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MAGIE UND

STERNENZAUBER
OKKULTISMUS IM
ABENDLAND
RALPH TEGTMEIER

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Umschlagvorderseite: Darstellung der Melothesia (Tierkreismann) aus den
Tres Riches Heures (1413-1416) des Duc de Berry. Jedes Tierkreiszeichen
übt auf einen bestimmten Körperteil seinen Einfluß aus. Illumination auf
Pergament, Chantilly, Musee Conde

Dem Andenken Hans Biedermanns gewidmet

Sol in Aquario, MMIII

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Tegtmeier, Ralph:


Magie und Sternenzauber : Okkultismus im Abendland / Ralph Tegtmeier. -
Erstveröff. - Köln: DuMont, 1995 ISBN 3-7701-2666-1
Erstveröffentlichung
©1995 DuMont Buchverlag, Köln
Alle Rechte vorbehalten
Druck: Rasch, Bramsche
Buchbinderische Verarbeitung: Bramscher Buchbinder Betriebe
Printed In Germany ISBN 3-7701-2666-1

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Inhalt
Vorwort..............................................................................................6
»Dem Pack, das nur das Außen sieht, sind wir seit Anbeginn
überhoben.«
Zur »Metaphysik der dummen Kerle« .........................................13
»Als Schreiben noch Zauberei war«
Die Wiegen des Okkultismus.......................................................23
Ägypten....................................................................................28
Indien .......................................................................................38
Zauber Griechenlands und Roms .............................................39
»Dem Demiurgen kein Kind zeugen«
Die Revolution der Gnosis und ihre Folgen.................................48
»Tötet sie alle - der Herr wird die Seinen schon erkennen!«
Von Katharern, Templern und anderen Ketzern ..........................59
Kreuzzug - gegen den Gral?.....................................................65
»Die Grammatik der Magie«
Zauberkunst der Renaissance.......................................................72
Agrippa von Nettesheim (1486-1535)......................................74
Paracelsus(1493-1541).............................................................76
John Dee( 1527-1608)..............................................................81
»Der Schinder hol' die Hex'!«
Hexenverfolgung und ihre Konsequenzen ...................................96
»Der Gott in der Retorte«
Kleiner Abriß der Alchemie.......................................................109
»Die Welt als Zahlenrätsel« Jüdische und christliche
Kabbalistik .............................................................................116
Kabbalistische Buchstaben- und Zahlenmystik. Gematria,
Notarikon und andere Techniken ...........................................121
Der Lebensbaum ....................................................................125
»Die Lebenskraft entzückt Salons«
Die Geniestreiche des Anton Mesmer, und warum ein
Fleischextrakt Bovril heißen mußte ...........................................128
»Madame Blavatsky geruht Weichen zu stellen«
Von Theosophen, Sexualmagiern, Ordensbrüdern und kolonialer
Herrlichkeit ................................................................................141
»Das Leben überlassen wir unseren Dienstboten«
Okkultismus und Dekadenz: Das 19. Jahrhundert .....................153
»Die skeptische Erleuchtung«....................................................162

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Crowley, Spare, Gurdjieff und andere Stars...........................162
Austin Osman Spare...............................................................174
Gurdjieff.................................................................................180
»Begehung eines Schattenreichs«
Okkultismus und Politik im 20. Jahrhundert..............................183
Guido von List: Urahn der Ariosophie...................................185
Gott als »entaffte Minne«: Okkulter Rassismus.....................187
Der Dunkelmann aus der Levante: Rudolf von Sebottendorf 195
Der Lama Moses Pinkeies......................................................207
Der Astrologen-Krieg.............................................................208
»Jetzt holt die Hex' den Schinder!«
Wicca, Neuheidentum und ähnliche Aufstände .........................217
»Der postmoderne Satan«
Okkultismus heute......................................................................223
Schlußbemerkung ..........................................................................230
Anhang...........................................................................................231
Bibliographische Auswahl .........................................................231
Im Text verwendete Abkürzungen.............................................248
Bildnachweise ............................................................................248
Personenregister .........................................................................248

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Vorwort
Erst in letzter Zeit wird die Forschung auf ein in der abendländischen
Geschichte buchstäblich seit Jahrtausenden präsentes und
lebendiges, wenngleich verborgenes Phänomen aufmerksam: den
Okkultismus.
In Form eines historischen »Reiseführers« wollen wir im
vorliegenden Werk Entstehung und Entwicklung dieser alle
Lebensbereiche des zivilisierten Menschen umspannenden
geistesgeschichtlichen Strömung verfolgen - von der Hermetik und
den Geheimwissenschaften antiker Mysterienschulen im Alten
Griechenland, in Rom und im Ägypten der Ptolemäerzeit über die
Gnosis und die Ketzerbewegungen der Katharer und Albigenser im
Mittelalter; vom Templerorden über die Dombauzünfte bis zu den
Dämonarien der Renaissance und zur Freimaurerei; von den
Laboratorien und Küchen der Alchemisten und Goldmacher über die
jüdischen und christlichen Kabbalisten bis zum Mesmerismus-
Magnetismus der französischen Revolutionszeit; von der
Wiederbelebung des Tarot und der Sterndeutung über
Rosenkreuzertum, Illuminismus, Theosophie und Anthroposophie
bis zur okkulten Blüte der Jahrhundertwende mit ihrer Rosenkreuzer-
Malerei und -Bühnenkunst.
Von hier führt unsere Reise über die magischen Bünde, Bru-
derschaften und Orden der viktorianischen und Kaiserzeit bis in die
Esoterikmode der Gegenwart - vorbei an einzelnen
Selbstdarstellungsorgien moderner Magier wie Eliphas Lévi, Samuel
Mathers, Aleister Crowley und Gurdjieff. Bei alledem geht es uns
freilich nicht um eine bloße Aneinanderreihung historischer Daten,
Namen und Fakten. Vielmehr möchten wir uns dem Anekdotischen
nicht verweigern und auf durchaus unterhaltsame Weise auch die
vielen Verästelungen aufzeigen, durch die der Okkultismus sich im
kulturellen, philosophischen und politischen Leben manifestiert: in
Malerei, Dichtung und Musik ebenso wie in der Medizin und den
Naturwissenschaften. Einige Vertreter der letzteren bereicherten -
meist unfreiwillig - den Okkultismus schon immer um Disziplinen,
die, nachdem sie erst einmal akademisch in Ungnade gefallen waren,
im Umfeld des Okkultismus ungebrochen weiterexistierten und es
bis heute tun. Auch die Grauzone zwischen wissenschaftlicher
»Ober-« und »Unterwelt« ist reich besetzt: Homöopathie,

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Irisdiagnostik, Rutengängerei, Parapsychologie, Yoga seien hier nur
als Beispiele genannt. Vieles davon darf man als »verworfenes
Wissen« in beiden Bedeutungen des Wortes verstehen, und der
Okkultismus hat sich seiner stets gern angenommen.
Zugleich war und ist der Okkultismus ein Sammelbecken für soziale
und politische Strömungen aller Art. Hier finden tantrische
Sexualmagie und asketische Gesellschaftsutopien ebenso ihren Platz
wie okkult ausgerichtete Verschwörerbünde. So werden wir auch
beispielhaft den okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus und des
europäischen Rassismus nachspüren und dabei etwa Hitlers
Vegetarismus ebensowenig aussparen wie die okkulte Bedeutung des
Hakenkreuzes oder die ausgerechnet an der Freimaurerei orientierte
Ordensstruktur der freimaurerfeindlichen SS.
Schließlich wird noch die okkulte Szene der europäischen und
amerikanischen Nachkriegszeit in ihren vielen Spielarten bis in die
Gegenwart beleuchtet. Hier reicht die Spannbreite vom
Neuheidentum über den »Techno-Okkultismus« bis zur Neo-
Hermetik, dem zeitgenössischen Satanismus und dem sogenannten
»Jugendokkultismus« der letzten Jahre. Damit soll bei allem
Unterhaltungswert auch ein kultur- und ideengeschichtlicher Beitrag
zum besseren Verständnis heutiger Erscheinungen, die mit dem
vereinfachenden Etikett »Neo-Nazismus« nicht wirklich zu begreifen
sind, geleistet werden. Denn erst vor dem Hintergrund einer
geschichtlich nachzuvollziehenden, undogmatischen und tabufreien
Betrachtung werden zahlreiche gesellschaftliche Entwicklungen der
Gegenwart überhaupt verständlich und somit handhabbar.
Da stellt sich natürlich als erstes die Frage: Wozu das alles? Ist der
Okkultismus nicht eine durch Aufklärung und Wissenschaft schon
längst in die Wirkungslosigkeit des Abstrusen verbannte Entgleisung
der Irrationalität? Eine bestenfalls nostalgische, also
rückwärtsgewandte Weltflucht? Gibt es nicht schon soziale,
politische, wirtschaftliche und ökologische Probleme genug, muß
man sich da auch noch mit der Ideologie ewiggestriger, letztlich
reaktionärer Gemüter beschäftigen? Hat ein parasitäres
Randphänomen wie der Okkultismus überhaupt eine solche
Aufmerksamkeit verdient?
Einwände dieser Art werden seitens der Okkultismus-Gegner gern
und häufig vorgetragen. An allererster Stelle stehen dabei die
Kirchen, und nicht nur die »großen« - auch kleinere Reli-
gionsgemeinschaften, christliche wie islamische, lehnen den »Sumpf

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des Okkultismus« ab, weisen auf vermeintliche wie wirkliche
Gefahren hin, die von ihm ausgehen sollen, würden ihn am liebsten
mit dem Bannstrahl des Verbots und der Ausrottung belegen.
Das ist freilich nicht neu. Schon im Alten Rom wurden die
»Chaldäer«, wie man pauschal die Astrologen und Wahrsager, die
Magier und Nekromanten bezeichnete, mit Verbannung bestraft oder
sogar hingerichtet. Das Alte Testament kennt für die Mantiker und
»Planetenanbeter« nur die Todesstrafe, und es ist gerade einmal 200
Jahre her, da in Mitteleuropa die letzte Hexe öffentlich verbrannt
wurde. So hat der Okkultismus (oder auch das, was man erst später
zu ihm zählte) schon immer die Gemüter erregt, die Gesellschaft
polarisiert und sie oftmals in die blutigsten Auseinandersetzungen
getrieben.
Gleich wie man zu Okkultismus stehen mag: Man wird dieses
Phänomen sicher nicht begreifen und schon gar nicht in den Griff
bekommen, wenn man es verdrängt oder seine Vertreter pauschal zu
weltfremden Spinnern erklärt. Damit macht man es sich zu einfach
und läuft Gefahr, völlige Fehleinschätzungen für gesichertes Wissen
zu erachten - mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Der
Okkultismus findet nämlich keineswegs, wie oft geglaubt wird, nur
im gesellschaftlichen Abseits statt. Ebensowenig stellt er prinzipiell
eine Gegen- oder Subkultur dar. Nur selten sind seine Anhänger und
Ausübenden soziale Außenseiter oder »dumme Kerle« (Theodor
Adorno), wie das seine Gegner immer wieder gern behaupten. Meist
stehen sie vielmehr mit beiden Beinen im Leben - an oberster wie an
unterster Stelle der intellektuellen und gesellschaftlichen Leiter.
Okkultismus ist kein isoliertes Cliquen- oder Kastenphänomen,
obgleich auch er seine Cliquen und Berufsständigkeiten (und seine
Pfründe) kennt. Wie ein kaum sichtbares Fadengespinst durchzieht
er vielmehr die gesamte Ideen- und Kulturgeschichte. Kunst,
Literatur, Musik und Architektur sind von ihm durchdrungen, seine
Protagonisten beeinflußten das politische und ökonomische Leben
bis zum heutigen Tag. So wenig faßbar er auch häufig scheint, ist er
doch allgegenwärtig. Will man das Ganze sehen und begreifen
lernen, darf man vor seiner Gegenwart die Augen nicht verschließen.
Weder Sekten-Hysterie noch Bannflüche, weder »Aufklärung« noch
jahrhundertelange blutige Verfolgung haben ihm jemals etwas
anhaben können, denn er ist allenfalls ein Produkt der Verdrängung,
nicht aber ihre Ursache.
Schon aus diesem Grund scheint es geboten, dem Phänomen

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aufgeschlossen und nüchtern nachzuspüren. Und dabei stoßen wir als
erstes auf das Definitionsproblem, an dem sich bereits die Geister
scheiden. »Okkultismus« als Begriff ist etwas aus der Mode
gekommen, wird fast nur noch von seinen Gegnern verwendet. Was
einst die »Lehre von den verborgenen Dingen« (von lat. occultus,
»verborgen«) bezeichnete, eingedeutscht auch gern als
»Geheimwissenschaften« geführt, wird inzwischen fast nur noch mit
»Obskurantismus« gleichgesetzt - ein Wort, das man etwas frei als
»Trug, Gaukelei, Verschleierung« ausdeuten könnte.
Gängiger ist heute die Bezeichnung »Esoterik«, die aber im Kern
dasselbe bedeutet: »einem kleinen Kreis vorbehalten«, also
»Geheimwissen« im engeren Sinne. Die Grabenkämpfe innerhalb
dieser Esoterik, die sich darum ranken, was und wer denn alles noch
oder schon (oder auch schon wieder) zur Esoterik zu zählen sei,
sollen uns hier nicht interessieren. Sie seien nur erwähnt, weil sie ein
Dilemma widerspiegeln, das sich jedem Okkultismusforscher stellt:
Eine klare, scharfe Eingrenzung seines Studiengegenstands, wie von
den Naturwissenschaften her gewöhnt, scheint so gut wie unmöglich.
Nicht nur Astrologen und Radiästhesisten würden sich empören,
bezeichnete man sie als »Okkultisten« oder »Esoteriker«; auch die
Vertreter der ins Abseits gedrängten, einstmals durchaus als nicht-
okkultistisch verstandenen Wissenschaften weigern sich beharrlich,
mit anderen Gruppierungen und Weltanschauungen in den Topf des
Okkultismus geworfen zu werden: Homöopathie, Phrenologie,
Chirologie, Welteislehre, Hohlwelttheorie und Rassenlehre sind
einige herausragende Beispiele. Eine Menge von dem, was innerhalb
der Schulwissenschaft in Ungnade fiel, fand seine neue Bleibe im
Reich okkultistischer Spekulation und Welterklärungsmodelle -
freilich nur selten mit Einverständnis seiner Anhänger.
Unscharf wird der Begriff von seiten der Gegner verwendet, die ihn
sich je nach Interessenlage zurechtbiegen. So wird in der
»Jugendokkultismus«-Diskussion darunter meist eine Aus-
drucksform der Nekromantie (z. B. Geister- oder Totenbe-
schwörung) verstanden, die nach Art einer »Einstiegsdroge« in den
»Satanismus« münde. Können Rutengängerei oder Geistheilung
denn dann ebenfalls noch Okkultismus sein?
Auch im Hinblick auf den starken Anteil östlicher Weisheitslehren
tut sich schwer, wer den Okkultismus genauer zu definieren bemüht
ist. Sicherlich wäre es absurd, beispielsweise
den Buddhismus oder den Yoga als okkultistische Geheimlehre zu

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bezeichnen - und doch hatten beide in einer ihnen fremden Kultur
wie der abendländischen lange Zeit eben diesen Status. Wer sich
etwa in den 50er Jahren für Yoga interessierte, der war auf schwer
zugängliche Spezialliteratur angewiesen und mußte lange suchen, bis
er einen Lehrer oder eine Gruppe Gleichgesinnter fand. Heute, da
jede Volkshochschule ihren Yoga-Kurs anbietet, ist er voll ins
westliche Leben integriert, wenn auch die dahinter stehende indische
Philosophie dabei ignoriert und allein die Körperertüchtigung in den
Vordergrund gestellt wird.
Das läßt sich allerdings von vielen anderen Disziplinen ebenfalls
behaupten. Der deutsche Buchhandel macht zuverlässigen
Schätzungen zufolge inzwischen ein glattes Viertel seines Umsatzes
mit Esoterik-Titeln. Mehr als die Hälfte aller erwachsenen
Deutschen hält die Reinkarnation zumindest für »denkbar« - der
Okkultismus ist salonfähig geworden. Auf Partys ist das eigene
Geburtshoroskop ein beliebtes Dauerthema, ohne großes Zögern
sucht man Geistheiler oder Channeling-Medien auf, holt Rat ein in
Tarot-Sitzungen und bei Hellsehern und befaßt sich mit der
Entwicklung und Handhabung »feinstofflicher Energien« (Chi, Od).
Welcher eingefleischte Materialist und Rationalist hätte sich in den
50er oder 60er Jahren jemals träumen lassen, daß sich der
aufgeklärte Mensch der 90er einmal scharenweise neuheidnischen
Naturkulten anschließen, den Kontakt zur Geisterwelt suchen oder
sein Schicksal mit dem Pendel ergründen würde?
Gewiß, vieles davon dürfte Modeerscheinung sein, wie es sie in der
langen Geschichte des Okkultismus immer wieder gegeben hat.
Manches wird wohl auch irgendwann wieder in der Versenkung
verschwinden und in Vergessenheit geraten. Doch es wäre verfehlt,
daraus den Schluß zu ziehen, daß es sich deshalb um eine
vorübergehende Randerscheinung gesellschaftlicher Realität handelt.
Die Tatsache, daß immer wieder okkultistische Elemente in der
westlichen Geistes- und Ideengeschichte aufflackern, daß sich die
führenden Köpfe der abendländischen Kultur zu ihm bekannten, ihn
hinterfragten oder sich an ihm rieben, ist nicht so leicht von der
Hand zu weisen.
Wir wollen und werden die Definitionsfrage hier nicht endgültig
klären. Statt dessen beschränken wir uns darauf, den Okkultismus
von Fall zu Fall durch Beschreibung seiner Elemente und Herkünfte
zu qualifizieren. Ohnehin sind wir aus Platzgründen dazu
gezwungen, dem breiten Pinselstrich den Vorzug zu geben. Eine

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detaillierte Feinanalyse hätte nicht nur enzyklopädischen Charakter,
sie wäre sicher auch nur für wenige Fachleute von Interesse.
Wichtiger erscheint uns dagegen, ein Phänomen endlich einmal ernst
zu nehmen, das bisher von der Forschung immer nur stiefmütterlich
oder verächtlich behandelt wurde. Es ist zwar nicht selten den
Okkultisten selbst zuzuschreiben, wenn Skeptiker und Gegner nur zu
gern auf den Verlegenheitsbegriff des »Aberglaubens«
zurückgreifen, um okkultistische oder esoterische Weltanschauungen
und Lehren zu desavouieren. Doch oft genug wird dabei das Kind
mit dem Bade ausgeschüttet, wie nicht zuletzt das Beispiel der
Faschismus-Forschung zeigt.
Erst in allerjüngster Zeit beginnt die Historikerzunft nämlich, den
okkultistischen Verbindungen und Verflechtungen der frühen
NSDAP nachzuspüren - jahrzehntelang ein Tabu-Thema. Hier hat es,
das sollte einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden, ein ganzer
Berufsstand in arrogantester Weise versäumt, seine rudimentärsten
Hausaufgaben zu machen. Dafür mag es viele verständliche Gründe
geben, so auch den, daß der Okkultismus ein schier
unüberschaubares Gebiet ist, das auch nur in seinen Grundzügen
systematisch zu erforschen viele Jahre Arbeit erfordert. Ein
Versäumnis bleibt es dennoch - und zwar eins, das zu äußerst
unguten, ja möglicherweise sogar verhängnisvollen
Fehleinschätzungen dessen führt, was heute europaweit als
»neurechtes« Gedankengut wieder aufflackert.
Ganz eklatant wird dies auch in der emotional-unsachlichen
publizistischen Reaktion auf den »Historiker-Streit« der jüngsten
Vergangenheit deutlich. Der Okkultismus als Forschungsthema
wurde nämlich nicht nur aus der Theologie und von den
Universitäten verbannt, sondern auch aus den Köpfen der Wis-
senschaftler selbst. Damit aber war er, der im Laufe seiner Ge-
schichte selten etwas anderes gekannt hat als Verfolgung, nicht
ausgemerzt, sondern trieb und treibt seine Blüten - durchaus
traditionsgemäß - vor allem im gesellschaftlichen und ideenge-
schichtlichen Untergrund, ohne jedoch ein reines Randgrup-
penphänomen zu sein. Dieser Verkennung eines geistesge-
schichtlichen Phänomens von großer Einflußkraft und Tragweite ein
Stück gegenzusteuern, ist auch ein Anliegen unseres Buchs.
Eine Bemerkung zum Schluß. Trotz aller Faktenfülle möchte dieses
Werk wohl informieren, aber nicht belehren. Akademische
Wissenschaftlichkeit der Darstellung ist nicht beabsichtigt -

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wenngleich der Arbeit ein präzises und jahrzehntelanges, z. T.
akademisches Quellenstudium zugrunde liegt. Deshalb werden wir
den Leser nicht mit einem ausgiebigen Fußnoten- und
Anmerkungsapparat behelligen. Wer weiterführende Literatur und
Quellenangaben sucht, findet in der Bibliographie dafür zahlreiche
Hinweise.
Darstellungen des älteren Okkultismus gibt es viele, darunter auch
manch ausgezeichnetes Werk. Was jedoch meist etwas zu kurz
kommt, ist der Okkultismus unseres Jahrhunderts und der
Gegenwart. Aus diesem Grunde wurde darauf verzichtet, die älteren
Epochen in der gleichen Ausführlichkeit zu behandeln, wie das sonst
gemeinhin üblich ist. Statt dessen soll der Schwerpunkt auf den
moderneren Strömungen seit der Jahrhundertwende liegen, deren
Spur sich bis in die Ordensszene unserer Tage verfolgen läßt.

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»Dem Pack, das nur das Außen sieht, sind wir
seit Anbeginn überhoben.«
Zur »Metaphysik der dummen Kerle«

Theodor Adorno redet abfällig von einer »Metaphysik der dummen


Kerle«, Thomas Mann spricht vom »Köhlerglauben«. Beide
beschreiben zwar vorgeblich den Spiritismus, doch schlägt man
damit nur den Sack und meint den Esel. In Wirklichkeit geht es um
den alten Philosophen- und Theologenstreit: »Was ist Wahrheit?«
Und um die Antwort, die der Okkultismus darauf bietet. Gibt es eine
unsichtbare Welt? Ist der Mensch nur Stoff, fleischlicher Körper,
oder ist er auch - oder sogar vornehmlich - ein geistiges Wesen? Hat
er eine Seele? Oder, wie es die Gnostiker der Antike
zusammenfaßten: »Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe
ich?« Auf diese Fragen sucht der Mensch eine Antwort, seit es
Kulturen gibt. Nach Auffassung einiger Gelehrter ist der Begriff der
Kultur (der ja mit »Kult« oder »Kultus« eng verknüpft ist) sogar
synonym mit dem Versuch, auf diese Schicksalsfragen gültige
Antworten zu geben.
Es liegt in der Natur des Ungreifbaren und möglicherweise sogar
Unbegreiflichen, daß die derart entwickelten Antworten nicht jedem
behagen werden. Die Aufklärung wandte sich von der Metaphysik
und der theologischen Spekulation ab, um die Grundlagen für das zu

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legen, was wir heute das »wissenschaftliche Weltbild« nennen. Es
flössen darin zahlreiche Strömungen mit ihren Annahmen,
Mutmaßungen und Prämissen ein, in erster Linie der Rationalismus
und der Materialismus (Feuerbach, Marx, Haeckel u. a.). Ihre Wel-
terklärung war nach eigenem Verständnis eine grundsätzlich andere
als die theistische. Mit letzterer weist der Okkultismus dagegen die
größere Ähnlichkeit auf. Denn ihm geht es um Götter und geheime,
»übernatürliche« Mächte und Kräfte, während die Naturwissenschaft
sich allein dem Diesseits widmen will. Es wurde in der Diskussion
allerdings schon verschiedentlich darauf hingewiesen, daß es ein
Irrtum sei, den Okkultismus deshalb als »irrational« zu bezeichnen.
Auch wenn man seine Grundannahmen nicht akzeptiere, folge er
doch einem streng kausalen, auf dem Gesetz von Ursache und
Wirkung aufbauenden Modell. Das ist sicher richtig: Gemeinsam ist
dem rationalistischen Wissenschaftler in seinem weißen Laborkittel
und dem hermetischen Magier in seiner schwarzen Seidenrobe das
Bemühen, durch Ursachensetzung Einfluß auf die Wirklichkeit zu
nehmen. Was dem einen seine Naturgesetze, seine Meßinstrumente
und Versuchsstatistiken, sind dem anderen seine zahlenmystischen
Korrespondenzen, seine Zauberformeln der Macht, seine kultischen
Kraftgegenstände. Damit soll nicht behauptet werden, daß dies alles
doch nur dasselbe sei - aber die Gegensätze sind möglicherweise
längst nicht so scharf umrissen, wie es die verfeindeten Parteien
andere glauben machen wollen. Und gerade wegen dieser
grundsätzlichen Ähnlichkeit ihres Anliegens und Angangs scheint
ein Brückenschlag zwischen beiden unmöglich. Er wurde zwar
immer wieder versucht, doch blieb dies stets nur Stückwerk. Vor
allem im 19. Jh., als die Naturwissenschaft ihren bis heute
anhaltenden Siegeszug feierte und das »alte Wissen«, als dessen
Hüter der Okkultismus sich stets verstand, immer mehr in
Vergessenheit geriet, bemühte sich eine Vielzahl okkultistischer
Richtungen um die (Wieder-)Anerkennung als wissenschaftliche
Disziplinen. Die Parapsychologie, wie wir sie heute kennen, ist kein
isoliertes Produkt unserer Zeit, sondern entstand als Nachfolgerin
solch ehrwürdiger Organisationen wie der Society for Psychical Re-
search, die sich bereits um die Jahrhundertwende der wissen-
schaftlichen Untersuchung spiritistischer Phänomene widmete.
Im allgemeinen stand die Naturwissenschaft der Erforschung von
»Grenzgebieten« damals übrigens nicht ganz so ablehnend
gegenüber wie heute. Ihr Vorstoß in sämtliche Bereiche des

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menschlichen Lebens machte auch vor der Welt des Übersinnlichen
nicht halt. Umgekehrt versuchten sich die Vertreter des Okkultismus
gern als wissenschaftliche Dilettanten, griffen Konzepte und
Terminologie der Naturwissenschaften auf und paßten sie an ihre
eigenen Bedürfnisse an. War früher von Geistern und jenseitigen
Mächten die Rede, sprach ein Anton Mesmer schon vor der
Französischen Revolution von »tierischem Magnetismus«,
entwickelte Reichenbach einige Jahre später seine Lehre vom »Od«,
hielt mit zunehmender Erforschung des chinesisch-asiatischen
Raums der Begriff des »Chi« Einzug in das okkulte Denken des
Westens. Noch Anfang der 50er Jahre stellt der tschechische Magier
Franz Bardon in seinen beiden einflußreichen Werken Der Weg zum
Wahren Adepten und Die Praxis der magischen Evokation ein
Modell der Magie vor, das mit »elektrischen« und »magnetischen«
Kräften arbeitet. Dagegen vertritt die Chaos-Magie des inzwischen
zersplitterten magischen Ordens der Illuminaten von Thanateros
(IOT) seit den 80er Jahren ein informationstheoretisches und an der
Quantenphysik angelehntes Modell der Zauberei.
Der blinde, kritiklose Glauben an die Wissenschaft wird gemeinhin
als »Szientismus« bezeichnet, und es ist gewiß nicht übertrieben, das
19. Jh. als die Epoche des Szientismus schlechthin zu bezeichnen.
Daran erkennen wir aber auch, daß der Okkultismus stets Kind
seiner Zeit war und sich ihrer Terminologie und Bezugssysteme
ebenso bediente, wie er sich an ihren Wertvorstellungen einerseits
orientierte, andererseits rieb.
Es ist die Sage vom gefallenen Engel Luzifer, die für den
überwiegenden Teil des Okkultismus das wesensinnerste
Arkanum darstellt: Luzifer als »Lichtbringer«, als der Rebell par
excellence, der den Menschen aus seiner Bevormundung durch die
Götter befreit.
Das war schon zur Zeit des Frühchristentums ein Thema. Man
spricht in diesem Zusammenhang von der »luziferianischen Gnosis«
der Spätantike, die in der Schlange der biblischen
Sündenfallgeschichte den eigentlichen Erlöser erkannte, der vom
»bösen Demiurgen« Ialdabaoth (eine Verballhornung des
alttestamentarischen »Jehova«) besiegt wird. Nicht etwa auf den
Gott der diesseitigen Mächte, dem es Tribut zu zollen galt (wie man
Cäsar zu geben hatte, was Cäsars war), richtete sich das suchende
Auge des Gnostikers. Nein, die später im wahrsten Sinne des Wortes
»verteufelte« Schlange war ihm der wahre Lichtbringer, der den

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Schleier der Illusion zerreißen half. Die biblische Geschichte vom
Sündenfall war nach Ansicht der meisten Gnostiker nur die von der
siegenden Partei verzerrte Darstellung. In Wirklichkeit, daran
glaubten sie fest, hatte es sich genau andersherum verhalten.
Denn war es nicht der Demiurg gewesen, der Adam und Eva
verwehrte, ausgerechnet vom »Baum der Erkenntnis« zu essen? Der
sie also in Verdummung und glückseligem Stumpfsinn halten wollte,
weil er fürchtete, sie könnten ihm seine Vormachtstellung streitig
machen? Hatte er sie nicht mit Schimpf und Schande in die Welt des
Leids hinausgestoßen, sobald sie anfingen, eigenständig zu denken,
die Dualität allen Seins zu erkennen und ihre eigene Gottnatur zu
begreifen?
Ein Mythos mit Geschichte und von hoher Aktualität: Auch die
Anthroposophie unserer Tage (eine 1913 aus der Theosophie
hervorgegangene Schöpfung der Jahrhundertwende) fühlt sich dem
luziferianischen Gedanken verpflichtet. Und es sind noch viele
andere mehr. Wer einmal mit geschärftem Blick Ausschau nach
gnostischem Gedankengut hält, wird schnell fündig. Schon die
Aufklärung gründet auf dem Gedanken der »Selbstvergottung« des
Menschen, wie die Kirchen auch nie müde wurden zu kritisieren.
Selbst der Rationalismus, ja der Sozialismus und Kommunismus
unseres Jahrhunderts greifen auf dieses urgnostische Gedankengut
zurück, freilich ohne seine transzendente Komponente zu
integrieren.
Wir finden hier deutliche Anklänge an den antiken Prometheus-
Mythos. Die spätere christliche Gleichsetzung des Luzifer mit dem
Widersacher Gottes, Satan, ist durchaus schlüssig: Wer der

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Vorherrschaft des Göttlichen trotzt und den Menschen zur alleinigen
Entscheidungsinstanz allen Seins, aller Ethik und Moral erklärt (wie
es im wesentlichen ja auch der Humanismus tat), muß dem Diener
der Götter, dem religiös ausgerichteten Menschen zwangsläufig
böse, verworfen und bedrohlich erscheinen. Da kann es auch nicht
überraschen, wenn der Konflikt mit härtesten Bandagen ausgetragen
wird. Selbst die Hexenverfolgung erscheint dort, wo sie gelegentlich
echte, und nicht nur als solche verbrämte, religiöse Züge trug, völlig
verständlich - was freilich keine Billigung darstellt.
Das eingangs geschilderte Definitionsproblem läßt sich leicht und
zielführend entschärfen, wenn wir an Stelle der Inhalte des
Okkultismus selbst einmal seine weltanschauliche Grundhaltung
betrachten, anstatt uns allzu sehr in den unterschiedlichen Lehren
und Wissenschaften zu verlieren, die ihn kennzeichnen. Denn diese
sind oft genug nur der Vorwand für eine Rebellion gegen die
bestehenden Verhältnisse - politisch wie ontologisch. Und als
solcher wurden und werden sie von seinen Gegnern auch meist
verstanden.
Anstatt uns also mit der Frage aufzuhalten, inwieweit sich
beispielsweise die Hohlwelttheorie »noch« oder »schon« dem
Okkultismus zuordnen läßt; oder ob die Homöopathie mit der ihr
zugrundeliegenden hermetischen Signaturenlehre ideengeschichtlich
betrachtet echte Erfahrungswissenschaft oder bloßes Relikt eines
magischen Weltbilds ist, wollen wir dieses Element der Rebellion in
den Vordergrund unserer Betrachtung stellen. Denn die Geschichte
des Okkultismus ist die Geschichte seiner Ächtung und Verfolgung.
Erst durch diese wurde er zu dem, was er bis heute geblieben ist -
Zufluchtsort und Arena der Kritiker etablierter, konventioneller
Werte und Strukturen. Darin liegt sogar eine gewisse ironische
Symmetrie: Während sich der Okkultismus nach seinem Selbstver-
ständnis dem Verborgenen, dem für den profanen Blick nicht
Zugänglichen verschrieben hat, tut er es seinerseits stets in der
Verborgenheit des inneren wie äußeren Exils. Wo Astrologie oder
Phrenologie gängige, anerkannte Wissenschaften waren, waren sie
auch nicht »okkult«.
Freilich dürfen wir uns diese Rebellion nicht als eine Art ter-
roristischen Befreiungskampfs des Bombenlegens vorstellen, wie wir
ihn in unserer Epoche kennengelernt haben. Eher trifft hier Robert
Anton Wilsons Formulierung von der »Guerilla-Ontologie« den
Kern der Sache. Die Rebellion nimmt meist, wenn auch nicht immer,

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die Gestalt einer inneren Emigration an, der Abschottung in kleinen
Gruppen Gleichgesinnter, nur gelegentlich trägt sie konspirative
Züge.
Es wäre allerdings ebenso falsch, den Okkultismus nun als eine
bloße Müllhalde für aus der Mode gekommene Weltanschauungen
und Theologien zu mißdeuten. Er ist prinzipiell heidnisch - auch
dort, wo er sich »ur-« oder »frühchristlich« gibt, da er meist auf
Gedankengut zurückgreift, das bereits vor der Entstehung des
Christentums einen beträchtlichen Teil der zivilisierten Welt
bewegte: Ägypten, Sumer, Griechenland, Rom, aber auch Indien und
China. Gewiß ist er ein Sammel- und Auffangbecken, aber dieses
Becken hat seine eigene, unverkennbare Form. Diese mag nicht so
scharf konturiert sein, wie es die von Ideologien bestimmte
Auseinandersetzung beider Seiten suggeriert; und sie ist auch nicht
immer sonderlich stabil, Mode und Zeitgeschmack unterworfen und
häufig opportunistisch an die bestehenden Machtverhältnisse
angepaßt. Aber sie ist zweifellos vorhanden.
Wie gesagt: Uns soll hier vor allem die Haltung interessieren, für die
die verschiedenen Ausdrucksformen des Okkultismus in erster Linie
Vehikel und in zweiter Wesenskern darstellen. An dieser Stelle sei
einleitend eine knappe, die meisten okkultistischen
Erscheinungsformen abdeckende Definition genannt, die im
Einzelfall der Ergänzung, Abwandlung oder Korrektur bedarf. Wir
folgen dabei im wesentlichen den 21 Thesen des amerikanischen
Literaturwissenschaftlers John Senior, die dieser bereits 1959 in
einer Studie über das Okkulte in der Literatur des Symbolismus

