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INITIATIVE

KOMPAKT

Das kleine 1 x 1
der Sozialen Marktwirtschaft
Ein Schnupperkurs in Sachen Ökonomie

WWW.INSM.DE

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Inhalt

Vorwort 2

Ich, du, er, sie, wir sind die Wirtschaft 4


Die Marktwirtschaft und die unsichtbare Hand 9

Angebot trifft Nachfrage: Wie Märkte (nicht) funktionieren 12


Ist Wirtschaft + Politik = Wirtschaftspolitik? 18

Geld regiert die Welt: Jedes Ding hat seinen Preis 26


Die Börse: Wo sich DAX und Schweinebäuche treffen 32

Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile 36


www.globalisierung.insm.de – Freiheit statt Staatsgläubigkeit 42

Für Neugierige: Lesetipps, Internetadressen und Projekte 50

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Vorwort

Ökonomie? Kannitverstan!

Vor zweihundert Jahren erzähl- tigen Schiffs im Hafen und der Trauernden und bekommt Haus, an sein reiches Schiff
te Johann Peter Hebel in seinen erfährt: „Kannitverstan.“ zur Antwort: „Kannitverstan.“ und an sein enges Grab.“
„Kalendergeschichten“ von der Da schießen dem Burschen die
Reise eines armen deutschen „Wenn ich’s doch nur auch Tränen in die Augen. „Armer Die Moral von der Geschicht’
Handwerksburschen aus Tutt- einmal so gut bekäme, wie Kannitverstan, was hast du nun ist, im besten Sinne, eine dop-
lingen nach Amsterdam. Tief dieser Herr Kannitverstan es von allem deinem Reichtum?“, pelte: Zum einen zeigt sie, dass
beeindruckt von der großen hat“, denkt sich der Hand- klagt er und geht zurück in Sprache und Worte weit weni-
und reichen Handelsstadt er- werksbursche und erblickt im seine Herberge. „Und wenn es ger selbstverständlich sind, als
kundigt er sich bei einem Ein- gleichen Moment einen Lei- ihm wieder einmal schwer wir gemeinhin annehmen. Die
heimischen danach, wem denn chenwagen, begleitet von fallen wollte“, so endet die Amsterdamer verstehen den
„dieses wunderschöne Haus“ einem langen Zug aus Ver- Geschichte, „dass so viele Leute Handwerksburschen nicht, und
gehöre. „Kannitverstan“, be- wandten und Bekannten des in der Welt so reich seien und der Handwerksbursche versteht
kommt er zu hören. Dann Verstorbenen. „Das muss wohl er so arm, so dachte er nur an die Amsterdamer falsch. Zum
fragt er einen Amsterdamer ein guter Freund von Euch den Herrn Kannitverstan in anderen lässt das traurige Ende
nach dem Besitzer des präch- gewesen sein“, sagt er zu einem Amsterdam, an sein großes des vermeintlichen Herrn Kan-

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nitverstan den Burschen aus
Tuttlingen sein eigenes Schick-
sal mit anderen Augen sehen.
Er hat, dank Kannitverstan,
etwas verstanden – und sei es
nur, dass alles und jeder ver-
gänglich ist.

In der modernen Variante die-


ser Geschichte düsen Millionen
junger und jung gebliebener
Frauen und Männer aus Tutt-
lingen, Dresden oder Hamburg haben Ein-Euro-Jobs. Wer ökonomischen Laien, die gerne für die Bildung und den zu-
via Flugzeug oder Internet gestern noch ein Mannesmann etwas mehr von dem verstehen nehmenden Einfluss der EU
durch die globalisierte Welt, war, arbeitet heute schon für möchten, was tagtäglich in der auf die nationale Wirtschafts-
und auch sie kommen aus dem Vodafone und morgen viel- Wirtschaft passiert. Und weil politik. Andere Themen, wie
Staunen nicht mehr heraus. leicht für – wer weiß das die Menschen das meiste davon die Börse, die internationalen
schon? aus dem Fernsehen oder der Kapitalverflechtungen und das
Wie schnell sich doch alles Zeitung erfahren, macht sich weite Feld der seit 2008 gras-
verändert! Noch ihre Elternge- Das ist Marktwirtschaft, heißt auch diese Broschüre die Medi- sierenden Finanz- und Wirt-
neration schrieb eine einzige es; die Fachleute aus Wirtschaft en zunutze: Wo immer es geht, schaftskrise, konnten wir ledig-
Bewerbung im Leben, die Zu- und Politik reden von Globali- greifen wir für unsere Reise in lich anreißen. Auch hatten wir
kunft war planbar und die sierung und Gewinnmaximie- die weite Welt der Ökonomie nicht die Absicht, ein Lehr-
Rente sicher, denn „made in rung, von Investitionen und auf TV- und Presse-Berichte buch im Miniformat zu schrei-
Germany“ hielt das Wachstum Produktivität, von Wettbewerb zurück – sie dienen uns als ben. Deshalb finden Sie auf
auf Trab und die Konkurrenz und Wachstumsraten, von gemeinsame Diskussionsgrund- den folgenden Seiten weder
in Grenzen. Heute kommen Bemessungsgrenzen und lage. komplizierte Formeln noch
die T-Shirts aus China, die Grenzsteuersätzen, von Inflati- langatmige Theorien und auch
MP3-Player aus Japan, die on und Deflation, von Struk- „Das kleine 1 x 1 der Sozialen keine unverständlichen Statis-
Software aus Indien, die Äpfel turwandel und Steuervergüns- Marktwirtschaft“ will und tiken. Ganz ohne Zahlen geht
aus Neuseeland, der Deutsche- tigungsabbaugesetzen. kann kein umfassendes Lexi- es allerdings auch nicht, doch
Bank-Chef aus der Schweiz kon sein. Schon aus Platzgrün- keine Angst vor Kannitverstan:
und der Pizza-Bäcker aus Wan- den mussten wir viele Themen, Wer das kleine 1 x 1 und das
Kannitverstan?
ne-Eickel. Es gibt keine D- die direkt oder indirekt mit der ABC beherrscht, der versteht
Mark mehr, keine lebenslangen „Das kleine 1 x 1 der Sozialen Wirtschaft zu tun haben, gänz- auch diese Broschüre.
Jobs, keine Grenzen. Die einen Marktwirtschaft“ will das lich aussparen. Das gilt zum
machen Millionen, die anderen ändern. Es richtet sich an alle Beispiel für den Umweltschutz,

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Ich, du, er, sie, wir sind die Wirtschaft

Daniel Deutsch kann es ein- mit kräftigen Worten gespickte plätze zu schaffen“, behauptet das manchmal so eine Sache.
fach nicht lassen. Der gute Abhandlungen, die er mal an er. Stattdessen würden die Er ist, um es mit Albert Ein-
Mann, dessen richtiger Name diese, mal an jene Zeitung Chefinnen und Chefs lieber ge- stein zu sagen, „eine Sammlung
hier nichts zur Sache tut, ist schickt und die sich haupt- nau das tun, was schon jedem von Vorurteilen, die man bis
Inhaber und Geschäftsführer sächlich um eine Frage drehen: Wirtschaftsstudenten auf der zum achtzehnten Lebensjahr
einer kleinen Unternehmens- Warum gibt es in Deutschland Universität eingetrichtert wer- erworben hat“. Und Sie, lieber
beratung in Bayern und hat es so viele Arbeitslose? de und was auch der „gesunde Daniel Deutsch, sind einem
sich offenbar zur Lebensauf- Menschenverstand“ empfehle, davon aufgesessen. Denn „mit
gabe gemacht, Deutschland Die Sache ... nämlich „mit dem geringsten dem geringsten Aufwand den
zu retten. Er verfolgt dieses Aufwand den größten Gewinn größten Gewinn zu erzielen“
hehre und ehrgeizige Ziel unter Daniel Deutsch hat dazu eine zu erzielen“. – an dieser Aufgabe wäre wohl
anderem dadurch, dass er mit gewagte These aufgestellt. selbst Albert Einstein verzwei-
wahrlich missionarischem Eifer „Kein Unternehmer auf der Tja, Herr Deutsch, mit dem felt.
Leserbriefe schreibt – lange, Welt hat den Wunsch, Arbeits- gesunden Menschenverstand ist

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... mit den Kartoffeln wenig zu tun wie die Zahl der Zur Ehrenrettung von Herrn an klaren Vorgaben oder an
Störche mit der Geburtenrate. Deutsch sei noch hinzugefügt, klaren Zielen – und beides
Das glauben Sie nicht? Gut, In Wahrheit funktioniert der dass seine Idee, mit möglichst führt, auf Ökonomen-Deutsch,
dann wollen wir Ihre Theorie Kauf von Kartoffeln so, wie wenig Einsatz möglichst viel zu „ungeplantem Handeln“.
einmal in der Praxis überprü- (fast) alles in der Wirtschaft Gewinn herauszuholen, zumin- Oder im Klartext: ins Chaos.
fen. Stellen Sie sich vor, Herr – nach dem Ökonomischen dest in der Theorie existiert. In
Deutsch, Ihre Frau schickt Sie Prinzip: der Praxis allerdings stößt diese Brutto oder netto?
auf den Markt, um Kartoffeln Mini-Max-Methode schnell
zu holen. Und weil die Gattin an ihre Grenzen. Denn wer so Und noch etwas müssen wir
um Ihre Vorliebe für alles Öko- Was ist das? vorgeht, dem fehlt es entweder Herrn Deutsch zugutehalten:
nomische weiß, präzisiert sie Die Wirtschaft(swissenschaft)
ihren Auftrag: „Hol’ für mög- ist heutzutage derart komplex,
lichst wenig Geld möglichst dass sich zuweilen selbst Fach-
viele Kartoffeln!“ Was tun Sie Das Ökonomische Prinzip leute in ihren Fangstricken
jetzt, Herr Deutsch? Und wie Wir wissen zwar nicht, wer eigentlich dafür verantwort- verheddern. So blamierte sich
würden Sie, liebe Leser, diese lich ist – der liebe Gott oder Mutter Natur? – fest steht einst der ehemalige FDP-Wirt-
Aufgabe lösen? Denken Sie jedoch: Fast alles, was den Menschen lieb und teuer schaftsminister Günter Rex-
mal ein paar Sekunden darüber ist, ist leider auch knapp. Ob Gold oder Geld, ob Ar- rodt, als er nicht wusste, wie
nach: Wie kauft man mit mög- beitsplätze oder Autos, ob Seide oder Saftpressen – die viele Nullen eine Billion hat
lichst wenig Geld möglichst Bedürfnisse der Menschheit sind schier unbegrenzt, (nämlich zwölf ). Unvergessen
viele Kartoffeln? nicht aber ihre Mittel. Was also tun? Ganz einfach: Wir auch der Wahlkampf 2005, als
müssen die knappen Güter „bewirtschaften“, sprich: die CDU-Kanzlerkandidatin
möglichst sinnvoll und effizient damit umgehen. Genau Angela Merkel gleich mehrmals
Und, alles klar? dieses Ziel verfolgt das Ökonomische Prinzip. Danach brutto und netto verwechselte
hat Daniel Deutsch zwei Möglichkeiten, den Auftrag und sich daraufhin vom po-
Richtig, dieser Auftrag ist seiner Frau zu erfüllen: litischen Gegner so manchen
reichlich absurd. Denn konse- höhnischen Kommentar anhö-
• Das Minimalprinzip. Bei dieser Methode, auch Spar-
quent zu Ende gedacht würde ren musste. Dabei offenbarte
prinzip genannt, soll ein vorgegebenes Ziel mit mini-
er im Extremfall bedeuten, die SPD selbst gravierende
malem Einsatz erreicht werden. Der Auftrag von Daniel
mit nichts („möglichst wenig Wissenslücken: „Ich koste zwei
Deutsch könnte also lauten: Kauf zwei Kilo Kartoffeln
Geld“) alles („möglichst viel Prozent mehr“, hieß es auf
für möglichst wenig Geld.
Kartoffeln“) kaufen zu kön- den Wahlkampfplakaten der
nen. Diese Idee ist zwar aus • Das Maximalprinzip. Hier ist es umgekehrt: Mit einem Genossen mit Hinweis auf die
verständlichen Gründen höchst vorgegebenen Einsatz soll ein maximales Ziel erreicht geplante Mehrwertsteuerer-
beliebt und weit verbreitet, werden. Daniel Deutsch könnte also losgehen, um für höhung der Union. Richtig
doch hat sie mit der ökono- fünf Euro möglichst viele Kartoffeln zu kaufen. hätte es jedoch heißen müssen:
mischen Wirklichkeit genauso „Ich koste zwei Prozentpunkte

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www.wichtige-wirtschafts-wörter.de
In den Wirtschaftsnachrichten tauchen immer wieder Begriffe Steuern/Abgaben: Steuern sind Geldleistungen an den Staat,
auf, die zwar alle zu kennen meinen, die aber ein ums andere für die dieser keine konkreten Gegenleistungen zu erbringen
Mal für Verwirrung und Verwechslungen sorgen: hat – die Kfz-Steuer etwa muss nicht für den Bau von Straßen
eingesetzt werden. Abgaben wie Gebühren und Beiträge sind
Prozent/Prozentpunkte: Angenommen, ein Produkt kostete
dagegen an Gegenleistungen geknüpft – wer Rentenbeiträge
100 Euro plus 16 Prozent Mehrwertsteuer, also insgesamt 116
entrichtet, erwirbt damit auch einen Rentenanspruch.
Euro. Nun wurde die Mehrwertsteuer auf 19 Prozent erhöht
(also um 3 Prozentpunkte), also steigt der Gesamtpreis auf Strukturell/konjunkturell: Wenn zum Beispiel von der struk-
119 Euro. Die Differenz zwischen 116 und 119 Euro aber turellen Arbeitslosigkeit die Rede ist, dann ist damit jene
beträgt nicht 3 Prozent, sondern knapp 2,6 Prozent. Erwerbslosigkeit gemeint, die auf die wirtschaftspolitischen
Brutto/netto: Im Gegensatz zu brutto bezeichnet netto eine Rahmenbedingungen zurückzuführen ist, also etwa auf die
Residualgröße, also eine Art „Rest“: So ist der Nettolohn das, zu hohen Arbeitskosten oder die mangelnde Ausbildung.
was vom Bruttolohn nach Abzug von Steuern und Sozialabga- Konjunkturell bedingt ist Arbeitslosigkeit dagegen, wenn die
ben übrig bleibt. Unternehmen zum Beispiel aufgrund schlecht ausgelasteter Ka-
pazitäten Personal abbauen, das wieder eingestellt wird, sobald
Nominal/real: Nominal bedeutet in der Wirtschaft „zum
es wirtschaftlich wieder aufwärtsgeht.
Nennwert“. So ist zum Beispiel der Nominallohn nichts
anderes als der Betrag, der auf dem Gehaltszettel steht (also Effektiv/effizient: Effektiv bedeutet, dass etwas wirkt, dass eine
„genannt“ wird). Der Reallohn gibt dagegen an, wie sich die Sache also einen Effekt hat; effizient bedeutet, dass eine Sache
tatsächliche („reale“) Kaufkraft des Nominallohns entwickelt wirtschaftlich ist, dass sie sich also lohnt. So kann es zwar ef-
hat – und wird berechnet, indem man die Nominallohnent- fektiv sein, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen – effizient
wicklung um die Inflationsrate bereinigt. aber ist es bestimmt nicht.

mehr“ – ein kleiner, aber fei- tumsraten, Arbeitslosenquoten als Unternehmer, als Freiberuf- wollen wir wohnen? Soll ich in
ner Unterschied (siehe Kasten oder Steuersätzen den meisten ler, als Angestellte, als Käufer, Aktien investieren oder in eine
oben). Menschen nicht gerade Freu- als Rentnerin, als Student, als Lebensversicherung? Welcher
dentränen in die Augen treibt, Wähler, als Sparer oder als Ar- Anbieter hat die günstigsten
Natürlich kann man über solch doch was, bitte, wäre denn die beitsloser – alle Menschen tref- Handy-Tarife? Und so weiter
vermeintliche Kleinigkeiten Alternative? fen permanent ökonomische und so weiter und so fort.
auch lächelnd hinwegsehen Entscheidungen. Meist betref- Wirtschaftliche Überlegungen,
– zumal sie doch zeigen, dass Wichtige Entscheidungen ... fen sie „nur“ den heutigen Tag, das mag man gutheißen oder
auch „ganz oben“ nur mit oft genug aber stellen sie die auch nicht, bestimmen unser
Wasser gekocht wird. Doch Es gibt keine, denn die Wirt- Weichen für viele Jahre oder Leben heutzutage mehr als
Hand aufs Herz: Wenn schon schaft geht uns alle an. Sie gar das ganze Leben: Welchen jemals zuvor in der Mensch-
die grundlegendsten Dinge wie ist, wie es Walther Rathenau, Beruf wähle ich? Wie sorge ich heitsgeschichte.
Kraut und Rüben durcheinan- Sohn des AEG-Gründers und fürs Alter vor? Gehe ich zu Aldi
dergehen – wie soll dann erst in den zwanziger Jahren des oder in den Feinkostladen? Eine der wichtigsten Entschei-
das große Ganze aussehen? Es 20. Jahrhunderts deutscher Reicht mein Geld für eine grö- dungen aber scheint auf den
mag ja sein, dass die Beschäfti- Außenminister, einmal aus- ßere Wohnung? Wollen wir ein ersten Blick nicht allzu viel mit
gung mit Themen wie Wachs- drückte, „unser Schicksal“. Ob zweites Kind? In welcher Stadt Ökonomie zu tun zu haben:

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Ich, du, er, sie, wir sind die Wirtschaft

Welcher Partei gebe ich meine dung, um die Finanzierung der Und nun stellen Sie sich vor, mehr Arbeitsplätze ins billigere
Stimme? Doch „gerade in Sozialsysteme, um Steuern, um Sie sitzen vor dem Fernseher Ausland verlagern; aber wahr
Zeiten, in denen die Sozialord- die Europäische Union oder und hören diese Meldung. Was ist doch auch, dass die Unter-
nung unseres Landes aufgrund um Subventionen geht, nahezu denken Sie, welche der beiden nehmen seit Jahren einen Ex-
des gewaltigen demografischen alles hat einen mittelbaren oder Seiten hat recht? Klingen nicht portrekord nach dem anderen
Wandels zunehmend belastet unmittelbaren Einfluss auf das beide Argumentationen irgend- feiern, während die Nachfrage
wird, ist die Wahrnehmung der Leben und das Portemonnaie wie einleuchtend? Es stimmt im Inland brachliegt und das
politischen Verantwortung als eines jeden Einzelnen. doch, dass die Unternehmen gesamtwirtschaftliche Wachs-
Wähler wichtig“, warnt Rü- aufgrund der hohen Arbeits- tum deshalb bei Weitem nicht
diger von Rosen. Der Wirt- Ein Beispiel: Es vergeht kein kosten in Deutschland immer ausreicht, um neue Arbeitsplät-
schaftsprofessor kritisiert seit einziges Jahr, in dem die Nach- ze zu schaffen – oder?
Jahren, dass Deutschland die richtensendungen nicht min-
schulische Ausbildung in Sa- destens einmal über die
Was ist das?
chen Wirtschaft geradezu sträf- Tarifverhandlungen zwischen
lich vernachlässigt – ohne öko- Arbeitgebern und Gewerk-
nomische Grundkenntnisse schaften berichten. Was die
aber ist eine fundierte Ausein- „Tagesschau“ oder „N24“ dann Arbeitskosten
andersetzung mit den Strate- vermelden, klingt irgendwie
Die Arbeitskosten setzen sich aus zwei Komponenten
gien der Parteien unmöglich. immer gleich, nämlich unge-
zusammen. Teil eins umfasst den Stundenlohn ein-
fähr so: „Im Tarifstreit der
schließlich der Zuschläge für Überstunden und Schicht-
... fürs Portemonnaie Metall- und Elektro-Industrie
zulagen. Ökonomen sprechen deshalb vom „Direktent-
sind am Freitag die Verhand-
gelt für tatsächlich geleistete Arbeit“. Entgegen der weit
Noch drastischer ausgedrückt: lungen ergebnislos vertagt wor-
verbreiteten Meinung sind die Stundenlöhne in Deutsch-
Wer sich im Zeitalter der Glo- den. Der Verhandlungsführer
land aber nur ein Teil des Problems – Länder wie Däne-
balisierung und eines geradezu der Arbeitgeber sagte, die völlig
mark, Norwegen und die Schweiz zahlen höhere. Dass
mörderischen Wettbewerbs überzogene Forderung der
Deutschland dennoch regelmäßig zu den Ländern mit
nicht wenigstens mit den wich- IG Metall nach fünf Prozent
den weltweit höchsten Arbeitskosten zählt, liegt vielmehr
tigsten Spielregeln der Wirt- mehr Lohn und Gehalt trage
an den sogenannten Personalzusatzkosten. Diese zweite
schaftswelt auskennt, der darf nicht dazu bei, Arbeitsplätze
Komponente der Arbeitskosten besteht im Wesentlichen
sich kaum Hoffnungen ma- im Land zu halten. Dagegen
aus Sonderzahlungen wie dem 13. Monatsgehalt, dem
chen, ein eigenverantwortliches verwies der Verhandlungsfüh-
Urlaubsgeld, dem Lohn für bezahlte Freizeit sowie aus
Leben in Wohlstand zu führen. rer der Gewerkschaft auf die
den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, der
Dies gilt umso mehr, als die gute wirtschaftliche Entwick-
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und anderen sozialen
Zeiten einer quasi lebenslangen lung der Metallbranche sowie
Extras wie der betrieblichen Altersversorgung. Dieser
Rundumversorgung durch den auf die allgemein schwache
„zweite Lohn“ ist in Westdeutschland höher als in
Arbeitgeber und den Staat Konsumnachfrage. Nur wenn
jedem anderen Industrieland der Welt. Wenn deutsche
definitiv vorbei sind. die Verbraucher wieder mehr
Unternehmen also ihre Produktion zum Beispiel nach
Geld in der Tasche hätten,
Tschechien verlagern, dann unter anderem auch deshalb:
Nein, wir wollen hier weder könne auch die Gesamtwirt-
Dort kostet eine Arbeiterstunde in der Industrie nicht
Panik noch Ängste schüren. schaft wieder wachsen.“
einmal ein Sechstel dessen, was hierzulande fällig ist –
Aber wir wollen und dürfen
Autos oder Maschinen bauen können die Tschechen aber
auch nichts beschönigen.
genauso gut wie die Deutschen.
Denn ganz egal, ob es nun um
Arbeitsmarktpolitik, um Bil-

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Des Tarifrätsels Lösung liegt gedreht wird. Und vor allem Nun definiert der Begriff Regierung, welche Waren und
nicht auf der Hand, sondern muss man das große Ganze im Volkswirtschaft zwar das WER Dienstleistungen angeboten
im Kopf: Denn wer entschei- Blick haben – nicht umsonst und WO, nicht aber das WIE. werden, wer sie produziert und
den will oder muss, wie hoch reden wir von Volks-Wirt- Auch die frühere DDR und wer wie viel davon bekommt.
die Lohnerhöhungen in einer schaft. die UdSSR waren Volkswirt- Deshalb werden solche Wirt-
Branche oder einem Unterneh- schaften, allerdings bestimm- schaftssysteme Plan- oder
men ausfallen dürfen, damit ten dort allein die Planer der Zentralverwaltungswirtschaft
sowohl Arbeitnehmer als auch Was ist das? genannt. Die politisch-ideolo-
Arbeitgeber „überleben“, der gische Idee dahinter ist, dass
kann sich ja schlecht auf sein allein die Regierung alle volks-
persönliches „Bauchgefühl“ Volkswirtschaft wirtschaftlichen Aktivitäten
verlassen – das schreit immer Unter einer Volkswirtschaft versteht man einen Wirt- so organisieren und steuern
nach mehr, mehr, mehr. Statt- schaftsraum (üblicherweise also ein Land), in dem alle kann, dass es allen Beteiligten
dessen braucht man Fakten, Akteure (die Haushalte, die Unternehmen und der Staat) gut geht – gleich gut, um es
Fakten, Fakten. In unserem wirtschaftlich miteinander verbunden und voneinander im Kommunisten-Deutsch zu
Tarifbeispiel muss man eben abhängig sind. Und da heutzutage praktisch alle Länder sagen. Tatsächlich aber führt
wissen, was die Löhne mit den mit anderen Staaten Handel treiben, spricht man auch die Zentralverwaltungswirt-
Preisen und der Beschäftigung von offenen Volkswirtschaften. Ohne den Außenhandel schaft dazu, dass es allen gleich
zu tun haben. Man muss (Ausfuhren und Einfuhren) wäre eine Volkswirtschaft schlecht geht – denn sie ist
wissen, was passiert, wenn an dagegen geschlossen – mit gewissen Einschränkungen vor allem durch eines geprägt:
dieser oder jener Stellschraube traf dies früher auf kommunistische und sozialistische den Mangel.
Staaten wie die DDR oder die UdSSR zu.

