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Drei achmimische Opfertafeln in Hamburg,


Hannover und Hildesheim
WOLFGANG WEGNER

Einleitung

Anhand dreier Opfertafeln, von denen sich eine hier im Museum für Völkerkunde und je eine
weitere im Kestner-Museum in Hannover und im Pelizäus-Museum in Hildesheim befinden,
möchte ich ihnen einen kurzen Einblick in die Thematik meiner Magisterarbeit bieten. In
dieser habe ich mich mit den ptolemäerzeitlichen Opfertafeln aus der mittelägyptischen
Ortschaft Achmim befaßt.
Einleitend erscheint es angebracht, einige Worte über den Herkunftsort und die Fund-
umstände dieser Opfertafeln zu verlieren. Achmim war dereinst ein wichtiges religiöses und
politisches Zentrum. Es war die Hauptstadt des 9. oberägyptischen Gaues und der Heimatort
der Königin Teje und des Königs Eje. Einstmals befand sich hier ein großer, in der Spät- oder
Ptolemäerzeit entweder gänzlich oder doch weitgehend neu errichteter Tempel des Gottes
Min. Die eindrucksvolle Architektur und Relieferung dieses Tempels schildern mehrere arabi-
sche Schriftsteller und Reisende des Mittelalters. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde mit
seinem Abriß begonnen. Die Ruinen sind dem Steinraub anscheinend so vollständig zum
Opfer gefallen, daß der genaue Standort des Tempels bis heute nicht festzustellen war.
Im Kult dieses Tempels stand in der Spätzeit und in der Ptolemäerzeit eine anscheinend
recht zahlreiche Priesterschaft, über die wir allerdings ausschließlich durch Objekte aus ihren
Grabausstattungen informiert sind. In erster Linie sind hierbei die mehr als 200 Totenstelen
und rund 70 Opfertafeln zu nennen.
Die Gräber dieser Priester sowie ihrer Frauen und Töchter, welche zum Teil als
Sängerinnen, Tänzerinnen oder Musikantinnen ebenfalls im Dienst des Gottes Min standen,
befinden sich in der Nekropole von Achmim. Diese liegt nordöstlich des heutigen
Stadtgebiets in einer Gegend, in der zwei Gebirgsvorsprünge einen Kessel bilden, in den ein
Wadi mündet. Die Gräber, welche von der Frühzeit bis in koptische Zeit reichen,
konzentrieren sich auf drei Stellen. Die Friedhöfe B und C nehmen die Hänge der beiden
rahmenden Gebirgsausläufer ein, während sich Friedhof A über einen flachen langgestreckten
Hügel erstreckt, der parallel zum südlichen Gebirgsvorsprung verläuft.
Die ptolemäischen Priester- und Priesterinnengräber sind dabei – soweit sich dies
angesichts der unzureichenden wissenschaftlichen Erforschung der achmimischen Nekropole
konstatieren läßt – nahezu ausschließlich auf Friedhof A beschränkt. Grabungen in diesem
Bereich fanden zum einen in den Jahren 1884-1889 unter Leitung des Reis Oalīl Sakkar (oder
Sakkaz) aus Qurna statt, der im Auftrag Gaston Masperos, des Leiters der Antikenverwaltung,
handelte. Diese Ausgrabungen brachten unter anderem zahlreiche spätzeitliche und
ptolemäische Stelen und Opfertafeln zutage, die ins Kairoer Museum gebracht wurden.
Bedauerlicher-weise genügten diese Grabungen nicht im entferntesten heutigen Ansprüchen,
da man, nur an den Funden und nicht am Befund interessiert, auf eine Dokumentation
vollständig verzichtete.
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Außerdem setzten zeitgleich, durch den Erfolg der offiziellen Grabungen angeregt, auch
umfassende Plünderungen der achmimischen Nekropole durch die einheimische Bevölkerung
ein. Aus diesen dürften die meisten der heute außerhalb Ägyptens aufbewahrten
ptolemäischen Totenstelen und Opfertafeln stammen, also auch jene drei Opfertafeln, die wir
uns heu-te, morgen und übermorgen ansehen werden.