18
formulierte und die bis heute als unübertroffen gelten dürfen
(Literaturangaben s. Anhang).
Im allgemeinen glauben Okkultisten an folgende Vorstellungen, an
denen sie auch ihr Tun ausrichten: Das Universum besteht aus einem
einzigen, einzigartigen, ewigen und unfaßbaren Stoff, der sich als
Geist, Feuer oder Licht manifestiert. Diese Manifestation nimmt
zudem die Form des Demiurgen oder Logos an, der das erschaffene
Licht mit Hilfe verschiedener Mittler in die sichtbare Welt befiehlt,
die ihrerseits ebenfalls Emanationen des Einen darstellen.
Alles ist der Dialektik der Gegensätze unterworfen. So setzt sich das
erschaffene Universum aus Gegensatzpaaren wie »Licht/Dunkel«,
»Männlich/Weiblich« zusammen, die gemeinsam ein harmonisches
Gleichgewicht herstellen. Die so entstandene Dreiheit wird als
Bestandteil des Einen begriffen, so daß das Universum als ein Wesen
der Vierheit gilt.
»Wie das Oben, so das Unten«: Da Geist und Materie eins sind, ist
auch die Vorstellung wirklich, und jede Analogie, die sie
hervorbringt, gilt als »wissenschaftlich gesicherter« Beweis für eine
wesensmäßige Entsprechung zwischen den betrachteten Dingen und
Phänomenen. Da alles eins ist, läßt sich auch eine »Wissenschaft der
Ableitung« entwickeln, wodurch das Studium der Materie zu
Erkenntnissen über das Wesen des Geistes führen kann - und
umgekehrt. So kontempliert der Mystiker beispielsweise die
Schöpfung, während hingegen der Alchemist sie manipuliert.
Der menschliche Körper ist ein Abbild der Schöpfung, ja das ganze
Universum wird als lebender Mensch begriffen. Da der Mensch
durch Sexualität erschaffen wird, ist diese Ausdruck des Göttlichen.
Der Ursprung allen Seins, das Göttliche eben, zeugt die Schöpfung,
indem er sich in Männlich und Weiblich spaltet und sich selbst
beiwohnt.
Da der Mensch der Prototyp des Göttlichen ist, ist es ihm auch
möglich, alles zu verwirklichen und zu entwickeln. So kann er zum
Gott werden, weil er bereits ein Gott ist, ohne es zu wissen. Im
Geschlechtsakt erkennt der Mann seine eigene weibliche Natur und
wird symbolisch zum Androgyn, bei der Frau verhält es sich
umgekehrt. Durch Einswerdung des Fleisches wird der Mensch
vollständig.
Vornehmste Aufgabe des Menschen ist die Selbsterkenntnis. Sich
selbst zu erkennen bedeutet, alles zu sein. Diese Selbsterkenntnis
besteht aus der fortschreitenden Erforschung der Schichten der

19
Seele, die weit über das gewöhnliche Alltags-Ego hinaus bis zur
Ursubstanz der Schöpfung selbst führt.
Manchen Über-Menschen ist es gelungen, sich selbst zu erkennen;
und sie kehren wieder, um ihren Artgenossen zu helfen. Man
bezeichnet sie als Boddhisattvas, als inkarnierte Meister, als
Adepten, als Hüter, als Beschützer, als Religionsstifter. Diese
künden die letzten Wahrheiten und kleiden sie in die Sprache und
Bilder ihrer jeweiligen Zeit, um sie zugänglich zu machen. Daher
stellen alle Religionen Variationen über eine einzige transzendente
Einheit dar.
Jeder Mensch kann ein Erleuchteter werden, sei es durch hin-
gebungsvolles Üben, durch göttliche Gnade und/oder aufgrund
früherer Verdienste. Dem Über-Menschen werden seine Ent-
wicklungsmöglichkeiten durch Erleuchtung vorgeführt: ein zu-
fälliger oder eigens herbeigeführter Zustand, in dem er von Hitze,
Feuer oder Licht umgeben ist und in dem er sprachlich nicht faßbare,
unwiderlegbare und zutiefst beeindruckende Beweise für die Einheit
der Schöpfung schaut.
Der Über-Mensch ist oft geschlechtlich ein Androgyn, was durch
Tonsur, Beschneidung oder ungewöhnliche Kleidung symbolisiert
wird. Da der selbstverwirklichte Boddhisattva die höheren
Wahrheiten eben jenen Menschen verkünden will, die nicht dazu in
Lage wären, diese zu erfassen, benutzt er Symbole, um die weniger
entwickelten Seelen auf unterschwellige Weise zu beeinflussen. So
richtet er den Blick des Ichs nach innen, um die Selbsterkenntnis zu
ermöglichen; zugleich aber fördert er damit die Weiterentwicklung
der Seele selbst. Symbole besitzen selbst dann Wirkkraft, wenn man
um ihre Bedeutung nicht weiß. Das Symbol kann also rein
intellektuell nie gänzlich erfaßt werden, denn es stellt die
Begegnungsstätte und den Ort der Zwiesprache zwischen dem Ich
und dem Unfaßbaren selbst dar.
Tempelbauten, Pyramiden, Mysterien, Mythen, alchemistische
Prozesse, astrologische Diagramme - sie alle stellen Symbolsysteme
dar, ähnlich den östlichen Yantras und Mandalas.
Zur leichteren Bewältigung der Selbstverwirklichung haben Adepten
häufig Bruderschaften organisiert, beispielsweise die Rosenkreuzer,
die Pythagoräer, die Illuminaten und andere. Die Einweihung in eine
solche Bruderschaft gilt oft auch als Voraussetzung für das zur
Weiterentwicklung erforderliche Überbewußtsein und ist meist selbst
eine Zeremonie, die einen derartigen Seelenzustand herzustellen

20
vermag.
Alles Leben folgt einem Puls, Atem oder Rhythmus, der sich als
Zyklus der Geburt, des Wachstums und des Verfalls manifestiert: so
etwa das Magnum Annus oder Weltenjahr im makrokosmischen,
Geburt, Tod und Wiederauferstehung im menschlichen oder
mikrokosmischen Bereich. Beim Durchlaufen dieser Zyklen müssen
alle Seelen einmal zu allen Dingen werden. Aufgabe des einzelnen
Menschen, wie wir ihn kennen, und der Zeitalter, wie wir sie kennen,
ist es, alles zu belassen, wie es ist, um statt dessen das Unbekannte
zu erforschen. Dieser Vorgang wird auch häufig als »Höllenfahrt«
oder als »Reise in die Unterwelt« bezeichnet.
Soweit zu Senior. Ergänzend bleibt noch einmal hinzuzufügen, daß
dies nur ein Grundgerüst darstellen kann, das zudem Elemente
enthält, die häufig auch unter anderen Bezeichnungen kursieren.
Nicht alle okkulten Lehren vertreten sämtliche der oben aufgelisteten
Ansichten, manche widersprechen ihnen sogar.
Sicher kommen Lehren wie der Mesmerismus oder die Radiästhesie
auch ohne einen solchen metaphysischen und ontologischen Überbau
aus - doch selbst sie wurden und werden im Schulterschluß der
Verbannung von anderen Disziplinen und Glaubensrichtungen
beeinflußt, manchmal sogar subsumiert und zu eben jenem
Synkretismus verschmolzen, der dem Religionswissenschaftler und
dem Theologen ebenso ein Greuel ist wie dem orthodoxen
Ideengeschichtler oder dem konventionellen Philosophen.
Wir werden allerdings noch sehen, daß gerade in dieser syn-
kretistischen, oft wahllos und intellektuell völlig unbedarft
anmutenden Verquickung unterschiedlichster, ja widersprüchlichster
Einzelelemente die eigentliche Überlebenskraft des Okkultismus
liegt - und daß sie überhaupt erst jenes Faszinosum ausmacht,
welches er zweifellos schon immer für so viele dargestellt hat.
Zum Abschluß noch ein Rückgriff in die Geschichte unseres
Themas. Der Begriff »Okkultismus« ist erst seit dem 19. Jh. gängig,
und vieles von dem, was wir heute mit ihm verbinden, erhielt erst in
dieser Zeit seine deutlichste Kontur. Was in früheren Epochen mal in
innigster Vereinigung, mal in unge-brückter Entfremdung
voneinander existierte, wurde erst vor gut hundert Jahren als
einheitliches Phänomen beschrieben. So ist es nicht
unproblematisch, beispielsweise antike Mysterienkulte oder
mittelalterliche Kabbalistik mit einer Bezeichnung zu belegen, die
erst sehr viel später üblich wurde. Ebensowenig würde man

21
schließlich einen altrömischen Aquäduktbauer als
»Tiefbauingenieur« bezeichnen. Doch um die ohnehin schon recht
komplizierte Materie nicht noch schwieriger zu machen, und um
dem Leser befremdende sprachliche Verrenkungen zu ersparen,
wollen wir hier bei diesem gängigen Terminus bleiben. So muß der
Hinweis genügen, daß wir es hier mit einem zwar sehr alten
Phänomen zu tun haben, daß dieses aber ein vergleichsweise junges
Etikett trägt.

22
»Als Schreiben noch Zauberei war«
Die Wiegen des Okkultismus

Wo soll man anfangen, will man den Hexenkessel und Schmelztiegel


antiker Geheimlehren, Bünde und Kulte auch nur einigermaßen
übersichtlich beschreiben? Man könnte dem Problem ausweichen,
indem man noch weiter zurückgreift, in die Steinzeit etwa oder bis
zum Cromagnon-Menschen - denn in allen Epochen finden wir
Hinweise auf magische Praktiken. Doch so plausibel diese auch sein
mögen, bleibt unsere Interpretation derselben doch weitgehend
Spekulation. Erst mit den frühen schriftlichen Zeugnissen
menschlicher Kultur können wir, profanhistorisch betrachtet,
begrenzt gültige Aussagen treffen. Und wenn er in seinen
Selbstdarstellungen auch noch so häufig die geheime Überlieferung
von Mund zu Ohr geltend machen mag - Grundlage jedes
Okkultismus im hier verwendeten Sinne war, ist und bleibt die
Schriftkultur.
Mit den ältesten Schriftzeugnissen magischer Weltsicht begegnen
wir zugleich einer frühen Hochkultur: Sumer. Das legendäre
Babylon dürfte schon die erste Blütezeit der Magie hervorgebracht
haben. Es gab auch andere, spätere: das Reich der Tolteken und der

23
Maya etwa, das alte China, und natürlich Ägypten, mit dem wir uns
noch eingehender befassen werden.
Und gewiß griffen auch schon die Magier Chaldäas auf ältere
Quellen zurück. Ihre Praktiken gründen auf dem urzeitlichen
Schamanismus, wie wir ihn vereinzelt noch heute bei sogenannten
Naturvölkern finden. Doch alles, was sich später im Abendland als
metaphysisch (also über die Physik und die physis, das Stoffliche
hinausgehend) orientierter Okkultismus entwickeln sollte, war im
wesentlichen bereits in der Kultur des Zweistromlands angelegt.
Dessen eingedenk, bezeichnete man die Astrologen und Zauberer im
Römischen Reich auch pauschal als »Chaldäer«. Ja der Begriff
»Magie« selbst wird vom medischen Volksstamm der »Magi«
Altiraniens hergeleitet, dem man unter anderem große Fähigkeiten
auf dem Gebiet der Sterndeutung nachsagte. Noch heute heißen die
drei »Weisen aus dem Morgenland« oder drei Könige aus der
Bethlehem-Legende im Englischen »the three Magi«.
An oberster Stelle magischer Praktiken stand im alten Sumer die
Mantik oder Zukunftsschau. Man las aus den Eingeweiden von
Opfertieren, wofür es sogar richtige »Deutungsatlanten«, natürlich
auf Tontafeln, gab. Auch der Lauf der Sterne gab Aufschluß über
künftige Zeiten. Zudem wurde das gesamte babylonische Leben von
der Tagesmantik bestimmt, wie wir ihr auch bei den Maya
wiederbegegnen: Das kultische Kalendarium, die Strukturierung der
Zeitdimension gibt Auskunft über die Qualität eines jeden Tages,
wird dieser doch von einem festgelegten Kanon von Gottheiten und
ihren Emanationen, Engeln wie Dämonen, beherrscht. Alle
Vorhaben und Unternehmungen werden diesen Tabellarien
unterworfen. Nur wenn ein Tag, eine Stunde Glück verheißt, verläßt
der Babylonier das Haus, tätigt er Geschäfte, tritt er eine Reise an.
Form und Konsistenz der Eingeweide geopferter Tiere, Lauf und
Aspektierung (Winkelbeziehungen) der Himmelskörper - all dies
läßt sich unter dem Oberbegriff »Omen« zusammenfassen. Omen
bleiben so lange unverständlich, bis sie richtig ausgedeutet werden.
Die Kunst der Omendeutung aber setzt erinnerte, gespeicherte
Erfahrung voraus. Diese war freilich einer kleinen Schicht von
Wissenden vorbehalten, die auch eifersüchtig darüber wachten, daß
ihre »Betriebsgeheimnisse« nicht profaniert wurden: den Priestern.
Es leuchtet ein, daß eine derart starre Schicksalsreglementierung an
den Erfordernissen des Alltags scheitern muß. Nicht immer ist es
möglich, günstige Stunden zu nutzen oder Unglück verheißende

24
Tage zu meiden. Als Gegengewicht dient der Kult und die
Talismantik - wiederum ein einträgliches Geschäft der Priesterschaft.
Amulette sollen widrige Einflüsse abwehren, Talismane dem Glück
auf die Sprünge helfen. Damit sie funktionieren, müssen sie nach
allen Regeln des Geisterreichs angefertigt und aufgeladen
(»geweiht«) werden. Es gibt eben »richtige« und »falsche«
Zauberformeln. Die richtigen verheißen Erfolg und bemächtigen den
Hilfesuchenden, die falschen dagegen bewirken Unheil, bestenfalls
bleiben sie nur wirkungslos.
So können wir schon in Chaldäa die Arbeitsteiligkeit der Zauberei
beobachten, und alle Funde und Indizien sprechen dafür, daß es
schon in vorgeschichtlicher Zeit nicht anders war: hier der
Eingeweihte oder Zauberer, dort der Hilfesuchende, sein »Kunde«.
Und wie sich jeder Berufsstand schon immer möglichst
unentbehrlich zu machen trachtete, so wird auch die Magie von
beiden Seiten mit dem Nimbus des Geheimnisvollen umgeben, vom
Ausübenden wie vom Gläubigen oder Klienten.
Wir haben es bei der Mantik mit dem sogenannten »Gesetz der
Entsprechungen« oder dem »Analogie-Zauber« zu tun: Die Welt
wird, wie im vorigen Kapitel bereits erörtert, im wesentlichen als
eine Einheit begriffen. Alles steht mit allem anderen in Verbindung
und Beziehung. Der Gang der Sterne läßt Aussagen über den Lauf
irdischer Geschehnisse zu, wie andererseits verdiente, heldenhafte
Menschen nach ihrem Ableben an den Sternenhimmel projiziert und
dergestalt verewigt werden. Die Welt ist geordnet - vielleicht auf
eine furchtbare, den Menschen völlig verohnmachtende Weise, aber
wenigstens ist diese erkennbar und damit letztlich doch beruhigend,
weil Orientierung bietend.
Der Magier als der Weise, der Wissende, der um das Wirken der
Mächte weiß und sich darauf versteht, sie dem Menschen gewogen
zu machen, um ihm bei der Bewältigung seines Lebens zu helfen -
das ist der Archetyp eines jeden Okkultisten. Er wird uns auf unserer
Reise durch die Geschichte immer wieder begegnen. Und selbst dort,
wo der zeremoniell arbeitende Magier sogar innerhalb des
Okkultismus abgelehnt und geächtet wird, bleibt sein Anliegen doch
präsent: der Willkür des Schicksals, der Götter oder Dämonen die
Stirn zu bieten.
Wer Magier in diesem Sinne sein oder werden will, muß lernen. Die
Welt mag zwar geordnet sein, doch entziehen sich ihre Strukturen
und Muster dem flüchtigen Blick des Profanen. Erst durch intensives

25
Studium ihrer Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge, durch
Forschung und Versuch kann er einen Zipfel der Wahrheit
erhäschen, um damit den alten Menschentraum von der Freiheit,
vom selbstbestimmten Leben durchzusetzen.
Ein Programm, wie es auch ein Aufklärer oder Humanist getrost
unterschreiben könnte. Die Ansichten über den Urgrund des Seins,
darüber, »was die Welt im Innersten zusammenhält«, wie es in
Goethes Magier-Drama Faust heißt, mögen weit auseinandergehen
oder sogar völlig unvereinbar sein - das Anliegen aber bleibt
dasselbe.
Es gab in der Religionswissenschaft und Theologie lange Zeit die
Tendenz, die Magie als Afterglaube, also als eine De-
kadenzerscheinung der Hochreligion zu begreifen. Und es gibt sie
noch immer. Weil sie nicht wohlgelitten ist, weil man sie nicht ernst
nimmt und weil man in der Magie seit der Machtergreifung des
wissenschaftlichen Rationalismus nichts anderes mehr zu sehen
vermag als eine Entgleisung der kognitiven Fähigkeiten des
Menschen, zelebriert man ungeniert seine Vorurteile bis in die
fachwissenschaftliche Literatur hinein.
Der über das Thema des Magischen reflektierende Okkultist ist
freilich gegenteiliger Auffassung. Für ihn stellt sich die in-
stitutionalisierte Religion vielmehr als der Versuch dar, die Magie zu
monopolisieren, um sie allein der herrschenden Klasse oder
Oberschicht dienstbar zu machen. Kennen nicht alle Religionen ihre
magischen Handlungen? Nehmen wir nur einmal das Beispiel des
Christentums: Stellen die Sakramente etwa keine magischen
Wirkkräfte und Handlungen dar? Ist es nicht nekromantisch, einen
Toten zu beschwören, und sei er auch ein Gott? Und was ist mit der
Transsubstantiation, der mystischen Verwandlung von Brot in
Fleisch, von Wein in Blut, wie sie die christlichen Priester täglich
praktizieren? Ist die Umwandlung von einer Substanz in eine andere
denn wirklich etwas anderes als ein Akt der Zauberei?
Gewiß, die Kirchen sehen das völlig anders. Für sie sind die
Sakramente, um bei unserem Beispiel zu bleiben, nicht das Werk
eines zauberkundigen Menschen, sondern ein Gnadenakt der
Gottheit. Allerdings endet diese Debatte meist ziemlich fruchtlos:
Unterm Strich steht dann nämlich die Aussage, daß es Wunder gibt,
die naturgemäß von Gott stammen, während Zauberei zwangsläufig
vom Teufel bewirkt wird. Eine ähnliche Dichotomie finden wir
übrigens im Okkultismus selbst, wo seit Hunderten von Jahren das

26
Problem der Unterscheidung zwischen »weißer« und »schwarzer«
Magie Gegenstand erregter Debatten ist. Die Scholastik unterschied,
auf griechische Vorbilder zurückgreifend, zwischen »Theurgie« und
»Naturmagie« (magia naturalis). Bei ersterer handelte es sich um die
Kunst, die Gottheit zum wundertätigen Eingriff ins weltliche
Geschehen zu bewegen, was allerdings erst in christlicher Zeit durch
ein gottwohlgefälliges Leben im Einklang mit den postulierten
göttlichen Gesetzen geschehen sollte. Demut, Askese und Gebet
waren und sind seitdem die Techniken des Theurgen oder
Thaumaturgen (»Wunderkundigen«).
In der Antike dagegen verstand man unter theourgia die Kunst, die
Götter zu zwingen, sei es durch Opfer oder durch Drohungen, wobei
auch die Auspeitschung von Gottesstatuen und die Steinigung von
Tempeln vorkamen, wenn die Gottheiten nicht hielten, was man sich
von ihnen versprochen hatte. Die von seiten der Kirche eher schlecht
als recht gelittene Naturmagie befaßte sich dagegen mit der
Erforschung und Nutzung wenig bekannter oder noch nicht
entdeckter Naturgesetze zu magischen Zwecken. Sie wird heute
gemeinhin als Vorläuferin der Naturwissenschaft verstanden. Auch
die Alchemie als Urform der Chemie zählt dazu.
Bevor man sich in ahistorischem Staunen darüber ergeht, wie sich
eine aus heutiger Sicht so absurde Weltanschauung wie die Zauberei
über Jahrtausende bis in unsere Zeit hinüberretten konnte, sollte man

27
sich der Tatsache gewahr sein, daß vermutlich schon der urzeitliche
Schamane in seinem Stammesverband eine ganze Reihe
unterschiedlichster sozialer Funktionen wahrzunehmen hatte: Er war
als Jagdzauberer für die Nahrungsbeschaffung ebenso zuständig, wie
er als Richter und Schlichter über Verteilungsfragen entschied; er
war der Seelsorger, der die Sterbenden ins Totenreich begleitete, der
Schaden vom Stamm abwendete und ihm bei kriegerischen
Auseinandersetzungen zum Sieg verhelfen mußte. Er war das
Gedächtnis der Sippe, hütete er doch das Wissen um ihre Herkunft,
den Weisheitsschatz der Vorfahren, gekleidet in Mythen und Lieder.
Vor allem aber war er auch Heiler - und auf diese enge Verknüpfung
zwischen Magie und Heilkunde werden wir immer wieder
zurückkommen müssen. Sie stellt sicherlich nicht den einzigen, aber
doch einen der wichtigsten Schlüssel zum genaueren Verständnis des
Faszinosums Zauberei dar.
Das neuhochdeutsche Wort »Hexe« leitet sich vom althochdeutschen
hagazussa, »Zaunreiterin« ab. Gemeint war damit der Zaun, das
Gehege zwischen der Welt des Menschen und jener der Geister, in
denen die Hagazussa gleichermaßen zu Hause war. Der Schamane
oder Zauberer, die Hexe oder Zauberin als Grenzgänger - der
Aufenthalt in der Dunkelzone zwischen den Welten oder
Wirklichkeiten und die Fähigkeit zum (schadlosen!) Grenzübertritt
haben wohl schon immer im Vordergrund der magischen Weltsicht
gestanden.

Ägypten
Das Wort Alchemie ist arabischen Ursprungs und bedeutet von
seiner sprachgeschichtlichen Ableitung her (zumindest nach einer
der gängigsten Deutungen) schlicht »Ägypten«: al khem - wobei
»khem« oder »schwarze Erde« der Name war, mit dem die Ägypter
ihr eigenes Land bezeichneten. Die Alchemie ist also Ȁgypter-
Kunst«. (Einer anderen Interpretation zufolge soll sich das Wort
allerdings vom griechischen chemeia, der »Lehre vom Feuchten«,
ableiten.)
Schon im Alten Testament wird die Zauberkunst der Ägypter zu
einem Handlungselement gemacht. Man denke dabei nur etwa an
den Zauberwettstreit zwischen Moses und Aaron und den
Hofzauberern des Pharao, in dessen Zuge die sieben Plagen über

28
Ägypten kamen. Die ganze ägyptische Kultur beruhte über
Jahrtausende auf angewandter Magie: Zahllose Papyri bieten diverse
Zauberrezepturen an, Anleitungen zur Beschwörung, ja sogar
Bezwingung der Götter, zur Abwendung von Unheil, Liebeszauber,
Schadenzauber, Schutzzauber - das gesamte Spektrum magischer
Tätigkeiten findet sich hier wieder.
Die Tatsache, daß die ägyptische Zivilisation in einem einmaligen
Ausmaß auf das Jenseits und das Leben nach dem Tode ausgerichtet
war, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß der rein diesseitigen
Erfolgsmagie im ägyptischen Alltag ein hoher Stellenwert zukam.
Nicht die rein kultisch abstrahierten Grabbeilagen, sondern
Amulette, Talismane, Fetische und Zaubergegenstände aller Art
gehören zu den häufigsten archäologischen Funden. So wie die
Jenseitsvorstellungen aller Religionen stets die Erfahrungen des
Diesseits reflektieren und diese überhöhen, stellte auch die Nachwelt
der Ägypter die Verlängerung des irdischen Daseins dar.
»In jedem Glied meines Körpers wohnt eine Gottheit«, heißt es im
altägyptischen Buch des Heraustretens bei Tage, das man
fälschlicherweise auch das »Ägyptische Totenbuch« nennt. Der
Mensch ist beseelt, und er muß um das Heil seiner Seele besorgt
sein, denn die Welt ist ihr feindlich gesinnt, deshalb bedarf er des
Schutzes der Götter.
In Ägypten finden wir auch schon eine recht deutliche Trennung
zwischen Tempel- und Volksmagie. Die Dienste der Priester waren
teuer, für die meisten »kleinen Leute« sogar völlig unerschwinglich.
Das Klischee vom Alten Ägypten als einer Kultur, in der alle und
jedermann sich einbalsamieren und auf aufwendigste Weise
bestatten ließen, ist eine Verzerrung: Für die Mehrheit des
ägyptischen Volks gab es keinerlei Aussicht auf Teilhaberschaft an
diesem »Jenseitsluxus«, er blieb allein den Reichen und Mächtigen
vorbehalten. Wer sich im Diesseits nicht die soziale Leiter
hinaufarbeiten konnte, dem blieb auch der Zutritt ins Jenseits und
damit das ewige Leben verwehrt. Nicht etwa prinzipiell, sondern aus
rein praktischen Gründen (was natürlich auf dasselbe hinauslief),
weil er sich die dazu zwingend erforderlichen, aufwendigen Riten
und magisch-kultischen Dienste der Priesterschaft und ihrer
»Bestattungsindustrie« nicht leisten konnte.
Dennoch wollte das einfache Volk nicht auf die Zauberei verzichten,
und so gab es wie schon in Sumer vor den Tempelmauern - also aus
Sicht der herrschenden Schicht: im gesellschaftlichen Abseits -

29
ganze Heerscharen von »Volkszauberern«, die gewissermaßen zu
»Discountpreisen« die gleichen oder wenigstens ähnliche
Dienstleistungen anboten wie die Tempel.
»Wenigstens ähnliche«: Ganz so einfach war das nicht, denn zum
vollen Verständnis der ägyptischen Magie mußte man schriftkundig
sein. Wer aber des Lesens und Schreibens mächtig war, hatte damit
bereits eine wesentliche Hürde auf dem Weg des gesellschaftlichen
Aufstiegs genommen und zog es vor, nur noch unter seinesgleichen
zu verkehren. Geachtet wurde er allemal, denn die Beherrschung der
Schrift war an sich bereits eine magische
Fertigkeit. Wir wollen dies hier ein wenig
erläutern, da es ein Schlaglicht auf das Ver-
hältnis des späteren Okkultismus sowohl zur
ägyptischen Kultur als auch zum
geschriebenen Wort wirft.
Die altägyptische Schriftsprache zielte nie
auf Allgemeinverständlichkeit ab. Ihre
Entzifferung stellt noch heute selbst den
kenntnisreichsten Forscher immer wieder
vor schier unüberwindbare Hindernisse, weil
sie von einmaliger Komplexität und nicht
selten ebensolcher Mehrdeutigkeit ist. Um
beispielhaft nur einen Aspekt von vielen
herauszugreifen: Die Reihenfolge der
Hieroglyphen, mit denen ein sinninhaltlicher
Abschnitt (nennen wir ihn ruhig einen
»Satz«) transportiert wird, ist in der Regel
fast völlig beliebig. Die Zeichen werden eher
nach ästhetischen als nach inhaltlichen
Kriterien aneinandergereiht. Eine strenge
Folge von Subjekt, Prädikat, Objekt, wie wir
sie heute gewöhnt sind, kennt die ägyptische
Schriftsprache nicht. Berücksichtigen wir nun auch noch die Tatsa-
che, daß vieles absichtlich verschleiert, hinter Andeutungen versteckt
oder nur unvollständig ausformuliert wurde, so treten die
Schwierigkeiten ihrer Bemeisterung etwas deutlicher zutage.
Ein Charakteristikum der Volksmagie aller Epochen ist ihr hoher
Anteil an Verballhornungen religiöser oder auch »hochmagischer«
Formeln und Bräuche. Ein relativ junges Beispiel ist der Begriff
»Hokuspokus«, der aus der sakramentalen

30
Transsubstantiationsformel der lateinischen Liturgie übernommen
und verfremdet wurde: hoc est corpus, »dies ist (mein) Leib«. Die
Volkskunde hat diese Zusammenhänge schon zur Genüge erforscht,
doch dürfte weniger bekannt sein, daß es dieses Phänomen bereits in
der ägyptischen Kultur gab. Ganz ähnliche Entwicklungen finden
wir in den magischen Kulten des afro-karibischen und -
amerikanischen Raums, so etwa im Voudoun Haitis, der nicht nur
Elemente des katholischen Heiligenkults
aufgegriffen sondern sich teilweise auch aus
altfranzösischen Zauberbüchern bedient und
das verwendete Material »afrikanisiert« hat.
Weitere Beispiele finden wir auch in den
mittelalterlichen Dämonarien, in denen
kirchenlateinische Ausdrücke eine recht
seltsam anmutende Vermischung mit
hebräischen und anderen Begriffen
erfahren.
Es versteht sich von selbst, daß die
Verquickung heterogener Elemente stets auf
Kosten ihrer »Reinheit« geht. Dies ist einer
der häufigsten Kritikpunkte, die gegen den
Okkultismus vorgebracht werden. Uns soll
hier jedoch in erster Linie die Anleihe
interessieren, die die Volksmagie an dem
tätigt, was man auch als
»Bibliotheksmagie« bezeichnen könnte. In
begrenztem Umfang mag auf den
Volkszauber zutreffen, was
Religionswissenschaft und Volkskunde so
gern an »Afterreligion« und Aberglaube
bemäkeln. Sicher wäre es aber grundfalsch,
mit solchen Aussagen pauschal die Magie in
ihrer Gesamtheit zu bezeichnen.
Das deutsche Wort »Zauber« soll sich nach Auskunft der
Etymologie von »Zinnober« ableiten. Das wirkt auf den ersten Blick
unverständlich. Führt man sich jedoch vor Augen, daß die Runen,
die ja vor allen Dingen Zauberzeichen und erst in zweiter Linie ein
Mittel der Schriftkommunikation waren, in altgermanischer Zeit
meist mit dem Naturfarbstoff Zinnober ge- und bemalt wurden, wird
der Zusammenhang deutlicher. Die heute noch in großer Zahl

31
erhaltenen Runensteine der nordischen Kulturen lassen dies in ihrem
meist völlig verwitterten Zustand nur erahnen, doch gibt es auch
einige besser erhaltene Fundstücke, deren geritzte Runeninschriften
noch Reste dieser Zinnoberfärbung aufweisen.
Noch heute sprechen wir von »Zinnober«, wenn wir »faulen Zauber«
meinen - also »Betrug«, noch viel mehr aber »Unsinn« oder
»Quatsch«. Reduzieren wir dies einmal auf seine Urfunktion, bleibt
letztlich »Unverständlichkeit« übrig, denn »unsinnig« ist schließlich
nur, was keinen Sinn ergibt oder eben unverständlich bleibt. Es gibt
praktizierende Magier, die heute ohne jede Ironie die Auffassung
vertreten, daß dies eigentlich die präziseste Definition der Zauberei
sei, weil sie nämlich deutlich mache, daß die Magie für den
nichtzauberischen, »uneingeweihten« Menschen nicht
nachvollziehbar ist. Schon hier begegnen wir also dem Anspruch des
Okkultisten, sich mit verborgenen Dingen auszukennen, die der
Allgemeinheit unzugänglich bleiben.
Wie bei allen Berufsständen gab und gibt es auch unter Magiern
Rivalitäten, Eifersüchteleien und Sabotageakte. Und es gibt eine
Hackordnung: Wer auf einer höheren Sprosse der sozialen Rangleiter
steht, schaut meist auf die Kollegen unter sich herab. Ähnlich dürfte
es sich im Alten Ägypten verhalten haben. Die Konkurrenz der
»Barfußapostel« vor den Tempeltoren blieb zwar geduldet, wurde
aber von der betuchteren, weil mit den Herrschenden im Bunde
stehenden Priesterschaft mit Argwohn beobachtet.
Diesen Nebenbuhlern um die Gunst der zauberverliebten Ägypter
blieb wenig anderes übrig, als sich an die Quellen aller Volksmagie
zu halten: die mündliche Überlieferung ihrer Familien, der
Volkserzählungen und -mythen. Sie wurden mit Elementen der
öffentlich zugänglichen Riten vermischt - wohl auch, weil das
weniger bemittelte Publikum dergleichen verlangte, um quasi durch
die Hintertür doch noch an der Macht der organisierten Magie der
Tempel teilzuhaben.
Das Problem der Imitation von für »echt« erachteten, weil allgemein
sanktionierten Zauber durch Dilettanten und Scharlatane stellte sich
für die etablierten Vertreter der schwarzen Kunst nicht nur in
Ägypten: Auch die nordische Kultur kannte ihre verballhornten
Runenzauber, bei denen Unkundige ihr mangelndes Wissen
kurzerhand durch Phantasiezeichen kompensierten und eifrig
versuchten, wenigstens den äußeren Anschein einer Echtheit
herzustellen.