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Ich, du, er, sie, wir sind die Wirtschaft

Die Volkswirtschaft Deutsch- bringen. Dies geschieht über desrepublik Deutschland ist ein lungen um die Lohnpolitik,
lands dagegen ist, wie praktisch den Wettbewerb, also letztlich demokratischer und sozialer und die Sozialversicherungen
alle anderen auch, eine Markt- über die Qualität und den Bundesstaat.“ sind für die Bereiche Rente,
wirtschaft. Selbst China, neben Preis. Gesundheit und Arbeitslosig-
Kuba und Nordkorea eines Im Unterschied zur reinen keit zuständig.
der wenigen noch kommunis- Wenn wir von einer freien Marktwirtschaft greift der Staat
tischen Länder, bekennt sich Marktwirtschaft reden, dann in der Sozialen Marktwirtschaft
„Die Soziale
heute zumindest in Ansätzen ist damit in der reinen Lehre deshalb in vielfältiger Form
zu marktwirtschaftlichen Prin- eine Wirtschaft gemeint, in ins Wirtschaftsgeschehen ein. Marktwirtschaft
zipien. der sich der Staat praktisch aus So erhebt er zum Beispiel vollzieht sich nicht
allem heraushält. Tatsächlich Steuern und Abgaben, um das
in Gesetzbüchern,
aber spielt der Staat natürlich Geld dann unter anderem in
Die Marktwirtschaft sehr wohl eine Rolle. Zum Form von Sozialleistungen an sondern im Denken
und die einen tritt er selbst als aktiver die Haushalte bzw. in Form und Handeln der
unsichtbare Hand Marktteilnehmer auf, indem von Subventionen an die Un-
Menschen.“
er zum Beispiel Arbeitsplätze ternehmen zurückzugeben
bietet oder Straßen bauen lässt. – oder „umzuverteilen“, wie Richard von Weizsäcker
Im Gegensatz zur Planwirt-
schaft, in der alle volkswirt- Zum anderen und vor allem Ökonomen sagen. Mit die-
schaftlichen Entscheidungen aber fungiert er als eine Art ser Umverteilung (auf deren Nun wissen wir zwar, was eine
allein vom Staat getroffen Schiedsrichter: Der Staat legt Sinn oder Unsinn wir später Marktwirtschaft ist – wie aber
werden, haben in einer Markt- nämlich die Rahmenbedin- noch ausführlich zu sprechen kann solch ein System über-
wirtschaft die Haushalte und gungen fest, also jene Spielre- kommen) und mit seinen haupt funktionieren? Wie kann
die Unternehmen das Zepter in geln, an die sich alle Markt- zahlreichen Gesetzen und es sein, dass Millionen von
der Hand. Die Betriebe allein teilnehmer halten müss(t)en. Verordnungen will der Staat Haushalten und Unternehmen
entscheiden, mit wie vielen Dazu zählt selbstverständlich in die in einer reinen Marktwirt- individuelle, sprich egoistische
Leuten sie welche Waren oder erster Linie das Grundgesetz, schaft unweigerlich auftre- Entscheidungen treffen und
Dienstleistungen wie und wo aber auch Regelungen wie die tenden Härten abmildern. Er das Ganze trotzdem nicht im
produzieren und zu welchem Gewerbeordnung, das Eigen- versucht dies, indem er zum Chaos endet?
Preis sie diese anbieten. Die tums- und Wettbewerbsrecht Beispiel dafür sorgt, dass das
Haushalte (Arbeitnehmer, sowie die Sozialordnung. Existenzminimum eines jeden Die bis heute gültige Antwort
Sparer, Verbraucher) wiederum Einzelnen gesichert ist, dass auf diese Frage stammt von
entscheiden, wo und für wen Staat und Markt jeder die Chance erhält, durch Adam Smith. Der schottische
sie arbeiten und wofür sie ihre eigene Leistung am Wohlstand Ökonom und Moralphilosoph
Einkommen ausgeben. Der Apropos sozial: In Deutschland teilzuhaben und dass niemand lebte im 18. Jahrhundert und
„Ort“, an dem sich Unterneh- reden wir nicht von einer freien seine Marktmacht missbraucht, gilt als Vater der Marktwirt-
men und Haushalte treffen, ist Marktwirtschaft, sondern viel- sodass ein fairer Wettbewerb schaft. Als glühender Verfech-
der Markt. Besser gesagt: die mehr von der „Sozialen Markt- stattfindet. All diese Aufgaben ter einer freien Wirtschaft und
Märkte, denn es gibt Waren- wirtschaft“. Auf einen Nenner muss der Staat allerdings nicht einer „natürlichen Ordnung
märkte, Dienstleistungsmärkte, gebracht ist damit gemeint, selbst erledigen, einige werden der Gesellschaft“ hegte Smith
Arbeitsmärkte, Kapitalmärkte dass die größtmögliche Freiheit von anderen Institutionen nicht nur eine gehörige Portion
und andere mehr. Und auf der Märkte mit einer sozialen übernommen. So kümmern Misstrauen gegenüber dem
jedem einzelnen Markt geht es Komponente verbunden wird. sich zum Beispiel die Arbeitge- Staat, sondern auch gegenüber
darum, Angebot und Nachfra- Das Grundgesetz formuliert berverbände und die Gewerk- Leuten, „die so tun, als han-
ge miteinander in Einklang zu das in Artikel 20 so: „Die Bun- schaften in den Tarifverhand- delten sie aus reinem Edelmut

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und nicht aus Eigennutz.“ Die- Mitarbeiter und erwirtschaf- Wer 50 Milliarden Dollar auf
„Der Mensch an
se erfrischend ehrliche Grund- ten einen Umsatz von fast 40 dem Konto hat, der kann lo-
haltung des Schotten gipfelte Milliarden Dollar. Wer quasi cker auch 99,9 Prozent davon sich ist nichts.
in einem Satz, den noch heute aus dem Nichts heraus 60.000 verschenken und behält noch Er ist nur eine
jeder Wirtschaftsstudent im Arbeitsplätze geschaffen hat, immer viel, viel mehr übrig
grenzenlose Chan-
Schlaf herunterbeten kann: der muss seinen Beitrag zum (nämlich 50 Millionen Dol-
„Nicht vom Wohlwollen der Gemeinwohl eigentlich nicht lar), als ein Normalverdiener ce. Aber er ist der
Metzger, Bäcker und Brauer mehr unter Beweis stellen, Bill in einem ganzen Arbeitsleben grenzenlos Verant-
erwarten wir das, was wir zum Gates aber tut es trotzdem. verdienen könnte. Doch darum
wortliche für diese
Leben brauchen, sondern weil Zusammen mit seiner Frau geht es gar nicht. Es geht, wie
diese ihre eigenen Ziele ver- gründete er die „Belinda and es so schön heißt, ums Prinzip, Chance.“
folgen.“ Smith, der schon mit Bill Gates Foundation“, eine in diesem Fall also darum, Albert Camus
27 Jahren zum Professor für Stiftung, in die er mehr als dass in einer Marktwirtschaft
Logik ernannt wurde, betonte 29 Milliarden Dollar seines grundsätzlich jeder die Chance sich über die Wirtschaft nun
ausdrücklich, dass die Men- Privatvermögens steckte und hat, förmlich alles zu erreichen mal schlecht reden, ohne Zah-
schen in aller Regel weder das die sich unter anderem um – und dies kann nun wirklich len zu nennen. Bevor wir also
Gemeinwohl im Auge haben Gesundheitsprojekte in Afrika kein anderes Wirtschaftssystem auf den nächsten Seiten ans
noch wissen, ob und wie sie und Asien kümmert. für sich in Anspruch nehmen. Eingemachte gehen, hier ein
es fördern. Dass sie es de facto Was der Einzelne aus dieser paar grundlegende Daten und
dennoch tun, erklärte er mit Im Jahr 2006 gesellte sich der Chance macht, steht selbst- Fakten über ich, du, er, sie, wir.
der „unsichtbaren Hand“, US-Milliardär und Finanz- verständlich auf einem ganz Alle Angaben stammen aus
einer Art kapitalistischen Ge- Guru Warren Buffet hinzu und anderen Blatt. dem Frühjahr 2009 und ge-
meinschaftswohlmaschine: verdoppelte das Stiftungsver- ben den jeweils neusten Stand
Man kippt oben Eigeninteresse mögen. Mit insgesamt rund Ich, du, er, sie, wir sind die wieder:
hinein – und schwups, kommt 60 Milliarden Dollar verfügt Wirtschaft – aber leider lässt
unten Gemeinwohl heraus. die nun größte private Chari-
ty-Organisation der Welt über
Grenzenlose Chancen ein fünfmal so hohes Kapital In Deutschland leben rund 82,2 Millionen Menschen
wie das Budget der Vereinten • Es gibt 39,1 Millionen Privathaushalte; davon sind
Zugegeben, das klingt ziem- Nationen. Übrigens: Bill Gates – 37 Prozent Single-Haushalte
lich verrückt. Aber prinzipiell will nach eigenen Angaben – 25 Prozent Ehepaare ohne Kinder im Haushalt
stimmt es. Nehmen wir zum bis zu seinem Tod 90 bis 95 – 24 Prozent Ehepaare mit Kindern im Haushalt
Beispiel einen der reichsten Prozent seines Gesamtvermö- – 8 Prozent nichteheliche Lebensgemeinschaften
Männer der Welt, Bill Gates: gens spenden. Einen Egoisten, – 6 Prozent Alleinerziehende
Mit 20 Jahren brach er sein eine „Heuschrecke“ oder einen • Es gibt 43,3 Millionen Erwerbspersonen, davon sind
Studium in Harvard ab und „Raubtier-Kapitalisten“ stellt – 3,6 Millionen erwerbslos (internationale Definition)
gründete 1975 zusammen man sich doch irgendwie an- – 39,7 Millionen erwerbstätig, davon arbeiten
mit Paul Allen die Microsoft ders vor – oder? – 68 Prozent als sozialversicherungspflichtig
Corporation in Redmond, Beschäftigte, davon
nahe Seattle. Im ersten Monat, Ja, ja, schon gut, wir ahnen, – 67 Prozent im Dienstleistungssektor
so wird berichtet, teilten sich was die Markt-Kritiker sagen – 32 Prozent im Produzierenden Gewerbe
die beiden einen Verdienst von wollen: Natürlich sind Bill – 1 Prozent in der Landwirtschaft
1.516 Dollar – inzwischen Gates und Warren Buffet abso-
beschäftigen sie knapp 60.000 lute Ausnahmeerscheinungen.

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Ich, du, er, sie, wir sind die Wirtschaft

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Angebot trifft Nachfrage:
Wie Märkte (nicht) funktionieren

Im August 2008 veröffentlichte Weltbank-Studie: 1,4 Milliarden Menschen sind arm


die Hamburger Wochenzeit- Noch immer lebt ein Viertel der Menschheit in Armut, schätzt die Weltbank. Während in Asien
schrift „Die Zeit“ in ihrer der Wohlstand wächst, hungern die Menschen in weiten Teilen Afrikas weiter.
Online-Ausgabe folgende Trotz Fortschritten im Kampf gegen die globale Armut schätzt die Weltbank die Zahl der Armen
Meldung (Auszüge): rund um den Erdball auf 1,4 Milliarden und damit ein Viertel der Weltbevölkerung. Allerdings sei
durch neue Daten über die Preisentwicklung die Armutsgrenze angehoben worden, heißt es in
einer am Dienstagabend veröffentlichten Studie der Entwicklungshilfeorganisation. Danach gilt
als arm, wer im Durchschnitt von weniger als 1,25 Dollar am Tag (rund 85 Cent) leben muss.
Bisher war es ein Dollar. „Die Entwicklungsländer sind ärmer, als wir bisher angenommen ha-
ben“, heißt es in der Untersuchung.
Dennoch komme der Kampf gegen die weltweite Armut voran. Die Zahl der Menschen, die von
weniger als 1,25 Dollar am Tag leben müssen, habe sich zwischen 1981 und 2005 um 500 Mil-
lionen verringert. […] Die Fortschritte seien jedoch sehr ungleich verteilt. Die größten Erfolge
habe es in Asien gegeben. Dort hätten 1981 noch 80 Prozent der Bevölkerung mit weniger als
1,25 Dollar am Tag auskommen müssen. 2005 seien es nur noch 18 Prozent gewesen. Allein in
China hätten 600 Millionen Menschen den Sprung über die Armutsschwelle geschafft. Dagegen
lebe in Afrika südlich der Sahara weiterhin etwa die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut.

Im Juni 2008 veröffentlichte Mehr als zehn Millionen Millionäre weltweit


das Internetportal „T-Online“ Die Zahl der Dollar-Millionäre ist weltweit drastisch gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es
folgende Meldung: mit 10,1 Millionen sechs Prozent mehr als im Vorjahr, wie aus einer veröffentlichten Studie der
Consulting-Firma Capgemini und der Investmentbank Merrill Lynch hervorgeht.
Der Kreis der besonders Wohlhabenden mit mehr als 30 Millionen Dollar Vermögen erweiterte
sich noch schneller: um mehr als 8,8 Prozent auf 103.320 Menschen. […] Das durchschnittliche
Vermögen der Reichen übersprang 2007 erstmals die Marke von vier Millionen US-Dollar. Zu-
sammen verfügten sie über 40,7 Billionen Dollar (26,2 Billionen Euro) – ein Plus von 9,4 Prozent
gegenüber 2006.
[…] Nach der Studie dürfte sich das Vermögen der Millionäre bis 2012 um jährlich 7,7 Prozent
auf dann 59,1 Billionen US-Dollar erhöhen.

„Die Unterschiede im Lebens- Gregory Mankiw in seinem wie kann das sein? Wieso muss bevölkerung) insgesamt mehr
standard rund um die Welt Standardwerk „Die Grundzüge ein Viertel der Weltbevölke- als 40 Billionen Dollar auf
sind erschütternd“, bestätigt der Volkswirtschaftslehre“ (das rung mit je 1,25 Dollar am ihren Konten haben? Warum
der Harvard-Professor Nicholas übrigens auch interessierten Tag auskommen, während die erwirtschaften die Menschen
Nicht-Ökonomen empfohlen 10 Millionen Millionäre (das in Sierra Leone oder Malawi
sei; siehe Literaturliste). Doch sind 0,15 Prozent der Welt- ein Bruttoinlandsprodukt von

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rund 300 Dollar pro Kopf und standards sind fast gänzlich gen) ausgestattet sind bzw. das in Land A eine größere Güter-
Jahr, die Luxemburger aber den Unterschieden in der Pro- Land über mehr Wissen und menge pro Zeiteinheit herstel-
mehr als 80.000 Dollar? duktivität geschuldet. Know-how verfügt als Land B. len können als die Menschen
in Land B, dann erzielen sie
Lassen wir einmal alle soziolo- Wenn Ökonomen von unter- Warum investieren? auch höhere Einkommen,
gischen, kulturellen, religiösen schiedlichen Produktivitäten sprich einen höheren Lebens-
und ideologischen Erklärungen reden, dürfen wir das aber Das ist auch der Grund dafür, standard. Für die Wirtschafts-
beiseite und konzentrieren uns keinesfalls missverstehen. Eine dass in den meisten modernen politiker in Land B kann das
ganz auf das Ökonomische, höhere Arbeitsproduktivität in Volkswirtschaften die Arbeits- also nur heißen: Sie müssen die
dann ist die Antwort auf diese Land A bedeutet nicht, dass produktivität langfristig steigt, Produktivität erhöhen, indem
Fragen „überraschend einfach“, die Beschäftigten dort „flei- während die Kapitalproduktivi- sie zum Beispiel für bessere Bil-
wie Ökonom Mankiw sagt: ßiger“ sind als die in Land B, tät stagniert oder sogar fällt. dung und eine bessere Ausstat-
Die Unterschiede der Lebens- sondern nur, dass die Arbeits- Wenn nun die Beschäftigten tung mit Produktionsmitteln
plätze in Land A mit einem wie Anlagen und Maschinen
leistungsfähigeren Kapitalstock sorgen. Kurzum: Land B muss
(das sind Maschinen und Anla- seine Investitionen erhöhen.
Was ist das?
Was ist das?

Investitionen
Produktivität „Ich hab’ heute in ein neues Fahrrad investiert“ – auch
„Er war heute wieder besonders produktiv“ – solche
das ist ein Satz, den Bodo und Berta Bundesbürger so
Aussagen hören wir zwar fast jeden Tag, doch mit der
und so ähnlich tagtäglich sagen, der aber die wahre Be-
Produktivität im ökonomischen Sinne hat das nur wenig
deutung von Investitionen verkennt. Denn als Investi-
zu tun. Produktiv sein, darunter versteht der Volksmund
tion gelten nur Ausgaben, die darauf abzielen, zukünftig
meist, „besonders viel getan zu haben“ oder „besonders
Erträge zu erwirtschaften. Der Kauf eines Fahrrads wäre
kreativ“ zu sein. Die Volkswirtschaftslehre aber definiert
also nur dann eine Investition, wenn man mit diesem
Produktivität so:
Fahrrad Geld verdienen will – zum Beispiel als Fahrrad-
Output
Kurier.
Input
In einer Volkswirtschaft gibt es verschiedene Investiti-
Produktivität ist also das Verhältnis zwischen der produ- onen: Sachinvestitionen in Maschinen, Werkhallen oder
zierten Menge und den dafür eingesetzten Mitteln. Öko- die Infrastruktur sollen die Leistungs- und Wettbewerbs-
nomen kennen drei Produktivitäten: fähigkeit erhöhen. Werden lediglich alte durch neue
• Die Arbeitsproduktivität gibt an, welche Menge an Maschinen ersetzt, spricht man von Ersatzinvestitionen.
Gütern und Dienstleistungen (Output) pro eingesetzte Kommt zu den vorhandenen Maschinen noch eine wei-
Arbeitsstunde (Input) produziert wird. tere hinzu, wird also der Kapitalstock erweitert, so nennt
• Die Kapitalproduktivität gibt an, welche Menge an man das Erweiterungsinvestitionen. Werden noch funkti-
Gütern und Dienstleistungen (Output) im Verhältnis onstüchtige, aber technisch veraltete Anlagen gegen mo-
zum eingesetzten Kapital (Input) erwirtschaftet wird. derne ausgetauscht, dann sind das Rationalisierungsin-
• Die Faktorproduktivität berücksichtigt beides, Arbeit vestitionen. Außerdem gibt es noch Finanzinvestitionen,
und Kapital. Sie gibt also an, welche Menge an Gütern zum Beispiel der Kauf von Aktien, sowie Bildungsinves-
und Dienstleistungen (Output) im Verhältnis zur ein- titionen, zum Beispiel in neue Hochschulen. Darüber
gesetzten Arbeit und zum eingesetzten Kapital (Input) hinaus unterscheidet man noch zwischen staatlichen und
produziert wird. privaten (unternehmerischen) Investitionen.

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,
Hätten Sie s gewusst
???
• Im Mai 2006 ist die Verschuldung der öffentlichen Haus-
h
Sozialleistungen zu gewähren.
Wie wir bereits gesehen haben,
hat dies unter anderem dazu
ausgelösten gewaltigen Globa-
lisierungsschub. Auch wenn es
das Phänomen der Globalisie-
ggeführt, dass sich Deutschland rung in Wahrheit schon früher
halte in Deutschland erstmals über die Marke von 1,5 Billi- sschon mehrmals mit dem un- gegeben hat – was sich seit dem
onen Euro gestiegen. Bis zum Frühjahr 2009 kamen weitere rrühmlichen Titel des „Arbeits- Zusammenbruch des Kommu-
36 Milliarden Euro hinzu – ein Grund dafür waren die Kon- kkosten-Weltmeisters“ schmü- nismus und der Planwirtschaft
junkturpakete, mit denen die Bundesregierung die Folgen der ccken musste. Die hohen Löhne in der Wirtschaftswelt abspielt,
weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise abfedern will. uund Gehälter waren so lange ist in der Tat einmalig.
• Statistisch gesehen belasten die Staatsschulden jeden ein- kkein Problem, wie Deutschland
zelnen Bundesbürger mit fast 19.000 Euro. Um ein weiteres mmit einer entsprechend hohen Nehmen wir nur das Beispiel
Ausufern der Staatsverschuldung zu verhindern, hat der PProduktivität dagegenhalten der EU-Erweiterung um die
Gesetzgeber eine „Schuldenbremse“ beschlossen: Demnach kkonnte. osteuropäischen Staaten im
gilt ab 2016 (Bund) bzw. 2020 (Länder) ein sogenanntes Jahr 2005: Mit einem Schlag
Neuverschuldungsverbot. IIm Nachhinein lässt sich kaum ist die europäische Staatenge-
• Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler wächst der eexakt sagen, wann der deutsche meinschaft um 75 Millionen
öffentliche Schuldenberg in jeder einzelnen Sekunde um PProduktivitätsvorsprung verlo- Menschen gewachsen – und
mehr als 4.400 Euro. Allein in der Zeit, die Sie für das Lesen rren gegangen ist, doch datieren diese 75 Millionen Menschen
dieses kleinen Kastens brauchen, steigt die Staatsverschul- wwir die „Wende“ der Einfach- sind auch Konkurrenten.
dung um mehr als 100.000 Euro. hheit halber auf die wohl größte Deutsche Unternehmen (aber
(w
(wirtschafts-)politische Zäsur natürlich auch britische, fran-
Um zu sehen, wie überlebens- Die Folgen der rasant stei- nach dem Zweiten Weltkrieg: zösische, spanische und viele
wichtig Investitionen für eine genden Staatsverschuldung den Fall der Berliner Mauer, andere) bauen Produktions-
Volkswirtschaft sind, müssen werden uns auf unserer Reise also den Zusammenbruch des stätten in Polen, Ungarn oder
wir aber nicht nach Afrika oder durch die Marktwirtschaft Ostblocks und den dadurch Lettland. Dort werden mit
in all die anderen bettelarmen leider noch oft begleiten. An
Staaten dieser Welt schauen, dieser Stelle aber geht es erst
sondern können uns getrost
an die eigene Nase fassen. Für
das Jahr 2006 hatte die deut-
einmal „nur“ um die Auswir-
kungen der Verschuldung auf
die Leistungsfähigkeit der deut-
,
Hätten Sie s gewusst
???
Die Kennzeichnung „made in Germany“ wurde Ende des
sche Bundesregierung zum schen Volkswirtschaft. 19. Jahrhunderts in Großbritannien erfunden – und zwar aus
wiederholten – und vorerst Ein kurzer Rückblick: Jahr- einem ganz bestimmten Grund: Die Briten, aber auch andere
letzten – Mal in Folge einen zehntelang war „made in europäische Industrienationen, wollten sich damit gegen
verfassungswidrigen Haushalt Germany“ so etwas wie eine „minderwertige Nachahmungsprodukte“ schützen, wie es im
aufgestellt. Dies ist nach Ar- Garantie für Wachstum und Handelsmarkengesetz von 1887 hieß. Die Kennzeichnung
tikel 115 des Grundgesetzes Wohlstand. Deutsche Waren, „made in Germany“ sollte es der britischen Bevölkerung
immer dann der Fall, wenn der insbesondere Maschinen, Anla- leichter machen, die Waren des Gegners zu erkennen und zu
Staat in einem Jahr mehr neue gen und Autos, waren weltweit boykottieren. Zwar wurde die Kennzeichnung auch nach
Schulden macht, als er für neue so begehrt, dass es sich die Volks- dem Krieg beibehalten – allerdings entpuppte sie sich schnell
Straßen, Forschungsprojekte, wirtschaft Deutschland schein- als Eigentor: Weil nämlich die Qualität der Waren aus
Universitäten und andere bar locker leisten konnte, den Deutschland in der Regel sehr gut war, entwickelte sich
Investitionsprojekte ausgibt. Beschäftigten immer höhere „made in Germany“ in kurzer Zeit zu einem weltweit aner-
Löhne zu zahlen und der Be- kannten Qualitätssiegel.
völkerung immer umfassendere