In den Jahren 1986 und 1995 unternahm der Ägyptische Antikendienst Nachgrabungen,
bei denen fünf bzw. sechs der ptolemäischen Gräber freigelegt wurden. Es wurden dabei zwei
Stelen und zwei Opfertafeln, einige Sarkophage sowie andere Elemente der Grabaustattungen
gefunden. Bei den Gräbern handelt es – wie erst durch diese Grabungen bekannt wurde – um
Anlagen, die teils eine, teils zwei Grabkammern umfassen und jeweils über einen
abwärtsführenden Korridor mit Treppenstufen zugänglich sind.
Bevor ich auf die vor uns liegende Opfertafel zu sprechen komme, möchte ich noch kurz
auf den Begriff Opfertafel eingehen. Es handelt sich hierbei um die Bezeichnung einer
Objektgattung, die seit dem Alten Reich belegt ist und zu den wichtigsten Elementen der
ägyptischen Grabausstattung zählt. Opfertafeln sind in der Regel in der Aufsicht rechteckige
Platten, welche in situ flach am Boden lagen. An einer, zumeist an der vom Betrachter
abgewandten Seite kann sich ein hervorstehenden, in der Regel rechteckiger Ausguß
befinden, wie dies auch hier der Fall ist. Seltener hat der Ausguß die Gestalt eines speziellen
Brotes. In die Oberseite der Opfertafel eingelassen finden sind oft ein/oder mehrere Becken.
Diese Becken können durch geschlossene Kanäle untereinander verbunden sein. Häufig sind
sie durch eine offene Abflußrinne mit der Ausgußöffnung verbunden. Diese Vertiefungen
nahmen jene Flüssigkeiten auf, die über der Opfertafel als Trankopfer für den oder die
Verstorbene vergossen wurden. Durch die Abflußrinne wurden sie zum Toten hin abgeleitet.
Aufgrund dieser Funktion lagen die Opfertafeln in der Regel vor der Totenopferstelle des
Grabes und wurden häufig mit einer Totenstele oder einer Grabstatue des Verstorbenen
kombiniert.

Opfertafel Hamburg C 4058

Vor uns sehen wir die Opfertafel Hamburg C 4058. Sie besteht in der Aufsicht – wie nahezu
alle achmimischen Opfertafeln – aus einem Rechteck und einem an der vom Betrachter
abgewandten Seite hervorragenden rechteckigen Ausguß. Die Seitenflächen verjüngen sich
nach unten in der Art eines Pyramidenstumpfes. Die Breite der Opfertafel beträgt ca. 40 cm
und die Tiefe mit Ausguß ca. 35 cm. Angefertigt ist sie – wie die meisten achmimischen
Opfertafeln – aus Kalkstein. In unserem Fall handelt es sich um die feinkörnigere der beiden
in Achmim auftretenden Varietäten, die sich eventuell den südlich von Achmim gelegenen
Brüchen von Sidi Moussa zuordnen läßt. Sie ermöglichte jedenfalls eine sorgfältige Glättung
der Oberflächen.
Die Oberseite der Opfertafel gliedert sich in das Mittelfeld mit den Darstellungen und
eine Umrahmung, die hier aus einem schmalen Randstreifen und zwei umlaufenden
Inschriftenzeilen besteht. Letztere gehen vom Ausguß aus und stoßen auf der Vorderseite der
Opfertafel wieder aufeinander. Diese Art der Umrahmung, die auf den achmimischen
Opfertafeln, des öfteren vertreten (vgl. Tafel 2d-e) ist, habe ich als Umrahmungstypus III
benannt.
