f(U)) + t Jf ß~k (cpk det(gij)!)dz 1dz 2 + o(t) (4.3)


= A(f(U)) + o(t) nach dem Gaußschen Integralsatz
Es ergibt sich somit auch die Umkehrung von Satz 4.1.

Satz 4.2 Ein Flächenstück f : U ---+ ]E3 (der Klasse C 2) ist genau dann
stationär für den Flächeninhalt bzgl. aller Variationen der Klasse CJ (U),
falls

H==O.

Dies motiviert

Definition 4.1 Eine Fläche (der Klasse C 2 )mit H == 0 heißt Minimalfläche.


40 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

Insbesondere sind also Flächen der Klasse C 2 , die den Flächeninhalt lokal
minimieren, Minimalflächen. Eine Minimalfläche braucht jedoch nicht um-
gekehrt flächeninhaltsminimierend zu sein. Allerdings sind genügend kleine
Teile einer Minimalfläche stets strikt flächeninhaltsminimierend bezüglich ih-
rer eigenen Randwerte, wie die folgende Aussage zeigt:

Satz 4.3 f : U ~ ]E3 sei ein minimales Flächenstück. Dann besitzt jeder
Punkt Zo E U eine Umgebung V mit der Eigenschaft, daß jede andere Fläche
g: V ~ ]E3 mit glav = flav einen größeren Flächeninhalt als f hat, sofern
9 nicht nur eine Umpammetrisierung von flv ist.

Beweis. O.E. nehmen wir an, daß der Normalenvektor n(zo) an f(U) im
Punkte f(zo) der dritte Koordinateneinheitsvektor e3 ist. In einer Umgebung
U' von Zo gilt dann

< n(z), e3 >~ 0 für z EU',


und wir können f(U') daher als Graphen über der Xl, x 2 -Ebene darstellen,
also o.E. annehmen, daß für z E U'

f(z) = (z, cp(z))

mit einer Funktion cp : U' ~ lR. Wir können auch annehmen, daß U' glatten
Rand hat.
Wir setzen nun das Normalenfeld n von.! auf U' x lR. durch

n(z, t) := n(z)

auf den Zylinder U' x lR. C ]E3 fort. Man kann dies auch geometrisch
dahingehend interpretieren, daß n(z, t) das Normalenvektorfeld der Fläche
ft(z) = (z, f(z) + t) ist.
Wie im Satz 3.1 beschrieben, wählen wir nun el, e2 als Orthonormalbasis von
Tf(z)f(U). Dann gilt für die Koeffizienten der ersten Fundamentalform

gij(Z) = Dij

und daher ist die mittlere Krümmung im Punkte f (z)


1.. -1
H(z) = -2 !J. gtJ (z)hij(z) = -2 « n e1 , el > + < n e2 , e2 » .
t,J

el und e2 werden durch n zu einer Orthonormalbasis von T f (z)]E3 ergänzt,


und wegen< n, n >= 1 ist für das fortgesetzte Vektorfeld n(z, t)

ß
< ßnn,n >= O.
Weil nun f(U) als Minimalfläche
4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 41

erfüllt, ergibt sich

div n(z,t) =< n el ,e1 > + < n e2 ,e2 > + < ! n,n >= o.

Es sei nun zunächst t > 0, und wir setzen


U::= ((Z,T) E U' x R: <p(z) < T < <p(z) +t}
U:
01 := {(z, T) E au' x R : <p(Z) < T < <p(Z) + t}
Dann ist nach dem Gaußschen Integralsatz
o = J div n = J < n, v > dA, wobei v
u: au:
die äußere Normale von U: und dA das Oberflächenelement ist
J < n, v > dA + J < n, n > dA - J < n, n > dA
alU: ft(U,) f(U')
= J < n, v > dA + A(P(U')) - A(f(U')),
alU:
wobei A wie üblich den Flächeninhalt bezeichnet

denn n ist die Flächennormale von ft(U') und f(U'), und diese beiden
Flächen haben natürlich den gleichen Flächeninhalt, da sie sich nur um eine
Translation voneinander unterscheiden.
Es sei nun 9 : U' - lE3 eine weitere Fläche mit glau' = flau' und der
momentanen zusätzlichen Annahme, daß g(U') (ebenso wie f(U')) in U' x R
enthalten ist. Für genügend großes t sind dann die Flächen f(z) und gt(z) =
g(z) + t disjunkt. Daher beranden f(U'),l(U') und alU: eine offene Menge
Ut in U' x R. Wir rechnen wie vorher

o= J
Ut
div n = J
aUt
< n, v > dA

= J
alu~
<n,v>dA+ J
gt(U')
<n,v>dA-A(f(U')).

Der erste Term auf der rechten Seite verschwindet nach der vorigen Rechnung,
und weil n und v beide die Länge 1 haben, ist< n, v >~ 1, und daher

A(f(U')) = J<
gt(U')
n,v > dA = J<
g(U')
n,v > dA ~ A(g(U')),
42 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

mit Gleichheit genau dann, wenn stets n = /I gilt, wenn also der Normalenvek-
tor n von j(U') und der Normalenvektor /I von g(U') stets übereinstimmen.
Weil j(U') und g(U') gleiche Randwerte haben, stimmen sie dann selb~t
überein.
Wir müssen uns nun noch von der oben gemachten Annahme befreien, daß
g(U') in U' x lR enthalten ist. Hierzu verkleinern wir U' zu einer Umgebung V
von Zo mit der Eigenschaft, daß j(V) in einer Kugel K enthalten ist, welche
wiederum ganz in U' x lR liegt. Nun bezeichne 7r : JE3 -+ K die Projektion längs
radialer Geraden von JE3 auf K. 1t' ist also auf K die Identität und projiziert
JE3\K abstandsverkleinernd auf 8K. Daher gilt für jedes 9 : V -+ JE3
A( 7r 0 g(V)) ::; A(g(V)),
mit Gleichheit nur, falls g(V) c K, also 7r 0 g(V) = g(V) gilt.
Gilt gl8v = jl8v, so ist auch 7r 0 glav = jl8v, denn j(8V) liegt nach
Konstruktion in K. Daher impliziert das vorstehende Argument

A(f(V)) ::; A(7r 0 g(V)),


mit Gleichheit nur dann, wenn 7r 0 g(V) eine Umparametrisierung von j(V)
ist, und die Behauptung folgt. D

Bemerkung. Die im Beweis verwandte Konstruktion kann auch so inter-


pretiert werden, daß die Minimalfläche , nämlich j(z) = (z, cp(z)) auf U' in
eine parallele Schar

jt(z) = (z, cp(z) + t)


eingebettet wird. Ein ganz ähnliches Argument werden wir in 6.1 kennenler-
nen.

Ist j(U) flächeninhaltsminimierend, so muß

d2
dt2A(ft(U))lt=O ~ 0 (4.4)

sein. Aus (4.1) folgt also

Satz 4.4 Eine notwendige Bedingung dafür, daß j(U) ein lokales Minimum
des Flächeninhaltes bildet, ist, daß die zweite Variation des Flächeninhaltes

J{~ 'L-gkecpzkcpzt +cp2K}det(gij)~dzldz2 (4.5)


u
für alle cp E CJ (U) nichtnegativ ist.

Durch partielle Integration wird die zweite Variation zu


4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 43

(4.6)

Definition 4.2 Der Laplace-Beltrarni-Operator der Fläche f(U) ist


1 ,,8 !ki8 (4.7)
Llf(U) := .! L..J -8i(det(gij) 9 8 k)
det(gij) 2 ki
, Z Z

Eine Funktion h E C 2 (U, R), die Llf(U)h = 0 erfüllt, heißt harmonisch.

In dieser Notation schreibt sich die zweite Variation als

JU
1
(-'2 Llf(u)cp + Kcp)cpdet(gij)2 dz dz
1 1 2
(4.8)

Wir wollen nun einige einfache Eigenschaften von Minimalflächen disku-


tieren. Zunächst gilt

Lemma 4.1 Eine Minimalfläche erfüllt immer


K~O.

Beweis. 11:1 und 11:2 seien die Hauptkrümmungen. Aus 11:1 + 11:2 = 2H = 0
folgt 11:111:2 ~ O. 0

Eine Minimalfläche hat also immer eine satteiförmige oder ebene Gestalt.
Wir wollen uns auch anschaulich klarmachen, warum die Bedingung H == 0
zur Stationarität des Flächeninhaltes führt. Verschiebt man in einer Umge-
bung von Wo die Fläche ein bißchen in der Richtung der Normalen, so verkürzt
sich eine der Krümmungslinien im gleichen Maße, wie die andere verlällgert
wird, weil die beiden Krümmungen betragsgleich, aber von entgegengesetzten
Vorzeichen sind.
44 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Es sollten sich daher diese Effekte beim Flächeninhalt ausgleichen und


der Flächeninhalt also stationär sein.

Korollar 4.1 Es gibt keine kompakten Minimalftächen im ]E3.

Beweis. Aus Lemma 4.1 und Korollar 3.9. D

Ein triviales Beispiel einer Minimalftäche im ]E3 ist eine Ebene. Wir wollen
nun weitere Beispiele vorstellen. Hierzu bezeichnen wir die Koordinaten im
]E3 mit (P, p, P).

1) Kettenftäche (Katenoid).
I(s, t) = (coshs cos t, cosh ssint, s).
Die Kettenftäche entsteht also durch Drehung der Kettenlinie P =
cosh 13 um die dritte Koordinatenachse.

Es ist
Is = (sinhscost,sinhssint, 1)
/t = (- cosh s sin t, cosh s cos t, 0)
Iss = (cosh s cos t, cosh s sin t, 0)
Ist = (- sinh s sin t, sinh s cos t, 0)
Itt = (- cosh s cos t, - cosh s sin t, 0)
Is Alt (-coshscost,-coshssint,coshssinhs)
n= =
cosh s(1 + sinh2 s)'2
1
I/s A Itl
( - cosh s cos t, - cosh s sin t, cosh s sinh s)
=
cosh 2 S
E =< Is, Is >= 1 + sinh2 s = cosh2 S
F =< Is,/t >= 0
G =< /t, It >= cosh2 s
L =< n,/ss >=-1
M =< n,/st >= 0
N =< n,/tt >= 1
4.1 Variationen des Flächeninhaltes und Minimalflächen 45

und hieraus nach (3.13)

H=!EN-2FM+GL =0
2 EG-F2 .
Die Kettenfläche ist also tatsächlich eine Minimalfläche.

2) Wendelfläche (Helikoid)

f(s,t) = (tcoss,tsins,s).

Die Kurven s = const. sind Geraden, die Kurven t = const. =I 0


Schraubenlinien um die dritte Koordinatenachse.
Es gilt
fs = (-tsins,tcoss,l)
ft = (coss,sins,O)
fss = (-t cos s, -t sin s, 0)
fst = (- sins, coss, 0)
ftt = 0
fs A ft (- sin s, cos s, -t)
n - - -'----===-'----'-
-lfsAftl- v'1+t 2
E =< fs,fs >= 1 +t2
F =< fs,ft >= 0
G =< ft,ft >= 1
L =< n,fss >= 0
1
M=<n,fst >= ~2
vI +t-
N =< n,ftt >= 0
46 4. Minimalfiächen. Das Plateausehe Problem

und nach (3.13)

H=~EN-2FM+GL =0
2 EG-F2 .
Die Wendelfläche ist also ebenfalls eine Minimalfläche.
3) Die Ennepersche Fläche

x x3 xy2 Y y3 x 2y x 2 y2
f(x,y) = (2 - (3 + 2'-2 + (3 - 2'2 - 2)'

Es ist
1 x2 y2
fx = (2 - 2 + 2'-x y ,x)
1 y2 x2
fy = (x Y'-2 +2 - 2'-y)
fxx = (-x, -y, 1)
fxy = (y, -x, 0)
fyy = (x, y, -1) = - fxx

1 x2 y2 x4 y4 X2y 2
E =< fx, fx >= "4 + 2 + 2 + 4 + "4 + -2-
F =< fx,fy >= 0
1 x2 y2 x4 y4 x 2y 2
G =< fy, fy >= "4 + 2 + 2 + 4 + "4 + -2- = E
L =< n,fxx >= - < n,fyy >= -N,
und hieraus folgt wieder nach (3.13)
4.2 Minimalflächen in isothermen Parametern 47

H=O.

Die Ennepersche Fläche ist also ebenfalls eine Minimalßäche.

4.2 Minimalfiächen in isothermen Parametern

Wir erinnern uns daran, daß sich die geometrischen Eigenschaften eines Flä-
chenstücks nicht ändern, wenn wir eine Umparametrisierung vornehmen.
Statt nun aber die Tatsache, daß man ein Flächenstück auf beliebig viele
verschiedene Weisen parametrisieren kann, als Nachteil anzusehen, wollen
wir diese Tatsache zu unserem Vorteil wenden und unter den vielen Para-
metrisierungen solche auswählen, die unsere Rechnungen besonders einfach
machen. Besonders günstig sind häufig die folgenden Parameter:

Definition 4.3 Die Parameter z = (Z1, z2) E U des Flächenstücks f :U --+


]E3 heißen isotherm oder konform, falls in U

g11 = g22, g12 =0 (4.9)

gilt.

Der Name "konform" rührt daher, daß in diesen Parametern die Winkel
in Tz U, gemessen mittels der ersten Fundamentalform, gleich den mittels der
euklidischen Metrik auf Tz U = T z]E2 sind. df vermittelt also eine winkeltreue
Abbildung zwischen TzU, nunmehr (ausnahmsweise) mit der euklidischen Me-
trik des]E2 versehen, und Tf(z)/(U), versehen (wie üblich) mit der induzierten
Metrik des ]E3.
(4.9) ist äquivalent zu
(4.10)

wobei A(Z) > 0 in U ist und bij = { ~ für


fü. -'-'j d as u"bI'1Che K roneckersym-
i. =
r Zr J
bol ist.
Beispielsweise haben wir oben die Ennepersche Minimalßäche in isother-
men Parametern dargestellt. Wir werden in 4.5 beweisen, daß auf einer Mi-
nimalßäche stets lokal isotherme Parameter existieren (Satz 4.6).
Wie sehr sich Formeln in isothermen Parametern vereinfachen können,
zeigt

Lemma 4.2 f : U --+ ]E3 sei ein in isothermen Parametern Z1, z2 gegebenes
Flächenstück. Dann gilt für die mittlere K TÜmmung

H = h 11 + h 22 (4.11)
2A 2 '
48 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

und
1
I1f = 2Hn = ,X2 (h u + h22 )n, (4.12)

wobei 11 der Laplace-Beltrami-Operator ist.

Beweis. (4.11) folgt aus (3.13). Weiter ist

det(gij) = ,X4, (4.13)

also nach (4.7)

11=,X2
1(/]2 (P)
(8z1)2 + (8z2)2 (4.14)

(4.9) bedeutet
8f 8f 8f 8f 8f 8f
< 8z1' 8z1 >=< 8z2' 8z2 >, < 8z1' 8z2 >= O.
Wir leiten die erste dieser Gleichungen nach zl, die zweite nach z2 ab und
erhalten
8 2f 8f 8 2f 8f 8f 8 2f
< (8z 1)2' 8z1 >=< 8z18z2,' 8z2 >= - < 8z1' (8Z2)2 > .
Hieraus folgt mit (4.14)
8f
< I1f, 8z 1 >= 0 (4.15)

und entsprechend
8f
< I1f, 8z 2 >= O. (4.16)

Schließlich ist
1 82 f 82f 1
< I1f, n >= ,X2 < (8z 1)2 + (8z 2)2' n >= ,X2 (h u + h22) = 2H. (4.17)

Weil in isothermen Parametern wegen g12 = 0 l!r


und lfr
orthogonal zu-
einander sind, also l!r, lfr,
n eine Orthogonal basis des ]E3 bilden und n die
Länge 1 hat, folgt (4.12) aus (4.15) - (4.17). D

Es folgt direkt:

Korollar 4.2 Ein in isothermen Parametern dargestelltes Flächenstück f :


U --+ ]E3 ist genau dann eine Minimalftäche, wenn der Positionsvektor f
harmonisch ist, also
4.2 Minimalflächen in isothermen Parametern 49

t1f = 0

erfüllt.

Wir wollen Korollar 4.2 zum Anlaß nehmen, um kurz die Beziehung von
Minimalflächen zur Funktionentheorie zu diskutieren, auch wenn dies für die
Behandlung des Plateauschen Problems nicht unbedingt erforderlich ist.
Für ein Flächenstück f : U --t ]E3 in beliebigen, nicht notwendig isother-
men Parametern ZI, z2 betrachten wir nUn die komplexwertige Abbildung
F : U --t e 3 , definiert als
öf . öf
F(z) = öz i - 2 öz 2 . (4.18)

Wir wollen auch eine komplexe Notation im Parameterbereich U benutzen


und schreiben
z = ZI + iz2 (i = H).
Wir definieren für F = (F I , F2, F3)
F. F = (F I )2 + (F 2)2 + (F 3)2
und bemerken
öf öf öf öf . öf öf
F· F =< öz l ' öz i > - < öz2' öz2 > -22 < öz l ' öz2 > (4.19)
= g11 - g22 - 2ig I 2
sowie
2 öf öf öf öf
!PI =< özl' öz i > + < öz2' öz2 >= g11 + g22 (4.20)

(4.19) bedeutet, daß die Parameter zl, z2 genau dann isotherm sind, wenn

F·F=O
ist.

Lemma 4.3 f : U --t ]E3 sei eine Minimalfläche in isothermen Pammetern.


Dann ist die Abbildung F holomorph, d.h.

öF
öi
(:= ~
2
(ÖF +i ÖF )) =0
öz i öz 2
(4.21)

und erfüllt

F·F=O. (4.22)
Ist umgekehrt U C ]R2 einfach zusammenhängend und F U --t e3 eine
Abbildung, die (4.21), (4.22) und
50 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

(4.23)
in U erfüllt, so wird durch

J
z

f{z) = Re F{()d( (zo E U beliebig) (4.24)


Zo

eine Minimalftäche definiert.

Beweis. Wie schon bemerkt, ist (4.22) gleichwertig damit, daß die Parame-
ter isotherm sind, und es ist
ßF ß2f ß2f
2 ßz = {ß Zl)2 + {ß z 2)2 = >.2!!.f

und F ist daher genau dann holomorph, wenn f harmonisch ist.


Die erste Richtung folgt also aus Korollar 4.2.
Ist umgekehrt F holomorph, so ist das Integral in (4.24), weil U einfach
zusammenhängend ist, vom gewählten Verbindungsweg zwischen Zo und z
unabhängig (vgl. Satz 7 des Anhangs) und daher wohldefiniert, und f erfüllt

und ist daher harmonisch.


(4.20) zeigt, daß df wegen der Voraussetzung 1F1 2 > 0 überall maximalen
Rang hat und f somit ein Flächenstück definiert. Daher folgt auch die zweite
Richtung aus Korollar 4.2. 0

4.3 Die Weierstraßschen Darstellungsformeln


IUr Minimalftächen

Wir wollen noch die folgende Beobachtung vornehmen:


Ist f harmonisch (fzlzl + f z 2 z 2 = 0), so ist F· F holomorph, d.h.

ß I ( -(F·F)+~-{F·F)
-=(F.F)=- ß .ß ) =0,
ßz 2 ßZI ßz 2

wie man direkt nachrechnet.


Um nun Minimalßächen zu konstruieren, werden wir holomorphe Abbil-
dungen
F:U~C3
4.3 Die Weierstraßschen Darstellungsformeln für Minimalflächen 51

mit

F·F=O
konstruieren, und dann I durch (4.24) definieren. Jedoch werden wir hier
nicht zeigen können, daß die von uns konstruierten Abbildungen überall

erfüllen. Jedenfalls wissen wir aber, daß die Nullstellen einer holomorphen
Abbildung F, sofern F nicht identisch verschwindet, isoliert sind. Es wird
daher höchstens endlich viele Punkte geben, in denen lF(z)1 2 = 0 ist.
Aus diesem Grunde verallgemeinern wir den Begriff der Minimalfläche
folgendermaßen:

Definition 4.4 Wir sagen, daß eine nichtkonstante Abbildung I E C 2 (U, ]E3)
eine parametrische (oder (möglicherweise) verzweigte) Minimalfläche dar-
stellt, falls I harmonisch, d.h. 111 = 0, und konform, d.h.
öl öl öl öl öl öl
< özl ' özl >=< öz2' öz2 >, < özl' öz2 >= 0
ist.

Wir wollen nun die Weierstraßschen Darstellungsformeln für Minimal-


flächen herleiten:

Lemma 4.4 F: U ~ C 3 (F = (Fl,F 2,F3)) sei holomorph und erfülle

F·F=O.
Solern nicht F I = =
iF 2, F 3 0 gilt (in welchem Falle die durch (4.24) defi-
nierte Minimalfiäche eine Ebene ist), existieren eine holomorphe Funktion h
und eine meromorphe Funktion gaul U mit der Eigenschaft, daß in jedem
Punkt, in dem g(z) einen Pol der Ordnung m hat, h(z) eine Nullstelle der
Ordnung mindestens 2m hat, und

(4.25)

Umgekehrt erfüllt für jedes solche Paar h, g die vorstehend definierte holo-
morphe Abbildung F = (F I , F 2, F3)

F·F=O.

Beweis. Es gelte F . F = O. Wir setzen


3
h := F I - Z·F2 ,g = FI F
_ iF2;
52 4. Minimalfiächen. Das Plateausehe Problem

dies ist möglich, weil wir den Fall F l - iF 2 == 0 ausgeschlossen haben.


Hieraus folgt wegen
(F l _ iF 2)(F l + iF2) = (F l )2 + (F 2)2 = _(F 3)2
Fl + iF2 = _hg 2 ,

und dann folgt leicht (4.25).


Die Bedingung an die Pol- und Nullstellen ist dazu erforderlich, daß F
keine Polstellen hat, also holomorph und nicht nur meromorph ist. Die Um-
kehrung folgt durch direktes Nachrechnen. 0

Korollar 4.3 Jede in isothermen Parametern dargestellte einJach zusam-


menhängende Minimalftäche im!E3 (also nach Satz 4.6 unten lokal jede Mi-
nimalftäche im !E3 ) läßt sich in der Jolgenden Form darstellen.

J~h(e)(l
Z

Jl(z) = Re - g2(e))de + Cl
Zo

J4 +
Z

J2(Z) = Re h(e)(1 g2(e))de + C2


Zo

J
Z

J3(z) = Re +
h(e)g(e)de C3,
Zo

wobei hund 9 wie in Lemma 4.4 und Cl, C2, C3 Konstanten sind und Zo ein be-
liebiger Punkt des Parameterbereiches ist und die Integrale unabhängig vom
Verbindungsweg zwischen Zo und z sind. Hierbei ist J genau dann regulär,
also überall ein Flächenstück, wenn h nur in den Polstellen von 9 verschwin-
det, und h dabei in einer Polstelle von g der Ordnung meine Nullstelle der
Ordnung genau 2m hat.

Beweis. J: U -+ !E3 sei eine Minimalfläche in isothermen Parametern.


Wir setzen wie vorher

F( ) .= öJ(z) _ .öJ(z)
z. öz l Z öz2 '

und die Darstellung folgt dann aus den Lemmata 4.3 und 4.4. Die erhaltene
Minimalfläche ist nach Lemma 4.3 weiterhin genau dort nicht regulär, wo

JF(zW = 0

ist. Wie man aus (4.25) erkennt, passiert dies aber genau dann, wenn h(z)
irgendwo eine Nullstelle von mehr als der zweifachen Ordnung des Pols von
gin z hat. 0
4.4 Das Plateausche Problem 53

In der Darstellung (4.25) errechnet man mit der Konvention (4.10)

A2= 18f 12 = 18f 12= ~


8z l 8z 2 2
t
i=l
lFil2 = (lhl(1 + 191 2))2
2
und

8f " 8f = Im (p2 p3 p3 pl pl P2)


8z l 8z 2 "

= Ih I2 (1: Ig1 2) (2Reg,2Img, Igl 2-1)


und hieraus

18fl 8f 1= Ih1 2(1 + Ig1 2)2 = A2


8z " 8z2 4 .
Somit gilt für den Normaleneinheitsvektor

( 2Reg 2Img Igl 2-1)


n(z) = Igl2 + 1' Igl 2+ 1' Igl 2+ 1 .
Dieser Ausdruck läßt sich nun auch in dem Punkte definieren, wo die
Minimalfläche nicht regulär ist. Folglich ist die Gaußabbildung auch für eine
parametrische Minimalfläche im Sinne von Def. 4.4 definiert.
Übrigens ist g(z) dann auch das Bild von n(z) unter der stereographi-
schen Projektion der Einheitssphäre 8 2 auf die Ebene C. Die meromorphe
Funktion 9 ist also nichts anderes als die Gaußabbildung der Minimalfläche
in stereographischer Projektion.

Beispiel. Durch h(z) == 2,g(z) = z erhält man die Ennepersche Mini-


malfläche.

4.4 Das Plateausehe Problem

Wir wollen uns nun dem Plateauschen Problem zuwenden, bei dem es sich
darum handelt, zu einer geschlossenen Jordankurve 'Y im E3 eine Mini-
malfläche E mit Rand 8E = 'Y zu finden. Dieses Problem trägt den Namen
des belgischen Physikers, der es im 19. Jahrhundert durch Seifenhautexperi-
mente popularisierte, obwohl es schon im 18. Jahrhundert von Lagrange als
mathematisches Problem formuliert worden war.
Wir wollen das Problem folgendermaßen präzisieren:
Es sei D:= {z = (x,y) E JR2, Izl 2 < I} die offene Einheitskreisscheibe, jj
ihr Abschluß. Gesucht ist dann eine Abbildung
54 4. Minimalfiächen. Das Plateausche Problem

mit den folgenden Eigenschaften:


i) f ist in D harmonisch, also
Llf(z) = 0 für alle z E D,

wobei Ll hier der euklidische Laplaceoperator ~ +~ ist.


ü) f ist in D konform, also

< f:z;, f:z; >=< f y, fy >, < f:z;, fy >= O.

iii) f bildet ßD (stetig und) bijektiv auf'Y ab.


Wenn i) und ii) gelten, erfüllt f(D) die Forderungen von Def. 4.4, stellt
also eine verzweigte Minimalftäche dar. iii) bedeutet, daß 'Y der Rand von
f(D) ist.
Wir wollen nun einen Ansatz zur Gewinnung eines solchen f diskutieren.
Zunächst könnte man daran denken, die gewünschte Minimalftäche durch
Minimieren des Flächeninhaltes, also des Integrals

AU) = /«
D
f:z;,J:z; >< fy,fy > - < f:z;,Jy >2)!dxdy

zu gewinnen. Auf diese Weise läßt sich jedoch sicherlich keine konforme Para-
metrisierung gewinnen, denn wie wir in §2 gesehen haben, ist AU) parame-
trisierungsinvariant, zeichnet also keine Parametrisierung aus. Während diese
Parametrisierungsinvarianz in §2 als geometrischer Vorteil erschien, zeigt sie
sich hier als analytischer Nachteil, denn wir können von einem f, welches
AU) minimiert, keine guten Regularitätseigenschaften erwarten, weil wir es
nämlich mit einer beliebig schlechten Parametertransformation verknüpfen
können, ohne an der Minimalität etwas zu ändern. Wir betrachten aus die-
sem Grunde statt des Flächeninhaltes das Dirichletintegral von f

DU) := ~ /«
D
f:z;,f:z; > + < fy,fy »dxdy.

Natürlich kann man in all diesen Definitionen D durch einen beliebigen Pa-
rameterbereich U ersetzen.

DU) ;::: AU), (4.26)

und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn f konform in U ist, also ii) erfüllt.