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Angebot trifft Nachfrage: Wie Märkte (nicht) funktionieren

modernster Technik (wir erin-


nern uns: mit einem leistungs- Was ist das?
fähigen Kapitalstock) Autos,
Maschinen, Handys und viele
andere Produkte hergestellt,
die sich durch zweierlei aus-
BIP und BSP
„Ja, ja, ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt“
zeichnen: Zum einen sind sie
– mit diesem Ohrwurm eroberte die Gruppe „Geier Sturzflug“ 1983 nicht nur Platz eins
qualitativ genauso gut wie die
der deutschen Hitparade, der Song „Bruttosozialprodukt“ eroberte auch Platz eins in
in Deutschland hergestellten
Österreich und der Schweiz und wurde zudem ins Französische, Englische und Nieder-
Waren – vor allem aber können
ländische übersetzt. Doch was ist eigentlich das Bruttosozialprodukt (BSP) und wie unter-
sie aufgrund der wesentlich
scheidet es sich vom Bruttoinlandsprodukt (BIP)?
niedrigeren Löhne zu viel
• Das Bruttoinlandsprodukt gibt den Marktwert aller Güter (wie Möbel oder Autos) und
niedrigeren Kosten hergestellt
aller Dienstleistungen (wie einen Friseurbesuch oder eine Autoreparatur) an, die in einem
werden. So muss ein Unterneh-
Land in einem bestimmten Zeitabschnitt hergestellt werden. Wichtig ist dabei die Eingren-
men für einen westdeutschen
zung „in einem Land“: Denn arbeitet zum Beispiel ein Türke vorübergehend in Deutsch-
Arbeitnehmer rund 3.800 Euro
land, zählt seine Leistung auch zum deutschen Bruttoinlandsprodukt; dagegen zählt das,
im Monat aufbringen, Polen
was ein deutscher Staatsbürger mit seinem Betrieb in der Türkei herstellt, zum türkischen
oder Tschechen erledigen den
BIP. Das Bruttoinlandsprodukt ist also ein INLANDskonzept: Es misst die gesamte
gleichen Job für 800 Euro.
Produktion in einem Land, unabhängig davon, welche Staatsangehörigkeit die Produ-
zenten haben.
Teufelskreis Verschuldung
• Das Bruttosozialprodukt, heute Bruttonationaleinkommen genannt, erfasst grundsätz-
lich das Gleiche wie das BIP, allerdings mit einem Unterschied: Während das BIP auf das
Lange Rede, kurzer Sinn: Die
Inland abzielt, geht es beim BSP um die INLÄNDER: Es misst den Marktwert aller Waren
Volkswirtschaft Deutschland
und Dienstleistungen, die von Personen erbracht werden, die dauerhaft in einem Land
kann ihre exorbitant hohen
leben. Wenn also ein türkischer Staatsbürger nur vorübergehend in Deutschland arbeitet,
Löhne nicht mehr mit einer
zählt seine Leistung nicht zum deutschen BSP, sondern zum türkischen. Und das, was ein
entsprechend hohen Produk-
deutscher Staatsbürger mit seinem Unternehmen in der Türkei herstellt, erhöht das deut-
tivität erwirtschaften und
sche BSP, nicht aber das türkische.
müsste, um wieder konkur-
Der Unterschied zwischen BIP und BSP in Zahlen: Im Jahr 2007 betrug das deutsche BIP
renzfähig zu werden, dringend
2.423,8 Milliarden Euro, das BSP war mit 2.446,4 Milliarden Euro um 22,6 Milliarden
investieren – sehr dringend.
Euro oder 0,9 Prozent höher.
Und genau hier liegt der Hase
im Pfeffer: Statt zum Beispiel
in neue Technologien zu in-
vestieren, statt also Geld aus- Jahr auf 8.500 Euro gestie- Nun muss man eigentlich nahmejahre haben alle bishe-
zugeben, um künftig Erträge gen – ein Zuwachs von rund nicht Adam Riese heißen, um rigen Bundeskanzler und ihre
zu erzielen, hat Deutschland 1.300 Prozent. Machten die zu erkennen, dass das beim Ministerriegen stets wesentlich
in den vergangenen Jahr- Sozialleistungen damals noch besten Willen nicht gutgehen mehr Geld ausgegeben als sie
zehnten immer mehr Geld rund 21 Prozent des Brutto- konnte. Doch ob nun Konrad an (Steuer-)Einnahmen verbu-
„verfrühstückt“, sprich für inlandsprodukts (BIP) aus, so Adenauer, Ludwig Erhard, chen konnten. Allein seit der
soziale Wohltaten ausgegeben. sind es inzwischen schon über Kurt Georg Kiesinger, Willy Wiedervereinigung haben sich
Zwischen 1960 und 2006 sind 30 Prozent, also fast ein Drittel Brandt, Helmut Schmidt, die Bundesschulden mehr als
die Sozialausgaben je Einwoh- all dessen, was jedes Jahr er- Helmut Kohl oder Gerhard verdreifacht.
ner von knapp 600 Euro pro wirtschaftet wird. Schröder: Bis auf wenige Aus-

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gestiegen. Doch was auf den
„Jeden Morgen er-
Was ist das? ersten Blick noch recht pas-
wacht in Afrika eine
sabel aussieht, entpuppt sich
im internationalen Vergleich Gazelle. Sie weiß,
als äußerst dürftig: Erstens ist
Der Europäische Stabilitätspakt Deutschland mit diesem Ein-
dass sie schneller
Im Jahr 1991 beschloss die Europäische Union im hollän-
kommensniveau von Platz vier sein muss als der
dischen Maastricht die Einführung des Euro. Da die da-
mals 15 Mitgliedsstaaten aber die Hoheit über ihren Staats-
auf Platz acht in der EU-15 schnellste Löwe.
abgerutscht; zweitens haben
haushalt behalten haben und die Stabilität einer Währung
selbst die einstigen europä-
Jeden Morgen er-
nicht zuletzt von der Haushaltsdisziplin abhängt, müssen
ischen „Armenhäuser“ Irland wacht in Afrika ein
die einzelnen Staatshaushalte seitdem bestimmte Anfor-
derungen erfüllen, die sogenannten Maastricht-Kriterien.
(153 Prozent), Griechenland Löwe. Er weiß, dass
(60 Prozent) und Portugal (57
Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) darf danach
Prozent) besser abgeschnitten;
er nicht langsamer
• die Gesamtverschuldung maximal 60 Prozent betragen
und drittens belegen die Deut- sein darf als die
und
• die jährliche Neuverschuldung maximal 3 Prozent
schen mit ihrem Zuwachs von langsamste Gazelle.
41 Prozent ebenfalls den letz-
ausmachen.
ten Platz im EU-Ranking.
Egal ob wir Gazelle
sind oder Löwe – wir
Die Arbeitslosenquote lag im müssen rennen!“
Hier schließt sich also der Teu- Jahren. Dieses Jahrzehnt, in Jahr 2005 nach internationaler
Heinz Dürr
felskreis: Weil der Staat sich dem praktisch die gesamte Definition bei 9,5 Prozent
immer mehr verschuldet und Wirtschaftswelt neu definiert und damit deutlich über dem
das geliehene Geld noch nicht worden ist, muss für Deutsch- EU-Durchschnitt von 8,8 Pro- Also renn’, Deutschland, renn’.
einmal investiert, sondern land als verlorenes Jahrzehnt zent. Länder wie Luxemburg, Nur: wohin? Oder anders
sprichwörtlich auf den Kopf gelten. Denn: Irland, die Niederlande und gefragt: Wenn die Wirtschafts-
gehauen hat, ist dem Wachs- Österreich hatten sogar nur politik der vergangenen Jahr-
tum förmlich der Boden unter Die Wachstumsrate der Quoten von höchstens 5 Pro- zehnte offensichtlich falsch
den Füßen weggebrochen. deutschen Volkswirtschaft ist zent. Umgekehrt musste sich war, wie sieht dann die richtige
Konnte die Bundesrepublik seit 1993 (davor gab es noch die Bundesrepublik zusammen aus? Was müssen wir tun,
diese fatale Wirtschaftspolitik einen zweijährigen „Wieder- mit Dänemark und Italien bei damit die deutsche Volkswirt-
in den Jahren nach der Wieder- vereinigungs-Boom“) in jedem einem Plus von rund 3 Prozent schaft wieder wächst, damit
vereinigung noch kaschieren einzelnen Jahr unter dem euro- mit dem niedrigsten Beschäf- neue Arbeitsplätze entstehen
– man nahm einfach noch päischen Durchschnitt geblie- tigungszuwachs seit 1990 und der Wohlstand steigt?
mehr und noch mehr Kredite ben. Gleich mehrmals landete zufriedengeben – Irland und Zugegeben, den meisten Bun-
auf – setzte der Europäische Deutschland, immerhin die Luxemburg dagegen konnten desbürgern geht es nach wie
Stabilitätspakt dem Treiben größte Volkswirtschaft Euro- die Zahl der Arbeitsplätze vor vergleichsweise gut. Doch
enge Grenzen. pas, sogar auf dem letzten Platz jeweils um rund die Hälfte selbst die größten Optimisten
der damals 15 EU-Mitglieder. erhöhen. müssen eingestehen: Es geht
Wohin die angeblich so sozi- in geradezu atemberaubendem
ale Marktwirtschaft geführt Die Einkommen je Einwoh- Und was lernen wir daraus? Tempo bergab. Hier nur drei
hat, zeigt die Entwicklung der ner sind von 1991 bis 2003 Beispiele, die im wahrsten
wichtigsten ökonomischen zwar um 41 Prozent auf umge- Sinne des Wortes zeigen,
Kennziffern in den neunziger rechnet 27.350 Dollar pro Jahr wie arm es um die Zukunft

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Angebot trifft Nachfrage: Wie Märkte (nicht) funktionieren

Deutschlands bestellt ist, wenn


wir nicht grundlegend umsteu-
ern:

▼ Nach Angaben der Bundes-


agentur für Arbeit hat sich die
Zahl der Kinder, die auf Sozial-
hilfeniveau leben, von 2004 bis
Mitte 2006 auf 2,5 Millionen
verdoppelt.

▼ Nach dem jüngsten


Armutsbericht der Bundes-
regierung ist die Zahl der
Haushalte, die unterhalb der
Armutsgrenze leben, von 12,2
Prozent im Jahr 1989 auf
inzwischen 17,3 Prozent ge- enorme Probleme, die jünge- Strategie. Wir müssen uns ein
„Die Wettbewerbs-
stiegen. ren Generationen adäquat auf Ziel setzen und dann überle-
die Herausforderungen der fähigkeit eines gen, wie wir es erreichen. Das
▼ Nach den Ergebnissen der Zukunft vorzubereiten. So Landes beginnt Ziel ist wohl allen klar: Wir
PISA-Studie hängen die Bil- schneiden deutsche Schüler bei wollen, dass die Wirtschaft
nicht in der Fabrik-
dungschancen der jungen Ge- internationalen Leistungsver- wieder nachhaltig wächst, dass
nerationen in keinem anderen gleichen wie dem PISA-Test halle oder im For- also neue Arbeitsplätze ge-
Land so sehr von der sozialen erschreckend schlecht ab; und schungslabor. Sie schaffen werden und möglichst
Herkunft ab wie in Deutsch- jedes Jahr bekommen Zehntau- viele Menschen am Wohlstand
beginnt im Klassen-
land. Im beschämenden Klar- sende von Jugendlichen keine teilhaben können. Bleibt die
text: Arbeiterkinder werden Ausbildungsstelle, weil sie zimmer.“ Frage, wie wir das erreichen
Arbeiter, Chefarztkinder wer- einfach nicht die nötigen schu- Henry Ford können. Hat jemand dazu
den Chefarzt. lischen und persönlichen Vor- irgendwelche Vorschläge?
aussetzungen für eine Ausbil- Also zurück auf die Schulbank.
Wir haben nicht umsonst drei dung mitbringen. Im einstigen Thema heute: Wirtschaftspo- „Wir könnten die Löhne al-
Beispiele gewählt, die direkt Land der Dichter und Denker litik. Daniel Deutsch, erklären ler Beschäftigten verdoppeln.
oder indirekt mit dem Nach- sind die Defizite an Bildung, Sie uns doch mal, was Wirt- Dann können die Leute mas-
wuchs zu tun haben. Denn so Leistungsbereitschaft und so- schaftspolitik überhaupt ist senhaft Geld ausgeben, also
wie die fehlenden Investitionen zialer Kompetenz inzwischen und welche Arten es gibt. steigt die Nachfrage, die Wirt-
dem Wachstum den Boden so groß, dass sich Gesellschaft schaft wächst wieder und die
entziehen, krankt auch der und Politik ernsthaft Sorgen „Die Unternehmen wollen Unternehmen schaffen neue
deutsche Arbeitsmarkt an einer machen müssen, ob sich die mit dem geringsten Einsatz Arbeitsplätze.“
wegbrechenden Basis – und jungen Generationen auf den den größtmöglichen –“ ...
das gleich doppelt: Einerseits durch und durch von harten So, so – und wer bezahlt das al-
werden immer weniger Kin- Konkurrenzkämpfen geprägten Schluss! Aus! Ende! So wird les? Wo soll denn zum Beispiel
der geboren; andererseits hat Märkten noch behaupten das nichts. Also: Als Erstes der Bäcker um die Ecke das
die Gesellschaft offensichtlich können. brauchen wir einen Plan, eine Geld dafür hernehmen, seinen

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Angestellten von heute auf ewige Auf und Ab ein Graus. hat (siehe Kasten unten) sogar schaftspolitik: Welches Ziel
morgen das doppelte Gehalt Stattdessen wollen sie am liebs- etwas Magisches an sich. sie auch immer verfolgt und
zu zahlen? Dieses Geld muss ten heute schon wissen, was welche Maßnahmen sie auch
der Bäcker doch erst einmal morgen passiert – sie sehnen Das „Magische Viereck“ ist ein immer dafür einsetzt – da es
verdienen – müsste er dann sich nach Stabilität und Sicher- Paradebeispiel für das Grund- die eierlegende Wollmilchsau
nicht auch die Preise für seine heit. So gesehen ist staatliche problem einer jeden Wirt- nun einmal nicht gibt, hat alles
Brötchen und seinen Kuchen Wirtschafts- oder Konjunktur- immer zwei Seiten: Chance
verdoppeln? politik im Grunde genommen und Risiko, Gewinner und
nichts anderes als der Versuch, Verlierer, Pro und Contra. An-
„Tja … äh …“ das Sicherheitsbedürfnis der Was ist das?
Menschen zu befriedigen.
Nun gut, wir ahnen schon
– ganz so einfach ist die Sache Nun muss man kein Nobel- Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht
mit der Wirtschaftspolitik preisträger für Wirtschafts- Man nehme vier Zutaten: ein stabiles Preisniveau, eine
nicht. Deshalb schlagen wir wissenschaften sein, um zu hohe Beschäftigung, ein außenwirtschaftliches Gleichge-
jetzt einmal das Lehrbuch auf erkennen, dass dieser Versuch wicht sowie ein angemessenes und stetiges Wirtschafts-
und schauen nach, ob und mit wahrlich einer Sisyphus-Auf- wachstum – und fertig ist das gesamtwirtschaftliche
welchen Maßnahmen der Staat gabe gleicht. Denn egal ob es Gleichgewicht. So jedenfalls stellte es sich die damalige
die Konjunktur steuern kann. um die Produktion geht, um Bundesregierung unter Kurt Georg Kiesinger vor, als sie
Und ob er das überhaupt soll. die Beschäftigung, die Einkom- im Jahr 1967 das „Stabilitäts- und Wachstumsgesetz“
men oder die Preise – in einer aus der Taufe hob. Unter Ökonomen sind die vier in
Marktwirtschaft ist alles einem §1 formulierten wirtschaftspolitischen Ziele auch als
Ist Wirtschaft permanenten Wandel unter- „Magisches Viereck“ bekannt. Zu Recht, denn tatsächlich
+ Politik = Wirt- worfen. Trotzdem (oder gerade würde es schon an Zauberei grenzen, wenn alle vier Ziele
schaftspolitik? deshalb?) geben sich die Re- gleichzeitig erreicht würden. Das kann schon deshalb
gierungen auf der ganzen Welt nicht funktionieren, weil sie teilweise in Konkurrenz
Mal steigen die Preise, mal fal- alle erdenkliche Mühe, die an zueinander stehen.
len sie; das eine Unternehmen sich unausweichlichen Schwan- Solch ein Zielkonflikt ergibt sich zum Beispiel dann,
muss alle seine Mitarbeiter ent- kungen im Konjunkturzyklus wenn ein Staat versucht, gleichzeitig eine hohe Inflation
lassen, ein anderes sucht hän- zu glätten. (Ziel: Preisstabilität) und eine hohe Arbeitslosigkeit (Ziel:
deringend Facharbeiter; dem hohe Beschäftigung) zu bekämpfen. Stark vereinfacht
Häuslebauer sind die Zinsen In Deutschland hat man dazu dargestellt besteht das Dilemma in diesem Fall darin: Um
zu hoch, dem Sparbuchbesitzer sogar eigens das „Stabilitäts- den Preisanstieg zu bremsen, verkleinert die Europäische
zu niedrig; der eine verdient und Wachstumsgesetz“ erfun- Zentralbank (das ist sozusagen die Bundesbank der EU)
Millionen, der andere muss mit den. Es beginnt mit einem die Geldmenge. Sie tut das, indem sie die Zinsen erhöht,
einem Niedriglohn zurecht- recht unscheinbaren Satz: sodass die Verbraucher und die Unternehmen weniger
kommen – die Marktwirtschaft „Bund und Länder haben bei Kredite aufnehmen. Dadurch haben die Menschen logi-
ist das perfekte Spiegelbild ihren wirtschafts- und finanz- scherweise weniger Geld, das sie ausgeben können. Das
des richtigen Lebens: Der eine politischen Maßnahmen die wiederum führt zu weniger Umsatz bei den Unternehmen
will dies, der andere das; mal Erfordernisse des gesamtwirt- und, im schlimmsten Falle, zu Entlassungen. Zumindest
regnet es, dann wieder scheint schaftlichen Gleichgewichts für eine gewisse Zeit wird also das Ziel Preisstabilität mit
die Sonne. Doch so banal diese zu beachten.“ Doch dieses einer höheren Arbeitslosigkeit „erkauft“ – sprich das Ziel
Erkenntnis auch sein mag, „gesamtwirtschaftliche Gleich- einer hohen Beschäftigung verfehlt.
den meisten Menschen ist das gewicht“ ist nicht ohne – es

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schauungsmaterial dafür liefert


der Alltag zuhauf: Wir können
Was ist das?
nicht einerseits die Steuern
massiv senken und andererseits
die staatlichen Leistungen Ordnungspolitik
erhöhen. Wer niedrigere Sozi- „Ordnung ist das halbe Leben – woraus mag die andere Hälfte bestehen?“ Zumindest
albeiträge fordert, kann nicht in Sachen Wirtschaftspolitik können wir diese eher rhetorische Frage von Heinrich Böll
auf steigende Rentenzahlungen leicht beantworten: Die andere Hälfte, das sind all jene Maßnahmen, mit denen die Wirt-
hoffen. Kürzere Arbeitszeiten schaftspolitik kurzfristig in den Verlauf des Geschehens eingreift. Zu dieser Ablauf- oder
und gleichzeitig mehr Lohn Prozesspolitik gehört zum Beispiel alles rund ums Geld, also etwa die Themen Steuern
– wie soll das gehen? Geiz mag und Preise.
für die Verbraucher geil sein, Bei der Ordnungspolitik dagegen geht es um die langfristige Wirtschaftspolitik, also da-
für den kleinen Einzelhändler rum, eine dauerhafte marktwirtschaftliche Ordnung (auch Rahmenbedingungen genannt)
um die Ecke kann er das Aus zu organisieren und zu erhalten. Weil dies vor allem durch Gesetze geschieht, ist Ord-
bedeuten. nungspolitik eine Aufgabe der Legislative, in erster Linie also der Parlamente auf Bundes-
und Landesebene. Das Kernstück der Ordnungspolitik ist die Wettbewerbspolitik. Sie soll
Damit erst gar kein Miss- dafür sorgen, dass die marktwirtschaftlichen Prinzipien nicht ausgehebelt werden. Ord-
verständnis aufkommt: Die nungspolitik setzt auf den freien Wettbewerb und die „unsichtbare Hand“ des Marktes,
Tatsache, dass praktisch jede um Wohlstand für alle zu schaffen.
wirtschaftspolitische Maßnah- Ordnungspolitische Prinzipien
me für den einen oder anderen • Der Staat hat den freien Wettbewerb der Individuen und Gruppen zu gewährleisten,
auch unerwünschte Nebenwir- indem er zum Beispiel Preisabsprachen oder Kartelle unterbindet (wenn Unternehmen
kungen hat, darf keineswegs mit dem Zweck kooperieren, den Wettbewerb zu verhindern oder zu beschränken).
als Bankrotterklärung der • Die staatliche Sozialpolitik hat dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe (Subsidiaritäts-
Marktwirtschaft interpretiert prinzip) zu entsprechen. Das heißt: Die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen hat
werden. Nein, es ist sogar um- Vorrang vor dem staatlichen Handeln – auf Deutsch: Was der kleine oder große Mann
gekehrt: Die Marktwirtschaft selbst erledigen kann, daraus soll sich der Staat raushalten.
lebt geradezu davon! Gewinne • Subventionen, also staatliche (Finanz-)Hilfen, dürfen nur ausnahmsweise und vor-
hier, Verluste da; eine Firma übergehend gewährt werden; sie dienen als Anpassungshilfe, nicht aber zur Erhaltung
bekommt den Auftrag, die von Wirtschaftsstrukturen oder -zweigen.
andere geht leer aus; ein Land Beispiele ordnungspolitischer Maßnahmen
ist Wachstumsweltmeister, ein • Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes 1998, die das Monopol der Tele-
anderes hält die rote Laterne kom im Festnetz abschaffte.
– die Marktwirtschaft ist wie • Die Novelle der Handwerksordnung 2004, die den Meisterzwang in vielen Handwerks-
die Fußballbundesliga oder bereichen abschaffte.
„Deutschland sucht den Su- • Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der ehemaligen DDR im Jahr 1990.
perstar“ oder das Leben über- • Der Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im
haupt: Sie lebt vom Wettbe- Jahr 1957 und die Mitunterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) im
werb, denn sie ist Wettbewerb. Jahr 1986, die den europäischen Binnenmarkt schafften.
Doch um zu gewinnen, muss • Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) im Jahr 1957 und dessen
man eine Niederlage riskieren. Novellierung sowie die Einführung der Fusionskontrolle im Jahr 1973.
• Die Errichtung einer politisch unabhängigen Notenbank (Deutsche Bundesbank) im
Wettbewerb ist nichts Verwerf- Jahr 1957, die der Geldwertstabilität verpflichtet ist.
liches, sondern geradezu natür-

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lich: Kleinkinder messen ihre jeder Legislaturperiode haben 1972 verschlimmbesserte fatalen Folgen für die Arbeits-
Kräfte im Spiel, Hunde laufen Politiker und Funktionäre die Arbeits- und Sozialmini- kosten: Ohne Reformen werden
um die Wette, Pflanzen wett- grundlegenden Regeln der ster Walter Arendt (SPD) die Pflege-Beiträge von heute
eifern ums Sonnenlicht. Wett- Marktwirtschaft missachtet – Adenauers dynamische Rente 1,7 Prozent des Bruttolohns auf
bewerb ist die Suche nach dem angeblich stets „zum Wohle durch die Einführung einer 6 Prozent im Jahr 2040 steigen.
Besseren, nach Fortschritt und der Bürger“, doch tatsächlich flexiblen Altersgrenze. Binnen
Erkenntnis – ohne dieses Stre- zu deren Schaden. Hier einige zehn Jahren sank dadurch das 2002 schwieg Verkehrsmi-
ben säße der Mensch noch heu- Beispiele: durchschnittliche Rentenalter nister Manfred Stolpe (SPD)
te auf den Bäumen und würde um 2,5 Jahre – und bis heute beharrlich zu den Zweckent-
die Erde noch immer für eine 1955 sorgte Agrarminister werden ältere Arbeitnehmer fremdungen der Gelder aus
Scheibe halten. Doch so wie Heinrich Lübke (CDU) mit auf Kosten der Sozialkassen aus dem Solidarpakt durch die
die Natur bestimmten Gesetzen seinem „Landwirtschaftsgesetz“ dem Arbeitsmarkt gedrängt. ostdeutschen Ministerpräsi-
unterliegt, so braucht auch die dafür, dass fortan Produktions- denten. Leidtragende sind die
Marktwirtschaft Regeln. Damit mittel wie Dünger und Diesel 1985 sorgten Sozialpolitiker Steuerzahler, die die Milliar-
sind wir bei einem Schlüssel- sowie Endprodukte wie Milch wie Norbert Blüm (CDU) den-Lasten schultern.
begriff der Wirtschaftspolitik und Eier subventioniert wur- dafür, dass das Arbeitslosen-
angelangt: der Ordnungspolitik den. Im Jahr 1957 folgte die geld auf zwei Jahre verlängert 2008/09 2008/2009 wurden
(siehe Kasten Seite 19). „Gemeinsame Agrarpolitik“ des wurde – eine Maßnahme, die für einige Branchen Mindest-
EG-Vertrages; seither bestim- Arbeitslosen lange Zeit den löhne eingeführt. Diese staat-
Politik und Ordnung men Preiseingriffe, Ausgleichs- Anreiz nahm, sich einen neuen lich festgelegten Löhne sind ein
zahlungen, Stützungskäufe, Arbeitsplatz zu suchen. Eingriff in die Tarifautonomie.
Man kann es Ironie des Schick- Flächenstilllegungsprämien Artikel 9 Absatz 3 des Grund-
sals nennen oder einfach nur und Direktzahlungen das Ge- 1991 erfand Heinrich Franke, gesetzes garantiert nämlich die
kurios – fest steht: Sowohl den schehen auf den europäischen Chef der Bundesanstalt für Ar- Koalitionsfreiheit, gibt also den
Begriff als auch das Konzept Agrarmärkten – alles Subventi- beit, die Arbeitsbeschaffungs- Tarifparteien (das sind in der
der Ordnungspolitik gibt es nur onen, die den Strukturwandel maßnahmen (ABM). Wenn Regel die Arbeitgeberverbände
in Deutschland. Und dennoch behindern, den Wettbewerb die Privatwirtschaft nicht und die Gewerkschaften) das
haben deutsche Bundesregie- verzerren und zudem für genügend Jobs schaffe, müsse Recht, ihre Tarifverträge frei
rungen nichts so oft und so überhöhte Lebensmittelpreise eben der Staat einspringen, von staatlichen Eingriffen ab-
sträflich vernachlässigt wie die sorgen. so die Idee. Doch obwohl die zuschließen.
ordnungspolitischen Prinzipien. Sinnlosigkeit von ABM längst
Wer wissen will, warum sich 1967 initiierte Wirtschafts- bewiesen ist, werden sie auch 2009 wurde in der gesetz-
die größte Volkswirtschaft minister Karl Schiller (SPD) heute noch praktiziert – auf lichen Krankenversicherung
Europas heute in einem derart das „Stabilitäts- und Wachs- Kosten der Beitragszahler. der Gesundheitsfonds einge-
miserablen Zustand befindet, tumsgesetz“, mit dem der Staat führt. Seitdem gilt ein kassen-
der braucht lediglich in die praktisch verpflichtet wurde, 1995 rief Arbeitsminister einheitlicher Beitragssatz von
Archive der deutschen Gesetz- bei einer schwachen privaten Norbert Blüm (CDU) die Pfle- 15,5 Prozent – damit wird der
gebung einzutauchen. Dort Nachfrage einzugreifen und geversicherung ins Leben. Doch Wettbewerb unter den Kran-
befindet sich das „Gruselkabi- z. B. Konjunkturprogramme statt sie durch private Absiche- kenkassen geschwächt. Zwar
nett der deutschen Ordnungs- aufzulegen. Es dauerte aller- rung (Kapital) zu finanzieren, können die Beitragssätze durch
politik“, wie die Tageszeitung dings nicht lange, bis Schiller baute Blüm sie gegen alle Rückerstattungen und Zusatz-
„Die Welt“ die lange Liste der selbst einsah, dass das Konzept ökonomische Vernunft in das beiträge weiterhin variieren,
Verfehlungen einmal so tref- der Globalsteuerung mehr ohnehin überforderte umlagefi- weil diese beiden Instrumente
fend genannt hat. Praktisch in Probleme schafft als es löst. nanzierte Sozialsystem ein. Mit aber stark beschränkt sind, ist