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Die Darstellungen des Mittelfeldes werden von zwei länglichen Gefäßen mit
langgestrecktem Hals und weit vorspringender Lippe sowie je einem nach innen weisenden
Ausguß flankiert. Es handelt sich hierbei um Libationsvasen, welche bei der Libation, d.h.
dem Trank-opfer eingesetzt wurden, um dem Toten Wasser, Wein, Milch oder Bier
darzubringen. Da diese Flüssigkeiten dabei in der Regel auf eine Opfertafel ausgegoßen
wurden, ist die Darstellung der Libationsvasen auf einer Opfertafel sehr stimmig.
In der Realität floß die Flüssigkeit hernach – wie bereits erwähnt – über den Ausguß zum
Toten hin ab, und zwar in der Regel durch eine Abflußrinne, wie sie z.B. die beiden Kairener
Opfertafeln auf Tafel 2a-b aufweisen. Auf unserer Opfertafel ist dies hingegen bildlich
umgesetzt. Von den Mündungen der Libationsvasen gehen zwei als Zickzacklinien gestaltete
Wasserlinien aus, die sich bis zum Ende des Ausgußes erstrecken. Bezüglich der durch
Inschriftenzeilen gerahmten Partie des Ausgußes kann man deshalb von einer
Scheinabflußrinne sprechen.
Die beiden Libationsvasen stehen auf einer Opfermatte mit stilisiertem Geflecht, welche
die ganze Breite des Mittelfeldes einnimmt. Auf dieser steht mittig ein in speziellen Formen
gebackenes Brot. Links desselben sind drei Krüge und rechts davon drei schrägwandige
Näpfe abgebildet, auf denen jeweils ein rundes Brot liegt. Die Beischrift zu den drei Krügen
lautet „Wein, Bier und Milch“ und die zu den drei runden Broten „bw-nfr-Brot, ps(n)-Brot
und großes Brot“. Es wird also angegeben, um welches Brot es sich handelt bzw. welche
Flüssigkeit in den Krügen enthalten ist.
Über den Broten und Krügen befinden sich drei symmetrisch angeordnete Lotosblüten,
die von je zwei Lotosknospen flankiert werden. Die Stiele der Lotosblüten und Lotosknospen
gehen von der Wurzelknolle des Lotos, dem Rhizom aus, das unmittelbar über einem halbrun-
den Brot dargestellt ist. Rechts und links der Lotosblüten sind zwei stehende ovale Brote
abgebildet.
Die dargestellten Brote und drei Krüge lassen sich unschwer als Opfergaben
interpretieren, die dem Toten im Jenseits zuteil werden sollten, um sein Überleben zu sichern.
Die Abbildung der Lotosblüten jedoch ergibt nur einen Sinn, wenn man sie sinnbildlich
auffaßt. Die Lotosblüte ist nämlich im Alten Ägypten ein Symbol der Wiederbelebung.
Den oberen Abschluß des Mittelfeldes bilden zwei symmetrisch angeordnete
Vertiefungen, die die Gestalt einer auf der Seite liegenden Königskartusche mit nach außen
weisendem unteren Ende haben. Sie stehen symbolisch für das in solche Becken zu gießende
Trankopfer, könnten allerdings auch in der Realität zur Aufnahme geringer
Flüssigkeitsmengen gedient haben.
Auf insgesamt 52 Opfertafeln finden sich Darstellungen, die wie auf dieser Opfertafel von
zwei Libationsvasen flankiert werden und von mir deshalb als Libationsvasen-Szenen
bezeichnet wurden. Aufgrund der Unterschiede in der Zusammensetzung und Anordnung der
zwischen den Libationsvasen dargestellten Motive lassen sie sich in acht Gruppen gliedern.
Die vorliegende Libationsvasen-Szene gehört zur Gruppe F der Libationsvasen-Szenen. Die
insgesamt acht Vertreter dieser Gruppe zeichnen sich, wie in der Zusammenstellung auf Tafel
2 unschwer zu erkennen ist, alle durch die seitlich jenes speziellen Brotes stehenden
schrägwandigen Näpfe und/oder Krüge und die zugehörigen Beischriften aus. Mehrheitlich
weisen sie zudem ein Lotosblüten- und knospen und im Gegensatz zur vorliegenden
Opfertafel auch das Zeichen für das Wort s#w „Schutz“ auf.