Beweis. Für E, P, G mit E, G ;::: 0 gilt


4.4 Das Plateausehe Problem 55

~(E+G) ~ VEG-F2
und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn

E = G,F = 0
ist.
Wir setzen wie üblich E =< Ix, Ix >, F =< Ix, Iy >, G =< Iy, Iy > und
erhalten die (4.26) entsprechende Beziehung zwischen den Integranden von
D und A. 0

Auf der Grundlage von Lemma 4.5 wollen wir nun D statt A minimieren.
Wir werden hierdurch eine konform parametrisierte Fläche erhalten, die dann
auch A minimiert. Indem wir A durch D ersetzen, zerstören wir also die Pa-
rametrisierungsinvarianz. Dadurch daß wir D minimieren, erhalten wir nicht
nur das minimale Flächenstück als geometrisches Objekt, sondern gleich-
zeitig auch noch eine ausgezeichnete, nämlich konforme Parametrisierung.
Man kann zeigen, daß man jedes Flächenstück konform parametrisieren kann.
Hieraus folgt in Verbindung mit Lemma 4.5, daß das Infimum von D gleich
demjenigen von A ist.
Nun ist aber auch eine konforme Parametrisierung eines Flächenstücks
noch nicht eindeutig bestimmt. Vielmehr besteht noch die Möglichkeit einer
konformen Parametertransformation:

Definition 4.5 Eine Parametertransformation V -+ U, z = h( () heißt


konform, falls (in den Notationen ( = (~, 7]), z = (x, y)) h die Cauchy-
Riemannschen Differentialgleichungen

(4.27)

erfüllt.

Eine konforme Parametertransformation erfüllt

(4.28)

und ist daher winkeltreu (bzgl. der euklidischen Metriken auf U und V). Ist
I :U -+ ]E3 ein konform parametrisiertes Flächenstück und h : V -+ U eine
konforme Parametertransformation, so ist j .- loh : V -+ ]E3 ebenfalls
konform parametrisiert, denn

< jf", jf" > =< Ixxf" + lyYf", Ixxf" + lyYf" >
=< Ix, Ix > x~+ < I y, Iy > Y~ + 2 < Ix, Iy > xf"Yf"
=< Ix, Ix > (x~ + Y~),
56 4. Minimalflä.chen. Das Plateausche Problem

weil f konform parametrisiert ist und analog


< f'l)' f'l) >=< fx, fx > (x'I) + Y'I))' < Je, f'l) >=< fx, fx > (xex'l) + YeY'I))'
- - 2 2 --

und aus (4.28) folgt

< ie,je >=< j'l),j'l) >, < je,j'l) >= 0,


wie behauptet.

Lemma 4.6 Ist h : V -+ U konform, f E C 1 (U, JE3), so ist


DU 0 h) = DU).

Beweis. Mit den vorstehenden Bezeichnungen und Rechnungen

DU 0 h) = ~J « ie,je > + < j'l),j'l) > )df,d'll

= ~J « fx, Ix > (x~ + x~)+ < f y, fy > (Y~ + Y~)


1
+ 2< fx, fy > (xeYe + x'l)Y'I))) dxdy
xeY'I) - x'l)Ye
= J
~ « fx, fx > + < f y, fy >)dxdy , (weil aus (4.27)
x~ + x~ = Y~ + Y~ = xeY'I) - x'l)Ye und xeYe + x'l)Y'I) = 0 folgt)
=Dm. 0

Wegen dieser konformen Invarianz des Dirichletintegrals wollen wir nun


konforme Selbstabbildungen der Einheitskreisscheibe untersuchen. Wir ver-
wenden dabei die komplexe Notation z = x + iy E D.

Lemma 4.7 Es sei cp E IR, a E C, lai< 1. Dann ist durch

(4.29)

eine konforme Selbstabbildung von D gegeben (welche 8D auf sich selbst ab-
bildet).

Beweis. Wir bemerken zunächst, daß wegen lai< 1 für z E D, also Izl < 1,
1 - äz i:- 0 ist. Daher ist w auf ganz D definiert. Wir wollen nun w(D) cD
zeigen. Es ist hierfür nachzuweisen, daß aus Izl < 1 auch Iw(z)1 < 1 folgt.
Nun ist
:I (a - z)(ä - z) aä + zz - az - äz
Iw(z)1 = (1 - az)(1 - az) = 1 + aazz - az - äz'
4.4 Das Plateausche Problem 57

und weil für 0 :::; a, ß < 1, a + ß < 1 + aß gilt, folgt für Izl < 1
Iw(z)1 < 1.
Ebenso folgt aus Izl = 1 auch Iw(z)1 = 1, und w bildet daher 8D = {z :
Izl = I} auf sich selbst ab. Schließlich bleibt nachzuweisen, daß w konform
ist, also die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen (4.27) erfüllt und
als Parametertransformation überall maximalen Rang hat.
Dies kann man entweder direkt nachrechnen oder daraus schließen, daß w
offensichtlich holomorph ist und daher die Cauchy-Riemannschen Differenti-
algleichungen erfüllt und
_ icp aä-l
Wz - e (1 _ az)2

nirgendwo in D verschwindet. o
Bemerkung. Man kann sogar zeigen, daß sämtliche konformen Selbst ab-
bildungen von D von der Form (4.29) sind. Hierauf werden wir später
zurückkommen. Man kann jedoch schon direkt nachrechnen, daß die Trans-
formationen der Form (4.29) eine Gruppe bilden.

Definition 4.6 Die Abbildungen w : D - D, w(z) = eicp t~:z mit cp E R,


a E C, lai< 1, heißen Möbiustransformationen der Einheitskreisscheibe.

Lemma 4.8 Es gelte 0 :::; (h < (J2 < (J3 < 211', 0 :::; 111 < 112 < 113 < 211'. Dann
existiert (genau) eine Möbiustmnsjormation w der Einheitskreisscheibe mit
w(e i9j ) = eifJj,j = 1,2,3.

Dies werden wir später sehen (und zwar am Ende von Kapitel 5).
Wir wollen nun das Plateausche Problem angreifen, indem wir D(f) in
der Klasse C aller Abbildungen j : D _ ]E3

jE C 1 (D) n C°(i»,
die 8D monoton4 auf'Y abbilden, minimieren. Damit dies überhaupt möglich
ist, müssen wir an'Y die Forderung stellen, daß überhaupt eine solche Abbil-
dung j mit endlichem Dirichletintegral existiert. Wir werden diese Bedin6ung
unten genauer diskutieren.
Es sei (fn)nEN Ce eine Minimalfolge, also

D(fn) - inf D(f) für n - 00.


fEe

4 Daß f monoton ist, heißt, daß f gleichmäßiger Limes von stetigen bijektiven Ab-
bildungen von 8D auf "y ist. Man beachte später, daß ein gleichmäßiger Limes
monotoner Randabbildungen wieder monoton ist. Die monotonen Randabbildun-
gen bilden also eine unter gleichmäßiger Konvergenz abgeschlossene Klasse.
58 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

Wir wollen nun die Folge der Randwerte 1/Jn := !n18D kontrollieren.
Hierzu müssen wir noch eine kleine Modifikation unserer Konstruktion
vornehmen
Es seien 0 S fh < ()2 < ()3 < 21T beliebig, und Ab A 2 , A 3 irgend drei
verschiedene Punkte von "(. Wir verlangen nun noch, daß für alle n

(4.30)

gilt. Dies ist nun keine wesentliche Einschränkung, denn für 9 E C gibt es
!Pl,!P2,!P3 E [0,21T) mit

g(ei<pj) = A j , j = 1,2,3.

Wir können ohne Einschränkung

o S !PI < !P2 < !P3 < 21T


annehmen (andernfalls verknüpfen wir 9 mit einer Rotation und/oder einer
Spiegelung von D an einer Achse, und dies ändert D(g) nicht).
Nach Lemma 4.8 existiert eine Möbiustransformation w von D mit
w(ei()j) = eiCPj , j = 1,2,3.
Mit 9 ist auch go w in C, es ist

(gow)(ei()j) = Aj,j = 1,2,3,

und nach Lemma 4.6 ist

D(g 0 w) = D(g).

Folglich ist

inf{D(g) : 9 E C} = inf{D(g) : gE C, und gerfüllt (4.30)}.

Daher ist (4.30) tatsächlich keine Einschränkung für unser Vorgehen.


Für den Nachweis der Gleichstetigkeit wird das sog. Courant-Lebesgue-
Lemma eine entscheidende Rolle spielen.

Lemma 4.9 Es sei! E Cl(D,JEd) nCO(D,JEd), und es gelte DU) S K o.


Es sei 0 < {) < 1, Zo E D.
Dann existiert ein r mit {) < r < v'8 und der Eigenschaft, daß für alle
Zb Z2 E D mit IZk - zol = r, k = 1,2

f (41TKo)~
IJ (ZI) - !(z2)1 S (1 1).1 (4.31)
og 6 2

gilt.
4.4 Das Plateausche Problem 59

Beweis. Es seien (p, cp) Polar koordinaten mit Zentrum Zoo


Wir setzen S(zo,r) := {z E]R2 : Iz - zol = r}. S(zo,r) entspricht also in
unseren Koordinaten p = r,O ::; cp ::; 211".
Für Zl, Z2 E S(zo, r) n D :

1!(Zl) - !(z2)1 ::; J 1!<p(r,cp)ldcp

J
S(zQ,r)nD

::;(211")~ ( I!<p(r, cp)12dcp)~ (4.32)


S(zQ,r)nD

mit der Hölderschen Ungleichung.


Nun ist das Dirichletintegral von! in Polarkoordinaten

Folglich existiert ein r mit 6 < r < v'8 und

(4.33)

nach dem Mittelwertsatz der Integralrechnung, angewandt auf

JD
1!<p12dcp ~ ::; 2D(J).

Aus (4.32) und (4.33) folgt

1!(Zl) - !(z2)1 ::; (~D(J))~ o


(J6 ldp)~
p

Bemerkung. Es ist wichtig zu beachten, daß das r in Lemma 4.8 La. von Zo
und! abhängt und die Aussage nicht für alle r E (6, v'8) zu gelten braucht.

Wir können nun für 'lj;n := !n18D folgern:

Lemma 4.10 Die Folge ('lj;n)nEN ist gleichgradig stetig.

Beweis. Es sei c > O. Wir haben zu zeigen, daß ein 6 > 0 mit der Eigenschaft
existiert, daß für alle Zo E 0 D und alle n E N und alle z E 0 D mit Iz - Zo I < 6
(4.34)
60 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

ist. Weil (fn) eine Minimalfolge für D(g) in C ist, können wir zunächst

mit einer von n unabhängigen Konstanten K o annehmen (z.B.


K o = 2inf{D(g) : 9 E Cl)·
Zu e > 0 wählen wir nun 8,0 < 8 < 1, zunächst derart, daß

(47rKo)~ .
-'---1""""1:- < e /2 1st. (4.35)
(log "8 )2
Nach Lemma 4.9 existiert dann zu jedem Zo E 8D und jedem n E Nein r,
8 < r < .[8, mit der Eigenschaft, daß für alle Zb Z2 E jj mit Izo - zil = r, i =
1,2

(4.36)

Es existieren zwei Punkte Wl,


W2 E 8D mit Izo -wli = Izo-
w21 = r. Hierdurch wird 8D in
zwei Teilbögen Cl und C2 zer-
legt, wobei

Cl = {z E 8D: Iz - zol ::;: r}.


Indem wir gegebenenfalls 8 und
damit auch r < .[8 verklei-
nern, können wir annehmen, daß
Cl höchstens einen der drei Punk-
te eie; ,j = 1, 2, 3, enthält.

Weil nun 'l/Jn monoton ist, wird 'Y durch 'l/Jn(Wl) und 'l/Jn(W2) in zwei
Teilbögen 'Yl und 'Y2 zerlegt, wobei
(4.37)
höchstens einen der Punkte Ab A 2 , A 3 enthält.
4.4 Das Plateausehe Problem 61

In diesem Sinne ist ,1also der

,1 ,2.
kleinere der beiden Teilbögen
und Weil nun, eine Jor-
dankurve ist, existiert zu je-
dem c > 0 ein 'f/ > 0 mit der
Eigenschaft, daß für irgendzwei
Punkte Xl, X2 E , mit lXI -
x21 < 'f/ , durch Xl und X2 in
zwei Teilbögen " und ," zer-
legt wird, wobei für alle XE,'

(4.38)
gilt. Weil nun ,1
in dem oben angegebenen Sinne der kleinere der beiden
Teilbögen ist, können wir ,1
= " annehmen.
Wir wählen nun 8 mit 0 < 8 < 1 derart, daß neben (4.35) auch

(47rKo)!
-'--":':'1'< 'f/ (4.39)
(log i)"2
gilt, wobei 'f/ in der gerade beschriebenen Weise durch c bestimmt wird.
Wir wählen dann r,8 < r < -/8, nach Maßgabe von Lemma 4.9.
Dann gilt insbesondere

(47rKo)!
l'l/In(Wl) - 'l/In(W2) I ::; 1 1 < 'f/.
(log ;5)"2

Nach der vorstehenden Überlegung gilt dann für alle z E Cl

und damit

Aus der Dreiecksungleichung folgt dann für z E ßD, Iz - zol < 8, also insbe-
sondere z E Cl

Weil die Folge ('l/In)nEN nach Lemma 4.10 auf ßD gleichgradig stetig und
auf ßD gleichmäßig beschränkt ist, können wir den Satz von Arzela-Ascoli
anwenden und schließen, daß ('l/In) nach Auswahl einer Teilfolge gleichmäßig
gegen ein stetiges 'l/I : ßD -> ]E3 konvergiert, welches dann wie die 'l/In ßD
monoton auf, abbildet.
62 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Wir lösen nun für jedes n das folgende Dirichletproblem


hn : D _lE3
L1h n = 0 in D
hnl8D = fnl8D = "pn
Weil fnl8D stetig ist, ist dieses Problem immer (eindeutig) lösbar (cf. Satz 1 im
Anhang über harmonische Funktionen), und es ist hn E CO(D)nCOO(D) c C.
Aufgrund des Dirichletschen Prinzips (vgl. Satz 5 des Anhangs über harmoni-
sche Funktionen) minimiert h n das Dirichletintegral unter allen Abbildungen
mit den gleichen Randwerten, also insbesondere

D(h n ) = mf{D(g) : g: D -lE ,g18D = hnl8D }


. - 3

:::; D(fn).

Folglich bildet (hn)nEN ebenfalls eine Minimalfolge, und wir werden nun diese
statt der ursprünglichen (fn) verwenden.
Nach dem Maximumprinzip ist für n, mE N

sup Ihn - hml :::; sup l"pn - "pml·


D 8D
Daher konvergiert mit ("pn) auch (hn)nEN gleichmäßig. Diese Grenzfunktion
heiße h. Es ist

Lemma 4.11 herfüllt

D(h) = inf{D(g) : g E C} ( 4.40)

und ist in D harmonisch, also

L1h(z) = 0 für z E D.

Beweis. Weil die hn in D harmonisch sind und in j) gleichmäßig gegen h


konvergieren, konvergieren in jeder inneren Kreisscheibe B (0, p) := {z E D :
Izl :::; p}, 0 < p < 1, auch alle Ableitungen der h n gleichmäßig gegen die
entsprechenden Ableitungen von h.
Insbesondere ist h in jedem B(O,p) und damit auch in D = U B(O,p)
p<l
harmonisch. Weiter ist für jedes p, 0 < P < 1,

~2 J
B(O,p)
l'Vhl 2 lim ~2
= n-+oo J
B(O,p)
l'VhnI2 :::; lim inf ~2
n-+oo
J
D
l'Vhnl2

Lassen wir nun p gegen 1 streben, so folgt


4.4 Das Plateausche Problem 63

D(h)(= -21 J
D
IVhI 2 ) ~ liminf
n-+oo
D(h n ) = inf{D(g) : 9 E C}, (4.41)

weil (h n ) eine Minimalfolge in C ist.


Wir haben aber nun schon bewiesen, daß h E CO(D) n C 2 (D) ist und 8D
monoton auf'Y abbildet. Also ist hE C, und daher
D(h) ~ inf{D(g) : 9 E C}. (4.42)
(4.41) und (4.42) ergeben (4.40). o
Um nun das Plateausche Problem in der obigen Fassung zu lösen, bleibt
nach Lemma 4.11 außer dem Nachweis der Randbedingung nur noch z.z., daß
hin D konform ist.
Um dies zu erreichen, betrachten wir Familien
O't: jj - jj
von Diffeomorphismen der Klasse C 2 , die differenzierbar von tabhängen,
wobei t E R in einer Umgebung von 0 variiert, mit
0'0 = id, also O'o(z) = z.
hoO't 1 bildet 8D dann wie h stetig und monoton auf'Y ab. Nach unserer
Überlegung brauchen wir uns um die 3-Punkte-Bedingung nicht weiter zu
kümmern, weil wir ho O't 1 mit einer konformen Transformation TJt kompo-
nieren können, die die 3-Punkte-Bedingung wieder herstellt und das Dirich-
letintegral nicht ändert.
Wir setzen z = x + iy, O't(z) = e + iTJ.
Es ist

D(hoO't 1 ) = ~ J{< hzxe +hyYe,hzxe +hyYe >


D

+ < hzx'1 + hyY'1' hzx'1 + hyY'1 > }dedTJ·


Dieses Integral existiert, weil D(h) < 00 ist und xe, ... , Y'1 sämtlich be-
schränkt sind.
Setzen wir

ein, so ergibt sich unter Benutzung der Transformationsformel dedTJ = (ezTJy-


eyTJz)dxdy
64 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

Wir wollen nun D(h 0 O"t 1 ) an der Stelle t = 0 nach t differenzieren; daß
dies möglich ist, folgt aus dem Satz über die Differenzierbarkeit eines Inte-
grals nach einem Parameter, weil< h x , h x >, < h x , hy > und< hy, hy >
integrierbar und die Ableitungen von ex, etc. nach t beschränkt sind.
Wir setzen
f)O"t .
-f) = V +zw.
t jt=O

Wir errechnen nun, indem wir noch ausnutzen, daß für t = 0 O"o(z) = Z, also
ex = 'T/y = 1, ey = 'T/x = 0 ist,
d D(h 0 O"t-1 )jt=o
dt =2 J
1 {( < hx, hx > - < hy, hy > )(wy - vx) (4.43)
D
- 2 < h x , hy > (vy + wx)}dxdy.
Weil nun mit hauch ho O"t 1 E C und h das Dirichletintegral in C minimiert,
nimmt D(hoO"t 1 ) an der Stelle t = 0 ein Minimum an.
Es folgt
d -1
0= dt D(h 0 O"t )jt=O,

also

0= J{( <
D
hx, h x > - < hy, hy > )(wy - vx)

- 2< h x , hy > (vy + wx)}dxdy. (4.44)

Wir können dies auch in komplexer Schreibweise ausdrücken; hierzu setzen


wir

<p :=< hx,h x > - < hy,hy > -2i < hx,hy >
(man vgl. (4.19) für f = h, Zl = X, z2 = y).
(4.44) wird dann mit (v + iw)z = !(vx - wy + i(vy + wx ))

0= -2 Re J
D
<p' (v + iw)zdxdy. (4.45)

Unser Ziel ist nun, aus (4.44) oder (4.45) <P = 0 durch geeignete Wahl von v
und w herzuleiten. Zunächst beobachten wir, daß wir beliebige v,w E C5(D),
also mit kompaktem Träger zulassen können, denn

O"t(x, y) = x + iy + t(v + iw)


ist dann für kleines Itl ein Diffeomorphismus von D nach D. Durch partielle
Integration folgt dann aus (4.45)
4.4 Das Plateausche Problem 65

0=2 Re JD
cpz(v + iw)dxdy (4.46)

für alle v,w E C5(D), und damit

cpz == O. (4.47)
cP ist also holomorph. Dies folgt jedoch schon daraus, daß h harmonisch ist
(vgl. die Bem. nach Lemma 4.3) und stellt insofern keine neue Erkenntnis
dar.
Wir betrachten nun Variationen
at(z) = zeita(z)

mit reellwertigen Funktionen a(z). In diesem Fall ist


.
v+zw = aat
~
It=O
Vb
.
= zza. (4.48)

Weil nun cP holomorph ist, also


a
ax« hx,hx > - < hy,hy »
a
= - ay2 < hx,hy >
(4.49)
a a
ay« hx,hx > - < hy,hy » = ax 2 < hx,hy >
erfüllt, würden wir durch partielle Integration von (4.44), wenn wir schon
wüßten, daß cP auf aD stetig ist, mit der Schreibweise cP = CPl + iCP2

0= J
8D
(v(cpldy + CP2dx ) + w(cpldx - CP2dy)).

erhalten.
Da wir jedoch die Regularität von cP auf aD noch nicht kennen, können
wir stattdessen nur mit B(O,p):= {z E D: Izl ::; p},p < 1,

0= lim
p ..... l
J
8B(O,p)
(v(cp1dy + CP2dx ) + w(cp1dx - CP2dy))

schließen. Dies wird jedoch für unsere Zwecke ausreichen.


Wir können dies wiederum prägnanter in komplexer Schreibweise aus-
drücken:
Es ist

vcp1dy + VCP2dx + wcp1dx - Wcp2dy = Im «v + iW)(CPl + icp2)(dx + idy)) ,


also mit dz = dx + idy,
66 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

0= lim Im
p-+l
J
8B(O,p)
(II + iW)<pdz. (4.50)

Es seien nun (r, B) Polarkoordinaten auf D, also z = re iO , und für unsere


Variation 11 + iw mit (4.48) ergibt sich mit dz = izdB auf 8B{0, p)

o= lim Im
p-+l
J a{z)z2<p{z)dB

J
8B(O,p)

= lim a{z) Im (z2<p{z»dB. (4.51)


p-+l
8B(O,p)

Nun ist 1]{z):= Im (Z2<p{Z» harmonisch (dies rechnet man entweder direkt
nach oder folgert es daraus, daß <p holomorph ist).
Für w E D sei nun

der Kern der Poissonschen Darstellungsformel auf B{O,p) (vgl. Satz 1 des
Anhangs über harmonische Funktionen). Wir setzen nun (für festes w E D)

a{z) = Kp{z, w)'x{z)

mit
für Izl > Po
'( ) ._ {
"z.- ~lzHwl-Po
po-Iwl für p0_ > Izl >
- po+lwl
2

o für po~lwl > Izl

mit Iwl < Po < 1.


(4.51) wird dann zu

0= lim
p-+l
J Kp{z, w)1]{z)dB. (4.52)
8B(O,p)

Nach der Poissonschen Darstellungsformel ist aber, weil 1] harmonisch ist,

J Kp{z, w)1]{z)dB = 1]{w).


8B(O,p)

Es folgt also, da wein beliebiger Punkt aus D war,

1]=0 (4.53)
in D.
4.4 Das Plateausehe Problem 67

Nun ist Z2cp(Z) =: ß + iTJ holomorph, also

ßx = TJy, ßy = -TJx ,
und wegen (4.53) ist daher Z2cp(z) konstant. Nun verschwindet aber z2c,o(z)
für z = 0, und daher ist z2c,o(z) und damit auch c,o(z) in D identisch Null.
Die Beziehung

bedeutet aber gerade, daß unsere harmonische Funktion h konform ist. Damit
ist das Plateausche Problem in der hier behandelten Fassung gelöst:

Satz 4.5 Es sei 'Y eine geschlossene Jordankurue der Klasse Cl im E3. Dann
bemndet 'Y eine pammetrische Minimalftäche. Genauer existiert eine Abbil-
dung
h E CO (i), E 3) n CW (D, E3) mit den folgenden Eigenschaften:
(i) h ist in D harmonisch: Llh = 0

(ii) h ist in D konform: < h x , h x >=< h y, h y >, < h x , h y >= 0

(iii) h bildet 8D bijektiv auf'Y ab.

Beweis. Wir zeigen zunächst, daß für 'Y E Cl die oben definierte Klasse C
nicht leer ist. Es sei hierzu

c: 8D -+ 'Y

eine reguläre Parametrisierung der Klasse Cl. Wir setzen in Polarkoordinaten


(r,9) auf D

f(r,9) = rc(9). (4.54)

Dann ist DU) < 00, also fEe.


Weil C nicht leer ist, können wir durch den vorstehend beschriebenen
Prozeß ein harmonisches und konformes h durch Minimieren des Dirichletin-
tegrals in C finden.
Aus der obigen Konstruktion folgt, daß

hl 8D : 8D -+ 'Y

gleichmäßiger Limes der bijektiven und stetigen Abbildungen

fnl8D : 8D -+ 'Y

ist.
Als gleichmäßiger Limes surjektiver Abbildungen ist hl 8D wiederum sur-
jektiv.
68 4. Minimalfiächen. Das Plateausehe Problem

Um Z.Z., daß hl 8D auch injektiv ist, müssen wir, weil hl 8D gleichmäßiger


Limes injektiver Abbildungen ist, nur ausschließen, daß ein Teilintervall von
8D auf einen einzigen Punkt abgebildet wird.
Hierzu betrachten wir die obere Halbebene

H:= {z = x + iy E <C, y > o}


und die gebrochen lineare Transformation w, definiert durch
z- i
Zl---+--..
z+z
Ist z = x + iy und y = 0, so ist Iw(z)1 = 1, ist z = x + iy und y > 0, so ist
Iw(z)1 < 1. Daher bildet wH auf D ab. Wie im Beweis von Lemma 4.6 is w
holomorph und überall von maximalem Rang.
Daher ist
T} := ho w : H -+]E3

eine auf H definierte Minimalfläche. Wir wollen zeigen, daß T} kein Teilinter-
vall von R auf einen Punkt in 1 abbilden kann, denn dann kann auch h kein
Teilintervall von 8D auf einen Punkt auf 1 abbilden.

°
Es sei nun I ein Teilintervall von R mit T}(I) = Wo E 1. O.E. sei I =
(-r,r), und 0.E. sei auch Wo = (andernfalls betrachten wir T} - wo). Wir
betrachten B(O,r) := {x + iy E <C,x 2 + y2 :::; r 2}. Wir setzen T}(x,y) =
-T}(x, -y) für y < 0, X2+y2 :::; r und erhalten so eine Abbildung T} : B(O, r) -+
]E3.
Nun sei T}1 : B(O, r) -+ ]E3 die harmonische Abbildung mit

T}118B(O,r) = T}18B(O,r)
(vgl. Satz 1 des Anhangs über harmonische Funktionen).
Ferner setzen wir
T}2 : B(O, r) -+ ]E3
T}2(X, y) = -T}l(X, -y)

T}2 ist dann ebenfalls harmonisch, und wegen T}(x, y) = -T}(x, -y) und der
obigen Randbedingungen für T}1 folgt

T}218B(O,r) = T}118B(O,r)·

Nach Korollar 2 des Anhangs über harmonische Funktionen folgt

also
4.4 Das Plateausche Problem 69

und daher
711(X,0) = 0 für lxi $ r.
Daher ist

71lI8(B(O,r)nH) = 7118(B(O,r)nH»
und wiederum nach Korollar 2 des Anhangs

711 = 71 auf B(O, r) n H,


und dann auch
711 = 71 auf B(O, r).
Es folgt, daß 71 auf ganz B(O, r) harmonisch ist. Außerdem ist 71 dann auch
wieder wegen der Symmetrie 71(x, y) = -71(x, -y) auf ganz B(O, r) konform,
also

< 71x, 71x >=< 71y, 71y >, < 71x, 71y >= 0.
°
Nun ist 71x == auf I, weil I ein Teil der x-Achse ist und auf einen Punkt
abgebildet wird, und wegen der Konformalität daher auch 71y == °
auf I,

°
daher auch 71xy == 0 auf I. Weil 71 harmonisch ist und 71xx == 0 auf I ist,
ist auch 71yy == auf I. Durch fortgesetztes Differenzieren folgt iterativ, daß
auf I sämtliche Ableitungen von 71 verschwinden. Daher ist nach Korollar 1
des Anhangs 71 == const. auf B(O, r) und dann wiederum wegen der reellen
Analytizität auch auf ganz H. Hieraus folgt, daß h auf D und mithin auch
auf aD konstant ist, im Widerspruch zu der Tatsache, daß h aD surjektiv
auf'Y abbildet. 0

Bemerkung. Man braucht für unser Verfahren nur vorauszusetzen, daß 'Y
rektifizierbar ist. Daß die Abbildungen in C von der Klasse Cl sein müssen,
ist nämlich nicht unbedingt erforderlich; es reicht die Zugehörigkeit zu dem
Sobolevraum H1,2, also endliches Dirichletintegral. Man parametrisiert eine
rektifizierbare Kurve dann nach der Bogenlänge und definiert f wie in (4.54).
Dann gilt DU) < 00.
Das Plateauproblem wurde erstmals im Jahre 1930 von J. Douglas und T.
Rad6 gelöst. Der hier vorgestellte Beweis geht im wesentlichen auf R. Courant
zurück.
Wir wollen auch darauf hinweisen, daß wir bei der Lösung des Plateau-
schen Problems an keiner Stelle ausgenutzt haben, daß der Bildraum drei-
dimensional ist. Satz 4.5 gilt daher für geschlossene rektifizierbare Jordan-
kurven im JEd, d ~ 2 (für d = 1 existieren natürlich keine geschlossenen
Jordankurven). Insbesondere erhalten wir für d = 2

Korollar 4.4 Es sei 'Y eine geschlossene Jordankurve der Klasse Cl in C,


B das von 'Y berandete beschränkte Gebiet (ein solches existiert nach dem
70 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Jordansehen Kurvensatz). Dann existiert eine Abbildun9 f : iJ - ? lJ, die ßD


homöomorph auf'Y abbildet und im Innern ein konformer DijJeomorphismus
ist.