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Angebot trifft Nachfrage: Wie Märkte (nicht) funktionieren

die potenzielle Beitragsspanne den USA sind diese Rechte rung eine Klausel ein, nach weniger Auto fährt, gefährdet
wesentlich geringer als vorher: geradezu heilig, in Deutsch- der die älteren Generationen die Rente seiner Oma.
Konnten die Versicherten vor land aber werden sie schon einen Teil der durch die demo-
Einführung des Einheitssatzes vom Grundgesetz drastisch grafische Entwicklung stei- ▲ Auch mit der Tabaksteuer
durch einen Kassenwechsel bis eingeschränkt: In Artikel 14 genden Lasten tragen sollen, verfolgt der Staat zwei wider-
zu 1.800 Euro jährlich einspa- Absatz 2 heißt es: „Eigentum die nächste Regierung (Schrö- sprüchliche Ziele: Einerseits
ren, so sind es jetzt nur noch verpflichtet. Sein Gebrauch soll der) schafft diese Klausel soll sie dem Finanzminister
1.000 Euro. zugleich dem Wohle der Allge- umgehend wieder ab – um sie möglichst viel Geld zur De-
meinheit dienen.“ Zugegeben, dann zwei Jahre später unter ckung des Staatshaushalts ein-
Wie kann so etwas passieren? dieses Gebot ist ohne Zweifel anderem Namen (Nachhaltig- bringen, andererseits sieht das
Wie kann es sein, dass Politiker gut gemeint, doch von einer keitsfaktor) wieder aufleben zu Gesundheitsministerium
aller Parteien einerseits lauthals freiheitlichen Wirtschafts- lassen. darin eine sogenannte Len-
das Loblied der Marktwirt- verfassung zeugt es nun wirk- kungssteuer, die den Tabak-
schaft singen, andererseits aber lich nicht. Man stelle sich ▲ Die Öko-Steuer soll angeb- konsum bremsen soll. Völlig
immer und immer wieder nur einmal vor, Artikel 14 lich den Energieverbrauch und absurd war dann die Erhöhung
Gesetze verabschieden und Absatz 2 würde, entsprechend damit die Umweltverschmut- der Tabaksteuer im Jahr 2003:
Maßnahmen ergreifen, die abgewandelt, auch im Sport zung reduzieren, gleichzeitig Die Mehreinnahmen von jähr-
offenbar einzig und allein das gelten: „Siege verpflichten. Ihr werden die Einnahmen daraus lich ca. 3 Milliarden Euro flie-
Ziel haben, die Menschen vor Erringen soll zugleich dem aber zur Auffüllung der leeren ßen in vollem Umfang an die
genau dieser Marktwirtschaft Wohle der Allgemeinheit die- Rentenkasse gebraucht. Mit Krankenkassen, um das Ge-
„zu schützen“? Eine Antwort nen.“ Was könnte das bedeu- anderen Worten: Wer jetzt sundheitssystem zu entlasten
darauf ist die geradezu para- ten? Hätte sich Michael Schu- – im Klartext: Je mehr die Leu-
noide Angst der Deutschen vor macher absichtlich von seinen te rauchen, desto besser ist
vermeintlichen Ungerechtig- Konkurrenten überholen lassen das für die Krankenkassen.
keiten und davor, als „Kleiner“ müssen? Oder hätte er seine
von den „Großen“ gefressen zu Gagen mit dem Formel-1-
werden. Publikum teilen sollen? Oder
mit allen Autofahrern, allen
„Wenn der Deut- Italienern, allen Deutschen?

sche hinfällt, dann Wohin solche inhaltlichen


steht er nicht auf, Ungereimtheiten und Wider-
sondern schaut, sprüche in der Praxis führen,
spüren wir alle Tag für Tag am
wer schadens- eigenen Leib. In dem Wahn,
ersatzpflichtig ist.“ es möglichst allen recht zu
Kurt Tucholsky machen, verheddert sich die
deutsche Wirtschaftspolitik seit
Ein Musterbeispiel für die Jahrzehnten in einem Gestrüpp
Haltung, sich möglichst gegen aus Widersprüchen.
alles und jeden abzusichern,
ist die deutsche Interpretation Drei Beispiele:
der Freiheits- und Eigentums- ▲ Die eine Regierung (Kohl)
rechte. In Großbritannien und führt in die Rentenversiche-

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Beispiele wie diese zeigen uns erst recht kein Vorschlag eines angepasst – und zwar selbst funktionierende Marktwirt-
in aller Deutlichkeit, was aus- einzelnen Experten so umge- dann, wenn dadurch nicht nur schaft nicht nur wünschens-
ländische Experten meinen, setzt werden wie geplant. Ob einzelne, sondern sogar alle wert, sondern geradezu über-
wenn sie sagen: Die meisten Steuerreform, Arbeitsmarktre- verlieren. lebenswichtig, doch Egoismus
der deutschen Probleme sind form oder Gesundheitsreform: gepaart mit Unwissen kann
hausgemacht, sprich selbstver- Immer fühlt sich irgendeine Ja, auch so etwas gibt es in ganz schön in die Hose gehen
schuldet. Und in der Tat: Auch Gruppe benachteiligt, also einer Marktwirtschaft: Ent- – wie die höchst interessante
andere Industrieländer haben werden die ursprünglichen scheidungen, bei denen alle Geschichte zweier kleiner Gau-
mit der demografischen Ent- Konzepte den unterschied- verlieren. Zwar ist eine gesunde ner zeigt:
wicklung zu kämpfen, auch sie lichen Egoismen entsprechend Portion Egoismus für eine
stehen im harten Gegenwind
der Globalisierung – doch im
Gegensatz zu Deutschland
haben sie die Zeichen der Zeit Das Gefangenen-Dilemma
erkannt und frühzeitig umge- Zwei Männer, nennen wir sie Ego und Ismus, werden von der Polizei gefangen genommen.
steuert. Deutschland dagegen Der Staatsanwalt wirft ihnen vor, gemeinsam mehrere Überfälle begangen zu haben. Da er
sucht erstens die Schuldigen jedoch keine Beweise hat und die beiden alles vehement abstreiten, bietet er ihnen unabhängig
und gründet zweitens eine voneinander einen Handel an: „Wir haben genug Indizien in der Hand, um euch beide jeweils
Kommission. Oder einen Run- für zwei Jahre hinter Gitter zu bringen, falls ihr weiterhin schweigt. Wenn du aber deinen
den Tisch. Wahlweise auch ein Kollegen verrätst und alles zugibst, dann lassen wir dich zur Belohnung frei und dein Kollege
Bündnis, einen Vermittlungs- bekommt fünf Jahre Strafe.“ Und wenn beide die Überfälle zugeben, so der Staatsanwalt weiter,
ausschuss, eine Schlichterstelle „dann können wir uns eine Menge Arbeit sparen und jeder bekommt eine mittelschwere Strafe
oder irgendein anderes Gre- von vier Jahren“.
mium, in dem hoch bezahlte Ego und Ismus, die sich ja nicht miteinander beraten können, überlegen. Jeder von ihnen hat
Experten eine Lösung ausbal- zwei Strategien: gestehen oder schweigen. Insgesamt stehen ihnen also vier Möglichkeiten zur
dowern – die wird dann aber Verfügung:
nicht eins zu eins umgesetzt,
Ego Ismus Strafe für Ego Strafe für Ismus Strafe insgesamt
sondern in den Mühlen der
schweigt schweigt 2 Jahre 2 Jahre 4 Jahre
Parteipolitik bis zur Unkennt-
schweigt gesteht 5 Jahre frei 5 Jahre
lichkeit zermahlen.
gesteht schweigt frei 5 Jahre 5 Jahre
gesteht gesteht 4 Jahre 4 Jahre 8 Jahre
Von Ego und Ismus
So weit, so schlecht – denn nun kommt das Dilemma: Keiner von beiden weiß, was der jeweils
Doch Vorsicht! Wenn wir von andere tun wird. Weil jedoch beide so glimpflich wie möglich davonkommen wollen, beginnt
Parteipolitik sprechen, dann das große Rechnen. Für Ego ist die Sache schnell klar: „Wenn Ismus schweigt, muss ich geste-
meinen wir keineswegs nur die hen, dann bin ich frei. Wenn er jedoch gesteht, muss ich ebenfalls gestehen, denn dann bekom-
Parteien selber, sondern auch me ich nur vier statt fünf Jahre. Also bin ich – egal was Ismus macht – am besten dran, wenn
und vor allem jene gesellschaft- ich gestehe.“ Dummerweise ist aber auch Ismus nicht dumm – er kommt, ganz der Logik
lichen Gruppen, die sich von folgend, zu demselben Ergebnis wie Ego.
den jeweiligen Parteien vertre- Also kommt, was kommen musste: Am Ende gestehen beide und wandern für insgesamt
ten fühlen. Es ist ein offenes acht Jahre hinter Gitter – die höchste aller möglichen Strafen. Hätten sie sich dagegen abspre-
Geheimnis: In Deutschland chen können, dann hätten beide geschwiegen und wären mit insgesamt 4 Jahren davongekom-
kann praktisch kein Gesetz- men – vorausgesetzt natürlich, beide hätten sich auch an die Absprache gehalten.
entwurf, keine Reform und

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Angebot trifft Nachfrage: Wie Märkte (nicht) funktionieren

Wir ahnen schon: Mit ein


bisschen Phantasie lässt sich
Was ist das?
das Gefangenen-Dilemma
auf unser Thema, die Wirt-
schaftspolitik, übertragen. Ein Angebots- und Nachfragepolitik
aktuelles Beispiel dafür ist die Ob in den alljährlichen Tarifverhandlungen oder in den öffentlichen Diskussionen über
Gesundheitsreform: Ego und die Steuer-, Renten- oder Gesundheitsreform: Beim Streit um die richtige Wirtschaftspolitik
Ismus heißen hier Unionspar- kristallisieren sich fast immer zwei gänzlich gegensätzliche Argumentationslinien heraus:
teien und Sozialdemokraten • Die Anhänger der Nachfragepolitik sind davon überzeugt, dass wirtschaftliche Pro-
– und weil beide Seiten der bleme vor allem durch Schwankungen der Nachfrage verursacht werden – eine Theorie,
jeweils anderen nicht so recht die in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts von dem britischen Ökonomen John
über den Weg trauten, ist am Maynard Keynes entwickelt wurde und deshalb Keynesianismus genannt wird. Leidet
Ende, trotz einiger Fortschritte, eine Volkswirtschaft zum Beispiel unter einem schwachen Wirtschaftswachstum, plädie-
eine ziemlich schlechte Lösung ren die Keynesianer für eine Stärkung der Binnennachfrage durch den Staat. Er soll sich
herausgekommen: Statt das bei schwacher Konjunktur verschulden, also Kredite aufnehmen, und mit dem Geld dann
Gesundheitssystem effizienter die Nachfrage ankurbeln, indem er zum Beispiel mehr staatliche Aufträge vergibt. Läuft
zu machen, müssen die Versi- dann die Konjunktur wieder auf Hochtouren, kann der Staat seine Ausgaben reduzieren
cherten nun höhere Beiträge und die Schulden zurückzahlen.
und die Unternehmen höhere Diese „antizyklische“ Wirtschaftspolitik wurde insbesondere in den sechziger und sieb-
Arbeitskosten tragen; statt we- ziger Jahren auch in Deutschland praktiziert, einer Zeit, in der die Bundesrepublik nach
niger Bürokratie gibt es mehr dem Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre die ersten großen Konjunkturkrisen zu be-
(allein der Gesetzentwurf ist wältigen hatte. Dass die Nachfragepolitik aber offenbar nicht der Weisheit letzter Schluss
mehr als 500 Seiten stark); ist, liegt vor allem an einem Phänomen: Politiker tun sich zwar leicht, neue Kredite auf-
und die einstige Idee von zunehmen und ihren Wählern damit möglichst viele Wünsche zu erfüllen – mit der Rück-
einem kostensparenden Wett- zahlung der Schulden dagegen haben die wenigsten etwas am Hut. Ein Beispiel: Allein
bewerb ist sogar in ihr genaues von 1960 bis 1982 (dem Jahr des Regierungswechsels von Helmut Schmidt auf Helmut
Gegenteil verkehrt worden – Kohl) verzehnfachte sich die Staatsverschuldung von 29 auf 311 Milliarden Euro.
alle Krankenkassen erheben • Die Anhänger der Angebotspolitik dagegen sehen die Ursachen für eine Störung des
seit Januar 2009 ein- und gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vor allem darin, dass sich die marktwirtschaftlichen
denselben Beitragssatz. Kräfte und der Wettbewerb nicht ungehindert entfalten können. Statt mehr Staat fordern
sie also mehr Markt, sprich mehr private und unternehmerische Eigeninitiative. Die Ange-
Einmal mehr müssen wir uns botspolitik zielt vor allem auf höhere Investitionen und plädiert deshalb für Maßnahmen
fragen, wie so etwas passieren wie eine Vereinfachung des Steuersystems, eine Senkung der Steuern und der Staatsquote
kann. Warum bringt Deutsch- (das sind die Staatsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt) sowie für weniger
land in schöner Regelmäßigkeit Sozialleistungen, sprich mehr private Vorsorge. Auch die Angebotspolitik hat allerdings
Reformen auf den Weg, die ihre Schattenseiten.
das Problem nicht beseitigen, Während staatliche Ausgabenprogramme schnell zu organisieren sind und deshalb beim
sondern eher noch verschärfen? Wähler (als Nachfrager) entsprechend gut ankommen, entfaltet sich der Segen von ange-
Und das, obwohl sich im Vor- botsorientierten Maßnahmen nur langsam – im Zweifel kann also die Ernte erst dann ein-
feld doch eigentlich alle (Poli- gefahren werden, wenn jene, die die Saat ausgelegt haben, gar nicht mehr im Amt sind.
tik, Wirtschaft, Wissenschaft Zu den bekanntesten politischen Verfechtern der Angebotspolitik gehören der frühere
und die Bevölkerung) darüber US-Präsident Ronald Reagan und die Ex-Premierministerin des Vereinigten Königreichs,
einig waren, dass es so wie bis- Margaret Thatcher.
her nicht weitergehen kann.

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politische Entscheidungen
dieser Regierung sind deshalb
politische Kompromisse, die
weder der Nachfrage- noch
der Angebotspolitik gerecht
werden und deshalb, streng
ökonomisch gesehen, ziemlich
faul sind.

Zum Glück gibt es die Wirt-


schaft aber auch ohne Poli-
tik. Statt um Angebots- und
Nachfragepolitik kümmern wir
uns jetzt um die Essenz: um
Angebot und Nachfrage. Und
die wollen bekanntlich ausge-
glichen sein. Das wiederum
geschieht vor allem über den
Neben den bereits genannten eine stringente angebotsorien- Politischer Mischmasch Preis. Womit wir bei einem
Gründen (die Eigeninteres- tierte Politik; die „Christlich unheimlich spannenden The-
sen der jeweiligen Gruppen) Demokratische Union“ (CDU), Im politischen Alltag jedoch ma wären: Geld.
kommt hier ein weiteres die „Christlich Soziale Union“ sind diese – ohnehin stark
Dilemma zum Vorschein: (CSU) sowie die „Sozialdemo- vereinfachten – Zuordnungen
„Im Deutschen
Nämlich die schwierige Ent- kratische Partei Deutschlands“ praktisch gar nichts mehr wert.
scheidung, welche wirtschafts- (SPD) praktizieren jeweils Nur in 3 der 16 Bundesländer reimt sich Geld
politische Strategie eine Re- unterschiedliche Mischformen, regiert derzeit (Frühjahr 2009) auf Welt: Es ist
gierung/Gesellschaft verfolgen wobei die beiden Unionspar- eine Partei allein, in allen ande-
kaum möglich,
soll. Grundsätzlich gibt es heu- teien eher der Angebotspolitik ren gibt es entweder große Ko-
te in der Marktwirtschaft zwei und die Sozialdemokraten eher alitionen (aus CDU und SPD) dass es einen
unterschiedliche Denkschulen der Nachfragepolitik zuneigen; oder kleine Koalitionen (CDU vernünftigeren
– die Angebotspolitik und die „Bündnis90/Die Grünen“ oder SPD mit einer oder meh-
Reim gebe.“
Nachfragepolitik (siehe Kasten haben mehr nachfrage- als reren anderen Parteien). In
Seite 23). angebotsorientierte Ansätze im dieser Gemengelage haben die Georg Christoph Lichtenberg

Programm und vertreten eine einzelnen Parteien praktisch


Wie es die Parteien in Deutsch- Symbiose aus Ökologie und keine Chance, „ihre“ Wirt-
land mit der Angebots- bzw. Ökonomie; „Die Linke“ gibt schaftspolitik durchzusetzen.
Nachfragepolitik halten, ist sich nachfrageorientiert, besteht Diese Tatsache gilt erst recht
nicht ganz leicht zu beantwor- aber immer noch aus vielen für die derzeitige Bundesregie-
ten. Nimmt man die Partei- Kommunisten oder Sozialisten, rung: Bundeskanzlerin Angela
und Grundsatzprogramme als also aus mehr oder weniger Merkel (CDU) führt ein Kabi-
Maßstab, ergibt sich noch ein großen Skeptikern der Markt- nett an, das aus fünf Bundes-
relativ klares Bild: Danach ver- wirtschaft. ministern von der CDU, zwei
tritt die „Freie Demokratische von der CSU und acht von der
Partei“ (FDP) noch am ehesten SPD besteht. Viele wirtschafts-

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Geld regiert die Welt:
Jedes Ding hat seinen Preis

Ach ja, das liebe Geld! Erstaun- Wie keine zweite Nation auf die Italiener auf ihren Fußball,
„Geld macht nicht
lich viele (wenn nicht alle) dieser Welt haben die Deut- die Briten auf ihr Königshaus
Menschen haben ein recht son- glücklich. Aber schen ihr Selbstwertgefühl als und die Amerikaner auf ihre
derbares Verhältnis dazu. Für wenn man unglück- Volk bis vor wenigen Jahren unbegrenzten Möglichkeiten
die einen ist Geld der Grund mit ihrer Währung verbunden: – die Deutschen hatten (bis zur
lich ist, ist es
all ihres Strebens, sie messen Die D-Mark, das war für die Einführung des Euro) ihre
ihren Erfolg, ihr Prestige, ja ihr schöner, in einem Bundesbürger 50 Jahre lang Mark, ein in Metall gegossenes
Glück daran. Für die anderen Taxi zu weinen als nicht einfach nur ein Zah- und auf Papier gedrucktes Sy-
ist es der Mangel an Geld, der lungsmittel, sondern in erster nonym für Stabilität, Sicherheit
in einer Straßen-
sie umtreibt – und kurioserwei- Linie ein Symbol dafür, dass und den berühmten „Wohl-
se messen auch diese Menschen bahn.“ Deutschland seine dunkelste stand für alle“.
ihren Erfolg, ihr Prestige und Marcel Reich-Ranicki Zeit, das nationalsozialistische
ihr Glück daran. Kurzum: Regime, ein für alle Mal hinter Das Pathos um das liebe Geld
Egal, wer wir sind und wo wir Dass den Deutschen ein be- sich gelassen und einen neuen findet sich auch in der Sprache
leben, eines haben offenbar sonders schwieriges Verhältnis Platz in der Weltgemeinschaft wieder. Während die prag-
(fast) alle Menschen gemein- zum Geld nachgesagt wird, hat gefunden hat. Mögen die Fran- matischen Amerikaner Geld
sam: zu wenig Geld. einen ganz eigenen Grund. zosen auf ihre Kultur stolz sein, einfach „machen“ (to make

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Der Lebenslauf des Euro Was ist das?
1995 beschließt der Europäische Rat den Namen der neuen
Währung.
1996 werden die ersten Entwürfe der Geldscheine präsen- Inflation und Deflation
tiert. Wir schreiben das Jahr 1921: Wer sich damals in Deutsch-
1997 fällt die Entscheidung über die Gestaltung der Münz- land eine Tageszeitung kaufte, musste dafür 30 Pfennige
Vorderseiten. auf den Tisch legen – kurze Zeit später, im November
1998 legt der Europäische Rat in Zusammensetzung der 1922, kostete die gleiche Zeitung 70 Millionen Mark.
Staats- und Regierungschefs der damals 15 EU-Mitglieder Und auch für alle anderen Waren schossen die Preise ins
fest, welche Länder 1999 in die Währungsunion starten: Unermessliche. Der Hintergrund für diese Hyperinflation
Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, waren übrigens die Schulden, die der Erste Weltkrieg
Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spa- hinterließ: Um sie zu finanzieren, warf die Reichsregie-
nien. Nicht dabei sind vorerst Großbritannien, Dänemark rung der Weimarer Republik einfach ihre Geldpressen an
und Schweden (diese Länder wollen – noch – nicht) sowie und druckte schiere Unmengen an Geld. Und wie immer,
Griechenland, das als einziges Land die Maastricht-Kriterien wenn Angebot und Nachfrage nicht zueinanderpassen,
nicht erfüllt. Im selben Jahr wird die Europäische Zentral- regelte sich das Ganze über den Preis – in diesem Falle
bank (EZB) mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet. über eine „galoppierende“ Inflation.
1999 wird der Euro als Buchgeld eingeführt und es beginnt Heute geht es dagegen gemäßigter zu. Der deutsche
die Produktion der Münzen und der Banknoten. „Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haus-
2001 wird der Euro zum „Kennenlernen“ u. a. an Banken, halte“, so die offizielle Bezeichnung für das bekannteste
den Einzelhandel und die Industrie ausgegeben. Einzelne Inflationsmaß, weist schon seit mehr als zehn Jahren le-
Länder beginnen aus dem gleichen Grund mit der Ausgabe diglich einen jährlichen Anstieg der Verbraucherpreise
sogenannter „Starterkits“. zwischen rund 0,5 und 2 Prozent aus. Die Ursachen für
2002 löst der Euro die bisherigen nationalen Währungen als einen Preisanstieg reichen von Preissteigerungen im Aus-
alleiniges Zahlungsmittel ab. land, die zum Beispiel über Importe von Öl ins Inland
kommen (importierte Inflation) über Kostensteigerungen
im Inland (wie höhere Löhne) bis hin zu einem Nachfra-
money) und die kühl-distan- März 2003 mit einer gehörigen geboom (wenn also das Warenangebot kleiner ist als die
zierten Briten es ebenso einfach Portion Zynismus. Immerhin Nachfrage). Deflation ist, vereinfacht gesagt, die Negation
„ernten“ (to earn money), müs- sei es die „beste schauspiele- von Inflation: Alles wird immer billiger, das Preisniveau
sen es sich die Deutschen müh- rische Leistung“, die eine Wäh- sinkt. Nun könnte man meinen, eine Deflation sei für die
sam „verdienen“. Und so kann rung erbracht habe. „Ständig Verbraucher das Paradies – doch weit gefehlt. Deflation
es eigentlich auch niemanden tut er so unschuldig und be- ist wie Hyperinflation ein Horrorszenario und kann die
verwundern, dass es natürlich hauptet, dass mit ihm keines- gesamte Weltwirtschaft ins Chaos stürzen. So geschehen
die Deutschen waren, die dem wegs alles teurer geworden sei. 1930: Ein – zunächst nur leichter – Wachstumsrückgang
Euro schon kurz nach seiner Eine glatte Lüge. […] Wo man der US-Wirtschaft ließ den spekulativ überbewerteten
Geburt ein hässliches Etikett auch hinschaut: überall saftige Aktienmarkt im Oktober 1929 zusammenbrechen. Von
angeklebt haben: Teuro. Preiserhöhungen.“ Was folgt, heute auf morgen wurden Gelder, die zuvor in andere
ist eine lange Inflations-Liste Volkswirtschaften investiert worden waren, abgezogen. In
„Hat eigentlich schon jemand an Beweisen: Bienenhonig plus Europa und anderswo brach die ohnehin schwache Wirt-
vorgeschlagen, den Euro mit 39 Prozent, Eier plus 15 Pro- schaft zusammen – allein in Deutschland verloren mehr
dem Oscar auszuzeichnen?“, zent, Rasierklingen plus 14 als sechs Millionen Menschen ihren Job.
fragte das Magazin „Stern“ im Prozent, eine Stunde Autorepa-

