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Stundenprotokoll vom 11.01.

2011
Zu Beginn der ersten Stunden beschäftigen wir uns mit den Arbeitsaufträgen zu dem
Überblickstext „Theodizee: Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der Welt“
von Eckhard Bieger, die bis zur heutigen Stunde zu bearbeiten waren.
Zusammengetragen und diskutiert werden folgende Ergebnisse:
1. „Theodizee“ bedeutet die Rechtfertigung Gottes angesichts des Übels in der
Welt.
2. Folgende Antworten wurden bisher auf die Theodizee-Frage gegeben:
• Die Germanen gingen davon aus, dass Gott, wenn er allmächtig ist,
das Böse und das Übel verhindern könne. Sie kamen also zu dem
Schluss, dass Gott gut, jedoch nicht allmächtig ist. Demnach muss es
einen Mächtigeren als Gott geben: Das Böse. Die Germanen befürchte-
ten daher einen Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen und rech-
neten dabei mit dem Sieg des Bösen. Da Gott nur als allmächtig ge-
dacht werden kann, da er sonst nicht gut ist, muss er offensichtlich das
Böse einplanen.
• Ein weiterer Versuch, das Übel zu erklären, stammt von der griechi-
schen Morallehre der Stoa. Für denjenigen, der sich nichts zu Schul-
den kommen gelassen hat, stellt das Leid einen erzieherischen Wert
dar. Sündigt ein Mensch, so ist das Leiden die Folge seines Handelns
( Tun-Ergehen-Zusammenhang). Das Leiden dient hier dementspre-
chend der Stärkung bzw. der Besserung des Charakters.
• Leibniz geht er davon aus, dass Gott die Beste aller möglichen Welten
erschaffen hat. Deshalb ist das Böse nur ein Mangel des Guten. Wei-
terhin ist der Urheber des Leids nicht Gott, sondern die menschliche
Sünde. Gott lässt das Leid also nur zu. Außerdem ist das Leid ein Mittel
zur Erziehung und Strafe.
• Schopenhauer geht davon aus, dass die Welt die schlechteste aller
möglichen und dass der Mensch aufgrund seiner Triebhaftigkeit selbst
für das Leiden verantwortlich sei, wodurch den Mitmenschen noch mehr
Leiden zugefügt werde.
• Heinemann behauptet, dass nicht Gott, sondern der Mensch selbst
hauptverantwortlich für das Leiden sei (dabei bezieht er sich auf die
modernen Massenvernichtungswaffen).
3. In der Bibel befindet sich im Alten Testament das Buch Hiob, das sich damit
auseinandersetzt, wie der Mensch sein Leid verstehen kann. In der Rede Got-
tes gegen Ende des Buches wird der Tun-Ergehens-Zusammenhang stark kri-
tisiert wenn nicht gar verworfen, der Mensch jedoch auf seine hinsichtlich
Schöpfungskraft Gott unterlegene Position hingewiesen. Hiob hat nichts Un-
rechtes getan und leidet somit unschuldig (vgl. Erzählrahmen). Jedoch wird in
diesem Text deutlich, dass der Mensch seine Klage vor Gott bringen darf, je-
doch das Leid letztlich nicht völlig verstehen kann bzw. darf. - Ein weiterer As-
pekt, der in der Bibel aufgegriffen wird, ist der Leidensweg und die Aufer-
stehung Jesu. Gott lässt seinen Sohn das Böse erleiden und in der Auferste-
hung besiegen, ohne rächend einzugreifen. Dadurch überwindet Gott das Bö-
se, ohne es einfach zu vernichten. Außerdem wird Jesus so in ein neues Le-
ben auferweckt. Die Auferstehung ist somit die Neuschöpfung der Welt, in der
Übel und Tod nicht mehr herrschen, sondern Gott. Damit ist das Leid Veran-
schaulichung dessen, was unsere Gegenwart vom Reich Gottes unterschei-
det, in dem das Gute vorherrscht, Leiden und Ungerechtigkeit nicht mehr sind.
Außerdem ermöglicht der meditative Blick auf die Leidensgeschichten u.U. die
Hoffnung, auch durch das eigene Leiden hindurch zu Gott zu gelangen.
4. Auf die Frage, ob diese Antworten auf das Theodizee-Problem angemessen
bzw. befriedigend sind, ist der Kurs fast einstimmig einig. Ein Großteil hält die
Antworten für angemessen, jedoch unbefriedigend. Jedoch ist die Mehrheit
des Kurses der Meinung, dass das Leid gar nicht verstanden werden sollte
oder müsste, da sich sonst das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen
ändern könne. Wichtiger als die kognitive Lösung des Problems ist es, leiden-
den Menschen verlässlich helfend beizustehen.