Beweis. Es bleibt nur z.z., daß fz nirgendwo in D verschwindet. Dies folgt


aus der Tatsache, daß f ßD monoton auf'Y abbildet und elementaren Eigen-
schaften von Windungszahlen für konforme, mithin holomorphe Abbildungen
f : D - ? C, die sich aus der Cauchyschen Integralformel ergeben. Wir wollen
dies hier nicht genauer ausführen, da es in die Funktionentheorie gehört. D

Korollar 4.4 ist eine schwache Version des Riemannschen Abbildungssat-


zes, welcher besagt, daß jedes einfach zusammenhängende Teilgebiet B von C,
das mindestens einen Randpunkt enthält, zur Einheitskreisscheibe konform
äquivalent in dem Sinne ist, daß ein konformer Diffeomorphismus f : D - ? B
existiert.
Eine Konsequenz von Korollar 4.4 ist, daß bei unserer Lösung des Plate--
auschen Problems die Einschränkung auf die Einheitskreisscheibe als Para-
metergebiet nicht wesentlich war; man hätte genauso gut jedes andere von
der in Korollar 4.4 angegebenen Art verwenden können.

4.5 Existenz isothermer Parameter


auf einer Minimalfläche

Wir wenden uns der Frage nach der Existenz isothermer Parameter auf ei-
ner MinimalHäche zu. Zunächst stellen wir hierzu allgemeine Überlegungen
über isotherme Parameter an. Durch f(x 1 , x 2 ) sei ein Flächenstück gegeben.
Wir wollen neue Parameter = (e, e e)
einführen, welche das Flächenstück
e
isotherm parametrisieren. Ist (Xl, x 2 ) = 'I/J(e, 2 ) so muß mit = f 0 'I/J und J
9ij =< Jf.i, Jf.; >
911 = 922,912 = 0
gelten, also nach (2.6)
1 1
911 X f.1Xf.1 + 2912 X 1f.1Xf.12 +922 X 2f.1Xf.12 = 911 X 1f.2Xf.2
1
+2g12 X 1f.2Xf.22 +922 X 2f.2Xf.22 (4 •55)
11
g11 X f.1Xf.2 + 912 (Xf.1Xf.2
1221)
+ Xf.1Xf.2 + 922 X 2
f.1Xf.2 =
20 (4.56)
Diese Gleichungen sind erfüllt, falls
2 g12 1
Xf.1 = --Xf.1 -
v'detY1
---Xf.2
g22 922
(4.57)
4.5 Existenz isothermer Parameter auf einer Minimalfiäche 71

gilt, wobei die gij sich auf die alten Parameter Xl, x 2 beziehen
(gij =< fxi'/x j ». Wir invertieren (4.57), um Differentialgleichungen für e
e
und 2 als Funktionen von Xl und x 2 zu erhalten, also

~;1 = g12 e;2 _


v'det 9 ~;2
922 922
det c2 + 9 12 cl
cl = v' 9 ~x2
~Xl ~x2
922 g22

und hieraus

e1=~el-~e2
x v'det 9 x y'detg x
c2 922 cl 912 cl
~x2 = v'detg ~xl - v'det 9 ~x2

also
~;1 = -y'det9(g12~;1 + l2~;2)
(4.58)
(;2 = y'detg(gll(;l + 9 l2 e;2)
Wir wollen nun - auf einer Minimalfläche - (4.58) lösen und somit die
Existenz isothermer Parameter erhalten.
(4.58) läßt sich als Verallgemeinerung der Cauchy-Riemannschen Diffe-
rentialgleichungen der Funktionentheorie auffassen. Ist nämlich 9ij = 8 ij , so
wird (4.58) zu
c2 _ cl
~X1 - -~X2

(;2 = (;1,
also genau den Cauchy-Riemannschen Gleichungen.
Zur Lösung werden wir daher ähnlich wie in der Funktionentheorie vor-
gehen, nämlich zu einer harmonischen Funktion eine konjugiert harmonische
Funktion suchen, wobei "konjugiert" gerade bedeutet, daß die beiden funk-
tionen (4.58) lösen.

Lemma 4.12 f : U - 7 ]E3 sei ein Flächenstück mit erster Fundamental/arm

g=(~ ~).
Dann ist

.:lgf = 2Hn, (4.59)


wobei .:lg den Laplace-Beltrami-Operator (bzgl. g) bezeichnet.
72 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Beweis. Wir haben diese Aussage schon in Lemma 4.2 für isotherme Pa-
rameter gesehen. Da wir die Existenz isothermer Parameter aber erst noch
beweisen wollen, können wir dies hier nicht benutzen.
Die Formel (4.59) gilt jedoch auch, wenn wir eine Parametertransforma-
tion durchführen, die / auf die Gestalt (3.6) bringt, im Punkte ( = 0; (= 0
entsprach dabei einem beliebig gewählten Punkt auf unserem Flächenstück.
Nach Satz 3.1 stimmt nämlich in den dortigen Bezeichnungen im Punkte
/(0) der Laplace-Beltrami-Operator mit dem euklidischen Laplaceoperator
J.1 (a~~)2 überein, und es ist im Punkte /(0) E (a~~)2 / = spur(hij(O))no,
und dies ist die behauptete Formel in /(0). Wir beweisen nun die Invari-
anz des Laplace-Beltrami-Operators unter Parameterwechseln. Da die rechte
Seite von (4.59) offensichtlich invariant unter Parameterwechseln ist, folgt
somit (4.59) in beliebigen Parametern, weil wir schon gezeigt haben, daß die
Formel in speziellen Parametern (nämlich denjenigen aus Satz 3.1) gültig ist.

Zum Beweis von Lemma 4.12 bleibt also nur noch die nachstehende Aus-
sage zu zeigen

Lemma 4.13 / : U -+1E3 sei Flächenstück mit erster Fundamental/orm g,


cp: V -+ U Parametertrans/ormation. Die erste Fundamental/orm von j :=
/ 0 cp werde mit 9 bezeichnet, und .1 g und .1g seien die jeweiligen Laplace-

Beltrami-Operatoren. Dann ist für jede Funktion h E C 2(U)

(.1 g h) 0 cp = .1g (h 0 cp). (4.60)

Beweis. Wir schreiben wie üblich g = (gn


g21
g12),
g22
9 = (~n ~12)
g21, g22
.
Für "I E cJ(U) ist wegen .1g = b-:. ~ a~. (~ldet ggij a~3 )
ydetg ',3=1
nach partieller Integration

J .1g h· TJVdetgdx1dx2 = - J };i,j=l


gij ßß . h ßß . TJy'detgdx 1dx 2 . (4.61)
x3 x'
U u
Ebenso ist
J
v
.1g(h 0 cp)TJ 0 cpy'detgdetdf.2

= - Jv
k,E1 gkl ß~l (h 0 cp) ß~k ("I 0 cp)y'detgdetdf. 2 . (4.62)
4.5 Existenz isothermer Parameter auf einer Minimalfläche 73

Nach (2.6) ist

folglich

2
Da auch ~(h 0 cp) = m~l hx"'x~ etc. ist, erhalten wir aus (4.62)

Da

J
u
L1 g h· 'f}y'det gdx 1dx 2 = J
v
(L1 g h) 0 cp . 'f} 0 cpy'det gdede , (4.64)

ist, folgt die Beh. aus (4.61), (4.63), weil diese Formeln für beliebiges 'f} E
CJ (U) gelten. 0

Die hier vorgeführte Beweismethode von Lemma 4.12, daß man nämlich
eine Formel zunächst in speziellen, geeignet gewählten Parametern beweist
und dann aus Invarianzeigenschaften folgert, daß sie auch in beliebigen Pa-
rametern gültig bleiben muß, ist von großer Wichtigkeit in der Differential-
geometrie.
Aufgrund von Lemma 4.12 können wir auf einer Minimalfläche immer
nichttriviale harmonische Funktionen, also Lösungen von L1 g h = 0, finden,
nämlich beispielsweise die Komponenten des Positionsvektors. Insbesondere
existiert für jeden Punkt eine Umgebung, in der eine harmonische Funk-
tion mit dort nirgendwo verschwindendem Gradienten existiert. Es sei nun
e(x 1, x 2) eine solche harmonische Funktion. Wir betrachten dann das Diffe-
rential
w := w1dx 1 + w2dx 2 := - y'detg(g12(~1 + g22~!2)dxl (4.65)
+ y'detg(gl1~!l + g12~!2)dx2.
Weil e harmonisch ist, also ',1E. a~' ( .J<1et9gij ~!j) = 0, ist
(4.66)
Wir nehmen nun an, daß die gewählte Umgebung U unseres Punktes Zo der
Minimalfläche einfach zusammenhängend ist. Dann setzen wir für z E U
74 4. Minimalfl.ächen. Das Plateausche Problem

!
z

e(z):= w, (4.67)
Zo

wobei wir das Integral über eine beliebige (glatte) Zo und z verbindende
Kurve erstrecken. Weil U einfach zusammenhängend und dJ.oJ = ist, ist das
Integral von der Wahl des Verbindungsweges unabhängig.
°
Es gilt

e;l = w1= -y'detg(l2e;1 + g22e;2)


e;2 = w2= y'detg(g e;l + l2e;2),
l1

also (4.58). Damit ist gezeigt

Satz 4.6 Jeder Punkt einer Minimalftäche besitzt eine Umgebung, in der
isotherme Pammeter existieren.

Bemerkung.
1) Satz 4.6 und sein Beweis können geometrisch folgendermaßen zusam-
mengefaßt werden: Man benötigt zwei harmonische Funktionen auf der

°
Minimalfläche mit gleich langen, zueinander senkrechten Gradienten.
Die erste erhält man wegen H = beispielsweise als geeignete Kom-
ponente des Positionsvektors, die zweite aus der Beobachtung, daß der
um 90 Grad gedrehte Gradient einer harmonischen Funktion wieder
Gradient einer harmonischen Funktion ist.
2) Satz 4.6 gilt auch für beliebige Flächen, nicht nur für minimale. Der
Beweis erfordert stärkere Hilfsmittel als uns hier zur Verfügung stehen.
Wir verweisen auf [JI] und die dort angegebenen Referenzen.

4.6 Minimale Graphen. Der Satz von Bernstein

Wir wollen nun minimale Graphen betrachten, also Minimalflächen, die sich
als Graph einer Funktion z = cp(x, y) über der xy-Ebene oder einem Teil
davon darstellen lassen.
Der Positionsvektor eines Graphen ist

fex, y) = (x, y, cp(x, y».


Es gilt also f:z; = (1,0, CP:z;), fy = (0,1, CPy), f:z;:z; = (0,0, cp:z;:z;) , f:z;y = (0,0, cp:z;y) ,
fyy = (O,o,cpyy).
Es ergibt sich
4.6 Minimale Graphen. Der Satz von Bernstein 75

E =< fx,fx >= 1 + cp;,F = CPxCPy,G = 1 + Cp~


EG - F 2 = 1 + cp; + Cp~
(-CPx, - CPy, 1)

L f
=< n, xx >= VI +CPxxcp; + Cp~ ,

M = CPxy
V+ cpi + Cp~
I ,

N = cpyy
VI + cpi + Cp~
und nach (3.13) daher

H = ~ GL - 2FM + EN = (1 + cp~)CPxx - 2cpxcpycpxy + (1 + cp~)cpyy


2 1 + cpi + CP~ 2(1 + cpi + cp~)!
Da eine Minimalfläche durch die Beziehung H = 0 charakterisiert war, erhal-
ten wir

Satz 4.7 Der Graph einer Funktion cp E C 2 (U, ]R), U c ]R2, ist genau dann
minimal, wenn cp die Minimalflächengleichung

(1 + cp~)CPxx - 2cpxcpycpxy + (1 + cp;)cpyy = 0 (4.68)

erfüllt.

Im Gegensatz zur Laplacegleichung .du = 0 ist die Minimalflächen-


gleichung eine nichtlineare Gleichung, und daher ist beispielsweise die Summe
zweier Lösungen La. keine Lösung mehr.
Nach dem Satz von Liouville sind auf dem ganzen ]R2 beschränkte har-
monische Funktionen konstant, und wenn das Wachstumsverhalten geeignet
kontrolliert ist, sind sie schon linear (vgl. Korollar 4 im Anhang über harmoni-
sche Funktionen). Jedoch gibt es durchaus nichttriviale harmonische Graphen
über dem ]R2, z.B. h(x,y) = x 2 _ y2.
Es ist nun bemerkenswert, daß für Lösungen der Minimalflächengleichung
ein viel stärkeres Resultat gilt; jeder minimale Graph über dem ]R2 ist nämlich
schon eben, ohne daß man irgendwelche Voraussetzungen über das Wachs-
tumsverhalten machen müßte.
Dies ist der Inhalt des Satzes von Bernstein:

Satz 4.8 Jeder über der ganzen Ebene sich erstreckende minimale Graph,
also jede Minimalfläche der Form f : ]R2 -+ ]E3,
76 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

J(xl,x 2) = (X 1,X2,cp(xl,x2)) mit cp E C 2(1R 2)


ist eben, also cp(x 1, x 2) = a1 xl + a2x 2 + b, mit Konstanten ab a2, b.

Beweis. Wir konstruieren zunächst ein globales, d.h. auf dem ganzen 1R2
definiertes, isothermes Koordinatensystem.
Nach Lemma 4.12 sind insbesondere die ersten beiden Komponenten von
J, also xl und x 2, harmonische Funktionen auf der Minimalfläche. Wir setzen
e :=x1
und definieren e wie in (4.67), (4.65), welches sich jetzt wegen e;l 1,
e;2= 0 zu
e:= /(-Jdetgg12dx1 + Jdetgg ll dx 2)
1 1 2
= / v'det 9 (g12 dx + g22 dx )
vereinfacht. Entsprechend setzen wir
rJ2 := x 2

rJ:=
1 1 /
~(glldx 1 + g12dx 2 ).
ydetg
e
Genauso wie (e, 2) definieren auch (rJ1, rJ2) isotherme Parameter. Um eine
symmetrische Gestalt zu bekommen, setzen wir

(1 := e + rJ1 = Xl + / v'd~t9 (glldx 1 + g12dx2)


(4.69)

(2 := e + rJ2 = x2+ / v'd~t 9 (g12 dx1 + g22 dx2 )


Weil die Gleichungen (4.58) linear sind, ist die Summe zweier Lösungen wie-
der eine Lösung. Daher definieren auch « 1, (2) isotherme Parameter, sofern
wir zeigen können, daß die Transformation (xl, x 2) f-+ «1, (2) überall maxi-
malen Rang hat. Wir werden sogar eine erheblich stärkere Aussage zeigen,
nämlich, daß diese Transformation den euklidischen Abstand zweier Punkte
in der (xl, x 2 )-Ebene nicht verkleinert.
Es seien also (yl, y2) und (zl, z2) zwei Punkte dieser Ebene, (al, ( 2) und
(ß1, ß2) die Bildpunkte unter unserer Transformation. Dann ist

( }; (ßi _ a i )2)! ( }; (zi _ yi)2)!


i=l i=l
2 , ' . ,
~ E (ßt - at)(zt - yt) nach Cauchy-Schwarz
i=l
z
= ,}; (zi - yi)2 + ,}; (/ ~dxj)(Zi _ yi) .
t=l t,]=l v'det 9
y
4.6 Minimale Graphen. Der Satz von Bernstein 77

Wir führen die Integration über den Verbindungsweg x = y + r(z - y), 0 :::;
r:::; 1, aus. Der letzte Ausdruck wird dann

J~dr(zi
1

= .1; (zi -
$=1
yi)2 + .~
$,3=1.yaetg
- yi)(zi _ yi)
o

weil (gii)i,i=1,2 positiv definit ist. Es folgt aus der Ungleichungskette

I(z) - (y)1 = Iß - 0:1 ~ Iz - yl, (4.70)


wie behauptet. Hieraus können wir auch schließen, daß (R.2) = R.2 ist. An-
dernfalls existiert nämlich eine Folge «(n)nEN C (R.2), die gegen einen Punkt
(0 E 8(R.2) konvergiert. Es sei (n = (x n ). Wegen (4.70) ist mit «(n) auch
(x n ) eine Cauchyfolge, also konvergent. Der Limes heiße Xo. Wegen der Ste-
tigkeit der Transformation x 1-+ (x) ist (0 = (xo). Da die Funktionalde-
terminante von ( wegen (4.70) nirgendwo verschwindet (denn für jede Kurve
x(t) gilt 1!t(x(t))1 ~ l!tx(t)l), wird eine Umgebung von Xo auf eine Umge-
bung von (0 abgebildet, und (0 ist daher innerer Punkt von (R.2) und kann
kein Randpunkt sein. Dieser Widerspruch beweist

( stellt also ein auf dem ganzen R.2 definiertes isothermes Parametersystem
unseres minimalen Graphen dar.
Wir betrachten nun die in (4.18) eingeführte Abbildung

F ()
( = 8(1 -
8f .8f
Z 8(2
(1
= F ,F ,F
2 3)
: R.
2
--+
3
C .

Es ist in unserem Fall


-1 2 8x 1 8x2 8x 1 8x 2
Im(F ·F) = 8(28(1 - 8(18(2 #0,

weil x 1-+ (x) und damit auch (1-+ x«() überall maximalen Rang hat.
Daher ist überall F 1 # 0, F 2 # 0, und weiter

F2 ) 1 -1 2
Im ( F1 = IF 1 12 Im(F F ) # 0,.
also z.B. überall

Im (~:) < 0.
Daher ist nach Korollar 5 des Anhangs über harmonische Funktionen die
holomorphe Funktion ~ konstant, also
78 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

F2 = cF l , C = a + iß, ß =I O.
Dies bedeutet
+ ßX~2
X~l = aX~1
2
X(2 = - ßX(l
+ aX(21 •
1

Setzen wir xl = y 1, x 2 = ay1 - ßy2, so gilt


1 2 1 2
Y(l = Y(2, Y(2 = -Y(l .

Die Abb. (1, (2) 1--+ (y1, y2) erfüllt also die Cauchy-Riemannschen Differen-
tialgleichungen. Wie nach Def. 4.5 bemerkt, sind daher mit (1,(2) auch
(y1, y2) isotherme Parameter.
Wir betrachten nun die in (4.18) eingeführte Abbildung bezüglich (y1, y2),
also

y := 88J
!P () . 8J (1 2 3) 2 C3 •
y 1 -l8 y 2 = !P ,!P ,!P :IR --+

Weil P = Xl, j2 = x 2 und x linear von y abhängt, sind !p 1 und !p 2 konstant.


Nun ist aber nach Lemma 4.3 auch

!p.!p == 0,
weil (y1, y2) isotherme Parameter sind, und deswegen ist auch ~ konstant.
Daher ist die dritte Komponente von J, also cp, linear in y1 und y2 und damit
auch in Xl und x 2 • 0

Der hier vorgeführte Beweisansatz des Satzes von Bernstein stammt von
J. Nitsche.

4.7 Das Maximumprinzip.


Die Gestalt zweifach zusammenhängender
Minimalflächen

Wir wollen nun noch das Maximumprinzip für Minimalßächen besprechen:

Satz 4.9 Es seien cp(l) ,cp(2) : U --+ IR zwei Lösungen der Minimalftächenglei-
chung

(1 + cp~)cpxx - 2cpxcpycpxy + (1 + cp~)cpyy = O. (4.71)

Falls die Differenz cp(l) - cp(2) in einem inneren Punkt von U ein Maximum
oder Minimum annimmt, ist
4.7 Zweifach zusammenhängende Minimalflächen 79

rp(l) _ rp(2) == const. in U.

Korollar 4.5 f(l), f(2) : U --+ ]E3 seien zwei Minimalftächen, Zo E U. Ist
f(l)(ZO) = f(2)(zO), so schneiden sich f(l)(V) und f(2)(V) in jeder Um-
gebung V von Zo, sofern nicht f(l)(U) = f(2)(U) ist. Zwei verschiedene
Minimalftächen können sich also nicht in in einem Punkt berühren, ohne
sich in jeder Umgebung dieses Punktes zu schneiden. Insbesondere kann
eine Minimalftäche, die eine Ebene berührt, nicht in einer Umgebung des
Berührungspunktes auf einer Seite dieser Ebene liegen.

Beweis von Korollar 4.5 Wir können annehmen, daß f(l) und f(2) im
Punkte Zo die gleiche Tangentialebene haben, und wir können auch anneh-
men, daß diese Tangentialebene parallel zur xy-Ebene ist, denn wir können
die Tangentialebene immer durch eine Rotation des ]E3 in eine zur xy- Ebene
parallele Ebene überführen, und durch eine Rotation werden Minimalflächen
in ebensolche überführt. Wir können dann f(l) und f(2) als Graphen rp(l) , rp(2)
über dieser Ebene, also über der xy-Ebene darstellen und Satz 4.9 anwen-
~a 0

Beweis von Satz 4.9 Wir wollen den Satz auf das Maximumprinzip von
E. Hopf zurückführen, welches lautet 0

Satz (E. Hopf) n sei ein Gebiet im Rd, u E C 2(n) eine Lösung von

Hierbei seien die Koeffizienten bi beschränkt, aij symmetrisch, also aij = aji,
e
und es gelte für alle x E n, E Rd

Alel 2 ~ $,3=1
. ~ aij(X)eiej ~ Alel 2

mit Konstanten A, A > O.

Nimmt u dann im Innern von n ein Maximum an, so ist u konstant.


Zum Beweis des Maximumprinzips verweisen wir auf [J3].
Wir betrachten nun zum Beweis von Satz 4.9
u := rp(l) _ rp(2) •

Es gilt durch Subtraktion der Gleichungen für rp(l) und rp(2)


80 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

0= (1 + <p~1)2)<p~~ - 2<p~1)<p~1)<p~V + (1 + <p~1)2)<p~V


_ (1 + <p~2)2)<p~7j + 2<p~2)<p~2)<p~~ _ (1 + <p~2)2)<p~~
= (1 + <p~1)2)(<p~~ - <p~7j) - 2<p~1)<p~1)(<p~V _ <p~~)
+ (1 + <p~1)2)(<p~V - <p~~)
+ <p~7j(<p~1) + <p~2»)(<p~1) _ <p~2»)
_ 2<p~~<p~1)(<p~1) _ <p~2») _ 2<p~~<p~2)(<p~1) _ <p~2»)

+ <p~~(<p~l) + <p~2»)(<p~1) _ <p~2»)


= an u xx + a12Uxy + a21 u yx + a22Uyy + b1Ux + b2u x
mit
an = 1 + <p~1)2, a12 = a21 = _<p~l)<p~l), a22 = 1 + <p~1)2
b1 = <p~~ (<p~l) + <p~2») _ 2<p~~ <p~2)
b2 = <p~7j(<p~1) + <p~2») _ 2<p~~<p~1) .

Weil <p(l) und <p(2) von der Klasse C 2 sind, sind die ersten und zweiten Ab-
leitungen in einer Umgebung jedes Punktes Zo E U beschränkt, und die Ko-
effizienten an, ... b2 erfüllen daher die Voraussetzungen des Satzes von Hopf,
und die Beh. folgt aus diesem. 0

Der wesentliche Punkt in der Reduktion des Beweises von Satz 4.9 auf
den Satz von E. Hopf bestand darin, daß, weil die Lösungen <p(l) und <p(2) der
nichtlinearen Minimalfiächengleichung schon gegeben waren, wir Größen,
die von <p(l) und <p(2) und deren Ableitungen abhängen, als Koeffizienten
einer linearen Differentialgleichung für die Differenz auffassen können.

Korollar 4.6 Eine beschränkte Minimalftäche E mit Rand BE im ]E3 liegt


im Innern der konvexen Hülle von BE.

Beweis. Andernfalls gäbe es eine Ebene, die E in einem inneren Punkt


berührt, ohne E zu schneiden. Dies widerspräche Korollar 4.5. 0

Insbesondere erhalten wir einen neuen Beweis von Korollar 4.1, daß es
nämlich keine kompakten Minimalfiächen im]E3 gibt.
Wir wollen Satz 4.9 benutzen, um die Gestalt zweifach zusammenhängen-
der Minimalfiächen zu untersuchen. Wir erinnern an die Kettenfiäche (Kate-
noid), dargestellt durch
4.7 Zweifach zusammenhängende Minimalflächen 81

x 2 + y2 = cosh2(z)
Betrachten wir beispielsweise die beiden
Kreislinien

z = ±1, x 2 + y2 = cosh2 1,
so beranden diese nicht nur jeweils eine ebene
.....................................~ ..... .
und daher minimale Kreisscheibe, sondern
zusammen auch ein Stück der Kettenfläche,
also eine zweifach zusammenhängende Mi-
nimalfläche.
Es stellt sich nun die Frage, ob jedes Paar von disjunkten geschlosse-
nen (glatten) Jordankurven im ]E3 eine zweifach zusammenhängende Mini-
malfläche beranden kann. Wir wollen uns überlegen, daß dies nicht der Fall
ist, und zwar durch Betrachtung der Kreislinien

Wir werden zeigen, daß diese beiden Jordankurven für genügend kleines r > 0
keine zusammenhängende Minimalfläche beranden können. Hierzu betrach-
ten wir die Familie C t von Kettenflächen, definiert durch

(tX)2 + (ty)2 = cosh 2(tz), 0< t < 00,

also

Es sei

. {cosht
ro := mf -t-' 0 < t < 00 } > o.

Wir behaupten nun, daß für r < ro die beiden Kreislinien keine zusam-
menhängende Minimalfläche E beranden können. Nach Korollar 4.6 müßte
E zunächst in dem Zylinder

Zr:= {(x,y,z) E JR3,x 2 + y2:5 r 2, -1:5 z:5 1}


enthalten sein.
Wir betrachten nun
1 etz + e- tz
t cosh(tz) = 2t

Dieser Ausdruck strebt für t -+ 0 und jedes z E [-1,1] gegen 00, und für
t -+ 00 und z -# 0 ebenfalls gegen 00, aber für t -+ 00 und z = 0 gegen o.
82 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Es folgt hieraus zunächst, daß für genügend kleines t > 0 die Kettenfläche
Ct ganz außerhalb des Zylinders liegt. Nach Wahl von ro sind für r < ro
weiterhin alle Flächen Ct disjunkt zum Rande von E, nämlich den Kurven
z = ±1,x2 +y2 = r 2 .
Weil sich aber für t -+ 00 und z = 0 die Fläche Ct im Nullpunkt
zusammenschnüren, muß es nach dem Zwischenwertsatz ein

kleinstes to > 0 geben, für wel-


ches

ist, weil E als zusammenhän-


gende Fläche die Ebene z = 0
schneiden muß.