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ratur plus 13 Prozent, eine der Menschen. Die Statistiker kaum oder gar nicht teurer sonst, so glauben jedenfalls
Kinokarte plus 8 Prozent – aus Wiesbaden erklären das geworden ist. Der gleiche Ef- viele, werden sie doch nur wie-
insgesamt, so zitierte der so: Teurer geworden sind nach fekt greift bei Dingen, die wir der abgezockt.
„Stern“ eine Studie des Insti- der Euro-Einführung vor allem eher selten kaufen. Wer sich
tuts für Angewandte Verbrau- kleinere Dienstleistungen wie zum Beispiel einen Computer Wie wenig belastbar die
cherforschung, seien 46 von der Besuch von Kino, Kneipe oder einen Fernseher zulegt, Theorie von der „gefühlten“
100 ausgesuchten Waren und und Friseur; alles Leistungen, der tut dies höchstens ein paar Inflation ist, zeigt ein Kauf-
Dienstleistungen um mehr als die wir traditionell bar bezah- Mal im Leben – auf jeden Fall kraftvergleich. Diese recht ein-
fünf Prozent teurer geworden. len und deren Preisanstieg wir zu selten, um sich der Tatsache fache Methode zeigt, wie lange
deshalb besonders stark wahr- bewusst zu werden, dass die jemand arbeiten muss, um
„Gefühlte“ Inflation nehmen. Wie sehr allerdings Preise für langlebige Konsum- sich eine bestimmte Menge an
die „gefühlte“ Inflation täu- güter tendenziell eher fallen als Waren oder Dienstleistungen
Zum Glück haben die Stern- schen kann, zeigt die Tatsache, steigen. leisten zu können. Ein Beispiel:
Redakteure dann aber doch dass der Durchschnittsdeutsche Im Jahr 1960 verdiente ein
noch die Kurve gekriegt und gerade mal 3 Prozent seines „Geiz ist geil“, dieser Wer- westdeutscher Arbeitnehmer
jene gefragt, die sich von Budgets für den Besuch von beslogan einer bundesweit umgerechnet 1,27 Euro netto
Berufs wegen mit Preisen Restaurants, Cafés und Imbiss- agierenden Elektro-Kette ist pro Stunde. Weil ein Fernseher
beschäftigen: die Fachleute buden ausgibt und auch nur längst zur Einkaufsmaxime der damals rund 450 Euro kostete,
vom Statistischen Bundesamt 1 Prozent seines verfügbaren meisten Bundesbürger gewor- musste man also gut 350 Stun-
in Wiesbaden. Und siehe da: Einkommens beim Friseur den. Ob im Internet, im Fern- den arbeiten, um in die Röhre
„Unser Geld hat durch die lässt. Ganz anders dagegen un- sehen oder in den Printmedien gucken zu können. Heute ver-
Euro-Einführung nichts an sere Aufmerksamkeit für Preise – überall wimmelt es geradezu dienen Arbeitnehmer ungefähr
Wert verloren“, behaupteten wie die Miete: Weil sie auto- vor Preisvergleichen, die den 13,55 Euro netto pro Stunde
die Wiesbadener damals (wie matisch vom Konto abgebucht Leuten haarklein vorrechnen, und ein Fernseher ist schon für
auch heute) und legten ihrer- wird, bekommen die wenigsten wo und wie sie noch den ei- gut 300 Euro zu haben – ist
seits Beweise vor. So sei der Menschen mit, dass dieser nen oder anderen Cent sparen also schon in rund 22 Stunden
Verbraucherpreisindex, mit große Kostenblock (er macht können. Die Schnäppchenjagd verdient. Die folgenden Bei-
dem das Statistische Bundes- 30 bis 35 Prozent eines durch- ist nicht nur zum Volkssport spiele zeigen, dass es sich mit
amt jeden Monat die durch- schnittlichen Monatsbudgets geworden, sie ist geradezu des den meisten Gütern ganz ähn-
schnittliche Preisentwicklung aus) nach der Euro-Einführung Bürgers erste Pflicht – denn lich verhält:
von 750 Waren und Dienstleis-
tungen nachzeichnet, im Jahr Die Kaufkraft der Lohnminute
2003 lediglich um 1,1 Prozent
1960 2007
gestiegen – das sei immerhin
Preis in Euro Arbeitszeit Preis in Euro Arbeitszeit
die niedrigste Inflation seit vier
1 kg Mischbrot 0,41 20 Min. 2,36 10 Min.
Jahren.
10 Eier 1,07 51 Min. 1,60 7 Min.
1 Damenkleid 33,64 1.588 Min. 91,29 404 Min.
Also was denn nun? Wie
1 l Normalbenzin 0,31 14 Min. 1,33 6 Min.
kann so vieles so viel teurer
1 Kühlschrank 198,89 9.390 Min. 327,83 1.452 Min.
werden, ohne dass die Le-
1 Paar Herrenschuhe 15,65 739 Min. 68,47 303 Min.
benshaltung insgesamt teurer
1 Monat Tageszeitung 2,13 101 Min. 22,01 97 Min.
wird? Schuld daran ist die
200 kWh Haushaltsstrom 12,86 607 Min. 43,56 193 Min.
„gefühlte“ Inflation, also die
Arbeitszeit: bei einer Nettolohn- und Gehaltssumme je geleistete Arbeitsstunde von 1,27 Euro im Jahr 1960 und
subjektive Preiswahrnehmung 13,55 Euro im Jahr 2007; Ursprungsdaten: Statistisches Bundesamt, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

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Geld regiert die Welt: Jedes Ding hat seinen Preis

Eine kurze Geschichte über das Geld


Es muss so 5.000 bis 6.000 Jahr her sein, da machten unsere dem aufgeprägten Wert entsprach (Kurantmünzen) – allerdings
Vorfahren einen riesigen Sprung. Zwar hatten sie noch keinen bereicherte sich so mancher Fürst dadurch, dass er Münzen in
blassen Schimmer von Produktivität und solch modernen Sa- Umlauf brachte, bei denen der aufgeprägte Wert höher war als
chen, dennoch brachten sie eines Tages deutlich mehr Fleisch, der tatsächliche. Später prägte man nur noch solche „unterwer-
Felle und Früchte nach Hause, als die Sippe essen oder lagern tigen“ Münzen, sie werden bis heute Scheidemünzen genannt
konnte. Also kamen sie auf die Idee, ihre Überproduktion be- (übrigens: auch im Euro ist lange nicht das drin, was draufsteht).
nachbarten Familien anzubieten. Weil es aber damals noch kein Mit dem Münzgeld entstand auch das Gewerbe der Geldwechs-
Geld gab, tauschten sie Trommeln gegen Töpfe, Eisendolche ler. Sie hatten die Aufgabe, die vielen unterschiedlichen Münzen
gegen Pelze, Esel gegen Ziegenböcke. Der Naturaltausch hatte voneinander zu unterscheiden und ihren Wert zu schätzen – ein
allerdings auch so seine Tücken: Da waren nicht nur das Trans- Job, der übrigens viele von ihnen steinreich gemacht haben soll.
portproblem (Esel können sehr störrisch sein!) sowie die Je nachdem, wie viel man zu bezahlen hatte, konnte der Trans-
Schwierigkeit, einen Tauschpartner zu finden, der genau das port des Münzgelds allerdings ganz schön in die Arme gehen.
hatte, was man haben wollte und gleichzeitig auch genau das Was lag also näher, als eine Erfindung der Chinesen zu nutzen:
wollte, was man selbst anzubieten hatte; nein, das größte Kopf- das Papiergeld. Marco Polo, so wird berichtet, soll auf seinen
zerbrechen bereiteten Fragen wie diese: Wie viel Sack Gerste ist Reisen im Jahr 1276 die kaiserlichen Banknoten entdeckt haben,
denn ein Esel wert? Und selbst wenn die Antwort gefunden war manche Geschichtsbücher nennen auch den Schweden Johan
(sagen wir: 20 Sack Gerste sind 1 Esel), blieb immer noch ein Palmstruch als Erfinder des Papiergelds. Doch wie auch immer:
Fragezeichen: Was, wenn der Eselbesitzer nur 5 Sack Gerste Fest steht, Papiergeld braucht Vertrauen, nämlich darauf, dass es
braucht? von jedermann zu jeder Zeit in Waren oder andere Vermögens-
Es dauerte nicht lange, da hatten die Menschen eine rettende werte umgetauscht wird. Früher wurde dies dadurch gewährleis-
Idee: Sie benutzten Gebrauchs- und Schmuckgegenstände wie tet, dass das Geld einer Nation vollständig durch Gold gedeckt
Beile, Ringe und Perlen als Zwischentauschmittel und hatten war, heute haben wir es ausschließlich mit sogenannten „freien
damit das Naturalgeld erfunden. Dessen großer Vorteil: Der Währungen“ zu tun.
Wert der Tauschgegenstände war allgemein bekannt und aner- Oder auch nicht, denn tatsächlich spielt Geld heutzutage keine
kannt, zudem waren sie meist leicht zu transportieren und zu große Rolle mehr. Zumindest nicht in Form von Bargeld: So
teilen. Noch Anfang des 15. Jahrhunderts gab es eine englisch- gibt es in Deutschland derzeit nur ca. 204 Milliarden Euro, da-
isländische Marktordnung, wonach zum Beispiel 48 Ellen Tuch von 200 Milliarden Euro als Banknoten und 4 Milliarden Euro
120 Stockfische wert waren, während eine halbe Tonne Tran als Münzen. Das Bargeld macht nur etwa 12 Prozent des gesam-
schon für 15 Stockfische zu haben war. Die bekannteste Form ten Geldumlaufs aus – der große Rest befindet sich als Buchgeld
des Naturalgeldes ist übrigens noch heute ein gültiges Zahlungs- auf den Konten und wird von Bankkonto zu Bankkonto weiter-
mittel: Auf den melanesischen Inseln in der Südsee zahlen die gegeben, weshalb es auch Giralgeld heißt (vom italienischen giro
Menschen mit „Diwarra“ oder „Tambu“ – und das sind nichts = der Kreis). Buchgeld hat gegenüber allen früheren Geldformen
anderes als Kaurimuscheln. entscheidende Vorteile: Es ermöglicht einfache und schnelle
Irgendwann dann entdeckten die Menschen ihre Vorliebe für Zahlungen, ist leicht zu transportieren, haltbar – und: Es stinkt
Gold, Silber und Kupfer – das Metallgeld war geboren. Um et- nicht. Diese Feststellung stammt angeblich von Kaiser Vespasi-
was zu bezahlen, wurden die Metalle abgewogen, ein Umstand, an, der kurz nach Christi Geburt eine Steuer für Bedürfnisan-
dem übrigens das britische Pfund seinen Namen verdankt. stalten eingeführt hatte und deswegen von seinem Sohn Titus
So ungefähr 650 Jahre vor Christus wurde das Metall dann in zur Rede gestellt worden war. Der Kaiser hielt seinem Sohn die
Formen gegossen und geprägt, es entstand das erste Münzgeld. ersten Steuereinnahmen unter die Nase und forderte ihn auf zu
Zunächst fertigte man ausschließlich Münzen, deren Metallwert riechen – und tatsächlich: Pecunia non olet – Geld stinkt nicht.

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Wer Preise miteinander verglei- dieselbe Dienstleistung gibt es dass bei sinkenden Preisen das mer pünktlichst zu Ferienbe-
chen will, der darf aber nicht heute nicht einen, nicht zwei, Angebot eingeschränkt und die ginn – lassen schon mal Zwei-
nur auf die Preisschilder schau- sondern viele verschiedene Nachfrage ausgedehnt wird. fel über die freie Preisbildung
en, sondern muss auch die Preise. Wer zum Beispiel von aufkommen.
Waren bzw. Dienstleistungen Hamburg nach München flie- So weit, so theoretisch. In
selber genau in Augenschein gen will, der hat nicht nur die der Praxis aber ist es keines- Ein Paradebeispiel für das
nehmen. Um unser Beispiel (Preis-)Auswahl zwischen ver- wegs so, dass Angebot und Zustandekommen von Markt-
vom Fernseher noch einmal schiedenen Fluglinien, auch ein Nachfrage immer zueinander- preisen liefert die Telekommu-
aufzugreifen: Zwar kostet eine und dieselbe Fluggesellschaft finden, sprich ausgeglichen nikations-Branche. Nachdem
Flimmerkiste heute im Durch- bietet diesen Flug zu verschie- sind. In solchen Fällen bleibt im Jahr 1998 das Monopol der
schnitt genauso viel oder wenig denen Preisen an. Je nachdem, ein Unternehmen auf seinen Deutschen Telekom endgültig
wie vor 50 Jahren, die Qualität wer (Vielflieger oder nicht) das Produkten sitzen oder es kann gebrochen worden ist, dürfen
aber ist viel besser als damals: Ticket wie (im Reisebüro oder nicht genug davon liefern. Soll auch andere Unternehmen
Aus den klobigen Schwarz- im Internet) und wann (lange der Tauschhandel doch noch sogenannte „Sprachdienste
Weiß-Geräten mit drei oder im Voraus oder Last Minute) zustande kommen, müssen außerhalb geschlossener Benut-
vier Bedienungsknöpfen sind kauft, kann es 19 Euro oder Anbieter und Nachfrager ihre zergruppen“ anbieten – und
Farbfernseher mit Fernbedie- auch 450 Euro kosten. Preisvorstellungen korrigieren die neuen Anbieter schossen
nung und automatischem Sen- – je nach Lage der Dinge ent- wie die berühmten Pilze aus
dersuchlauf sowie zahlreichen weder nach oben oder nach dem Boden. Für den einstigen
anderen Funktionen geworden.
„Alles im Leben unten. Der so entstehende Monopolisten weht seitdem
Oder nehmen wir das Auto: hat seinen Preis; Preis ist der Marktpreis. ein rauer Wind. In Großstäd-
Wer sich einmal die Mühe auch die Dinge, ten wie Hamburg beherrscht
macht, die Ausstattung eines Viele Preise – ein Markt die Konkurrenz inzwischen
Autos aus den sechziger Jahren
von denen man 60 Prozent des Marktes, bun-
mit der von heute zu verglei- sich einbildet, Dieser Markt- oder Preisme- desweit verliert die Telekom
chen, wird in Sachen Qualität man kriegt sie chanismus kann allerdings in manchen Monaten bis zu
regelrechte Quantensprünge nur funktionieren, wenn sich 100.000 Kunden. Die markt-
feststellen. Und trotzdem arbei-
geschenkt.“ die Preise frei bilden können wirtschaftliche Folge: Im
tet der Durchschnittsdeutsche Theodor Fontane – das aber ist bei Weitem August 2006 kündigte die Te-
heute für einen 15.000-Euro- nicht immer der Fall. Wer lekom kräftige Preissenkungen
Wagen mit Airbag und ABS Wie aber entstehen Preise über- einmal mit dem Herzen eines an – die Verbraucher wird’s
lediglich 1.115 Stunden, wäh- haupt? Und welche Funktion Schnäppchenjägers und der freuen.
rend die 2.000 Euro teure Stan- haben sie in einer Marktwirt- Sicht eines Ökonomen durch
dardversion des VW-Käfer im schaft? Die Grundregel für die die große bunte Warenwelt Geschichten wie diese zeigen,
Jahr 1960 mit 1.600 Stunden Preisbildung ist relativ simpel, geht, der kann sich manchmal welche Funktionen der Preis in
Arbeit verdient werden musste. denn sie folgt dem Gesetz von nur die Augen reiben. In Groß- einer Marktwirtschaft im Ideal-
Angebot und Nachfrage: Da- städten wie Köln zum Beispiel fall erfüllt, nämlich diese:
Ein Ding – viele Preise nach erhöhen Haushalte und kann man jeden beliebigen
Unternehmen mit steigenden Supermarkt zu jeder beliebigen Information. Preise informie-
Der wohl größte Unterschied Preisen ihr Angebot (die einen Jahreszeit betreten – ein Ki- ren uns darüber, ob ein Gut
zwischen den Preisen von bieten ihre Arbeitskraft an, die logramm Äpfel kostet immer knapp ist oder nicht. Steigen
1960 und heute aber betrifft anderen Waren und Dienstleis- und überall 1,99 Euro. Auch zum Beispiel die Preise für
ihre Anzahl: Für ein und das- tungen) und verringern ihre die für Autofahrer ärgerlichen heimisches Gemüse, dann spie-
selbe Produkt oder ein und Nachfrage. Umgekehrt gilt, Benzinpreiserhöhungen – im- gelt sich darin – wie im Jahr

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Geld regiert die Welt: Jedes Ding hat seinen Preis

2006 – das Wetter wider: Die wandeln, ist diese Ausgleichs-


„Mit scharfem Blick, nach Kennerweise
Rekordtemperaturen des Juli funktion der Preise ein per-
haben vielerorts die Felder aus- manenter Prozess. Bringt ein seh’ ich zunächst mal nach dem Preise.
gedörrt, die Bauern konnten Unternehmen zum Beispiel Und bei genauerer Betrachtung
entweder nur wenig oder sogar eine technische Innovation
steigt mit dem Preise auch die Achtung.“
nichts ernten. Preise geben aber wie den Flachbildfernseher auf
auch Auskunft über die soziale den Markt, wird zunächst die Wilhelm Busch

Wertschätzung einzelner Güter Nachfrage wesentlich höher Lenkung. Preise lenken die Anreize: Gibt es beispielsweise
– zum Beispiel, wenn wir für sein als das Angebot – also sind Produktionsfaktoren (Arbeit in einer Volkswirtschaft zu we-
Bio-Gemüse mehr zu zahlen Flachbildfernseher teuer. Weil und Kapital) in jene Bereiche, nige Ingenieure, dann können
bereit sind als für Gemüse aus die hohe Nachfrage jedoch in denen die Nachfrage und diese entsprechende Gehälter
konventionellem Anbau. nach und nach auch andere die zu erzielenden Einkommen verlangen (auch der Lohn ist
Hersteller zur Produktion von bzw. Gewinne am höchsten ein Preis). Das wiederum wird
Koordination. Preise koordi- Flachbildschirmen animiert, sind – und das ist immer dort viele Abiturienten dazu veran-
nieren Angebot und Nachfrage. steigt das Angebot – und die der Fall, wo die Knappheit am lassen, ein Ingenieurstudium
Da sich die Bedürfnisse ständig Preise fallen. größten ist. Preise setzen also aufzunehmen. Die Folge: Ein

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land auch beim besten Willen die Geburtsstunde dessen, was
nicht mehr mithalten. wir heute die Börse nennen.
Auf diesem Markt der Märkte
Gnadenlose Auslese wird beinahe alles gehandelt:
Aktien, Anleihen, Fonds,
Die Textilindustrie ist die Au- Optionen und Devisen, aber
toindustrie ist die Elektronikin- auch Erdnussöl, Molybdän-
dustrie ist die Chemieindustrie oxyd und Schweinebäuche.
– nahezu in jeder Branche sind Die acht deutschen Börsen
die deutschen Unternehmen sitzen in Berlin, Bremen, Düs-
einem zunehmend härteren seldorf, Hamburg, Hannover,
Konkurrenz- und Preisdruck München, Stuttgart und
ausgesetzt. Selbst Traditions- Frankfurt/Main, dem wohl
unternehmen sind nicht mehr bekanntesten Börsenplatz. Was
davor gefeit, den Kampf um dort und auf dem internationa-
paar Jahre später gibt es dann ren) gehen und sich die Etiket- die Kunden zu verlieren und len Parkett geschieht, kennen
„plötzlich“ zu viele Ingenieure ten in den Kleidungsstücken sang- und klanglos vom Markt die meisten Bundesbürger nur
– und deren Löhne werden genauer anschauen. Fast auf geschluckt zu werden. Doch aus dem Fernsehen: Der DAX,
tendenziell sinken. jedem steht entweder „made in bevor wir uns im nächsten so melden die Nachrichten
China“, „made in Bangladesh“ Kapitel ausführlich mit den zum Beispiel, habe „leichter
Auslese. Preise sind gnaden- oder „made in Turkey“. Doch Gründen und Hintergründen geschlossen“, dagegen tendiere
los: Auf der einen Seite teilen „made in Sweden“ oder gar dieser Entwicklung beschäf- der Dow-Jones „freundlich“
sie das vorhandene Angebot „made in Germany“ – Fehlan- tigen, bevor wir uns also dem und der Nikkei mache eine
jenen Nachfragern zu, de- zeige. Das mögen die Schwe- spannenden Thema Globalisie- „Seitwärtsbewegung“. Und
ren Zahlungsbereitschaft am den verschmerzen (sie haben rung widmen, wollen wir ab- dann erzählt uns der beredte
höchsten ist; ganz nach dem mehr als 1.200 Filialen in 22 schließend noch einen kurzen Börsen-Korrespondent noch
bekannten Ebay-Motto: drei, Ländern), doch für die deut- Blick auf einen ganz beson- irgendwas von institutionellen
zwei, eins – meins. Auf der sche Textil- und Bekleidungs- deren Markt werfen. Er (oder Anlegern, von Bullenmärkten,
anderen Seite können nur jene industrie ist es alles andere als besser gesagt: sie) ist sozusagen sinkenden Umlaufrenditen und
Anbieter überleben, die ihre lustig. Im Jahr 1950 war die die Mutter aller Märkte: die bevorstehenden Zinsschritten
Waren und Dienste zumindest Branche einer der wichtigsten Börse. der Fed.
kostendeckend an den Mann Industriezweige in West-
bringen. Unternehmen, die das deutschland, rund 700.000 Fed? Nikkei? Bullenmarkt?
nicht schaffen, werden aus dem Menschen waren dort beschäf- Die Börse: Wo sich „Wovon reden die bloß?“, fra-
Markt gedrängt. tigt. Heute zählt die Branche DAX und Schweine- gen sich wohl Millionen von
bundesweit gerade einmal Bundesbürgern. Und weil der
135.000 Mitarbeiter, allein seit
bäuche treffen
Insbesondere die Auslesefunk- eine oder andere es vielleicht
tion der Preise können und dem Jahr 2000 sind 50.000 Vor rund 500 Jahren trafen genau wissen will, nimmt er
müssen wir seit einigen Jahren Arbeitsplätze weggefallen. Und sich in Brügge einige eifrige die Zeitung zur Hand, schlägt
hautnah miterleben. Wer mag, „schuld“ an allem sind – die Männer regelmäßig zur Mit- den Börsenteil auf – und liest
sollte zum Beispiel einmal Preise: Eine chinesische Nä- tagszeit im Haus der Patri- dann doch lieber den Sportteil.
durch die Abteilungen des herin bekommt umgerechnet zierfamilie van der Beurse, Denn wo für Profis ein kurzer
schwedischen Modehauses etwa 50 Cent die Stunde – da um Münzen zu tauschen und Blick genügt, um festzustellen,
H&M (oder irgendeines ande- können Betriebe in Deutsch- Handel zu treiben. Das war ob gerade der pessimistische

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Geld regiert die Welt: Jedes Ding hat seinen Preis

