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Fachthemen

Tobias Block DOI: 10.1002/bate.201110014

Bewehrte Elastomerlager
Experimentelle Untersuchungen und neue Berechnungsmodelle

Der Aufsatz erläutert das Tragverhalten bewehrter Elastomer-


lager unter kombinierten Druck- und Verdrehbeanspruchungen.
Anhand von experimentellen Untersuchungen an 34 Probekör-
pern aus Chloropren- und Naturkautschuk mit Grundflächen zwi-
schen 150 mm × 300 mm und 600 mm × 700 mm werden die maß-
gebenden Einflüsse auf die Höhe der rückstellenden Momente
dargestellt. Dabei sind sowohl geometrische als auch äußere
Einflüsse wie Temperatur und Belastungszustände Bestandteil
der Analysen. Es wird gezeigt, dass die experimentellen Ergeb-
nisse systematisch auf der unsicheren Seite liegende hohe Diffe-
renzen im Vergleich zu den normativen Berechnungen aufweisen.
Auf Basis der Untersuchungen können die gewonnenen Erkennt- Bild 1. Aufbau eines verankerten, bewehrten Elastomerlagers
nisse für die Entwicklung neuer Berechnungsmodelle für Rück- Fig. 1. Layout of an anchored, laminated elastomeric bear-
stellmomente bewehrter Elastomerlager genutzt werden, die die ing
Einflüsse aus zentrischer Druckbeanspruchung und Temperatur
berücksichtigen.
ren Elastomerschichten, die durch Stahlbleche getrennt
Laminated Elastomeric Bearings – Experimental investigation und von Deckschichten aus Elastomer umgeben sind
and new computational models. The report describes the load (Bild 1). In einem Vulkanisationsprozess werden die Ein-
bearing behaviour of laminated elastomeric bearings under zelkomponenten dieses Lagertyps zu einem Bauteil mit-
combined compression and uniaxial rotation. The main focus is einander verbunden. Der Stoffschluss zwischen Elastomer
the experimental description of the factors which influence the und Bewehrungsblechen führt zu einer Querdehnungsbe-
restoring moments. Beside the dimensions, the layer construc- hinderung der einzelnen Schichten und somit zu einer
tion and the rubber mixture also external parameters like Steigerung der vertikalen Steifigkeit und Tragfähigkeit.
pressure, rotation angle and temperature have been taken into Gleichzeitig bleibt die deutlich niedrigere horizontale
account. Over 500 single tests on 34 specimens with dimensions Steifigkeit der Lager durch die Verwendung der Stahlble-
between 150 mm x 300 mm and 600 mm x 700 mm have been con- che unbeeinflusst.
ducted which show major variation compared to the design Eigen- und Verkehrslasten sowie Einwirkungen aus
values according to EN 1337-3. On the basis of the experimental Bremsen und Wind verursachen in den Auflagerpunkten
results new models for determining restoring moments of elasto- einer Brücke Verformungen (Verschiebungen und Verdre-
meric bearings are developed. These models are able to consi- hungen), die von den Lagern aufgenommen werden müs-
der the influence of the applied pressure as well as the nonlinea- sen. Die durch die elastische Verformung des Elastomers
rity of the rotation angle and the temperature. auf das Bauwerk wirkenden Kräfte (Rückstellkräfte) und
Momente (Rückstellmomente) sind für die Bemessung der
Anschlusskonstruktionen und einzelner Lagerkomponen-
1 Einleitung ten von elementarer Bedeutung (Bild 2).

Die Weiterentwicklung im modernen Brückenbau, die


durch immer größere Spannweiten, schlanke Tragstruktu-
ren oder im Grundriss gekrümmte Träger gekennzeichnet
ist, stellt auch an die Lagerung dieser Bauwerke besondere
Anforderungen. Eine zwängungsfreie bzw. zwängungs-
arme Lagerung kann in den meisten Fällen jedoch nur er-
reicht werden, wenn neben Festlagern auch geführte und Bild 2. Rückstellkraft und Rückstellmoment bei bewehrten
allseitig bewegliche Brückenlager eingesetzt werden. Be- Elastomerlagern
wehrte Elastomerlager erfüllen diese Anforderungen seit Fig. 2. Restoring force and restoring moment of laminated
mittlerweile mehr als 50 Jahren. Sie bestehen aus mehre- elastomeric bearings

© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Bautechnik 88 (2011), Heft 3 145
T. Block · Bewehrte Elastomerlager – Experimentelle Untersuchungen und neue Berechnungsmodelle

2 Experimentelle Untersuchungen Erstmals liegt somit eine Datenbasis von 507 Einzelwerten
2.1 Motivation vor, die an 34 unterschiedlichen Lagern mit Grundflächen
zwischen 150 mm x 300 mm und 600 mm × 700 mm syste-
Rückstellmomente bewehrter Elastomerlager werden in matisch ermittelt wurde. Die Lastkombinationen aus „σz“
Europa derzeit nach EN 1337-3 [3] berechnet. Für recht- und „α“ decken sowohl den üblichen Einsatzbereich als
eckige Lager gilt Gl. (1): auch den Grenzbereich bewehrter Elastomerlager im späte-
ren Einsatz ab.
a′5 · b′
M = α· G· (1)
n · t i3 · K S
2.3 Versuchsaufbauten
Die Zusammenhänge gehen auf Untersuchungen von To-
paloff [8] zurück und waren in ähnlicher Form bereits Be- Nach DIN EN 1337-3 [3], Anhang K, sind zur Bestimmung
standteil in DIN 4141-14 [1]. Für die theoretische Herlei- von Rückstellmomenten bewehrter Elastomerlager zwei
tung der Wirkungsweise von Elastomerlagern wurden von mögliche Prüfprinzipien vorgesehen (Bild 3). Bei der Prü-
Topaloff geringe Deformationen im Vergleich zu den Ab- fung eines einzelnen Lagers (Bild 3a) muss der Reibbei-
messungen, die Gültigkeit des Hooke’schen Gesetzes so- wert des Kalottenlagers bekannt sein. Werden zwei Lager
wie Volumenkonstanz in Ansatz gebracht. Während die zu- mit identischen Abmessungen nach Bild 3b geprüft, ent-
letzt genannte Annahme aufgrund der bei Elastomeren fällt dieser Schritt. Beide Prüfprinzipien erzeugen jedoch
annähernd vorhandenen Inkompressibilität (Querkontrak- unterschiedliche Ergebnisse. Bei einem Versuchsaufbau
tionszahl μ ≈ 0,5) hinreichend genau ist, findet man lineare mit zwei Lagern (Bild 3b) befindet sich der Rotationsmit-
Spannungs-Dehnungs-Beziehungen bei diesem Werkstoff telpunkt außerhalb der Lager in der Mitte des Hebelarms.
nur bei sehr geringen Verformungen. Sind keine horizontalen Gleitebenen im Versuchsstand
Abweichungen zwischen Berechnungs- und Versuchs- vorhanden, werden durch den außermittigen Rotations-
werten für Rückstellmomente wurden bereits von Kauschke punkt Horizontalkräfte verursacht. Diese erzeugen ein se-
im Rahmen von Untersuchungen für den Neubau der Wup- kundäres Rückstellmoment Me,y,S, welches bei einer rei-
pertaler Schwebebahn festgestellt. Hierüber wird in [5] nen Verdrehbeanspruchung nicht vorhanden ist (Bild 3a)
und [7] berichtet. Unter Bezugnahme auf Versuche an der und mitgemessen wird.
TU München sind an runden bewehrten Elastomerlagern
Rückstellmomente gemessen worden, die deutlich über den Me,y ,Messung = FZyl · LHebel = Me,y ,Rot + Me,y ,S (2)
Werten nach DIN EN 1337-3 liegen. Weiterhin ist ein Ein-
fluss der während der Verdrehung zentrisch wirkenden
Auflast (Druck) festgestellt worden, der in Gl. (1) nicht Me,y,S ist somit in den Versuchsergebnissen enthalten und
berücksichtigt wird. kann rechnerisch ermittelt werden. Die während des Ver-
suches erzeugten Auflagerreaktionen sind in Bild 4 darge-
2.2 Versuchsprogramm stellt. Die Höhe der Horizontalkräfte (Fx,o, Fx,u) ist von
den Geometrien der Lager und des Versuchsaufbaus, vom
Im Bereich Konstruktionsteilprüfung der Ruhr-Universität
Bochum ist in den vergangenen Jahren das Tragverhalten a)
bewehrter Elastomerlager aus Chloropren- (CR) und Na-
turkautschuk (NR) unter kombinierten Druck- und
einachsigen Verdrehbeanspruchungen detailliert unter-
sucht worden. Der Schwerpunkt der Untersuchungen lag
dabei auf der experimentellen Ermittlung einzelner Ein-
flussfaktoren auf die Höhe der Rückstellmomente sowie
deren Sicherheitsniveau in Bezug auf die rechnerisch er-
mittelten Werte nach DIN EN 1337-3. Folgende Einflus-
sparameter waren Bestandteil der Untersuchungen:
– Außenabmessungen a und b
150 mm ″ a ″ 600 mm b)
300 mm ″ b ″ 700 mm
– Elastomerschichtdicke ti
8 mm ″ ti ″ 20 mm
– Anzahl der Elastomerschichten n
3″n″7
– Kautschukmischung (CR und NR, definiert über den
Schubmodul G)
0,7 N/mm2 ″ G ″ 1,15 N/mm2
– zentrisch wirkende Druckspannung σz
2 N/mm2 ″ σ z ″ 18 N/mm2
– Verdrehwinkel α Bild 3. Prüfprinzipien nach DIN EN 1337-3; a) Einzelprü-
1 ‰ ″ α ″ 10 ‰ fung, b) paarweise Prüfung
– Temperatureinfluss T Fig. 3. Test setup according to DIN EN 1337-3; a) individual
–42 °C ″ T ″ 21 °C testing, b) pairwise testing