Weil für t < to die Flächen Ct disjunkt zu E sind und auch Cta zu ßE
disjunkt ist, müssen sich Cta und E in einem inneren Punkt berühren, ohne
sich zu schneiden. Dies widerspricht aber Korollar 4.5, womit unsere Beh.
bewiesen ist.

4.8 Übungsaufgaben 4.1 - 4.9

4.1: Me ]E3 sei eine Fläche mit Normalvektor n. M = {p + en(p) : p E


M} heißt Parallelfläche zu M. Wir haben eine Abbildung J : M -+
M,J(p) =p+en(p).
a: Falls X ein Tangentialvektor von M ist, dann ist J*(X) = X +
edn(X) (man identifiziere Tangentialvektoren mit Elementen des
]E3). Es folgt, daß J eine Immersion ist, falls e =1= ~i für beide
Hauptkrümmungen ki in jedem Punkt p von M. Insbesondere, falls
M kompakt ist. M ist dann eine Fläche für genügend kleines e.
b: Der Normalenvektor Ti von M in p + en(p) ist n(p).
c: Die Hauptkrümmungen von M sind
ki
i = 1,2.

Es folgt, daß Gauß-Krümmung und mittlere Krümmung von M


-
K =
K - H +2eK
, H = - -___- " 7 " " -
1 +eH +e2 H 1 +eH +e2 K
sind.
4.8 Übungsaufgaben 4.1 - 4.9 83

d: Falls M konstante Gauß-Krümmung K > 0 hat, dann haben einige


parallele Flächen konstante mittlere Krümmung. Falls M konstante
mittlere Krümmung H i= 0 hat, dann haben einige parallele Flächen
konstante Gauß-Krümmung.
e: Das zurückgeholte Volumenelement f*(dÄ) von dÄ (Volumenelement
von IV!) ist

f*(dÄ) = (1 + 2cH + c 2 K)dA.


f: Falls die mittlere Krümmung H = 0 und M nicht ein Teil einer Ebene
ist, dann ist der Flächeninhalt von IV! kleiner als der Flächeninhalt
vonIV!.
4.2: Das Dirichletproblem für minimale Graphen.
Wir betrachten eine geschlossene Jordankurve 'Y C ]R2 und eine ste-
tige Funktion cp : 'Y -+ IR. Wir sehen den Graphen von cpb) als
geschlossene Jordankurve im 1E3 an und wollen eine Minimalfläche
E C E3 finden, deren Rand cpb) ist und die ein Graph über dem von
'Y im ]R2 begrenzten beschränkten Gebiet 0 ist. Es geht also darum,
das Funktional

A(h(O)) = JVI + hi + h~dxdy


n
zu minimieren, unter allen Abbildungen h : tl-+ ]R mit h ll' = cp.
a: Beweisen Sie, daß A(h(O)) der Flächeninhalt der durch

I(x, y) = (x, y, h(x, y))


gegebenen Fläche ist (sofern h geeignete, von Ihnen zu spezifizierende
Regularitätsforderungen erfüllt).
b: Bestimmen Sie die Euler-Lagrange-Gleichungen!
c: Zeigen Sie, daß eine Lösungsfläche 1(0) eine Minimalfläche ist!
d: Berechnen Sie die zweite Variation!
e: Zeigen Sie, daß, falls cp == 0 auf 'Y ist, h == 0 die einzige Lösung des
Problems ist!
4.3: Beweisen Sie, daß die folgende Fläche eine Minimalfläche ist und ge-
ben Sie einen möglichst großen Parameterbereich U für 1 : U -+ 1E3
an!
Scherksche Fläche
cosy
I(x,y) = (x,y,log(-)).
cosx
Versuchen Sie, die Fläche zu zeichnen!
84 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

4.4: Beweisen Sie, daß eine glatte geschlossene Jordankurve 'Y C 1E3 nicht
zwei verschiedene Minima des Flächeninhaltes beranden kann, die
sich in der Form z = cp(x, y) darstellen lassen (hierbei sind x, y, z
euklidische Koordinaten im 1E3 , und eine Darstellung z = cp(x,y)
bedeutet, daß die Fläche Graph über einem Teilgebiet der xy-Ebene
ist).
Anleitung: Sind z = CPI (x, y), z = CP2 (x, y) zwei derartige Flächen,
so hat z = !(CPI(X, y) + CP2(X, y)) kleineren Flächeninhalt.

4.5: Es sei f : jj - 1E3 eine parametrische Minimalfiächej f ist also har-


monisch und konform in D.
(jtj jj - jj sei eine Familie von Diffeomorphismen, die glatt von
t abhängt, mit (jO = id.
Berechnen Sie die zweite Variation
d2
dt 2 DU 0 (jt)lt=o.

4.6: Es sei f : U - 1E3 ein Flächenstück. Wir wollen den Flächeninhalt von
f(U) unter der Nebenbedingung minimieren, daß der Volumenterm

!
u
< f,fx 1\ fy > dxdy

einen vorgegebenen festen Wert hat und wie beim Plateauproblem die
Randwerte vorgeschrieben sind. Leiten Sie die Euler-Lagrangeschen
Gleichungen her (Hinweis: Lagrangescher Multiplikator) und zeigen
Sie, daß eine Lösung konstante mittlere Krümmung haben muß.
4.1: Es sei 'Yr = {(e, 7], 0) E 1E3 : (2 + 7]2 = r 2 },0 < r < 1. Geben Sie zwei
konforme Abbildungen
f = jj _1E3

mit

Llf = 2fx 1\ fy in D
und für x 2 + y2 = 1

f(x, y) = (rx, ry, 0)


an.
Interpretieren Sie das Resultat geometrisch.
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 85

4.8: "I sei eine geschlossene Jordankurve im ]R3, die gleichmäßiger Limes
von geschlossenen Jordankurven "In der Klasse C2 ist.
In : D ---+ E3 sei eine Lösung des Plateauschen Problems für "In.
Es gelte

wobei K von n unabhängig ist.


Zeigen Sie, daß eine Teilfolge von (fn)nEN gegen eine Lösung des
Plateauschen Problems für "I konvergiert!
4.9: Es sei S C ]E3 konvex, as von der Klasse C 2 • "I sei eine geschlos-
sene Jordankurve. Es gelte "I C s. I : D ---+ ]E3 sei eine Lösung des
Plateauschen Problems zur Randkurve "I. Zeigen Sie

I(D) c S.
Versuchen Sie, diese Aussage auch ohne die Voraussetzung, daß as
von der Klasse C2 ist, zu zeigen.

4.9 Anhang: Harmonische Funktionen

n c ]Rd sei ein beschränktes Gebiet mit Rand an E Cl. v bezeichne die
äußere Normale an an. Für ein Vektorfeld X der Klasse Cl auf ii gilt dann
der Divergenzsatz

J
n
div Xdv = J
an
X·vds, (1)

wobei ds das Oberflächenelement von an ist.


Es seien nun u, v E C2(ii)j wir wenden (1) auf vV'u an und erhalten die
erste Greensehe Formel

J
n
vLludx + J<
n
V'u, V'v > dx = J ~~
an
v ds . (2)

Vertauscht man die Rollen von u und v und subtrahiert das Ergebnis von
(2), so ergibt sich die zweite Greensehe Formel

J
n
(vLlu - uLlv)dx = J ~~
an
(v - u ~:)ds . (3)

Wir betrachten nun die sog. Fundamentallösungen der Laplacegleichung


21 log Ix - Yl für d = 2
r(x, y) := r(lx - yl) := { 11" 1
d(2-d)Wd
Ix _ yl2-d für d > 2
86 4. Minimalfiächen. Das Plateausehe Problem

für x -:f; y; hierbei ist Wd das Volumen der d-dimensionalen Einheitskugel.


Es ist
1 (xi _ yi)lx _ yl-d
= dw
{)ar(x,y) (4)
tx d

{)2 1 2 .... d 2
{) .{) . r(x, y) = dw {Ix - yl bij - d(x t - yt)(x J - yJ)}lx - yl- - (5)
x xJ t d
Insbesondere ist r harmonisch.
Wir setzen nun

B(y,c) := {z E]Rd: Iy - zi :::; c}


und wenden die zweite Greensche Formel auf fl\B(y, c) statt fl und v = r
für kleines c > 0 an. Es ergibt sich, weil r harmonisch ist,

J r(x,y)Llu(x)dx= J {)u
(r(x,y){)v(x)-u(x)
{)r(x, y)
{)vx )ds x (6)
M

+ J
mB~~
{)u {)r(x, y)
(r(x, y) {)v (x) - u(x) {)vx )ds x
8B(y,e)

Wir wollen nun untersuchen, was für c -+ 0 passiert. Weil Llu beschränkt
und r integrabel ist, strebt die linke Seite von (6) gegen

J r(x, y)Llu(x)dx .
n
Ferner ist auf {)B(y,c) r(x,y) = r(c) und daher für c -+ 0

J
8B(y,e)
r(x, y) {){)u (x)ds :::; dwdcd- 1r(c) sup lV'ul
V B~~
-+ 0.

Schließlich

-J 8B(y,e)
u(x) :~ (x,y)ds = r'(c) J
8B(y,e)
u(x)ds

(man beachte, daß v die äußere Normale von {)(fl\B(y,c)), also die innere
Normale von {)B(y,c) ist)

dwd~d-l J
8B(y,e)
u(x)ds -+ u(y).

Insgesamt ergibt sich die Greensehe Darstellungsformel


4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 87

u(y) = J ßr (x, y) - r(x, y) ß)ds


(u(x) ßvx
ßu x + J r(x, y)Llu(x)dx. (7)
an n
Definition 1 Eine Funktion G(x, y), definiert für x, y E Q, x i:- y, heißt
Greensche Funktion von n, falls

G(x, y) = r(x, y) + h(x, y)


mit einer in x harmonischen Funktion der Klasse C 2 (n x n, lR) und

G(x,y) = 0 für x E ßn.

Wir setzen v(x) = h(x, y) in (3) ein und addieren das Ergebnis zu (7); es
folgt

u(y) = J u(x)
ßG(x,y)
ßvx ds x + J G(x, y)Llu(x)dx. (8)
an n
Die Greensche Funktion einer Kugel B(O, R) läßt sich leicht bestimmen,
hierzu sei für y i:- 0
R2
fj := IYl2 y

der aus y durch Spiegelung an ßB(O, R) erhaltene Punkt, für y = 0 setzen


wir fj = 00.
Für x E B(O, R) setzen wir dann

G(x y) := {r(lx - yl) - r( ~Ix - fjl) für y i:- 0 (9)


, r(lxl) - r(R) für y = 0
G(x, y) ist dann für x i:- y harmonisch und hat für x -+ y die gleiche Singu-
larität wie r(x, y). Schreiben wir G als

G(x,y) = r((lxI 2 + IYl2 - 2< x,y »!) (10)


- r(( Ixl~;YI2 + R2 - 2< x, y > )!) (x i:- y),
so sehen wir, daß für x E ßB(O, R), also lxi = R

G(x,y) = O.
Daher ist das durch (9) definierte G tatsächlich die Greensche Funktion von
B(O,R).
Aus (10) sieht man auch, daß G symmetrisch in x und y ist, also

G(x,y) = G(y,x),
88 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

und daß für x, Y E B(O, R)


G(x,y):::;O
ist.
Um (8) anwenden zu können, müssen wir g;: berechnen. Weil für x E
ßB(O, R), also lxi = R,

Ixl 2+ IYl2 - 2< x,y >= Ix~;12 + R 2 - 2< x,y >

ist, folgt aus (10) für x E ßB(O, R)


ß ß 1 lxi 1 lxi IYl2
ßvx G(x, y) = ßlxl G(x, y) = dw d Ix _ Yld - dwd Ix _ Yld R2 (11)
R 2 -lyl2 1
dWd R Ix - Yld .
Durch Einsetzen in (8) folgt für harmonisches u E C 2 (B(0, R)) die Poisson-
sche Darstellungsformel

u(y) =
R2 -lyl2
dwd R
J Ix _ u(x)
Yld ds x . (12)
8B(O,R)

Insbesondere ergibt sich für y = 0 die Mittelwertformel für harmonische


Funktionen

u(O) = dwd~d-l
8B(O,R)
J u(x)ds (13)

und dann auch

J JJ
R R
dwdpd-lu(O)dp = u(x)dsdp,
° ° 8B(O,p)

also

u(O) = Wd~d J
B(O,R)
u(x)dx. (14)

Wir beweisen nun, daß man umgekehrt durch das Randintegral in (12) eine
harmonische Funktion erhält:

Satz 1 cp : ßB(O, R) ----+ IR sei stetig. Dann ist durch

( )._ {R:-J~2
u y .- 8B(O,R)
J ,:~~ld ds x für y E B(O, R)
(15)
cp(y) für y E ßB(O, R)
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 89
o
eine harmonische Funktion der Klasse C 2(B(0, R)) n CO(B(O, R)) definiert.

Beweis. Daß u harmonisch ist, folgt daraus, daß mit Gauch

harmonisch in Y ist.
Es bleibt die Stetigkeit am Rande nachzuweisen.
Wir wenden (12) für u = 1 an und erhalten

J K(x, y)ds x = 1 für alle Y E .8(0, R) . (16)


8B(O,R)

Es sei nun Yo E 8B(0,R),c > 0. Weil cp stetig ist, existiert ein 6 > 0 mit

Icp(y) - cp(Yo) I < ~ für Iy - Yol < 26. (17)

Es sei noch

M := sup Icp(y)l. (18)


yE8B(O,R)

Für Iy - Yol < 6 ist dann nach (15), (16)

lu(y) - u(Yo)1 = J I
8B(O,R)
K(x,y)(cp(x) - cp(Yo))dsxl

< J K(x, y)lcp(x) - cp(Yo)ldsx


Ix-yoI9c5

+ J K(x, y)lcp(x) - cp(yo)ldsx


Ix-Yol>2c5
c 2M(R2 - IYI2)Rd -2
< - + ---'----':'-.:......:...._-
- 2 d 6 '

wobei wir für das erste Integral (16) und (17) und für das zweite (18) und die
Tatsache, daß wegen Iy - Yo I < 6 für Ix - Yo I > 26, Ix - Yl ~ 6 ist, ausgenutzt
haben.
Da IYol = R ist, können wir nun Iy - Yol so klein wählen, daß auch
2M(R2 - lyI 2)Rd - 2 c
6d < '2
wird und die Stetigkeit von u im Punkte Yo folgt. D
90 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Korollar 1 Jede harmonische Funktion u : {} -IR ist in {} reellanalytisch.

Beweis. Für z E {} wählen wir eine Kugel B(z,R) es {}. Dann ist für y E
o
B(z, R) nach (12)

u(y) =
R2 -Iy - zl2
dJJJd R
! u(x)
Ix _ ylddS z ,
8B(z,R)

o
und dies ist reellanalytisch in y E B(z, R). o
Satz 2 (Maximumprinzip): u E C2({}) sei harmonisch. Existiert ein xo E {}
mit
u(xo) = sup u(x) oder u(xo) = inf u(x), so ist u konstant.
zEn zEn
Insbesondere ist für alle x E {}, wenn u auf fi stetig ist,
inf u(y) ~ u(x) ~ sup u(y).
yE8n yE8n

Beweis. Es sei u(xo) = sup u(x) =: J.L, also {}p. := {y E {} : u(y) = J.L} =I- 0.
zEn
Weil u in {} stetig ist, ist {}p. abgeschlossen. Wir wenden nun für y E (}p. (14)
auf eine Kugel B(y, R) es {} an und erhalten

0= u(y) - J.L = Wd~d !


B(y,R)
(u(x) - J.L)dx ~0 nach Def. von J.L.

Hieraus folgt u(x) = J.L für alle x E B(y, R). Damit ist (}p. auch offen, und es
muß !7p. = {} gelten. 0

Korollar 2 Sind UbU2 E CO(fi)nC2 ({}) harmonisch, und ist Ul 11w = U211w
so ist Ul = U2.

Beweis. Durch Anwendung des Maximumprinzips auf die harmonische Funk-


tion Ul - U2. 0

Satz 3 u: {} - IR sei harmonisch, {}' es {}. Dann gilt für jeden Multiindex
a

s~p IDaul ~ (d~l) lai s'ff lul


mit 6:= dist ({}', a{}).

Beweis. Mit u ist auch :;, i = 1, ... d, harmonisch, und aus (14) folgt für
B(y,R) es {}
4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 91

8u(y)
8x i
1
wdRd
J 8u(x)dx -
8x i
1
- wd Rd
J u(x)vids x
B(y,R) 8B(y,R)

und hieraus
8u d
8 x-t. (y)1 ::; R
1 sup
8B(y,R)
lul

und daher auch


8u d
8 x-t·(y)l::; -8y suplul
1 mit 8y := dist (y,8fl). (19)
n

Dies ist die Beh. für lai = 1, und iterativ folgt leicht die allgemeine
Aussage. 0

Satz 4 Jede beschränkte Folge harmonischer Funktionen auf einem Gebiet


fl enthält eine Teilfolge, die auf jedem fl' <s fl zusammen mit allen ihren
Ableitungen gleichmäßig gegen eine harmonische Funktion konvergiert.

Beweis. Nach Satz 3 sind alle Ableitungen einer solchen Folge (Un)nEJII auf
fl' gleichgradig stetig. Nach dem Satz von Arzela-Ascoli existiert daher eine
Teilfolge mit den behaupteten Konvergenzeigenschaften. Weil insbesondere
die zweiten Ableitungen konvergieren, ist die Grenzfunktion ebenfalls har-
monisch. 0

Eine weitere Konsequenz von Satz 3 ist der Satz von Liouville:

Korollar 3 Jede beschränkte, auf dem ganzen jRd definierte harmonische


Funktion ist konstant.

Beweis. u : ]Rd --+ ]R sei harmonisch, y E ]Rd. Mit u ist auch die Ein-
schränkung von u auf jede Kugel B(y, R) harmonisch. Aus Satz 3 folgt
d
IDu(y)1 ::; R sup lul· (20)
B(y,R)

Da u n. Vor. beschränkt ist, folgt mit R --+ 00 Du(y) = O. Dies gilt für jedes
y E ]Rd, und u ist folglich konstant. 0

Bemerkung. Wenn wir den Beweis von Korollar 3 analysieren, sehen wir,
daß wir die Aussage folgendermaßen verschärfen können:
Eine harmonische Funktion u : ]Rd --+ ]R mit

lim sup ~ sup lul = 0 (21)


r-+oo r B(O,r)

ist konstant.
92 4. Minimalflächen. Das Plateausehe Problem

Unter dieser Voraussetzung strebt nämlich die rechte Seite von (20) für
jedes feste Y E JRd gegen Null, weil sie durch Rjlyl . R;' , sup lul be-
y B(O,R+lyl)
schränkt ist, und mit r = R + lyl und R -+ 00 ist der Limes superior hiervon
Null.
Wir können sogar zeigen:

Korollar 4 u : JRd -+ JR sei harmonisch, lim sup ~ sup lul = O.


r-+oo B(O,r)
Dann ist u affin linear, also u =< a, x > +b mit a E JRd, b E JR.

Beweis. Wir wenden Satz 3 nun auf die zweiten Ableitungen von u an.
Für Y E JRd folgt wie vorher

2 (R+IYI)2 (2d)2
ID u(y)1 ::; R (R I 1)2 sup lul
+Y B(O,R+lyl)

und mit r = R+ lyl und R -+ 00 folgt wieder D 2u(y) = O. Da dies wiederum


für alle Y E JRd gilt, ist u affin linear. 0

Bemerkung. Ohne zusätzliche Voraussetzungen ist eine harmonische Funk-


tion
u : JRd -+ JR nicht (affin) linear, wie das Beispiel
u(x,y) = x 2 _ y2

zeigt.

Weiter gilt das sog. Dirichletsche Prinzip.

Satz 5 il sei ein beschränktes Gebiet im JRd, ail E Cl (genauer braucht man
nur, daß auf il der Gaußsche Integralsatz gilt), hE C 2(il,JR) n CO(.l?,JR) sei
harmonisch und erfülle D(h) < 00. Dann gilt für alle fE C 2(il, JR)nCO(.l?,JR)
mit

die Beziehung

DU) :::: D(h),

wobei

DU) := "21 J'" I


n
d
afi
LJ ax
~=l
I2 dx 1 ... dx d

das Dirichletintegral ist.


4.9 Anhang: Harmonische Funktionen 93

Beweis.
D(f) = D(h + f - h)
d
=~JL{18hI2 2 8h8 (f-h) + 18 (f-h)1 2 }d 1 d d
X ... x
2 8 x t' + 8x't 8' xt 8'
xt
n i=l
d
= ~ J?= {I :~ 12 - ~Llh(f - h) + 18(~~ h) 12 } dx 1 .•. dx d
n t=l

durch Anwendung des Gaußschen Integralsatzes. Nun ist aber nach Voraus-
setzung Llh == 0, und es folgt

D(f) ~ '12 J~ 8h 2 1 d
~18xil dx ... dx = D(h). o
n t=l

Es sei nun [l ein Gebiet in C, f : [l ~ C von der Klasse C 2. Wir setzen


z = x + iy E C und

Definition 2 f E C 2([l, q heißt in [l holomorph oder (komplex) analytisch,


falls dort fz = 0 gilt.

Spalten wir f in Real- und Imaginärteil auf, also f = u + iv, so wird


fz =0 (22)
zu U x + iv x - i(uy + ivy) = 0 und durch Aufspaltung in Real- und Ima-
ginärteile erhalten wir hieraus die Cauchy-Riemannschen Differential-
gleichungen

(23)

Satz 6
(i) Ist f = u + iv holomorph, so sind u und v harmonisch.
(ii) Sind f = [l ~ C,g : [l' ~ C holomorph und ist f([l) C [l' , so ist
auch gof holomorph.
(iii) Ist f : [l ~ C holomorph, h : [l' ~ IR harmonisch und ist f([l) C [l' ,
so ist hof harmonisch
94 4. Minimalflächen. Das Plateausche Problem

Beweis.
(i) Aus (23) u zz + u yy = v yz - v zy = 0, da f E C 2 • Mithin ist u und
ähnlich auch v harmonisch.
(ii),(iii) Dies errechnet man direkt aus der Kettenregel.
o
Korollar 5 f : C - C sei holomorph, und der Real- oder der Imaginärteil
sei durch eine Konstante nach oben oder nach unten beschränkt. Dann ist f
konstant.

Beweis. Es sei f = u + iv und z.B. v > 0, H := {w = u + iv E C, V > O},


also f(C) c H.
Wir betrachten die holomorphe Funktion 9 : H - C, definiert durch
g(w) = ::;:;:!. Für wEH ist Iw - il < Iw + il, also g(H) c D = {z E C :
Izl < I}. Daher ist gof beschränkt, nach Satz 5 (ii) auch holomorph. Real-
und Imaginärteil von gof sind nach Satz 5 (i) dann harmonisch, und weil
beschränkt, nach Korollar 3 konstant. Daher ist gof konstant, und weil 9
maximalen Rang hat, muß f konstant sein. 0

Definition 3 n sei ein Gebiet in C.


f : n - C U { oo} heißt in n meromorph, wenn jeder Punkt Zo E n eine
Umgebung U besitzt, für die
(i) fW\{zo} holomorph ist und

(ii) nE NU {O} mit lim (z - zo)n j(z) E C existiert.


'*-*0
(.eu\{·o})

Ist das kleinste n, das (ii) erfüllt, positiv, so heißt Zo Polstelle von fund
n die Ordnung dieser Polstelle.

Ein holomorphes f ist nach Satz 6(i) und Korollar 1 analytisch. Daher
sind die Nullstellen von f, sofern f nicht identisch verschwindet, isoliert und
haben eine wohlbestimmte Ordnung. Die Ordnung einer Nullstelle Zo von f
ist nämlich das größte n E N, für das
lim (z - zo)-n j(z)
z~zo

in C existiert.
Ist f holomorph, so ist das Differential

f(z)dz = f(z)(dx + idy)


geschlossen, denn es ist dann

d(f(z)dz) = fzdz 1\ dz = 0,
4.10 Übungsaufgaben 4.10 - 4.14 95

oder in reeller Notation mit f = u + iv


d((u + iv)(dx + idy)) = i(u x + ivx)dx /\ dy - (uy + iVy)dx /\ dy = 0
nach den Cauchy-Riemannschen Gleichungen.
Daher ist f(z)dz lokal exakt, d.h. es existiert lokal eine Funktion F(z)
mit
dF(z) = f(z)dz. (24)
Insbesondere existiert ein solches F auf jedem einfach zusammenhängenden
Gebiet [l, auf dem f definiert ist, und es folgt

Satz 7 (Cauchyscher Integralsatz) [l sei offen in C und einfach zusam-


menhängend,
f : [l --t C holomorph. Dann hängt

J
ZI

f(z)dz
Zo

nicht vom gewählten Verbindungsweg zwischen Zo und Zl in [l ab.

Beweis. Mit F wie in (24) gilt

J J
ZI ZI

f(z)dzl = dF(z) = F(Zl) - F(zo),


Zo Zo

was nur von den Punkten Zo und Zl abhängt.

4.10 Übungsaufgaben 4.10 - 4.14

4.10: (Harnacksche Ungleichung):


a: u: B(O, R) --t IR sei eine nichtnegative harmonische Funktion
(B(O,R):= {x E IRd: lxi SR})
Zeigen Sie, daß für alle x E B(O, R)
Rd- 2(R -lxI) Rd-2(R + lxI)
(R + Ixl)d-l u(O) S u(x) S (R -Ixl)d-l u(O)

gilt.
b: u : [l --t IR sei eine nichtnegative harmonische Funktion, [l C IRd.
Dann existiert für jedes [l' <E [l eine nur von d, [l' und [l abhängige
Konstante C mit

supu S Cinfu.
Jl' Jl'
96 4. MinimaIßächen. Das Plateausche Problem

4.11: {Un)nEN sei eine monoton wachsende Folge harmonischer Funktionen


in einem Gebiet n c IRd. Es gebe ein yEn, für das (Un{Y))nEN
beschränkt sei.
Dann konvergiert (u n ) auf jedem n' es n gleichmäßig gegen eine
harmonische Funktion.
4.12: U E C 2 {n, IR) heißt subharmonisch, falls L1u ~ 0 in n gilt.
a: Zeigen Sie, daß für jede Kugel B(y, R) es n die Mittelwertungleichung

u(y) ~ dwd~d-l J
8B(y,R)
u{x)ds

gilt.
b: Zeigen Sie das starke Maximumprinzip für ein subharmonisches U :
n - IR : Existiert ein Xo E n mit
U{Xo) = sup U{X),
zEn

so ist U auf n konstant.


4.13: Bestimmen Sie die Greensehe Funktion für ein von zwei konzentri-
schen Sphären im IRd begrenztes Ringgebietl
4.14: u: IRd _ IR sei harmonisch, und es gelte

limsup lk sup lu{x)1 = 0


r--+oo r zEB(O,r)

für ein k E N. Zeigen Sie, daß U ein Polynom ist.


5. Das Gaußsche Theorema egregium.
Die innere Geometrie von Flächen.
Zweidimensionale Riemannsche Geometrie

5.1 Das Gaußsehe Theorema egregium

Wir kehren nun zu dem schon früher erwähnten Problem zurück, die Geo-
metrie einer Fläche möglichst weitgehend durch Messungen auf der Fläche
selbst, also allein durch die erste Fundamentalform, zu bestimmen. Anders
formuliert, handelt es sich darum, diejenigen geometrischen Größen einer
Fläche zu bestimmen, die nicht von der Einbettung der Fläche in den Raum,
also der zweiten Fundamentalform abhängen. Für diesen Zweck ist es insbe-
sondere angebracht, die Möglichkeit, daß sämtliche Messungen oder zumin-
dest sämtliche lokalen Messungen auf zwei verschiedenen Flächen zum glei-
chen Ergebnis führen, daß also die ersten Fundamentalformen zweier Flächen
übereinstimmen können, begrifflich zu fassen:

Definition 5.1 E, E' seien Flächen im ]E3,.,p : E ---t E' eine stetig differen-
zierbare Abbildung. .,p heißt Isometrie, falls .,p ein Diffeomorphismus ist und
für alle p E E, und v, w E TpE
< v,w >=< d.,p(v),d.,p(w) > (5.1)
gilt. In diesem Falle heißen E und E' (zueinander) isometrisch .
.,p heißt lokale Isometrie, falls für jedes p E E eine Umgebung a von p in
E existiert, für die .,pln eine Isometrie zwischen a und .,p(a) c E' ist. E und
E' heißen lokal isometrisch zueinander, falls jeder Punkt in E bzw. E' eine
zu einer Teilmenge von E' bzw. E isometrische Umgebung besitzt.