Das kleine Börsen-Lexikon


• Aktie. Die Aktie ist ein Anteilsschein an einer Aktiengesell- cap, also mittelgroße Aktienwerte), der SDAX (S wie small,
schaft (AG). Ihr Nennwert gibt an, mit welchem Anteil sie am also klein) sowie der TecDAX (Technologieunternehmen).
Grundkapital einer AG beteiligt ist – zum Beispiel 50 Euro. • Investmentfonds. In einem Investmentfonds bündelt eine
Diese 50 Euro sind jedoch nicht zu verwechseln mit dem Ak- Fondsgesellschaft das Kapital der Anleger, um es in verschie-
tienkurs – der kann sowohl höher als auch niedriger liegen. dene Vermögenswerte (Aktien, Anleihen, Festgelder) zu inve-
Die meisten Aktien sind Stammaktien – hier haben die Akti- stieren. Wer Fondsanteile kauft, hat also nicht eine Aktie
onäre alle üblichen Rechte, vor allem also das Stimmrecht auf oder eine Anleihe im Depot, sondern ist – je nach Fonds –
der Hauptversammlung und das Recht auf einen Dividenden- an Dutzenden oder gar Hunderten Wertpapieren prozentual
anteil. Bei Vorzugsaktien entfällt das Stimmrecht, dafür gibt beteiligt und streut damit sein Anlagerisiko.
es meist eine höhere Dividende. Stückaktien sind Aktien ohne • Kurszusätze. In vielen Tageszeitungen sind hinter den Ak-
Nennwert; Inhaberaktien sind solche, die beim Verkauf ohne tienkursen verschiedene Kürzel angegeben, die wichtige Infor-
Formalitäten den Eigentümer wechseln können, während bei mationen liefern. B bedeutet Brief – zu diesem Kurs wurden
Namensaktien die persönlichen Daten des Aktionärs in ein zwar Aktien angeboten, gekauft hat jedoch niemand. G bedeu-
Aktienregister eingetragen werden. tet Geld – es lagen zwar Kaufwünsche vor, verkauft hat jedoch
• Anleihen. Das sind festverzinsliche Wertpapiere – der Käu- zu diesem Kurs niemand. bB bedeutet bezahlt Brief – zwar
fer verleiht sein Geld, bekommt dafür einen festen jährlichen wurden zu diesem Kurs einige Aktien verkauft, aber nicht alle
Zins und erhält am Ende der Laufzeit sein Kapital zurück. Angebote fanden einen Abnehmer. bG bedeutet bezahlt Geld
Bundesanleihen werden von der Bundesrepublik Deutschland – wiederum wurden zwar Papiere verkauft, diesmal ging aber
als Staatsanleihen herausgegeben. Ihre Laufzeit beträgt in der ein Teil der Käufer leer aus. T bedeutet Taxkurs – das ist ein
Regel 10 bis 30 Jahre. Ein Kursrisiko, wie bei Aktien, hat der vom Aktienmakler geschätzter Kurs, der zeigt, dass die Aktie
Käufer nur, wenn er sie zwischenzeitlich verkauft – auch Anlei- an diesem Tag keinen Umsatz hatte; ex bedeutet ausschließlich
hen werden nämlich an der Börse gehandelt. Bundesobligati- – und weist darauf hin, dass es sich um den ersten Kurs nach
onen unterscheiden sich von Bundesanleihen im Wesentlichen der Hauptversammlung einer AG handelt; an diesem Tag wird
nur durch ihre kürzere Laufzeit von 5 Jahren. Nicht nur der der Kurs abzüglich der Dividende angegeben.
Bund, auch Bundesländer, Städte oder Sonderinstitute wie die • Rendite. Sie errechnet sich aus Dividende plus Kursanstieg
Deutsche Ausgleichsbank geben Anleihen heraus. Diese öffent- bezogen auf das eingesetzte Kapital. Wer also eine Aktie für
lichen Anleihen unterscheiden sich von den Bundespapieren 100 Euro gekauft hat und dafür 2 Euro Dividende erhält,
meist nur durch ihre Ausgabevolumina. kommt bei einem Kursanstieg auf 105 Euro auf eine Jahres-
• DAX. Der deutsche Leitindex wurde 1988 eingeführt und rendite von 7 Prozent.
startete mit 1.000 Punkten. Die im DAX vertretenen 30 größ- • Stoppmarken. Um Verluste zu begrenzen (oder auch
ten deutschen Aktiengesellschaften (auch Blue Chips genannt) Gewinne zu sichern) kann man Stoppmarken setzen. Dabei
sind nach ihrem Börsenwert gewichtet – die Spanne reicht gibt man der Bank einen bestimmten Kurs an – sobald die
derzeit von 0,11 Prozent (Infineon AG) über 4,71 Prozent Aktie unter diesen Kurs fällt, wird sie ohne Wenn und Aber
(Daimler AG) bis 9,27 Prozent (Siemens AG). Weitere wich- verkauft.
tige deutsche Indizes sind der MDAX (das M steht für Mid

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Bär (er steht an der Börse für Teil der Wirtschaft völlig au- ist; wieder andere, weil sie Teil dessen leisten wird, was die
Kursrückgänge) oder der opti- ßer Acht lässt, der wie kaum selbst Aktien oder Fonds ge- Rentnerinnen und Rentner von
mistische Bulle (er symbolisiert ein anderer über ihre Zukunft kauft haben – und alle zusam- morgen zum Leben brauchen.
den Aufschwung) regiert, entscheidet. men, weil der Wechselkurs des Der weitaus größere Teil aber
müssen Otto und Lieschen Euro für die heimische Wirt- wird an der Börse verdient.
Normalbürger meistens passen: Das ist keineswegs übertrieben: schaft von genauso essenzieller Denn egal, bei welcher Gesell-
Sie können den Buchstaben- Denn jeder, wirklich jeder hat Bedeutung ist wie der Ölpreis; schaft der Einzelne für seine
und Zahlensalat im Börsenteil direkt oder indirekt etwas mit weil eine so sehr exportori- private Altersvorsorge einzahlt
zwar lesen, aber nicht wirklich Aktien, Anleihen oder dem entierte Volkswirtschaft wie – Allianz, Hamburg-Mannhei-
verstehen. Das ist schade, denn Ölpreis zu tun. Die einen, weil Deutschland auf stabile Börsen mer, Axa & Co. erwirtschaften
wie wir gleich sehen werden sie selbst, ihr Vater oder ihre (sprich eine stabile Wirtschaft) die versprochenen Gewinnbe-
– sooo schwer ist es nun auch Mutter bei einem Unterneh- in ihren Abnehmerländern teiligungen fast ausschließlich
wieder nicht. Und es ist jam- men arbeiten, das an der Börse geradezu angewiesen ist. Und an der Börse.
merschade, weil es zeigt, dass notiert ist; die anderen, weil ihr vor allem, weil die staatliche
das Gros der Deutschen mit Arbeitgeber der größte Zuliefe- Rentenversicherung bekannt- Der inzwischen verstorbene
der Börse ausgerechnet jenen rer eines DAX-Unternehmens lich nur noch einen kleinen Börsen-Altmeister André

Div. 22.8. 21.8. Veränd. Tages- 52-Wochen KGV Gesamt- Markt- ISIN
Schluss Schluss in % Eröff./Hoch/Tief Hoch/Tief 2006 umsatz Kapital.
Adidas 0,33 37,66 37,40 +0,70 37,65/37,85/37,21 43,58/34,16 15 43532 6,85 DE0005003404
Allianz 2 130,10 131,24 -0,87 131,48/131,85/128,88 139,53/103,10 11 421179 51,51 DE0008404005

Erläuterungen am Beispiel der Adidas-Aktie


Div. steht für Dividende. Die Angabe 0,33 bedeutet, dass Adi- Gewinn pro Aktie teilt. Bei einem niedrigen Kurs-Gewinn-Ver-
das im abgelaufenen Geschäftsjahr pro Aktie einen Gewinnan- hältnis gilt eine Aktie als günstig, bei einem hohen KGV als un-
teil von 0,33 Euro ausgeschüttet hat. Gelegentlich gibt es auch günstig, sprich zu teuer. Als Vergleichsmaßstäbe für das KGV
Angaben wie „5 +2“, das heißt dann, für diese Aktie gab es gelten vor allem die KGVs vergleichbarer Unternehmen (glei-
5 Euro Dividende plus einen Bonus von 2 Euro. che Branche), historische Durchschnitts-KGVs (im deutschen
22.8. Schluss heißt, die Aktie wurde zum Börsenschluss am 22. Aktienmarkt ca. 15) sowie bei Wachstumswerten die erwartete
August zu einem Kurs von 37,66 Euro notiert. 21.8. Schluss Wachstumsrate.
gibt, zum Vergleich, den Kurs vom Vortag an. Veränderung Der Gesamtumsatz ist die Summe aller Umsätze, die mit ei-
in % drückt den Unterschied zwischen diesen beiden Schluss- ner Aktie an allen deutschen Börsen einschließlich des elektro-
kursen in Prozent aus, in diesem Fall plus 0,7 Prozent. nischen Handels (des sogenannten Xetra-Handels) an diesem
Tages-Eröffnung/Hoch/Tief zeigt den Kursverlauf einer Aktie Tag gemacht wurden, angegeben in tausend Euro.
während eines Handelstages. Am 22. August betrug der Eröff- Die Marktkapitalisierung gibt den Börsenwert einer Aktienge-
nungskurs der Adidas-Aktie also 37,65 Euro, der höchste Kurs sellschaft in Milliarden Euro an. Sie errechnet sich aus der Zahl
notierte bei 37,85 Euro, der niedrigste bei 37,21 Euro. 52 Wo- der Aktien multipliziert mit dem aktuellen Kurs.
chen Hoch/Tief informiert über die Entwicklung der Aktie in ISIN steht für „International Securities Identifications Number“,
den vergangenen 52 Wochen. Die Adidas-Aktie war in dieser eine Art Code, mit dem sich jedes Wertpapier eindeutig iden-
Zeit höchstens 43,58 Euro und mindestens 34,16 Euro wert. tifizieren lässt.
KGV 2006 ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis für das Jahr 2006.
Diese Kennzahl gibt an, in welchem Verhältnis der erwartete
Gewinn einer Aktiengesellschaft zu ihrer aktuellen Börsenbe-
wertung steht. Errechnet wird das KGV, indem man den aktu-
ellen Kurs einer Aktie durch den für das nächste Jahr erwarteten

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Geld regiert die Welt: Jedes Ding hat seinen Preis

Kostolany erklärte das Ganze aus Aktienmuffel? Oder haben


einmal so: „Mit der Wirtschaft „Der Oktober ist einer der besonders sie, wie eine Studie des Bun-
und der Börse verhält es sich gefährlichen Monate, um mit Wert- desverbandes Deutscher In-
wie mit dem Mann und sei- vestmentgesellschaften nahe-
nem Hund beim Spaziergang.
papieren zu spekulieren. Die anderen legt, einfach zu wenig Ahnung?
Der Mann läuft langsam und sind Juli, Januar, September, April,
gleichmäßig weiter. Der Hund November, Mai, März, Juni, Dezember, Es klingt unglaublich, aber
läuft vor und zurück. Aber tatsächlich weiß nicht einmal
beide bewegen sich in die glei-
August und Februar.“ ein Drittel der Fondsbesitzer,
Mark Twain
che Richtung. Der Mann ist was ein Fonds überhaupt ist.
die Wirtschaft, der Hund die Er hat ja so recht, dieser Mark War es das Desaster mit der Wenn Sie nur die erste der
Börse.“ Twain – das zumindest scheint T-Aktie, die im Jahr 1996 fast folgenden Regeln beachten,
das Gros der Deutschen zu zwei Millionen Bundesbürger kann Ihnen das schon nicht
Egal ob Mann oder Frau – fol- denken. Nur jeder Achte besitzt zum Preis von 28,50 DM mehr passieren.
gen wir einmal dem Hund und Aktien oder Fonds, allein im (14,57 Euro) zeichneten, und
schauen, wie sich sein Vor und zweiten Halbjahr 2007 haben die dann binnen vier Jahren auf
Zurück im Börsenteil einer sich fast 400.000 Bundesbürger 104 Euro hochschoss – um
Tageszeitung darstellt und was von ihren Wertpapieren ge- schon im nächsten Jahr auf
die Angaben bedeuten (siehe trennt. Warum, darüber ist 15 Euro abzustürzen? Oder
Kasten Seite 34): schon viel spekuliert worden. sind die Deutschen von Natur

10 goldene Börsenregeln
▲ Kaufen Sie nie ein Wertpapier, das Sie nicht verstehen.
▲ Kaufen Sie nichts, ohne die Alternativen geprüft zu haben.
▲ Überprüfen Sie Ihre Informationen.
▲ Nutzen Sie das Internet – aber überprüfen Sie anonyme Hinweise.
▲ Spekulieren Sie nur mit Geld, das Sie langfristig nicht brauchen – und niemals auf Kredit.
▲ Keine Panik und nervöse Reaktionen – The trend ist your friend!
▲ Beobachten Sie die Aktien in Ihrem Portfolio.
▲ Laufen Sie nie einem heißen Tipp hinterher.
▲ Streuen Sie Werte und Branchen in Ihrem Depot, verzetteln Sie sich nicht mit vielen
kleinen Positionen.
▲ Setzen Sie sich immer ein Limit – und setzen Sie Stopps.
Quelle: Börse Düsseldorf

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Die Wirtschaft:
Über Gewinne und andere Vorurteile

Nun haben wir schon so viel Eben. Und genauso geht es den Und wer einmal eine T-Aktie Welche deutschen Unterneh-
von der Wirtschaft gesprochen meisten Bundesbürgern. Wür- hatte, für den ist bestimmt men kennen Sie?
– doch wer ist eigentlich „die de man sie auf der Straße ein- Ron Sommer so ein Name aus Deutsche Bank, Daimler,
Wirtschaft“? Sicher: Ich, du, er, fach mal auffordern, ein paar der Wirtschaft, wer sie immer Siemens, Telekom, VW,
sie, wir alle sind die Wirtschaft, aktuelle Namen zu nennen, die noch hält, kennt wohl eher BASF, Lufthansa, Allianz,
das stimmt schon. Doch Hand ihnen im Zusammenhang mit dessen (inzwischen ebenfalls Eon, Bayer, BMW, Henkel,
aufs Herz: Wenn die Nachrich- „der Wirtschaft“ einfallen, die abgelösten) Nachfolger, Kai- Philips …
ten melden, „mit der deutschen meisten würden wohl antwor- Uwe Ricke. Und sonst? Wer
Wirtschaft geht es wieder ten: „Der von der Deutschen fällt Ihnen noch ein? Wie heißt Stopp! Philips ist ein nieder-
bergauf“ oder „die Wirtschaft Bank, wie heißt er noch? Ach zum Beispiel der amtierende ländisches Unternehmen,
fordert von der Bundesregie- ja, Ackermann.“ Dem einen Bundeswirtschaftsminister? aber ansonsten: alle Achtung!
rung eine Reform der Unter- oder anderen Bahnpendler Kommt ja wie aus der Pis-
nehmenssteuern“ – fühlen Sie käme vielleicht auch der Name O.K., lassen wir das und fragen tole geschossen. Eines fällt
sich dann angesprochen? Mehdorn über die Lippen. stattdessen nach Firmennamen. allerdings auf: Alle genannten

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deutschen Unternehmen sind • 70,6 Prozent aller Beschäf- eher als die „übrigen“ rund bilden Unternehmensmel-
im DAX vertreten, gehören tigten 3,5 Millionen Betriebe. dungen wie die von Josef
also zu den 30 größten deut- • 47,2 Prozent der gesamten Ackermann Anfang Mai 2006:
schen Aktiengesellschaften. Nettowertschöpfung Ein typisches Beispiel für die Damals verkündete der Chef
Na und, werden Sie vielleicht • 38,3 Prozent aller Umsätze selektive Wahrnehmung „der der Deutschen Bank, sein Haus
sagen, das sind doch deutsche Wirtschaft“ ist die Berichter- habe gerade das erfolgreichste
Unternehmen. Stimmt. Aber Warum aber viele Bundesbür- stattung zum heiklen Thema Quartal der Firmengeschichte
selbst wenn wir alle 30 DAX- ger die wenigen großen DAX- Gewinne. Verfolgt man die absolviert – der Gewinn vor
Konzerne aufzählen, haben wir Konzerne fälschlicherweise mit Regenbogenpresse der vergan- Steuern sei um sage und schrei-
lediglich 0,00001 Prozent aller „der Wirtschaft“ gleichsetzen, genen ein, zwei Jahre, dann be 46 Prozent gestiegen.
deutschen Unternehmen bei- ist schnell erklärt: So wird es könnte man fast den Eindruck
sammen. Ja, Sie haben richtig ihnen von vielen Medien sug- gewinnen, die deutsche Wirt- Gleichzeitig hielt Ackermann
gelesen: Null Komma null null geriert. schaft bestehe ausschließlich aber an dem Plan fest, insge-
null null eins Prozent! Sogar aus „Managern ohne Moral“ samt 6.400 Mitarbeiter zu
wenn wir alle anderen AGs und Insbesondere die Boule- und „Turbo-Kapitalisten“, die entlassen. Ähnliche Entwick-
die Kommanditgesellschaften vardpresse sowie die ähnlich alle nur eines im Kopf hätten: lungen gab und gibt es beim
auf Aktien (KGaA) hinzuzäh- bunten und vereinfachenden sich selbst und die Aktionäre so Reifenhersteller Continental,
len, stellen die insgesamt knapp TV-Magazine lechzen geradezu reich wie möglich zu machen bei Siemens, bei der Telekom –
7.200 Aktiengesellschaften le- nach schlagzeilenträchtigen – koste es so viele Arbeitsplät- kurzum: bei vielen DAX-Un-
diglich 0,2 Prozent aller Unter- Nachrichten und marktschreie- ze, wie es wolle. ternehmen. Sie machen Ge-
nehmen in Deutschland – „die rischen Superlativen – und die winnsprünge von 20 Prozent
Wirtschaft“ repräsentieren sie liefern die international tätigen Den Hintergrund für solch und mehr, gleichzeitig aber
also nun wirklich nicht. 30 DAX-Konzerne nun einmal populistische Vereinfachungen werden Zigtausende Mitarbei-

Dieser Titel gebührt eindeutig Deutsche Wirtschaft: Einzelunternehmen dominieren


dem Mittelstand. Das sind Zahl der Unternehmen
jene Betriebe, die weniger als Einzelunternehmen 2.253.131
500 Mitarbeiter beschäftigen Personengesellschaften wie Offene Handelsgesellschaften (OHG) und
und maximal 50 Millionen Kommanditgesellschaften (KG) 407.412
Euro Jahresumsatz haben. Ins- Kapitalgesellschaften wie Aktiengesellschaften (AG) und
Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) 573.985
gesamt stellt der Mittelstand
Sonstige Rechtsformen 232.597
in Deutschland nach den
Insgesamt 3.467.125
jüngsten Zahlen (2007):
Stand: 31.12.2007; Sonstige Rechtsformen: Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Betriebe gewerblicher Art von
• 99,7 Prozent aller Unterneh- Körperschaften des öffentlichen Rechts; Quelle: Statistisches Bundesamt
men
• 83,0 Prozent aller Auszubil-
denden

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ter entlassen oder müssen zu- Volkszorn so richtig hoch – jeder Zweite: mindestens
„Das schlimmste
mindest empfindliche finan- auch die Vorurteile schießen 5 Euro. Jeder sechste Deutsche
zielle Einbußen hinnehmen. ins Kraut. war sogar davon überzeugt, Verbrechen gegen
Wenn „der kleine Mann auf dass die Betriebe die Hälfte die arbeitende
der Straße“ dann noch hört Was nun die Gewinne „der ihres Umsatzes als Gewinn
Bevölkerung ist es,
oder liest, dass so manches Wirtschaft“ angeht, so haben einstreichen. Tatsächlich aber,
Unternehmen angeblich über- viele Bundesbürger geradezu das belegen die Zahlen der keine Profite zu
haupt keine Steuern mehr zahlt abenteuerliche Vorstellungen. Deutschen Bundesbank vom machen.“
und so mancher Spitzenmana- Als das Meinungsforschungs- Juni 2006, bleiben den Unter- Samuel Gompers
ger in einem einzigen Jahr institut Emnid vor ein paar nehmen von 100 Euro Umsatz
mehr Geld bekommt, als ein Jahren einmal fragte, wie viel im Durchschnitt nur 2,90 Euro Warum aber braucht eine
Durchschnittsverdiener in 200 Gewinn einem Unternehmen Gewinn. Volkswirtschaft überhaupt Ge-
oder 300 Jahren verdienen wohl von 100 Euro Umsatz winne – und vor allem: hohe
könnte, kocht nicht nur der übrig bleibt, antwortete fast Gewinne? Warum muss das
eine Unternehmen unbedingt
eine höhere Rendite erzielen
als das andere? Wäre es nicht
Unternehmen, Unternehmer und die Steuern einfacher und gerechter, wenn
Anfang 2005 meldete die „Netzeitung“, die Steuereinnahmen in Deutschland seien deutlich alle (Volkswirtschaften, Bran-
gesunken. „Größere Unternehmen haben statt Steuern zu zahlen sogar Geld vom Staat zurück- chen, Unternehmen, Manager,
erstattet bekommen.“ Ökonomische Laien interpretieren solche Meldungen allerdings oft an- Arbeitnehmer) zu gleichen
ders, als sie gemeint sind. Sie glauben doch tatsächlich, Unternehmer und Manager würden ihre Teilen profitieren würden?
(Millionen-)Gehälter einfach kleinrechnen (Stichwort: Steuerschlupflöcher) und so am Finanz- Eine rhetorische Gegenfrage:
amt vorbeischleusen. Der Grund für dieses Missverständnis ist ein einziger Buchstabe, nämlich Wollen Sie immer das glei-
der Unterschied zwischen Unternehmen und Unternehmer. che Gehalt bekommen, egal,
• Unternehmen sind rechtlich, wirtschaftlich und finanziell selbstständige Wirtschaftseinheiten, welche Ausbildung Sie haben,
die in zwei verschiedenen Rechtsformen geführt werden können: als Einzelunternehmen oder welchen Beruf Sie ausüben,
als Gesellschaftsunternehmen. Bei einem Einzelunternehmen sind Unternehmen und Unter- wie viel Sie arbeiten und wie
nehmer identisch, bei Gesellschaftsunternehmen unterscheidet man zwischen Personenunter- gut Ihre Leistungen sind?
nehmen und Kapitalgesellschaften. Während Personenunternehmen wie Einzelunternehmen
der Einkommenssteuer unterliegen, zahlen Kapitalgesellschaften Körperschaftssteuer. Wenn Konkurrenz belebt das Ge-
also die Aktiengesellschaft X angeblich keine Steuern mehr zahlt, dann ist damit ausschließlich schäft, sagt der Volksmund,
die Körperschaftssteuer gemeint. Die Einkommen des Vorstandsvorsitzenden und der Manager und in einer Marktwirtschaft
aber unterliegen, wie die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer auch, der Einkommenssteuer. gilt diese Regel allemal. Denn
• Unternehmer sind nach amtlicher Lesart Selbstständige. Dazu zählen alle, die „einen Betrieb tatsächlich braucht der Markt
oder eine Arbeitsstätte gewerblicher oder landwirtschaftlicher Art wirtschaftlich und organisato- das Konkurrenzprinzip so
risch als Eigentümer oder Pächter leiten (einschließlich selbstständiger Handwerker) sowie alle nötig wie der Ottomotor das
freiberuflich Tätigen, Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister“. Besonders wichtig ist dabei Benzin, nur dass der Treibstoff
folgende Unterscheidung: Ein Unternehmer ist (Mit-)Eigentümer eines Unternehmens, er oder des Marktes die Gewinne sind.
sie leitet also einen Betrieb eigenverantwortlich und übernimmt dabei ein persönliches Risiko. Sie signalisieren: Hier lohnt
Dem Manager dagegen fehlt die typische Voraussetzung des klassischen Unternehmers: der es sich zu investieren! Hier ist
Besitz, das Kapital. Ein Manager arbeitet also nicht „in seinem“ Betrieb, sondern „für einen“ Geld zu verdienen! Hier entste-
Betrieb – und er zahlt, wie jeder Arbeitnehmer, Einkommenssteuer. hen neue Arbeitsplätze!