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12

10

My,exp / M1337 [–]


8

0
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
σz [N/mm2]
Bild 4. Auflagerreaktionen
Fig. 4. Reactions Bild 6. Abweichungen zwischen Versuchs- und Normwerten
für Rückstellmomente
Fig. 6. Deviation between experimental and standard values
of restoring moments

beeinflussen eine Reihe von Faktoren die Höhe der Rück-


stellmomente:
– Die Beziehung zwischen Verdrehwinkel α und dem ex-
perimentell ermittelten Rückstellmoment Me ist nicht-
linear. Dabei ist die Verdrehsteifigkeit bei sehr kleinen
Bild 5. Sekundäres Rückstellmoment aus Schubverformung Winkeln am höchsten und nimmt mit steigender Ver-
Me,y,S drehung ab.
Fig. 5. Secondary restoring moment due to shear deforma- – Die zentrische Druckspannung σz beeinflusst Me na-
tion Me,y,S hezu linear. Das heißt, ein Elastomerlager hat bei einer
höheren Auflast und gleichem Verdrehwinkel ein höhe-
Verdrehwinkel α sowie vom Schubmodul G abhängig und res Rückstellmoment.
kann nach Gl. (3) berechnet werden. Bild 5 verdeutlicht – Größere Grundflächen der Lager bewirken höhere
die Zusammenhänge. Rückstellmomente. Dabei ist der Einfluss der wirksa-
men Länge b’ in Übereinstimmung mit Gl. (1) linear,
Fx ,o = Fx ,u = A · G · tan γ der der wirksamen Breite a’ nichtlinear mit exponen-
= A · G · tan α · Δh (3) tiellem Einfluss. Die Exponenten liegen in Abhängigkeit
Tq von der Geometrie der Lager zwischen 3 und 4.
– Der reziprok proportionale Einfluss der Anzahl der
mit A Lagerfläche Elastomerschichten n sowie der in der dritten Potenz
G Schubmodul reziproke Einfluss der Schichtdicke einer einzelnen
Tq Dicke aller bei Schub wirksamen Elastomer- Elastomerschicht ti auf die Höhe des Rückstellmomen-
schichten tes nach Gl. (1) kann im Vergleich zu den Versuchs-
ergebnissen nur tendenziell bestätigt werden. Insbeson-
Das durch die Horizontalkräfte eines einzelnen Elasto- dere im Bereich der dünnsten untersuchten Elasto-
merlagers verursachte sekundäre Rückstellmoment kann merschichtdicke (ti = 8 mm) sowie minimaler Schicht-
nun nach Gl. (4) angegeben werden. Erst durch die be- anzahl (n = 3) zeigt sich ein uneinheitliches Bild, bei
schriebene Vorgehensweise werden die Ergebnisse beider dem die Berechnungswerte in Abhängigkeit vom Ver-
Versuchsstände (Bild 3) miteinander vergleichbar. drehwinkel α teilweise unter- und teilweise überschrit-
ten werden.
Me,y ,S = A · G · tan α · Δh ·(Δh + h) (4) – Der Schubmodul G als der zentrale Materialkennwert
n·t i eines bewehrten Elastomerlagers wird in der aktuellen
Bemessungsvorschrift [3] zur Berechnung von rückwir-
2.4 Ergebnisse kenden Kräften und Momenten berücksichtigt. Der
Einfluss auf die Höhe des Rückstellmomentes wird da-
Die experimentell ermittelten Rückstellmomente bestäti- bei als linear angenommen. Die Versuchsergebnisse be-
gen die von Eggert [7] und Braun et al. [5] formulierten stätigen einen linearen Einfluss, jedoch ist der Anstieg
Abweichungen zwischen Berechnungsergebnissen der der Verdrehsteifigkeit mit zunehmendem Schubmodul
einschlägigen Normen und Versuchswerten. Eine entspre- größer als normativ angenommen. Dies führt zu beson-
chende Darstellung zeigt Bild 6. Lediglich 16 von 507 Ein- ders hohen Abweichungen zwischen Versuchs- und Be-
zelmesswerten liegen auf der sicheren Seite, d.h., der Ver- rechnungswerten im Bereich hoher Schubmodule.
suchswert ist kleiner als der in Gl. (1) nach DIN EN 1337-3 – Die Belastungsgeschwindigkeit war nicht Bestandteil
ermittelte. Auf der unsicheren Seite übersteigen die Ver- der Untersuchungen. Deren Einfluss ist zwar vorhan-
suchswerte die Normwerte um das bis zu 11-fache! Dabei den, jedoch im Vergleich zu den anderen Parametern