Für Flächenstücke läßt sich die Bedingung der Isometrie natürlich durch
eine Bedingung für eine Parametertransformation ausdrücken; f : U ---t
]E3, I' : U' ---t ]E3 seien also parametrisierte eingebettete Flächenstücke,
.,p : f(U) ---t f'(U') eine Isometrie. Dann ist cp := 1'-1 0 .,p 0 f : U ---t U'
ein Diffeomorphismus, also eine Parametertransformation, und für die ersten
Fundamentalformen gilt (z E U, v, w E Tz lR2 )
gij(V,W) = g~j(dcp(v),dcp(w)), (5.2)
(gij(V,W) bedeutet lJ,9ijViw j für v = (V 1 ,V2 ), W = (W 1 ,W 2 )) wobei (gij)
~,3

und (g~j) die 1. Fundamentalformen von f in z bzw. von f' in cp(z) sind
(i,j=1,2).
98 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Ist umgekehrt <p eine solche Parametertransformation, die also (5.2)


erfüllt, so ist
1/1 := I' 0 <p 0 1-1 eine Isometrie zwischen I(U) und I'(U'). <p ist also der
Ausdruck für die Isometrie 1/1 in lokalen Parametern oder Koordinaten.
Wir wollen ein einfaches Beispiel betrachten:
v, w seien zueinander orthogonale Einheitsvektoren im E3 , also

lvi = Iwl = 1,< V,w >= 0, (5.3)


P E E3 • Wir definieren dann die Ebene durch p mit Tangentialvektoren v, w
durch

1:]R2 - E 3 ,/(x,y) = p+ xv+ yw.

Es ist wegen (5.3) dann für die 1. Fundamentalform

E=G=1,F=0.

Andererseits sei U' := {(x,y) =E]R2 : 0 < x < 211", -00 < y < oo},

I': U' - E 3 ,!,(x,y) = (cosx,sinx,y).


Hierdurch wird ein senkrechter Kreiszylinder definiert, und es gilt für die 1.
Fundamentalform ebenfalls

E' = G' = 1, F' = 0


und 1/1 := 1 0 /,-1 ist eine lokale Isometrie (die Parametertransformation ist
also hier die Identität, id : U _]R2).
Als weiteres zur Ebene lokal isometrisches Beispiel wollen wir einen Kreis-
kegel (ohne Spitze) betrachten; es sei hierzu mit festem (}o, 0 < (}o < 11",

U:= {(rcos(},rsin(}) E IR?, 0 < r < 00,0 < () < 211"sin()0},


!"(r,(}):= (rsin(}oCos(~()
SlOo
),rSin(}oSin(~(}
SlOo
),rcos80).

Es ist dann für (e, '1], () = f"(r, 8)


(= K v'e 2 + '1]2 mit K = cotan(}o.
I" beschreibt also einen geraden Kreiskegel. Für die erste Fundamentalform
gilt

Andererseits gilt aber auch für die 1. Fundamentalform von U als Teilmenge
der euklidischen Ebene in den Polarkoordinaten (r, ())

E = 1,F = O,G = r 2 ,
5.1 Das Gaußsche Theorema egregium 99

und f" : U ---+ I"(U) ist daher eine Isometrie zwischen U, also einem Teil der
Ebene,und dem Kreiskegel, aus dem die B = 0 entsprechende Kurve entfernt
ist.
Wir betrachten nun wieder ein Flächenstück I : U ---+ ]E3, welches wir von
nun als von der Klasse C 3 voraussetzen, und wollen die zweiten Ableitungen
von I und die ersten Ableitungen des Normalenvektors n durch lXi, Ix2, n
und die erste und zweite Fundamentalform ausdrücken. Da lXi (Z), Ix2 (z)
und n(z) eine Basis von T f (z)]E3 bilden, geht es also darum, die Koeffizienten
von Ixix2 etc. in dieser Basis zu bestimmen.

(5.4)

(5.5)

wobei
k
r ij = -21 E2 9
kl.
(9U,j + gjl,i - gij,t
)
(5.6)
1.=1

mit
{}
gU,j := {}x j gu etc.

die sog. Christoffelsymbole des Flächenstücks sind.

Beweis. Wir setzen


(5.7)

und haben z.z., daß aij = h ij und ri~ die in (5.6) angegebene Form hat.
Zunächst durch Multiplikation von (5.7) mit lXi
(5.8)

also

ri~ = E gkf < lXi xi , lXI >= rj~' (5.9)


l

weil Ixixi symmetrisch in i und j ist.


Weiter ist
{}
uxJ < lXi, lXI > =< Ixixi,lxi > + < Ixi,lxixi >
gUJ' =~ (5.10)
,
= E ri~9kf + E rlj9ki nach (5.8)
k k
100 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

und ebenso
gji,i = E rtgki + E r~9kj (5.11)
k k

gij,i = E ri~9kj
k
+ Ek rtgki . (5.12)

(5.6) ergibt sich dann unter Benutzung von (5.9) aus (5.10) + (5.11) - (5.12).
(5.5) folgt direkt aus der Definition von (hij ). 0

Wir betrachten nun dritte Ableitungen von I und zweite Ableitungen


von n und gewinnen aus den Beziehungen lXi xi x" = IxixleXi, nxixi = nxi Xi
Gleichungen zwischen den Koeffizienten der beiden Fundamentalformen und
deren Ableitungen:

Satz 5.2 Für ein Flächenstück I E C 3 (U, JE3) bestehen die Gaußglei-
chungen

ri~,k - ri\,j + !i.(rtj r:nk - rtf: r:nj ) = !i.(hijhkm - hikhjm)gim (5.13)

(ri~,k := /;rcri~ wie üblich)


und die Mainardi-Codazzi-Gleichungen

E(rtjhmk - rtf:hmj ) + hij,k - hik,j = 0 (5.14)


m

Umgekehrt lolgen aus (5.13) und (5.14) die Beziehungen


lXiXix" =Ixix"xi,nxixi =nxix"

Beweis. Durch Ableiten von (5.4) erhalten wir

+ !i. Iij Ixmx" + hij,k n + hijnx"


2 i
lXiXix" = i~l rij,klxl
= E ri~ dxi
i'
+ i,m
E rtj r:ndx i + E r[jhmkn
m
(5.15)

+ hij,kn - E hijhkmgmi lxi


i,m
durch erneute Anwendung von (5.4), (5.5).
Durch Vertauschen von j und k folgen hieraus (5.13) und (5.14), und
umgekehrt implizieren (5.13) und (5.14) auch lXiXix" = Ix"x"xi .
Entsprechend erhält man durch Ableiten von (5.5)
nxixi = - E hu jlk Ix" - E hulJ~ Ix" (5.16)
k,i' ki'
- E hulm rjmlx" - E hulk hjkn
k,i,m k,i
5.1 Das Gaußsehe Theorema egregium 101

E(l'3~
k gkn + lk gkn,j) = 0, also l~
,3
E ln lm 9mn,3..
= - m,n

Setzt man dies in (5.16) ein, so errechnet man, daß (5.14) gleichbedeutend
mit dem Übereinstimmen der Koeffizienten von fxk in nxixj = nxjxi ist. D

Die wichtigste Folgerung aus den Gaußgleichungen ist, daß die Determi-
nante der 2. Fundamentalform und damit auch die Gaußsche Krümmung
sich aus den Koeffizienten der 1. Fundamentalform und ihren Ableitungen
berechnen läßt.

Satz 5.3 Für die Gaußsche Krümmung eines Flächenstückes f E C 3 (U, JE3)
gilt

(5.17)

Beweis. Aus (3.12) und (5.13). D

Gauß ist ursprünglich durch verwickeltere Rechnungen zu dieser Formel


gelangt. Dies Resultat ist deshalb grundlegend, weil eine anscheinend in ent-
scheidender Weise von der 2. Fundamentalform abhängige Größe sich allein
aus der 1. Fundamentalform berechnen läßt und damit eine Größe der inneren
Geometrie ist. Gauß selber hat sein Ergebnis folgendermaßen interpretiert:

Korollar 5.1 (" Theorema egregium '~: Die Gaußsche Krümmung einer Flä-
che ist invariant 'j.Lnter lokalen Isometrien.

Dies folgt direkt, weil lokale Isometrien die erste Fundamentalform und
damit auch den Ausdruck auf der rechten Seite von (5.17) invariant lassen.
D

Die Formel (5.17) und das hieraus folgende Theorema egregium müssen
als eine der wichtigsten Entdeckungen der Mathematik überhaupt angesehen
werden, weil sie in den Händen von Bernhard Riemann konstitutiv für einen
ganzen Zweig der Mathematik, die sog. Riemannsche Geometrie, und mit
dieser auch für die Allgemeine Relativitätstheorie Einsteins wurde.
102 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

5.2 Riemannsche Metriken

Da es unser Ziel ist, nur geometrische Größen zu untersuchen, die allein durch
die erste Fundamentalform bestimmt sind, also unabhängig von einer Einbet-
tung in den lE3 sind, liegt es nahe, auch begrifflich auf die Einbettbarkeit zu
verzichten und beispielsweise offene Teilmengen U des ]R2 zu betrachten, die
mit einer positiv definiten, symmetrischen, differenzierbar vom Punkte z E U
abhängenden 2 x 2-Matrix versehen sind. Diese Matrix wird also die Rolle
der ersten Fundamentalform spielen.

Definition 5.2 U sei eine offene Teilmenge des ]R2. Eine Riemannsche Metrik
ist eine zweimal differenzierbare Abbildung 9 = (gij )i,j=1,2 von U in den
Raum der positiv definiten, symmetrischen, (2 x 2)-Matrizen.

Für v,w E T z ]R2 schreiben wir auch (v = (v 1,v2),w = (W 1,W2))


2 . .
g(z)(v,w) := (v,w):= . ~ gij(Z)V'w3.
',3=1
Wie vorher bezeichnen wir nun eine Abbildung, die die Riemannsche Me-
trik invariant läßt, als Isometrie.

Definition 5.3 U und U' seien offene Teilmengen des ]R2 mit Metriken
(gij), (g~j)' Ein Diffeomorphismus cp : U -+ U' heißt Isometrie, falls für alle
z EU, v,w E TzU
g(z)( v, w) = g' (cp(z)) (dcp( v), dcp(w)) (5.18)
gilt, also
2 .. 2 2 acpk(z) acpl(z) . .
E gdz)v'w3 = E E g' (cp(z))--.---.-v'w 3, (5.19)
i,j=l 3 i,j=1 k,l=1 kl ax' ox3
also

(5.20)

(U, (gij)) und (U', (g~j)) heißen in diesem Falle (zueinander) isometrisch.

Entsprechend wird der Begriff der lokalen Isometrie definiert.


Falls cp : U -+ U' eine Isometrie ist, hat also ein Tangentialvektor v E TzU
die gleiche Länge (= (v, v) ! ), gemessen bzgl. der Metrik g, wie der mittels cp
transformierte Vektor dcp( v) bzgl. g'. In diesem Sinne läßt also eine Isometrie
die Riemannsche Metrik invariant.
Zueinander isometrische Flächenstücke können durch die Riemannsche
Metrik und damit im Sinne der Riemannschen Geometrie nicht voneinander
5.2 Riemannsche Metriken 103

unterschieden werden, obwohl es durchaus geometrisch verschiedene Einbet-


tungen in den ]E3 geben kann, wie wir am Beispiel von Ebene, Zylinder und
Kreiskegel gesehen haben.
Aufgrund des in (5.20) ausgedrückten Transformationsverhaltens schrei-
ben wir die Metrik auch in der Gestalt

ds 2 = . t
t,J=l
gij(x)dxidx j .

Ist dann durch y = cp(x) ein Diffeomorphismus gegeben, so ist


k _ 2 8cpk i
dy - E 8 t. dx, i = 1,2,
i=l x
und es ist daher nach (5.20) für die Metrik in den obigen Bezeichnungen

E g~e(cp(x))dykdye = E gij(x)dxidx j ,
k,e i,j
und das sog. Bogenelement ds 2 bleibt daher invariant unter Parameterwech-
seln.
Wir wollen nun unsere Begriffsbildungen global fassen.
Hierzu benötigen wir zunächst den Begriff der differenzierbaren Mannig-
faltigkeit, an der wir mit der folgenden Definition erinnern:

Definition 5.4 Eine n-dimensionale Mannigfaltigkeit E ist ein topologischer


Raum, welcher hausdorffsch ist (d.h. irgendzwei verschiedene Punkte haben
disjunkte offene Umgebungen), eine abzählbare Basis der offenen Mengen
besitzt und die folgende Eigenschaft erfüllt:
Es gibt eine Überdeckung E = U E a durch offene Mengen und Homöo-
aEA
morphismen, Karten genannt,

auf offene Mengen Ua im jRn.


Eine Mannigfaltigkeit E heißt differenzierbar, wenn die Za und E a so
gewählt werden können, daß für alle a, ß die Übergangsabbildungen oder
Kartenwechsel

Diffeomorphismen sind. Eine maximale dieser Bedingung genügende Menge


von Paaren (za, E a ) heißt differenzierbare Struktur von E.
Eine stetige Abbildung f zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten
E und E' heißt differenzierbar, falls in beliebigen Karten (za, E a ), (zß' E ß)
der differenzierbaren Strukturen differenzierbar ist. zß 0 f 0 z;;l : za(Ea n
f-l(E ß)) --+ zß(Eß)·
104 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Im folgenden werden uns nur zweidimensionale differenzierbare Mannig-


faltigkeiten interessieren. Wir werden üblicherweise verlangen, daß alles dif-
ferenzierbar von der Klasse C 2 oder C 3 ist.
Beispiele sind der ]R2, der mit nur einer Karte id : ]R2 -4 ]R2 beschrieben
werden kann, so wie allgemeiner jedes parametrisierte Flächenstück I(U) mit
Karte 1-1 : I(U) -4 U
C ]R2. Nach dem Satz über implizite Funktionen ist auch für jeden regulären
Wert c einer differenzierbaren Abbildung P : ]R3 -4]R p-l(c) eine differen-
zierbare Mannigfaltigkeit; im Punkte Zo E P- 1 (c) gelte beispielsweise ß :f:. 0
(]R3 = {( ZI , z2, z3) }, Zo = (Z6, z5, z8)). Dann existieren eine Umgebung U von
(Z6, z5) E ]R2, eine Umgebung V von z8 E ]R sowie eine differenzierbare Funk-
tion 9 : U -4 V mit
p(zl,z2,g(zl,z2)) = c

und genauer
Z E (U x V) n P- 1 (c) {:::::} z3 = g(zl, z2).
Unsere Karte ist also in der offenen Menge (U x V) n P- 1 (c) einfach durch
die Projektion (zl,z2,z3) I-t (ZI,z2) gegeben, mit Umkehrung (ZI,z2) I-t
(ZI,z2,g(zl,z2)). Als Untermenge des]R3 ist P-l(c) natürlich hausdorffsch
und besitzt eine abzählbare Basis der offenen Mengen. Weil alles differen-
zierbar ist, sind auch die Kartenwechsel differenzierbar, und somit ist p-l(c)
tatsächlich eine differenzierbare Mannigfaltigkeit.
Wir werden in Kürze konkrete Beispiele differenzierbarer Mannigfaltigkei-
ten kennenlernen. Wir wollen jedoch zunächst den Begriff der Riemannschen
Metrik einführen.

Definition 5.5 Eine Fläche mit Riemannscher Metrik oder zweidimensio-


nale Riemannsche Mannigfaltigkeit ist eine zweidimensionale, differenzier-
bare Mannigfaltigkeit mit einem Atlas (ZeH 170 ), für die jedes Uo = zo(Eo )
(?ffen im ]R2) eine Riemannsche Metrik go trägt, derart, daß sämtliche
Ubergangsabbildungen

zß 0 Z;1 : zo(Eo n Eß) -4 zß(Eo n 17ß)


Isometrien sind.
5.3 Geodätische Linien 105

Die Riemannsche Metrik darf also nicht von der gerade gewählten Karte
abhängen.

5.3 Geodätische Linien

Ist 9 eine Riemannsche Metrik auf U C ]R2, 'Y : [a, b] - U eine differenzierbare
Kurve, so definieren wir die Länge von 'Y durch

J
b

L("f):= (5.21)
a

Ähnlich definieren wir die Energie von 'Y durch

J1J. gij("f(t))'~-/~dz.
b

E("f) 1
:= -2 (5.22)
t,3
a

Für ein Flächenstück f : U - ]E3 ist die Länge von 'Y also gerade die euklidi-
sche Länge von f("f) C ]E3, cf. (2.1).
Aufgrund der Transformationsformel (5.20) sind Länge und Energie einer
Kurve'Y invariant unter Isometrien. Dies bedeutet, daß wir auch die Länge
und Energie einer differenzierbaren Kurve c in einer Fläche E mit Riemann-
scher Metrik definieren können, indem wir jeweils in lokalen Karten (5.21)
bzw. (5.22) zugrundelegen. Genauer unterteilen wir für 'Y : [a, b] - E das
Intervall [a, b] in Teilintervalle [ti> ti+l]' i = 0, ... m - 1, to = a < t 1 < t2 <
... t m = b, mit der Eigenschaft, daß 'Yl[t;,tHl] jeweils ganz in einer Karte-
numgebung Ei liegt. Für 'Y1[t;,t;+l] definieren wir dann die Länge mittels der
Metrik auf Ui = zi(Ei) durch L("fI[t;,tHl]) = L(Zi("fl[t;,tHd)) und setzen

Der entscheidende Punkt ist, daß die so definierte Länge wegen der Eigen-
schaft, daß Kartenwechsel Isometrien sind, unabhängig von der Zerlegung der
Kurve und der Wahl der Karten ist.
Entsprechend läßt sich die Energie E ('Y) einer Kurve definieren.
Wir wollen nun Länge und Energie vergleichen:

Lemma 5.1 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik, 'Y : [a, b] - E eine
differenzierbare Kurve. Dann gilt
L("f)2 ~ 2(b - a)E("f), (5.23)

wobei Gleichheit genau dann eintritt, wenn 'Y proportional zur Bogenlänge
pammetrisiert ist, also
106 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

~ gij(r(t))1i(t),~/ (t) == const. (5.24)


Z,J

ist.

Beweis. Aus der Hölderschen Ungleichung folgt


b

I (~ gij(r(t))1i1 j )! dt :::; (b -
a
Z,J
a)! (I ~
b

a
Z,J
gij(r(t))1 i 1 jdt )!,

und Gleichheit tritt genau dann ein, wenn der Integrand konstant ist. D

Wir erinnern nun daran, daß sich jede differenzierbare reguläre (d.h.
1(t) 1= 0 in [a, b]) Kurve nach der Bogenlänge parametrisieren läßt; wir setzen
hierzu für a :::; 7 :::; b
r

S(7) := 1(~9ij1i1j)!dt
z,J
= L(rl[a,rj)
a

S(7) ist dann eine monoton wachsende Funktion mit s(a) = 0, s(b) = f :=
L(r), und weil -y regulär ist, ist s invertierbar.

-)'(s) := -Y(7(S))
ist dann die gewünschte Parametrisierung nach der Bogenlänge.
Es folgt somit aus Lemma 5.1:

Korollar 5.2 Die Kurven kürzester Länge (beispielsweise zwischen zwei vor-
gegebenen Endpunkten) sind genau die nach der Bogenlänge parametrisierten
Kurven kleinster Energie.

Statt die Länge zu minimieren, minimieren wir daher die Energie, was uns
den zusätzlichen Vorteil bringt, daß Extremalen automatisch nach der Bo-
genlänge parametrisiert sind. Ganz ähnlich sind wir schon in §4 vorgegangen,
als wir statt des Flächeninhalts das Dirichletintegral minimiert haben.
Wir erinnern nun daran, daß für ein zweimal differenzierbares Minimum
-y eines Variationsintegrals

F(r) = 1 f(r,1)dt
die Euler-Lagrange-Gleichungen

!!:.-
Bf _ Bf = 0 für alle Indizes k gelten müssen.
dt B1 k B-yk
Die Euler-Lagrange-Gleichungen der Energie E(r) sind nun (unter Ausnut-
zung von gij = gji)
5.3 Geodätische Linien 107

d . 1 ""
0= dt(E9jk(--y(t))'P(t)) - -2 E.gij,k(--y(t))-Y~(t)-YJ(t)
J ~,J

= Ej 9J"ki j + i,j
E g"k
J ,
i-yi-yj - ~2 i,j
E giJ, k-yi-yj für k = 1,2

Dies ist äquivalent zu

o =,.. J" +"21 k,l,iE 9J"k( gkl,i + gki,l - gU,k ).i.i


, , ,
wobei wir den mittleren Term in der Klammer durch die Symmetrie
·i·l = L.J
E glk,iI, '" gik,l'Y·i·l
,
i/ i/
gewonnen haben
= i j (t) + E rll(,(t))-yi(t)'Yl(t) für j = 1,2
~,l

Definition 5.6 Eine Kurve, E C 2 ([a, b], E), die


i j + E rll(--y(t))'Yi-yl = 0 für j = 1,2 (5.25)
~,l

erfüllt, heißt geodätische Linie oder kurz Geodätische.

Eine Geodätische ist automatisch nach der Bogenlänge parametrisiert.


Dies läßt sich aus unserer Herleitung von (5.25) folgern oder auch folgender-
maßen direkt nachrechnen:
d (1 ( (t)). i . J") . i .. J" '" 1 . k . i . J"
E gi",
-dt -2 i,j J " = i,j
E giJ"" + i,j,k
L.J -gi"
2 J, k, "
.i .. j ).k.m.l
= E gin,
i,j
+ -21 m,k,l (
E gml,k + gkl,m - gkm,l , , ,
wiederum durch ein Symmetrieargument

-_ E. %,.i(,.. j + -21 Em,k/9 jl( gml,k + gkl,m - gmkl ).k.m)


, ,
~,J

Wir wollen uns kurz überlegen, was das Bestehen von (5.25) für eine Kurve
c = f 0 "I auf einem parametrisierten Flächenstück f : U ---+ ]E3 bedeutet. Wir
berechnen
c(t) = -yl(t)fx1(--y(t)) +-y2(t)fx2(,(t))
c(t) = i1(t)fx1 + i2(t)fx2 + -yl (t)'Yl (t)fX1x1
+ 2-yl(t)'Y2(t)fx1x2 + -y2(t)'Y2(t)fx2X2 (5.26)
= E(ij(t) + E r1l(--y(t))-yk(t)-yl(t))fx j
j k/
+ E hkl(--y(t))'Yk(t)-yl(t)n(--y(t))
k,l
mittels der Ableitungsgleichungen (5.4).
108 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Der Koeffizient von n(')'(t)) in (5.26) ist gerade II(-Y(t),-Y(t)). Ist l-y(t) I =
1, so ist dies gerade die Normalenkrümmung des Flächenstücks in Richtung
-y( t).
Wir wollen nun annehmen, daß, und damit gleichzeitig auch c nach der
Bogenlänge parametrisiert ist, also

1-y(t)1 = Ic(t)1 = 1 für alle t. (5.27)

Dann ist

~(t) = Ic(t)1
die Krümmung der Raumkurve c(t) im E3. Da nun der Koeffizient von n
in (5.26) die Normalkrümmung ist, wollen wir den tangentialen Anteil in
(5.26) als tangentiale Krümmung interpretieren. Wir bemerken noch, daß
wegen Ic(t)1 == 1 c(t) immer senkrecht zu c(t) ist. Wir wählen nun auf
dem Flächenstück einen zu c(t) senkrechten Einheitstangentialvektor v(t) =
v( c(t)) derart, daß (c(t), v(t)) die gleiche Orientierung wie (fx1 (c(t)), fx2 (c(t)))
haben. Wir schreiben dann (5.26) als

c(t) = ~g(t)v(t) + II(c(t),c(t))n(t). (5.28)

Ist c(t) nicht unbedingt nach der Bogenlänge parametrisiert, so müssen wir
allgemeiner

c(t) =< c(t),c(t) > c(t) + ~g(t)lc(t)lv(t) + II(c(t),c(t))n(t) (5.29)

schreiben. Der Faktor Ic(t)1 vor v(t) ist deshalb eingeführt, daß ~g(t) un-
abhängig von der Durchlaufgeschwindigkeit Ic(t)1 definiert ist.

Definition 5.7 Die in (5.29) definierte Größe ~g heißt geodätische oder Sei-
tenkrümmung der Kurve c(t) auf dem Flächenstück f : U --t E 3 .

Wir folgern aus (5.26) und (5.28)

Satz 5.4 Eine nach der Bogenlänge parametrisierte Kurve auf einem Flä-
chenstück im E 3 ist genau dann geodätisch, wenn ihre geodätische Krümmung
verschwindet.

Eine nach der Bogenlänge parametrisierte Kurve im E 3 ist genau dann


eine Gerade, also insbesondere kürzeste Verbindung ihrer Endpunkte, wenn
ihre Krümmung ~ verschwindet. Unterwerfen wir nun die Kurve der Zusatz-
bedingung, daß sie auf einem vorgegebenen Flächenstück im E 3 liegen muß,
so ist der normale Anteil der Krümmung durch die zweite Fundamentalform
des Flächenstückes vorgegeben, und daher kann La. die Krümmung nicht
mehr verschwinden. Ist die Kurve nun eine Extremale des Längenfunktionals,
so verschwindet nur noch der tangentiale Anteil der Krümmung, also die
geodätische Krümmung der Kurve.
5.4 Beispiele 109

Wir kehren nun zu Betrachtungen der inneren Geometrie zurück.

Satz 5.5 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik, Zo E E, v E TzoE.


Dann existiert für genügend kleines e > 0 genau eine Geodätische , :
[-e,e]-+ E mit
,(0) = zo, 1'(0) = v. (5.30)

Beweis. Das System (5.25) von zwei gewöhnlichen Differentialgleichungen


zweiter Ordnung erfüllt die Voraussetzungen des Satzes von Picard-Lindelöf,
und dieser liefert daher Existenz und Eindeutigkeit einer Lösung zu vorgege-
benen Anfangsbedingungen (5.30). 0

Für eine reguläre Kurve ,(t) auf einer Fläche mit Riemannscher Metrik
wählen wir lokal einen zu 1'(t) senkrechten Tangentialvektor v( t) = v 1 -1zr +
2 8
vp.

Definition 5.8 Die geodätische Krümmung einer nach der Bogenlänge pa,.
rametrisierten, zweimal differenzierbaren Kurve, ist

Man beachte, daß die geodätische Krümmung nur bis auf die Wahl eines
Vorzeichens von v(t) bestimmt ist. Wie in Satz 5.4 ist eine Kurve auf E genau
dann geodätisch, wenn ihre geodätische Krümmung verschwindet.

5.4 Beispiele

Wir treffen noch die folgende

Definition 5.9 Die Krümmung einer Riemannschen Metrik (gij) ist

K _
t
t=1
g2t(rfl,2 - rf2,1 t (rnr~2 - r~r~l»
+ m=l
- gng22 - g~2
wobei die Christoffelsymbole wie vorher durch

r;k. = 21 f g it
(gjl,k + gkl,j - gjk,t)

gegeben sind.
110 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Nach Satz 5.3 stimmt die so definierte Krümmung für eine Fläche im JE3
mit der durch die zweite Fundamentalform definierten Gaußschen Krümmung
überein.