32
Sehr viel später wird der Okkultismus diese Dichotomie in eine
nunmehr seit Jahrhunderten stattfindende Diskussion über »Hohe«
und »Niedere« Magie überführen. Ein in der neohermetischen
Tradition stehender Magieautor wie Franz Bardon unterscheidet
säuberlich zwischen »Magiern« und »Zauberern«. Letztere seien
vielleicht dazu in der Lage, das eine oder andere Phänomen
hervorzubringen, wüßten aber nicht um die wahren Zusammenhänge
ihres Tuns. Nur der mit dem Göttlichen verbundene Magier, der
echte Adept nämlich, kenne sämtliche Gesetze der Schöpfung.
Ähnlich wird der Schadenzauber (»Schwarze Magie«) von seinen
Gegnern gern mit »Unwissenheit« gleichgesetzt. Seitdem die
Theosophie in der zweiten Hälfte des 19. Jh. den indischen Karma-
Begriff im Westen popularisierte, ist davon die Rede, daß Schwarze
Magie stets auf ihren Verursacher zurückfiele, daß dem
Unwissenden dies aber nicht klar sei. Dagegen wisse der »wahre«
oder erleuchtete Magier um die karmischen Folgen seines Tuns und
hüte sich vor einer derartigen Gefährdung seines Seelenheils. Wer
klug ist, tut nur Gutes - eine Maxime wie aus dem Katechismus einer
christlichen Großkirche, und unendlich weit entfernt von jenem
Angriff auf die Macht, wie er sich im Luzifer-Mythos einst
darstellte. Aber der Okkultismus versuchte ja oft genug, dem
äußeren gesellschaftlichen Druck durch Anpassung und
Willfährigkeit auszuweichen, wofür gerade die Theosophie beredtes
Zeugnis ablegt.
So nimmt es denn auch kaum wunder, daß kein geringerer als der
irische Dichter, Dramatiker und spätere Literaturnobelpreisträger
William Butler Yeats Ende des 19. Jh. wegen »magischer Umtriebe«
aus der Theosophisehen Gesellschaft relegiert wurde. Doch davon
später mehr.
Danach befragt, wie es um die Möglichkeit einer Zusammenarbeit
mit anderen Zauberern stehe, antwortete vor einigen Jahren ein
damals in Deutschland lebender afrikanischer »Fetischpriester«
(Eigenbezeichnung) dem Verfasser: »Wir haben in Afrika ein
Sprichwort dazu: Medizinmann ist zwei geworden -einer hat Angst.«
Ein völkerübergreifendes Problem also: die Rivalität zwischen um
die Macht ringenden Zauberern und Hexen.
Oft wurde und wird dieser Kampf auch auf dem Gebiet der
Dogmatik ausgetragen. Sektierertum, Richtungs- und Flügelkämpfe,
Denunziation und Verleumdung - von alledem hatte der Okkultismus
schon immer reichlich zu bieten. Noch in den 80er Jahren unseres

33
Jahrhunderts hetzte ein im Hexenkult als Standardautoren bis heute
sehr bekanntes und geachtetes englisches Paar einem in einer kleinen
walisischen Dorfgemeinde lebenden anderen Hexenpärchen die
Skandalpresse auf den Hals, »weil sie sich schwarzmagischer
Praktiken schuldig gemacht« hätten. Als die aufgebrachte
Dorfbevölkerung handgreiflich wurde und die Opfer dieser
Denunziation um das Leben ihres Kindes fürchten mußten, verließen
sie Hals über Kopf den Ort und suchten Zuflucht in der Anonymität
der Großstadt. Fazit: Wer braucht bei solch lieben Kollegen eigent-
lich noch eine Heilige Inquisition? Derlei ist keine Seltenheit, auch
wenn die Öffentlichkeit so gut wie nie davon erfährt.
Schon in den Mythen finden wir immer wieder das Thema des
Zauberkriegs, wie das bereits erwähnte Beispiel des hebräischen
Magiers Moses zeigt. Auch in dieser Hinsicht fungierte Ägypten als
Prototyp. Hier, wo es durchaus üblich war, daß ein Pharao den
Statuen und Bilddarstellungen seiner Vorgänger Nasen, Gesichter, ja
ganze Köpfe abschlagen und die Namenskartuschen aus
Tempelinschriften ausmeißeln ließen, um sie dergestalt zu
entmachten und ihnen das ewige Leben zu verwehren, war derlei
gewissermaßen an der Tagesordnung. Und die große Zahl von
Scheingräbern, die vor allem die Funktion hatten, Grabräuber in die
Irre zu führen, zeigt, daß man es mit der Ehrfurcht gegen die
begüterten Toten nicht allzu genau nahm - wohl aber neben ihren
weltlichen Schätzen auch die dem Leichnam beigegebenen
Zaubergegenstände begehrte, die schließlich von »echten«

34
Priestermagiern nach korrektem Ritus geweiht und somit bemächtigt
worden waren.
So gut wie alles, was später zum Standardzubehör - und zu den
Tätigkeitsmerkmalen - der abendländischen Magier zählen sollte,
findet sich bereits in der altägyptischen Kultur: Zauberringe,
Amulette, Talismane, Effigien, Zauberpuppen, magische Dolche,
Kelche, Gewänder, Zauberbücher, und vieles, vieles mehr.
Die ägyptische Astrologie stellt vor allem auf die stundengenaue
Ordnung der Zeitdimension ab. Darin ähnelt sie der sumerischen
Sternkunde, in der sie wohl wurzelt. Von den am Sirius orientierten
astronomischen Vorausberechnungen der Nilüberschwemmungen
abgesehen, befaßt sie sich in erster Linie mit der Tagesmantik. Jeder
Tag untersteht einer bestimmten Gottheit, ebenso jede Stunde, und
wenn in der heutigen Astrologie immer noch gelegentlich von
»Dekanaten« die Rede ist, so handelt es sich dabei um ein Echo aus
dieser fernen Zeit. Die 30 Grade eines jeden Zodiakzeichens wurden
in drei gleiche Abschnitte zu je zehn Grad (= Dekade) unterteilt, die
man wiederum jeweils einer Gottheit zuordnete. Erst im
hellenisierten Ägypten der Ptolemäerzeit jedoch interessiert man sich
verstärkt für die Bewegung der Planeten und ihre Ausdeutung. Der
berühmte Tierkreis von Dendera, dessen Replik zu bewundern noch
heute zum Pflichtprogramm eines jeden Ägyptenreisenden gehört, ist
ebenso wie der stark synkretistisch geprägte Tempel von Edfu ein
Produkt des Neuen Reichs.
Die ägyptische Heilkunst genoß in der Antike einen hervorragenden
Ruf. Zu Recht, weiß man doch, daß man hier schon vor 3000 Jahren
komplizierte Gehirnoperationen durchführte; und auf dem Gebiet der
Kräuterkunde konnte es keine antike Kultur der ägyptischen
gleichtun. Die Ägypter brauten Bier, bauten Wein an, betrieben
ausgedehnte Vorratswirtschaft, entwickelten ausgeklügelte
Bewässerungssysteme, sie kannten die Wasseruhr, stellten mit den
Pyramiden von Gizeh und dem Leuchtturm Pharos vor Alexandria
zwei der sieben Weltwunder - und besaßen eine starke Streitmacht,
deren Durchschlagkraft weit und breit gefürchtet war.
Eroberungszüge bis an die Südostküste Afrikas brachten reiche
Beute, und mit jeder gewonnenen Schlacht mehrte sich die Schar der
Sklaven. Die ägyptische Architektur gilt bis heute als unübertroffen.
Die herrschende Schicht lebte zu Blütezeiten in einem für die da-
maligen Verhältnisse schier unvorstellbaren Luxus. Im Pto-
lemäerreich entwickelte sich Alexandria zu einer Metropole der

35
Gelehrsamkeit, weltberühmt war seine Bibliothek - und was bis
dahin an Okkultem noch nicht in den Tempeln entwickelt und
vervollkommnet worden war, wurde nun hier erschaffen oder
verfeinert.
Das Faszinosum der Mumifizierung bewegte die zeitgenössischen
Gemüter ebenso wie jene des christlichen Mittelalters und der
Renaissance. Mumienfleisch galt als medizinisches Wundermittel
und wurde schon bald zum Synonym der Zauberei schlechthin. Als
mumia bezeichnen noch ein Bardon und ein Gregor A. Gregorius
(letzterer bis zu seinem Tod in den 60er Jahren) das magische
Fluidum, dessen es zur Ladung eines Amuletts oder Talismans
bedarf.
Der Ägyptizismus des 17. und 18. Jh. sollte in Europa auch seine
okkulten Blüten treiben. Gebannt von der mysteriösen Ausstrahlung
der damals noch unentzifferten Hieroglyphen, ließ ein Athanasius
Kircher neben mancher ernstzunehmenden frühwissenschaftlichen
Leistung nur zu gern seiner Phantasie die Zügel fahren, spekulierte
und schwadronierte drauflos, was das Zeug hielt - sehr zum
Wohlgefallen seiner Zeitgenossen, die es ihm aufs Großzügigste
dankten. Ein Court de Gebelin tat es ihm gleich, behauptete er doch
in seinem Werk Monde primitif (1781), daß sich das symbolische
Tempelwissen der ägyptischen Priestermagier ausgerechnet in jenen
sicher nicht völlig unscheinbaren, aber bis dahin doch als höchst
profan angesehenen Karten des Tarockspiels verberge - ein Thema,
das 100 Jahre später von Eliphas Lévi, dem Vater der bis heute an-
haltenden Renaissance des Okkulten, wieder aufgegriffen und
weitergetrieben werden sollte.
Aber auch die griechische Antike bewunderte schon die ägyptische
Kultur. Fast jeder Philosoph, der etwas auf sich hielt, bereiste diese
Wiege aller Zauberei - oder gab zumindest vor, es getan zu haben.
Später, in der Ptolemäerzeit des Neuen Reichs, wurden diese Bande
noch verstärkt. Alexandria trug schließlich nicht nur den Namen des
makedonischen Herrschers, es beherbergte auch eine der größten
griechischen Kolonien außerhalb von Hellas. Es war die Geburts-, ja
die Brutstätte der Gnosis, mit der wir uns im nächsten Kapitel noch
eingehender befassen werden. Hier wurden der Mythos und die
Verheißung der »Hermetischen Tradition« geschmiedet, an der sich
zahllose Okkultisten in aller Welt bis heute orientieren.
Bei der Lehre des mythischen Hermes Trismegistos handelt es sich
um einen riesigen Kanon von Schriften unterschiedlichster

36
Provenienz, die man zusammenfassend als Corpus Herme-ticum
bezeichnet. Heute werden sie nur noch selten in Gänze gelesen, auch
sind sie nicht so ohne weiteres auf dem Büchermarkt zu beschaffen.
Und doch gibt es kaum ein esoterisches Gedankengebäude, das nicht
wenigstens Spuren dieser »Tradition« trüge - auch wenn diese
Tradition selbst keineswegs so homogen und schon gar nicht so
ungebrochen und kontinuierlich ist, wie es manche ihrer Anhänger
immer wieder zu behaupten wagten.
Der »Dreimalgroße« Hermes war ursprünglich eine ägyptische
Göttergestalt: der ibisköpfige Thot (Tehuti). Im Alten Reich noch ein
Mondgott, wurde er später dem Hermes-Merkur gleichgesetzt. Er
war der Erfinder der Zeitrechnung und der Schrift, Schutzpatron aller
Weisen und Gelehrten, der Meister der Heilkunde - und natürlich
auch der Zauberei. Der englische Magier Aleister Crowley, von dem
später die Rede sein wird, bezeichnete den heute wieder so beliebten
Tarot in seiner gleichnamigen Studie als »Buch Thot« (engl. auch
Thoth geschrieben) und ägyptisierte die französischen Trumpfkarten
atouts zu »Atu«.
Die im 17. Jh. entstehende Freimaurerei führt ihren Entste-
hungsmythos bis ins Alte Ägypten zurück, was auch schon in den
kurz vor ihrer Gründung erschienenen Rosenkreuzerschrif-ten
thematisiert wurde. Cagliostro, der Graf von St. Germain und auch
ein Casanova griffen immer wieder auf ägyptische Themen zurück
und schmückten sich dadurch mit dem Nimbus des Geheimnisvollen,
den schon das bloße Wort »Ägypten« heraufbeschwor.
Ägypten war auch das Traumland der jungen Theosophie:
Blavatskys bahnbrechendes Werk Die entschleierte Isis entsprach
noch ganz dem ägyptizistischen Zeitgeschmack. Später wandte sich
die Theosophie Indien zu, wo sie schließlich auch ihr endgültiges
geografisches und geistiges Domizil aufschlagen sollte.
So stellt Ägypten gleichzeitig ein Bindeglied zwischen Ver-
gangenheit und Zukunft dar. Das hohe Alter der ägyptischen Kultur
mit ihren imposanten Zeugnissen verwies in eine graue Vorzeit
zurück, in der man - getreu den Mythen vom Paradies und vom
Goldenen Zeitalter - den Urgrund aller Weisheit und Macht
vermutete. Hier wurden aber auch die Weichen gestellt, die den Weg
der westlich-abendländischen Hermetik, der Alchemie, der
Astrologie, der Magie der Gnosis und der Mystik, bis in dieGegen-

37
wart vorgeben sollten.
Bevor wir uns jedoch ihrer
Weiterentwicklung zuwenden,
wollen wir einen kleinen
Abstecher in den Osten machen
und uns mit einer anderen, an
Geheimnissen nicht minder
reichen Kultur befassen - Indien.

Indien
Der Einfluß Indiens auf den abendländischen Okkultismus ist
mittelbarer als der ägyptische. Zwar gab es schon in der Antike
Kontakte zur indischen Geisteswelt, und es wird allgemein an-
genommen, daß sich die Ansätze einer westlichen
Reinkarnationslehre, wie sie sich etwa bei Plato und anderen
Philosophen der griechischen Antike findet, weniger aus ägyptischen
denn aus indischen Quellen speisen.
Tatsächlich kannten die Ägypter nämlich gar keine ausgeprägte
Reinkarnationslehre, wie wir sie heute verstehen. Ihre Vorstellung
vom Leben nach dem Tode weist viel größere Ähnlichkeit mit der
christlichen als mit der asiatischen auf. Doch das sollte spätere
Okkultisten nicht daran hindern, frohgemut immer wieder das
Gegenteil zu glauben und zu verkünden. Die Katharer und
Albigenser des 15. Jh. vertraten eine Rein-karnationslehre und einen
Reinheitskult, der an indische Quellen gemahnt. Aber wenn ihre
Weltverachtung auch viele Forscher an asiatische Askesevorstel-

38
lungen erinnerte, waren sie doch eher
der spätantiken Gnosis als einem
indischen Einfluß verpflichtet.
Greifbarer wird Indiens Beitrag erst im
19. Jh., nachdem die Theosophie sich
mehr und mehr von den ägyptischen
Mysterien abwandte und sich verstärkt dem indischen Kulturraum
widmete. Ab nun läßt sich von einer breit angelegten
»Veröstlichung« des abendländischen Okkultismus sprechen, die
seitdem ungebrochen vorhält. Ob es die Lehre vom Karma oder der
Reinkarnation ist, von den tattwischen Zeitqualitäten oder von der
entwicklungsfördernden Wirkung der Meditation - all dies sickerte
aus Indien durch den Filter der Theosophie in die westliche Kultur
ein, um sich dort schon bald seinen Stammplatz zu sichern. Da sich
ein Großteil des heutigen Okkultismus nur anhand einer eingehenden
Beschäftigung mit dem von der indischen Geisteswelt
durchdrungenen Synkretismus des späten 19. Jh. plausibel erklären
läßt, werden wir uns in den Kapiteln über Mme. Blavatsky und über
Okkultismus und Dekadenz noch ausführlicher damit befassen und
es an dieser Stelle vorläufig damit bewenden lassen. So wollen wir
uns jetzt in einer Art »Schnelldurchgang« in der griechischen und
römischen Antike umsehen, wo der heutige Okkultismus ebenfalls
eine Vielzahl seiner Quellen findet.

Zauber Griechenlands und Roms


Griechenland war reich an eigenen Kulten und Mysterien, doch als
handeltreibendes Seefahrervolk gerieten die Griechen darüber hinaus
schon früh in Berührung mit anderen Kulturen.

39
Auch wenn sie deren Vertreter als »Barbaren« zu bezeichnen
pflegten (was ursprünglich nur »nicht griechisch sprechende
Fremde« meinte), konnten sie sich den Einflüssen vornehmlich des
Vorderen Orients auf Dauer nicht entziehen.
Das hochentwickelte Interesse griechischer Philosophen an
Systematik und Struktur führte dazu, daß vieles von dem, was heute
in okkulten Kreisen völlig klar als »gesichertes Gesetz« der
Schöpfung gilt, griechischen Quellen entspringt. Dazu gehörte
beispielsweise das bereits erwähnte
»Sympathiegesetz« von der
kosmischen Entsprechung aller
Dinge, das in ausformulierter Fassung
vom stoischen Philosophen
Poseidonios von Apamea stammt.
Platons Seelen- und Ideenlehre bildete
die Grundlage für den späteren
Neuplatonismus mit seinen magisch-
kosmogonischen Spekulationen,
Empedokles steuerte seine Lehre von
den Elementen bei.
In Hellas sprach man im
Zusammenhang mit der Magie von
dynamis, »Macht«, von charis,
»Begnadung«, und von arete,
»Leistung«, was soviel wie magische
Wirkkraft meinte. Doch hatte man
noch eine Vielzahl weiterer Begriffe zur Verfügung, um die Zauberei
und ihre Techniken, Disziplinen und Effekte zu beschreiben. Das gilt
ebenso für das spätere Rom, das außer griechischen Elementen auch
noch eigenes Gedankengut einbrachte. Die folgende Liste soll nicht
nur aus sprachgeschichtlichem Interesse wiedergegeben werden,
sondern weil sie einen Einblick in die Vielseitigkeit magischen Tuns
bietet. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, deckt aber
durchaus die gängigsten Begriffe der Antike ab.

griechisch
ara: Verfluchung
arete: (magische) Leistung, Kraft
augoeides: Schutzgeist/-engel
baskania: Schadenzauber aus Eifersucht oder Neid

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charis: Begnadung (magische Dinge zu tun)
daimon: Schutzgeist
daimonion: innere Stimme, Schutzgeist, Wesenskern
goes (pl. goetes): Magier (meist Schmäh wort)
goeteia: niedere Magie, Hokuspokus
dynamis'. Macht (// polynes. mana)
epelysia: etwas, das einem zustößt (= Umschreibung des
Schrecklichen)
epode: Bezauberung durch Singen katadesis: Bindung kakotechnia:
böse Kunst mageia: was die Magier (magoi) tun magos (pl. magoi):
Magier manganeia: Zauberei peiourgia: eigtl. Neugier (gewisse
Dinge sollten besser nicht
erforscht werden); Magie techne: Kunst, Fertigkeit (verw. m.
dynamis) theourgia: höhere Magie; Beeinflussung der Götter (aus:
theos, Gott, und ergon, Werk, Wirkung) pharmakeia: Kunst,
nützliche oder schädliche Drogen
zuzubereiten
*
lateinisch
ars: Kunst (manchmal m. Zusatz nefanda = schlimm; entspr. gr.
techne)
cantio, incantatio, incantamentum: Bezauberung durch Singen
(entspr. gr. epode)
carmen: Gedicht/Zauberformel
carmen malum: böses Gedicht
carmen famosum: rufschädigendes Gedicht
curiositas: Neugier (entspr. gr. periourgia)
defixio: Festnagelung (Eintreiben von Nägeln in Zauberpuppen;
verw. m. gr. katadesis)
devotio: Weihung (Opferung an d. Mächte d. Unterwelt)
dirae: Verwünschung
fascinatio: Bezauberung (z. B. durch bösen Blick)
genius: (Schutz-)Geist, Eingebung
imprecatio: Verwünschung
incantare: besingen, bezaubern
magia, maleficium: Übeltat
potestas: Macht (entspr. gr. dynamis)
sagus, saga: Hexer, Zauberin
scientia, effax scientia: Wissenschaft; »Wissen, das wirkt« (Horaz)
excantare (fruges): Besingen/Verzaubern (der Feldfrüchte)

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(Schadenzauber)
occentare: Abfassen oder -singen eines bösen Gedichts/ Lieds (vgl.
carmen)
sortilegium: urspr. Kunst, ein Losorakel
zu deuten; später: Zauberei allgemein
veneficium: Kunst, Gifte oder Drogen
herzustellen

Weltberühmtheit erlangte das griechische


Orakel zu Delphi, über das Heraklit um
500 v. d. Z. sagte: »Das delphische Orakel
spricht nicht frei heraus, aber es verbirgt
auch nichts: Es deutet an.« Georg Luck,
dem wir hier bei unserer Betrachtung
antiker Geheimlehren im wesentlichen
folgen, weist darauf hin, daß es sich nach
Ansicht Heraklits bei der vielkritisierten
Mehrdeutigkeit der Orakelsprüche nicht
um eine Ausflucht handelt, mit der klare,
verifizierbare Aussagen vermieden wer-
den sollen, sondern um eine
Mitteilungweise nach Art der Dichter und
Philosophen, die ja häufig auch nur
andeuten, was der Mensch im Alltag
direkt ausspricht.
Orakelstätten boten jahrhundertelang
Anlaß zu Pilgerreisen. Das uralte, schon
in Homers Ilias erwähnte Orakel von
Dodona im Gebirge von Epirus war so gut
besucht, daß an die Schar der Fragesteller
sogar Nummerntäfelchen ausgegeben
werden
mußten, auf denen ihr Name und ihr
Anliegen notiert wurden. Nicht nur
Herrscher und Geschäftsleute suchten Rat
bei den Orakelpriestern und -
priesterinnen, auch ganze Stadträte
verließen sich beispielsweise in
finanziellen Streitfragen gern auf die

42
Aussagen des Orakels.
Die Antike war auch, was nun kaum noch überraschen dürfte, reich
an erzählender Literatur mit magischen Themen. Schon Homers
Odyssee beschreibt bekanntlich die Machenschaften der Zauberin
Kirke, die die Begleiter des Odysseus in Schweine verwandelt. Noch
interessanter dürfte allerdings seine Schilderung der Totenbefragung
des Odysseus sein, immerhin die älteste überlieferte Beschreibung
einer nekromantischen Handlung. Odysseus bringt ein Trankopfer
aus Milch, Honig und Wein dar, zu dem sich später auch noch das
Blut eines schwarzen Widders gesellt. Schwarz muß das Opfertier
sein, damit die Götter nicht meinen, es sei für sie bestimmt - eine vor
dem Hintergrund des bisher Gesagten recht deutliche Spur: Nicht um
religiösen Gottesdienst geht es hier, sondern, an den Göttern vorbei,
um ein rein technisches Vorgehen zum Zweck der Zukunftsschau,
denn man ging davon aus, daß die Toten über die Zukunft Bescheid
geben konnten. Durch seinen symbolischen Abstieg in den Hades
ruft Odysseus dann den (toten) Seher Teiresias von Theben herbei,
der wunschgemäß seine Prophezeiung vorbringt.
Das geopferte Blut verheißt den Seelen ein, wenn auch nur
vorübergehendes, Scheinleben - was uns auch Aufschluß darüber
gibt, daß sich der Mensch der Antike den Tod vornehmlich als eine
Trennung von Leib und Seele vorstellte. (Luck, Magie, S. 328)
Zum Abschluß noch eine kleine Auflistung in unchronologischer
Reihenfolge.
Iamblichos schreibt Über die Mysterien Ägyptens; Philostrat verfaßt
mit seinem Werk Leben des Apollonius von Tyana die Biographie
eines Zauberers, den Eliphas Lévi noch Mitte des 19. Jh. zu London
im Beisein von Bulwer-Lytton rituell beschwört. Plutarch legt eine
Schrift Über das Aufhören der Orakel vor, Plinius der Ältere stellt in
seiner Naturgeschichte (korrekter wäre die Übersetzung
»Naturerforschung«) die Zauberpraktiken seiner Zeit dar. Vergil
greift in seiner Aeneis das homerische Thema der Totenbeschwörung
auf, ebenso Lucan im sechsten Buch seines Werks über den Bür-
gerkrieg. Apuleius schildert in seinen Metamorphosen eine
Einweihung in die Isis-Mysterien, tritt aber auch als Autor der
Verteidigungsschrift Apologie oder Über Magie in Erscheinung.
Ptolemaios verfaßt das noch heute von Astrologen zu Rate gezogene
Tetrabiblos, im Satyricon des Petronius lesen wir von der Abwehr
eines Potenzzaubers. Und kein geringerer als Ovid verfaßt im Exil
den Ibis, ein wortgewaltiges Fluchgedicht im Stil der ägyptischen

43
Zauberpapyri.
Darüber hinaus waren die Autoren der Antike nie besonders
zimperlich, wenn es darum ging, sich mit fremden Federn zu
schmücken. Mit anderen Worten, in ein fremdes Kostüm zu
schlüpfen, die Maske eines
anderen, berühmten Vorgängers
überzustreifen und diesem die
eigenen Worte in den Mund zu
legen. Diese Tradition behielt
noch bis ins 19. Jh. ihre Gültig-
keit, und es gingen im Laufe der
Zeit ganze Literaturgattungen
daraus hervor: so etwa das bereits
erwähnte Corpus Hermeticum der
Spätantike, die »Faust«-Bücher,
die vielen außerbiblischen, noch
heute erhältlichen »Moses«-
Bücher, der Große und der Kleine
Schlüssel Salomonis und weitere,
dem Magier Salomon
zugeschriebene Texte und
manche mehr. Heute, im Zeitalter
des Individualismus, ist dieser
Trend fast ausgestorben, doch hat
er lange Zeit den literarischen
Okkultismus geprägt.
Das Amalgam aus
verschiedensten
Weltanschauungen, Religionen,
Mysterienschulen, magischen
Praktiken, aus Folklore und
hochphilosophischer Spekulation,
für das der Okkultismus
allgemein steht, findet in der Spätantike bereits seinen ersten
Höhepunkt. Wenn heute Elemente des haitianischen Voudoun mit
nordischem Runenwissen und jüdischer Kabbalistik verquickt
werden, wie es in der Esoterikszene durchaus vorkommt, so mag das
vielleicht befremden, hat aber seine historischen Wurzeln.
Unterm Strich bleibt nämlich ein wesentlicher Unterschied zwischen
Religion und Magie, auf den wir bisher noch nicht hingewiesen

44
haben: Während die Religion sich im allgemeinen um einen
moralethischen Wertekanon bemüht und den Menschen zu einem
sündenfreien Leben anhalten will, kennt die Zauberei dergleichen
ursprünglich nicht. Gut und Böse sind ihr ebenso gleichgültig wie
das Leben nach dem Tode, letztlich geht es dem Magier und der
Hexe nur um Macht und Einfluß über das Leben im Hier und Jetzt.
Wenn der Zauberer sich für die Transzendenz interessiert, dann nur,
um sich der Hilfe jenseitiger Mächte bei der Durchsetzung seiner
irdischen Interessen zu vergewissern oder sie auszuschalten, wo sie
hinderlich werden könnten.
Es gibt sicher vereinzelt auch einen eher religiös als magisch
geprägten Okkultismus, doch ist dieser stets eine Koalition mit den
herrschenden weltlichen oder geistlichen Mächten eingegangen, was
seinem Uranliegen eigentlich zuwiderläuft. Gerade die Ächtung der
Magie, die wir im Alten Testament ebenso finden wie in Hellas und
Rom (und dort keineswegs erst seit Konstantin und der Erhebung des
Christentums zur Staatsreligion), zeigt deutlich, daß sich diese
Mächte immer darin einig waren, auszumerzen, was sie für »sozial
destabilisierend« erachteten. Nur zu oft war die Bezichtigung, sich
magischer Praktiken zu bedienen oder derlei Ansichten zu billigen,
ein bloßer Vorwand, um mißliebige Subjekte, politische Gegner wie
persönliche Rivalen, ans Messer der Staats- und Kirchenmacht zu
liefern. Doch damit wird nur der Aspekt opportunistischer
Ausnutzung sozialer Spannungsfelder beschrieben.
Denn Luzifer lebt: Wo immer Menschen nicht bereit sind, sich
gefügig dem einzugliedern, was Alfred Behrens einmal die
»Realitätsproduktion« nannte, werden sie auf den Widerstand ihrer
um soziale Anpassung bemühten Zeitgenossen stoßen. Nicht weil sie
schlimme Dinge täten, werden und wurden Magier und Hexen
verfolgt; nicht weil sie tatsächlich über Kräfte gebieten, derer sich
der profane Alltagsmensch anders nicht zu erwehren vermag. Das
mögen seine Gegner zwar ernsthaft glauben, dennoch bleibt es eine
Lebenslüge. Vielmehr ist es ihre Andersartigkeit, ihr Ausscheren aus
dem Wertgefüge der sie umgebenden menschlichen Gemeinschaft,
ihre Ablehnung des Verwaltetwerdens - kurz: ihr Streit mit der
Ohnmacht, die sie zu Objekten der Verfolgung machen.
Wer Geister und Gespenster im Ursinn des Wortes als groteske
Wesen begreift, die in einer sauberen, geordneten Welt nichts zu
suchen haben, wird jene, die mit ihnen verkehren wollen,
naturgemäß über denselben Kamm scheren und ihnen dieselben

45
Attribute andichten, die er auch ihrem »Umgang« zuschreibt.
Denn der Okkultismus ist, wie wir bereits in unserer Einleitung
schrieben, »allenfalls ein Produkt der Verdrängung, nicht aber ihre
Ursache«. Er stellt kein Randgruppenproblem dar, sondern bietet den
Verfolgten und Andersartigen nur eine Zuflucht und Heimstatt. Es ist
keineswegs so, als würden Okkultisten freiwillig ein Dasein an der
Peripherie der Gesellschaft führen. Viele von ihnen - wenn auch
nicht alle - sind von missionarischem Eifer beseelt und sähen es nur
zu gern, wenn ihre Weltanschauung Allgemeingut würde. Das war in
der Antike nicht anders als heute: Wer sich im Besitz der Wahrheit
glaubt, erträgt es nur schwer, wenn andere sich dieser nicht anschlie-
ßen mögen. In gewissem Sinne hat der magische Okkultismus dort,
wo er elitäres Gehabe und das Bemühen um Exklusivität in
Erscheinung bringt, nur aus der Not eine Tugend gemacht. Der
Unterdrückte findet seine kompensatorische Genugtuung in dem
Bewußtsein, moralisch gesehen der »Bessere« zu sein -ein allzu
menschliches Verhalten, das dem Esoteriker ebensowenig fremd ist
wie jenen, von denen er sich abheben möchte.
Insgesamt läßt sich also feststellen, daß der Okkultismus generell
nicht religiös-jenseitig, sondern magisch-diesseitig ausgerichtet ist.
Doch letztlich bleibt die säuberliche Trennung zwischen Religion
und Magie, wie sie in der Religionswissenschaft, der Anthropologie
und der Volkskunde immer wieder postuliert werden, nur eine
bequeme Fiktion. Es gibt eine ganze Reihe von Forschern, die dies
schon vor Jahrzehnten erkannten und zum Thema ihrer
Betrachtungen machten. Denn das Bild, das damit von der Religion
gezeichnet wird, mag vielleicht bestimmten christlichen
Vorstellungen entsprechen, erweist sich aber als völlig unbrauchbar
für die Beschreibung nichtchristlicher Kulte und Riten.
Berücksichtigt man außerdem noch den Verständniskonflikt, der sich
geradezu zwangsläufig zwischen monotheistischen und
polytheistischen Bezugssystemen ergibt, so wird auch schnell die
Gefahr deutlich, pauschal zu werten, wo Differenzierung angezeigt
wäre, und zu differenzieren, wo tatsächlich keine essentiellen
Unterschiede zu vermerken sind.
Wenn beispielsweise ein Augustus, wie uns Sueton berichtet, den
Gott Neptun öffentlich verwünschte und ihn sogar bestrafte, indem
er bei den Zirkusdarbietungen die Mitnahme seines Bilds in der
Prozession untersagte, nachdem ein Sturm die römische Flotte
vernichtet hatte, bewerten wir dies gemeinhin als »magischen« Akt.

46
Doch geschah das im Rahmen einer Staatsreligion, sogar durch ihren
obersten Priester persönlich! Wieviel »religiöser« kann eine Religion
denn noch sein, sofern man sie nicht allein nach kirchenchristlichen
Maßstäben und Wertvorstellungen beurteilen will? Der übliche
Einwand, daß eben jede Religion auch ihre magischen Züge trägt,
greift hier ins Leere, denn gerade um diese Unterscheidung geht es
ja.
Dieses definitorische Dilemma spielt zwar innerhalb des Ok-
kultismus selbst nur selten eine Rolle, wohl aber bei seiner Be-
trachtung von außen. Es muß immer wieder für die unter-
schiedlichsten Zwecke herhalten und prägt sogar eine angeblich so
theologieferne Debatte wie die Auseinandersetzung um den
sogenannten »Jugendokkultismus« unserer Tage.
Halten wir daher als einen der vielen Eindrücke unserer Reise durch
die Schattenseiten der abendländischen Geistesgeschichte fest, daß
sich die Ambiguität der »Geheimlehren« seit ihrer Enstehung aus
einer doppelten Quelle speist: einerseits aus ihrer Ablehnung
konventioneller, dem sozialen Konsens unterworfener
Welterklärungsmodelle, andererseits aus ihrer daraus resultierenden
Beteiligung an ebendiesen. Denn es sind paradoxerweise gerade jene
Modelle, die den okkulten Lehren ihre Existenzberechtigung
verleihen.

47
»Dem Demiurgen kein Kind zeugen«
Die Revolution der Gnosis und ihre Folgen

Wir müssen auf unserer Reise etwas Tempo zulegen. Es gibt noch
viel zu besichtigen, und die Zeit drängt. Denn die Ereignisse
beginnen sich zu überschlagen. Schon im ptolemäischen Alexandria
entsteht bereits kurz vor der Zeitenwende der Gnostizismus, der
seinen Höhepunkt freilich erst in christlicher Zeit, nämlich im 3. Jh.,
erleben sollte.
Jede Aussage über diese für die Entwicklung abendländischen
Denkens so wichtige Geistesströmung muß Stückwerk bleiben: Zu
unüberschaubar ist die Zahl ihrer Kulte, Philosophien, Systeme und
Varianten. War im letzten Kapitel schon vom Hexenkessel der
Spätantike die Rede, so gilt das noch viel mehr für die gnostische
Geisteswelt. Die geschätzte Zahl gnostischer Sekten geht in die
Hunderte. Nicht alle haben eigene Schriften verfaßt, vieles ist auch
verlorengegangen und höchstens aus den Schmähschriften ihrer
Gegner rekonstruierbar.
Aufgrund der schier unüberschaubaren Zahl der Richtungen, Namen,
Orte und Daten wollen wir nur jene Wesensmerkmale des
gnostischen Weltbilds betrachten, denen man - mit wenigen
Einschränkungen - Allgemeingültigkeit zusprechen darf und die
diese Geistesströmung für den Okkultisten bis heute interessant
genug machen, um in den verschiedensten Spielarten immer wieder
darauf zurückzugreifen.
Grundsätzlich unterscheiden die gnostischen Denksysteme zwischen
zwei verschiedenen Menschentypen: Psychiker und Hyliker. Man
könnte auch sagen, wie es Brumlik zusammenfaßt: »wesentliche«
und »unwesentliche« Menschen.
Während der Hyliker allein der Materie (gr. hyle) frönt und über die
begrenzte Welt der Sinne nicht hinausgelangt oder die Welt
allenfalls noch intellektuell zu erfassen vermag, ist der Psychiker
dagegen vom wahren göttlichen Geist (gr. pneuma) beseelt und
daher in der Lage, über das intuitiv erfaßte, also nicht rein
intellektuell erfahrene Wissen (gr. gnosis) zu gebieten. Er allein kann
die wahren Zusammenhänge überschauen und daraus die
entsprechenden Konsequenzen ziehen. Denn der bloße Glaube
(pistis) des Hylikers allein genügt nicht, um die Befreiung zu
erreichen - es muß eben auch das Wissen hinzukommen.