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Die Opfertafeln mit Libationsvasen-Szenen der Gruppe F lassen sich wiederum in zwei
Gruppen untergliedern. Bei der einen Gruppe, dem Typus I-F, der neben der uns vorliegenden
Opfertafel auch die in Tafel 2a-c wiedergegeben Opfertafeln angehören, nimmt die
Libationsvasen-Szene das Mittelfeld der Opfertafel gänzlich ein. Bei der anderen Gruppe,
dem Typus III-A, dem die in Tafel 2d-f abgebildeten Opfertafeln sowie eine weitere
Opfertafel, von der ich keine Abbildung habe, zugehören, ist das Mittelfeld in zwei Register
untergliedert. Im oberen Register befindet sich die Libationsvasen-Szene zwischen zwei
Darstellungen gabenbringender Nilgötter, die ich als Nilgottszenen bezeichnet habe. Im
unteren Register hingegen finden sich durch einen oder zwei Texte getrennt zwei
Baumgöttinnen-Szenen. Es handelt sich hierbei um Darstellungen des oder der Verstorbenen
vor einer Baumgöttin, aus deren Händen er oder sie ein Trankopfer, teils auch zusätzlich
mehrere Brote erhält. Auf diese Szenengattung werden wir morgen noch einmal zu sprechen
kommen.
Die in Tafel 2e-f wiedergegebenen Opfertafeln weisen daneben auch Darstellungen auf
den Zwickelflächen, d.h. den dreieckigen Flächen rechts und links des Ausgußes, auf. Es
handelt sich hierbei um Ba-Vogel-Szenen, die den Ba-Vogel, eine von mehreren
Manifestationen des oder der Verstorbenen, vor Isis oder Nephthys zeigen, aus deren Händen
er ein Trankopfer empfängt.
Der Text der nach rechts umlaufenden Inschriftenzeile von Opfertafel Hamburg C 4058
lautet: „Osiris, sm#ty, Schreiber, Großer von Senut und Diener des Horus Nesmin, Sohn des
Osiris, des Schreibers Paes, geboren von der Musikantin des Min Esoeris, empfange für dich
diese deine Libation, die dir Isis bringt, diese deine Libation!“ Der Text der nach links
umlaufenden Inschriftenzeile lautet: „Osiris, sm#ty, Schreiber, Großer von Senut, Diener des
Horus Nesmin, empfange für dich diese deine Libation, die dir Isis und Nephthys bringen,
diese deine Libation, um deinen Ba leben zu lassen in der Nekropole und um dein Herz zu
erfreuen durch das Ritual!“
Die Inschriften nennen in der Anrede jeweils den Inhaber der Opfertafel, also die Person,
zu deren Grabausstattung die Opfertafel einstmals gehörte, nämlich einen Nesmin, Sohn des
Paes und der Esoeris. Es folgen rechts wie links eine verkürzte Fassung einer auf den
Opfertafeln insgesamt sechs Mal belegten Formel, die dem Verstorbenen ein Trankopfer der
Isis und/oder Nephthys verheißt. Der Spruch könnte somit in Beziehung zu den Ba-Vogel-
Szenen zu setzen sein.
Die Datierung der achmimischen Opfertafeln basiert vorwiegend auf dem Reliefstil und
der Paläographie der Inschriften. Die vorliegende Opfertafel läßt sich aufgrund der flächigen,
ausgewogene Hieroglyphen mit zum Teil schraffierten Innenflächen zweifelsfrei dem
detailreichen Stil zuordnen. Wie sich aus umfassenden Erwägungen ergibt, die ich hier leider
nicht ausführen kann, umfaßt dieser das 2. und 1. Jahrhundert v. Chr.
An dieser Stelle muß ich meinen Vortrag leider unterbrechen, da sich die beiden anderen
Opfertafeln, die ich ihnen vorstellen möchte, in Hannover und Hildesheim befinden und muß
sie infolgedessen auf morgen bzw. übermorgen vertrösten.