Wir wollen nun einige Beispiele betrachten:


1) Die Sphäre 8 2 := {x E JE3 : lxi = I} ist zunächst, weil 1 ein regulärer
Wert der Abbildung x 1-+ lxi ist, eine differenzierbare Mannigfaltigkeit
und erhält dann durch die induzierte Metrik des JE3 eine Riemannsche
Metrik, nämlich die erste Fundamentalform. Wir hatten diese Metrik
schon in §2 berechnet. Karten lassen sich beispielsweise durch stereo-
graphische Projektion vom Nord- und Südpol aus gewinnen:

z+: 8 2\{(O, 0- In =: 8~ -+ ]R2, z+(x)= (1~~3' 1~:3 ) ,


L: 8 2\{(O,O, In =: 8: -+ ]R2,L(X)= (1:~3' 1::3) .
Die beiden Karten überdecken 8 2 • Setzt man
Xl x2
e = -x
- 13''''=-1
-x3'
so ist für x E 8 2

1 + x3 1 - (x 3 )2
= (1 _ x3)2 = e +",
2 2
1 - x3 ,

und daher für (e,,,,) E ]R2\{(O,On

z+ 0 z=l(e,,,,) = (e 2 ! e
",2' 2 : ",2) ,

und der Kartenwechsel ist daher ein Diffeomorphismus zwischen


z_(8~ n 8:) = ]R2\{(O, On und z+(8~ n 8:) = ]R2\{(O, On. Somit ha-
ben wir noch einmal explizit nachgewiesen, daß 8 2 eine differenzierbare
Mannigfaltigkeit ist.
Wir behaupten nun, daß die geodätischen Linien der 8 2 gerade die
Großkreisbögen sind, also die Schnitte der 8 2 mit Ebenen durch den
Ursprung des JE3. Ein solcher Großkreisbogen c(t) (nach der Bogenlänge
parametrisiert) ist insbesondere eine ebene Kurve im JE3, und daher liegt
c(t) immer in der gleichen Ebene wie die Kurve selbst. Da einerseits
wegen der Bogenlängenparametrisierung c(t) senkrecht zu c(t) ist und
andererseits diese Ursprungsebene in jedem Punkt ihres Schnittes mit
der 8 2 die Flächennormale n der 8 2 enthält, ist c(t) ein Vielfaches
von n(c(t)). Dies bedeutet, daß die geodätische Krümmung von c(t)
verschwindet, und nach Satz 5.4 ist c(t) daher geodätisch. Da umgekehrt
5.4 Beispiele 111

jeder Tangentialvektor der 8 2 in einer Ursprungsebene enthalten ist,


geht durch jeden Punkt und jede Richtung in diesem Punkt der 8 2 ein
Großkreisbogen. Nach der Eindeutigkeitsaussage von Satz 5.5 haben wir
somit alle Geodätischen der 8 2 gefunden.
An diesem Beispiel sehen wir, daß die geodätische Verbindung zweier
Punkte nicht unbedingt eindeutig sein muß, und auch, daß geodätische
Linien nicht unbedingt kürzeste Verbindungen ihrer Endpunkte sein zu
brauchen.
Betrachten wir beispielsweise den Nordpol p+ = (0,0,1) und den Südpol
p_ = (0,0, -1), so können diese beiden Punkte durch beliebig viele
Großkreisbögen, also beliebig viele geodätische Linien miteinander ver-
bunden werden.

Das gleiche gilt für jedes Paar


antipodischer Punkte (p, -p).
Außerdem ist jeder Großkreis-
bogen, der größer als ein Halb-
kreis ist, nicht mehr kürzeste
Verbindung seiner Endpunkte,
da diese beiden Punkte durch
den anderen Teil dieses Groß-
kreises, der dann kleiner als ein
Halbkreis ist, auf kürzere Weise
miteinander verbunden werden
können.

Wir werden allerdings später sehen, daß jede geodätische Linie kürzeste
Verbindung zwischen allen auf ihr genügend nahe beisammen liegenden
Paaren von Punkten ist.

2) Die projektive oder elliptische Ebene JP>2 wird dadurch gewonnen, daß
wir auf der 8 2 x und -x miteinander identifizieren. Wir führen also
auf der 8 2 die Äquivalenzrelation x '" y : {=::::> x = -y ein und setzen
JP>2 := 8 2/ '" als Menge der ÄQuivalenzklassen. Wir erhalten dann eine
Abbildung

unter der jeder Punkt des JP>2 genau zwei Urbilder hat.
112 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Ist V C 8 2 in einer offenen Halbsphäre enthalten, so ist 7rW injektiv.


Wir überdecken 8 2 durch derartige Mengen V1 , •.• Vk und wählen zu-
gehörige Kartenabbildungen Za : Va -+ ]R2, 0:: = 1, ... k. Dann bildet

(Za 0 (7rwJ-l, 7r(Va))a=l, ... k


einen Atlas für ]p2, und ]p2 wird somit eine differenzierbare Mannigfal-
tigkeit. Wir können nun die Metrik der 8 2 benutzen, um ]p2 ebenfalls
mit einer Riemannschen Metrik zu versehen. Für v, W E T z ]p2 setzen
wir also (mit Z E 7r(Va), d7r l := d(7rwJ

(V,W)1P'2:= (d7r11(v),d7r11(w))s2.
Weil die Kartenwechsel Isometrien sind, ist dies unabhängig von der
Wahl der Karte 7r(Va).
Die Metrik ist also so gewählt, daß 7r : 8 2 -+ ]p2 eine lokale Isome-
trie wird. Weil Isometrien geodätische Linien in ebensolche überführen,
sind die geodätischen Linien des ]p2 gerade die Bilder unter 7r der
geodätischen Linien der 8 2.
Wir bemerken noch, daß sich der]p2 nicht als Untermannigfaltigkeit des
]E3 realisieren läßt. Dies werden wir später beweisen.
An diesem Beispiel sehen wir, daß der Begriff der zweidimensionalen
Riemannschen Mannigfaltigkeit eine echte Erweiterung des Begriffs der
Fläche im ]E3 darstellt.

3) Der Kreiszylinder Z := {(zl, z2, z3) E ]R3 : (zl)2 + (z2)2 = I}.


Es ist leicht, den Zylinder durch zwei Kartenumgebungen zu überdecken;
eine haben wir oben (nach (5.3)) schon angegeben.
Da, wie oben nachgewiesen,

!,:]R2 -+ Z,!,(x,y) = (cosx,sinx,y)


eine lokale Isometrie ist, sind die geodätischen Linien auf Z gerade die
Bilder unter f' der geodätischen Linien des ]R2, also von der Form

c(t) = (cos(at+ao),sin(at+ao),bt+b o)
mit Konstanten a, b, ao, bo.
Ist a = 0, so ergibt sich eine Mantellinie, ist b = 0, eine Kreislinie,und
im allgemeinen Fall erhält man eine Schrauben kurve oder Helix.
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie 113

Wiederum gibt es Punkte, zwi-


schen denen es beliebig viele
geodätische Verbindungen gibt,
beispielsweise zwei Punkte, die
sich auf der gleichen Mantelli-
nie befinden. Die hierbei auf-
tretenden Schraubenkurven kön-
nen sich dabei zwischen den
beiden Punkten beliebig oft um
den Zylinder herumwinden, wer-
den also beliebig lang.

Ähnlich möge sich der Leser die geodätischen Linien auf einem Kreis-
kegel veranschaulichen.

5.5 Die hyperbolische Ebene.


Nichteuklidische Geometrie

Wir wollen nun ein Beispiel, nämlich die sog. hyperbolische Ebene, studie-
ren, welches nicht in den ]E3 immergiert (und übrigens auch in diesen nach
einem Satz von Hilbert, den wir hier nicht beweisen, nicht immergierbar) ist,
sondern abstrakt gegeben ist. Als Vorbereitung hierzu nehmen wir zunächst
die Formel für die Krümmung einer Riemannschen Metrik, nämlich

Lemma 5.2 Die Metrik auf U C ]R2 sei isotherm, also


gl1 = 922 =: 9
912 = o.
Dann 9ilt für die Krümmung

Beweis. In isothermen Koordinaten ist g12 = 0, gl1 1 Daher


9
berechnen sich die Christoffelsymbole folgendermaßen:
114 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

r 111 = 21 g 11( 2g11 ,1 - g11,1


) 19 1
= 2~ (g,1 := 8:
8
1)

19 2
r 121 = 21 g 11 (g11,2 + g21,1 - g12,1
)
= 2~
1 1 11 1 g,1
r 22 = 2g (2g21 ,2 - g22,1) = -2g
r 112 = 21 g 22( 2g12,1 - g11,2 ) = -21 9
g,2

r122 = 21 g22(g12,2 + g22,1 - g12,2 ) = 2g 1 g,1

1 1 g,2
= 29 .
2 22
r 22 = 2g (2g22,2 - g22,2)

Damit ergibt sich für die Krümmung

K = ~ (_~ (9,2) _ ~ (9,1) )


9 2 9 ,2 2 9 ,1

Definition 5.10 Die hyperbolische Ebene oder Poincaresche Halbebene ist

H:= {(x,y) E 1l~.2,y > O},


versehen mit der Riemannschen Metrik

Die Metrik ist also schon in isothermen Parametern gegeben.


Aus Lemma 5.2 ergibt sich für die Krümmung

Die hyperbolische Ebene hat also konstante negative Krümmung.


Wir wollen nun die Isometriegruppe von H bestimmen (da die Kom-
position zweier Isometrien wieder eine Isometrie ist und eine Isometrie als
Diffeomorphismus auch invertierbar ist und die Inverse wiederum eine Iso-
metrie ist, bilden die Isometrien jeder Fläche mit einer Riemannschen Metrik
natürlich eine Gruppe). Dies gibt uns auch die Gelegenheit, einige wichtige
Begriffsbildungen einzuführen:
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie 115

Definition 5.11 Eine Gruppe G operiert auf einer Menge X (als Transfor-
mationsgruppe), falls eine Abbildung

GxXI--+X
(g, x) 1--+ gx
mit (glg2)X = gl(g2X) für alle gI.g2 E G,x E X und ex = x, wobei e das
neutrale Element von G ist, für alle x E X gegeben ist.
Die Operation heißt transitiv, wenn zu je zwei Punkten xI. X2 E X ein
9 E G mit gXl = X2 existiert, also jeder Punkt von X durch die Operation
von G in jeden anderen überführt werden kann.
Die Isotropiegruppe eines Punktes Xo E X ist die Gruppe derjenigen
gE G, die gxo = Xo erfüllen.

Beispielsweise operiert die orthogonale Gruppe O(n) auf dem euklidischen


Raum JEn, allerdings nicht transitiv. Die Gruppe aller Isometrien des JEn, also
O(n) und die Translationsgruppe, operiert jedoch transitiv.
Wir betrachten nun

Sl(2,R) := { ( : : ) ,a,b,c,d ER,ad - bc = I}


und definieren eine Operation von Sl(2, R) auf H :
z = x + iy, y > 0, sei ein Punkt aus H (es wird R2 mit C identifiziert).

Für 9 = ( : : ) E Sl(2, R) setzen wir

az+b
gz=--.
cz+d
Da y = Im(z) > 0, kann der Nenner nie verschwinden; daher ist gz zunächst
als Punkt von C wohldefiniert. Es bleibt z.z., daß für zEH gz wieder in H
liegt. Es ist
2ilm z= az+b _ az+b = (az+b)(cz+d)-(az+b)(cz+d) (5.31)
9 cz + d cz + d Icz + dl 2
= (ad - bc)(z - z) > 0,
Icz + dl 2
da ad - bc = 1 und ~ Imz = ~z - Z > 0.
Also liegt gz in H. Daher operiert Sl(2, R) als Transformationsgruppe auf
H, wobei die Verknüpfung in der Gruppe durch Matrixmultiplikation gegeben
ist (ist

gi = (~ ::), i = 1,2, so operiert g2g1 mit (~ ~) = (:~ :~) (:~ :~)


QZ+ß) •
d urch g2g1 Z = ")'z+u
116 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Satz 5.6 8l(2, IR) operiert als Isometriegruppe transitiv auf H. Die Isotro-
piegruppe jedes Punktes ist isomorph zu 80(2).

Beweis. Wir benutzen eine komplexe Notation:


z = x + iy, z = x - iy, dz = dx + idy, dz = dx - idy, also
dx 2 + dy2 = dzdz.

Ist w = gz, mit 9 = (~ ~) E 8l(2,IR), so ist wegen tz (gz) = 0


dw = ~ ( z)dz = a( cz + d) - c( az + b) dz = ad - bc dz = 1 dz
ßz 9 (cz + d)2 (cz + d)2 (cz + d)2

und entsprechend diiJ = (cz!d)2 dz.


Weiter ist Im(gz) = 1c~~dI2' wie oben berechnet ((5.31)), und daher ins-
gesamt
1 1
(Im W)2dwdiiJ = (Imz)2 dzdz .

Dies bedeutet, daß 9 die Riemannsche Metrik invariant läßt, also isometrisch
operiert.
Um nachzuweisen, daß 8l(2, IR) transitiv operiert, zeigen wir, daß es zu
jedem wEH ein 9 E 8l(2, IR) mit gi = w gibt, daß also der Punkt i E H
durch die Operation von 8l(2, IR) in jeden anderen Punkt von H überführt
werden kann. Aus der Gruppeneigenschaft der Operation von 8l(2, IR) folgt
dann die Transitivität.
Es sei also w = u + iv E H. Mit a = fo,b = -.Jü,c = Fv,d = 0 gilt

ai + b .
ci+d = U+W.
Damit ist eine Transformation, die i in w überführt, gefunden. Als nächstes
bemerken wir, daß bei einer transitiven Operation einer Gruppe G auf einer
Menge X die Isotropiegruppen sämtlicher Punkte zueinander konjugiert sind.
Es seien Xl,X2 E X, mit X2 = gXl für ein 9 E G. Dann ist
G X2 : = {r G : )'X2 = X2} = {r E G : g-l)'gXl =
E Xl}

= {gbg- l : bEG, bXl = Xl} = gGX1g-1,


und die Isotropiegruppen von Xl und X2 sind konjugiert. In unserem Fall
bedeutet dies, daß wir nur noch die Isotropiegruppe von einem einzigen Punkt
bestimmen müssen. Wir wählen hierzu i E H.
Gilt für 9 = (~ ~) gi = i, so ergibt sich
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie 117

R ai + b =0 I ai + b =1
e.
ct+ d ' m.
ct+ d '

also mit ad - bc = 1 noch bd + ac = 0, c2 + d2 = 1, und daher a = d =


cos <p, b = -c = sin<p für ein <p E [0, 27f), und die Isotropiegruppe von i ist
80(2). 0

Satz 5.1 Die geodätischen Linien von H sind (bis auf die Parametrisierung)
Bögen von euklidischen Kreisen oder Geraden, die die reelle Achse {y = O}
senkrecht treffen.

Beweis. Wir setzen g = -?


in unsere obigen Formeln (vgl. Beweis von
Lemma 5.2) für die Christoffelsymbole in isothermen Parametern ein und
erhalten
ril = ri2 = rf2 = 0,

r l l = -r22
2 2
=
1
-r21 =-.
1
y
Es ergibt sich damit für die Differentialgleichung, die eine geodätische Linie
erfüllen muß, (x = ~~, etc.)
2· . ·2·2
y
.. - -xy= ,O··+x-
x y 0
=.
y y
Ist x = 0, so ist x konstant, und wir erhalten eine Gerade, die die reelle Achse
senkrecht trifft. Ist x :/= 0, so folgt aus der ersten Gleichung

(~) = 0, also x = cy2(:/= 0).

Da eine geodätische Linie nach der Bogenlänge parametrisiert ist, ist -? (x 2 +


iJ2) = l.
Nun folgt

Diese Gleichung wird von dem Kreis

1
(x - xo)
2
+ y2 = -
2 c
erfüllt, welcher die reelle Achse senkrecht trifft. Weil man durch jeden Punkt
von H und jede Richtung in diesem Punkt eine solche Gerade oder einen sol-
chen Kreis legen kann, haben wir damit nach Satz 5.5 sämtliche Geodätischen
von H bestimmt. 0
118 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Die hyperbolische Ebene wird auch als nichteuklidische Ebene bezeichnet,


und die Entdeckung der hyperbolischen Geometrie ist mathematisch und phi-
losophisch von größter Bedeutung gewesen. Sieht man die geodätischen Linien
der hyperbolischen Ebene als nichteuklidische Geraden an, so sind sämtliche
Axiome Euklids mit Ausnahme des Parallelenaxioms erfüllt. Sind nämlich
eine solche Gerade c und ein Punkt Zo E H, der nicht auf c liegt, gegeben, so
gibt es nicht nur eine, sondern unendlich viele Parallele von c durch zo, also
Geraden durch zo, die c nicht schneiden. (Übrigens erfüllt die sog. elliptische
Geometrie, nämlich die oben definierte Geometrie auf dem zweidimensiona-
len projektiven Raum ebenfalls die euklidischen Axiome mit Ausnahme des
Parallelenaxioms; hier gibt es jedoch überhaupt keine Parallelen zu einer ge-
gebenen Geraden, also geodätischen Linie.)
Man hatte lange versucht, das Parallelenaxiom, welches unter den Axio-
men Euklids eine Sonderstellung einnimmt, aus den übrigen Axiomen abzulei-
ten. Die Entdeckung der hyperbolischen Geometrie durch Gauß, Bolyai und
Lobatschewsky zeigte jedoch, daß dieses Axiom von den übrigen unabhängig
war und daher nicht aus diesen ableitbar war. Die hyperbolische Ebene liefert
nämlich ein widerspruchsfreies geometrisches Modell, in dem alle Axiome bis
auf das Parallelenaxiom gelten.
Die philosophische Relevanz dieser Entdeckung rührt daher, daß Kant
den Raum wie auch die Zeit als Erkenntniskategorien angesehen hatte, als
Möglichkeit, die an sich amorphe Erscheinungswelt zu strukturieren. Unser
räumliches Vorstellungsvermögen ist nun euklidisch, und Kant hatte daher
die euklidische Geometrie als synthetisches Urteil apriori, also als eine be-
grifHich vor jeder Erfahrung liegende Konstruktion des menschlichen Geistes
angesehen. Dies sollte auch ein begrifHiches Fundament für die entscheidend
auf der euklidischen Geometrie beruhende Physik Newtons liefern. Da es sich
um ein synthetisches Urteil, mithin um eine Setzung handelt, war jedoch
die euklidische Geometrie nicht, wie Kant oft fälschlich unterstellt wurde,
denknotwendig. Die Existenz der hyperbolischen Geometrie zeigt nun, daß,
obwohl die menschliche Erfahrung die euklidische Geometrie als Hilfsmittel
verwendet, bestimmte Eigenschaften der Geometrie nicht apriori deduziert
werden können, sondern aus der Erfahrung gewonnen werden müssen. Das
wichtigste Beispiel ist wohl die Krümmung, und schon Gauß hat versucht,
die Krümmung des Raumes (in ähnlicher Weise wie diejenige einer Fläche
definiert) empirisch zu bestimmen, allerdings keine Abweichung von K = 0
außer halb der Meßungenauigkeit feststellen können.
Das Konzept der Riemannschen Metrik wurde dann von Riemann ein-
geführt, und mittels des so geschaffenen begrifflichen Rahmens wird klar,
daß, obwohl bestimmte grundlegende Eigenschaften des Raumes tatsächlich a
priori menschliche Erkenntnis überhaupt erst ermöglichend sind, die Maßver-
hältnisse des Raumes sicherlich erst aposteriori aus der Erfahrung gewonnen
werden müssen. Die Vorstellungen Riemanns erfuhren dann eine glänzende
5.5 Die hyperbolische Ebene. Nichteuklidische Geometrie 119

Bestätigung in der allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins, in der die Geo-


metrie des Raumes durch die Verteilung der Massen bestimmt wird.

Wir kehren nun wieder zu konkreten Betrachtungen zurück. Für zEH


setzen wir
z-i
1](z) = - ..
z+z

Lemma 5.3 1] bildet H bijektiv auf D = {w E C : Iwl < I} ab.

Beweis. Für zEH ist z + i =f. O. Daher ist 1](z) wohldefiniert. Weiter ist
Re(z - i) = Re(z + i) und für zEH, also Imz > 0, Im(z - i) < Im(z + i)

I il
und daher

z-
--. <1,
z+z
und somit 1](z) E D. Schließlich ist die Abbildung
.1+w
W ()
w =2--
1-w
zu 1] invers und bildet D nach H ab, denn es ist

Imw(w) = ~(1 -lwI 2 ) > 0 für Iwl < 1.


Daher bildet 1] H bijektiv auf D ab. o
Ebenso sieht man, daß 1] die reelle Achse {y = O} nach ßD = {w : Iwl = I}
abbildet. Es ist noch

1](00):= lim 1](z) = -1,


Izl-+oo
und 1] bildet die erweiterte reelle Achse lR. U {oo} bijektiv auf ßD ab.
Wir wollen nun Lemma 4.7 beweisen. Zunächst bemerken wir hierzu, daß
es zu Xl, X2, X3 E lR. U {oo} mit Xl < X2 < X3 ein 9 E 8l(2, lR.) mit

gXI = 00,gx2 = 1,gx3 = 0 (5.32)

gibt. Es gilt nämlich (5.32) für die Abbildung


z - X3 X2 - Xl
z ........ -_·-'---"-
Z - Xl X2 - X3

Die entsprechenden Koeffizienten erfüllen nicht notwendig ad - bc = 1,


aber dies läßt sich leicht erreichen, indem wir alle Koeffizienten noch durch
Jad - bc = JX3 - Xl > 0 teilen.
120 5. Theorema egregium und Riemannsche Geometrie

Sind nun ei'Pl, e i 'P2, e i 'P3 drei verschiedene Punkte aus oD, so wählen wir
das obige 9 zu Xj = 'TJ- 1 ei'Pj, j = 1,2,3. Dann bildet 'TJogo'TJ-I ei'Pl auf 1, e i 'P2
auf ~+!, e i 'P3 auf -1 ab. Ein beliebiges Tripel verschiedener Punkte aus oD
läßt sich also durch eine konforme Abbildung von jj auf (1, ~+!, -1) abbilden.
Daher kann auch jedes solche Tripel in jedes andere überführt werden, und
Lemma 4.7 ist bewiesen.

5.6 Übungsaufgaben

5.1: f :D - E3 sei eine konform parametrisierte Minimalfläche.


a: Zeigen Sie, daß

L-iM

eine holomorphe Funktion auf D ist.


(Hinweis: Benutzen Sie die Mainardi-Codazzi-Gleichungen.)
b: Die Normalkrümmung von f(oD) verschwinde überall.
Dann ist f(D) eben.
(Hinweis Benutzen Sie a:)
5.2: k :I ---+ R sei eine positive C 2-Funktion, I c R ein offenes Intervall
f : R2 ---+ ]E3 sei definiert durch
f(x,cp) = (k(x) coscp,k(x) sincp, x).
Zeigen Sie, daß f eine reguläre Fläche E definiert.
Zeigen Sie, daß Rotationen um die dritte Koordinatenachse des
E3 Isometrien von E induzieren.
Zeigen Sie, daß die Kurven f(·, CPo) für festes CPo geodätische Linien
auf E sind. Bestimmen Sie allgemeiner die Gleichung für geodätische
Linien auf E, ausgedrückt durch k. Hat die Funktion k in einem
Punkt Xo ein Minimum oder Maximum, so ist die Kurve f(xo,') eine
geodätische Linie auf E.
Diskutieren Sie das Beispiel, wo k(x) = VI +x2 für xE (0,00) ist.
Unter welchen Voraussetzungen definiert f eine reguläre Fläche, falls
I ein abgeschlossenes Intervall ist und k an den Endpunkten von I
Nullstellen haben darf?
5.3: Zeigen Sie, daß die Isometrien der 8 2 C E3 die Einschränkungen der
linearen, orthogonalen Transformationen des E3 auf die 8 2 sind.
5.4: Konstruieren Sie auf der 8 2 ein geodätisches Dreieck (d.h. ein Drei-
eck, dessen Seiten geodätische Bögen sind), dessen Winkelsumme 31l'
beträgt.
5.6 Übungsaufgaben 121

5.5: Wir betrachten den durch Rotation des Kreises


(x_a)2+ z 2=r 2, y=O(O<r<a)

um die z-Achse erzeugten Torus und auf diesem Torus die durch die
Punkte (a+r, 0), (a-r, 0) und (a, r) erzeugten Kurven. Berechnen Sie
deren geodätische Krümmung. Welche dieser Kurven sind geodätisch?
Können Sie noch weitere geodätische Linien auf dem Torus angeben?
6. Eigenschaften geodätischer Linien.
Der Satz von Gauß-Bonnet

6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten

Neben den isothermen Parametern gibt es auch andere ausgezeichnete Para-


metrisierungen einer Fläche mit Riemannscher Metrik, die für geometrische
Untersuchungen nützlich sind, weil in ihnen der Ausdruck für die Metrik
eine besonders einfache Gestalt annimmt. Es handelt sich hierbei um die
geodätischen Parallel- und Polarkoordinaten, denen wir uns nun zuwenden
wollen.

Satz 6.1 U C ]R2 troge eine Riemannsche Metrik, c : [a, b] ~ U sei eine
reguläre Kurve, So E (a, b). Dann existieren eine Umgebung U' c U von
c(so) und cp : V ~ U' mit den folgenden Eigenschaften (x = (xl, x 2 ) E V) :
(i) In einem So enthaltenden Intervall I ist die Kurve c(s) durch Xl =
0, x 2 = s gegeben.
(ii) Die Kurven x 2 = const: sind nach der Bogenlänge parometrisierte
Geodätische, die jede der Kurven xl = const. senkrecht schneiden,
und die Abschnitte 6 ::; Xl ::; ~2 zwischen den Kurven xl = 6 und
Xl = ~2 haben alle die gleiche Länge ~2 - ~1'

(iii) Die auf V induzierte Riemannsche Metrik erfüllt

gl1 == 1,g12 == O.

(iv) Erfüllt umgekehrt eine Riemannsche Metrik in V C ]R2 die Bedin-


gungen aus (iii), so gelten die Aussagen aus (ii).
(v) Ist die Kurve c(s) nach der Bogenlänge parometrisiert, so gilt zusätz-
lich

Ist die Kurve c( s) sogar noch geodätisch, so ist außerdem


1
T i (0, x 2 ) = 0 für alle i, j, k.
124 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Definition 6.1 Die in Satz 6.1 konstruierten Koordinaten heißen geodätische


Parallelkoordinaten, basierend auf der Kurve c. Ist c geodätisch, so werden
diese Koordinaten auch Fermikoordinaten genannt.

Beweis. Durch eventuelle Einschränkung von c auf eine Umgebung I von


So können wir zunächst annehmen, daß c injektiv ist. Weiterhin können wir
annehmen, daß längs c ein von sEI glatt abhängender Tangentialvektor
v( s) im Punkte c( s) mit
1
Iv(s)I(:= (v(s),v(s))"2) = 1,
(v(s),c'(s)) = 0
existiert.
Für jedes x 2 E I betrachten wir nun die Geodätische )'(x 1 ) mit
)'(0) = c(x 2 ) (6.1)
d)' 2
dx 1 (0) = v(x ). (6.2)

Diese Geodätische existiert für Ix 1 1:::; c = c(x 2 ), und durch eventuelle weitere
Verkleinerung von I können wir annehmen, daß c > 0 unabhängig von x 2 ist.
Da die Kurve )'(x 1 ) von x 2 abhängt, schreiben wir nun statt )'(x 1 )

c(x 1 , x 2 ).