Während der Besprechung der Arbeitsaufträge kam die Frage auf, warum Gott ein
guter Gott sei. Diese Frage kann wie folgt beantwortet werden: a) Der Mensch ist
nach Gen 1 das Ebenbild Gottes, wodurch ihm eine besondere Würde zukommt. -
Aufgrund dieser besonderen Würde darf der Mensch nicht einfach unterdrückt wer-
den. Weiterhin weist diese besondere Würde, darauf hin, dass Gott das Potenzial gut
zu sein besitzen muss, da er sonst nicht dem Menschen nach seinem Bilde erschaf-
fen hätte. Weiterhin trägt der Mensch infolge seiner Gottesebenbildlichkeit große
Verantwortung: Gott gab den Menschen besondere Fähigkeiten, die sie nutzen sol-
len, um die Erde – das Werk Gottes – zu schützen, zu bewahren und zu verbessern.
- Weiterhin belegt die Bibel, dass Gott die Menschen erlöst hat (Exodus  Aus-
zug/Befreiung aus Ägypten). Dadurch wird Gott zum Erlöser und ist somit gut bzw.
gütig. Durch die Menschwerdung zeigt Gott sein liebevolles Interesse an den Men-
schen. Der Mensch hat (hier unterscheiden sich die biblischen Schöpfungserzählun-
gen von anderen Schöpfungsmythen, z.B. dem Enuma Elisch) nicht nur die Funktion,
Gott zu dienen. Vielmehr sind Gott und Mensch auf Augenhöhe ( Hiob). Die befrei-
ende Wirkung der Botschaft Gottes (Propheten, Nachfolge, Wirken und Tun Jesu) ist
ein weiterer Komplexe, der das Gutsein Gottes zumindest biblisch belegt.

Zum Abschluss des Kurses „Gotteslehre“ tritt der Blick auf Gottesvorstellungen
anderer Religionen mitsamt derer Vermittlungsmöglichkeiten Aspekten mit der christ-
lichen Gotteslehre in den Mittelpunkt unserer Arbeit. Der Einführungserlass nennt die
Unterscheidung der Gottesoffenbarung in Christentum (Inkarnation) und Judentum
(Weg-Weisung) vor, wir werden jedoch ein Beispiel für einen interreligiösen Dialog
um diesen Unterschied erarbeiten, der weiter reicht als die respektvoll formulierte
Feststellung von Unterschieden.

Das als Einstiegsimpuls präsentierte Bild (http://goo.gl/Jfs8N) zeigt eine Kirche, de-
ren Wurzeln tief in das Erdreich ragen und in einem Davidstern (http://goo.gl/MPIBf)
enden. - Dieses Bild kann verdeutlichen, dass die Wurzeln des Christentums im Ju-
dentum liegen. Dadurch entsteht eine Verbindung bzw. eine gemeinsame Schnitt-
menge zwischen den beiden Religionen, die jedoch in der Vergangenheit oft in den
Hintergrund geraten ist ( z. B. Judenverfolgung im Nationalsozialismus). Obwohl
das Christentum aus dem Judentum entstanden ist, bzw. hinsichtlich Gottesbild,
Ethik und Anthropologie ohne Judentum undenkbar erscheint, ist das Christentum
heute eine eigenständige, vom Judentum unabhängige Religion. Aufgrund der vielen
Gemeinsamkeiten der beiden Glaubensrichtungen sollte ein der Unterschiede ge-
wahr werdender Dialog entstehen, der das gegenseitige Verständnis der beiden Re-
ligionen fördert.