48
Zum Gnostiker wird man entweder geboren oder durch einen
Gnadenakt der Gottheit dazu auserkoren. Bei vielen Sekten ist es
auch eine Frage des ständigen Bemühens um Erkenntnis, wofür es
geeignete magisch-mystische Riten gibt.
Die Welt ist entweder das Produkt eines guten, aber seiner
Schöpfung fernen, im Grunde unerreichbaren Schöpfergotts oder das
Werk des Bösen - auch hier gehen die Meinungen weit auseinander.
Einig sind sich die Gnostiker jedoch darin, daß an dieser Welt oder,
genauer, an den diese Welt beherrschenden Kräften nichts Gutes sein
kann. Irrtümlicherweise wurde dies häufig in christlicher
Verwechslung mit »Weltflucht« gleichgesetzt. Zwar gab es in
einzelnen Fällen sicher auch eskapistische Tendenzen, diese blieben
jedoch die Ausnahme.
Die Welt wird beherrscht vom »Demiurgen«, was im Griechischen
schlicht »Handwerker« oder »Baumeister« bedeutet. Er ist
gleichzusetzen mit dem »zweiten Gott« Platons, und wie dieser ist er
der Herrscher der bereits geschaffenen Welt. Für viele Gnostiker ist
er sogar ein Usurpator: Er hat die Herrschaft über die Welt an sich
gerissen, den »guten« Schöpfergott verdrängt und ist selbst in
Unwissenheit gefangen, da er sich nun für den einzigen wahren Gott
hält (wie gesagt - viele gnostische Richtungen gingen allerdings auch
davon aus, daß die Welt selbst das Werk des bösen Demiurgen sei,
entstanden aus der Abspaltung von der Ur-Gottheit, die als eins,
ungeteilt und letztlich unbeschreibbar begriffen wird). Für alles Leid
auf der Welt, für jede Ungerechtigkeit zeichnet der Demiurg verant-
wortlich, der sich zu seiner Willkürherrschaft eines Arsenals
verschiedener Untergottheiten, Wesenheiten oder Kräfte bedient. Die

49
Schöpfung ist also an sich gut, aber in falschen Händen (sonst gäbe
es kein Leid auf der Welt).
Nur der Gnostiker kann also diese komplizierten Zusammenhänge
begreifen. Möglich ist ihm diese Erkenntnis durch den
»Gottesfunken«, den er, wie alle Schöpfung, noch bruchstückhaft in
sich trägt; jenen Anteil am Geist des guten Schöpfergotts, der
allerdings mit der weiteren Ausdehnung der Schöpfung immer
kleiner wird und matter strahlt.
In der christlichen Gnosis, und diese stellt den Hauptkorpus
gnostischer Dokumente, wird Jehova, der Gott des Alten Testaments,
mit dem Demiurgen gleichgesetzt. Sein Name wird oft zu
»Ialdabaoth« korrumpiert, dem wiederum neben anderen die Zauber-
und Beschwörungsformel »IAO« zugewiesen wird. Sein Gebot »seid
fruchtbar und mehret euch« werten die Gnostiker als Versuch, sein
Reich zu Lasten seiner Bewohner auszuweiten und zu konsolidieren.
Denn mit jedem neuen Lebewesen wird der Gottesfunke kleiner und
verliert an Strahlkraft, wächst also die Umnachtung. Die Möglichkeit
der Erlösung verringert sich daher immer mehr. Wer dem Demiurgen
dient, kann in der Regel kein Gnostiker sein; einige vereinzelte
Sekten allerdings predigten die Anpassung an die Mächte dieser
Welt und huldigten dem Usurpator - ein Gedanke, der vom heutigen
Satanismus wieder aufgegriffen wird.
Bei den Ophiten (von gr. ophis, »Schlange«) entwickelt sich die
Schlange aus dem Paradiesmythos zur Zentralgestalt. Sie ist die
Botin des guten Gotts, mit deren Hilfe dieser dem Menschen von
seiner eigenen Gottnatur kündet und ihm die Instrumente der
Erkenntnis in die Hand gibt, um das böse Spiel zu durchschauen.
Dementsprechend wird sie bei den Ophiten auch sehr verehrt, und
Darstellungen, die eine gekreuzigte Schlange zeigen, sind keine
Seltenheit. Die Kreuzigung ist für sie freilich kein Instrument der
Erlösung: Warum sollte ein Gott der Liebe seinen eingeborenen
Sohn am Kreuz verenden lassen? Nein, sie ist vielmehr das
Machwerk des Demiurgen, der dadurch den Erlöser der Menschheit
eliminieren läßt. Da der Geist aber nie dem Fleisch Untertan sein
kann, stirbt am Kreuz auch nur eine Effigie, gewissermaßen eine
»göttliche Atrappe«, eine menschliche Scheingestalt. So wird die
Gottnatur Christi nicht geleugnet, wohl aber sein Menschsein - einer
der wesentlichen Streitpunkte im Konflikt mit der Kirche, der zudem
an die monophysitische »Häresie« beispielsweise der äthiopischen
und koptischen Kirche ebenso erinnert wie an den Streit um die

50
Lehre des Arius, der knapp 300 Jahre später fast sämtliche germani-
schen Stämme anhängen sollten.
Das Zeugungsgebot des Alten Testaments stellt also eine infame
Irreführung dar: Der Demiurg ist sich trotz aller Macht seiner Sache
unsicher, er will die völlige Unterwerfung, und die erreicht er nur,
wenn er es den Lebewesen unmöglich macht, etwas anderes als seine
eigene Wahrheit zu erkennen - das ist der in die damalige
Gegenwart reprojizierte Paradiesmythos. Dementsprechend galt bei
vielen gnostischen Sekten auch ein Fortpflanzungsverbot. Man
wollte dem Reich des Demiur-gen nichts hinzufügen, wollte nicht
mehr teilhaben am Aufbau seiner Welt. All dies durfte nach
Anschauung zahlreicher Richtungen keine bloße, unverbindliche
Theorie bleiben; es mußte auch in praktische Handhabung überführt
werden. Allein Gno-stiker zu sein, genügte nicht.
An erster Stelle standen dabei die Systematiken, oft mit erklärenden
Skizzen versehen, die die Welt des Übersinnlichen ebenso akribisch

51
beschrieben wie die Stellung des Menschen. Angesichts der
schwindelerregenden Vielfalt dieser Modelle, ihrer Widersprüche
und Querbezüge sei das gnostische Weltbild nur in seinen
Grundzügen beschrieben.
Der Demiurg bediente sich diverser Hilfsmächte, oft »Archonten«
(»Herrscher«) oder »Äonen« genannt. Häufig wurden diese mit den
sieben Planetensphären der klassischen Astrologie identifiziert. Die
Erde ruht in einem Schalensystem von aufeinander aufbauenden
Archontensphären oder -reichen - eine Vorstellung, die uns in
abgewandelter Form sogar noch in den 50er Jahren unseres
Jahrhunderts in den »Erdgürtelzonen« des Franz Bardon
wiederbegegnen soll. Jenseits des Saturn, des letzten der damals
bekannten Planeten, lag die Sphäre der Fixsterne oder der Zutritt
zum Paradies, dem Reich des guten Gotts.
Darüber hinaus gab es zahllose Spekulationen über die Entstehung
der Welt: Die Spannbreite reicht von der »kosmischen Szyzygie« des
bei den Simonianern durch ihre Sektengründer sogar personifizierten
göttlichen Paars Simon (Magus) und Helena, über die Verbindungen,
Befruchtungen, Trennungen von Nous und Pneuma, Sophia und
Logos und Pistis ...
Was die Kirchenväter der damaligen Zeit ebenso wie ihre heutigen
theologischen Nachfahren immer wieder irritierte, waren die
unverhohlenen Anleihen am vorchristlichen Heidentum, für die sich
der Gnostizismus nicht zu schade war und die er der von ihm sehr
eigenwillig interpretierten christlichen Heilsbotschaft aufpfropfte.
Tatsächlich stellt der Gnostizismus eine wahre Orgie des
Synkretismus dar. Fast alles, was der Hellenismus, von den
Vorsokratikern über Plato bis zu Ptolemäus, zu bieten hat, findet sich
hier als Stückwerk vertreten; dazu ein gerüttelt Maß ägyptischer
Tempelspekulationen, persische und jüdische Einflüsse, ja sogar
indische Elemente. Damit gab er bereits für den späteren
Okkultismus im strengeren Sinne des Wortes (nämlich als einer
gesellschaftlichen Erscheinung des 19. Jh.) das Urbild ab.
Außer der spekulativen Analyse, die kein reiner Selbstzweck war,
sondern in erster Linie der »Erweckung« des Gnostikers dienen
sollte, bedurfte es auch der sozialen Organisation und des Kults,
insbesondere der magischen Praktiken, um den Streit mit dem
Demiurgen erfolgreich in Angriff zu nehmen.
Aus dieser Grundüberlegung entwickelten sich zwei prinzipiell
unterschiedliche Richtungen, die wir hier der Einfachheit halber -

52
und durchaus in Übereinstimmung mit der Gnosis-Forschung - die
asketische und die libertinistische Gnosis nennen wollen. Während
erstere mit den üblichen Kasteiungspraktiken aufwartete,
Enthaltsamkeit lehrte und auf Meditation und Kontemplation
abstellte, schlug die libertinistische den entgegengesetzten Weg ein.
Reinheits- und Keuschheitsgebote wurden hier als Reglementierung
durch eine im Kern böse Kraft verstanden, und so galt es, sich
darüber gezielt hinwegzusetzen. Außerdem war der Gnostiker durch
seine Erkenntnis den Gesetzen der herrschenden Mächte bereits
enthoben und somit zur »Sünde« unfähig, da diese ja allein aus
Unwissenheit bestand, nicht aber aus dem Verstoß gegen
irgendwelche göttlichen Gebote. Das ging bei den sogenannten
»Barbelo-« oder »Spermagnostiker« bis zum rituellen Koitus und zu
Massenorgien, in deren Zuge beispielsweise das »Sakrament« aus
dem männlichen Sperma (oder aus der Vermengung männlicher und
weiblicher Sexualsekrete) bestand und allen Anwesenden oral
gespendet wurde, sofern sie nicht aktiv am gemeinschaftlichen
Geschlechtsverkehr teilnehmen konnten. Angeblich soll dabei auch
der rituelle Abort praktiziert worden sein, bei dem die Leibesfrucht
anschließend von den Teilnehmern verzehrt wurde, um so den
Gottesfunken »wiederzugewinnen«.
Manche gnostische Sekten predigten konsequenterweise sogar den
Fleischzwang: Da doch in allem Fleischlichen ein Gottesfunke
enthalten war, galt es als heilige Pflicht, diese Bruchstücke durch
Fleischverzehr wieder zu vereinen. Aufschlußreich ist in diesem
Zusammenhang auch eine überlieferte gnostische Todesformel, die
auf dem Sterbebett aufzusagen war:
»Ich habe mich eingesammelt überall, und ich habe dem Demiurgen
kein Kind gezeugt, denn ich weiß, wer du [in Wirklichkeit] bist. Ich
aber bin einer von oben.«
Diese Formel sollte sich zu einem weltanschaulichen Programm
entwickeln, das bis heute nachwirkt und nichts von seiner Aktualität
eingebüßt zu haben scheint. Denn damit ist auch das eigentliche
Anliegen des Gnostikers beschrieben: sich dem Zugriff des
Demiurgen zu entziehen, um an ihm vorbei ins Reich des Guten
vorzustoßen, was erst nach dem Tod geschehen kann. Dort will er
sich wieder mit dem guten Schöpfergott vereinen.
Indem er den Gottesfunken einsammelt, sammelt er sich selbst ein
und wird darüber stark genug, um der alles überwältigenden
Wirklichkeit die Stirn zu bieten und sie schließlich zu besiegen.

53
»Ich aber bin einer von oben« meint, daß das Reich des Gnostikers
nicht von dieser Welt ist. Er empfindet sich hier auf Erden als
Fremder, und im Grunde ist er allein durch seine bloße Erkenntnis
schon erlöst, weil er das Truggespinst des Usurpators durchschaut
und dessen Anliegen damit vereitelt hat.
Ob unsere obige Schilderung gnostischer Praktiken in allen
Einzelheiten tatsächlich stimmt, läßt sich nicht immer eindeutig
sagen. Lange Zeit konnte man den Großteil der Informationen über
diese Gruppierungen nur aus den Schriften ihrer kirchlichen Gegner
entnehmen. Aufgrund von neuen Funden der jüngeren
Vergangenheit scheint sich allerdings in der Gnosis-Forschung
mittlerweile die Ansicht durchzusetzen, daß die christlichen
Schmähschriften, wenn auch nicht immer im Detail, so doch im
Grundsätzlichen tatsächlich den Kern der Sache zu treffen scheinen.
Manches fand zwar im Verborgenen statt, da die Gnostiker, wie alle
Frühchristen, zu denen sie sich ja zählten, zunächst unter der
Verfolgung der römischen Staatsgewalt zu leiden hatten. Vieles
sollte auch einem kleinen Kreis eingeweihter oder »erleuchteter«
Mysten vorbehalten bleiben und unterlag dementsprechend
strengster Geheimhaltung. Da es aber immer wieder zu Übertritten in

54
beide Richtungen kam, waren Kirchenchristen und Gnostiker im
allgemeinen doch recht gut über einander informiert.
Letztlich ist die Historizität dieser Praktiken jedoch zweitrangig, da
sie um die Jahrhundertwende von Magiern wie Aleister Crowley,
Karl Kellner, Franz Hartmann, Gregor A. Gregorius und Austin
Osman Spare aufgegriffen und in konkrete Praxis überführt wurden -
wie gut 40 Jahre zuvor schon von dem Amerikaner Paschal Beverley
Randolph und dem weniger bekannten Engländer Edward Sellon.
Die mit diesen Gestalten verbundenen, teilweise von ihnen
gegründeten oder geführten Organisationen (Hermetic Brotherhood
of Light, Ordo Templi Orientis und andere) beriefen sich häufig in
ihren Selbstdarstellungen auf das »Sanctuarium der Gnosis« und
verstanden sich als Erneuerer oder Erben dieser Tradition. Selbst
wenn die Gegner der Gnosis also alles erfunden hätten, was sehr
unwahrscheinlich ist, hätten sie das Erfundene damit doch nur
»herbeipubliziert«. Es ist denkbar, daß dies bereits in der Spätantike
nicht anders war.
Aber auch die asketische Gnosis findet immer wieder ihre Anhänger.
Die in unserem Jahrhundert ursprünglich in Holland entstandene,
inzwischen aber weltweit tätige Rosenkreuzergruppe Lectorium
Rosicrucianum bezeichnet sich selbst als »gnostische
Geistesschule«. Tatsächlich weist sie
mehr Gemeinsamkeiten mit der
asketischen Gnosis des dritten nach-
christlichen Jahrhunderts als mit dem
Rosenkreuzertum des 18. Jh. auf,
welches auf eine Reform der im
wesentlichen als gut gewerteten Welt
abzielte.
Auch die zahlreichen anderen
Rosenkreuzer-, Templer- und
Illuminatenorden, die bis heute
immer wieder aus der Taufe gehoben
werden, berufen sich meist auf
gnostisches Gedankengut, wobei sie
freilich in der Mehrzahl den
libertinistischen Ansatz ablehnen,
zumal dieser zumindest äußerlich in
einem noch schärferen Gegensatz zu
den christlichen Positionen steht als

55
der asketische.
Die sogenannten Barbelo-Gnostiker (nach der Göttin Barbelo)
weisen dagegen stärkere Parallelen zu den indischen Tantra- und
Vamamarg-Kulten und den heterodoxen Kaula-Traditionen auf. Die-
sen geht es um den gezielten Bruch mit gesellschaftlichen und
konventionell-religiösen Tabus zum Zwecke der Befreiung der
Seele. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen Geistes-
richtungen mag allerdings darin gesehen werden, daß der
libertinistische Gnostizismus offenbar Züge einer regelrechten Mas-
senbewegung entwickelte, während die indischen Kulte - wohl auch
wegen der allgemein vorherrschenden, recht streng gehandhabten
Moralvorstellungen des hinduistischen Indien - ihre Praktiken eher
im Verborgenen ausübten und dies bis heute tun.
Es wurde schon viel über den »gnostischen Dualismus« geschrieben,
und in der Tat läßt sich feststellen: Für den Gnostiker gibt es nur
zwei Pole, und trotz aller Komplexität seiner Kosmogonien bleibt
darin letztlich kein Raum für Zwischentöne: »Wer nicht für uns ist,
ist gegen uns.«
Für das Frühchristentum und die junge, vorkonstantinische Kirche
stellte der Gnostizismus die denkbar schärfste Konkurrenz dar. Denn
er gab sich christlich wie sie; seine libertinistischen Richtungen
veranstalteten regelmäßig ausschweifende Orgien von großer
Anziehungskraft, und aufgrund seiner eindeutigen Schuldzuweisung,
das Übel dieser Welt betreffend, war er trotz seiner sehr
verwirrenden, komplizierten Denkmodelle doch für zahlreiche
Menschen attraktiv. Außerdem kam schon früh ein urdemokratisches
Element hinzu, weil viele gnostischen Sekten keine Hierarchie
kannten, Frauen gleichberechtigt aufnahmen und ihre Priester und
Priesterinnen durch das Los bestimmten - und zwar nur auf Zeit, so
daß jedes Mitglied einmal an die Reihe kommen konnte.
Von seiten der christlichen Theologien wird dem Gnostizismus noch
heute das Anstreben der »Selbstvergottung« vorgeworfen, die im
krassen Gegensatz zum christlichen Gnadenbegriff stehe. Das ist
zwar technisch nicht ganz korrekt, da das Prinzip der Gottesgnade in
der Gnosis nicht generell ausgeschlossen wird, doch wollen wir hier
nicht auf sämtliche Feinheiten und Spitzfindigkeiten dieses
theologischen Disputs eingehen. Sicher ist es richtig, daß die
Gnostiker der Auffassung waren, Teil des guten Gottes zu sein, und
daß sie sich wieder mit ihm vereinen wollten.
Wie wichtig die gnostische Bewegung war und welch große Gefahr

56
sie für die Frühkirche darstellte, läßt sich an der Vielzahl von
Schriften ermessen, in denen christliche Gelehrte und Kirchenväter
sich mit dem Phänomen des Gnostizismus befaßt haben und sich
bemühten, ihn zu widerlegen. Ihm hat die Kirche sogar die
Kanonisierung ihrer Grundschrift, der Bibel, zu verdanken. Denn die
gnostischen Sekten scheuten sich nicht, darin antikem Brauch
folgend, die unterschiedlichsten Evangelien zu fabrizieren und dem
auch von ihnen als Heiland verstandenen Jesus von Nazareth allerlei
in den Mund zu legen, was ihre eigenen Lehren bestätigte oder
überhaupt erst ausformulierte. So war es für die paulinische Kirche
dringend geboten, »Textsicherheit« herzustellen und sich gegen
diese unterminierenden Einflüsse von außen zu verwahren.
Im heutigen Theologiestudium wird der Gnostizismus in der Regel
noch immer mit großer Ablehnung behandelt. Neuere
geistesgeschichtliche Untersuchungen haben das Augenmerk
dagegen auf den hohen Anteil gnostischen Denkens an Aufklärung,
Rationalismus und Philosophie der Moderne gelenkt, den man lange
übersehen hatte. Da die gnostischen Lehren als Ganzes nie sehr
scharf umrissen waren, boten und bieten sie sich auch für die
verschiedensten Gedankenexperimente und Permutationen an. Sicher
stellt der Gnostizismus, genau wie der Okkultismus, der ihm seine
wohl entscheidensten Impulse verdankt, nach wie vor eine
Herausforderung an all jene Kräfte dar, die das Streben des
Menschen nach Erlösung (oder, wie wir moderner sagen würden,
nach Selbstverwirklichung) für prinzipiell ungut halten, wenn es sich
nicht zugleich durch übergeordnete Instanzen in kontrollierte Bahnen
lenken läßt, seien es nun transzendente oder weltlich-staatliche.
In diesem Zusammenhang ist es von Interesse, daß sich gnostische
Elemente sowohl im Islam als auch im Judentum finden. Es wäre
zwar ahistorisch, den Gnostizismus als »anarchistisch« zu
bezeichnen, doch trägt er, sogar aus seiner eigenen Zeit heraus
verstanden, unverkennbar anarchische Züge. So wurde er auch von
seinen frühesten Kritikern gesehen. Nicht jede weltanschauliche
Rebellion gegen die herrschenden Verhältnisse war und ist
gnostischer Natur - aber jede gnostische Weltanschauung trägt den
Keim zu einer solchen in sich.
Eine weitere Metapher der Ophiten ist beispielsweise durch die
Romane des okkultistischen Schriftstellers Gustav Meyrink in
Umlauf gekommen, der selbst ein großer Kenner der Gnosis war. Er
bezeichnet den Wissenden ganz traditionell als »von der Schlange

57
gebissen«. Wer aber einmal von dieser symbolischen gnostischen
Schlange der Weisheit »gebissen« wurde, der ist verdorben für diese
Welt: Nichts wird ihn jemals mehr befriedigen können, denn er sieht,
er schaut, er erkennt - und er heißt nicht gut. Nur wer die Gnosis
verstanden hat, kann auch den Okkultismus begreifen, denn sie bietet
ihm gleichermaßen Grundmatrix und Inspiration.

Ophis

»wer sagt: ich dien?


und meint den falschen gott?
wer sagte: laß mich ziehn!
und küßte das schaffott?
in altem geist war vieles zu verstehn und mancher sterne schönheit
zu besehn, doch löscht dies feuer nur statt sie zu zünden -und lieber
brenn ich selbst, als nie zu finden, was mich entflammt: aus licht
geworfen, benedeit
kein demiurg, der meine gottnatur verzeiht,
kein kettenschmied, der mir die schale füllt,
kein Schleierwirker, der mir nicht verhüllt,
was lebt und flammt und pulst und alles was ihr wißt -
und ewig ist.
und ewig ist.«

58
»Tötet sie alle - der Herr wird die Seinen
schon erkennen!«
Von Katharern, Templern und anderen Ketzern

Nachdem sich das Christentum unter Konstantin als römische


Staatsreligion etabliert hatte, konnte die junge Kirche ihre Macht
festigen und erste Triumphe feiern. Trotz mancher Rückschläge war
das Heidentum der Antike besiegt. Was sich nicht ausmerzen ließ,
wurde subsumiert: kaum eine heidnische Kultstätte, auf der nicht
eine Kapelle, eine Kirche oder sogar ein Dom oder eine Kathedrale
errichtet wurde. Aus heidnischen Göttern wurden entweder Heilige
oder Dämonen - darunter auch der arkadische Pan, den man schon
bald mit dem Teufel gleichsetzte. Seitdem trägt der Leibhaftige in
der abendländischen Ikonographie einen Bocksfuß und Hörner.
Machen wir nun einen Zeitsprung ins 12. Jh. Im Jahr 1118 gründen
der hl. Bernhard, Hugo von Payen und acht weitere französische
Ritter den Orden der Tempelritter. Es ist zur Blüte der
Kreuzzugszeit, Jerusalem ist zwar »befreit«, aber die Scharen der
islamischen Sarazenen stellen eine ständige Bedrohung dar. Man
nimmt sich bei der Ordensgründung die schlagkräftigste und
gefürchtetste Truppe des Gegners zum Vorbild: die sogenannten
Assassinen des Hassan ben-Sabbah (auch: Hassan i-sabbah), den
man den »Alten vom Berge« nennt. Von seiner unbezwingbaren
Festung Alamut (»Adlerhorst«) aus, mitten im Sassanidenreich der
Perser, zieht er an den Fäden der Macht, und sein langer Arm reicht
bis nach Tripoli, Kairo und Damaskus.
Nach einer noch heute gängigen Interpretation soll das Wort
»Assassinen« vom arabischen haschischiyun, »Haschischesser/-
raucher«, abstammen. Man erzählt sich, daß Hassans Leute junge,
wehrfähige Männer anwerben und versprechen, ihnen ohne den
Umweg über den physischen Tod das Paradies zu zeigen. Vor der
Festung Alamut befinden sich üppige, von ihrer Umwelt
abgeschottete Gärten und Parkanlagen. Man führt die Neugierigen in
einen nahegelegenen Gasthof. Dort verabreicht man ihnen ohne ihr
Wissen hohe Dosen besten indischen Hanfs. Gegessen erzeugt er
einen starken, stundenlangen Rausch, ja sogar Bewußtlosigkeit. Als
sie daraus erwachen, finden sie sich inmitten von anmutigen,
üppigen Frauen in einem riesigen Garten wieder, in dem die Vögel
zwitschern und das glasklare Wasser der Bäche perlt. Das muß das

59
Paradies sein! Und tatsächlich, die houris sind ihnen gern zu Willen,
lesen ihnen jeden Wunsch von den Lippen ab. Es gibt reichlich
Speisen, die köstlichsten Gerichte werden aufgetischt, und niemand
bittet um Almosen oder verlangt Bezahlung.
Nach einigen Tagen, so will es die Fama, werden die Jünglinge ein
weiteres Mal betäubt. Diesmal wachen sie in einem kargen Saal auf,
vor ihnen sitzt auf einem Thron der Alte vom Berge. Und er spricht
zu ihnen. Er erzählt, daß ihm der Prophet Mohammed - möge Allah
an ihm Gefallen finden! - die Macht verliehen habe, jedem
Menschen noch zu Lebzeiten den Zutritt zum Paradies zu gewähren.
Ebendies sei ihnen widerfahren -oder zweifle einer von ihnen daran?
Natürlich zweifelt niemand. Ob es ihnen gefallen habe? Und wie!
Der Alte fährt fort. Wenn sie ihm dienen, wird er dafür sorgen, daß
sie nach dem Tod sofort ins Paradies kommen, wo sie die Freuden,
die sie ja nun schon gekostet haben, bis in alle Ewigkeit genießen
können. Und wenn sie in Ausübung seines Auftrags sterben sollten -
was tut das schon! Um so schneller sind sie im siebten Himmel!
Wer will da widersprechen? Und so schafft sich Hassan ben-Sabbah
die tödlichste politische Waffe der Weltgeschichte: die Assassinen,
ein einziges, aus über 40 000 Mann bestehendes
Selbstmordkommando hervorragend geschulter Kämpfer, denen der
Tod keine Drohung, sondern die reine Verheißung ist. Mit diesen
Männern, deren Ordensbezeichnung noch heute im Englischen, im
Französischen und allen anderen romanischen Sprachen synonym
mit »Attentäter« gebraucht wird, gebietet er schon bald über ein
Reich, in dem die Sonne nicht untergeht. Kein Herrscher der
islamischen Welt ist vor seiner Vergeltung sicher. Einer solchen
Schar ihrem Führer bedingungslos ergebener Mörder, die sich nicht
einmal von den härtesten Strafen und den größten Gefahren
abschrecken lassen und die in der Kunst des Giftmischens ebenso
versiert sind wie im Schwertkampf oder dem lautlosen Töten bei
Nacht, hat keiner von ihnen etwas entgegenzusetzen. Und so ist das
Wort des Alten vom Berge Gesetz.
Ein Kreuzfahrer berichtet von einer Episode, die den christlichen
Rittern des Abendlands einen Schauer über den Rücken jagt. Als
einer von ganz wenigen Fremden ist ihm eine Audienz bei Hassan
ben-Sabbah gewährt worden. Zur Rechten und zur Linken des Alten
vom Berge stehen seine beiden Leibwachen: stolze, kühne junge
Männer, bis an die Zähne bewaffnet.
Man tauscht die üblichen Artigkeiten des Orients aus, schließlich

60
kommt man zur Sache. Da das Prahlen mit den Errungenschaften der
eigenen Seite zum Handwerk eines jeden Unterhändlers gehört,
nimmt das Gespräch den erwarteten Lauf. Doch plötzlich fordert
Hassan ben-Sabbah den Besucher auf, genau zuzusehen. Mit einem
knappen Wink bedeutet er seinen beiden Leibwachen, aus dem
offenen Fenster zu springen. Ohne auch mit der Wimper zu zucken,
machen die beiden jungen Männer kehrt und gehorchen - springen
viele, viele Ellen tief in den sicheren Tod.
»Es wird erzählt - Allah aber ist allwissend ...« beginnen die
Märchen von Tausendundeiner Nacht. Niemand weiß wirklich, ob es
sich so zugetragen hat. Nicht einmal die Herkunft des Namens der
Assassinen ist wirklich gesichert. Einer anderen Deutung zufolge
leitet sich die Bezeichnung nämlich von assas, »Wächter«, ab.
Demnach waren die ismailitischen Assassinen in Wirklichkeit die
Wächter des Hl. Landes und des mystischen Tempelbergs von
Jerusalem, um den sich für die islamische Kultur noch heute die
ganze Welt dreht. Heißt es nicht, daß hier der Prophet Mohammed in
den Himmel aufgestiegen sei?
Jedenfalls bekommt die arabische Titulierung Scheich al-Dschebel,
»der Alte vom Berge« (eigentlich: »Beherrscher des Bergs«) dadurch
eine gänzlich andere Note. Wir können hier leider nicht in allen
Einzelheiten auf die Esoterik dieser Sekte eingehen, die den
Gnostikern und Manichäern wahrscheinlich sehr viel näher stand als
dem orthodoxen Islam. Dennoch muß sie Erwähnung finden, weil
dies für das Verständnis des weiteren Geschehens um den
Templerorden erforderlich ist. Kehren wir also zurück zu unseren
Tempelrittern. Letztlich bleibt auch ihr wahrer Ursprung im
Dunkeln. Man geht davon aus, daß sie bereits vor der offiziellen
Gründung gute Kontakte in den Nahen Osten aufbauten und ihre
Fäden spannen, als eigentlich noch nicht an das zu denken war, was
nun folgen sollte.
Denn schon bald entwickeln sie sich zu einem aus der abend-
ländischen Welt nicht mehr wegzudenkenden Machtfaktor. Als
»Arme Ritterschaft Christi vom Salomonischen Tempel« (Pauperes
comilitones Christi templique Salomonis) waren sie einst angetreten,
»um die Pilger im Hl. Land zu beschützen«.
Nachdem sie reich beladen mit Schätzen unbekannter Herkunft aus
dem Hl. Land zurückgekehrt sind, wird ihnen, die dem Herrn Armut,
Keuschheit und Gehorsam gelobt haben, kirchlicherseits der
offizielle Ordensstatus verliehen. Aber was für ein Status! Sie

61
werden von sämtlichen Steuern und Abgaben entbunden, dürfen aber
selbst welche erheben; zudem wird ihnen das Recht gewährt, als
unabhängige Geldverleiher tätig zu werden.
Tatsächlich gaben ihre Mitglieder allen materiellen Besitz auf und
leisteten das Armutsgelübde. Das hinderte den Orden allerdings
nicht daran, ein blühendes Wechselstubenimperium aufzubauen, um
schließlich zum bedeutendsten (und ersten multinationalen)
Finanzier der Weltgeschichte zu avancieren.
Sie erhalten eine beispiellose Autonomie und sind der weltlichen und
kirchlichen Gerichtsbarkeit enthoben, während die Oberhoheit des
Papstes, dem sie auf dem Papier unterstehen, in Wirklichkeit reine
Theorie bleibt. Sie werden die Bankiers des gesamten vorderen
Orients und der europäischen Königshäuser. Für die Kaufleute
tätigen sie durch ihre zahlreichen Niederlassungen gegen
entsprechende Gebühren Überweisungen. Noch heute heißt die
Pariser Finanzzentrale, wo einst ihr Tempel stand, der »Temple« ...
Die Templer waren die militärische und wirtschaftliche Elite ihrer
Zeit, eine veritable supranationale Großmacht im Lager des
Abendlands. Sie besaßen eigene Häfen, Werften und Kriegsflotten;
sie gehörten zu den ersten, die zur Navigation Magnetkompasse
einsetzten, betrieben Krankenhäuser, förderten den Straßenbau und
das Vermessungswesen und fungierten als Schiedsrichter auf

62
höchster Standesebene; oft dienten sie als Diplomaten.
Sie waren Königsmacher, die das politische Intrigenspiel meisterhaft
beherrschten - und schon zeit ihres Lebens umgab sie ein bis heute
nicht endgültig gelüftetes Geheimnis. Waren sie etwa Ketzer?
Standen sie - horribile dictu! - gar mit den Assassinen selbst im
Bund?
Man erzählte sich hinter vorgehaltener Hand, daß sie ein Idol
verehrten, einen Götzen, dem sie den Namen »Baphomet« gegeben
hatten. (Später sollte ein Aleister Crowley als Leiter des OTO den
Logennamen Baphomet wählen, nachdem Eliphas Lévi schon einige
Jahrzehnte zuvor eine noch heute immer wieder gern abgebildete
Zeichnung vom Baphomet als Satansgestalt angefertigt hatte.).
Das Mysteriöseste aber war das jähe Ende des Templerordens: Er
wurde praktisch über Nacht ausradiert, noch dazu ohne
nennenswerte Gegenwehr. Philipp V. von Frankreich war bei den
Tempelrittern tief verschuldet, mußte ihnen sogar die Leitung seiner
Staatsfinanzen überlassen. Vielleicht war das ja wirklich der einzige
Grund, weshalb er den Untergang des Ordens betrieb. 1312 hat er
sein Ziel schließlich erreicht: Papst Klemens V. löst den Orden
offiziell auf. 1314 endet Jacques de Molay, der letzte Großmeister
des Ordens, auf dem Scheiterhaufen der Inquisition. Bevor er stirbt,
stößt er einen Fluch aus (Vekam, Adonai, »Rache, Herr!«) und
prophezeit dem König und dem Papst, daß sie ihm binnen Jahresfrist
folgen werden -einen Monat später stirbt Klemens V. an der Ruhr,
während Philipp noch vor Ablauf der Frist aus ungeklärter
Todesursache verscheidet. Magie? Ausdruck der wirklichen, der
okkulten Macht des Templerordens?
Der Okkultismus hat es jedenfalls immer so gesehen und rückt davon
auch heute nicht ab. Der Alte Angenommene Schottische Ritus der
Freimaurerei verwendet die legendären letzten Worte »Vekam,
Adonai« bei seiner Einweihung in den 3. Grad, und auch viele
andere Organisationen zählen Jacques de Molay zu ihren geistigen
Ahnen: Rosenkreuzer, Neutempler, magische und mystische
Gruppierungen. Man sieht in den Templern die Hüter geheimer
Lehren, über die man zwar nichts Genaueres weiß (selbst wenn man
etwas anderes vorgibt), denen man aber auf jeden Fall gnostische
Ursprünge zuschreibt.
Möglicherweise zu Recht: Es hat den Anschein, als ob die Templer
ähnlich wie die Gnostiker den Erlösungscharakter des Kreuzestods
Christi in Frage stellten oder ihn sogar (insgeheim und nur innerhalb

63
ihrer eigenen Reihen) leugneten. Um die Deutung des Namens
»Baphomet« streiten sich nach wie vor die Gelehrten. Die
Vorschläge reichen von der vermuteten Verballhornung von
Mahomet (die damalige Schreiweise für Mohammed) bis zum
griechischen Baphe-Metis (»großer Kopf«), nach einem steinernen
Kopf, den man bei der Aushebung der Organisation in ihrem
Allerheiligsten gefunden haben will -und von dem die Legende
erzählt, daß er mit unsäglichen Riten, zu denen auch Knabenopfer
gehörten, zum Sprechen gebracht worden sein soll. Weniger
blutrünstig scheint die Deutung »Großer Vater« oder, diesmal in
Anlehnung an den berühmten »sprechenden Automaten« Papst
Sylvesters II., das Anagramm »Basileus-Phone-Mequist-T«, die
»mächtige Stimme Gottes«. Dreht man die zweite Lautfolge um, wie
das Kabbalisten ja gern tun, erhält man die Deutung Basileus-Ophis-
Mequist-T oder »die große Macht der Schlange« - eine zweifelsfrei
gnostische Symbolik. In okkulten Kreisen wird Baphomet darum
häufig mit Satan-Luzifer gleichgesetzt, womit er unter anderem das
Prinzip der Sinne, des Tabubruchs, der Orgiastik im Sinne der
libertinistischen Gnosis verkörpert.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Tempelritter langfristig
wußten, was auf sie zukam. Trotzdem leisteten sie keine Gegenwehr,
was ihnen doch ein Leichtes gewesen wäre. Ihre militärische und
wirtschaftliche Macht hätte sicher ausgereicht, um Philipp wie
Klemens notfalls binnen weniger Stunden zum Teufel zu jagen.
Schon Tage vor der Verhaftung ließ der Großmeister Bücher und
Dokumente des Ordens verbrennen, schaffte man das Pariser
Ordensarchiv beiseite.
Was sie an ketzerischem Tun gestanden, war ihnen unter der Folter
abgepreßt worden, weshalb die Geschichtsforschung später auch an
ihren Aussagen zu zweifeln begann. Die Vernichtung des Ordens
war übrigens längst nicht so total, wie König Philipp dies die
Regenten der restlichen christlichen Welt glauben machen wollte:
Weder in Spanien noch in Portugal oder in Schottland wurden die
Templer verfolgt, und wenn ihre Organisation auch aufgelöst war,
fanden die dortigen Ritter doch Zuflucht in anderen Orden, so etwa
bei den Deutschherren und den Johannitern, die auch teilweise ihren
Landbesitz übernahmen.
Nach allem, was man darüber weiß, war der Templerorden fast
identisch strukturiert wie der Orden der Assassinen und verwendete
sogar dieselben Farben: Rot und Weiß. Es läßt sich auch getrost

64
sagen, daß diese beiden Organisationen die gesamte damals bekannte
Welt beherrschten. So waren sie einander sehr viel ähnlicher als dem
sozialen Umfeld, dem sie eigentlich entsprungen zu sein schienen.
Tatsächlich fraternisierten die Templer gelegentlich auf dem
Schlachtfeld mit ihren islamischen »Gegnern«, halfen ihnen auch
schon mal gegen die Hospitaliter und nahmen schließlich sogar
muslimische Ritter in ihre Reihen auf - ein damals unerhörter Akt.
Niemand hat es bisher so treffend zusammengefaßt wie E. R.
Carmin:
»Diese Geschichte hat wahrhaftig eine ironische, fast amüsante
Seite, wenn man bedenkt, daß mit (vielleicht gar nicht so zufälliger
und katholisch motivierter) eifriger Fürsprache durch den später
heiliggesprochenen Bernhard von Clairvaux ein eigens nach Troyes
einberufenes Konzil 1128 einen christlichen Ritterorden installierte,
der einen islamischen Geheimorden kopierte, welcher selbst
wiederum gar nicht so islamisch war, wie es den Anschein hat.«
(Das schwarze Reich, S. 193)
Betrachtet man die den beiden Orden möglicherweise gemeinsame
gnostische Grundlage, kann ein solches Verhalten eigentlich nicht
mehr verwundern.
Wir werden das Geheimnis der Templer hier zwar nicht endgültig
lüften, aber es dürfte wenigstens deutlich geworden sein, daß es nicht
immer völlig falsch sein muß, wenn der Okkultismus ein ums andere
Mal behauptet, Hüter und Bewahrer uralter Traditionen zu sein. Wer
sich dies naiv als eine ununterbrochene historische Übertragungslinie
vorstellt, liegt natürlich falsch. Doch gibt es eben auch Gedanken,
Interessen, Anliegen und Utopien, die ganz offensichtlich nicht aus
der Welt zu schaffen sind. Zu ihnen fühlen sich immer wieder
Menschen hingezogen, die oft nicht mehr von ihnen (und
voneinander) wissen als eine schwache Ahnung, die Ahnung, daß
das, was es gibt, nicht genug sein kann.