Opfertafel Hannover 1935.200.692


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Wir haben uns nun vor der Opfertafel Hannover 1935.200.692 versammelt, welche
bedauerlicherweise schwer beschädigt ist. Neben dem einst an der vom Betrachter
abgewandten Seite hervorragenden rechteckigen Ausguß sind auch umfangreiche Partien
entlang des rückwärtigen Randes abgebrochen. Die Breite der Opfertafel beträgt 37,5 cm, die
Tiefe, soweit erhalten 34,5 cm und die Höhe 12,5 cm. Wie die Hamburger Opfertafel besteht
auch das vor uns liegende Stück aus feinem, dichtem Kalkstein.
Die Oberseite der Opfertafel ist sorgfältig geglättet. Sie gliedert sich in das Mittelfeld mit
Text und Darstellungen und eine Umrahmung, die hier nur aus einem schmalen umlaufen-den
Randstreifen besteht. Eine derartige Opfertafel gehört meiner Klassifizierung zufolge zum
Umrahmungstypus II. Vermutlich handelte es sich einst um eine Umrahmung des Subtypus
II-2 mit Scheinabflußrinne auf dem Ausguß, welcher z.B. durch die in Tafel 4d abgebildete,
nahe verwandte Opfertafel Kairo CG 23166+72 repräsentiert wird; aufgrund des vollständig
verlorenen Ausgußes ist dies allerdings nicht sicher zu entscheiden.
Das Mittelfeld besteht aus dem Bildfeld, welches zwei Baumgöttinnen-Szenen enthält,
und einem Textfeld mit elf kurzen und zwei langen senkrechten Zeilen, welches das Bildfeld
auf drei Seiten einschließt. Außerdem findet sich eine waagrechte Textzeile zwischen dem
Bildfeld und dem Textfeld.
Die linke Hälfte des Bildfeldes zeigt die Verstorbene auf einem löwenbeinigen Thron
sitzend vor einer menschengestaltigen Göttin, die in einer Sykomore stehend dargestellt ist.
Diese nimmt die Stelle des Baumstammes und des Hauptastes ein. In der rechten Bildhälfte
hingegen ist die Verstorbene leicht gebeugt stehend vor einer Baumgöttin in Gestalt einer
Sykomore abgebildet, aus deren Baumkrone zwei menschliche Arme hervorragen. Der kurze
und dicke Baumstamm geht hierbei in einen gewundenen Hauptast über. Die Sykomore
verfügt in beiden Fällen über eine nach oben spitz zulaufende Baumkrone und schräg
gestellte, parallele Zweige, die vom Hauptast bzw. der Baumgöttin ausgehen und nicht über
die Begrenzung der Baumkrone herausragen.
Die menschengestaltige Baumgöttin trägt – wie auch die beiden Darstellungen der
Verstorbenen – ein knöchellanges, enganliegendes Gewand, eine einteilige Frauenperücke
und einen Halskragen. Auf der Perücke findet sich allerdings nur bei der Verstorbenen ein
Salbke-gel und eine Lotosknospe. Die menschengestaltige Baumgöttin hält in den
angewinkelt vorgestreckten Händen je eine Libationsvase. Daraus ergießt sich je ein
Wasserstrahl in die rechte Hand der vor ihr sitzenden Toten. Diese hält in der linken Hand
einen Zweig.
Die sykomorengestaltige Baumgöttin hält nur in der rechten Hand eine Libationsvase, aus
der sich zwei Wasserstrahlen in die Hände der vor ihr stehenden Toten ergießen. Mit ihrer
linken Hand aber trägt sie ein Tablett mit vier als Speiseopfer gedachten Broten.
Es lassen sich also zwei verschiedene Arten von Baumgöttinnen-Szenen unterscheiden,
und zwar Baumgöttinnen-Szenen mit in der Sykomore stehender Baumgöttin und
Baumgöttinnen-Szenen mit sykomorengestaltiger Baumgöttin. Sie treten auf insgesamt 25
Opfertafel auf, und zwar – wie im vorliegenden Fall – in der Regel paarweise.