Zu einer Variante dieses jüdisch-christlichen Dialogs erarbeiten wir den ersten Ab-
schnitt (Zeilen 1-59) des Textes „Gottes Gegenwart in Israel und die Inkarnation: Ein
christlich-jüdischer Dialog“ von E. Kessler (http://goo.gl/2U1at). Kessler (Biographi-
sches: http://goo.gl/fcJ98) ist selbst Jude und zeigt sich als ein um den interreligiösen
Dialog überaus bemühter Theologe.

Nach der ersten eigenen Lektüre mitsamt Markierungs- und Exzerpierungstätigkeit


und einem kurzen Spontanaustausch werden folgende Leitfragen zur Erschließung
dieses Abschnitts gemeinsam beantwortet:
1. An welchen Fakten macht sich das Judesein Jesu fest? - Jesus und seine
Familie lebten nach der Tora: Sie heiligten den Sabbat, zahlten den Zehnten
und besuchten die Synagoge, Jesus wurde beschnitten, die Reinheitsgesetzte
und die Speisevorschriften wurden eingehalten und die Familie lebte nach den
jüdischen Traditionen. Jesus führte folglich ein normales Leben eines Juden.
2. Wie verhielten sich Kirche und Judentum zueinander, wie ist das heute? - Zu-
nächst herrschte vonseiten des Judentums gegenüber den christlichen An-
sprüchen eine gewisse Gleichgültigkeit vor. Christen wollten Juden zunächst
missionieren und für die neue Religion gewinnen. Da dies nicht gelang, entwi-
ckelten sich Feindseligkeit und eine im Holocaust (in dem die Kirchen wenig
mehr als nichts gegen den Genozid unternahmen) ihren schrecklichen Höhe-
punkt findende Ablehnung Israels durch das Christentum. Seit den Schuldein-
geständnissen (1960er Jahre) gedeiht der Dialog, wo er auf Augenhöhe ge-
führt wird.
3. Was bedeutet christlicherseits „Inkarnation“? - Die Inkarnation (carne =
Fleisch, deswegen auch „Fleischwerdung“) ist die Menschwerdung Gottes in
Jesus Christus. Nach Darstellung Kesslers beschreibt der Begriff die Tren-
nungslinie zwischen Juden- und Christentum.
4. Wie stehen Juden zur Inkarnation? - Die Juden glauben, dass alle Menschen
am Geist Gottes teilhaben und nach dessen Bild geschaffen sind. Sie glauben
jedoch nicht, dass Christus der Mensch gewordene Gott ist, da niemand Gott
gleicht (s. Z. 41 ff).
5. Warum lohnt das Gespräch zwischen Juden und Christen? - Im Gespräch ler-
nen sich Juden und Christen besser kennen. Dadurch kann das gegenseitige
Verständnis verbessert werden. Außerdem können bisher unbekannte Ge-
meinsamkeiten entdeckt werden.
Danach wurde der Kurs in drei Gruppen aufgeteilt. Alle Teilnehmenden dieser Grup-
pen arbeiten den ihr zugeteilten Textabschnitt durch und beantworten individuell die
entsprechenden Leitfragen. Hausaufgabe ist der Abschluss dieses Arbeits-
schritts.

Ausblick: In der zu Beginn der nächsten Sitzung folgenden „Expertenrunde“ bespre-


chen, optimieren und vertiefen jeweils die „Experten“ für den entsprechenden Ab-
schnitt ihre Ergebnisse. Daran schließt sich die „gemischte Runde“ an. Dabei trifft
jeweils ein Experte auf zwei Experten der anderen beiden Gruppen. So setzen sich
alle gegenseitig über die einzelnen Textabschnitte und deren Beziehungen zueinan-
der in Kenntnis und entwickeln als Präsentationsgrundlage ein Strukturgram. Zur
Präsentation können alle Kursteilnehmenden aufgefordert werden.

Protokoll: ks, Ergänzungen und leichte Eingriffe: mh

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