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

Gewinn: Was vom Umsatz übrig bleibt Jetzt haben wir zwar mit dem Das auf Firmenübernahmen
Vorurteil exorbitanter Gewinne und anschließende Zerlegung
in Euro
aufgeräumt, was aber ist dran spezialisierte Unternehmen war
Umsatz 100,00
an der Behauptung, die Unter- im April bei der Telekom ein-
+ Übrige Erträge 4,61
nehmen würden ihre Strategie gestiegen. […] Für einen Preis
= Gesamterträge 104,61
der „Gewinnmaximierung“ von 14 Euro je Aktie kaufte
– Materialaufwand 62,40
auf Kosten angeblich gesunder Blackstone 4,5 Prozent der
– Personalaufwand 18,00
Arbeitsplätze durchsetzen? Telekom-Anteile – und sitzt
– Abschreibungen 3,04
Konkret gefragt: Warum will nach dem gewaltigen Kurs-
– Zinsaufwendungen 1,09
die Deutsche Bank 6.400 rutsch nun auf Verlusten von
– Betriebssteuern 1,81
Mitarbeiter entlassen, wenn inzwischen rund 500 Millionen
– Übrige Aufwendungen 14,52
sie doch ihren Gewinn kräftig Euro. Das ist für das erfolgs-
= Jahresergebnis vor Gewinnsteuern 3,75
steigern konnte? Und warum verwöhnte US-Unternehmen
– Steuern vom Einkommen und Ertrag 0,84
will die Telekom sogar 32.000 nicht nur äußerst peinlich.
= Jahresergebnis (Gewinn) 2,91
Beschäftigte vor die Tür setzen? Es könnte, befürchtet man
Stand: 2004; Umsatz: einschließlich Bestandsveränderungen; Übrige Erträge:
zum Beispiel Zinserträge; Ursprungsdaten: Deutsche Bundesbank 2006 in Bonn [dem Hauptsitz der
Die Antwort auf diese durch- Telekom], auch dazu führen,
Das Konkurrenzprinzip funkti- dungen ausgelöst – das knappe aus berechtigte Frage ist alles dass der von Blackstone in den
oniert so: Angenommen, das Kapital wurde quasi automa- andere als einfach. Bleiben wir Telekom-Aufsichtsrat entsandte
Unternehmen X bringt ein tisch (wir erinnern uns: die einmal bei der Telekom, dann Lawrence Guffey auf deutlich
innovatives Produkt auf den „unsichtbare Hand“ des zählen zu den Gründen für den weitreichendere Änderungen
Markt, also etwas, was es bis Marktes) in jene Bereiche ge- geplanten Jobabbau einerseits pocht, als Ricke sie bisher plant
dahin so nicht gegeben hat lenkt, die den größten Gewinn die bekannten Fakten – also – und dafür bei anderen Kon-
– wie zum Beispiel seinerzeit versprechen. Logisch, dass die scharfe Konkurrenz durch trolleuren auch Unterstützung
den Walkman. Weil es diese gleichzeitig Kapital aus weniger neue Anbieter mit der Folge findet.“
Innovation anfangs nur bei lukrativen Feldern abgezogen sinkender Preise, Umsätze und
diesem Unternehmen gibt, wird – denn für die Wirtschaft Gewinne. Auf der anderen Das große Fressen
kann es hohe Preise verlangen gilt genau dasselbe wie für je- Seite aber sind gerade Global
und macht auch entsprechend den Einzelnen: Jeder Euro kann Player wie die Telekom auch Was auch immer „deutlich
hohe Gewinne (der erste Walk- nur einmal ausgegeben werden. einem Wettbewerbsdruck aus- weitreichendere Änderungen“
man kam übrigens 1979 unter gesetzt, der weniger von außen konkret bedeuten mögen, eines
dem Namen TPS-L2 heraus, „Die Lust am Geld- als vielmehr von innen kommt: zeigt das Telekom-Beispiel son-
kostete 200 Dollar und wurde durch Finanzinvestoren. nenklar: Es gibt keine „deut-
weltweit 330 Millionen Mal
verdienen ist für schen“ Konzerne mehr, son-
verkauft). Wow! sagt sich die wirtschaftliche Was diese, von manchen als dern allenfalls noch Konzerne
nun die Konkurrenz – und Entwicklung der „Heuschrecken“ abgekanzelten in Deutschland. Und es ist
schwups, schon kommen die Investoren bewirken können, auch (fast) egal, wie groß oder
ersten Nachahmer aus ihren
Welt ebenso not- beschrieb „Der Spiegel“ im wie traditionell ein Unterneh-
Startlöchern, um die erfolg- wendig wie die Lust August 2006 so: „… der Tele- men ist – im Zeitalter der Glo-
reiche Idee zu kopieren oder zu am Beischlaf für kom-Chef hat in den Reihen balisierung gibt es immer noch
imitieren. Aus marktwirtschaft- der Kontrolleure [gemeint ist einen größeren Fisch, der sich
licher Sicht ist dabei Folgendes die Volksvermeh- der Aufsichtsrat] neuerdings den kleineren gerne einverleibt.
passiert: Durch die Innovation rung.“ einen mächtigen Gegenspieler: Die Liste der prominenten
wurden Investitionsentschei- Eugen Schmalenbach den Finanzinvestor Blackstone. Gefressenen jedenfalls wird von

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Jahr zu Jahr länger: Der Indus- Der Übernahmeexperte von len Konkurrenten auszustre- ternehmen wie etwa die Deut-
trieriese Mannesmann, bis zum der Siemens AG prophezeit cken. Fusions-Experte Lucks: sche Bank stellen müssen.
Jahr 2000 ein DAX-Schwer- Deutschland eine regelrechte „Die chinesische Führung
gewicht, wurde vom britischen Übernahme- und Fusions- hat in ihren Zwei-, Drei- und Wenn wir dieses Szenario ernst
Mobilfunkanbieter Vodafone welle, bei der die Käufer aus Fünfjahresplänen Deutschland nehmen, und das sollten wir,
übernommen; der seit Anfang Ländern kommen werden, von als Zielland genannt.“ dann erscheinen die Diskussi-
2009 insolvente Modellbahn- denen die meisten Deutschen onen um Gewinnmaximierung
hersteller Märklin gehörte zu- bislang wohl kaum gedacht Und was heißt das für die und Verlagerung von Arbeits-
vor ebenfalls einem britischen hätten, dass sie einmal eine Unternehmen in Deutschland, plätzen ins Ausland in einem
Finanzinvestor; Apollinaris ist ernsthafte Konkurrenz darstel- insbesondere die Global Player? anderen Licht. Die Manager
vom US-Konzern Coca-Cola len könnten: Brasilien, Russ- Sagen wir es ohne Umschwei- großer Konzerne peilen zwei-
geschluckt worden und die land, Indien und China – die fe: Entweder sie passen sich stellige Renditen nicht deshalb
Hypo-Vereinsbank gehört der sogenannten BRIC-Länder. dem internationalen Markt an an, um sich selbst die Taschen
italienischen Unicredito. Vor allem im Reich der Mitte – oder sie werden angepasst. vollzustopfen (obwohl es auch
gibt es inzwischen viele große Und das schließt durchaus die solche schwarzen Schafe gibt),
Ausverkauf Deutschland? Staatsunternehmen und zuneh- Möglichkeit ein, von einem sondern um ihre Unterneh-
mend auch schlagkräftige Pri- ausländischen Konkurrenten men so weit zu „mästen“, dass
Doch das war erst der An- vatunternehmen, die sich erst oder Finanzinvestor übernom- sich potenzielle Aufkäufer die
fang. „Es rollt ein Tsunami zusammenschließen, um dann men zu werden, ein Risiko, Zähne an ihnen ausbeißen.
auf uns zu“, warnt Kai Lucks. ihre Fühler nach internationa- dem sich selbst so potente Un- Gelingt das den Unterneh-

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

Nettoumsatzrenditen: Deutschland unter ferner liefen für einen Bruchteil der deut- standsvorsitzender so unglaub-
schen Kosten zu haben ist. So lich viel Geld verdienen und
Jahresüberschuss 2007 nach Steuern in Prozent des Umsatzes
bitter das für die betroffenen gleichzeitig Zigtausende seiner
Russland 15,4
Indien 11,5
Mitarbeiter in Deutschland Mitarbeiter vor die Tür setzen?
Brasilien 11,4 auch ist, aus volkswirtschaft- Oder müsste der Staat als
Schweiz 10,9 licher Sicht ist dieser Weg Gesetzgeber dem nicht einen
Norwegen 9,9 immer noch der bessere. Denn: Riegel vorschieben und die
Vereinigtes Königreich 9,1
Spanien 8,6
Dänemark 8,4 […] „Zum Beispiel Adidas, das Musterexemplar eines
globalen Unternehmens: Herzogenaurach, wo die Marke
Belgien 8,4
einst erfunden wurde, ist zwar immer noch Stammsitz des
Schweden 7,9 Konzerns und wird es nach Ansicht des Vorstandschefs
Portugal 7,8 Herbert Hainer auch bleiben. Aber der weltweite Einkauf
China 7,7 wird in Hongkong erledigt, das Marketing in Amsterdam,
Finnland 7,5 der Großteil der Produktionsentwicklung im amerika-
nischen Portland und das Design unter anderem in Tokio
Kanada 7,2
und New York. Hergestellt werden die Schuhe und Trikots
Österreich 6,6 zu 95 Prozent in Asien. […] Dennoch zeigt Adidas, dass
Italien 6,6 Global Player mit Sitz in Deutschland auch hierzulande
Niederlande 6,5 neue Jobs schaffen können, wenn sie erfolgreich sind. In
den vergangenen zehn Jahren hat der Sportartikelhersteller
Frankreich 6,1
die Zahl seiner Beschäftigten in Deutschland von 1200 auf
Griechenland 6,0
2580 mehr als verdoppelt. In diesem Jahr sollen nochmals
USA 5,8 150 Stellen, vor allem im Marketing und Vertrieb, dazu-
Deutschland 5,0 kommen.“
Japan 3,6
Jahresüberschuss: Konzerne der gewerblichen Wirtschaft ohne Banken und Jobverlagerungen ins Ausland Manager-Gehälter auf, sagen
Versicherungen; Ursprungsdaten: Osiris-Datenbank (Bureau van Dijk)
schaffen und sichern auch wir, 2 Millionen Euro pro Jahr
Arbeitsplätze in Deutschland – begrenzen? Beantworten wir
men nicht, werden sie an den aber nicht nur) dem gleichen wie obenstehende Geschichte die letzte Frage einmal mit Ja.
Finanzmärkten abgestraft: Der Zweck: Gewinne machen, also aus dem Nachrichtenmaga- Und dann? Wenn wir die Ma-
Aktienkurs sinkt und mit ihm auch Kosten senken, um im zin „Der Spiegel“ (Ausgabe nager-Gehälter deckeln, was
der Übernahmepreis für po- harten Wettbewerb zu beste- 17/2005) belegt. machen wir dann zum Beispiel
tenzielle Aufkäufer. Wie nötig hen. Da die Arbeitskosten in mit …
eine Gewinn-Mastkur ist, zeigt Deutschland aber bekanntlich Ach ja, und dann sind da noch
ein internationaler Vergleich zu den höchsten der Welt zäh- die Millionen-Gehälter der … Michael Schumacher? Der
der Nettoumsatzrenditen, also len, bleibt vielen Unternehmen Manager. Knapp 12 Millionen Formel-1-Rekordweltmeister
des Gewinns nach Steuern in nur eine Alternative: Entweder Euro, so stand es überall zu verdiente angeblich (offizielle
Prozent des Umsatzes: Danach sie machen weiter wie bisher lesen, soll zum Beispiel Josef Angaben gibt es keine) zwi-
erwirtschaften die Konzerne und gehen sehenden Auges un- Ackermann bekommen. Zwölf schen 50 und 100 Millionen
in Deutschland die zweitnied- ter, oder sie verlagern zumin- Millionen in einem einzigen Euro – pro Saison.
rigsten Gewinne von 22 groß- dest die besonders arbeits- und Jahr – dafür müsste ein Durch-
en Industrienationen. damit kostenintensiven Pro- schnittsverdiener mit 13 Mo- … Michael Ballack? Der Kapi-
duktionsbereiche in Länder wie natsgehältern von rund 2.700 tän der Fußballnationalmann-
Arbeitsplatzverlagerungen Tschechien, Rumänien oder Euro brutto 340 Jahre arbeiten. schaft verdiente in seiner Bay-
ins Ausland dienen (auch, Ungarn, wo eine Arbeitsstunde Darf das sein? Darf ein Vor- ern-Zeit angeblich 6,5 Millio-

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nen Euro im Jahr. Und bei Und noch ein Letztes muss Globalisierung. Kaum ein an-
www.globalisie-
seinem neuen Club, dem FC zum Thema Millionen-Gehäl- deres Wort aus der Wirtschaft
Chelsea, sollen es 200.000 ter und Spitzenverdiener gesagt rung.insm.de – verunsichert die Menschen
Euro sein – pro Woche. werden: Es mag ja sein, dass bei Freiheit statt heute so sehr wie dieses. Viele
dem einen oder anderen Maß verbinden damit ausschließlich
Staatsgläubigkeit
… dem 41-jährigen Kranken- und Ziel verloren gegangen Negatives: permanente Angst
pfleger aus Nordrhein-Westfa- sind; und es mag auch sein, „Kapitalismus? Find ich schei- um den eigenen Arbeitsplatz,
len? Er hat im Oktober 2006 dass die (übrigens vom Ge- ße.“ Mit diesen brachialen zunehmenden Leistungsdruck,
den größten Lotto-Jackpot aller setzgeber selbst eingerichteten) Worten reagierte ein junger finanzielle Existenznöte und
Zeiten geknackt und 37,6 Mil- sogenannten Steuerschlupflö- Mann aus Bayern im August eine Gesellschaft, in der das
lionen Euro gewonnen. cher zuweilen recht schamlos 2006 auf die Titelgeschichte Soziale auf dem Altar der
ausgenutzt werden. des „Spiegel“ über die „Gene- Ökonomie geopfert wird.
Damit keine Missverständnisse ration Praktikum“. Darin ging Das Phantom Globalisierung
aufkommen: Selbstverständlich Wahr ist aber auch: Das Gros es um Berufseinsteiger, die erschreckt aber keineswegs
darf und muss eine demokra- der Topverdiener in Deutsch- einfach keinen festen Job mehr nur die „kleinen Leute“, auch
tische und pluralistische Ge- land zahlt brav und ehrlich finden können – und das, prominente Wissenschaftler
sellschaft darüber diskutieren, seine Einkommenssteuern obwohl sie so gut ausgebildet, kommen zuweilen ins Grübeln.
wie sie ihren erwirtschafteten – und das nicht zu knapp: Fakt mobil und flexibel sind wie „Der Markt erdrückt den so-
Wohlstand verteilt. Aber die ist, dass im Jahr 2004 nach An- keine Generation vor ihnen. zialen Ausgleich und vielerorts
Gesellschaft muss sich auch gaben des Bundesfinanzminis- „Stattdessen“, so das Nach- die Justiz. Das ‚Recht des Stär-
entscheiden, was sie will: teriums die 5 Prozent der Steu- richtenmagazin, „hangeln sich keren‘ obsiegt. Damit gerät die
Marktwirtschaft oder Sozialis- erpflichtigen mit den höchsten heute immer mehr Berufsan- freiheitliche Marktwirtschaft in
mus? Und wenn sie sich, wie Einkommen für mehr als 40 fänger als Praktikanten, Mehr- eine Glaubwürdigkeitskrise“,
Deutschland, für die Markt- Prozent der gesamten Einnah- fachjobber oder Honorarkräfte schreibt zum Beispiel Ernst
wirtschaft entschieden hat, men aus der Einkommenssteu- durch die neue Arbeitswelt, mit Ulrich von Weizsäcker, Neffe
dann gelten auch deren Regeln. er sorgten. Auf der anderen befristeten Verträgen oder ganz des ehemaligen Bundespräsi-
Seite trugen die 50 Prozent der ohne, mit schlechter oder gar denten Richard von Weizsäcker
Im Klartext: Ob Josef Acker- Steuerpflichtigen mit den nied- keiner Bezahlung […]“. und Dekan an der University
mann 12 oder 2 Millionen rigsten Einkommen lediglich of California, in der Wochen-
Euro bekommt, entscheidet etwas mehr als 8 Prozent zum „Wir sind die Generation des zeitung „Die Zeit“.
einzig und allein der Aufsichts- Steueraufkommen bei. Nichts“, schreibt der junge
rat der Deutschen Bank. Denn Mann aus Bayern in seinem Verzagte Deutsche
Leserbrief weiter. „Für viele
laut Gesetz ist der Aufsichtsrat
„Es ist nichts
die Kontrollinstanz einer Kapi- geht es nur noch ums mo- Ohne Frage: Viele der Ängste
talgesellschaft – er überwacht falsch daran, dass mentane Überleben. Und und Sorgen sind nachvoll-
die Geschäftsführung, bestellt Menschen Reich- das nutzen die Unternehmen ziehbar. Wer trotz guter
gnadenlos aus.“ Andere Leser
die Vorstandsmitglieder und
tümer besitzen, Ausbildung und trotz viel
bestimmt deren Gehalt. Und und Leserinnen pflichten ihm persönlichen Engagements im
nicht zu vergessen: Der Auf- falsch wird es, bei und schreiben vom „Grund- Extremfall von Hartz IV und
sichtsrat wird von der Haupt- wenn Reichtümer übel der Ausbeutung“ und von einem Ein-Euro-Job leben
den „Schattenseiten der Globa-
versammlung gewählt – dort
Menschen muss, der hat wahrlich Grund
kann jeder einzelne Aktionär lisierung“. genug, an der Marktwirtschaft
seine Stimme erheben. besitzen.“ und der Globalisierung zu
Billy Graham zweifeln. Fatal aber wird es

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

immer dann, wenn die be- – besser schneiden von den heißt der Grund für all diese ausgerechnet jene, die doch
rechtigten Sorgen der konkret 15 „alten“ EU-Staaten nur Ängste: Globalisierung. eigentlich das große Ganze im
Betroffenen in kollektive Angst noch die Niederlande ab. Blick haben sollten, immer
umschlagen und selbst jene wieder Sätze wie diesen sagen:
Menschen in Weltuntergangs- Warum aber sind dann gerade
„Furcht besiegt „Die Globalisierung ist nicht
stimmung versetzen, die objek- die Deutschen so verzagt? Laut mehr Menschen aufzuhalten.“ Mit Verlaub, aber
tiv betrachtet gar keinen Anlass der Online-Umfrage „Perspek- als irgendetwas was für ein Quatsch! Wer so
dazu haben. Und das ist – auch tive Deutschland“, an der sich etwas behauptet, unterstellt,
das gehört zu einer fairen Dis- im Jahr 2004 mehr als eine
anderes auf der dass die Globalisierung etwas
kussion über Globalisierung halbe Million Bundesbürger Welt.“ Gottgegebenes ist – eine Ent-
und Marktwirtschaft – immer beteiligte, glauben gerade Ralph Waldo Emerson wicklung, der die Menschen so
noch die große Mehrheit: Nach einmal 28 Prozent der Bevölke- hilflos ausgesetzt sind wie einer
einer Studie der Europäischen rung, dass man in fünf bis zehn Nun wollen wir es uns nicht Naturkatastrophe. In Wahr-
Union sind in Deutschland Jahren noch gut in Deutsch- allzu einfach machen und die heit aber gibt es keine einzige
zum Beispiel nur 6 Prozent der land leben kann. Sechs von Verantwortung für die kollek- Facette der Globalisierung,
Bevölkerung von „dauerhafter zehn Bürgern fürchten einen tive Depression in Deutschland die nicht einzig und allein von
Armut“ betroffen, das heißt, sie finanziellen Abstieg, vier von pauschal den Politikern, den Menschenhand gemacht ist.
mussten oder müssen mindes- zehn machen sich ernsthafte Machern aus der Wirtschaft Ich, du, er, sie, wir alle machen
tens drei Jahre lang mit einem Sorgen um ihren Job – in an- oder den Medien in die Schuhe die Globalisierung – wer denn
Jahreseinkommen von weniger deren Umfragen sind es sogar schieben. Trotzdem muss die auch sonst?
als 10.000 Euro auskommen doppelt so viele. Und meist Frage erlaubt sein, warum

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Bleibt die Frage, wie wir das, der Demokratie: Jeder ist seines
was wir Globalisierung nen- Glückes Schmied. The sky is
Sozialdumping und nen, gestalten wollen. Wer sich the limit – alles ist möglich.
Jobverlagerungen? „Selbst schuld!“ jetzt der Hoffnung hingibt, auf
Im September 2006 stellte „Die Zeit“ eine These auf: „Ob diese Frage eine allgemeingül- Vorbild Irland
Niedriglöhne, Stellenabbau oder Umweltzerstörung: Was tige Antwort zu bekommen,
uns als Bürger empört, fördern wir als Kunden.“ den müssen wir enttäuschen: Zugegeben, Karrieren wie die
[…] „Der Mensch ist schlecht. Ein Homo oeconomicus. Nicht dass es keine Antworten von William Wrigley Jr. oder
Und noch viel Schlimmeres. Wir wissen von unseren Verge- gäbe, weit gefehlt. Es gibt viel- Bill Gates sind eher Einzelfälle.
hen. Vor allem in dem Bereich, in dem wir täglich wählen: mehr Milliarden Antworten, Das heißt aber keineswegs, dass
dem des Konsums. […] Wir buchen Flüge zu Preisen, von nämlich genau so viele, wie es Globalisierung und Markt-
denen wir wissen, dass sie auf Niedriglöhnen und Stellenab- Menschen auf der Welt gibt! wirtschaft nur für Einzelne
bau beruhen. Wir kaufen ein in Supermärkten, deren Preise Denn genau das ist die Crux von Vorteil sind. Ganz im
angemessene Gewinne für die Produzenten ausschließen an der Globalisierung und an Gegenteil: Wenn ich, du, er,
– ebenso wie eine umwelt- und tiergerechte Produktion. Wir der Marktwirtschaft und an sie, wir alle mitmachen, dann
haben gelesen, dass den Angestellten hinter der Kasse landes-
übliche Rechte vorenthalten werden. Wir wissen, dass Hosen
und Pullover, Computer und DVD-Player, die wir zu Spott-
preisen kaufen, nicht in Deutschland, sondern im Ausland Wie man aus 32 Dollar
gefertigt werden, in sogenannten Niedriglohnländern. 23 Milliarden Dollar macht
Sozialdumping, Stellenabbau, Verlagerungen der Produk- Im Jahr 1891 zieht es einen gewissen William Wrigley Jr. von
tion ins Ausland – als Kunde fördern wir alles, was uns als Philadelphia an den Lake Michigan. Gerade einmal 29 Jahre
Bürger empört. Wir tun genau das, was wir Politikern und alt und mit 32 Dollar in der Tasche, will er in Chicago sein
Managern vorwerfen. Wie die Manager an der Spitze der Glück als Handelsvertreter versuchen und gründet die Wrig-
Konzerne treiben wir Globalisierung und Deregulierung ley Jr. Company. Seife – William Wrigley Jr. produziert und
voran. Die Manager schauen auf jeden Cent und nehmen verkauft Seife, wie sein Vater. Doch weil der Junior fremd ist
nur das Billigste? Genau das tun wir, als fortwährend rech- in Chicago und weil aller Anfang bekanntlich schwer ist, legt
nende und vergleichende Kunden, als knallharte Manager er in jede Lieferung, die seine Firma verlässt, zwei Päckchen
unserer Lebenshaltung. Wir drücken die Preise, bis als Pro- Backpulver. Es dauert nicht lange, da interessieren sich die
duktionsstandort unserer Waren nur noch Fernost infrage Leute mehr für das kleine Werbegeschenk als für die Seife.
kommt. Wir sind die globalen Heuschrecken. Volk und Elite Also lässt Wrigley Seife Seife sein und verkauft fortan lieber
sind sich einig in ihrem radikalen Ökonomismus. Und wie Backpulver – natürlich nicht, ohne jede seiner Lieferungen
die Elite sind wir teils getrieben, teils Treibende. […] Wir mit einer kleinen Gratisbeigabe zu versüßen. Diesmal ist es
schimpfen über die Schließung deutscher Standorte und eine Kugel Kaugummi. Der Rest von diesem wahr gewor-
kaufen am selben Tag eine Hose für 30 Euro, die in Bangla- denen Märchen ist schnell erzählt: Von wegen Backpulver –
desch genäht wurde. […] Als Bürger sind wir Sozialisten – die Leute reißen sich nur noch um das Kaugummi. Also wid-
Verfechter der alten sozialen Errungenschaften. Als Kunden met Wrigley seine Firma ein zweites Mal um und bringt nur
sind wir Neoliberale. Marktradikale. Uns ist recht, was billig zwei Jahre nach seiner Ankunft in Chicago das mittlerweile
ist.“ weltberühmte „Wrigley’s Spearmint“ auf den Markt.
Auch heute noch sitzt ein gewisser William Wrigley Jr.,
Urenkel des gleichnamigen Gründers, im Aufsichtsrat der
Firma. Sie ist im Oktober 2008 von der Mars Incorporated
übernommen worden. Kaufpreis: 23 Milliarden Dollar.