Neben der vor uns liegenden Opfertafel weisen auch neun weitere Opfertafeln, von denen
sechs auf Tafel 4 abgebildet sind, im Mittelfeld nur zwei Baumgöttinnen-Szenen auf, die in
der Regel mit einem Textfeld kombiniert sind. Diese habe ich mit unserer Opfertafel zu einer
Gruppe, dem Subtypus II-A, zusammengefaßt. Außerdem finden sich zwei Opfertafeln mit
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nur einer Baumgöttinnen-Szene. Komplexe Mittelfelder, in denen Baumgöttinnen-Szenen mit


Libationsvasen-Szenen, Nilgott-Szenen und/oder Ba-Vogel-Szenen kombiniert sind, bieten
die Opfertafeln des Haupttypus III, von denen einige in Tafel 2d-f wiedergegeben sind.
Die Baumgöttinnen-Szenen sind inhaltlich mit den Totenbuch-Sprüchen 57 bis 63a
verbunden, die auf die Versorgung des Toten mit Wasser im Jenseits ausgerichtet sind. In
vielen spätzeitlich-ptolemäischen Totenbüchern zeigen die Vignetten zu diesen Sprüchen,
insbesondere die Vignette zum Totenbuch-Spruch 59 eine Baumgöttinnen-Szene.
Andererseits finden sich die Totenbuch-Sprüche 59 und 60 auf 16 bzw. 11 der achmimischen
Opfertafeln und die Totenbuch-Sprüche 61 und 62 auf 2 bzw. 3 der achmimischen
Opfertafeln. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Opfertafeln, welche auch eine oder zwei
Baumgöttinnen-Szenen zeigen. Es besteht also eine enge inhaltliche Verbindung zwischen
den auf die Wasserversorgung im Jenseits ausgerichteten Totenbuchsprüchen und den
Baumgöttinnen-Szenen, die ja den oder die Verstorbene beim Empfang eines Trankopfers aus
den Händen der Baumgöttin zeigen. Die Identifizierung der in den Darstellungen nicht
benannten Baumgöttin ermöglicht uns Totenbuch-Spruch 59, in dem der Sykomore der Nut
als Ausgangspunkt von Wassers und Luft für den Toten genannt wird. Bei der Baumgöttin
handelt es sich demnach um die Himmelsgöttin Nut.
Der Text des Textfeldes lautet einschließlich der nach den Paralleln ergänzten Lücken:
„[Ein reines Königsopfer sei] dir, Osiris! Gespendet sei dir das Wasser, das hervortritt in
Aby[dos und die Milch aus der Hesat-Kuh! Gebracht werde dir der n]ms(.t)-Krug, gefüllt
mit ??? und ein Trankopfer, (oh) Osiris [Tarenpet, die Gerechtfertigte, Tochter des
Pachois(?)], geboren von der Hausherrin Iset-[resch(ti)], [an jedem Tage! Empfan]gen
mögest du die Opfergaben des Tatenen! [Hervortreten] möge dein Ba, um dem Gott
nachzufolgen, ohne daß man deinen [Namen] abweist im Himmel und auf der Erde! Dein Ba
lebe, dein Samen sei stark und du seiest verjüngt durch den Herrscher der Lebenden! Groß
[seiest du in] Busiris und groß sei den Platz in Tawer! Machen möge man dir eine
Wasserspende vom Besten der Milch auf dem Erdhügel von ???! Frisch sei dein Herz!