Weil die Lösung von (6.1), (6.2) differenzierbar von den Anfangswerten
abhängt, ist die Abbildung

(xl,x 2 ) f-+ c(xl,x 2 )


ebenfalls differenzierbar.
Im Punkte (0, so) ist die Funktionalmatrix durch die linear unabhängigen
Vektoren (v(so),c'(so)) gegeben. Nach dem Satz über die Umkehrfunktion
wird also eine Umgebung V von (0, so) durch c(x 1 , x 2 ) bijektiv auf eine Um-
gebung U' von c(so) abgebildet. Es gilt c(s) = c(O,s), womit (i) bewiesen
ist.
Weiter ist gl1 == 1, da die Kurven x 2 = const. nach der Bogenlänge
parametrisierte Geodätische sind (man beachte I~(O)I = Iv(x2 )1 = 1). Die
Gleichung dafür, daß
x 2 = const. geodätisch ist, schreibt sich
02 x k k oxi ox j
(
>l
uX
1)2 E. rij""ill""ill
+ t,J uX uX
= 0, k = 1,2, (6.3)

und hieraus insbesondere


6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten 125

Nun ist

r112 ="21 g21 ( 2g11,1 - g11,l ) +"21 g22( 2g12,1 - g11,2),

und da g11 == 1 und g22 > 0 ist, folgt

g12,1 == o. (6.4)

Nun ist aber g12(O, x 2) = 0, weil die Geodätischen c(·, x5) für festes x5 wegen
(ß(0),c'(x 1)) = (v(x 1),C'(x 1)) = 0 die Kurve c(0,x 2) = c(x 2) senkrecht
schneiden. Daher ist wegen (6.4)

g12 == O.
Damit ist auch (iii) bewiesen, und (ii) ergibt sich direkt aus unserer Kon-
struktion.
Ist umgekehrt g11 == 1, g12 == 0, so ist r'A = rl1 = 0, und daher ist (6.3)
erfüllt, so daß die Kurven x 2 == const. geodätisch sind, und (iv) folgt.
Ist c(x 2) = c(O, x 2) nach der Bogenlänge parametrisiert, so ist

g22(0, x 2) == 1,
und daher auch g22,2(0, x 2) == O. Ist c(x 2) geodätisch, so gilt noch für Xl =0
a 2x k ax i ax j
--+Erk.--=o k=1,2,
(ax )2 i,j » ax 2 ax 2
2

und mit der schon vorhandenen Information folgt leicht, daß für xl = 0
sämtliche Christoffelsymbole verschwinden. 0

Es sei nun wieder auf U C ]R2 eine Riemannsche Metrik gegeben, Zo E U.


Wir wählen eine orthonormale Basis VI, V2 von T zo U, also

(Vi,Vj) = Dij' (6.5)


Ferner schreiben wir x = (Xl, x 2 ) E ]R2 in Polarkoordinaten, also

Xl = rcoscp,x 2 = rsincp.

Für jedes cp E (0,271') betrachten wir die Geodätische "( : [0, ro) --+ U mit

"((0) = Zo, "(' (0) = COS CPV1 + sin CPV2. (6.6)

Weil [0,271') kompakt ist, kann ro > 0 hier unabhängig von cp gewählt werden.
Weil "((r) von cp abhängt, schreiben wir wieder c(r, cp) statt "((r).
Wir schreiben auch c(r,cp) = c(x 1,x2) mit Xl = rcoscp,x 2 = rsincp.
Es ist
126 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

o _ I 2 oe or oe o<p
OxI e(x ,x ) = or oxI + o<p oxI
oe Xl oe x 2
or r - o<pr2 '
zunächst für r > o. Nun ist aber
oe(r,<p) _ oe(O,<p) o2e(0,<p) ( )
o<p - o<p + o<por r+o r,

und weil g~ (0, <p) = 0 ist, folgt, daß c auch für r = 0 stetig nach xl und
ebenso nach x 2 differenzierbar ist. Es ist nach (6.6)
o2e(0, <p) .
o<por = - sm <PVI + COS <PV2,
und somit
o (0 ) <px I sin <px I sin <px2 cos <px2
+ +
COS
~ I e ,<p = VI V2 VI - V2
uX r r r r
= VI

und ebenso
o
ox2e(0,<p) = V2·

Daher wird nach dem Satz über die Umkehrfunktion eine Umgebung von
(0,0) in ]R2 durch (Xl, x 2) f-+ c(x I , x 2) bijektiv auf eine Umgebung von Zo
abgebildet, und bezüglich der Basis VI, V2 ist die Funktionalmatrix im Punkte
(0,0) die Einheitsmatrix.

Definition 6.2 (r, <p), wie vorstehend konstruiert, wobei r der Einschränkung
0$ r $ ro unterworfen und ro so bestimmt ist, daß die Abbildung
(Xl, x 2) f-+ c(xI, x 2)

für Xl = r cos <p, x 2 = r sin <p, 0 $ r $ ro, <p E [0,271"], injektiv ist,
heißen geodätische Polarkoordinaten oder lliemannsche Normalkoordinaten
im Punkte zoo Die Kurven
r = const. heißen geodätische Kreise um zoo

Bemerkung. Wie bei ebenen Polarkoordinaten ist auch hier die Abbildung
(r, <p) f-+ e(r, <p),

o$ r $ ro, <p E [0,271"1, nicht bijektiv.

Satz 6.2 E sei eine Fläche mit Riemannseher Metrik. Zu jedem Zo E E


gibt es dann eine Umgebung U, in der geodätische Polarkoordinaten (r, <p)
existieren. Die Metrik in Polarkoordinaten hat die Gestalt
6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten 127

ds 2 = dr 2 + G(r, cp)dcp2 (6.7)

mit G(r,cp) > 0 für r > 0, G(O,cp) = O. Insbesondere sind die radialen
Geodätischen cp = const. senkrecht zu den geodätischen Kreisen r = const.

Beweis. Die lokale Existenz geodätischer Polarkoordinaten haben wir ge-


rade bewiesen. Wir benutzen die Abkürzungen

Dann ist

(6.8)

wobei xl = r cos cp, x 2 = r sin cp wie vorher.


Zunächst ist wegen ~~ = ~~ = 0 für r = 0
9<p<p(0, cp) = 0 (6.9)
gr<p(O, cp) = O. (6.10)

Weiterhin sind nach Konstruktion die Kurven cp = const. nach der Bo-
genlänge parametrisierte Geodätische. Hieraus folgt

9rr == 1 (6.11)

und aus der geodätischen Gleichung für die Komponente cp (~ = 0)


_ 1 <pr 1 <P<P(2 )
O-"2 g grr,r + "29 gr<p,r - 9rr,<p ,

also mit (6.11)

g<P<P 9r<p,r = O.

Hierbei ist g<P<P = Yrr 2


9 rr 9<p<p-9r <p
i= 0 (für r > 0 ist (r, cp) I--> (xl, x 2 ) lokal
diffeomorph, und daher ist für r > 0, grrg<p<p - g;'<P i= 0), also gr<p,r == 0 für
r > 0 und damit auch für r = 0, und daher folgt mit (6.10)
9r<p == O. (6.12)

Dies impliziert die letzte Behauptung des Satzes.


Daß 9<p<p für r > 0 positiv ist, folgt, wie schon erwähnt, aus der lokalen
Diffeomorphie von (r, cp) I--> (xl, x 2 ) für r > O. Also haben die Koeffizienten
in (6.8) die behauptete Gestalt. 0

Korollar 6.1 Für r > 0 sind geodätische Polarkoordinaten auf einem


geodätischen Kreis basierende geodätische Parallelkoordinaten.
128 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Beweis. Dies folgt aus Satz 6.2 und Satz 6.1 (iv). o
Wir wollen noch weitere nützliche Formeln für Normalkoordinaten herlei-
ten:

Lemma 6.1 Wie in Satz 6.2 seien (r, cp) geodätische Polarkoodinaten in ei-
ner Umgebung eines Punktes Zo E E.
Wir setzen
Xl = rcoscp,x 2 = rsincp
und schreiben die Metrik in diesen Koordinaten als
ds 2 = g11(dx 1)2 + 2g12dx1dx2 + g22(dx 2)2.
Dann gilt für r = 0
g11 = 1 = g22,g12 = 0 (6.13)

aaX gij = 0
U
für alle i,j,k = 1,2. (6.14)
(Man vgl. die entsprechenden Aussagen im Satz 3.1.)

Beweis. Wir vergleichen die Darstellungen der Metrik in den Koordinaten


(r,cp) und (x 1,x2), also
dr 2 + Gdcp2 = g11(dx 1)2 + 2g12dx1dx2 + g22(dx 2)2. (6.15)
Wegen
1dx 1 + x 2dx 2 1 2 2 1
dr =x r
x dx - x dx
, dcp = ----::---
r2
erhalten wir durch Koeffizientenvergleich in (6.15)
(X 1)2 G G
g11 = - 2 - + 4'(x 2)2 = cos 2 cp + 2' sin2 cp (6.16a)
r r r
(X 2)2 G G
g22 = - 2 - + 4'(X 1)2 = sin2 cp + 2' cos2 cp (6.16b)
r r r
g12 = coscpsincp(2 - g11 - 922)' (6.16c)
Es folgt
cos 2 CP(g11 - 1) = sin2 CP(g22 - 1) (6.17)
sowie
(6.18)
eine Formel, welche wir weiter unten noch verwenden werden (im Beweis von
Satz 6.5).
Setzen wir in (6.16a) cp = 0 und in (6.16b) cp = 71', so folgt für r = 0
g11 = 1 = 922
6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten 129

und aus (6.16c)

g12 = O.
Leiten wir (6.17) an der Stelle r = 0 nach r ab, so folgt
cos 2 cp(g11,l cos cp + g11,2 sin cp)
= sin2 cp(g22,1 cos cp + g22,2 sin cp),
woraus man zunächst durch Einsetzen von cp = 0 bzw. ~ für r =0
g11,l = 0 = g22,2
und dann

cos CPg11,2 = sin CPg22,1


und hieraus dann

g11,2 = 0 = g22,1
gewinnt. Ableiten von (6.16c) nach r liefert dann auch an der Stelle r = 0

g12,1 = 0 = g12,2. 0

Wir wollen uns jetzt mit der Frage auseinandersetzen, wann geodätische
Linien kürzeste Verbindungen ihrer Endpunkte sind, und umgekehrt auch
nachweisen, daß kürzeste Verbindungen immer geodätisch sind.

Satz 6.3 Auf V = {(xl, x 2) : 6 S Xl S 6,1]1 S x 2 S 1]2} C ]R2 sei eine Rie-
mannsche Metrik in geodätischen Parallelkoordinaten wie in Satz 6.1 gegeben.
Dann ist jede Geodätische x 2 = const. eindeutige kürzeste Verbindung ih-
rer Endpunkte unter allen ganz in V enthaltenen Kurven mit den gleichen
Endpunkten.

In Formeln ausgedrückt bedeutet dies:


Wir betrachten die Geodätische

"{(t) = {(t,x~),a S t S b} für x~ = const., 6 S a < b S 6·


Ist dann

i(t), t 1 S t S t2 .
eine in V enthaltene Kurve mit i(t1) = (a, x~), i(t2) = (b, x~), so ist
L(i) ~ L(,,{),

und die Ungleichung strikt, falls das Bild von i nicht mit demjenigen von "{
übereinstimmt.
130 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Beweis.

L(i) = 7{(d~I)2
tl
+ 922(i(t))(~:)2 } ! dt wegen g11 == 1, g12 == 0

J
t2

~ I~lldt ~ X 1(t2) - x 1(tt} = b - a = L(-y).


tl

Hierbei ist die erste Ungleichung für i[tb t2] # 'Y[a, b] strikt. o
Bemerkung. Nach Weierstraß sagt man auch, daß die Geodätischen x 2 =
const. ein Feld von Geodätischen bilden. Für den Beweis von Satz 6.3 ist
entscheidend, daß jede der Geodätischen x 2 = const. in ein solches Feld
eingebettet ist. Der Satz bleibt nicht richtig, wenn die Geodätische nicht in ein
Feld eingebettet werden kann (Beispiel: Großkreis bögen auf der 8 2 , die länger
als ein Halbkreis sind) oder wenn man zum Vergleich auch Kurven zuläßt,
die das Feld verlassen (Beispiel: Jeder echte Teilbogen eines Meridiankreises
auf einem Kreiszylinder läßt sich in ein Feld paralleler geodätischer Bögen
einbetten. Ist er jedoch länger als ein Halbkreis, so ist er wiederum nicht
kürzeste Verbindung seiner Endpunkte).

Ebenso beweisen wir

Satz 6.4 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik. AufÜ = {(r,'P) : 0:::;
r:::; ro,
0:::; 'P :::; 211"}, einem Teil des Bildes einer Kartenabbildung, sei die Riemann-
sche Metrik in geodätischen Polarkoordinaten gegeben.
Dann ist jede radiale Geodätische 'Y(r) = {(r, 'Po), 0 :::; r :::; ro} ('Po =
const.) eindeutige kürzeste Verbindung zwischen je zwei auf ihr liegenden
Punkten im Vergleich zu allen Kurven in E.

Die Aussage von Satz 6.4 ist insofern erheblich stärker als diejenige von
Satz 6.3, als nun zum Vergleich sämtliche Kurven in E und nicht nur die
ganz in Ü verlaufenden zugelassen sind.

Beweis. Es reicht z.z., daß 'Y kürzeste Verbindung zwischen dem Ursprung
r = 0 und dem Punkt (ro, 'Po) ist, denn gäbe es zwischen irgendzwei Punkten
(rb 'Po), (r2, 'Po),
rl < r2 :::; ro eine kürzere Verbindung i, so auch zwischen diesen beiden
Endpunkten, nämlich die Vereinigung von 'Yl[o,rl],i und 'Yl[r 2,ro]. _
Wir zeigen zunächst die Kürzesteneigenschaft im Vergleich zu ganz in U
verlaufenden Kurven i(t), i(tl) = (0, 'Po), i(t2) = (ro, 'Po), tl :::; t :::; t2,
i(t) = (r(t), 'P(t)).
Wie im Beweis von Satz 6.3 ist dann
6.1 Geodätische Parallel- und Polarkoordinaten 131

mit strikter erster Ungleichung, falls das Bild von i von demjenigen von "(
verschieden ist.
Nun sei i(t), tl :::; t :::; t2, eine beliebige Kurve in E mit Endpunkten
i(tl) = (O,CPo) und i(t2) = (ro,cpo). Dann existiert ein kleinstes to E (tl,t2]

°: :;
mit i(to) E ßU = {(ro, cp),
cp :::; 271"}. Es sei i(to) = (ro, cpd.
Die Kurve il[tl,tO] verläuft dann ganz in U, und nach dem schon Bewiese-
nen wissen wir
L(il[ft,to]) ~ ro,
denn die rechte Seite ist die Länge der radialen Geodätischen von (0, CPI) =
i(tl) nach (ro, CPI) = i(to)· Die Ungleichung ist strikt, falls to < t2, also falls
i das Innere von U verläßt, oder falls i nicht das gleiche Bild wie eine radiale
Geodätische hat. D

Die Argumente in den Beweisen der Sätze 6.3 und 6.4 bleiben für alle
Kurven i gültig, für die in der Riemannschen Metrik (gij)

L(i) = j (Ei,j gi '(i(t))~~


t2

J
d-i d-
dt dt
j
)!dt
tl
existiert, also z.B. für stückweise stetig differenzierbare Kurven. Unter sol-
chen Kurven sind also die Geodätischen lokal die Kürzesten, denn man kann
nach Satz 6.2 jeden Punkt aus E als Zentrum geodätischer Polarkoordinaten
wählen, z.B. einen der Endpunkte einer betrachteten Kurve.
Wir treffen nun die folgende

Definition 6.3 E sei Fläche mit Riemannscher Metrik. Eine Kurve "(
[a, b] -+ Eheißt rektifizierbar, falls
Lb) = sup Lb, Z) < 00,
z
wobei das Supremum über alle Zerlegungen Z von [a, b], gegeben durch to =
a < t l < ... < tk = b (k E N), mit der Eigenschaft, daß für jedes i E {I, ... k}
"((ti) im Bild geodätischer Polarkoordinaten mit Zentrum "((ti-I) enthalten
ist, gebildet wird, und wobei L( ,,(, Z) die Summe der Längen der radialen
Geodätischen in Polarkoordinaten mit Zentrum "((ti-I) von "((ti-I) nach "((ti)
ist.

Die Definition ist also ganz analog zur Definition der Rektifizierbar-
keit einer Kurve im ]Rd; es werden nur Geradenstücke im ]Rd durch kurze
Geodätische auf E ersetzt.
132 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Korollar 6.2 Eine rektijizierbare Kurve, : [a, b] - E, die kürzeste Verbin-


dung ihrer Endpunkte ist, ist geodätisch.

Beweis. Weil die Aussage von Satz 6.4 für stückweise geodätische Kurven
gilt, überträgt sie sich durch einen Grenzübergang auch auf rektifizierbare
Kurven. Es folgt, daß alle genügend kleinen Teilstücke von, geodätisch sind.
Wegen der Kompaktheit von [a, b] existiert nämlich ein von to E [a, b] un-
abhängiges e > 0 mit der Eigenschaft, daß für
Tl = max(a, to - e) und T2 = min(b, to + e)
,(T2) im Bilde geodätischer Polarkoordinaten mit Zentrum ,(Tl) liegt. Nach
Satz 6.4 ist dann der Abschnitt '1[7"1,7"2]' welcher ,(to) enthält, geodätisch. Da
dies für jedes to E [a, b] gilt, muß , selbst geodätisch sein. 0

Definition 6.4 E sei eine zusammenhängende Fläche mit Riemannscher Me-


trik, Zlo Z2 E E.
Wir definieren den Abstand von Zl und Z2 durch
d(Zlo Z2) := inf{ L(r) :, : [a, b]- E,
,(a) = Zlo ,(b) = Z2, , rektifizierbar}

Bemerkung. Nach Satz 6.4 realisieren radiale Geodätische in Polarkoordi-


naten den Abstand ihrer Endpunkte. Da jedes genügend kleine Stück einer
Geodätischen als Teil einer radialen Geodätischen in Polarkoordinaten auf-
tritt, realisieren insbesondere genügend kleine Stücke von Geodätischen den
Abstand ihrer Endpunkte.

6.2 Die Gaußkrümmung in geodätischen Koordinaten.


Biegungsinvariante Deutung

Wir berechnen nun die Krümmung in geodätischen Parallelkoordinaten.

Lemma 6.2 Auf U C ]R2 sei die Metrik in geodätischen Parallelkoordinaten


gegeben, also ds 2 = (dx l )2 + g(dx 2)2. Dann ist
1 82
K = - .,;g (8x l )2 .,;g (6.19)

Beweis. Für die Christoffelsymbole in geodätischen Parallelkoordinaten gilt


r 11l -- r 112 -- r 12-
l - 0

r. l 1 r 2 1 g,l r. 2 1 g,2
22 = -'2 g
,b 12 = 2g' 22 = 2g· (6.20)
6.2 Die Gaußkrümmung in geodätischen Koordinaten 133

Folglich ist nach Def. 5.8

K = (r;l2 , - r;2 r il)


, - r;2l
8 2 8 1 82
= - (8xl)2Iogvg - (8xllogvg)2 = - vg (8x l )2vg.D

Korollar 6.3 In geodätischen Polarkoordinaten, also mit Metrik


ds 2 = dr2 + Gd<p2

ist

(6.21)

Beweis. Dies folgt aus Lemma 6.2 und Korollar 6.1. o


Satz 6.5 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik der Klasse C 3 , Zo E E.
Für genügend kleines r > 0 sei f(r) die Länge des geodätischen Kreises
um Zo mit Radius r, a(r) der Flächeninhalt der geodätischen Kreisscheibe
B(zo,r) := {z E E: d(zo,z) ~ r} (B(zo,r) ist in geodätischen Polarkoordi-
naten durch {O ~ P ~ r, 0 ~ <p ~ 21l} gegeben, vgl. die Bem. nach Def 6.4).
Dann ist
K(zo) = ~ !im 211"r - f(r) = 12 lim 1I"r2 - a(r) . (6.22)
11" r--+O r3 11" r--+O r4

Beweis. Wir schreiben in Polarkoordinaten um zo


ds 2 = dr 2 + Gd<p2
= gn(dx l )2 + 2g l2 dx l dx 2 + g22(dx2)2
mit xl = r cos <p, x 2 = r sin <p.
Nach (6.18) gilt

G = r 2(gn + g22 - 1).


Mittels der Formeln aus Lemma 6.1 folgt an der Stelle r = 0

v'G(O, <p) = °
ar8 v'G(O,<p) = 1
82
8r 2v'G(O, <p) = O.
134 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Nun folgt aus (6.21)

a2
ar2 v'G = -Kv'G,
und daher existiert ~.jG für r = 0, und

r3
v'G = r - K(zohi + o(r3 ).
Nun folgt leicht

J
271"
r;::; 1l'K(zo)r3 3
i(r) = vGdcp = 27rr - 3 + o(r )
o
und

J
r
2 7rK(zo)r 4 4
a(r) = i(r)dr = 7rr = 12 + o(r )
o
und hieraus die Behauptung. D

Damit haben wir eine sog. biegungsinvariante und koordinateninvariante


Deutung von K gefunden, denn die Grenzwerte in (6.22) bleiben unter Iso-
metrien und Koordinatenwechseln invariant.

6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel

"( : [a, b] -+ E sei eine stückweise glatte, reguläre, geschlossene Kurve, also
"((a) = "((b). Wir unterteilen [a, b] durch

derart, daß "(I [aj, bj ] für j = 1, ... k glatt ist. Der Außenwinkel Bj im Punkte
"((bj) = "((aj+l) ist der orientierte Winkel zwischen -y(bj ) und -y(aj+l), ge-
messen in (-7r, 7r].
Wir kommen zur lokalen Fassung des Satzes von Gauß-Bonnet:

Satz 6.6 E sei eine Fläche mit Riemannscher Metrik (gij) und Krümmung
K, 1jJ : P -+ E sei ein DijJeomorphismus eines ebenen Polygons P nach E.
In P sei dann die Metrik durch (gij) dargestellt.
Bj,j = 1, ... k, seien die Außenwinkel und "'g die geodätische Krümmung
der positiv durchlaufenen Randkurve apo Dann gilt
6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel 135

J P
Kdet(gij)!dx l dx 2 + J
8P
K,g(t)dt+fBj =211".

Zur Vorbereitung des Beweises betrachten wir zunächst eine Kurve ')'(t)
in U, wobei in U geodätische Parallelkoordinaten (xl,x 2 ) gegeben seien, also

(6.23)

= (')'l(t), ')'2 (t)) sei nach der Bogenlänge parametrisiert, also (1',1')
')'(t) = 1.
Dann existiert eine Funktion cp( t) mit
. 8 sincp(t) 8
')'(t) = coscp(t) 8x l + y'g 8x 2 .
Ein hierzu senkrechter Einheitsvektor ist durch
. 8 coscp(t) 8
v(t) = - sm cp(t) 8x l + y'g 8x 2

gegeben.

Lemma 6.3 Es gilt für die geodätische K r'Ümmung von ')'

(6.24)

Beweis. Es ist

K,g(t) = er l +E
k,e
r~e1'k1'e)(-sincp)

+ (')'.. 2 + E r2 ·k .e)coscp
ke')' ')' In 9
k,e yg

unter Benutzung von (6.23).


Nun ist in geodätischen Parallelkoordinaten nach (6.20)

rl1 = r'A = rl2 = 0,


1 1 2 1 g,1 2 1 g,2
r22 = -2 g ,l,r12 = 2g,r22 = 2g·
Außerdem ist natürlich 1'1 = COS cp, 1'2 = s~.
136 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Daher wird
• 2
K, = sm • 1 sin2 <p ( . )
<p<p - -g 1 - - - sm<p
9 2' g
2 1 (g,l cos<p + g,2,j9

sin'f)
. cos <p
+cos <P<P-2" (/9)3 sm<p /9g
1 g,l sin<p cos <p
+2· --cos<p----g
2g /9/9
1 g,2 sin 2 <p cos <p
+2"g-g- /9 g
. 1 g,l .
=<p+--sm<p
2 g
. 8 r;;.2
= <p + 8x 1 yg"f D

Wir beginnen nun mit dem


Beweis von Satz 6.6: Zur Vereinfachung der Notation werden wir beim
Integral über K die Flächenform det(gij)! dx 1dx 2 häufig weglassen. Zunächst
behandeln wir den Fall, wo wir auf ganz P geodätische Parallelkoordinaten

1 1
einführen können. Es ist dann
K det(gij )! dx 1dx 2 = K ygdx 1dx 2
P P
in der Notation von (6.23), also ds 2 = (dX 1 )2 + g(dX 2)2

= - 1 82
(8x 1 )2 fgdx dx
12 (
nach 6.19)

18=1
P

=- fgdx 2 . (6.25)
8P
Wir durchlaufen 8P in positivem Sinne mit einer Bogenlängenparametri-
sierung "f(t) also (1',1') == 1. Dann erhalten wir aus (6.24) und (6.25)

1 P
K det(gij)! dx 1 dx 2 = 1
8P
cp(t)dt - 1
8P
K,g(t)dt, (6.26)

wobei cp(t) und K,g(t) stückweise stetig sind und an den Ecken von 8P Sprung-
steIlen haben. Wir unterteilen das Definitionsintervall von "f in Teilintervalle
[aj, bj ] mit bj = aj+l,j = 1, ... k - 1, derart, daß 'Yl[aj,bj] für j = 1, ... keine
reguläre glatte Kurve ist. Es ist also

1 f 1cp(t)dt.
bj

cp(t)dt =
8P aj
6.3 Die lokale Gauß-Bonnet-Formel 137

Die Sprünge cp(bj ) - cp(aHI) unterscheiden sich dann von den nega-
tiven Außenwinkeln (-Oj) jeweils um ein ganzzahliges Vielfaches von 21l'
(j = 1, .. . k).
Also ist

J
bj

1; cp(t)dt + EO j = ~(cp(bj) - cp(aj)) + EO j =: 21l'm (6.27)


3 3
aj

ein ganzzahliges Vielfaches von 21l'.