Kreuzzug - gegen den Gral?


Wir vollziehen nun einen weiteren Zeitsprung, diesmal ins be-
ginnende 13. Jh. Wieder begeben wir uns dazu nach Frankreich,
genauer, nach Okzitanien. Dort, in der Gegend von Albi wie auch
anderswo, herrscht große Unruhe. Man begehrt gegen die
Bestrebungen des französischen Königs auf, mit päpstlicher Hilfe

65
seine Herrschaft über das Land zu festigen. Eine Wider-
standsbewegung entsteht, angeführt von den Grafen von Toulouse,
die sich wohl in erster Linie religiös begründet, zugleich aber von
hoher sozialrevolutionärer und politischer Sprengkraft ist: das
Albigenser- oder Katharertum.
Die katharische Kirche hatte ihren Ursprung in den oströmischen
Balkanprovinzen, wo die häretischen, gnostisch geprägten Sekten
der Bogomilen (auch: Bogumilen) und deren Vorläufer, die
Paulikianer, wirkten. Von dort gelangte ihr Gedankengut ins
nördliche Italien und nach Südfrankreich und erblühte dort zu dem,
was seither unter der Sammelbezeichnung »Katharer« oder
»Albigenser« geführt wird. Später sollte das Wort »Katharer« die
Urform für den deutschen Begriff »Ketzer« abgeben.
Die in Bulgarien beheimateten Bogomilen lehrten, daß der eine, gute
Gott einen aufsässigen Sohn hatte, nämlich Satan. Dieser schuf als
Akt der Auflehnung gegen seinen Vater die Erde und sogar einen
zweiten Himmel. Satan ist, wie schon früher mit dem einflußreichen

66
Gnostiker Marcion, mit dem Gott des Alten Testaments identisch.
Jesus wurde dagegen mit dem Erzengel Michael gleichgesetzt und
galt als Abgesandter und Verkörperung des göttlichen Logos. Sie
lehnten das Kreuz als Symbol eines Mordwerkzeugs ab und
bestritten jede weltliche Autorität.
Wenn sie auch weltliche Hierarchien verachteten, waren die
Bogomilen doch untereinander streng gegliedert. Es gab die
»Vollkommenen«, die »Hörer« und die »Gläubigen«. Für jede
Gruppe galten unterschiedliche Vorschriften, wobei den Voll-
kommenen die strengsten Auflagen gemacht wurden: Askese, die
Sicherstellung des Erhalts der Gemeinde und die Pflicht, zu
predigen. Somit waren sie die Seelsorger und »Apostel« der
Gemeinden und leiteten die Kirche.
Wie ein Lauffeuer breitete sich die Lehre dieser Sekte über
Südosteuropa aus, bis sie schließlich sogar Konstantinopel erfaßte,
wo ihre Anhänger freilich blutig verfolgt wurden, wenn sie sich nicht
zwangsbekehren ließen. Ein Schicksal, das die mit ihnen zwar nicht
identischen, aber eng verwandten Katha-rer ebenfalls ereilte.
Immerhin erreichten sie im 12. Jh. auch Südfrankreich, wo sie den
Anstoß zur Bildung einer okzitanischen Kirche gaben. Erste Spuren
des Katharismus finden sich zwar schon 1143 im rheinischen Köln,
doch sollte die Glaubensrichtung ihre stärkste Ausbreitung im
südlichen Frankreich und im nördlichen Italien erfahren.
Die Katharer predigten Besitzlosigkeit, völlige Enthaltsamkeit und
die Abstinenz von tierischen Nahrungsmitteln; letzteres deshalb, weil
das Fleisch nach ihrer Lehre aus dem Stoff abgefallener Engel
entstand. Fische jedoch waren, weil »wassergezeugt«, zulässig,
ebenso Wein. Drei Tage in der Woche wurde gefastet, dazu dreimal
im Jahr jeweils sechs Wochen lang zu Weihnachten, zu Ostern und
zu Pfingsten. Das Töten von Menschen war ihnen streng untersagt,
nicht einmal die Strafverfolgung galt ihnen als zulässig.
Des weiteren verwarf man jeglichen weltlichen Reichtum und
kritisierte die herrschende katholische Kirche auf der Grundlage
einer rigorosen Ethik der Reinheit und Sittlichkeit. Das Wort
»Katharer« leitet sich vom griechischen katharoi, die »Reinen«, ab -
und tatsächlich war es ihr Ziel, einer als unrein empfundenen Welt
die Ethik der göttlichen Natur entgegenzuhalten.
Nach manchen Wandlungen, in deren Zuge der Katharismus immer
schärfere dualistische Positionen entwickelte (wobei er allerdings im
Unterschied zu den meisten gnostischen Sekten den Gott Iraels aus

67
dem Alten Testament nicht mit dem Demi-urgen gleichsetzte), sah
sich Papst Innozenz III. im Jahre 1190 zu der Erklärung gezwungen,
die vom Katharismus im eigenen Land ausgehende Gefahr sei noch
schlimmer als die der Sarazenen im Äußeren. Nach erfolglosen
Versuchen der Remissionierung, die nicht zuletzt vom okzitanischen
Adel unter der Führung des auf seine Unabhängigkeit pochenden
Grafen von Toulouse unterlaufen wurden, spitzte sich auch der
politische Konflikt soweit zu, daß er schließlich in einen Krieg
mündete, den man zu Recht als den ersten echten Völkermord der
abendländischen Geschichte bezeichnet hat.
Es kommt zu drei »Albigenser-Kreuzzügen«, an denen sich
nordfranzösische Königstruppen und päpstliche Einheiten beteiligen:
1209, 1226 und 1243, als mit der Belagerung und Einnahme von
Montsegur der okzitanische Widerstand endgültig gebrochen wird.
In der Zwischenzeit wurde eine Institution ins Leben gerufen, die
aufgrund ihrer blutigen Verfolgungspraktiken den abendländischen
Okkultismus bis in unsere Tage erschüttern und mit Abscheu
erfüllen sollte: die »heilige« Inquisition, vom Dominikanerorden
gestellt, die später in »Kongregation für Glaubensfragen« umbenannt
wurde und unter dieser Bezeichnung noch immer tätig ist.
Im Zuge dieser Mordzüge wurden ganze Landstriche verwüstet,
Dörfer und Städte dem Erdboden gleichgemacht, eine Politik der
verbrannten Erde betrieben. In Toulouse, dem wichtigsten Zentrum
des okzitanischen Widerstands, wurden an einem einzigen Tag 60
000 Männer, Frauen und Kinder verbrannt oder niedergemacht, in
Beziers waren es an die 15 000.
Befragt, wie man denn bei der Einnahme einer Stadt die Ketzer von
den »Rechtgläubigen« unterscheiden solle, die schließlich immer
noch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung ausmachten,
antwortete der Fama zufolge der päpstliche Legat: »Tötet sie alle -
der Herr wird die Seinen schon erkennen.« Und so geschah es auch.
Mit dem Fall von Montsegur, das von wissenschaftlichen wie
okkultistischen Forschern häufig mit der Gralsburg »Munsal-
wäsche« oder »Munsalvatsch« (frz. Montsalvage, »Berg der
Erlösung«) in Wolfram von Eschenbachs Parzival gleichgesetzt
wird, war auch der letzte Damm gebrochen. Nunmehr waren die
Katharer einer durch nichts mehr zu bremsenden Verfolgung
ausgesetzt. Die Katharer praktizierten die »Geisttaufe« durch
Handauflegen, das consolamentum, bei der der Seele des Gläubigen
ihre göttliche Herkunft bestätigt wird. Das ist keineswegs

68
selbstverständlich, denn die Menschen sind, dem ka-tharischen
Dualismus entsprechend, streng zweigeteilt. Der gute und der böse
Gott verfügen jeweils über ganze Heerscharen von Engeln und
Dämonen. Diese fahren auf die Erde herab, um hier den Kampf
zwischen Gut und Böse zu führen. Im Laufe dieses Abstiegs
unterliegen sie jedoch dem Vergessen, so daß sie, nachdem sie sich
erst einmal als Menschen verkörpert haben, nicht mehr wissen - und
auch nicht sicher wissen können -, welcher Herkunft sie sind.
Konsequenterweise wird dazu auch die Lehre von der
Seelenwanderung übernommen oder aufs neue entwickelt.
Allerdings auch dies auf eine für den Katharismus eigentümliche
Weise: Während die im Leib und in der Welt eingekerkerten guten
Seelen ihrer Verbannung durch stete Höherentwicklung und
verfeinerte Verkörperung entfliehen, steigen die bösen Seelen im
Laufe der Zeit in immer niedrigere Existenzformen herab.
Schließlich sei noch jener Ritus erwähnt, der die Katharer wohl
berühmt gemacht hat wie kein zweiter, obwohl er eigentlich nur den
perfecti oder »Vollkommenen«, also den Leitern ihrer Religion,
vorbehalten war: die endura. Es handelt es sich dabei um den
kultischen Freitod. Ursprünglich bezeichnete das Wort nur das
Fasten als Vorbereitung auf das consolamentum -später bedeutet er
den Suizid durch freiwilliges Verhungern. Kein Selbstmord aus
Verzweiflung, sondern der freudige Abschied von einer durch und
durch verworfenen Welt.
Es sind zahllose Fälle belegt, in denen Vollendete, den sicheren Tod
vor Augen, die Begnadigung um den Preis der Abkehr von ihrem
Glauben verweigerten, so daß ganze Scharen von Katharern sich
lieber singend und Gott lobpreisend in die Flammen stürzten als zu
widerrufen. Brumlik weist darauf hin, daß die Katharer wohl vor
allem deshalb ein Mythos umgebe, weil ihre Geschichte unbekannter
wirke, als sie tatsächlich sei (Die Gnostiker, S. 195). Sicher haben
sie Anlaß zu mancher Spekulation geboten. Und man hat eine Menge
in ihre Bewegung und Geschichte hineininterpretiert, was von der
akademischen Forschung nur in mühsamer Kleinarbeit widerlegt
werden konnte: Sozialisten, Darwinisten, Nationalisten, Faschisten,
ja sogar romfeindliche radikale Anglikaner haben das Bild vom
Katharer ihrer eigenen Vorstellung beschworen. Mal wird das
katharische Ideal der Besitzlosigkeit, ihre Ablehnung der starren
Regeln der sie umgebenden mittelalterlichen Feudalherrschaft als
Vorläufer kommunistischer Gesellschaftsordnung gefeiert; mal sind

69
sie die Urahnen provenzalischer Separatisten; dann sollen sie
wiederum »von den Bogomilen christianisierte Druiden« gewesen
sein, Westgoten zumal - arisch reinrassige Hüter des Grals und
seiner Minnekirche.
Auch eine Verbindung zu den Templern, die sich übrigens aus den
Albigenser-Kreuzzügen heraushielten, wird gern behauptet. Tatsache
ist, daß viele Katharer bei Templern Zuflucht fanden, wie es auch
zahlreiche Tempelritter katharischer Herkunft gab. Viel mehr als
dies läßt die akademische Forschung allerdings nicht gelten.
Doch der Okkultismus hat sich selten wirklich um historische
Authentizität geschert. Im Reich der Ideen (und wo sollte Magie,
sollte Metaphysik sonst ihre Gültigkeit haben?) ist die Ein-
bildungskraft eben eine reale, formgebende Energie. Wenn sie nur
stark genug ist, ist sie von der Wirklichkeit nicht zu unterscheiden,
macht sich diese sogar Untertan.
Besonders der deutsche Dichter Otto Rahn hat 1933 mit seinem
Werk Kreuzug gegen den Gral die Phantasie angeregt und die
Gemüter entflammt. Es wird noch heute viel gelesen. Weniger
bekannt ist die Tatsache, daß er einige Jahre später auf Geheiß
Heinrich Himmlers als Mitglied der SS-Organisation Ahnenerbe im
Reichsauftrag in den Languedoc entsandt wurde, um dort nach dem
Verbleib des Grals zu forschen. Sein Bericht Luzifers Hof gesind.
Eine Reise zu Europas guten Geistern wird dementsprechend von
Historikern als »typisches Dokument der SS-Mentalität« gewertet.
Das mag wohl sein. Tatsache ist aber auch, daß Rahn unter bis heute
noch nicht ganz geklärten Umständen im Jahre 1939 ums Leben kam
- nur drei Tage vor seiner Hochzeit, zu der sich kein geringerer als
der Reichsführer-SS Heinrich Himmler persönlich angesagt hatte.
Die Gerüchte um das »wahre Geheimnis« der Templer und der
Katharer wollen auch im ausklingenden 20. Jh. noch nicht
verstummen. Spekulation und bloßer Mutmaßung stehen Tür und
Tor offen, Folklore vermischt sich mit wissenschaftlichen Thesen,
vieles ist sicher reines Wunschdenken - ein Wahngebilde, so
flüchtig, wie Mythen es eben sein können. Aber vielleicht hat es ja
auch wie diese trotzdem einen wahren Kern?
Wer sich mit der Geschichte des späteren Okkultismus befaßt, wird
den Templern und den Katharern immer wieder begegnen -
zumindest aber ihrer Spur. Das von ihnen überreichlich vergossene
Blut mag längst im durstigen Erdreich der Geistesgeschichte
versickert sein, vergessen ist es nicht. Noch heute wird in vielen

70
okkulten Logen der Todestag des Jacques de Molay feierlich
begangen, beschwört man den Geist der Katharer herauf, fühlt man
sich ihrem Erbe rückhaltlos verpflichtet.
Und auch in ihrer provenzalischen Heimat gedenkt man ihrer. Wer
sich in Okzitanien ein wenig auskennt und die Augen offenhält, wird
immer wieder an historisch bedeutsamen Stätten, die mit dem
katharischen Martyrium oder dem der Templer in Zusammenhang
stehen, mal einen verstohlenen Blumenstrauß, mal eine unscheinbare
Kerze entdecken, mit denen ihre Erinnerung wachgehalten wird.
Nach neuestem Stand der akademischen Forschung hat es auch
deutliche, wiewohl bisher nicht in jedem Fall beweisbare
gegenseitige Beeinflussungen zwischen dem Judentum des frühen
Hochmittelalters und den Katharern gegeben. Das älteste erhaltene
Werk der jüdischen Kabbala, das Buch Bahir, wurde um 1180 in der
Provence veröffentlicht. Es herrscht auch Einmütigkeit darüber, daß
die Katharer in scharfem Gegensatz zu dem damals im
Katholizismus gängigen (aber auch gnostischen) Antijudaismus
standen. Hierüber ist sicher das letzte Wort noch nicht gefallen, aber
es bietet uns eine willkommene Überleitung zum nächsten Kapitel,
in dem wir uns der Zauberkunst der Renaissance widmen wollen, die
nicht zuletzt im Zeichen der Kabbalistik steht.

71
»Die Grammatik der Magie«
Zauberkunst der Renaissance

Bevor wir uns eingehender mit den drei herausragenden Merkmalen


des Okkultismus der Renaissance befassen, nämlich der jüdischen
Kabbala, der Alchemie und jenen Überresten eines heidnisch-
vorchristlichen Schamanismus, denen man eher schlecht als recht
das Etikett »Hexenkult« verliehen hat, dürfte ein kleiner Abstecher
in die Geisteswelt des Übergangs vom Spätmittelalter zur
Renaissance aufschlußreich sein.
Zwei Ereignisse prägen aus heutiger Sicht diese Epoche: die
Entdeckung Amerikas und die Reformation. An der Hexenver-
folgung änderten beide nichts, im Gegenteil: Die Folterung und
Verbrennung von Hexen wurde in den reformierten, also prote-
stantischen Ländern zum Teil noch heftiger betrieben als unter dem
Terrorregime der Inquisition. Diese Blutspur zieht sich durch die
gesamte Renaissance bis tief ins 18. Jh. hinein: Erst 1782, ein Jahr
nach Erscheinen von Kants Kritik der reinen Vernunft, mitten im
Zeitalter der Aufklärung, wird im schweizerischen Glarus die letzte
Hexe hingerichtet.
Doch der Kampf gegen die Volksmagie kann weder diese noch ihre
gebildete Schwester, die Gelehrtenmagie, ausrotten. Man wird
vorsichtiger - kein Zauberbuch, das nicht im Namen der Hl.
Dreifaltigkeit immer wieder betont, wie sehr es ihm doch nur um
»Aufklärung« über das böse Unwesen der Magierzunft geht. Oder
man gibt sich »weißmagisch« und gaukelt vor, mit den geschilderten
Zauberpraktiken Satans Macht und die seiner höllischen Heerscharen
brechen zu wollen. Und während die Conquistadoren ad maiorem
dei gloriam die Ur-bewohner der Karibik, Mittel- und Südamerikas -
immerhin damals ein Viertel der Weltbevölkerung - um 90 %
reduzieren, teilweise mit dem Schwert, viel häufiger durch einge-
schleppte Seuchen (übrigens die erste große »biologische
Kriegsführung« der Weltgeschichte), um den spärlichen Rest zu
versklaven und mit Brandfackel und Bibel nebenbei auch noch zum
Christentum zu bekehren, erscheint ein grimoire ums andere. So
viele sogar, daß sie ihren Weg bis in die besagte Karibik finden, wo
die kreolisch sprechenden Voudoun Houngans, wir erwähnten es
kurz, bei ihren Ritualen noch heute Textfragmente aus
altfranzösischen Zauberbüchern rezitieren, als hätten sie sie schon

72
als Sklaven aus Afrika mitgebracht.
Das altfranzösische grimoire (verdeutschter Plural: Grimoa-rien)
bedeutet in seiner Funktion »Zauberbuch«, leitet sich aber von
grammaire oder »Grammatik« ab. Und um eine »Grammatik der
Magie« ging es den Gelehrten der Renaissance tatsächlich - nämlich
im Sinne einer Reglifizierung dessen, was seitdem als »okkulte
Wissenschaften« bezeichnet wird.
Die Zeit der Kreuzzüge hatte den europäischen Adel politisch
gestärkt zurückgelassen, zumindest was seine Position gegenüber
Kirche und Papsttum betraf. Die Entwicklung der Städte machte
rasante Fortschritte und mit ihr auch das Bildungswesen. Nachdem
die Hoch-Zeit der Scholastik ausgeklungen war, besann sich Europa
zunehmend seiner geistigen Wurzeln. Es waren die Araber, die zu
ihrer eigenen Blütezeit ein reges Interesse an Wissenschaft und
Philosophie der alten Völker entwickelten. Die von westlichen
Intellektuellen so gepriesene islamische Toleranz bleibe hier einmal
dahingestellt, doch ist es eine Tatsache, daß das Erbe der Antike
wohl gänzlich verlorengegangen wäre, hätte nicht eine Vielzahl von
Texten aus dem Arabischen rückübersetzt werden können.
Der unruhige Geist der Forschung war nicht mehr zu bremsen. Doch
die ordnenden Schemata der hl. Mutter Kirche ließen sich nicht so
ohne weiteres beiseite schieben - was übrigens gar nicht unbedingt
beabsichtigt war. Irgend etwas mußte die Gesellschaft ja
zusammenhalten, und so fand man sich mit klerikaler Zensur nicht
etwa nur zähneknirschend ab, sondern kam selten auf den Gedanken,
daß es anders vielleicht besser sein könnte.
Die Zauberbücher dieser Zeit schildern - wie es Zauberbücher schon

73
immer getan haben - die Verhältnisse der Geisterwelt und liefern
entsprechende Verhaltens- und Benimmregeln dazu. Die darin
beschriebenen Höllenwelten sind ein recht präzises Spiegelbild der
damaligen Gesellschaftsstruktur: Da gibt es denn Höllenfürsten, die
über Höllengrafen regieren, die wiederum über Höllenbarone
herrschen, die wiederum ... usw. Und alles hat seine Ordnung: Selbst
das schuppigste Ungeheuer, der menschenmordenste Moloch von
einem jenseitigen Teufelsdiener hat seinen Namen, seine
Zahlenzuordnung, seine Vorlieben und Abneigungen - und natürlich
seine Ängste. Will man einen solchen Gesellen herbeizitieren,
bedient man sich der altbewährten Mittel der Erpressung und der
Nötigung. Daran sollte sich bis ins 20. Jh. nichts ändern. Wird der
Dämon frech, droht man ihm eben, seine sicherheitshalber eigens zu
diesem Zweck vorbereitete, auf Jungfernpergament gemalte Sigil zu
verbrennen. Und man beruft sich auf seinen Chef, ob dieser nun
Belial heißen mag oder Jesus Christus: Im Schulterschluß mit den
Mächtigen wird man eben auch selbst bemächtigt.
Das ist freilich so neu nun auch wieder nicht, denn schon die alten
Ägypter konnten sich den Umgang mit Geistern nur als Abbild ihrer
eigenen sozialen Wirklichkeit vorstellen, und so schimpften sie mit
ihnen wie die Rohrspatzen, drohten ihnen mit Entzug ihrer
Lebensgrundlage. Auch in schamanischen Kulturen kennt man das
Prügeln und Durchwalken ungehorsamer Fetische, und das
geflügelte Wort von der römischen Religiosität als nüchternes do ut
des ist ebenfalls wohlbekannt.
Wir wollen uns auf unserer Zeitreise durch diese Epoche bei drei
beispielhaften Gestalten einladen, die aus der Schar ihrer Kollegen
so weit herausragen, daß nach ihnen heute noch die Straßen und
Plätze unserer Städte benannt werden, ebenso wie Institute,
Universitäten und Stiftungen. Es sei die Rede von Theophrastus
Bombastus Paracelsus von Hohenheim, von Agrippa von Nettesheim
sowie vom kürzesten Namen in unserer Reihe, John Dee, hinter dem
sich erwartungsgemäß auch der größte Denker unter diesen Dreien
verbirgt.

Agrippa von Nettesheim (1486-1535)


Ganz so kurz ist Agrippas vollständiger Name nun auch wieder
nicht, erfahren wir von ihm. Eigentlich heißt er Henricus Cornelius
Agrippa und stammt aus Köln. Er studiert Theologie und promoviert

74
zum Doktor der Rechte und der Medizin. Seinem gewaltigen Werk
De occulta philosophia verdanken wir die Ableitung »Okkultismus«.
Als echter Universalgelehrter interessiert er sich natürlich
gleichermaßen für Kabbala, Astrologie und Magie, wie er sich auch
mit dem Neuplatonismus beschäftigt. So gelangt er schon zu
Lebzeiten in den Ruf einer Koryphäe auf dem Gebiet der
Geheimlehren.
Es bleibt nicht aus, daß man einem so berühmten Mann gern das eine
oder andere unterschiebt, was man anders nicht so leicht unter die
Leute brächte, und so erweitert ein unbekannter Wohltäter sein Werk
um ein weiteres Buch über Beschwörungsmagie, das aber nicht aus
seiner Feder stammt (und mit dem er auch lieber nichts zu tun
bekommen hätte).
Da die Nachwelt nicht immer in solchen literarischen Feinheiten
versiert ist, nimmt sie gleich das ganze Werk in Anspruch - seitdem
gilt Agrippa eben auch als großer Praktiker der Zauberkunst, der er
wohl in Wirklichkeit kaum gewesen sein dürfte.
Er ist in erster Linie kompilatorisch tätig, und wer sein heute noch
aufgelegtes Werk durchliest, erhält einen recht genauen Einblick in
die meisten Bereiche dessen, was sich - nicht immer ganz korrekt -
als »hermetische Tradition« bezeichnet. Immerhin ist er einer der
ersten, der nicht nur die jüdische, sondern auch die ägyptisch-
griechische Geheimtradition aufarbeitet. Er wendet sich energisch

75
gegen den Hexenwahn seiner Zeit und bringt die Inquisition gegen
sich auf, als er zu Metz eine
Hexe so brillant verteidigt, daß sie freigesprochen werden muß -
wirklich unerhört! Wegen seines erwähnten Werks landet er um ein
Haar selbst auf dem Scheiterhaufen, weil ihn die nimmermüde
Inquisition der schwarzen Magie bezichtigt.
Diplomatisch ist er nicht gerade: 1527 erscheint eine bissige Satire
über Unsicherheit und Eitelkeit der Wissenschaft seiner Zeit, worin
er scharf mit den selbstgefälligen Wirklichkeitsverwaltern am
Katheder und auf der Kanzel ins Gericht geht. Rabelais widmet ihm
später die Figur des Herrn »Trippa« in seinem Pantagruel, Papst Leo
X. nennt ihn einen »sehr treuen Bruder«. Er genießt immer wieder
die Protektion von hochgestellten Herrschaften. So schlägt ihn
Kaiser Maximilian I. zum Ritter, und er wird Leibarzt der Mutter
von Franz I.
Für Agrippa ist der Kosmos dreigeteilt, und für jede der sich daraus
ergebenden Welten gibt es auch eine eigene Magie: die physische,
die astrale und die religiöse. Die Magie sieht er, ganz Theologe, als
Mittel zum Zugang der höheren Welten. Letztlich dient sie der
Gotteserkenntnis.
Als Agrippa in Grenoble stirbt, hat er mit seinem Werk Zeichen
gesetzt und ein gutes Stück daran mitgewirkt, die Kritik am
Hexenwahn weiterzuentwickeln, auch wenn es noch lange dauern
wird, bis die Glut der Scheiterhaufen vorläufig erlischt.

Paracelsus(1493-1541)
Paracelsus' genaues Geburtsdatum
ist nicht gesichert, und auch über
seinen Namen herrscht Unklarheit.
Zwar ist man sich einig, daß er
Theophrast Bombast von
Hohenheim heißt, doch das
»Paracelsus« gibt den Forschern
noch Rätsel auf. Lange Zeit ging
man davon aus, daß er damit »über
Celsus hinaus« meinte, eine An-
spielung auf den berühmtesten Arzt
der Antike, den Hohenheim

76
angeblich zu übertreffen gedachte. Das würde zwar zu seinem nicht
gerade unter übertriebener Bescheidenheit leidenden Wesen passen,
doch er selbst erwähnt Celsus in seinen Schriften überhaupt nicht.
Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, daß es sich dabei tatsächlich um
die gräko-latinisierte Form seines Nachnamens handelt (Celsus,
»hoch«, para, »neben, bei, hier« im Sinne von »Heim«). Gebürtig
war er wohl im schweizerischen Einsiedeln. Schon sein Vater war
Arzt und entstammte einem alten schwäbischen Adelsgeschlecht.
Wie Agrippa führt auch Paracelsus ein bewegtes Leben und macht,
wie er uns nun erzählt, unter
anderem damit Furore, daß er seine
Vorlesungen teils auch auf deutsch
statt lateinisch abhält. Seine lieben
Kollegen sind gebührend entsetzt.
Um 1555 erwirbt er in Ferrara den
Doktortitel, danach beginnt er
seine »Große Wanderung« (ca.
1516-ca. 1524) durch Europa, wäh-
rend derer er auch als Feldarzt in
verschiedenen Kriegen tätig ist.
Wir begleiten ihn 1527 nach Basel,
wo er an der Universität lehrt und
zugleich als Stadtarzt fungiert, bis
er sich mit der örtlichen
Ärzteschaft, den Apothekern und
dem Stadtrat überwirft und schon
im nächsten Jahr die Stadt
fluchtartig verlassen muß.
Dergleichen wird noch öfter
vorkommen: Paracelsus ist ein
streitlustiger Mann, der auch gut
auszuteilen weiß.
Zwischen 1520 und 1522 verfaßt
er eine der frühesten be-
rufsmedizinischen Abhandlungen,
die Schrift über die »Bergsucht«,
in der er ausführlich die Berufskrankheiten der Bergleute schildert.
Das Werk wird allerdings erst 1567 posthum veröffentlicht. Er
beschäftigt sich eingehend mit Destillationstechniken zur
Gewinnung des wirksamen Anteils einer Arznei und entwickelt das

77
noch heute in Teilen der Naturheilkunde benutzte Konzept von den
Archidoxen oder Medikamenttypen (Quintessenzen, Arkana,
Magisteria, Elixiere u. a.).
Er schlachtet so manche heilige Kuh: Hat sich das erst 1514 aus
Mittelamerika eingeführte »Wunderholz« Guajak gerade rasend
schnell als Mittel gegen die Syphilis durchgesetzt, kritisiert er dies
schon 1529 und 1530 in zwei medizinischen Schriften. Von ihm
stammt auch die Ergänzung der beiden klassischen alchemistischen
Elemente (genauer: Aggregatzustände) sulphur (Schwefel, das
feurige Prinzip) und mercurius (Quecksilber, das flüchtige Prinzip)
durch sal (Salz, das feste Prinzip), womit er entscheidenden Einfluß
auf die Alchemie ausübt. Und um sein Konzept von diesen drei
»ersten Substanzen« (Tria prima) zu veranschaulichen, bietet er uns
auch gleich ein passendes Beispiel an:
»nun die ding zu erfaren, so nempt ein anfang / vom holz, dasselbig
ist ein leib; nun laß / brinnen, so ist das da brint der sulphur, das / da
raucht der mercurius, das zu eschen wird sal.« (nach Benzenhöfer, In
allen Bereichen ..., S. B-514b)
Krankheiten stellen eine Störung des Gleichgewichts dieser
Prinzipien im Menschen dar - eine Sichtweise, die sich noch zu
einem wahren »Markenzeichen« der paracelsischen Medizin
entwickeln wird.
In den beiden Bänden seiner noch zu Lebzeiten gedruckten
Wundartzney (1536) befaßt er sich neben der handwerklichen Seite
der Chirurgie auch mit Desinfektion und der magischen Heilung
durch Besprechungen oder bestimmte Steine. Das trägt ihm später
bei vielen Gegnern den Ruf des Schwarzmagiers ein.
Magisch durchdacht ist auch seine berühmte »Signaturenlehre«,
derzufolge man vom Äußeren einer Pflanze Auskunft über ihre
Heilwirkungen bekommen konnte. Sein monumentales Werk
Astronomia Magna oder Philosophia sagax der großen und kleinen
Welt bleibt allerdings Fragment.
Seine Zeitgenossen schätzen ihn eher als Astrologen denn als Arzt,
jedenfalls werden seine zwölf astronomisch-mantischen Schriften
noch zu Lebzeiten mehrfach aufgelegt. Im Gegensatz zur gängigen
Betrachtung der sogenannten Jahreseingangskonstellation, die das
Erstellen von Horoskopen nur zu Jahresbeginn vorsieht und von den
meisten seiner Kollegen praktiziert wird, betont Paracelsus die
Bedeutung der Fernwirkung der Planetenkonstellationen und
ermöglicht somit eine dynamische Himmelskörperbetrachtung. Er

78
geht dabei von einem »siderischen Teil« des Körpers aus, der aus
Luft und Feuer besteht, und einem »elementischen Teil«, der sich
aus Erde und Wasser zusammensetzt. Dementsprechend erklärt er
Spukphänomene auch als das »Umgehen«, also die Wahrnehmung
des siderischen Teils, der sich vom elementischen eines im starken
Affekt gestorbenen Toten gelöst hat, aber ebenso vergänglich ist wie
dieser. Es ist also keine »Seele« mehr, die da umgeht, sondern nur
noch eine feinstoffliche Larve. 300 Jahre später finden wir ganz
ähnliches Gedankengut in der Theosophie mit ihrem Konzept vom
»ätherischen Doppel« und dem
»Astralleib«.
Es gibt für Paracelsus eine
hierarchisch gegliederte Schöp-
fung, in der der Mikrokosmos in
den Makrokosmos eingebettet ist
und die Kräfte des Firmaments
physisch wie psychisch auf den
Menschen einwirken und seinen
Charakter formen, ihn zu
Handlungen zwingen und ihm
Zeichen setzen.
Dafür hat der Mensch den
göttlichen Auftrag, unter anderem
auch mit Hilfe der Magie seine
Erkenntnisfähigkeit zu entwickeln.
Paracelsus ist übrigens der erste,
der die Suggestivwirkung oder
Imagination beschreibt. Diese
begreift er als ein geistiges Bild,
das zu seiner Verwirklichung
freilich noch der Zustimmung des Menschen bedarf - eine Ansicht,
wie sie noch heute unter Wissenschaftlern gängig ist. Doch
Paracelsus geht noch weiter: Diese imagines (geistigen Bilder)
brauchen außerdem noch einen materiellen Grund, auf dem sie
ausgeführt werden müssen. Das kann der Körper eines anderen
Menschen sein, der Fötus einer Schwangeren oder auch eine
räumlich weit entfernte Person.
Darüber hinaus verfaßt er (zu Lebzeiten allerdings unveröffentlichte)
theologische, philosophische und sozialethische Schriften, die
teilweise erstaunlich modern, ja radikal anmuten.