Versehen seiest du mit der Freude im Inneren des herrlichen |Sd-Baums! <Ein Königsopfer
für> Osiris den Ersten der Westlichen, den Großen Gott, den Herrn von Abydos, für den
Osiris von Koptos, den Ersten des Goldhauses, und Osiris Sokar, der im Osirisgrab ist!“ Der
Text der waagrechten Textzeile lautet: „Worte zu sprechen durch den Osiris Tarenpet, die
Gerechtfertigte, die Tochter des Pachois(?), geboren von der Hausherrin Iset-resch(ti).“
Der Name der Opfertafelinhaberin Tarenpet, Tochter des Pachois(?) und der Iset-resch-
(ti) ergibt sich aus der waagrechten Textzeile. Denn im Textfeld ist die betreffende Passage
fast völlig zerstört. Bei dem Text des Textfeldes handelt es sich um eine einstmals ziemlich
vollständige Fassung einer Formel, die sich in zum Teil erheblich verkürzter Form auf fünf
weiteren Opfertafeln, u.a. auch auf zwei typologisch nahe verwandten Opfertafeln findet, die
in Tafel 4e-f wiedergegeben sind. Sie läßt dem oder der Verstorbenen neben einem Trank-
und Speiseopfer auch diverse immaterielle Wohltaten zuteil werden.
Die entscheidende Rolle bei der Datierung der Opfertafel spielt wiederum der Reliefstil
und die Paläographie der Inschriften. Aufgrund der vollständigen und präzisen
Innenzeichnungen sowie der flächigen und ausgewogene Hieroglyphen ergibt sich
zweifelsfrei eine Zugehörigkeit zum transitorischen Stil. Es handelt sich hierbei um einen
Übergangsstil zwischen dem Silhouettenstil, der in seiner strengen Form gänzlich auf
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Innenzeichnungen verzichtet (vgl. Tafel 4a-b) und dem z.B. durch die Hamburger Opfertafel
repräsentierten detailreichen Stil. Die Vertreter des transitorischen Stiles sind in der 2. Hälfte
des 3. oder im frühen 2. Jahr-hundert v. Chr. anzusetzen.
An dieser Stelle muß ich meinen Vortrag leider abermals unterbrechen, da sich die dritte
hier zu besprechende Opfertafel in Hildesheim befindet und muß sie infolgedessen wiederum
auf morgen vertrösten.
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Opfertafel Hildesheim 1900

Abermals haben uns vor einer Opfertafel, nunmehr der Opfertafel Hildesheim 1900,
versammelt. Im Gegensatz zur Hamburger Opfertafel ragt auf der vom Betrachter
abgewandten Seite kein rechteckiger, sondern ein trapezförmiger Ausguß hervor. Die
Seitenflächen verjüngen sich wie bei der Opfertafel in Hamburg nach unten in der Art eines
Pyramidenstumpfes. Die Breite der Opfertafel beträgt 63 cm, die Tiefe mit Ausguß 58 cm,
die Tiefe ohne Ausguß 45,5 cm und die Höhe 10,5 cm. Die Die Opfertafel besteht aus
Siltstein, einem Gestein, das im Wadi Hammamat abgebaut wird und unserem heimischen
Schiefer verwandt ist. Es ermöglicht – wie die vor uns liegende Opfertafel zeigt – eine sehr
feine Glättung der Oberflächen.
Die Oberseite der Opfertafel gliedert sich wiederum in das Mittelfeld mit den
Darstellungen und eine Umrahmung, die hier aus einem schmalen, erhabendem Rand und
einem umlaufenden Kanal besteht. Letzterer mündet in die auf dem Ausguß verlaufende
Abflußrinne. Das Mitteldfeld ist zusätzlich durch einem schmalen Randstreifen eingefaßt.
Diese Art der Umrahmung, die meiner Klassifikation zufolge dem Formaltypus IV-2
entspricht, findet sich auf vier weiteren Opfertafeln, die in Tafel 6a-c und e wiedergegeben
sind.