Wir zerlegen nun das Polygon P in Dreiecke, wobei die Dreiecke so klein
sind, daß jede Seite eines Dreiecks sich als Graph über der geodätischen Ver-
bindung ihrer Endpunkte darstellen läßt. Hierbei können wir einen der End-
punkte als Zentrum geodätischer Polarkoordinaten wählen und dann die ra-
diale Geodätische zu dem zweiten Eckpunkt nehmen. Außerdem möge diese
Geodätische die anderen Seiten nicht schneiden. Wir können dann das ur-
sprüngliche Dreieck stetig in dasjenige deformieren, dessen drei Seiten diese
geodätischen Verbindungen der Eckpunkte sind. Der entsprechende Ausdruck
für jedes der Dreiecke, (cp und 0 sind nun die betreffenden Ausdrücke für die
einzelnen Dreiecke),
3 3
21l'm = .E (cp(bj ) - cp(aj)) + .E Bj
3=1 3=1

bleibt einerseits während der Deformation stetig, und da andererseits mEZ


ist, kann er sich während der Deformation nicht ändern.
Es ist aber leicht zu sehen, daß für ein solches geodätisches Dreieck L1
3 3
E (cp(bj) - cp(aj))
j=1
+ j=1
E Bj = 21l'

ist. Beispielsweise kann man hierzu die Familie von Metriken


ds~ = dr 2 + 9rdcp2

in Polarkoordinaten mit Zentrum in einem der Eckpunkte betrachten, wobei


9r = 1'9 + (1 - 1') > 0 für 0 ~ l' ~ 1
ist.Für l' = 0 handelt es sich um die euklidische Metrik, für l' = 1 um unsere
ursprüngliche Metrik. Wiederum ist 21l'm stetig in l' und ganzzahlig und daher
konstant. Für l' = 0 ist aber aus der euklidischen Geometrie klar, daß m = 1
ist.
Also haben wir gezeigt, daß für jedes der Dreiecke, in die wir P zerlegt
haben,

(6.28)

ist.
138 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

Insbesondere zeigt das Argument auch, daß die Beh. von Satz 6.6 für jedes
derartige Dreieck richtig ist ((6.26) - (6.28)).
Ein beliebiges Polygon P, welches nun nicht mehr unbedingt ganz in einem
System geodätischer Parallelkoordinaten enthalten sein muß, kann nun immer
in Dreiecke L1 v , v = 1, ... I, der oben beschriebenen Art zerlegt werden. Die
Anzahl der Dreiecke ist also I. Ebenso sei e die Anzahl der Eckpunkte und
k die Gesamtzahl der Kanten in dieser Zerlegung. Es ist dann

e-k+I=1. (6.29)

Dies folgt leicht induktiv, denn es gilt für ein einzelnes Dreieck und das Hin-
zufügen eines Dreiecks erhöht e und 1 um 1 und k um 2 oder läßt e gleich
und erhöht kund 1 um 1, ändert also die Wechselsumme e - k + 1 nicht. Für
jedes Dreieck gilt nun, wenn wir für die Außenwinkel

setzen,

(6.30)

Wir summieren nun (6.30) über v. Auf der linken Seite erhalten wir dann

J J
P
K+
8P
Kg ,

weil alle inneren Kanten zweimal, und zwar mit entgegengesetzter Orientie-
rung durchlaufen werden, und sich daher die entsprechenden Integrale über
K g gegenseitig wegheben. Auf der rechten Seite erhalten wir

f
E (271" + J;(aj" - 71"))
v=l 3"

=271"1 + Eaj + 271"e' - 271"k' + E(-7I")


j j

Hierbei ist e' die Anzahl der inneren Ecken, k' diejenige der inneren Kanten,
und die Summen erstrecken sich über die äußeren Ecken von P, und aj :=
71" - (}j, wobei (}j die Außenwinkel sind. Nun ist e' - k' = e - k, weil die
Anzahl der äußeren Ecken gleich derjenigen der äußeren Kanten ist, und
daher erhalten wir auf der rechten Seite

271"(/ - k + e) + l;(aj -71") = 271" - E(}j. D


3

Verwendet man statt der Außenwinkel die Innenwinkel aj = 7I"-(}j, so schreibt


sich die Gauß-Bonnet-Formel als
6.4 Die Gauß-Bonnet-Formel 139

J K +J "'g = Eaj + (2 - e)1I", wobei e wiederum die Eckenzahl


P 8P
= Eaj + (2 - k)1I", wobei k die Kantenzahl ist. (6.31)
Die nächste Aussage bezeichnete Gauß als Theorema elegantissimum:

Korollar 6.4 Wenn alle Kanten des Polygons P geodätisch sind, so ist

J K = Eaj + (2 - k)1I",
P

wobei aj wiederum die Innenwinkel sind und k die Anzahl der Kanten (=
Anzahl der Ecken) ist. Speziell gilt für ein geodätisches Dreieck

.t a '=1I"+JK
j=l 3
P

Die Winkelsumme in einem geodätischen Dreieck hängt also von der


Krümmung K ab. Ist K> 0« 0), so ist die Winkelsumme > 11"«11").

6.4 Die Klassifikation kompakter orientierbarer


Flächen. Die Gauß-Bonnet-Formel

Wir wenden uns nun globalen Aspekten zu und treffen zunächst die folgende

Definition 6.5 Eine differenzierbare Fläche M heißt orientierbar, falls M


einen Atlas hat, für den sämtliche Übergangsabbildungen (Kartenwechsel)
positive Funktionaldeterminanten hat. M heißt orientiert, wenn ein derartiger
Atlas als positiv ausgezeichnet ist.

Bei einer orientierbaren Fläche läßt sich konsistent festsetzen, wann eine
Basis Vl, V2 eines Tangentialraumes positiv orientiert ist. Man bezeichnet sie
nämlich als positiv orientiert, wenn sie die gleiche Orientierung wie die Ko-
ordinatenbasis -/xr,
~ haben. Weil sämtliche Übergangsabbildungen posi-
tive Funktionaldeterminante haben, ist diese Eigenschaft unabhängig von
der Wahl der Karte. Ebenso kann man dann konsistent bestimmen, wann die
Randkurve einer Teilmenge n positiv, also derart durchlaufen wird, daß. n
immer links liegt. Eine solche Festlegung war in der Gauß-Bonnet-Formel für
die Bestimmung des Vorzeichens von "'g und auch für die Orientierung der
Winkel erforderlich.

Definition 6.6 Eine Polygonzerlegung einer differenzierbaren orientierten


kompakten Fläche M ist eine endliche Familie {<Pv : Pv --+ M}, v = 1, ... J,
140 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

von orientierungserhaltenden Diffeomorphismen von ebenen Polygonen PlI


nach M mit den Eigenschaften, daß

und daß der Durchschnitt der Bilder zweier verschiedener Polygone <P(P"l)
und <P(P"2) entweder leer ist oder aus einem gemeinsamen Eckpunkt oder aus
einer gemeinsamen Kante besteht.

Der Leser möge sich selbst davon überzeugen, daß jede differenzierbare,
orientierte, kompakte Fläche eine solche Polygonzerlegung besitzt.

Definition 6.7 Eine Polygonzerlegung, bei der alle Polygone Dreiecke sind,
heißt Triangulierung.

Die vorstehende Bemerkung besagt dann, daß jede differenzierbare, ori-


entierte kompakte Fläche triangulierbar ist.
Es stellt sich nun heraus, daß man mit Hilfe von Triangulierungen die
verschiedenen topologischen Typen differenzierbarer, orientierter, kompak-
ter Flächen leicht klassifizieren kann. Zu diesem Zweck gehen wir von einer
Triangulierung {<PlI : L1" - M}, wobei die L1", v = 1, ... J, Dreiecke sind,
aus. Wir bilden <p(L1 1 ) diffeomorph auf ein euklidisches Dreieck D 1 ab. Nach
eventueller Umnumerierung hat <p(L12 ) eine Seite mit <p(L1 1 ) gemein, und
wir bilden dann <p(L12) auf ein euklidisches Dreieck D2 ab, das mit Dl eine
Seite gemein hat. Wir können dies so gestalten, daß D 1 U D 2 ein Quadrat ist.
Das nächste Dreieck <p(L13 ) habe nun (nach eventueller Umnumerierung) eine
gemeinsame Kante mit <p(L1I) oder <p(L12 ). Wir bilden es dann auf ein eukli-
disches Dreieck D3 ab, welches mit D 1 bzw. D 2 eine gemeinsame Kante hat.
Indem wir die Gestalt von Dl U D2 geeignet ändern, können wir erreichen,
daß Dl U D2 U D3 ein reguläres Fünfeck bilden. Wir iterieren diesen Prozeß,
wobei wir es immer so einrichten, daß jedes neue Dreieck D" mit genau einem
der vorhergehenden eine gemeinsame Kante hat und sonst zu ihnen sämtlich
disjunkt ist. Wir erhalten so ein reguläres ebenes Polygon II. Die Orientie-
rungen der einzelnen Dreiecke <p(L1,,) induzieren dann eine Orientierung von
ßII, die wir als positiv bezeichnen. Punkte in ßII, die dem gleichen Punkt in
M entsprechen, werden als äquivalent bezeichnet.
II hat J + 2 Seiten, wobei J die Anzahl der Dreiecke in der Triangulie-
rung war. Da jede Seite zu genau zwei Dreiecken der Triangulierung gehört,
entsprechen jeweils genau zwei Seiten von II der gleichen Kante der Triangu-
lierung. Es sei a eine Seite von II. Der Anfangspunkt heiß P, der Endpunkt
Q. Hierbei können wir durch die Orientierung den Anfangs- vom Endpunkt
unterscheiden. Die zu a äquivalente Seite hat dann den Anfangspunkt Q und
den Endpunkt P (wobei wir dem gleichen Punkt in M entsprechende Punkte
in ßII mit dem gleichen Namen bezeichnen), denn die entsprechende Kante
der Triangulierung erhält von den beiden Dreiecken, in deren Rand sie liegt,
6.4 Die Gauß-Bonnet-Formel 141

entgegengesetzte Orientierungen. Wir bezeichnen daher diese Seite mit a -1,


weil sie auf M in umgekehrter Richtung wie a durchlaufen wird.
Mit dieser Konvention geben wir nun den Seiten von II Namen a, b, c, .. . ,
a- 1 , b- 1 , c- 1 , ••• . Das Symbol von II entsteht dann, indem wir diese Buch-
staben in der Reihenfolge schreiben, in der die mit ihnen bezeichneten Seiten
in 8II durchlaufen werden.

Beispiel.

Zerlegt man II durch eine Verbindungslinie zwischen zwei Ecken in zwei


Teilpolygone IIl, II2 , und werden II1 und II2 dann entlang von Kanten a
und a -1, also Kanten, die der gleichen Kante in M entsprechen, derart iden-
tifiziert, daß auf M dem gleichen Punkt entsprechende Punkte miteinander
identifiziert werden, so erhalten wir ein neues Polygon II', welches ebenfalls
ein Modell fürM ist.
Wir führen nun eine Reihe derartiger Prozesse durch, um das Symbol von
II in eine möglichst einfache Gestalt, die sog. Normalform, zu bringen.

1. Schritt: Tritt in dem Symbol die Folge aa- 1 auf, außerdem aber
noch weitere Buchstaben, so werden die Seiten a und a- 1 identifiziert oder
"beigezogen ". Man erhält ein neues Polygon, aus dessen Symbol die Folge
aa- 1 gestrichen ist. Dies wiederholt man so lange, bis es entweder keine Folge
der Form aa- 1 mehr gibt oder bis nur noch zwei Seiten übrigbleiben, die dann
eine Folge aa- 1 bilden. Im letzteren Fall liegt schon eine Normalform vor, und
wir hören auf.

2. Schritt: Wir bezeichnen äquivalente Polygonecken mit dem gleichen


Buchstaben und wollen II in ein solches Polygon überführen, daß sämtliche
Ecken zueinander äquivalent sind. Es sei P eine ÄQuivalenzklasse von Ecken,
Q eine andere. Wir geben nun eine Umformung von II an, die die Zahl der
P-Ecken um eins erhöht. Diese Umformung wird dann so oft wiederholt bis
142 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

alle Ecken zur Äquivalenzklasse P gehören. Es sei a eine Seite, die eine Ecke
aus P und eine Ecke einer anderen Klasse Q enthält. In der Q-Ecke schließt
dann eine Seite b an a an, die Klasse der anderen Ecke sei R (R kann
= P oder Q sein). Nach dem 1. Schritt ist b =f. a- 1 . Wir verbinden nun die
P-Ecke von a mit der R-Ecke von b durch eine Diagonale, c genannt. Wir
erhalten ein Dreieck A mit Seiten a, b, c. Dieses Dreieck wird längs c von II
abgeschnitten und dann mit der Seite b an die Seite b- 1 von II angeklebt.
Wir erhalten so ein neues Modell II' unserer Fläche. Während Lllängs einer
Seite mit Ecken P und R an dem Rest von II befestigt und die Ecke Q frei
war, ist Ll nur längs einer Seite mit Ecken Q und R an dem Rest von II'
befestigt, während eine P-Ecke frei ist.Daher hat II', wie gewünscht, eine
P-Ecke mehr und eine Q-Ecke weniger als II.
Wir können also von jetzt an annehmen, daß alle Ecken von II äquivalent
sind.

1. Schritt
Q

:(V\
a P P
E
b P
~

2. Schritt
Q P c R
7
P~R \ c /
\ \
\
,/
/

\ /
/
,
I
\
\ b- 1 I
Q R

3. Schritt: Ein Seitenpaar a, b heißt gekreuzt, wenn a, b, a- 1 , b- 1 in dem


Symbol von II in der Reihenfolge
... a ... b ... a-1 ... b- 1 ...
auftreten. Jede Seite c von II muß nun mit einer anderen Seite gekreuzt sein.
Andernfalls gäbe es nämlich eine Seite c, für die alle Seiten zwischen c und
6.4 Die Gauß-Bonnet-Formel 143

c- 1 ebenfalls mit Seiten, die zwischen c und c- 1 liegen, identifiziert werden.


Es wären dann die Ecken all dieser Seiten zwischen c und c- 1 untereinander
und mit dem Endpunkt von c und dem Anfangspunkt von c- 1 äquivalent,
aber der Anfangspunkt von c kann dann nicht mehr durch eine Seitenzuord-
nung mit diesen Ecken identifiziert werden, was der im 2. Schritt erreichten
Normalisierung widerspricht.
Ein gekreuztes Seitenpaar a, b erlaubt nun die Herstellung einer Folge
cdc- 1d- 1 • Man verbindet den Endpunkt von a mit dem Anfangspunkt von
a- 1 durch eine Diagonale c, zerschneidet II längs c und identifiziert eine mit
a gekreuzte Seite b in dem einen Teil mit der in dem anderen Teil liegenden
Seite b- 1 • Auf diese Weise erhält man schon die Folge aca- 1 . Dann wird
der Endpunkt von c mit dem Anfangspunkt von c- 1 durch eine Diagonale d
verbunden, das Polygon längs d zerschnitten und a und a- 1 werden verklebt.
Dann entsteht die Folge d- 1cdc- 1 wie gewünscht. Bei diesem Prozeß werden
schon bestehende Folgen efe- 1 f- 1 nicht zerstört. Durch Wiederholung dieses
Prozesses läßt sich daher nun die folgende Normalform erreichen.

3. Schritt
b
c c c

a- 1 a a d- 1

/ /
/ /// //
/ /

b- 1 c- 1 c- 1

Satz 6.7 Das Symbol eines eine kompakte, orientierbare, triangulierte Fläche
repräsentierenden Polygons kann durch die vorstehend beschriebenen Umfor-
mungen auf die Form
(i) aa- 1
oder
(';';) al blaI-lb- a2 b2a2-lb-
2 ... a p bpap-lb-
1 1 1
•• 1 p

gebracht werden. Alle Ecken sind im Fall (ii) untereinander äquiva-


lent.
Die Seitenzahl ist also entweder 2 oder ein Vielfaches von 4.

Definition 6.8 Das Geschlecht der kompakten, orientierbaren, triangulier-


ten Fläche M mit obiger Normalform des Symbols ist 0 im Fall (i), P im Falle
(ii).

Definition 6.9 Die Eulercharakteristik einer kompakten, orientierbaren, tri-


angulierten Fläche M vom Geschlecht p(~ 0) ist
144 6. Der Satz von Gauß-Bonnet

X(M) = 2- 2p.

Korollar 6.5 Die 'I'riangulierung einer kompakten, orientierbaren Fläche M


habe 1 Dreiecke, k Kanten und e Ecken. Dann ist

X(M) =I-k+e.

Beweis. Wir haben im Beweis von Satz 6.6, daß für ein trianguliertes Poly-
gon II mit I' Dreiecken, k' Kanten und e' Ecken

I' - k' + e' = 1

ist. Nun sei II das in Normalform gebrachte Polygon zur Triangulierung von
M. Es werden dann im Falle p > 0 sämtliche Ecken miteinander identifiziert,
und außerdem wird jede Kante mit einer anderen identifiziert. Also
1 = I', e = e' bzw. e' - (4p - 1)
k = k' - 1 bzw. k' - 2p.D

Wir erhalten nun den Satz von Gauß-Bonnet:

Satz 6.8 17 sei eine kompakte, orientierte, differenzierbare Fläche mit einer
Riemannschen Metrik (gij) und einer 'I'riangulierung. Dann ist

J
IJ
Kdet(gij)!dx 1dx 2 = 271'X(17) (6.32)

Beweis. Wir bilden wie vorher ein 17 darstellendes Polygon II in Normal-


form. Da alle Ecken zueinander äquivalent sind, ist die Summe der Innenwin-
kel aj dann 271', denn die Vereinigung der Winkelgebiete bildet gerade eine
voll Kreisumgebung des entsprechenden Punktes auf der Fläche. Außerdem
heben sich die Randintegrale in (6.31) paarweise gegenseitig auf, weil auf der
Seite a "'g das umgekehrte Vorzeichen wie auf a- 1 hat. So ergibt (6.31) wegen
k = 4p (p Geschlecht von 17),

J IJ
K = 271' + (2 - k)7I' = 471' - 4p7l' = 271'X(17).D

Wir kommen nun zur abschließenden zentralen Aussage dieses Kapitels:


6.5 Übungsaufgaben 145

Korollar 6.6
(i) Die Eulercharakteristik einer kompakten, differenzierbaren, orientier-
baren Fläche hängt nicht von der gewählten T'riangulierung oder der
Orientierung ab.
(ii) Die Gesamtkrümmung JK einer Fläche E mit Riemannscher Metrik
E
hängt nicht von der gewählten Metrik, sondern nur vom Geschlecht
von E ab.

Beweis. Die linke Seite VOn (6.32) ist von der Triangulierung und Orientie-
rung, die rechte Seite von der Metrik unabhängig. 0

6.5 Übungsaufgaben

6.1: Versuchen Sie, ein gemeinsames Schema für die Beweise der Sätze 4.3
und 6.3 herauszufinden und abstrakt zu formulieren.
6.2:
a: Eine Fläche E mit K ~ 0 kann kein geodätisches Polygon mit nur
zwei Seiten enthalten, also ein Zweieck mit geodätischen Seiten.
b: Verallgemeinern Sie den Beweis der Aussage aus a), um zu zeigen, daß
auf einer Fläche mit Krümmung K ~ 0 zwei verschiedene geodätische
Kurven mit gleichen Endpunkten nicht stetig ineinander überführt
werden können.
6.3: Zeigen Sie, daß man die euklidische Metrik des ]E2 nicht auf einer
beschränkten, offenen Menge n so abändern kann, daß auf n die
Krümmung überall positiv ist, während die Metrik auf ]E2\n fest
bleibt. Genausowenig läßt sich auch negative Krümmung auf n er-
zielen.
Anleitung: Wenden Sie die Gauß-Bonnet-Formel auf eine kompakte
Menge an, welche den Abschluß von n im Innern enthält.
Bibliographie

Die grundlegenden Texte der Differentialgeometrie sind


C.F. Gauß, Disquisitiones generales circa superficies curvas
sowie der Habilitationsvortrag "Über die Hypothesen, welche der Geometrie
zugrundeliegen " von B. Riemann.
Von ersterem existiert eine kommentierte Übersetzung ins Englische, nämlich
P. Dombrowski, '150 Years after Gauss', disquisitiones generales circa
superficies curvas, Asterisque 62, 1979
Riemanns Habilitationsvortrag ist von H. Weyl meisterhaft kommentiert wor-
den, in
H. Weyl, Das Kontinuum und andere Monographien, Chelsea, New York,
21973

An dieser Stelle soll nur noch auf einige Lehrwerke hingewiesen werden,
welche Ergänzungen und Ausblicke zum Stoff dieses Buches bieten. Ein außer-
ordentlich schönes Lehrbuch zur Differentialgeometrie bleibt nach wie vor
[B) W. Blaschke, Vorlesungen über Differentialgeometrie I, Springer,
41945

Wer sich der Mühe unterzieht, sich mit der gelegentlich etwas veralteten und
umständlichen Notation dieses Buches vertraut zu machen, wird mit einem
wesentlichen Gewinn an geometrischer Vorstellungskraft belohnt. Ein völlig
überarbeitete Neuauflage dieses Werkes wurde von Leichtweiß erstellt:
[BL) W. Blaschke, K. Leichtweiß, Elementare Differentialgeometrie, Sprin-
ger, 1973

Das Studium des Originals bleibt trotzdem empfehlenswert. Neuere Einfüh-


rungen in die Differentialgeometrie sind
[K) W. Klingenberg, Eine Vorlesung über Differentialgeometrie, Sprin-
ger, 1973
[0) M. do Carmo, Differentialgeometrie von Kurven und Flächen, Vieweg,
2. Aufl. 1992
148 Bibliographie

[SI M. Spivak, A. Comprehensive Introduction to Differential Geome-


try, Bd. III, Publish or Perish, Berkeley, 2, 1979
Die natürliche Weiterführung der Differentialgeometrie ist die Riemannsche
Geometrie. Interessierte Leser verweise ich auf
[J2] J. Jost, Riemannian Geometry and Geometrie Analysis, Springer,
1994
Zur Thematik der Minimalflächen existieren eine kurze Einführung
[0] R. Osserman, A Survey of Minimal Surfaces, Dover, 21986

sowie schöne detailliert ausgearbeitete und umfassende Monographien


[DHKW] U. Dierkes, St. Hildebrandt, A. Küster und O. Wohlrab, Minimal
Surfaces, 2 Bände, Springer, 1992
[N] J. Nitsche, Lectures on Minimal Surfaces, Vol. I, Cambridge Uni-
versity Press, 1989

Eine Weiterführung der Verbindung von zweidimensionaler Geometrie und


Variationsrechnung ist
[J1] J. Jost, Two-dimensional Geometrie Variational Problems, Wiley-
Interscience, 1991

Beweise des in 4.7 verwandten Maximumprinzips von E. Hopf finden sich


beispielsweise in
[GT] D. Gilbarg und N. Trudinger, Elliptic Partial Differential Equations
of Second Order, Springer, 21983
[J3] J. Jost, Postmodern Analysis, Springer, erscheint demnächst
Sachverzeichnis

Asymptotenlinie 34 Eulersche Formel 29


äußere Geometrie 19
Feld von Geodätischen 130
Biegungsinvariante 134 Fermikoordinaten 124
Binormalenvektor 4 Fläche stationären Flächeninhaltes 38
Bogenlängenelement 12 Flächeninhalt 13,37,38,54
fiächeninhaltsminimierend 40
Cauchy-Riemannsche Differentialglei- Flächenstück 9
chungen 55,71,93 Frenetsche Ableitungsgleichungen 5
Cauchyscher Integralsatz 95 Fundamentallösungen der Laplaceglei-
Christoffelsymbole 99,109,113 chung 85
Courant-Lebesgue-Lemma 58
Gauß-Bonnet-Formel 138
differenzierbare Abbildung 103 Gaußabbildung 17,28,29,53
differenzierbare Mannigfaltigkeit 103, Gaußgleichungen 100
104 Gaußsche Krümmung 28,29,31,35,
differenzierbare Struktur 103 43, 101
Dirichletintegral 54, 67, 92 gekreuzt 142
Dirichletproblem für minimale Graphen geodätisch 108,124,132
83 Geodätische 107, 109
Dirichletsches Prinzip 92 geodätische Krümmung 108,109,134,
Divergenzsatz 85 135
dritte Fundamentalform 32 geodätische Kreisscheibe 133
Dupinsche Indikatrix 24,31 geodätische Linie 107,117,129
geodätische Parallelkoordinaten 124,
Ebene 30,35,44,111 127,129,132
Einbettung 9 geodätische Polarkoordinaten 126,
Einheitsnormalenvektor 17 127, 133
Einheitssphäre 14, 17, 19 geodätischer Kreis 126,133
Ellipsoid 15 geodätisches Dreieck 139
elliptisch 22-24,31 Gesamtkrümmung 145
elliptische Schraubenlinie 8 Geschlecht 143, 145
elliptisches Paraboloid 15, 22 Graph 21
Energie 105 Greensche Darstellungsformel 86
Ennepersche Minimalfläche 46,47,53 Greensche Funktion 87,96
erste Fundamentalform 10,37,97
erste Greensche Formel 85 harmonisch 43,48,51,62,67,89-91,
euklidische Raumvorstellung 1, 2 93
euklidischer Raum 1 Harnacksche Ungleichung 95
euklidisches Skalarprodukt 1 Hauptkrümmung 26-28
Eulercharakteristik 143,145 Hauptkrümmungsrichtung 27,29,31
150 Sachverzeichnis

Helikoid 45 minimaler Graph 74,75


Höhenfunktion 21 Minimalfläche 39,43,48, 50-52
holomorph 49,51,93,94 Minimalflächengleichung 75, 78, 80
Homogenität 1 Minimalfolge 57
hyperbolisch 22-24 Mittelwertformel für harmonische
hyperbolische Ebene 113, 114 Funktionen 88
hyperbolische Geometrie 118 Mittelwertungleichung 96
hyperbolisches Paraboloid 15, 22 mittlere Krümmung 28,29,39,47,84
Hyperboloid 15 Möbiustransformation 57
monoton 57
immergierte Untermannigfaltigkeit 10
Indikatrix 24 Nabelpunkt 30
innere Geometrie 12, 109 nach der Bogenlänge parametrisiert 3
Isometrie 97, 102 nichteuklidische Ebene 118
Isometriegruppe 114 Normalenabbildung 17
isometrisch 97,102 Normalenvektor einer Kurve 4
isotherm 47,49,70,113 Normalkrümmung 26
Isotropie 1
Isotropiegruppe 115 orientierbar 139
orientiert 139
Kartenwechsel 103 orientierungserhaltende Parameter-
Katenoid 33, 44, 80 transformation 5
Kegelschnitt 24
Kettenfläche 44, 80 parabolisch 22, 24
konform 47,51,54,67 parabolischer Zylinder 22
konforme Parametrisierung 55 Parallelenaxiom 118
konjugiert harmonische Funktion 71 Parallelfläche 82
konvex 31 parametrisch 51
konvexe Hülle 80 parametrische Minimalfläche 53, 67
Krümmung 109, 113, 132, 134 parametrisierte Kurve 2
Krümmung einer Raumkurve 6 parametrisiertes Flächenstück 9
Kreiskegel 98 Plateausches Problem 53, 57, 63, 67
Kreiszylinder 98, 112 Poincaresche Halbebene 114
Poissonsche Darstellungsformel 88
Länge 3,11,105 Polstelle 94
Längenelement 12 Polygonzerlegung 139
Laplace-Beltrami-Operator 43,48,71, projektive Ebene 111
72
lokal konvex 31 reguläre Kurve 2
lokal streng konvex 31 rektifizierbar 131
lokale Isometrie 102 Riemannsche Mannigfaltigkeit 104
lokales Minimum des Flächeninhaltes Riemannsche Metrik 102, 104, 118,
42 131,134,144,145
Riemannsche Normalkoordinaten 126
Mainardi-Codazzi-Gleichungen 100, Riemannscher Abbildungssatz 70
120 Rotationsfläche 34
Mannigfaltigkeit 103 Rotationshyperboloid 33
Maximumprinzip 90 Rotationsparaboloid 33
Maximumprinzip für Minimalflächen
78 Satz von Bernstein 75
Maximumprinzip von E. Hopf 79 Satz von Gauß-Bonnet 134, 144
meromorph 94 Satz von Liouville 75,91
metrische Struktur 1 Satz von Meusnier 25
Sachverzeichnis 151

Satz von Rodriguez 27 Triangulierung 140, 144, 145


Scherksche Fläche 83 Tschebyscheff-Netz 16
Schmiegebene 25, 26, 34
Schnittwinkel 13 Übergangsabbildung 103
Seitenkrümmung 108 unparametrisierte Kurve 3
Sphäre 29,30,35,110 unparametrisiertes Flächenstück 10
sphärische Abbildung 17
stationär 38,39 Weierstraßsche Darstellungsformeln
streng konvex 31 51
subharmonisch 96 Weingartenabbildung 27
Wendelfläche 45
tangentiales Vektorfeld 17 Windung 6
Tangentialraum 9 Winkel 13
Theorema egregium 101
Theorema elegantissimum 139 zweite Fundamentalform 18, 20
Torus 15,19,29,121 zweite Greensche Formel 85
Transformationsgruppe 115 zweite Variation des Flächeninhaltes
Transformationsverhalten der ersten 42
Fundamentalform 14 Zykloide 7
transitiv 115 Zylinder 35
Springer-Verlag und Umwelt

Als internationaler wissenschaftlicher Ver-


lag sind wir uns unserer besonderen Verpflich-
tung der Umwelt gegenüber bewußt und be-
ziehen umweltorientierte Grundsätze in
Unternehmensentscheidungen mit ein.

Von unseren Geschäfts-


partnern (Druckereien, Papierfabriken, Verpak-
kungsherstellern usw.) verlangen wir, daß sie
sowohl beim Hersteilungsprozeß selbst als
auch beim Einsatz der zur Verwendung kom-
menden Materialien ökologische Gesichtspunk-
te berücksichtigen.

Das für dieses Buch verwendete


Papier ist aus chlorfrei bzw. chlorarm herge-
stelltem Zellstoff gefertigt und im pH-Wert
neutral.

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