79
So fordert er die Abschaffung der Todesstrafe, des Krieges und des
Eides und kritisiert den Dünkel der Standesherren; gleichzeitig
entwickelt er Vorstellungen von einer gerechteren Teilung des
Arbeitsertrags und der Dienstverpflichtung in Notstandszeiten.
Er ist ein Anstoßgeber und Vordenker auf vielen Gebieten: Die im
17. Jh. entwickelte Iatrochemie (s. Kap. über Alchemie) verdankt
ihm ihre Existenz und löste schließlich die Lehre von den Säften ab,
die man über Hunderte von Jahren für Erkrankungen verantwortlich
machte. Daraus wird schließlich die moderne Arzneimittellehre
werden.
Es heißt, daß er 364 Werke verfaßt hat, die zum Teil noch heute
nicht veröffentlicht sind. Viele Dichter haben über ihn geschrieben,
viele Ideologen versuchten, sich seiner zu bemächtigen (so auch im
Dritten Reich) und ihn für ihre Zwecke einzuspannen. Der
Okkultismus schätzt ihn nach wie vor als einen seiner großen Ahnen.
Seinen aufrührerischen Geist, der nichts Gegebenes ungeprüft
hinnehmen mochte, sein nie ermattender Kampf gegen die
Autoritäten seiner Zeit, gegen behäbige Selbstzufriedenheit und
Dummheit, sowie seine ungebremste Forschungslust gelten noch
heute als vorbildlich.
Und vieles von dem, was heute unter Esoterikern als selbst-
verständlich gilt, hat seine Wurzeln im Werk des Paracelsus und
wirkt über seine unzähligen Anhänger, Schüler und Nachahmer
weiter. Nach landläufiger Meinung verdankt ihm die Welt letztlich
auch die Homöopathie Hahnemanns, die nur auf der Grundlage der
parcelsischen Erkenntnis dosis facit venemum (»Die Dosierung
entscheidet über die Giftigkeit [eines Mittels]«) entstehen konnte.

80
John Dee( 1527-1608)
Über den gebürtigen Waliser John Dee ist schon viel geschrieben
worden. Gustav Meyrink widmete ihm und seinem Leben einen
ganzen - nach Meinung vieler Kritiker sogar seinen besten - Roman:
Der Engel vom westlichen Fenster. Zu seinem Vermächtnis gehörte
nicht nur ein Standardwerk der Navigation, das von der britischen
Seefahrt noch 100 Jahre nach seinem Tod verwendet wurde, sondern
auch ein eigenes System der okkulten Engelsbeschwörung, die
»Henochische Magie«, die vor allen von den Adepten der Golden
Dawn Ende des 19. Jh. aufgegriffen und von Aleister Crowley
propagiert und erweitert werden sollte.
Dee begann seine Karriere an der Universität Cambridge, um danach
weite Teile Europas zu bereisen. Er studierte in Löwen, las in Paris
über Euklid und fungierte von 1551 bis 1553 als Privatlehrer von
Robert Dudley, dem späteren Earl of Leicester, der ihn zeit seines
Leben bei Hof protegierte. Sogar ihrer Majestät Elisabeth I. erteilte
Dee Unterricht in Astrologie. Als diese den Thron bestieg, erhielt er
den Auftrag, einen astrologisch günstigen Termin dafür zu
berechnen, wie er denn überhaupt in seiner Funktion als
Hofastrologe zu großer Berühmtheit gelangen sollte.
Freilich war er noch viel mehr als das. Die Gelehrten seiner Zeit
schätzten ihn vor allem als Mathematiker, Astronom und
Philosophen. Als seine okkulten Interessen nach seinem Tod einer
breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht wurden, war dies ein
regelrechter Schock, der sein Ansehen für Jahrhunderte beflecken
sollte (ganz ähnlich beschäftigt sich die heutige Physik nur ungern
mit der okkult-magischen Seite des Isaac Newton, weil diese einfach
nicht in ihr Weltbild paßt).
Dee war mit vielen tonangebenden Gelehrten seiner Zeit bekannt. In
Prag, wo er sich des öfteren am Hof von Rudolf II. aufhielt, ist er
möglicherweise auch Giordano Bruno begegnet. Zu den wichtigsten
Einflüssen, die er aufnahm und verarbeitete, gehörten unter anderem
die Werke von Roger Bacon (1214-94), von Pico della Mirandola
(1463-94) und die des bereits erwähnten Agrippa. Von großer
Bedeutung war für Dee auch die philosophische Schule des Marsilio
Ficino (1433-99), der in Florenz die von den Medicis geförderte
»Platonische Akademie« geleitet hatte und selbst als »zweiter
Platon« gefeiert wurde. Ficinos Verdienst bestand nicht zuletzt aus
der Wiederentdeckung des alexandrinischen Corpus Hermeticum,

81
das er, ebenso wie die Schriften Platons, ins Lateinische übersetzte.
Man glaubte damals, daß die hermetischen Schriften noch älter seien
als die der Platoniker, daß diese sogar ihre Anregungen daraus
bezogen hätten - um so geachteter waren sie natürlich.
Das bedingte eine generelle Aufwertung der Magie und des
Okkultismus überhaupt, der sich Dee ebensowenig entziehen mochte
wie die meisten Gebildeten seiner Epoche. Hoffähig gemacht
wurden diese ihrem Wesen nach doch eher heidnischen Elemente
durch eine verstärkte Christianisierung, in deren Zuge Pico della
Mirandola beispielsweise zu Recht für sich beanspruchen durfte,
Begründer einer »christlichen Kabbala« zu sein.
Dees Bibliothek umfaßte an die 4000 Bücher und Manuskripte - es
war die größte ihrer Zeit und übertraf bei weitem die der
Universitäten von Oxford und Cambridge. Von ihm stammte auch
der Gedanke zur Gründung einer englischen Nationalbibliothek, den
er jedoch nicht sofort umsetzen konnte.
Die Tatsache, daß er zu den gelehrtesten Köpfen seiner Epoche
gehörte, bewahrte ihn freilich nicht vor Anklagen wegen Ketzerei
und Zauberei - ebensowenig wie Giordano Bruno, den diese
allerdings das Leben kosten sollten. So wird Dee unter dem Verdacht
der Majestätsbeleidigung und der Hexerei sogar einmal kurzzeitig
eingesperrt.
Sein Einfluß auf die englische Außenpolitik war beträchtlich, auch
wenn er eine Weile brauchte, um sich bei Hof durchzusetzen. Er

82
empfahl den Aufbau einer starken englischen Seemacht - einerseits
als Gegengewicht gegen Spanien, zum anderen aber auch für
Erkundungsfahrten nach Übersee, wo es, vor allem in Nordamerika
und Grönland, neue Ländereien zu entdecken und zu erobern galt.
Solche kostspieligen und ehrgeizigen Pläne, die bei der Königin
ohnehin zunächst auf taube Ohren stießen, verschafften ihm viele
Neider und Feinde. Sein selbstbewußtes, manchmal schroffes
Auftreten tat ein Übriges: Schon 1563 bezichtigt ihn John Fox, ein
»großer Zauberbeschwörer« zu sein - was ja sogar stimmte, für Dee
aber echte Lebensgefahr bedeutete.
Sieben Jahre später siedelte Dee sich in Mortlake an, wo er ein
alchemistisches Labor einrichtete und navigationstechnische
Experimente unternahm. Dort suchte ihn 1582 Edward Talbot alias
Edward Kelley (1555-97) auf und bot ihm seine Dienste als Seher
und Medium an. Dee experimentierte gerade mit der Zukunftsschau,
verfügte aber nach eigenem Bekunden nicht über seherische
Fähigkeiten. Anders Kelley: Er erwies sich als hochbegabt, und so
verbrachten die beiden jede freie Minute mit ihren Beschwörungen
der Engel und Geister.
Edward Kelley, von dem die Fama weiß, daß er zwar Advokat war,
aber offenbar auch ein überführter Verbrecher (jedenfalls hatte man
ihm beide Ohrläppchen abgeschnitten: das typische Stigma des
Verurteilten, von dem der heute noch gängige Ausdruck
»Schlitzohr« herrührt), hatte seinen John Dee lange Zeit fest im
Griff. Schließlich war er ja das Medium, nur durch ihn teilten die
Engel sich Dee mit - und er erbrachte auch durchaus respektable
Leistungen. So offenbarte er Dee unter anderem eine eigene Sprache,
das »Henochische«, welche nicht nur ein recht umfangreiches
eigenes Vokabular aufweist, sondern sogar über eine rudimentäre
Grammatik verfügt, die freilich große Ähnlichkeit mit dem
Englischen hat. Durch die von der Golden Dawn und auch von
Aleister Crowley im 19. Jh. begründete Tradition wird sie noch in
unseren Tagen gern von Zeremonialmagiern benutzt.
Als der polnische Fürst Laski 1583 in England zu Besuch weilte und
zu einer dieser Sitzungen eingeladen wurde, war er so begeistert, daß
er die beiden Zauberer samt Familienanhang nach Krakau mitnahm.
Während seiner Abwesenheit plünderte eine wahrscheinlich von
Dees Feinden angestachelte Menschenmenge das Anwesen
Mortlake, zerstörte den Wohntrakt und vernichtete einen Teil der
unschätzbaren Bibliothek sowie mehrere Laboratorien.

83
Ein Jahr später reisen Dee und Kelley nach Prag an den Hof von
Kaiser Rudolf weiter - damals ein wahrer Tummelplatz für
Alchemisten, Kabbalisten, Magier und Astrologen. Es gab dort sogar
eine eigene »Zeitschrift für Magier«, in der Dee auch die
Anfertigung eines neuartigen magischen Spiegels bekanntgab.
Doch das nützte ihm nichts: Auch hier geriet er ins Netz katholischer
Intrigen, die ihn als Spion verdächtigten, und wurde 1586 des Landes
verwiesen. Nun begann eine Wanderschaft, die ihn nach Erfurt,
Kassel, Trebona und Krakau führte, bis er schließlich, Kelley in
Böhmen zurücklassend, 1589 nach England zurückkehrte.
Dort hatte sich die Lage für ihn inzwischen eindeutig verdüstert. Alte
Protektoren waren gestorben oder in Ungnade gefallen, während
seine Feinde die Zeit seiner Abwesenheit dazu genutzt hatten, ihren
Einfluß bei Hof auszubauen und ihn nachhaltig zu desavouieren.
Man bezichtigte ihn hochverräterischer Absichten, und er mußte
außerordentlich vorsichtig lavieren, um seinen Gegnern keinen
Vorwand zu liefern, ihn ein für alle Mal zu beseitigen.
Königin Elisabeth konnte es sich nicht mehr erlauben, Dee öffentlich
zu unterstützen, zumal die allgemeine Stimmung inzwischen
jeglicher Schwarzkunst abhold war. So gewährte sie ihm nicht die
gewünschte Pension, sondern schob ihn auf einen unbedeutenden
Posten an der Universität Manchester ab.
Nach ihrem Tod bestieg 1603 James I. den englischen Thron: ein
Gelehrter, den man zwar als »britischen Salomon« feierte, der aber
alles andere als staatsmännisches Können bewies. Außerdem
fürchtete er sich vor Magie. Er hatte sogar 1587 unter dem Einfluß
des französischen Schriftstellers Jean Bodin, der jegliche Hexerei bis
aufs Messer verfolgt wissen wollte, eine Schrift mit dem Titel
Daemonologia veröffentlicht, in der er sich scharf gegen die
Verharmlosung des Hexenwesens durch die immer lauter werdenden
Zweifler wandte. Von dieser Seite konnte Dee also kein Verständnis
erhoffen - und er bekam auch keins.
Statt dessen verlor er sogar noch seinen bescheidenen Uni-
versitätsposten und mußte sich nach Mortlake zurückziehen, wo er
schließlich krank und völlig verarmt starb.
Die Magie John Dees und Edward Kelleys war im wesentlichen
spiritistischer Natur: Es wurden Geister beschworen, die daraufhin
ihr Wissen preisgaben, dies aber nicht immer direkt taten; oft
geschah es in verschlüsselter Form, gelegentlich kamen auch
zahlenmystische und kabbalistische Elemente hinzu. Manchmal

84
stellte sich auch heraus, daß die beiden Zauberer einem astralen
Schalk aufgesessen waren, der sie nur zum Narren gehalten hatte.
Doch das konnte Dee nicht dauerhaft erschüttern. Unverdrossen
begann er dann eben einfach wieder von vorn. Denn als
Renaissance-Mensch, der er ebensosehr war wie Kind des
Mittelalters, ließ ihn die Möglichkeit nicht los, auf diese Weise den
Schleier der Schöpfung zu lüften und dem Schicksal in die Karten zu
schauen.
Wir wissen, daß sein Medium Kelley dabei auch sein eigenes
Süppchen kochte. Immerhin lebte er von Dees bescheidenem
Vermögen und scheute auch nicht davor zurück, ihm im Namen der
Engel Partnertausch und manches mehr abzunötigen.
Es wäre allerdings leichtsinnig anzunehmen, daß Dee nur ein
vielleicht liebenswerter, im Grunde aber doch völlig weltfremder,
leichgläubiger Trottel gewesen sei. Sicher hat er auch manches
sehenden Auges in Kauf genommen, was einen geringeren Geist zur
moralischen Entrüstung oder sogar zur Abkehr von seinem einmal
eingeschlagenen Weg getrieben hätte.
Er, der »englische Faust«, der den Archetyp des unermüdlich
forschenden, wissensdurstigen und nie zu sättigenden Magiers
verkörpert wie kein Zweiter, hat der Magie, wie er sie verstand,
immerhin sein ganzes Leben und all sein Herzblut geweiht.
Es ist belegt, daß Königin Elisabeth I. ihren Berater, Freund,
Verehrer und möglicherweise sogar kurzzeitigen Liebhaber John
Dee in schriftlichen Mitteilungen mit der Ziffernfolge »007«
titulierte. Das hat Anlaß zu mancherlei Spekulationen gegeben. So
wird erzählt, daß Dee zu den Begründern des englischen
Geheimdienstes gehörte und daß er während seiner ausgedehnten
Europareisen auch im Dienst der Krone spionierte. Das meiste davon
mag erfunden oder ersponnen sein, doch gehen die zahlreichen
Gegner dieser Theorie damit vielleicht auch ein wenig zu hart ins
Gericht.
Möglicherweise liegt hier auch ein begriffliches Mißverständnis vor.
Sicher ist es unsinnig, John Dee allein wegen seines 007-
»Codenamens« als »James Bond der Tudorzeit« zu verkaufen, wie es
manche Autoren getan haben; andererseits sollte man sich unter
einem »Geheimdienst« der elisabethanischen Epoche auch keine
moderne Behörde nach Art der Nachrichtendienste unserer Zeit
vorstellen. Das greift schließlich noch nicht einmal bei den
Spionageorganisationen der letzten Jahrhundertwende, die zwar

85
zweifellos existierten und emsige Tätigkeit entfalteten, aber dabei
doch mangels qualifizierten Personals stark auf den vielleicht auch
heute noch nicht gänzlich ausgestorbenen Typus des Amateurspions
setzen mußten.
Es entbehrt auch nicht einer gewissen Plausibilität, von der Annahme
auszugehen, daß ein vielgereister, mehrsprachiger Mann, der
hervorragend mit Kryptographie vertraut ist, beste internationale
Kontakte hat, europaweit geachtet wird und als Berater bei Hof über
große Kenntnisse der politischen Verhältnisse seiner unruhigen,
kriegerischen Zeit verfügt, für seine Königin auch als Zuträger von
schwer zu beschaffenden Auslandsinformationen interessant sein
könnte. Wir werden im Laufe unserer Begehung der okkulten Welt
noch weiteren, gut dokumentierten Beispielen für die
nachrichtendienstliche Tätigkeit bekannter Okkultisten begegnen.
Das mag zwar keinen Beweischarakter haben, doch dürfte es um die
Beweisbarkeit einer Agententätigkeit im 17. Jh. ohnehin ziemlich
schlecht bestellt sein. So kann hier zwar kein abschließendes Urteil
in dieser Frage gefällt werden, doch sei zumindest darauf hingewie-
sen, daß das Thema im Zusammenhang mit den Okkultisten der
Neuzeit immer wieder auftaucht.
Erst in unserem Jahrhundert werden Dees nicht-okkultistische
Leistungen als Mathematiker, Geograph und Konstrukteur von
Navigationsinstrumenten gebührend gewürdigt. Mit wenigen
Ausnahmen folgte die Nachwelt den von religiösem Eifer und manch
persönlichen Interessen geprägten Diffamierungen seiner Gegner,

86
die noch fast 300 Jahre nach seinem Tod nicht von ihm abließen und
sich alle Mühe gaben, ihn zum abschreckenden Beispiel der
Pathologie des Okkulten und der wahnhaften Leichtgläubigkeit
abzustempeln.
In der Literatur ist es ihm oft nicht anders ergangen. Christopher
Marlowes Faust-Drama The Tragical History of Doctor Faustus, das
wahrscheinlich noch zu Dees Lebzeiten aufgeführt wurde, enthält
manche Spitze gegen den »Schwarzkünstler« Dee. In Shakespeares
Komödie Der Sturm (1611), wo er Pate für den Fürsten und Zauberer
Prospero steht, kommt Dee zwar etwas besser weg; bei Ben Jonson
dagegen ist er (in dem Stück The Alchimist, 1610) in der Figur des
Alchemisten Subtle ein reiner Scharlatan. Samuel Butler schließt
sich in seiner Satire Hudibras (1663-78) der damaligen Kritik an Dee
an, indem er unter anderem den Schwindler Sidrophel die Schriften
Dees studieren läßt, ohne jedoch daraus schlauer zu werden. Auch in
der tschechischen Literatur des frühen 20. Jh. wird Dee noch als
übler Dunkelmann thematisiert, so in Jifi Karäseks Král Rudolph
(1916), wo er den Kaiser vergiften will. (Nach: Michael Kuper, John
Dee. Auf den Spuren eines englischen Philosophen der Renaissance,
Vorwort zu Karl Kiesewetter, John Dee und der Engel vom
westlichen Fenster, bes. S. 38-45).
Meyrinks Der Engel vom westlichen Fenster wurde eingangs schon
erwähnt. Trotz mancher historischer Ungenauigkeiten und eines
etwas einseitigen Quellenstudiums wird diese bis heute
unübertroffene dichterische Studie dem »wahren Dee« als tragische
Gestalt sicher gerechter als alles, was trockene Wissenschaft bisher
dazu hat vorlegen können.
Rosenkreuzer, Freimaurer, Illuminaten In einem dem Konspirativen
so aufgeschlossenen Jahrhundert wie dem 17. verwundert es nicht,
wenn wir von der Entstehung zahlreicher Geheimbünde lesen. Drei
davon sollen hier noch kurz zur Sprache kommen, da sie maßgeblich
für die Weiterentwicklung des Okkultismus verantwortlich zeichnen.
Um die Rosenkreuzerei ranken sich viele Gerüchte, aber das war
auch schon so, als der Begriff erstmals auftauchte, nämlich im Jahre
1614 in einem zu Kassel aufgelegten, zweibändigen Buch mit dem
langatmigen Titel Allgemein und General Reformation der Gantzen
weiten Welt. Beneben der Fama Fraterni-tatis Dess Löblichen
Ordens des Rosencreutzes an alle Gelehrte und Häupter Europas
geschrieben. Darin wurde von einem gewissen Christian
Rosencreutz erzählt, der 1378 geboren und 106 Jahre alt geworden

87
sei. Dieser sei im Zuge einer Wallfahrt nach Jerusalem in Fez und
Damaskus in die uralten Geheimwissenschaften der Araber
eingeweiht worden, um dann nach seiner Rückkehr in Deutschland
zusammen mit einigen Gleichgesinnten die Bruderschaft des
Rosenkreuzes zu gründen. Ziel dieser Bruderschaft sei es, die Kirche
zum wahren Urchristentum zurückzuführen - zum Wohle von Staat
und Menschheit. Dabei hätten die Brüder Zuflucht in einem gehei-
men Haus »Sancti Spiritus« gefunden, um von dort aus schließlich
erneut in alle Welt hinauszuziehen, neue Adepten zu gewinnen und
Nachfolger auszumachen. Erst 120 Jahre nachdem Rosencreutz
gestorben sei, habe man sein Grabgewölbe in besagtem Haus
entdeckt. Es habe auch die Geheimnisse der Bruderschaft enthalten,
und diese sollten nun offenbart werden. Das Siegel der Bruderschaft
aber sei, ebenso wie ihre Losung, das Wortsymbol R. C, also Rose
und Kreuz.
Verfasser dieser und zweier Folgeschriften (Confessio Fra-ternitatis
und Chymische Hochzeit: Christiani Rosencreutz) war der
württembergische Pastor Johann Valentin Andreae (1586-1654) -
doch das wußten damals nur wenige. Obwohl seine Darstellung
schon bald als Satire auf die von wirrem hermetischem Treiben
gezeichnete Zeit dargestellt wurde, fand er auch zahllose Gläubige:
Er hatte den Nerv seiner Epoche genau getroffen. Überall verfaßte
man nun Pamphlete zum Thema, gaben sich »Mitglieder des
Ordens« zu erkennen, reihenweise bildeten sich hermetisch-

88
alchemistische Vereinigungen »vom Rosenkreuz«, die den also
begründeten Mythos kräftig auszuschmücken begannen, wie es
Schwarmgeister eben so gern tun.
Doch auch bei zahlreichen Gelehrten weckte die Vision von einer
derartigen Bruderschaft reges Interesse, allen voran bei dem
englischen Naturphilosophen Robert Fludd und dem deutschen
Leibarzt Kaiser Rudolfs II., Michael Maier, der Fludd auch dazu
geraten haben soll, dem Bund beizutreten.
Die Historiker werten Andreaes Bruderschaft als Fiktion, da es für
ihre Existenz vor seiner Veröffentlichung keinerlei Beweise und
Indizien gibt. Aber es war eine Fiktion, die schon bald Wirklichkeit
werden sollte. Andreae selbst hat in einem Brief eingeräumt, daß er
den Orden eigentlich erst noch gründen wollte. Doch die heftige,
regelrecht hysterische Resonanz hatte ihn bereits überholt.
Die Forschung ist sich nicht ganz einig darüber, was Andreae
tatsächlich bezweckte. Ging man lange Zeit davon aus, daß er, der
sich als Schüler des Paracelsus begriff, den unversalisti-schen
Gedanken der Pansophie verbreiten wollte, ist seit den 50er Jahren
eher der protestantische Reformator Andreae in den Vordergrund
gerückt, dem es vor allem um eine Neugestaltung seiner Kirche zu
tun war. Zwar habe allenthalben das Streben nach Weltoffenheit
vorgeherrscht, doch hätten Andreaes Schriften dieses zugunsten
eines »dezidiert evangelisch-lutherischen Geist[es]« (Biedermann)
verdrängt. Peuckert brachte diese Sicht auf die Formel: »Luther und
Paracelsus in einem, aber mehr Luther als Paracelsus.« Selbst das

89
Symbol der »Bruderschaft«, die Rose am Kreuz, stellt schließlich
einen Bezug zu Luthers Wappen her, das eine Rose mit einer Kerze
zeigt, während Andreaes Wappen aus einem Andreaskreuz mit vier
Rosen besteht.
Das ließe allerdings den ironischen Schluß zu, daß Andreae mit
seiner von beiden Großkirchen bald heftig angefeindeten
Rosenkreuzerei möglicherweise mehr zum Systemerhalt des or-
ganisierten Christentums beigetragen hat als diese selbst. Es bleibt
zwar Spekulation, aber es wäre immerhin denkbar, daß sich sonst
nämlich für lange Zeit eine pansophische, mithin also eher
»heidnische« Geistesrichtung in Europa durchgesetzt hätte.
Dafür spricht auch die Entstehung der bald darauf in Erscheinung
tretenden Freimaurerei. Auch diese hatte anfangs ihre liebe Müh und
Not mit dem Rosenkreuzertum. Einerseits beruft man sich
schließlich auf uralte Traditionen, von den Dombauzünften bis zum
Tempelbau Salomons; andererseits sind die rosenkreuzerischen
Einflüsse unverkennbar.
Die erste freimaurerisch arbeitende Großloge ist zwar erst für 1717
in London belegt, doch ist davon auszugehen, daß bereits früher
freimaurerisch gedacht und gearbeitet wurde. Zwar gab es in ihrer
ereignis- und mitgliederreichen Geschichte immer wieder Schismen
und Nachahmungen, doch hat sich die Organisation trotz mancher
Anfeindung und Verfolgung international halten können und dürfte
heute weltweit sogar noch mehr Mitglieder zählen als je zuvor in
ihrer Geschichte.
Wir können hier nicht auf sämtliche Aspekte der Freimaurerei im
einzelnen eingehen, zumal es dazu eine große Zahl hervorragender
Darstellungen gibt (allen voran Hans Biedermann, Das verlorene
Meisterwort). So soll es genügen, daß wir die die Großloge von
England einmal selbst kurz zu Wort kommen lassen, die uns eine
von vielen Definitionen der Freimaurerei anbietet, welche wir hier
beispielhaft zitieren möchten:

90
Freimaurerei ist ein eigenartiges System der Sittlichkeit, eingehüllt
in Allegorien und erleuchtet durch Sinnbilder. Die Freimaurerei lehrt
Wohltätigkeit und Wohlwollen üben, die Reinheit schützen, die
Bande des Blutes und der Freundschaft achten, die Grundregeln der
Religion annehmen, und ihre Gebote achten, dem Schwachen
beistehen, den Blinden leiten, die Waisen beschützen, den
Niedergetretenen erheben, die Regierung unterstützen, Sittlichkeit
verbreiten und Wissen vermehren, die Menschen lieben, Gott
fürchten, seine Gebote ausführen und auf Glückseligkeit hoffen.«
(Lennhoff-Posner, Internationales Freimaurer-Lexikon, S. 531 a)
Die Freimaurerei ist nie wirklich okkultistisch in unserem Sinne des
Wortes gewesen, auch wenn es gelegentlich »Zeiten der Verirrung«
gegeben hat, wie das Freimaurer-Lexikon es ausdrückt, in denen
man sich esoterisch gab. Ellic Howe hat es treffend in die
Formulierung gekleidet, daß sie eher ein »Bund mit Geheimnissen
als ein Geheimbund« sei. Wobei zu ergänzen wäre, daß es mit diesen
»Geheimnissen« auch nicht mehr allzu weit her ist, seit man diese
überall nachlesen kann. Was sich allerdings nicht durch Lektüre
vermitteln läßt, ist das, was Biedermann einmal die
»Erlebnisdimension« genannt hat.
Zu Recht verwahren sich Freimaurer immer wieder gegen die
Unterstellung, sie seien Esoteriker oder hingen einem magischen
Weltbild an. Ihre Ethik ist vielmehr Ausdruck des aufgeklärten
Humanismus und hat von Anfang an auf hermetische Praktiken
verzichtet. Da sie jedoch ihre Rituale lange Zeit geheimzuhalten

91
wußte, wurden auch ihr immer wieder die gleichen Dinge unterstellt
wie den meisten okkultistischen Organisationen: von der politischen
Verschwörung über den Ritual- und Fememord bis zur
Kinderschändung und Hexerei. Die katholische Kirche hat die
Mitgliedschaft in der Freimaurerei für ihre Gläubigen mit der
Exkommunikation belegt, und es gab Zeiten (und gibt sie immer
wieder), da sie sich in der Rangliste der meistgehaßten
Organisationen der Welt allenfalls noch mit dem Jesuitenorden um
den ersten Platz hätte streiten können. In vielen Ländern,
vornehmlich diktatorisch regierten, ist die Freimaurerei noch immer
(oder schon wieder) verboten.
Allerdings bedient sie sich auch einer Symbolik, die für den
Außenstehenden mißverständlich sein muß und nun einmal stark an
okkulte Bünde erinnert: von den Einweihungsriten über die
Selbstbezeichnung »Tempel« und »Loge« bis zu den Graden und
dem Ritualwerkzeug. Manches davon ist auch das Produkt einer
Wechselwirkung. Viele magische Bünde bedienen sich eines
Vokabulars (»Meister vom Stuhl«, »Tempel«) und einer
Gradstruktur, die ganz eindeutig der Freimaurerei entlehnt wurden,
was die Verwirrung noch steigert. Erwähnenswert ist die
Freimaurerei in unserem Zusammenhang eigentlich nur insofern, als

92
sie für zahlreiche Okkultisten einen Bezugspunkt darstellt, an dem
man sich reibt; gleichzeitig bedient man sich gern und weidlich ihres
Symbolschatzes und benutzt das Gebäude der Freimaurerei
gewissermaßen als beutereichen Steinbruch.
Zudem ist der Begriff »Freimaurerei« ebensowenig geschützt wie die
Bezeichnung »Rosenkreuz«. Jede Organisation, gleich welcher
Ausrichtung und Weltanschauung, darf sich »freimaurerisch«
nennen, und nicht wenige okkultistische Bruderschaften
beanspruchen tatsächlich, die »eigentlichen, wahren« Freimaurer zu
sein. Solche Vereinigungen werden zwar von der »regulären«
Freimaurerei als »Winkellogen« abgetan, doch das kann der Laie ja
nicht unbedingt wissen. Insofern sollte sie hier erwähnt werden, weil
sie unbestreitbar auf die Entwicklung des Okkultismus Einfluß
genommen hat - wenn auch eher unfreiwillig.
Wir werden später noch sehen, daß dieser Männerbund mit seinen
Einweihungsritualen, seiner reichen Symbolik und seiner langen,
ungebrochenen Tradition für viele spätere okkulte Bünde und
Bruderschaften die Grundmatrix abgegeben hat. So hat das Beispiel
der Rosenkreuzerei und der Gründung der Freimaurerei eine
Vielzahl von weiteren Organisationen mit gänzlich anderen Zielen
inspiriert, die teils in gepflegtem Mißverständnis, teils in offener
Auflehnung gegen ihre Vorbilder eigene Wege gingen und gehen.
Zum Abschluß dieses Kapitels seien noch die Illuminaten erwähnt.
Seit dem späten 15. Jh. versteht man darunter ganz allgemein
spirituelle Adepten (eben, wie der lateinische Begriff nahelegt,

93
»Erleuchtete«), die über ein transzendent erfahrenes Wissen
verfügen. Formalisiert wurde diese Bezeichnung durch den
bayrischen Rechtsprofessor Adam Weishaupt, der 1776 einen
Illuminaten-Orden gründete, dem die Forschung allerdings im
allgemeinen keinen okkultistischen. sondern einen. rein politischen
(Charakter zuspricht, da er sich vornehmlich auf die Schriften des
Aufklärers Voltaire berief. Zusammen mit dem »Benimm-Baron«
Adolph Knigge arbeitete Weishaupt später freimaurerisches
Gedankengut in seinen Orden ein, der 1784 per Dekret verboten
wurde - wie übrigens die Freimaurerei auch -, worauf die
Organisation sich wieder auflöste.
Seitdem haben die Illuminaten die Phantasie der Okkultisten nicht
mehr ruhen lassen. Ähnlich wie die Templer und die Rosenkreuzer
liehen sie ihren Namen zahlreichen bündischen Vereinigungen, die
sich teilweise direkt auf sie berufen (freilich nie in der nachweisbarer
Form einer genuinen Überlieferungskette), teilweise in ihnen
»geistige Ahnen« sehen, die sie auf diese Weise einfach nur ehren
wollen. Davon abgesehen, haben die Illuminaten jedoch keine
unmittelbare Rolle in der Geschichte des abendländischen
Okkultismus gespielt, sondern nahmen allenfalls den Posten einer
flüchtigen Schimäre ein, einer Projektionswand, deren bloßer Name
bereits genügte, um mannigfache Bilder und Träume
heraufzubeschwören.
Durch die Illuminatus! -Trilogie des amerikanischen Autors Robert
Anton Wilson (sowie durch seine Folgebände) sind die Illuminaten
seit den 70er Jahren wieder verstärkt ins Zentrum des Interesses
gerückt. Diese nicht eben durch ihre brillante Erzählprosa
bestechenden Romane, eine fast schon plagiathafte Nachahmung der
Bücher von Thomas Pynchon, mit ihren zahllosen verstümmelten
Deutschzitaten errangen immerhin zeitweilig den Status von
regelrechten Kultbüchern und wurden von vielen begeisterten, meist
jüngeren Lesern für bare Münze genommen. Daran zeigt sich, daß
die Illuminaten im okkulten Sinne noch lange nicht tot sind, auch
wenn ihnen nur das »ewige Leben« des Mythos beschieden war.
Ein beliebtes Angriffsobjekt stellen die Illuminaten nach wie vor in
der Szene der »Weltverschwörungsapostel« dar, von denen die
meisten politisch dem rechten Spektrum zuzurechnen sind, von der
Europäischen Arbeiter Partei bis zum Ku Klux Klan. Diese
unterstellen dem Illuminaten-Orden so gut wie alles, was ihnen an
Schlechtem gerade einfällt. Will man ihren Darstellungen Glauben

94
schenken, so waren die Illuminaten gleichermaßen für die Russische
Revolution wie für das Dritte Reich verantwortlich, für die
Judenverfolgungen der Neuzeit ebenso wie für die Verschwörung
des Weldjudentums.
Es ist freilich nicht zu bestreiten, daß in der Illuminaten-For-schung
noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde. Und es ist nicht
auszuschließen, daß das im wesentlichen politische (und nicht
metaphysisch-okkultistische) Programm der Illuminaten in anderen
(auch geheimen) Vereinigungen überlebt hat. Doch davon später
mehr.