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von untergeordneter Bedeutung [5]. Die Prüfungen an


der Ruhr-Universität Bochum wurden mit harmoni-
schen Schwingungen und einer konstanten Frequenz
von 0,03 Hz durchgeführt.
– Der Einfluss tiefer Temperaturen ist bei Kunststoffen
deutlich ausgeprägter als bei Beton oder Stahl. Die in
DIN EN 1337-3 festgelegten Nachweise dürfen jedoch
mit dem für Raumtemperatur geltenden Wert des
Schubmoduls G geführt werden. Das Bundesministe-
rium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt
in einem Rundschreiben [6] einen Rechenwert für den
Schubmodul von pauschal GT,d = 2,0 N/mm2 zur Er-
mittlung von Rückstellkräften und -momenten zu ver-
wenden, um die Einflüsse tiefer Temperaturen auf das
Materialverhalten des Elastomers zu berücksichtigen. Bild 8. Druckversuch und veränderlicher Druckmodul EC
Dieser tendenziell richtige Ansatz kann die Thematik in Fig. 8. Compression test and variable compression modulus EC
ihrer Komplexität jedoch nicht abdecken.
Anhand einaxialer Druckversuche kann das Kraft-Einsen-
Die hohen Abweichungen zwischen Versuchs- und Norm- kungsverhalten bewehrter Elastomerlager ermittelt wer-
werten sowie die unzureichende und teilweise nicht vor- den, welches grundsätzlich nichtlinear und durch Verstei-
handene Berücksichtigung verschiedener Einflussfaktoren fungen bei höheren Pressungen gekennzeichnet ist
auf die Höhe von Rückstellmomenten bewehrter Elasto- (Bild 8). Hieraus resultieren über die Auflast veränderliche
merlager unterstreichen die Notwendigkeit, die vorhande- Druckmodule (Tangentenmodule) EC. Die Verhältniswerte
nen Berechnungsmodelle zu überarbeiten. ER / EC streuen für identische Pressungen über alle durch-
geführten Versuche zwischen 0,30 und 1,23 und lassen sich
3 Berechnungsmodelle über eine bilineare Anpassungsfunktion in Abhängigkeit
3.1 Berechnung von Rückstellmomenten in Abhängigkeit vom Formfaktor S angeben, Gln. (6) und (7). S ist das Ver-
von EC hältnis der belasteten Oberfläche eines Elastomerlagers
zum frei verformbaren Oberflächenbereich.
Es wird ein Berechnungsmodell vorgestellt, mit dem die
unter einer eingeprägten Verdrehung entstehenden Rück- ER
stellmomente bewehrter Elastomerlager deutlich genauer
= −0,037 · S + 0,956 wenn 5,5 ≤ S ≤ 9,5 (6)
EC
ermittelt werden können als es nach derzeitigem Stand
der Wissenschaft und Technik möglich ist.
ER
Die Grundlage des neuen Modells bildet ein Rota- = −0,01· S + 0,695 wenn 9,5 ≤ S ≤ 14,5 (7)
tionsmodul ER, der analog zu Druck- und Schubmodul aus EC
den experimentellen Werten gewonnen wird. Aus den Ver-
drehversuchen kann ein Rotationsmodul ER als Sekanten- Die beschriebenen Zusammenhänge ermöglichen eine
modul zwischen dem Verdrehwinkel α und dem Nullpunkt Berücksichtigung des aktuell wirkenden Druckspannungs-
gebildet werden. Dabei wird das ermittelte Rückstellmoment zustandes bei gleichzeitiger Verdrehbeanspruchung.
auf das Trägheitsmoment Iy und der Verdrehwinkel auf die Bei sämtlichen experimentellen Untersuchungen ist
Nenndicke der Elastomerschichten Te bezogen (Bild 7). eine nichtlineare Beziehung zwischen Verdrehwinkel α
und Rückstellmoment My,exp beobachtet worden (Bild 9).
M y · Te Diese drückt sich in Form einer stärker werdenden Krüm-
ER = (5)
I y ·α mung bei großen Verdrehungen aus. Der Nichtlinearität