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

profitieren auch alle (na ja, Ausgabenkürzungen und


jedenfalls fast alle) davon. Ein schmaler Lohnzuwächse stie-
Paradebeispiel dafür ist Irland: Globalisierung – gen. Was Irland kann, sollte
Noch zu Beginn der neunziger Milliarden neuer Konkurrenten Deutschland eigentlich auch
Jahre zählte die grüne Insel zu Kennen Sie Chongqing? Die Stadt am Yangtze ist eine von können – kann es aber offen-
den Armenhäusern Europas. derzeit insgesamt 52 chinesischen Millionenstädten und bar nicht. Denn egal, welche
Irland galt als rückständig, der zählt nach der Zusammenlegung mit umliegenden Regionen Kriterien wir heranziehen
Staat war hoch verschuldet, und Kleinstädten mehr als 30 Millionen Einwohner. Und – ob Wirtschaftswachstum,
die Arbeitslosenquote und die jedes Jahr kommen 200.000 weitere hinzu, um an dem Erwerbstätigenquote, Einkom-
Armutsquote waren zweistellig schier unaufhaltsamen Aufstieg der Metropole im Süden menszuwachs oder Bildungs-
und immer mehr junge Leu- Chinas teilzuhaben. Denn in Chongqing, so heißt es, hat niveau – bei internationalen
te kehrten ihrem Land den die Privatwirtschaft den staatlich gelenkten Sektor längst Vergleichen landet die größte
Rücken und wanderten aus. überholt. Die Stadt investiert gewaltige Summen in die Volkswirtschaft Europas schon
Heute ist das irische Brutto- Bildung und die Wissenschaft, die Absolventen der Wirt- seit Jahren regelmäßig auf hin-
inlandsprodukt je Einwohner schaftsuniversität haben beste Aussichten auf eine steile Kar- teren Plätzen.
höher als das in Deutschland, riere, die medizinische Hochschule leistet Pionierarbeit in
die Wirtschaft wächst seit Jah- der Krebsforschung und Yin Mingshan, Nummer eins unter Nachzügler Deutschland
ren um durchschnittlich real den chinesischen Motorrad- und Automobilherstellern, hat
6 Prozent, die Arbeitslosen- vor kurzem einen umweltfreundlichen Kleinwagen auf den Was ist der Grund für diese
quote sowie die Armutsquote Markt gebracht, der sogar in den USA verkauft werden soll. Rückständigkeit? Lassen wir
liegen deutlich unter 5 Prozent Chongqing, die „Stadt der Wissenschaft“, ist ein Paradebei- einmal die konkreten Einzelur-
und es zieht immer mehr spiel für den Aufstieg Chinas zur größten Wirtschaftsnation sachen beiseite und konzentrie-
qualifizierte Arbeitskräfte und der Welt. Heute erwirtschaften die 1,3 Milliarden Chinesen ren uns mehr auf das Allgemei-
Investoren auf die Insel. ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von umgerechnet 9,4 Bil- ne, auf das „typisch Deutsche“,
lionen Dollar und liegen damit noch knapp hinter Westeu- dann ist das Kernproblem
Möglich war dieser Um- ropa (11,8 Billionen Dollar) und den USA (12,3 Billionen schnell gefunden: Die Deut-
schwung, weil es die Iren ver- Dollar). Bis zum Jahr 2050 werden die Chinesen ihr BIP schen, so scheint es, haben eine
standen haben, die Chancen fast verfünffacht haben – damit wird ihre Wirtschaftskraft besonders ausgeprägte Angst
der Globalisierung zu nutzen. fast genauso stark sein wie die der USA und Westeuropas vor Veränderungen; stattdessen
Statt pauschal auf die „Heu- zusammen. leben und lieben sie den Kon-
schrecken“ zu schimpfen, Nicht weniger ambitioniert ist das zweite Milliardenvolk, die sens, das Alles-bleibt-wie-es-ist.
ließen die Iren ausländische Inder. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Einwohner von Wie stark dieses stoische Be-
Investoren ins Land. Und statt heute gut 1 Milliarde auf dann 1,6 Milliarden steigen; und harren ausgeprägt ist, zeigte im
weiterhin auf Pump zu leben, das indische BIP wird sich im gleichen Zeitraum von heute Jahr 2004 eine Umfrage des
schlossen Regierung, Arbeit- 3,6 Billionen Dollar auf fast 28 Billionen Dollar verachtfa- Meinungsforschungsinstituts
geber und Gewerkschaften ein chen. Damit werden die Inder Westeuropa abhängen und Forsa: Danach würde ein Fünf-
Abkommen: Einerseits wurden fast auf Augenhöhe mit den US-Amerikanern sein. tel der Bundesbürger (12 Pro-
die staatlichen Ausgaben ge- zent im Osten und doppelt so
kürzt und die Gewerkschaften viele im Westen) sogar am
verpflichteten sich zu Lohn- liebsten die Mauer wieder auf-
zurückhaltung; andererseits bauen. Die Deutschen: Wo
senkte der Staat die Steuern andere Chancen sehen, wittern
und Abgaben, sodass die Net- sie nur Risiken.
toeinkommen trotz staatlicher

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es auch nicht. Wir, die Gesell- Geld fließt in die Renten-, aus, die Risiken des Lebens
„Wer jedes Risiko
schaft, brauchen die Polizei, Kranken-, Pflege-, Unfall- und abzusichern und abzufedern.
ausschalten will, die Bundeswehr, Ämter und Arbeitslosenversicherung, es Mit Erfolg? Mitnichten! Die
der zerstört auch Behörden, die Justiz, Universi- wird ausgegeben für Beam- Rentenversicherungen hangeln
täten, Straßen und dergleichen tenpensionen, Altershilfen für sich von Monat zu Monat;
alle Chancen.“
mehr. Das alles kostet Geld. Landwirte, die Entgeltfortzah- die Pflegeversicherung ist
Hans-Olaf Henkel Was aber ist mit jenen Aber- lung bei Krankheit, Kinder- ein finanzielles Desaster; das
milliarden Euro, die der Staat geld, Erziehungsgeld, soziale deutsche Gesundheitssystem
Wie wäre es denn, wenn wir und die Sozialkassen jedes Jahr Entschädigungen, Wohngeld, verschlingt Milliarden, gilt
stattdessen mal etwas Neues von den Bundesbürgern und Jugendhilfe und Sozialhilfe. aber nach internationalen
wagen würden? Wir könnten den Unternehmen einsam- Maßstäben als ineffizient; die
uns zur Abwechslung einmal meln, nur um sie dann – im
„Ich weiß, der Arbeitslosigkeit ist trotz ABM,
dazu durchringen, das Konzept Namen der Gerechtigkeit – Frühverrentung und all der
der Marktwirtschaft auch wirk- über Subventionen und Sozial- Staat kann einem anderen Programme gestiegen
lich umzusetzen – und nicht leistungen wieder an die Bürger nichts geben, was und gestiegen; und die Förde-
immer nur eine abgespeckte und Betriebe zurückzugeben?
er einem nicht vor- rung der Familie über Kinder-
Variante davon. Mehr Markt- Ist diese Umverteilung, wie und Erziehungsgeld hat alles
wirtschaft, das hieße vor allem: Ökonomen das Ganze nennen, her genommen hat. Mögliche bewirkt – nur nicht
weniger Staat. Doch warum überhaupt noch sinnvoll? Das ist nur recht den dringend benötigten An-
eigentlich? Warum soll sich der
und … nein, also stieg der Geburtenrate und der
Staat soweit es geht zurück- Machen wir die Probe aufs Frauenerwerbstätigkeit.
ziehen und dem Markt Platz Exempel: Das deutsche Sozial- billig ist es nicht.“
machen? budget hat sich seit 1960 von Karl Farkas Was für die Bürger die Sozi-
damals rund 33 Milliarden alleistungen sind, sind für die
Die Antwort lautet: 8. Juli Euro auf mittlerweile fast 700 Jahr für Jahr gibt Deutschland Unternehmen die Subventi-
2008, 7 Uhr 57. Das nämlich Milliarden Euro erhöht. Dieses mehr und mehr Geld dafür onen. Und auch für diesen
war nach Berechnungen des Bereich gilt: Gut gemeint, aber
Bundes der Steuerzahler exakt meistens schlecht gemacht.
der Zeitpunkt, bis zu dem
alle Deutschen ihr gesamtes
Einkommen, das sie bis dahin
,
Hätten Sie s gewusst
???
Die Sozialausgaben pro Einwohner sind in Deutschland
Es ist nun einmal unsinnig,
nicht konkurrenzfähige Un-
ternehmen oder sogar ganze
in diesem Jahr erwirtschaftet von 588 Euro im Jahr 1960 auf 8.500 Euro im Jahr 2006 Branchen mit viel Geld künst-
hatten, in Form von Steuern gestiegen. Damit erhöhte sich die Sozialquote (Sozialaus- lich am Leben zu erhalten.
und Sozialabgaben an die gaben in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) von 21,1 auf Das verzögert nicht nur den
Staatskassen abführten. Von 30,3 Prozent. Die Sozialausgaben des Jahres 2006 stammten notwendigen Strukturwandel
den 366 Tagen des Jahres 2008 aus folgenden Quellen: (darunter versteht man zum
arbeiteten wir also 190 Tage 27,1 Prozent von den privaten Haushalten Beispiel den Wandel von der
ausschließlich für den Staat – 26,2 Prozent von den Unternehmen Industrie- zur Dienstleistungs-
und nur 176 Tage fürs eigene 24,8 Prozent vom Bund oder Wissensgesellschaft), es
Portemonnaie. Oder anders 10,5 Prozent von den Ländern führt auch zu solch absurden
gerechnet: Von jedem einzel- 9,5 Prozent von den Gemeinden Ergebnissen wie dem, dass
nen Euro Verdienst geht mehr 1,4 Prozent von privaten Organisationen wettbewerbsfähige Unterneh-
als die Hälfte an den Staat. 0,4 Prozent von den Sozialversicherungen men von subventionierten
Keine Frage, ohne Staat geht verdrängt werden.

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

Welch groteske Ausmaße die plätze schaffen und so höher zu den?“ Diese Worte stammen, es zumindest in einigen Berei-
deutsche Subventionspolitik bewerten im Moment als die man glaubt es kaum, von der chen gute Gründe dafür gibt);
zuweilen annimmt, zeigt ein gesundheitsschädigende Wir- damaligen Drogenbeauftragten wir wollen auch nicht darauf
Beispiel aus Brandenburg. Dort kung der Produkte, die dort der Bundesregierung im Bun- herumreiten, dass die Be-
hat die Landesregierung im hergestellt werden.“ desgesundheitsministerium. diensteten von Bund, Ländern
Jahr 2006 die Kampagne und Gemeinden Jahr für Jahr
„Brandenburg soll rauchfrei Nicht minder abstrus ist die
„Alle menschlichen etliche Milliarden an Steuer-
werden“ gestartet – und gleich- Begründung, warum sich auch geldern regelrecht zum Fenster
zeitig subventioniert sie die der Bund mit 3,25 Millionen Einrichtungen sind hinauswerfen (zum Beispiel
Ansiedlung einer neuen Ziga- Euro an den brandenbur- unvollkommen jene 35 Millionen Euro für
rettenfabrik mit insgesamt gischen Subventionen beteiligt:
– am allermeisten den Ausbau des Flughafens
13 Millionen Euro aus Steuer- „Wenn wir das jetzt sehen, dass Schwerin-Parchim, der im Jahr
geldern. Dazu die Landesmi- dort wie gesagt Arbeitsplätze staatliche.“ 2004 ganze 4.671 Fluggäste
nisterin für Gesundheit im geschaffen werden, Raucher Otto von Bismarck zählte); müßig auch darüber zu
ARD-Magazin „Kontraste“: weiter den Tabak, die Zigaret- diskutieren, warum die neue
„Es ist nicht die tollste Lösung. ten dort konsumieren, dann Wenn man vom Staat redet, Bundesregierung drei Staats-
Aber wir haben eine Förder- muss man sich die Frage stel- sind die Bürokraten nicht weit. sekretäre mehr braucht als die
richtlinie, die eine Gleichbe- len: Würden die wirklich alle Nein, keine Sorge, wir wollen alte (nach Berechnungen des
handlung erfordert und des- aufhören, wenn wir jetzt dort jetzt nicht die Abschaffung des Steuerzahlerbundes kostet jeder
halb sind die Kriterien Arbeits- nicht subventionieren wür- Beamtentums fordern (obwohl Staatssekretär den Steuerzahler

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eine halbe Million Euro pro Freiheit gewinnt Denn es sind schließlich wir, Ich, du, er, sie, wir alle ver-
Jahr) – nein, lassen wir das die Steuerzahler, die dafür stoßen gegen die Regeln der
und lesen stattdessen einen Doch ist es nicht genau um- aufkommen müssen, dass es Wirtschaft, wenn wir diese Art
süffisanten Artikel aus dem gekehrt? Ist nicht die soziale sich einzelne Unternehmen „Fürsorge“ auch noch finan-
„Spiegel“ (Ausgabe 18/2006). Balance in Deutschland gerade oder ganze Wirtschaftszweige zieren. Mit sozialer und freier
Darin geht es, am Beispiel der deshalb aus den Fugen geraten, in der aus Subventionen ge- Marktwirtschaft jedenfalls hat
Mehrwertsteuererhöhung, um WEIL wir – der Staat, die Ge- strickten Hängematte nur allzu das nichts zu tun. Wer einen
die Frage, wie viel Staat wir sellschaft – krampfhaft versu- bequem machen. Und unser Sozialstaat will, der muss sich
eigentlich brauchen. Und vor chen, die Schicksale von mehr aller Geld ist es auch, mit auch sozial verhalten. Und wer
allem: welchen? als 80 Millionen Menschen in dem es sich zum Beispiel jene frei sein will, der darf sich seine
ein einziges, nämlich das vom junge Frau gutgehen lässt, die Freiheit nicht durch die Unfrei-
Natürlich könnte man sich Staat vorgegebene Korsett zu seit Jahren jeden Job ablehnt heit anderer erkaufen.
über solche Eskapaden förm- zwängen? Und muss dieses und in einem RTL-Magazin
lich totlachen – wenn, ja wenn Einheits-Korsett nicht zwangs- auch noch damit prahlte, sie
es nicht so ernst wäre. Und läufig so geschneidert sein, dass mache halt „einen auf Hartz
nicht so teuer. Und nicht so es letztlich keinem passt? IV“, arbeite „noch ’n bisschen
widersinnig. Denn, man kann schwarz“ und verbringe anson-
es nicht oft genug wiederholen: Übrigens: Man ist weder Mo- sten etliche Monate im Jahr an
Das alles geschieht „unter dem ralapostel noch Neoliberaler der Südküste der Türkei – wo
Gesichtspunkt der sozialen oder gar ein Gegner des Staa- sie sich, jung und hübsch wie
Balance“, wie es der Bundesfi- tes, wenn man die wahnwitzige sie ist, ebenfalls auf Kosten
nanzminister formulierte. staatliche Umverteilung an den anderer Leute durchs Leben
Pranger stellt. schmarotzt.

„Im steten Bemühen, das Steuerrecht möglichst exakt der ist alles in Ordnung. Der Staat gewährt einen Steuernachlass.
Lebenswirklichkeit anzupassen, haben sich die Spitzen- Doch wehe, es handelt sich um „zusammengesetzte Würz-
beamten des Bundesfinanzministeriums gründlich in die mittel“ oder gar „getrocknete Erzeugnisse für Zwecke der
Pferdematerie eingearbeitet. Es geht um die Frage, welches Medizin“. Dann schlägt der Fiskus mit dem vollen Satz zu. […]
Tier bei einem Kauf mit dem normalen Mehrwertsteuersatz Ziermais wird vom Staat gefördert, Zuckermais nicht. Pilze
zu belegen ist und welches mit dem ermäßigten Satz. […] und Trüffel werden subventioniert, sofern sie nicht in Essig
Klar ist: Pferd ist nicht gleich Pferd. Während für „Hengste, eingelegt wurden. Die Umsatzsteuer auf Leitungswasser ist
Wallache, Stuten, Fohlen“ grundsätzlich der ermäßigte Steu- ermäßigt, nicht aber die Steuer auf Abwasser. […] Malbücher
ersatz gelte, sei auf „Przewalski-Pferde, Tarpane (Mongolei) für Kinder? Werden gefördert – aber nur, wenn auszuschließen
sowie Zebras und Zebroide“ der volle Satz anzuwenden. ist, dass „auf mehr als der Hälfte der Seiten“ eine Bastelsche-
„Kreuzungen zwischen Eselhengst und Pferdestute (Maul- re zum Einsatz kommen soll. Beinprothesen? Die Grundaus-
tier) sowie zwischen Pferdehengst und Eselstute (Maulesel) stattung wird subventioniert, die Ersatzteilbeschaffung hinge-
werden steuerlich gefördert, der einfache Esel hingegen gen nicht. […]
nicht – jedenfalls nicht zu Lebzeiten. Geschlachtet und zum „Ein Irrsinn“, schlussfolgert denn auch FDP-Politiker Wissing.
Verzehr bestimmt, erfreut auch er sich der steuerlichen Be- Die Beamten des Finanzministeriums hingegen scheint das
günstigung. […] Auch die Verarbeitung von Lebensmitteln ist Kompendium des Mehrwertsteuerwahns mit einigem Stolz zu
für die Steuerbehörde von allergrößter Bedeutung. Solange erfüllen. „Der Gesetzgeber“, heißt es in ihrem Schreiben, habe
Gewürze wie „Spargelmehl, Knoblauchschrot und Majoran „ein Gesamtkonzept für alle Bereiche des täglichen Lebens
(gerebelt oder gemahlen)“ sauber voneinander getrennt sind, entwickelt“.

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Die Wirtschaft: Über Gewinne und andere Vorurteile

Hätten Sie's gewusst


???
Hier einige Superlative aus der Wirtschaft; die Angaben geben den jeweils jüngsten Stand
sowie in Klammern das dazugehörende Land wieder:

Kriterium Höchster Wert Niedrigster Wert


• BIP in $ 14,5 Billionen (USA) 112 Millionen (Kiribati)
• BIP je Einwohner in $ 70.145 (Luxemburg) 103 (Kongo)
• Wirtschaftswachstum in % 22,2 (Aserbaidschan) –5,0 (Simbabwe)
• Agrarproduktion je Einwohner in $ 4.089 (Island) 24 (Eitrea)
• Industrieproduktion je Einwohner in $ 31.339 (Katar) 18 (Äthiopien)
• Dienstleistungen je Einwohner in $ 67.713 (Luxemburg) 51 (Burundi)
• BIP-Anteil der Landwirtschaft in % 56,0 (Myanmar) 0,2 (Katar)
• BIP-Anteil der Industrie in % 88,8 (Äquatorialguinea) 8,0 (Myanmar)
• BIP-Anteil der Dienstleistungen in % 84,6 (Luxemburg) 8,2 (Äquatorialguinea)
• Inflationsrate in % 184,2 (Simbabwe) –0,5 (Garbun)
• Arbeitskräfte absolut 819.800.000 (China) 10.000 (Palau)
• Arbeitslosigkeit absolut 75.421.600 (China) 440 (Palau)
• Arbeitslosigkeit in % 82,0 (Simbabwe) 0,9 (Usbekistan)
• Staatshaushalt, Einnahmen in $ 2,4 Billionen (USA) 57,0 Millionen (Gambia)
• Staatshaushalt, Ausgaben in $ 2,7 Billionen (USA) 67,8 Millionen (Gambia)
• Staatsausgaben in % des BIP 90,6 (Äquatorialguinea) 8,3 (Afghanistan)
• Staatsverschuldung in $ 78,8 Billionen (USA) 666,4 Millionen (Estland)
• Staatsverschuldung % des BIP 192,2 (Libanon) 4,4 (Estland)
• Staatsverschuldung je Einwohner in $ 66.690 (Japan) 75 (Nigeria)
• Exporte in $ 1,2 Billionen (Deutschland) 50.000 (Nauru)
• Importe in $ 2,1 Billionen (USA) 6,0 Millionen (Nauru)
• Außenverschuldung in $ 9,6 Billionen (USA) 202 Millionen (Malta)
• Gold und Währungsreserven in $ 1,3 Billionen (China) 30,8 Millionen (Eritrea)
Quelle: www.welt-in-zahlen.de

„Lasst uns mehr Freiheit wa-


gen“, forderte im November „Die Freiheit ist ein wundersames Tier
2005 auch Angela Merkel in
Und manche Menschen haben Angst vor ihr
ihrer Regierungserklärung.
Dem ist eigentlich nichts Doch hinter Gitterstäben geht sie ein
hinzuzufügen – außer vielleicht Denn nur in Freiheit kann die Freiheit Freiheit sein.“
das: Georg Danzer

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Für Neugierige: Lesetipps, Internetadressen und Projekte www.netschool.de: Die virtuelle Schule vermittelt das Thema
Wirtschaft mit einem ganzheitlichen pädagogischen Ansatz für
Die folgenden Empfehlungen an Büchern, Artikeln und Inter-
alle Altersstufen und Bildungsgänge. Außerdem können dort
netadressen richten sich an Interessierte mit unterschiedlichem Unternehmen ihre Informationen zu Stellenangeboten, Praktika,
Vorwissen – vor allem aber an Lernende und Lehrende. Workshops usw. anbieten.
www.welt-in-zahlen.de: Ein Muss für alle, die umfangreiche
Bücher und Artikel Informationen aller Art (Wirtschaft, Politik, Geografie,
Beck, Hanno: „Der Alltags-Ökonom – Warum Warteschlangen Geschichte) über praktisch jedes Land der Welt suchen.
effizient sind. Und wie man das Beste aus seinem Leben macht“, www.wigy.de (Wirtschaft & Gymnasium): In dem eingetragenen
F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninforma- Verein engagieren sich mehr als 400 Schulen und Unternehmen
tionen GmbH, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-89981-032-5 für die ökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen. In
Der Spiegel: „Kapitalismus total global“, zehnteilige Serie, begin- dem Internetauftritt finden sich u. a. ein Wirtschaftslexikon sowie
nend in der Ausgabe 17/2005 aktuelle Meldungen und Artikel aus dem „Handelsblatt“, aufbe-
reitet für den Wirtschaftsunterricht.
Die Zeit: „Wie werden wir die nächsten hundert Jahre überleben?
Zehn deutsche Wissenschaftler antworten“, unter www.zeit.de/ www.wirtschaftundschule.de: Die Website ist ein Angebot der
online/2006/34/bildergalerie-ueberleben Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und vertritt
partei- und branchenübergreifend die ordnungspolitischen
Institut der deutschen Wirtschaft Köln (Hrsg.): „Soziale Grundgedanken der Sozialen Marktwirtschaft.
Marktwirtschaft – Elemente einer erfolgreichen Wirtschaftsord-
nung“, Deutscher Instituts-Verlag GmbH, Köln 1997, http://titan.bsz-bw.de/bibscout (Bibliotheksservice-Zentrum
ISBN 3-602-14436-4 Baden-Württemberg): Unter der Rubrik Wirtschaftswissenschaf-
ten finden sich ca. 200.000 Bücher zum Thema Wirtschaft.
Jeske, Jürgen / Barbier, Hans D.: „So nutzt man den Wirt-
schaftsteil einer Tageszeitung“, Societäts-Verlag, Frankfurt 2000,
ISBN 3-7973-0744-6 Projekte

Lekachman, Robert / van Loon, Boris: „Kapitalismus für An- www.juniorprojekt.de: Das vom Institut der deutschen Wirt-
fänger“, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg schaft Köln (IW) initiierte Projekt wendet sich an Schülerinnen
1982, ISBN 3-499-17540-1 und Schüler ab der 9. Klasse. Jeweils 10 bis 15 Schüler gründen
für eine bestimmte Zeit ein Unternehmen, bei dem sie alle Funk-
Mankiw, Nicholas Gregory: „Grundzüge der Volkswirtschafts- tionen bis hin zum Vorstandsvorsitzenden selbst besetzen und so
lehre“, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2004; an unternehmerisches Denken und Handeln herangeführt wer-
ISBN 3-7910-1853-1 den. Der Wettbewerb findet seit 1994 jährlich statt, er startet in
von Rosen, Rüdiger: „Was geht uns das Thema Wirtschaft den Bundesländern, geht dann als Bundeswettbewerb weiter und
eigentlich an?“ Essay unter www.bpb.de/Themen/Wirtschaft/ endet schließlich auf internationaler Ebene. Auf der Junior-
Wirtschaftsordnung (Bundeszentrale für politische Bildung) Homepage finden sich auch die Links zu den Partnerprojekten
„fit für die Wirtschaft“ (ein modulares Unterrichtskonzept für
Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Klasse) und „Go! to
Internetadressen
school“ (hier bekommen Schüler die Chance, Selbstständigkeit
www.bpb.de (Bundeszentrale für politische Bildung): Unter als Berufsperspektive zu entdecken).
der Rubrik Themen/Wirtschaft finden sich zahlreiche Schwer-
punktthemen, Dossiers, Aufsätze, Zahlen und Fakten sowie
Unterrichtsmaterial für Lehrer.
www.destatis.de (Statistisches Bundesamt Deutschland):
Wer Zahlen und Fakten über die deutsche Wirtschaft sucht –
hier findet sich praktisch alles.

50
20090696_Inhalt.indd 50 16.04.2009 11:49:51 Uhr
Stichwortverzeichnis

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich jeweils auf die Textstellen,


wo das Stichwort ausführlich behandelt wird.

Aktie 33
Angebotspolitik 23
Anleihen 33
Arbeitskosten 7
Börse 32
Bruttoinlandsprodukt/Bruttosozialprodukt 15
Deflation 27
Deutscher Aktienindex (DAX) 33
Euro 27
Europäischer Stabilitätspakt 16
Geld 26
Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 18
Gewinne 38
Globalisierung 42
Inflation 27
Investitionen 13
Kaufkraft 28
Konkurrenzprinzip 38
Marktwirtschaft 9
Mittelstand 37
Nachfragepolitik 23
Ökonomisches Prinzip 5
Ordnungspolitik 19
Personalzusatzkosten 7
Preise 30
Produktivität 13
Sozialausgaben 46
Steuern 46
Subventionen 46
Umverteilung 46
Unternehmen 38
Unternehmer/Manager 38
Verschuldung 15
Volkswirtschaft 8
Wirtschaftspolitik 18

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3., überarbeitete Auflage

© 2009 Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)


Gustav-Heinemann-Ufer 84-88
50968 Köln
info@insm.de
www.insm.de

Erschienen im Deutschen Instituts-Verlag GmbH


Text und Redaktion: Andreas Wodok
ISBN 978-3-602-14752-6
Postfach 51 06 70, 50942 Köln
Telefon: 0221 4981-452
Fax: 0221 4981-445
div@iwkoeln.de
www.divkoeln.de

Gestaltung und Produktion:


edition agrippa, Köln · Berlin

Fotos: DDP, MEV, project photos


Illustrationen: Dirk Meissner, Ulf K
Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH

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Die mit Förderung der Initiative Neue Soziale Marktwirt-
schaft (INSM) entstandene Broschüre „Das kleine 1 x 1
der Marktwirtschaft“ richtet sich an Leser, die mit dem
Thema Wirtschaft bisher noch wenig vertraut sind. Auf
unterhaltsame und allgemeinverständliche Weise wird
erklärt, wie die Soziale Marktwirtschaft funktioniert und
wie Wettbewerb zum Nutzen aller wirkt. Das Heft thema-
tisiert anschaulich und kompakt die aktuellen Probleme
in unserem Wirtschafts- und Sozialsystem und zeigt auf,
was mehr Wachstum und Beschäftigung entgegensteht.
Behandelt werden auch Arbeitsplatzverlagerungen ins
Ausland und die in der Öffentlichkeit oft umstrittenen
Gewinne der Unternehmen. Aktien und Börse sind
Thema eines Erklärstücks. Zum Schluss widmet der Autor
auch der Globalisierung ein Kapitel. Es soll Mut machen,
sich auf die neuen Herausforderungen einzulassen: Denn
die grenzüberschreitende Freiheit eröffnet neue wirt-
schaftliche Chancen – vor allem für jene Menschen, die
die Zukunft mit Eigeninitiative und dem Glauben an die
eigene Leistung optimistisch angehen.

Die INSM wendet sich auch im Internet mit wirtschafts-


bezogenen Bildungs- und Informationsangeboten an die
Öffentlichkeit.

www.insm.de
www.wohlstandsbilanz-deutschland.de
www.wirtschaftundschule.de

ISBN 978-3-602-14752-6

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