95
»Der Schinder hol' die Hex'!«
Hexenverfolgung und ihre Konsequenzen

Noch in der Mitte des 12. Jh. oblag die Jurisdiktion in Sachen
Zauberei weitgehend den Gemeinden. Es galt das »Akkusa-
tionsverfahren«: Die Behörden wurden erst tätig, wenn eine konkrete
Anzeige vorlag, und griffen nicht von sich aus ein. Das Risiko des
Klägers war beträchtlich. Nicht nur, daß er für die Kosten des
Verfahrens aufkommen mußte - konnte er seine Anschuldigungen
nicht stichhaltig beweisen, drohte ihm dieselbe Strafe, die sonst der
Beklagte bei einer Verurteilung erhalten hätte. Das war meist der
Verbrennungstod, und so überrascht es nicht, daß sich die Zahl der
Prozesse in sehr überschaubaren Grenzen hielt, zumal es
außerordentlich schwierig war, handfeste Beweise für eine
Verhexung beizubringen.
Das sollte sich mit zunehmendem Einfluß der päpstlichen Inquisition
radikal ändern. Ab dem 13. Jh. werden die seitens der Kirche bis
dahin zuständigen Bischöfe durch eine Verfügungstruppe von
Spezialisten unterstützt, die bei Bedarf anreisen, die Verfolgung des
Ketzerei selbst in die Hand nehmen und an die Stelle des
Akkusationsprinzips das inquisitorische setzen. Damit sich die
Inquisitoren nicht verzetteln, werden sie vom Papst anfänglich
mehrmals dazu angehalten, Vergehen wegen Zauberei nur zu
verfolgen, wenn dabei auch Ketzerei im Spiel ist.
Doch die Gesetze der Bürokratie waren schon zu allen Zeiten eisern
verfugt und unerschütterlich. Einmal installiert, hat sich bisher noch
jede Behörde daran gemacht, ihre Kompetenzen auszuweiten. So
auch hier: Mit Hilfe spitzfindiger gelehrter Abhandlungen werden
eine Menge Belege dafür beigebracht, daß im Grunde genommen
doch jede Magie ketzerisch sei (auch die »naturmagische«, die man
damals sehr scharf von der »dämonistischen« unterschied), und sei
es nur, weil man damit ketzerische Ansichten über Geister, Dämonen
oder eben über das Wesen der Natur schlechthin unter Beweis stelle.

96
Die Folgen waren voraussehbar: Die »Hardliner« setzten sich durch,
und was mit der Ausrottung der Katharer begonnen hatte, sollte nun
bis weit ins Zeitalter der Aufklärung hinein fortgesetzt werden - die
gnadenlose Treibjagd auf Hexen aller Art war eröffnet.
Auffällig ist, daß vor allem im 14. Jh. eine Vielzahl von Verfahren
gegen Kleriker stattfand, die der Nigromantie beschuldigt und
überführt wurden. Einige Forscher sehen darin die Urform der
»Schwarzen Messe« und der späteren »Satanismus«-Hysterie. Der
niedere Klerus dieser Epoche war meist ungebildet und volksnah -
sicher hat er nicht immer zwischen kirchlicher Theologie und
Volksglauben unterschieden. Das katholische Prinzip, nach dem die
Sakramente auch dann wirksam sind, wenn sie von einem sündigen
Priester gespendet werden, mußte zwangsläufig zu

97
Mißverständnissen führen.
Ursprünglich sollte diese theologische Linie dazu dienen, die
Sakramente unanfechtbar zu machen, zumal sich die »Seelen-
reinheit« eines Priesters kaum jemals zweifelsfrei bestimmen ließ.
So wurde eben argumentiert, daß die Sakramente von Gott kämen
und nicht des magischen Zutuns eines Menschen bedürften (das war
auch eine klare Abgrenzung gegen die gnostische Häresie; wir
erinnern uns, daß die Katharer ebendiesen Punkt kritisierten und ihm
die Reinheit ihrer perfecti entgegenhielten).
Das bedeutete aber, daß die Messe auf jeden Fall magisch verstanden
werden konnte - ein metaphysischer Automatismus, der sich auch für
andere Zwecke als nutzen ließ als ursprünglich vorgesehen. Schon
im 7. Jh. verbot das Konzil von Toledo das Lesen von Requiem-
Messen für Lebende. Dies tat man, um sie durch symbolische
Vorwegnahme ihres Todes auf magische Weise unter die Erde zu
bringen. Frazer verzeichnet im 19. Jh. den bretonischen Brauch der
»Messe des St. Sécai-re«, und noch im 20. Jh. kennt man selbst im
protestantisch dominierten norddeutschen Raum das »Totpetten«
(»Totbeten«).
Beachtet werden sollte auch, daß der Begriff »Schwarze Messe« in
seiner satanistischen Bedeutung relativ jungen Datums ist. Zwar gab
es den Ausdruck selbst schon viel früher, doch bezeichnete man
damit noch um die Jahrhundertwende lediglich eine gewöhnliche
Totenmesse, die für die Seelen im Fegefeuer gelesen wurde.
Darüber hinaus gilt es als einwandfrei gesichert, daß die ersten
echten »Satanisten« katholische Priester waren; wie denn auch viele
Dämonarien und Grimoires des Spätmittelalters aus klerikaler Feder
stammen. Teilweise waren solche Texte sogar ausschließlich für ein
gebildetes klerikales Publikum gedacht, was man daraus ersehen
kann, daß die meisten empfohlenen Rituale das ein- oder mehrmalige
Lesen der Messe verlangten. So zum Beispiel das erst im 17. Jh.
gedruckte, aber bereits einige hundert Jahre zuvor als Manuskript
kursierende Grimoire des Honorius, dem man noch im 19. Jh. einen
Papst als Autor unterstellte.
Die Zahl der Hexenprozesse steigt nun beträchtlich. Immer mehr
verdrängt das billige Papier das kostspielige Pergament, es wird
mehr geschrieben, die Aktenflut wächst. Mit dem Wegfall des
Akkusationsprinzips sinkt auch das Risiko des Klägers, im Falle
eines ungünstigen Prozeßverlaufs am Ende selbst auf dem
Scheiterhaufen zu landen.

98
Häufig sind es alte Frauen ohne Familie, unangenehme
Nachbarinnen zumeist, denen man den Prozeß macht. Die
Hauptthemen der Anklage lauten immer wieder: Krankmachen von
Mensch und Vieh; Verführung
von Ehemännern; Un-
fruchtbarkeitszauber und
ähnliches.
Doch das ist nur der Auftakt des
Ganzen -erst um die Mitte des 15.
Jh. nimmt die Hexenverfolgung
wahrhaft dramatische Ausmaße
an. Zur Aburteilung der
Delinquenten gesellt sich nun
noch eine weitere Dimension: die
Denunziation. Die Richter und
die Inquisitoren geben sich nicht
mehr mit Einzelfällen zufrieden.
Statt dessen wird die Bevöl-
kerung von Städten und Dörfern
dazu aufgefordert, aktiv Hexen
aufzuspüren und sie der
Gerichtbarkeit zu überstellen.
Zugleich greift man auf die alte
Verbrechensthematik zurück. Der
Nachweis, Schadenzauber
praktiziert zu haben, genügt nicht; auch nicht die Behauptung, daß
letztlich jede Zauberei von ihrem Wesen her ketzerisch sei. Vielmehr
geben sich die Richter alle erdenklich Mühe, die Delinquenten zu
kriminalisieren, indem sie sie als Verbrecher darstellen, die mit den
Mächten des Bösen im Bunde stehen und es gleichermaßen auf die
Vernichtung des Christentums wie die der gesamten Christenheit
abgesehen haben. Man könnte dies etwas pointiert als eine
Satanisierung der Magie bezeichnen, durch die der Konflikt
zwischen der sich in ihrem Magiemonopol bedroht sehenden Kirche
und allen kirchenfeindlichen oder -fremden Abweichungstendenzen
ontologisch-exis-tentiell überhöht und damit jeder kritischen
Distanzierung enthoben wird.
Wieder sind es dieselben Sünden, die man den echten oder
vermeintlichen Delinquenten anlastet, wie wir sie schon aus dem
Streit um die Gnosis kennen. Vor allem die superbia, die

99
»Selbstüberhöhung«, wird als Pakt mit dem Satan gewertet, der das
ganze Gefüge der (kirchlich verwalteten) Schöpfung bedroht.
Um eine für das heutige Empfinden nach Auschwitz wahrhaft
pervers anmutende Form der »Rechtsstaatlichkeit« bemüht, bedurfte
es zu einer rechtskräfigten
Verurteilung in der Regel des
Geständnisses der
Betroffenen. Da auf
Begnadigung nicht zu hoffen
war, taten sich die meisten
Angeklagten
verständlicherweise schwer
damit, Dinge zuzugeben, die
sie den Kopf kosten würden.
Doch das rettete sie auch
nicht: Die Justiz half kräftig
nach, indem sie die
Folterkunst auf eine nie
dagewesenen Spitze trieb.
Dennoch betont der Prediger
Bernardino von Siena im
Jahre 1427 ausdrücklich, daß
sich im Zuge seiner
eifernden Arbeit in Rom eine
Frau »sogar ohne Folter« als
geständig gezeigt und 30
zauberische Kindermorde
zugegeben habe. Das
Gewicht, das Bernardino
dieser Tatsache beimißt,
macht deutlich, daß man ein
»schnelles, sauberes« Geständnis durchaus vorzog.
Dafür mag es mehrere Gründe gegeben haben, nicht zuletzt den, daß
die Justiz ohnehin schon bald alle Hände voll zu tun hatte und daher
an unaufwendigeren Schnellverfahren interessiert war. Zu diesem
verwaltungstechnischen Zynismus gesellt sich allerdings auch ein
gewisses Unbehagen in der Öffentlichkeit, das, zwar noch vereinzelt,
jedoch sogar mitten in der allgemeinen hysterischen Kettenreaktion
(jeder Prozeß löst weitere aus) immer wieder aufflackert.
Die »Fachkräfte« der Inquisition wären ohne genaue Instruktionen

100
völlig überfordert gewesen. Daher kam schon bald eine wahre Flut
einschlägiger Bücher auf den Markt, die ihnen das Handwerk
erleichtern sollten, indem sie ausführliche Kataloge aller
erdenklichen Verfehlungen wiedergaben und die systematische
Entwicklung einer »Typologie der Hexe« betrieben. Am
bekanntesten und folgenreichsten war der 1486 von den beiden
Inquisitoren Jacob Sprenger und Heinrich Institoris vorgelegte
Malleus maleficarum, meist eingedeutscht als Hexenhammer
bezeichnet.
Es entbehrt nicht einer gewissen
grausamen Ironie, daß die
christliche Argumentation gegen
die Hexen eben jene Argumente
widerspiegelt und aufs neue
aufgreift, die schon im Römischen
Reich für die Verfolgung der
Frühchristen selbst herhalten
mußten: nächtliche Orgien unter
den Auspizien böser Geister,
Kinderschändung, Giftmischerei,
Tötungszauber. Die Mechanik der
Unterdrückung bedarf eben nicht
allzu vieler Varianten.
Zu den seit der Inquisitionszeit
gängigen Motiven der Be-
schreibung des Zauberwesens
gehören der mit Blut zu unter-
zeichnende »Teufelspakt« und der
osculus nefandum, jener
»unaussprechliche Kuß« aufs
Hinterteil des Leibhaftigen, mit
dem die »Teufelsanbeter« (und als
solche sah man die Hexen ja)
ihrem finstren Herrn die Ehre
erwiesen. Auch die Vorstellung,
daß es zwischen Menschen und
Dämonen Geschlechtsverkehr
geben könne, gehörte dazu. Dabei
trat der Dämon in seiner weiblichen Form als succubus (von sub,
soviel wie »unten liegend«) auf, in männlicher dagegen als incubus,

101
womit auf die Penetration angespielt wird. Der schon bei Paulus als
Bezeichnung der Diaspora zu findende Begriff der »Synagoge
Satans« wird, dem antijudaischen Geist der Zeit entsprechend, durch
das Schlagwort vom »Hexensabbat« erweitert. Oft lassen sich die
vorgebrachten Anschuldigungen, mit denen so manches
Judenpogrom eingefädelt wurde, von den Argumenten der
Hexenverfolger nicht unterscheiden.
Es gab noch so manches, womit die todeswütige Phantasie der
Inquisitoren und ihrer ideologischen Zulieferer das »Hexenunwesen«
auszuschmücken beliebten. Da war beispielsweise von der »kalten
bifurca Satans« die Rede, seinem gegabelten Penis also; von der
Verwandlung in Tiergestalten - ein Vorwurf, der seine Wurzeln im
Werwolf-Motiv der Volkslegenden hat und auf ältere, schamanische
Praktiken zurückgeht; ebenso von den Flug- oder Hexensalben.
Unser trivialisiertes Bild von der auf ihrem Besen munter zum
Sabbat auf dem Blocksberg sausenden Hexe, das sich in
Kinderbüchern ebenso findet wie auf Grußpostkarten und
Aufklebern, ist also so neu nicht.
Es ist schon seit langem gut belegt, daß sich der Argwohn der

102
Inquisitoren besonders gern und häufig gegen die »weisen Frauen«
und »weisen Männer« dörflicher Gemeinschaften richtete, die
mangels erschwinglicher medizinischer Versorgung mit Kräutern
und anderen Mitteln der Volksmedizin das praktizierten, was in
unseren Tagen gerade wieder unter dem Schlagwort
»Naturheilkunde« populär wird. Auch Hebammen wurden bevorzugt
der Hexerei beschuldigt. Schon jene römischen Schriftsteller der
Spätantike, die der Möglichkeit der Zauberei skeptisch bis ablehnend
gegenüberstanden, hatten sich darüber ausgelassen, daß es mit Hilfe
bestimmter Narkotika sicher möglich sein, Effekte zu erzielen, die
zumindest den Anschein des Magischen erweckten. Seit den
umfangreichen Forschungen Kiesewetters vor der Jahrhundertwende
weiß man auch um die halluzinogene Wirkung der für eine typische
Hexensalbe verwendeten Ingredienzien: Stechapfel, Bilsenkraut,
Tollkirsche, Fliegenpilz und andere.
Es würde hier zu weit führen, der Frage nachzugehen, inwieweit es
sich bei der Hexenverfolgung auch um eine Frühform der
»Bekämpfung des Drogenmißbrauchs« gehandelt haben mag.
Immerhin stellte das berühmte Bayrische Reinheitsgebot seinerzeit
weniger auf eine Reinhaltung des Biers ab. Vielmehr richtete es sich
gegen die andernorts noch lange Zeit danach übliche Praxis, den
Bierabsud mit dem rauschfördernden Bilsenkraut zu versetzen,
weshalb man es nicht zu Unrecht als erstes »Anti-Drogen-Gesetz«
der Welt tituliert hat.
Die Verbindung von Rauschdrogen und Zauberei hat eine lange
Tradition. Wir können sie schon beim Schamanismus der Tungusen
Sibiriens registrieren, ebenso bei Amazonas-Indianern, im
afrikanischen Kulturraum, im Alten Ägypten und bei den Sadhus
Indiens. Viele Hexen und Zauberer der römischen Romanliteratur
tun sich als Giftmischer hervor, wissen aber auch mittels
Drogenpräparaten Träume und Visionen herbeizuführen. Die
Bacchanalien Roms waren ebenso vom reichlichen Gebrauch des
Rauschweins geprägt wie die Pan- und Mänaden-Kulte im Alten
Hellas.
Wie wir später noch sehen werden, haben sich auch die Magier des
ausklingenden 19. und frühen 20. Jh. intensiv mit dem Gebrauch von
Rauschmitteln befaßt, wofür ihnen schließlich die Tiefenpsychologie
Sigmund Freuds und C. G. Jungs den theoretischen Überbau lieferte.
Die Kritik - übrigens auch die innerkirchliche - an der He-
xenverfolgung durch die Inquisition ist übrigens annähernd so alt

103
wie das Phänomen selbst. Es sollte zwar mehrere Jahrhunderte
dauern, bis sie sich durchsetzen konnte, und auch dann waren es
weniger christlich-humanitäre Argumente, die dem
menschenmordenden Treiben Einhalt geboten, als makroöko-
nomische und politische Überlegungen. Doch es bleibt unver-
kennbar, daß die weitsichtigeren Geister diese Entwicklung mit
großer Sorge betrachteten - weil sie ahnten, daß sie sich für die
christliche Sache, um die es dabei schon lange nur noch vor-
dergründig ging, eher als schädlich erweisen würde.
In der Tat dürfte gerade der Hexenwahn dem Okkultismus mehr
Auftrieb beschert haben, als es wahrscheinlich jedes brüske
Ignorieren abweichender Tendenzen und magischer Praktiken getan
hätte.
Zudem bewirkte die Hexenverfolgung die größte soziale
Umwälzung, die das Abendland bis dahin hatte erfahren müssen.
Denn es fand dadurch eine Art »Demokratisierung« des Schreckens
statt, wie sie sich erst wieder - freilich im wesentlichen auf ein
einziges Land beschränkt - in der Französischen Revolution ereignen
sollte. Sozialgeschichtlichen Untersuchungen zufolge waren nämlich
keineswegs nur die »kleinen Leute«, die ärmliche Landbevölkerung,
das Kleinhandwerk und alte, mittellose Menschen von der
Hexenverfolgung betroffen. Auch als Adliger oder als Angehöriger
des Klerus war man nicht vor der Denunziation sicher. Der
Hexenhammer traf alle Stände - und wenn auch in der Praxis nicht
im gleichen Ausmaß, so doch immerhin in der Theorie. Die Gefahr
war allgegenwärtig und nivellierte mancherorts die
Standesunterschiede zwar unterschwellig, aber dafür mit einer
Nachhaltigkeit, wie es keine soziale Revolution von unten vermocht
hätte.
Für die Entstehung der Aufklärung und des laizistischen Hu-
manismus gab es sicher gewichtigere Gründe und Anlässe als die
Hexenverfolgung, doch diente sie ihr stets als willkommene
Argumentationshilfe, zumal es sich dabei um eine Munition
handelte, deren Bestände bis heute noch nicht erschöpft sind. Die
marxistische Kritik hat das Augenmerk auf die ökonomischen
Aspekte des Hexenwahns gerichtet. Gewiß haben auch die mit der
Umverteilung des Vermögens verurteilter Delinquenten
einhergehenden sozialen Veränderungen eine genauere Betrachtung
verdient. Freilich wird man des Phänomens dadurch auch nicht in
seiner Gänze habhaft. Der Judaslohn des Denunzianten mag sicher

104
nicht selten im Vordergrund einer Anzeige des ohnehin ungeliebten
Nachbarn oder Verwandten gestanden haben. Nach allem, was uns
an Dokumenten zur Verfügung steht, hat die Hexenverfolgung schon
früh einen Punkt erreicht, ab dem man nur noch von einer zumindest
in Ansätzen systematisch gelenkten Massenpsychose sprechen kann,
die durch ökonomische Faktoren allein nicht mehr zu erklären ist.
Immerhin kennen alle Religionen die Verfolgung Andersgläubiger -
was das okkultistische Argument, daß es bei der Religion primär um
eine Monopolisierung der Magie und ihrer Installation als
tabuisiertes Herrschaftswissen geht, ja auch so bestechend
erscheinen läßt. Die Furcht vor der Zauberei kann letztlich nur als
»irrational« abtun, wer zugleich das gesamte religiöse Weltbild
verwirft. Das ist auch schon häufig geschehen, doch ändert es nichts
an der Tatsache, daß besagte Furcht innerhalb ihres eigenen
Bezugssystems durchaus »rational«, weil schlüssig und folgerichtig
erscheint.

Wir werden den Hexen in einem späteren Kapitel noch einmal


begegnen, wenn wir uns mit dem modernen Hexenkult befassen. Im
Vorgriff darauf sei nur erwähnt, daß sich seit den 70er Jahren

105
besonders die feministische Forschung der Hexenverfolgung
angenommen hat. Das ist durchaus einleuchtend: War das Verhältnis
der Geschlechter in den frühen Hexenprozessen des 12. und 13. Jh.
noch annähernd ausgewogen, wurden im 14. und 15. Jh. schon gut
doppelt so viele Frauen wie Männer wegen Hexerei verurteilt. Später
steigerte sich dieses Ungleichgewicht noch weiter, bis das Verhältnis
schließlich etwa 9 zu l betrug.
Kieckhefer (Magie im Mittelalter, S. 228) weist darauf hin, daß sich
dies nicht allein aus den volksmagischen Praktiken der weiblichen
Landbevölkerung erklären läßt, zumal gerade die immer wieder in
Gestalt des Verbrechensvorwurfs herangezogene Nigromantie in den
mittelalterlichen Quellen eine rein männliche Domäne bleibt.
Darüber hinaus ist der Hexenhammer ganz offen frauenfeindlich
eingestellt.
Es sei dahingestellt, ob die Schlußfolgerungen, die vor allem der
radikale Feminismus daraus gezogen hat, immer den Kern der Sache
treffen, doch läßt sich wohl schwerlich leugnen, daß die
Hexenverfolgung sich in erster Linie gegen das schwächste Glied in
der sozialen Kette richtete - nämlich die unterdrückte Frau.
Letztlich ging es bei der Hexenjagd aber immer auch um den Kampf
gegen die Zauberei. Wie Kieckhefer es formuliert:

»Überall dort, wo wir ausführlich oder


bruchstückhaft Konkretes über Hintergründe und
Begleitumstände von Prozessen erfahren, scheint
unter dem häßlichen Klischee von der bösen Hexe
doch immer irgendeine Form von Magie durch
[...]. Die wirklichen Opfer dieser Entwicklung
waren diejenigen, die an naturmagischen
Praktiken, wie sie im Volk überliefert waren,
festhielten und die sich nun plötzlich als
Dämonisten diffamiert sahen. Die Prediger und
die Autoren von Verdammungsschriften wie auch
jene Leute, in deren Händen die Strafverfolgung
lag, waren schließlich lauter mehr oder weniger
Gebildete, und sie neigten dazu, das Tun der
Magier aus dem einfachen Volk nach den Kriterien
der Akademiker zu beurteilen. Sie sahen sich mit
der Gefahr einer dämonistischen Magie, die es in
Kreisen einer klerikalen Unterwelt wirklich gab,

106
konfrontiert und pro-jizierten dieses Feindbild
auch auf Magier, die ganz und gar harmlose
Dinge trieben. In ihrem Bestreben, die Re-pression
der populären Magie zu rechtfertigen und weiter
zu verstärken, phantasierten sie nicht allein
dämoni-stische Elemente in diese magischen
Praktiken hinein, sondern sie glaubten endlich gar
eine Verschwörung von Teufelsanbetern zu
erkennen. Die Kluft zwischen Magiern und ihren
Feinden war unüberbrückbar gewor-
den, weil die beiden Gruppen nicht mehr ein und
dieselbe Wirklichkeit wahrnahmen.« (a. a. O., S.
229)

Hinzuzufügen ist dieser prinzipiell richtigen und treffenden Analyse,


daß sich hier auch der erste große, und dementsprechend
gewalttätige Konflikt zwischen einer auf ihren Monopolanspruch in
magischen Dingen pochenden Theokratie und dem Interesse der
restlichen Bevölkerung an magischen Praktiken zum Zwecke der
profanen Alltagsbewältigung handelt.
Es wäre einäugig, wollte man der gesamten Inquisition unterstellen -
wie es die Aufklärung später gelegentlich tun sollte - daß sie sich in
ein bloßes Wahngebilde nur angeblicher, in Wirklichkeit aber nie
existenter magischer Praktiken verrannt hätte. Kein Rauch ohne
Feuer: Kieckhefer hat in seinem Werk die große Vielfalt und die
weite Verbreitung der praktizierten Zauberei des Mittelalters viel zu
überzeugend nachgewiesen, um noch Zweifel daran aufkommen zu
lassen, daß die Magie damals weit genug verbreitet war, um die am
Erhalt ihrer diesbezüglichen Vormachtstellung interessierten
klerikalen Kreise zu Recht in große Unruhe zu versetzen. Daß sich
das religiöse Weltbild damit in letzter Konsequenz selbst das Wasser
abgegraben hat, ohne dem Okkultismus dauerhaft schaden zu kön-
nen, war dabei wohl unvermeidbar. Mit Sicherheit gehört es zu jenen
ironischen Paradoxien, auf die wir im Umfeld des Okkultismus
immer wieder stoßen.
Dem Okkultisten jedenfalls erscheint die Epoche der Hexen-
verfolgung, von der wir hier nur einen kleinen Ausschnitt betrachten
konnten, wie das aus dem Ruder gelaufene - allerdings
vorwissenschaftliche und letztlich uninspirierte - Ringen um die
Erkenntnis, was es denn mit der Magie und den okkulten Kräften

107
eigentlich auf sich haben könnte. Diesem Ringen selbst begegnet er,
seinem Grundanliegen getreu, durchaus mit Verständnis. Er, der
schließlich meist selbst zu jener der Volksmagie entfremdeten
Bildungsschicht gehört, die auf der Grundlage akademischer oder
akademisierender Logik das Problem in den Griff zu bekommen
sucht, weiß nur zu gut um die Tücken dieser Herangehensweise.
Schließlich sind die esoterischen Lehren voll der Ermahnungen, sich
nicht den Wahngebilden der okkulten Kunst auszuliefern - ganz
gleich ob sie der fiebernden Phantasie des Suchenden entstammen
oder ihren Ursprung in einer real existierenden jenseitigen Welt
haben mögen.
Daß der Okkultist jedoch weder die sozialen und physischen
Ausuferungen des auf seinem Rücken ausgetragenen Verfol-
gungswahns noch die damit zwangsläufig einhergehende Baga-
tellisierung seines existentiellen Angangs gutheißt, versteht sich
eigentlich von selbst. Wir werden später noch sehen, daß die
okkultistische Diskussion der Hexenverfolgung im späten 19. Jh.
dieses Phänomen durchaus differenziert zu betrachten wußte.

108
»Der Gott in der Retorte«
Kleiner Abriß der Alchemie

Die im Abendland in verschiedenen Schreibweisen auftretende


Alchemie (Alchimie, Alchymie usw.) ist schon in altägyptischen
Texten bezeugt. Sie wird inzwischen gemeinhin als Vorform der
heutigen Chemie verstanden, zu der sie sich verhält wie die
Astrologie zur Astronomie.
Im Jahre 296 n. d. Z. verfügte Kaiser Diokletian die Verbrennung
aller ägyptischen Alchemietexte. Spätere Herrscher, vornehmlich in
der Renaissance, waren der Alchemie wohler gesonnen, wenngleich
aus ganz eigensüchtigen Gründen: Als »Goldmacherkunst« wurde
sie von Gelehrten wie von Scharlatanen gleichermaßen gepriesen,
und die europäischen Fürsten, Könige und Kaiser, die ja meistens
mit leeren Kassen zu kämpfen hatten, wollten nur zu gern glauben,
daß man tatsächlich aus unedlen Metallen Gold herstellen könne -
Aussichten, die ihrem Staatssäckel unbegrenzte Möglichkeiten
eröffnet hätten.
Doch vor den Erfolg hatten die Götter auch hier den Fleiß gesetzt:
Alchemie war eine recht kostspielige Angelegenheit, und manch
alchemistischer Forscher hat sich und seine Familie mit seiner Kunst
selbst in den Ruin getrieben. Die nach Auffassung der Alchemisten
für die praktische Laborarbeit erforderlichen Gerätschaften (Tiegel,
Kolben, Öfen usw.) und Materialien (Metalle," Krauter, Tinkturen)
waren nicht um Gotteslohn zu haben, und so mußte sich, wer nicht

109
über die entsprechenden Mittel verfügte, um einen Mäzen bemühen -
eben besagte Fürsten und Herrscher.
Allerdings ist das nur die eine Seite der spätmittelalterlichen
Alchemie. Tatsächlich ging es, dem philosophierenden Anliegen der
Zeit entsprechend, um weitaus mehr. Veredelung ja, aber eben nicht
nur die der Metalle, sondern des ganzen Menschen, der gesamten
Schöpfung. Dabei wird nicht so streng zwischen organischer und
anorganischer Natur unterschieden, wie es die spätere Chemie tun
sollte. Die Welt wird vielmehr als beseelt begriffen. Besonders den
Metallen schreibt man ein »geheimes Leben« zu, dem auch die
Möglichkeit der Weiterentwicklung innewohnt. So können aus
»unedlen« eben die »edlen« Metalle werden, und zwar auf dem
Wege eines völlig natürlichen Prozesses, dem der Alchemist
lediglich nachzuhelfen versucht, indem er ihn abkürzt.
Und während dies im Kolben oder der Retorte geschieht, soll und
wird sich auch der Alchemist selbst »veredeln«, das hermetische
Motto »wie das Oben, so das Unten« wird zum »wie das Außen, so
das Innen« - und umgekehrt. Am Ende steht dann, so formuliert es
jedenfalls die alchemistische Utopie, der göttliche, unvergängliche,
unsterbliche Stoff.
Auf dem Weg dahin formuliert der Alchemist mehrere Etappenziele,
so etwa den berühmten »Stein der Weisen«, für den wir auch eine

110
Vielzahl anderer Bezeichnungen finden: lapis philosophorum, »roter
Löwe«, »Großes Magisterium«, »rote Tinktur«, »Großes Elixier«
etc. Der Stein der Weisen ist ein Allheilmittel, das nicht nur
beispielsweise Blei in Gold zu verwandeln vermag, sondern auch
alle Krankheiten besiegt und letztlich (als »Lebenselixier«, ein
Motiv, das wir schon im sumerischen Gilgamesch-Epos finden)
sogar die Unsterblichkeit verleiht.
Nach gängigster Auffassung handelt es beim Stein der Weisen um
einen pulverförmigen Extrakt, der besagten Prozeß der Metallreifung
extrem beschleunigt. Ausgangsbasis für die Herstellung des Steins
der Weisen ist der sogenannte »Urstoff« (prima materia), um dessen
Bestimmung sich naturgemäß zahllose Spekulationen ranken. Meist
wird er in Allegorien und Metaphern umschrieben.
Auch die Alchemie ist, wie die meisten okkulten Wissenschaften,
von ihrer Grundhaltung her gnostisch ausgerichtet: Die Welt bedarf
der Erlösung oder Befreiung, die nur durch Läuterung des dunklen
Stoffs zu erreichen ist. Darüber hinaus verwendet die Alchemie
zahlreiche gnostische Symbole, vom Androgyn über die sich selbst
verschlingende und wieder hervorbringende Weltenschlange
Ouroboros bis zum Motiv der »chymischen Hochzeit« oder
Hierogamie: der Vereinigung mit dem Göttlichen unter

111
Zurücklassung des »Weltenkerkers«. Es gilt, das verborgene Wesen
der Natur und des in ihr stehenden Menschen zu enträtseln, um beide
dem Lichtreich zuzuführen.
Viel Aufhebens machten die Alchemisten um die »Arkandisziplin«
oder Geheimhaltung ihrer Lehre und Erkenntnisse: kaum ein
alchemistischer Traktat, der nicht entweder mehrdeutig oder
mehrschichtig formuliert. Die hochentwickelte Fachsprache der
Alchemie ist für den Laien ohnehin unverständlich, zusätzlich wird
auch noch so manches in Bildern verschlüsselt, allegorisiert oder
regelrecht chiffriert. Deshalb spielte die Entwicklung von
Geheimschriften und anderen Kodierungsverfahren eine nicht
unbeträchtliche Rolle im alchemistischen Treiben.
Diese Geheimniskrämerei hat naturgemäß häufig genug den Zorn der
weniger verständigen Zeitgenossen erregt. So zitiert Biedermann
(Handlexikon der magischen Künste, Bd. l, S. 35) beispielsweise den
groben Ausspruch von Fischart: »Entweder schreib, dass man
versteh Oder des Schreibens müssig geh: Willst schreiben, daß man
nicht soll wissen, So last das Papir wol unbeschissen.«
Schon bald findet innerhalb der Alchemie eine Trennung in die
praktische Arbeit (das noch heute so bezeichnete »Kochen«) und in
die philosophische Kontemplation und Spekulation statt, die man in
der Moderne auch als »symbolische Alchemie« bezeichnet. Von
ersterer läßt sich mit Fug und Recht behaupten, daß sie tatsächlich
die Vorstufe von Chemie und Physik, wie wir sie heute verstehen,
darstellt. Die philosophisch-spekulative Richtung dagegen
befruchtete mit ihrer reichen Symbolik und ihren geheimnisvollen
Bildern das spätere Gold- und Rosenkreuzertum ebenso wie die
Freimaurerei und Theosophie.
Über den ssabischen Philosophen Geber (eigtl. Jabir ibn Hayyan
oder ben Hayyan) gelangten im 8. Jh. entscheidende alchemistische
Impulse in die Geisteswelt des Abendlands. Viele der ihm
zugeschriebenen Texte stammen zwar nach jüngsten Erkenntnissen
der Forschung nicht von ihm selbst, doch besteht kein Zweifel daran,
daß er eine wichtige Mittlerrolle zwischen der Welt der Antike und
jener der Neuzeit einnahm. In den Geber-Schriften finden wir bereits
die meisten für die spätere Alchemie so typischen Motive: die Lehre
von der Metallreifung; die Verheißung des Goldmachens;
Anleitungen für das Trennen von Gold und Silber (die Alchemie
wird übrigens auch lange Zeit als »Scheidekunst« bezeichnet);
Hinweise für die Ausrüstung der Laboratorien, und manches andere

112
mehr. Bei den Ssabiern und Mandäern Mesopotamiens überlebte die
Alchemie und der mit ihr schon früh verknüpfte antike Gestirnkult
zusammen mit der Lehre von den Metall-Planeten-Sympathien noch
bis ins 10. Jh. - und damit auch das diesen innewohnende gnostische
Denken.
Die Alchemie löste nicht selten das Unbehagen der Kirche aus, die
ihren im Grunde häretischen Charakter deutlich erkannte. Doch
gelang es ihr nicht, diese Geheimkunst völlig auszumerzen - zu groß
war das allgemeine Interesse an der Sublimation, Läuterung und
Beherrschung der Natur. In der Renaissance kam außerdem die
Entwicklung der Iatrochemie (auch: Chemiatrie) hinzu, wie sie vor
allem Paracelsus vertrat: die Lehre von der Arzneimittelbereitung
mit Hilfe anorganischer Verbindungen anstelle der bis dahin
üblichen Drogen. So bekam sie auch abseits aller
Goldmacherphantasien einen praktischen Alltagsnutzen und stellte
eine Vorform der heutigen Pharmakologie dar.
Die Zahl alchemistischer Autoren und Denker ist groß. Selbst
Philosophen, die sich nicht schwerpunktmäßig mit der Alchemie
befaßten, widmeten ihr doch häufig beträchtliche Aufmerksamkeit.
Zu den großen, teilweise noch heute bekannten Namen gehören in
diesem Zusammenhang (in willkürlicher Reihenfolge und unter
Auslassung antiker Autoren): Avicenna, Albertus Magnus, Agrippa
von Nettesheim, Paracelsus, Robert Fludd, John Dee, Basilius
Valentinus, Roger Bacon, Raimundus Lullus, Nicolaus Flamel,
Marsilius Ficinus, Pico della Mirandola, Trithemius von Sponheim,
Johann Baptista van Hel-mont, aber auch Athanasius Kircher, ein

113
erklärter Gegner der Alchemie, der sich vor allem mit den
Gaukeleien und Tricks alchemistischer Betrüger befaßte, und viele
andere.
Das Beispiel Kirchers, der zwar zu den bedeutendsten Gelehrten
seiner Zeit gerechnet wurde, selbst aber auch nicht gerade zimperlich
mit seinen Quellen umging und manches dazu-erfand, was es nach
seiner Sicht der Dinge eigentlich doch hätte geben müssen, zeigt, daß
man sehr wohl um das Problem betrügerischer Machenschaften
wußte, auf die sich eine ganze »Industrie« von Hochstaplern und
Marktschreiern spezialisiert hatte.
Mit der Geldgier der Fürsten war eben schon immer gutes Geld zu
verdienen. So rief Heinrich VI. von England im 15. Jh. sogar alle
Gelehrten dazu auf, sich der Alchemie zu widmen. Ihm ging es
allerdings weniger um die Läuterung der Schöpfung als - mal wieder
- um den schnöden Mammon: Der Krieg der Rosen verschlang
Unsummen, und so wäre dem Herrscher eine solche Finanzspritze
nur recht gewesen. Seine Majestät ging sogar so weit,
Goldmacherpatente an verschiedene Unternehmen zu verkaufen, mit
der Folge freilich, daß England schon bald mit falschen Goldmünzen
förmlich überschwemmt wurde. Bis heute hält sich bekanntlich in
Bankierskreisen die zynische Auffassung, die beste und
einträglichste Art, Gold zu machen, sei allemal die
Papierherstellung, womit natürlich die Banknoten gemeint sind.
Im 19. Jh. glauben nur noch die hartnäckigsten Metaphysiker an die
physikalische Möglichkeit, mit den Mitteln der Alchemie Blei in
Gold zu verwandeln. Schon das Rosenkreuzertum des 17. Jh. und die
bald darauf entstandene Freimauerei haben das »Kochen« aus ihrem

114
Weltbild verbannt und sich statt dessen die metaphysisch-
philosophische Seite der Alchemie angeeignet.
Während also die praktische Scheidekunst seit dem Siegeszug der
Chemie und Physik in die Bedeutungslosigkeit versank, hat sich
dagegen ihre philosophische Seite erhalten und wird auch weiterhin
gepflegt. Okkultisten wie Crowley und Gregorius schreiben zwar
gelegentlich auch über »Metache-mie« und die theoretische
Möglichkeit des Goldmachens, doch bleibt das im Zeitalter der
Atomphysik ein folgenloses Programm, bei dem man den Eindruck
gewinnt, daß sie es selbst damit nicht so ganz ernst meinen.
Lediglich im Rosenkreuzertum findet sich bei Spencer Lewis ein
kurzes Aufflackern praktischer Goldmacherkunst zu Anfang unseres
Jahrhunderts. Der Gründer des 1916 in Amerika aus der Taufe
gehobenen und zunächst ziemlich erfolglosen Antiquus Mysticus
Ordo Rosae Crucis (»Alter Mystischer Orden von Rosenkreuz«,
AMORC) suchte im Zuge der PR-Arbeit das Interesse der Presse zu
gewinnen, indem er 1916 eine halböffentliche Vorführung gab, bei
der er, jedenfalls nach Aussage seiner Rosenkreuzer selbst, mittels
Gedankenkraft ein Stück Zink in Gold verwandelt haben soll - ein
Ereignis, das auch vorübergehend den gewünschten Medienerfolg
brachte.