Bild 7. Ermittlung des Rotationsmoduls ER Bild 9. Rückstellmoment in Abhängigkeit vom Verdrehwinkel


Fig. 7. Determination of the rotation modulus ER Fig. 9. Restoring moment versus rotation angle relationship

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kann über einen Krümmungsexponenten e < 1 Rechnung Streuung bestmöglich berechnen zu können. Auf die Dar-
getragen werden. stellung des Modells auf Grundlage von charakteristi-
Unter Berücksichtigung der beschriebenen Einflüsse schen Werten (5%-Quantilen) nach DIN EN 1990 [2]
können Rückstellmomente bewehrter Elastomerlager über wird an dieser Stelle verzichtet. Die entsprechenden For-
die Gln. (8) und (9) berechnet werden. meln können in [4] nachgelesen werden.

M y = EC (σ z )· I′y · α0,76 · (−0,037·S + 0,956


6) 3.2 Berechnung von Rückstellmomenten in Abhängigkeit von G
3,67 · n · t i
wenn 5,5 ≤ S ≤ 9,5 (8) Eine rein rechnerische Bestimmung von Rückstellmomen-
ten bewehrter Elastomerlager kann nach derzeitigem
Stand der Wissenschaft und Technik nur erfolgen, wenn
M y = EC (σ z )· I′y · α0,76 · (−0,01· S + 0,695)) der nichtlineare Einfluss der zentrischen Druckbeanspru-
3,67 · n · t i chung unberücksichtigt bleibt. Da der Schubmodul G der
wenn 9,5 ≤ S ≤ 14,5 (9) zentrale Bauteilkennwert eines Elastomerlagers ist, sind
Berechnungen in Abhängigkeit dieses Parameters wün-
Durch Verwendung des neuen Modells kann eine erhebli- schenswert. Die Verknüpfung zwischen Druck- und
che Genauigkeitssteigerung gegenüber einer Berechnung Schubmodul nach Gl. (10) führt jedoch zu sehr niedrigen
nach DIN EN 1337-3 erzielt werden. Bild 10 zeigt den Ver- Werten für EC. Deutlich bessere Ergebnisse werden er-
gleich zwischen den experimentell ermittelten und rech- zielt, wenn der Druckmodul nach Gl. (11) bestimmt wird:
nerisch bestimmten Rückstellmomenten für beide Verfah-
ren. Die nach den Gln. (8) und (9) ermittelten Werte lie- EC = 90 G S0,8 (11)
gen im Mittel bei 101 % der Versuchswerte und streuen
mit maximal 50 % um den Mittelwert. Der Variationskoef- Dieser Zusammenhang ist nicht mechanisch begründet,
fizient beträgt 15,7 %. Eine realistische Berechnung von sondern resultiert aus einer Anpassung der rechnerisch er-
Rückstellmomenten bewehrter Elastomerlager kann je- mittelten Rückstellmomente an die Versuchswerte mit
doch nur erfolgen, wenn der Druckspannungszustand in möglichst geringer Streuung. Die Gln. (12) und (13) stellen
Form des Druckmoduls EC (Tangentenmodul) als Ein- in Abhängigkeit vom Formfaktor S Funktionen dar, über
gangsparameter vorliegt. Die derzeit gültige Last-Verfor- die Rückstellmomente ohne Versuchsdurchführung ermit-
mungsbeziehung für reine Druckbeanspruchung nach telt werden können.
DIN EN 1337-3 (Gl. (10)) ist jedoch ungeeignet, da sie die
nichtlinearen Versteifungseffekte bei höheren Pressungen 24,52 · α0,76
nicht berücksichtigt und die tatsächlich im Versuch ermit-
M y = G · I′y · S0,8 · · (−0,037 · S + 0,956)
n · ti
telten Einsenkungen tendenziell überschätzt.
wenn 5, 5 ≤ S ≤ 9, 5 (12)