Das Mittelfeld wird wie bei der Hamburger Opfertafel gänzlich durch eine
Libationsvasen-Szene eingenommen. Zwischen den rahmenden Libationsvasen sind zuunterst
zwei kartuschenförmige Vertiefungen dargestellt, der untere Enden nach außen weisen. Aus
den Ausgußtüllen der Libationsvasen ergießen sich zwei als Zickzacklinien gestalteter
Wasserstrahlen in diese Becken. Über diesen sind vier nebeneinanderliegende runde Brote
dargestellt, die jeweils eine kreisförmige Innenzeichnung aufweisen. Oberhalb der Brote liegt
rechts ein Rinderschenkel und eine Gurke und links eine gerupfte Gans und eine weitere
Gurke. Darüber sind ein Granatapfel und zwei Gebinde aus je einer Lotosblüte und zwei
Lotosknospen abgebildet. Rechts und links der letzteren ist je eine Weintraube dargestellt.
Wie ich bereits in Hamburg ausgeführt habe, symbolisieren die Libationsvasen, die von
ihnen ausgehenden Wasserstrahlen und die kartuschenförmigen Vertiefungen ein Trankopfer.
Letztere könnten allerdings auch kleine Flüssigkeitsmengen eines realen Trankopfers
aufgenommen haben. Die Lotosblüten und -knospen fungieren auch hier als Symbol der
Wiedergeburt und die restlichen Motive spielen naheliegenderweise auf ein Speiseopfer an.
Die typologische Gruppenzugehörigkeit dieser Opfertafel definiert sich weniger durch die
Darstellungen, als durch den Reliefstil, den ich als Relief mit versenktem Hintergrund
bezeichnet habe. Denn die Formen sind aus der sorgfältig polierten Oberfläche durch die
Eintiefung der umliegenden Partien geschnitten worden. Die Politur der Innenflächen blieb
dabei weitgehend erhalten; nur wenige Innenzeichnungen sind in diese eingeschnitten
worden. Um den Kontrast zwischen den polierten Innenflächen der Motive und dem
versenkten Hintergrund zu verstärken, wurde letzterer in kunstvoller Weise aufgerauht.
Fünf weitere Opfertafeln, welche auf Tafel 6 abgebildet sind, weisen denselben Relief-stil
auf. Stets nimmt eine Libationsvasen-Szene das Mittelfeld gänzlich ein. Diese 5
Libationsvasen-Szenen habe ich mit derjenigen der vor uns liegenden Opfertafel als Gruppe H
der Libationsvasen-Szenen zusammengefaßt, obwohl neben gewissen motivischen
Gemeinsamkeiten auch deutliche Unterschiede in der Zusammenstellung und Anordnung der
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Motive fest-zustellen sind. Neben dem Reliefstil verbinden auch die Übereinstimmung
hinsichtlich der Umrahmung – fünf der Opfertafeln weisen eine Umrahmung des Typus IV-2
auf – und der nur in drei Fällen (Tafel 5 bzw. 6c und e) belegte trapezförmige Ausguß diese
Gruppe, d.h. den Typus I-H.
Leider ist nur bei einer der Opfertafeln dieser Gruppe die Herkunft aus Achmim sicher
erwiesen. Die zuvor geschilderten Gemeinsamkeiten sprechen allerdings für eine
achmimische Provenienz der gesamten Gruppe. In einigen Fällen wird dies durch die
Herkunftsangabe im Katalog bestätigt, im Falle der vor uns liegenden Opfertafel hingegen
nicht. Denn W. Pelizäes, der die Opfertafel 1910 in Ägypten erworben hat, gibt Abutîg als
Herkunftsort an, was allerdings auf Händlerangaben beruhen dürfte und insofern höchst
zweifelhaft ist.
Probleme bereitet auch die Datierung der vor uns liegenden Opfertafel, da die Opfertafeln
des Reliefstils mit versenktem Hintergrund außerhalb der stilistischen Entwicklung in
Achmim stehen. Da eine der Opfertafeln aufgrund der Identität ihres Inhabers mit dem
Eigentümer einer stilistisch sicher einzuordnenden Totenstele in die 2. Hälfte des 4. oder das
3. Jahrhundert v. Chr. datiert werden kann, ist auch für unsere Opfertafel eine entsprechende
Datierung zu erwägen.

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