EC = 5 G S2 (10)
24,52 · α0,76
In diesem Punkt besteht weiterer Forschungsbedarf. Bis M y = G · I′y · S0,8 · · (−0,01· S + 0,695)
n · ti
zu einer Klärung sollte der zur Berechnung von Rückstell-
wenn 9, 5 ≤ S ≤ 14, 5 (13)
momenten benötigte Druckmodul in einem einfachen
zentrischen Druckversuch ermittelt werden.
Das dargestellte Modell für Rückstellmomente be- Bild 11 zeigt die korrespondierenden Verhältniswerte My,exp/
wehrter Elastomerlager ist darauf ausgelegt, die Versuchs- My,cal. Im Mittel werden die Versuchswerte zu 100,7 % er-
werte als Mittelwertfunktion mit einer möglichst geringen fasst. Der Variationskoeffizient ist mit etwa 26 % auf ei-

12 2,0
My (EC variabel) 1,8 My (EC konstant)
10 Berechnung nach 1337-3 1,6
1,4
8
1,2

6 1,0
0,8
4 0,6
0,4
2
0,2
0 0,0
1 101 201 301 401 501 1 101 201 301 401 501

Bild 10. Vergleich zwischen experimentell bestimmten und Bild 11. Vergleich zwischen experimentell bestimmten und
rechnerischen Rückstellmomenten (EC veränderlich) rechnerisch ermittelten Rückstellmomenten (EC konstant)
Fig. 10. Relation between experimental and calculated re- Fig. 11. Relation between experimental and calculated re-
storing moments (variable EC) storing moments (constant EC)

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nem hohen Niveau, da eine Berücksichtigung der zentri- Vergleichende Untersuchungen zu Rückstellmomenten
schen Druckspannung σz nicht möglich ist. bewehrter Elastomerlager bei tiefen Temperaturen haben
gezeigt, dass der Steifigkeitszuwachs unter Verdrehbean-
3.3 Tieftemperatureinfluss spruchungen den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie unter
Schubbeanspruchungen folgt. Der Temperaturfaktor KT
Der Einfluss tiefer Temperaturen auf das Tragverhalten be- nach Gl. (14) kann somit gleichermaßen für diese Bean-
wehrter Elastomerlager ist zunächst anhand von Schubver- spruchungsart verwendet werden.
suchen an 12 Lagern aus CR und NR mit Außenabmessun-
gen zwischen 200 mm × 300 mm und 400 mm × 600 mm 4 Zusammenfassung
untersucht worden. Die Prüftemperaturen betrugen zwi-
schen 0 °C und –59 °C, wobei die tiefste Prüftemperatur Die umfangreichen experimentellen Untersuchungen zei-
gleichzeitig der niedrigsten Glasübergangstemperatur Tg al- gen durchgängig große Diskrepanzen zwischen den expe-
ler untersuchten Kautschukmischungen entspricht. Als rimentell ermittelten und den nach DIN EN 1337-3 be-
Glasübergangstemperatur wird die für alle Elastomere spe- rechneten Rückstellmomenten bewehrter Elastomerlager.
zifische Temperatur bezeichnet, bei der diese von einem Im ungünstigsten Fall wird der im Versuch ermittelte Wert
gummielastischen in einen hartelastischen, spröden Zu- bei Raumtemperatur um den Faktor 11 unterschätzt. Die
stand übergehen. Da dieser Materialkennwert von der Zu- Ursachen dafür liegen in der Annahme der linearen Elasti-
sammensetzung der Kautschukmischung abhängt und im zitätstheorie sowie kleiner Verformungen im Vergleich zu
Besonderen zwischen CR und NR große Differenzen be- den Abmessungen. Weiterhin bleibt der Einfluss der zen-
stehen, sollte die Prüftemperatur T auf die Glasübergang- trischen Druckspannung unberücksichtigt.
stemperatur Tg normiert werden, um die Versuchsergeb- Mit Hilfe des neu vorgestellten Berechnungsmodells
nisse umfassend und unabhängig von der Polymersorte zur Ermittlung von Rückstellmomenten bewehrter
beurteilen zu können. Bild 12 zeigt den auf die Glasüber- Elastomerlager kann neben dem nichtlinearen Einfluss
gangstemperatur normierten Einfluss der Lagertemperatur des Verdrehwinkels α auch der jeweils wirkende Druck-
auf den Schubmodul. Die Versuchswerte für tiefe Tempera- spannungszustand berücksichtigt werden. Der Einfluss
turen sind dabei auf die bei Raumtemperatur ermittelten tiefer Temperaturen wird separat in Form eines Er-
Werte bezogen und lassen sich über die Exponentialfunk- höhungsfaktors in Abhängigkeit der Glasübergangs-
tion nach Gl. (14) abbilden. temperatur berechnet und kann für die Beanspruchungs-
arten Verdrehung und Schub gleichermaßen angewendet
5
⎛ T⎞ werden.
1,8· ⎜ ⎟
⎜⎝ Tg ⎟⎠
K T ( T, Tg ) = e (14)
Literatur
Der Temperaturfaktor KT kann so als Erhöhungsfaktor für
den Schubmodul in Abhängigkeit von der Glasübergang- [1] DIN 4141: Lager im Bauwesen. Berlin: Beuth Verlag
stemperatur Tg der Elastomermischung sowie der am La- GmbH, 1984.
[2] DIN EN 1990: Eurocode: Grundlagen der Tragwerkspla-
ger vorhandenen Temperatur T angegeben werden.
nung. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2002.
[3] DIN EN 1337-3: Lager im Bauwesen – Teil 3: Elastomerla-
ger. Berlin: Beuth Verlag GmbH, 2005.
22 [4] Block, T.: Verdrehwiderstände bewehrter Elastomerlager.
20 Dissertation, Ruhr-Universität Bochum, 2010.
18 [5] Braun, C., Hanswille, G., Porsch, M., Schürmann, C.: Lager
16 im Bauwesen nach DIN EN 1337. Stahlbau 78 (2009), H. 11,
14 S. 849–868.
12 [6] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung: Ermittlungen der Bewegungen an Lagern und Über-
10
gangskonstruktionen nach DIN-Fachbericht 101 sowie er-
8
gänzende Regelungen für die Bemessung von Lagern, Fas-
6
sung August 2007.
4 [7] Eggert, H.: Bewehrte Elastomerlager – Erkenntnisstand
2 und Defizite. Bautechnik 83 (2006), H. 1, S. 6–15.
0 [8] Topaloff, B.: Gummilager für Brücken – Berechnung und
1,3 1,2 1,1 1 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 Anwendung. Der Bauingenieur 39 (1964), S. 50–64.

Bild 12. Normierter Einfluss der Bauteiltemperatur auf den Autor dieses Beitrages:
normierten Schubmodul Dr.-Ing. Tobias Block, tobias.block@rub.de, Ruhr-Universität Bochum,
Fig. 12. Standardized effect of the bearing temperature on Institut für Konstruktiven Ingenieurbau, Bereich Konstruktionsteilprüfung,
the standardized shear modulus Universitätsstraße 150,44780 Bochum

150 Bautechnik 88 (2011), Heft 3

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