115
Sicher gab und gibt es in unserem Jahrhundert noch einige andere
Gruppierungen und Institutionen, die der praktischen Alchemie nicht
abschworen, so etwa das von dem Deutschamerikaner Frater
Albertus gegründete Paracelsus Research College und vereinzelte
italienische Organisationen, doch spielen sie derzeit in der okkulten
Welt keine nennenswerte Rolle. Nicht zuletzt durch die Studien des
Schweizer Tiefenpsychologen C. G. Jung (Psychologie und
Alchemie) hat die alchemisti-sche Geisteswelt in der Nachkriegszeit
wieder das verstärkte Interesse der Forschung auf sich lenken
können, was sich vor allem in Arbeiten auf dem Gebiet der
Medizingeschichte, der Anthropologie und der Volkskunde
niederschlägt.
Authentische alchemistische Texte finden - als Originalausgaben
ebenso wie als Reprint - in Kleinauflagen weltweit immer noch ihre
Liebhaber, und das zu Höchstpreisen. Das läßt darauf schließen, daß
das Faszinosum Scheidekunst zwar in den Hintergrund getreten sein
mag, aber noch längst nicht von der Bildfläche verschwunden ist.
Naturgemäß wird es nur eine kleine Schicht von Interessenten sein,
die sich heute noch damit befassen kann. Abgesehen von der
Kostenfrage setzt ein gründliches Studium der Alchemie doch sehr
fundierte Kenntnisse des Lateinischen, möglichst auch des
Griechischen voraus, ganz zu schweigen von den geschichtlichen
Zusammenhängen. Denn nur aus einem genauen Verständnis der
historischen Verhältnisse und Gebräuche heraus läßt sich die Detek-
tivarbeit, die eine Entschlüsselung der äußerst kryptischen Texte fast
immer bedeutet, erfolgversprechend leisten.

»Die Welt als Zahlenrätsel« Jüdische und christliche


Kabbalistik
Das biblische Wort, demzufolge Gott die Welt »nach Maß und Zahl«
schuf, faszinierte um das 12. Jh. immer mehr jüdische Gelehrte,

116
wobei hier auch gnostische Einflüsse eine nicht unbeträchtliche
Rolle spielten.
Über die von ihnen entwickelte Geheimlehre Kabbala (wörtlich:
»Überlieferung«) ist schon viel geschrieben worden. Uns interessiert
sie hier vor allem im Zusammenhang mit dem nichtjüdischen
Okkultismus, und so wollen wir von einer eingehenden Betrachtung
der Kabbala-Diskussion innerhalb der Judaistik absehen und statt
dessen in Grundzügen schildern, worin der Okkultismus ihren
hauptsächlichen Wert sieht. Daher verwenden wir in diesem Buch
stets die englische Transkription des Hebräischen, denn diese ist
auch für den seit der Jahrhundertwende von angelsächsischen
Autoren ohnehin stark beeinflußten Okkultismus maßgeblich
geworden.
Beginnen wir dazu mit einem Zitat des heutzutage viel zu wenig
beachteten Okkultismusforschers Carl Kiesewetter, der im Jahre
1895 speziell das jüdische Zauberwesen treffend zusammenfaßt. Er
soll in einiger Länge zu Wort kommen, weil er neben der inhaltlich
richtigen Darstellung auch ein Stück Atmosphäre wiedergibt. Wir
haben es hier mit dem seltenen Glücksfall eines Werks zu tun, das
zugleich den Wissenschaftler befriedigt und Generationen von
Okkultisten Anregung, ja teilweise sogar konkrete Anleitung für die
eigene Praxis war.

117
»In der jüdischen Tradition steht wie im
Zoroastrismus der Lichtwelt eine Welt der
Finsternis entgegen, während der Mensch seinen
Platz in der Mitte behauptet und in ihm beide
Welten aus- und zusammenlaufen. Der Rapport
zwischen dem Niedern und Höheren wird durch
den Kultus, durch die mit rituellen Handlungen
verknüpfte und einer der beiden Welten
angepaßte Assimilation hergestellt, indem das
Untere nur durch das Obere existiert, sich
demselben gleichförmig zu machen und mit ihm
eins zu werden bestrebt ist. Gleichzeitig sucht es
von ihm immer mehr Kräfte an sich zu ziehen,
um in dessen Geist zu leben und zu wirken. Es ist
also die Möglihkeit der Existenz einer heiligen
und einer fin-stern Magie gegeben, und ferner
wird ein Rapport des Innern mit dem Äußern, des
Menschen mit der Natur, d. h. eine Naturmagie,
möglich sein.
Diese Naturmagie ist an sich weder unrichtig
noch böse, kann aber leicht in beide
Eigenschaften umschlagen und ist dem Irrtum
und Trug leicht ausgesetzt. Nach kabbalistischer
Lehre bilden nämlich alle Wesenheiten des
Universums eine organisch gegliederte, auf das
innigste verbundene Kette, in welcher die obern
Glieder auf die untern, und diese wieder auf jene
wirken. Der Mensch aber kann durch die
Naturmagie nur mit den untern und äußern
Wesen dieser Kette (Merkabah), den
Elementarwesen und Astralgeistern, in
Verbindung treten, nie aber mit den höheren
Intelligenzen, welche sich ihm auf äußerliche
Weise durch die untern getrübten Naturkräfte
mitteilen. Die Mitteilungen, welche diese Wesen
den Menschen zukommen lassen, sind je nach
ihrem höheren oder tieferen Ursprung von sehr
verschiedenem Wert, nur bedingungsweise
richtig und nichts weniger als unverbrüchliche
Wahrheiten. Selbst die höheren Wesen dieser

118
Klasse haben nur Einsicht in die natürlichen
Verhältnisse der Dinge und das Schicksal der
Menschen, insofern dasselbe durch ihre früheren
Handlungen bedingt ist, während sich das aus
den künftigen Thaten entspringende ihrer
Kenntnis entzieht. Die Mitteilungen der untern
Wesen dieser Klasse aber sind noch
unzuverlässiger, indem ihr Wissen mit jeder
tieferen Stufe dunkler und unbestimmter wird,
und die am tiefsten stehenden, an die dämonische
Region grenzenden Naturgeister und
Elementarwesen (Schedim und Satanim) den
Menschen oft geflissentlich belügen. Sie sind
meist bösartige Koboldnaturen, die den
Menschen necken, verspotten und an Leib und
Seele schädigen; doch giebt es unter ihnen auch
friedlichere Wesen, welche es mit den Menschen
gut meinen und allerlei häusliche Dienste
verrichten. Sie wohnen meist in Einöden, Ruinen,
unflätigen Orten usw.
Durch die Schedim wird der Mensch aus der
Naturmagie zur schwarzen, dem Kischuph,
hinübergeführt, indem sie ihn immer tiefer in das
Dunkel der Natur führen, ihn moralisch und
intellektuell verkommen lassen und alle
Schrecken des Mediumismus über ihn
heraufbeschwören.
Die Schedim sind es auch, die mit den Zauberern
einen Bund machen, indem diese sich ihnen mit
ihrem Blute verschreiben müssen. Besonders die
israelitischen Frauen waren dem Kischuph
ergeben, und nach einer Notiz Molitors wurden
dereinst von einem Rabbi an einem Tag achtzig
Frauen wegen Zauberei zum Tode verurteilt.
Darum sagt auch nach dem kabbalistischen Buch
Pirke Aboth das jüdische Sprichwort: Je mehr
Frauen, desto mehr Zauberinnen. [...]
Der Kischuph ist wie alle Magie schauender und
wirkender Art und wird von der Kabbala als ein
Werk der finstern Welt betrachtet, bei welchem

119
sich der Mensch, der besonders dazu veranlagt
sein muß, sich nicht passiv verhält, sondern aktiv
mitwirkt. Deshalb sagt der Sohar auch:
>Mancher macht Zauberei, und es gelingt ihm;
ein anderer macht es ebenso, und es gelingt ihm
nicht, denn zu solchen Dingen muß der Mensch
geordnet sein.<
Der schauende Kischuph besteht nach
kabbalistischer Lehre entweder in der
Beschwörung der Satanim oder in der
eigentlichen Nekromantie. Die Satanim sind als
die auf der tiefsten Stufe stehenden Schedim zu
betrachten, als außer der irdischen
Beschränkung lebende, geistig schauende, nicht
an die Kategorien der Zeit und des Raumes
gebundene Wesen, welche insofern einen Blick in
die Zukunft haben, als sie nicht von den freien
Handlungen der Menschen abhängt, die aber die
Zauberer mit Lügen hintergehen. Ihre
Beschwörung geschieht entweder in der Art, daß
durch schamanistisches Tanzen, Toben, Drehen,
Heulen, durch Selbstverstümmelung usw. ein
ekstatischer Zustand hervorgerufen wird, in wel-
chem die Satanim angeblich von den >Jidonim<
genannten Zauberern Besitz ergreifen und aus
ihnen heraus sprechen. - Die zweite Art ist die
förmliche Beschwörung mit blutigen Opfern und
zur Materialisation dienenden Räucherungen.
Der wirkende Kischuph besteht in der Störung
der Elemente mit Hilfe der Satanim; in der
Erzeugung von Schmerz, Krankheit und Tod von
Menschen und Vieh durch bösen, namentlich mit
körperlichen Exkretionen geübten Magnetismus;
in der Stiftung von Haß und Feindschaft; in der
Buhlschaft mit den Schedim, und endlich in der
Lykanthropie, sowie in dem ganz spezifischen
Hexensabbath, wobei gewisse Salben und Öle
eine große Rolle spielen. - Der jüdische
Kischuph ist also genau aus denselben
Elementen zusammengesetzt wie das

120
Hexenwesen des Mittelalters und der ihm fol-
genden Jahrhunderte.« (Karl Kiesewetter,
Geschichte der Geheimwissenschaften, S. 433-
436)

Die vor allem im chassidischen Ostjudentum gepflegte Kabbala ist


ein riesiges Gebiet, dem man nicht auf einigen wenigen Seiten
gerecht werden kann, zumal dies eine eingehende Beschäftigung
sowohl mit Tora und Talmud als auch mit dem Judentum überhaupt
voraussetzen würde. Daher wollen wir, quasi im Telegrammstil, nur
jene Unterdisziplinen abhandeln, die für den abendländischen
Okkultismus bedeutsam waren.
Es versteht sich von selbst, daß sich der Okkultismus einer argen
Vordergründigkeit schuldig gemacht hat, indem er einzelne
Teilbereiche aus dem gewaltigen Korpus kabbalistischer Literatur
herausriß, noch dazu ohne tieferes Wissen um ihre eigentlichen
Zusammenhänge und der sorgfältig ausgefeilten, auf genaueste
Kenntnisse der überreichen rabbinischen Literatur abgestimmten
Kommentare. Statt dessen setzte man, vor allem im 19. Jh., auf die
vermeintlich erkannte »Universalität« kabbalistischen Wissens.
Das hatte zur Folge, daß die meisten »kabbalistischen« Autoren der
Jetztzeit weder des Hebräischen kundig sind noch sonst allzu viel
vom Judentum wissen wollen. Aber so bedauerlich dieser Trend zur
»Trivial-Kabbala« dem religionswissenschaftlichen Puristen auch
erscheinen mag, haben wir es hier doch nur einmal mehr mit einer
typischen Erscheinung des Okkultismus zu tun: Man entnimmt
einem bestehenden Denksystem Ideen, die man für wertvoll und
nützlich hält, und verknüpft diese ganz pragmatisch mit allem, was
sich ebenfalls als nützlich erwiesen hat - oder sich noch als solches
erweisen könnte. Gerade diese unbekümmerte Vielseitigkeit und
weltanschauliche Flexibilität und die damit einhergehende
Dogmenarmut aber war es auch, die immer wieder das Überleben
des Okkultismus auch unter widrigsten Umständen sichergestellt hat.

Kabbalistische Buchstaben- und Zahlenmystik. Gematria,


Notarikon und andere Techniken
Wie alle Buchreligionen betrachtet auch das Judentum das offenbarte
geschriebene Wort als heilig und unantastbar. Was die Buchstaben-

121
und Zahlen-Kabbalistik betrifft, kommt noch eine Besonderheit des
Hebräischen hinzu, die es mit anderen semitischen Sprachen teilt.
Ähnlich wie das Arabische kennt auch das Hebräische keine echte
Vokalschrift, die sämtliche Vokallaute der gesprochenen Sprache
wiedergeben würde.
Es liegt auf der Hand, daß eine reine Konsonantenschrift beim Lesen
zu Mißverständnissen führen kann.
Beispielsweise läßt sich die Konsonantenfolge KTB zumindest
theoretisch sowohl als Katab wie auch als Kitab, Katib, Kutub oder
sogar Katiba, und so weiter, lesen. Hat aber jede dieser Lesungen
ihre eigene Bedeutung, ist die Verwirrung perfekt. So kommt es, daß
man Texte in semitischen Sprachen stets nur aus ihrem jeweiligen
Sinnkontext heraus verstehen kann, der sich sowohl aus der
inhaltlichen Einbettung eines Begriffs als auch aus
grammatikalischen Regeln ergibt.
Die rabbinische Talmudtradition hat dieses Problem dergestalt
gelöst, daß anstelle der fehlenden Vokale in klassischen Texten
sogenannte »diakritische Zeichen« gesetzt werden, wie man sie zur
leichteren Aussprache und Betonung auch in altgriechischen Texten
verwendet. Damit wird dem Leser in der Regel eine bestimmte
Bedeutung der Schrift vorgegeben, die wiederum einer rabbinischen
Konvention entspricht.
Die kabbalistische Tradition, die innerhalb des Judentums eine

122
ähnliche Stellung einnimmt wie etwa die Mystik im Christentum, hat
sich damit allerdings nicht zufriedengegeben. Auf der Suche nach
der »wahren« Bedeutung der Hl. Schrift hat man immer wieder
versucht, ihr ihre Geheimnisse zu entreißen. Eine der dazu
verwendeten Techniken war es, die durch ihren Zahlenwert
identischen Worte in Beziehung zueinander zu setzen. Das war
dadurch möglich, daß jedem hebräischen Buchstaben schon früh ein
bestimmter Zahlenwert zugeordnet wurde; Zahlen wurden sogar
ausschließlich als Buchstaben geschrieben.
Ein Beispiel: Die hebräischen Vokabeln ahab (Liebe) und achad
(Einheit) haben beide den selben Zahlenwert. Darüber könnte ein
Kabbalist meditieren, wie ganz allgemein über die im Zuge seiner
Forschungen entdeckten sprachlichen Zahlenentsprechungen. Was in
unserem Beispiel vom Inhaltlichen her einigermaßen schnell
einleuchten mag (Liebe = Einheit), erweist sich als wahre
Sisyphusarbeit, sobald die durch ihren Zahlenwert in einer
Beziehung zueinander stehenden Begriffe scheinbar überhaupt nichts
miteinander zu tun haben. »Scheinbar« deshalb, weil der Kabbalist
getreu dem anfangs zitierten

Bibelwort prinzipiell davon ausgeht, daß er diesen Sinnezu-


sammenhang nicht etwa herstellen, sondern nur durch Meditation
entdecken kann. Es geht also hier, genau wie bei der Gno-sis, nicht
um das intellektuelle Tüfteln, sondern um ein den herkömmlichen
Verstand transzendierendes Wissen.
Gern arbeitet der Kabbalist dazu auch mit Buchstabenpermutationen.

123
Sei es, daß er versucht, ein Wort der Schrift als Ana-gramm zu
betrachten und zu ermitteln, für welches weitere Wort jeder einzelne
Buchstabe steht, und welche Sätze sich daraus ergeben. Oder er geht
den umgekehrten Weg und faßt die Anfangsbuchstaben eines
ausgesuchten Satzes aus der Offenbarungsschrift zusammen und
kontempliert die sich daraus ergebenden Sätze und Begriffe.
Eine klassische Technik ist das notarikon, bei dem aus den Anfangs-
oder Endbuchstaben der Wörter eines Satzes ein neuer Satz gebildet
wird, der den ersten erklären soll. Beispielsweise ergeben die ersten
und letzten Buchstaben des Satzes »Wer wird für uns in den Himmel
aufsteigen?« im Hebräischen die Worte »Gott« und »Beschneidung«,
woraus sich kabbalistisch schließen läßt, daß Gott die Beschneidung
als Tor zum Himmel verfügt hat.
Auch im Neuen Testament findet sich frühes kabbalistisches
Gedankengut, etwa in der Offenbarung des Johannes, wo es heißt,
daß die Zahl des Tiers 666 sei - ein andauernder Anlaß zu
zahlenmystischen Spekulationen über den wahren Namen des
Antichrist.
Im Judentum dienen diese Operationen in der Regel als geistliche
Übungen, die zu einem tieferen Verständnis der Offenbarung Gottes
führen sollen. Wie uns Kiesewetters Text allerdings vor Augen führt,
gibt es auch ein reiches, wucherndes jüdisches Zauberwesen. Es liegt
auf der Hand, daß es sich ebenfalls dieser kabbalistischen Praktiken
bedient. Auch im nichtjüdischen Okkultismus benutzt man die
solcherart erworbenen Erkenntnisse beispielsweise zur Beschriftung
von Talismanen und Amuletten oder als Zauberformeln im Ritual.
Paradoxerweise eignet sich der abendländische Okkultist auf diesem
Wege unter Umständen ein recht umfangreiches hebräisches
Vokabular an, ohne diese Sprache auch nur ansatzweise zu erlernen.
Das »Wort« der Schrift wird letztlich primär als »Zahlenspender«
betrachtet; und wenn auch sein Sinninhalt dazu gehört, wird auf das
Studium der Offenbarungsschrift, aus dem es stammt, meist gänzlich
verzichtet.
Während sich noch in den 70er Jahren vornehmlich im an-
gelsächsischen Raum eine recht große Anzahl kabbalistisch-
buchstabenmagisch arbeitender und forschender Okkultisten finden
ließ, scheint dieser Zweig der Kabbala langsam aus der Mode zu
kommen.
Die Buchstaben- und Zahlenkabbalistik stellt nicht die einzige
Teildisziplin der Kabbalistik dar, wohl aber war sie eine der

124
einflußreichsten. Das war schon zu ihrer Blütezeit im maurisch
besetzten Spanien der Fall, als sich kaum ein christlicher Theologe
oder Prediger in seiner Auseinandersetzung mit den Vertretern des
jüdischen Glaubens ihrem Reiz entziehen mochte. Es ist ein Fall
bekannt, da ein christlicher Kabbalist einige jüdische Disputanten
dadurch zu seinem Glauben bekehrte, daß er die Zahlengleichheit
von »Jeheschuah« (Jesus) mit »Meschiach« (Messias) errechnete
und vorführte. Auch Gelehrte wie Reuchlin, Knorr von Rosenroth
und Helmont beschäftigten sich zum Teil sehr eingehend mit der
Kabbala.

Der Lebensbaum
Im teilweisen Rückgriff auf gnostische und altiranische Ema-
nationslehren hat die jüdische Kabbala eine Glyphe hervorgebracht,
die sich auch unter nichtjüdischen Esoterikern großer Beliebtheit
erfreut: den Lebensbaum des kabbalistischen Hauptwerks, des
Sohar.
Ausgangspunkt dieses zehnteiligen Lebensbaums (hebr. Otz Chaim)
sind die drei Qualitäten der Gottheit: Ain, Ain Soph und Ain Soph
Aur. Über sie läßt sich wenig sagen, dennoch (oder gerade deshalb)
wird viel darüber spekuliert. Das Ain wird als das »Nichts« oder als
»Negative Existenz« interpretiert, Ain Soph dementsprechend als das
»Grenzenlose« und Ain Soph Aur als das »Grenzenlose Licht«; ein
Nichts, das sich immer weiter verdichtet und somit qualifiziert.
Aus dieser meist als drei konzentrische Kreise dargestellten Triade
gehen die zehn folgenden Emanationen, die Sephiroth (sing.
Sephirah) hervor: Kether (Krone), Chokmah (Vater/ Weisheit),
Binah (Mutter/Verstehen), Chesed (Gnade), Gebu-rah (Strenge),
Tiphareth (Schönheit), Hod (Herrlichkeit), Netzach (Sieg), Yesod
(Fundament), Malkuth (Erde). Zwischen der Triade der oberen drei
Sephiroth und dem Rest des Baums liegt der Abyssos, der Abgrund
allen Seins oder die »dunkle Nacht der Seele«, die vor allem in der
westlichen Magie seit dem 19. Jh. eine herausragende Rolle spielt.
Im Abyssos, und doch von ihm getrennt, ist der Punkt Daath«
(Wissen), eine Nicht-Sephirah, über deren genaue Natur ebenfalls
viel spekuliert wird.
Des weiteren wird der Lebensbaum durch drei Säulen strukturiert
(zwei davon, die Säulen Boas und Jakin, stehen im Frei-

125
maurertempel rechts und links vom Altar des Meisters vom Stuhl,
aber man spricht auch von den drei Säulen »Weisheit«, »Schönheit«
und »Stärke«); ferner durch 22 die Sephiroth miteinander
verbindende Pfade. Jedem dieser Pfade wird ein Buchstabe des
hebräischen Alphabets zugeordnet.
Seit dem 19. Jh. und der Wiederentdeckung des Tarot durch die
französischen Okkultisten Eliphas Lévi und Papus ordnet die
nichtjüdische Esoterik den Pfaden auch die Trumpfkarten dieses
Spiels zu. In der synkretistischen Magie der Golden Dawn, die wir
noch kennenlernen werden, spielt darüber hinaus auch die
Planetenzuordnung zu den Sephiroth eine entscheidende Rolle bei
der Planetenmagie. Ferner benutzte man -eine noch heute gängige
Praktik - die Sephiroth zu sogenannten »Geistreisen«, die man seit
der Jahrhundertwende im Englischen auch als »rising on the planes«
bezeichnet, während sich durch das Nachkriegswerk von Peregregius
im Deutschen die Bezeichnung »Astralwallen« eingebürgert hat,
auch wenn damit nicht immer ganz dasselbe gemeint ist.
Die hier im Ansatz vorgestellte Systematik ist von ihrer ganzen
Herangehensweise urgnostisch. Wer diese bereits aufs
Allereinfachste beschränkte Darstellung schon für »kompliziert«

126
hält, hat damit immerhin einen kleinen Vorgeschmack darauf
bekommen, wie es in der Welt der spekulativen Gnosis aussehen
mag.
Es sei noch einmal betont, daß all dies weder Selbstzweck sein will
noch aus schierer Lust an komplizierten Denkgebäuden entstanden
ist. Dem Okkultisten war es bis vor kurzem vornehmlich darum zu
tun, die hinter dem im wahrsten Sinne des Wortes »heillosen«
Durcheinander des Kosmos zugrundeliegende »geheime Ordnung«
zu erkennen.
Die neuere Magie sieht in derlei aufwendigen Strukturen und
Symbolgebilden seit Ende der 70er Jahre eher den Versuch, den
diskursiven Verstand durch intellektuelle Überreizung zu lahmen,
um der Intuition des Unbewußten das Feld zu öffnen. So modern
diese Interpretation auch anmuten mag - ganz falsch ist sie sicher
nicht. Denn auch die jüdische Kabbalistik hat ihre praktische Seite,
und zu dieser gehört, wie in allen anderen bekannten
Zaubersystemen der Welt auch, die Arbeit mit veränderten
Bewußtseinszuständen.
So kritisierte einmal ein zeitgenössischer englischer Magier die
Kabbalistik seiner Kollegen: »Mit dem kabbalistischenLebensbaum
zu operieren, kommt mir so vor, als wollte man sich in einer Stadt
zurechtfinden, von der man nur einen Kanalisationsplan in der Hand
hat.« Wir sehen an diesem Beispiel, daß die (Post-)Moderne auch
vor dem Okkultismus nicht haltgemacht hat. Skepsis, ironische
Distanz und Saloppheit sind charakterische Merkmale des heutigen
Umgangstons. Dennoch nimmt man die alten Quellen ernst, auch
wenn sie immer wieder aufs neue interpretiert und in die Sprache
und Verständnisstruktur ihrer Zeit übersetzt werden.

127
»Die Lebenskraft entzückt Salons«
Die Geniestreiche des Anton Mesmer, und warum ein
Fleischextrakt Bovril heißen mußte

Im Vorfeld der Französischen Revolution durfte der Okkulti-mus


eigentlich auf keine große Gegenliebe bei den Gebildete hoffen - das
sollte man jedenfalls meinen. Das Zeitalter der Aufklärung feierte
seine Triumphe, die französischen Enzykli-pädisten zeigten der
Welt, wozu nüchterne Gründlichkeit im-stande war, Kirche und
Klerus befanden sich nach ihrer weitge-henden Entmachtung durch
laizistische Gesetze in einer tiefe Krise.
Gewiß, die im 17. Jh. entstandene Freimaurerei hatte sich etabliert,
aber die war ja auch nicht wirklich okkult. Bestenfalls könnte man
davon sprechen, daß sie die weitgehend vorrationalistischen
Positionen des Humanismus mit okkultistisch scheinender Symbolik
verbrämte. Es war die Zeit,
da der aufkeimende Atheismus salonfähig wurde und skeptisch
gebrochene Gottgläubigkeit wissenschaftliches Denken nicht mehr
zwingend ausschloß. Dafür waren viele der okkulten Wissenschaften
in Mißkredit geraten. Die Astrologie wurde nur noch halbherzig
betrieben - sofern man sie überhaupt noch ernstnahm. Von der
Alchemie war allenfalls noch theoretisch die Rede; vergessen auch
die Nekro-mantie und der Spiritismus eines John Dee; so gut wie

128
verschollen das Wissen um jüdische Kabbalistik und gnostische
Kosmogonien. Das Volk ging zwar seiner alltäglichen, öffentlich
immer mehr zum »Aberglauben« degradierten Zauberei nach, wie es
das schon immer getan hatte. Aber wenn es tatsächlich einmal zu
okkulten Praktiken unter den Gebildeten und Wohlhabenden kam,
dann nur vereinzelt, versteckt, diskret, und meist unter Beteiligung
von Vertretern des Klerus. Der Satanismus der Affäre Montespan zur
Zeit des Sonnenkönigs, bei dem es auch zu Säuglingsopfern
gekommen sein sollte, empörte zwar geziemend die Gemüter der
Zeitgenossen. Doch war es schon längst nicht mehr die theologische
Entrüstung einer ums eigene Seelenheil und das der Schöpfung
bangenden Christenheit, was sich da Luft machte, sondern vielmehr
der Ekel des rationalistisch
empfindenden Ästheten.
Der Klassizismus setzte zwar
ganz auf die Kultur der Antike,
doch befaßte man sich mehr mit
Architektur und Bildhauerei der
alten Griechen, dazu auch nur
mit den nüchterneren ihrer
Philosophen. Da konnte das
unordentliche Gewusel antiker
Kulte und Geheimlehren in
dieser eher an den klaren,
strengen Formen weißen
Griechenmarmors interessierten
Epoche nur stören. Weshalb
man es auch geflissentlich
ignorierte.
Andererseits: Die Renaissance
war noch nicht völlig überwunden, die Barockzeit mit ihrer
todesverliebten, wurmstichigen Friedhofslyrik und ihrer
wuchernden, ausufernden Vorliebe für dekorative Vanitas-Grotesken
und pseudoarkadische Schäferposen noch nicht ganz verkraftet, und
die Romantik hatte noch nicht so recht eingesetzt. Schon begann die
Industrialisierung ihre ersten zaghaften Fühler auszustrecken, das
Bürgertum warf immer begehrlichere Blicke auf die Privilegien von
Gottkönigtum und Adel, und auch im einfachen Volk begann es
immer lauter und freiheitshungriger zu rumoren. Jetzt wurde das
Feld des Rationalismus ein letztes Mal beackert und vorbereitet,

129
wurde die endgültige Saat ausgebracht, die schließlich im Zuge der
Industrie- und Wissenschaftsrevolution des 19. Jh. so übermütig
aufgehen und sprießen sollte.
Man ägyptisierte: Gestalten wie der Graf von St. Germain und
Cagliostro (alias Giuseppe Balsamo), der Anton Mesmer in der
Gunst des französischen Königshofs beerben sollte, beriefen sich auf
uraltes ägyptisches Einweihungswissen. Was kein Kunststück war,
schließlich hatte man die Hieroglyphen noch nicht entziffert, so daß
das Alte Ägypten gewissermaßen die letzte Projektionszuflucht des
Geheimnisvollen zu sein schien. Darin wirkten noch der
Ägyptizismus eines Athanasius Kircher und Court de Gébelins
spekulatives Werk Monde prl-mitif (1781) aus dem 18. Jh. nach.
Darin wurde ernsthaft behauptet, daß sich in den Trumpfkarten des
schlichten Tarock-spiels (frz. tarot, wie noch heute in
Esoterikerkreisen gebräuchlich) das über die Zeitalter gerettete
Geheimwissen der ägyptischen Tempelpriester verberge.
Die Geschichte zeigt es immer wieder: Wo der Okkultismus
verbannt, verhöhnt, verfolgt wird, wird man auch viel anfälliger für
die betörenden Einflüsterungen der sich okkult gebärdenden
Scharlatane. Je weniger über die authentischen Quellen bekannt ist,

130
aus denen Volksverdummer und Trickbetrüger ihre meist selbst nur
halbverstandenen Weisheiten schöpfen, um so leichter läßt man sich
ein X für ein U vormachen. Da wird dann nur zu gern für ägyptisch
gehalten, was in Wirklichkeit aus den ärmlichen
Kartenschlägerbuden des Hafenviertels von Neapel stammt; und da
werden die ältesten Bühnentricks der Welt zu Instrumenten
»kosmischer Offenbarung«.
Kurz, je mehr einseitige »Aufklärung« im materialistisch-ra-
tionalistischen Sinne auf der einen Seite, um so mehr Leicht-
gläubigkeit auf der anderen. Es ist ein geflügeltes Wort unter
spiritistischen Medien und Hellsehern, daß sich gerade die Vertreter
der exakten Wissenschaften am leichtesten hinters Licht führen
lassen. Die moderne Parapsychologie hat dieses Problem
mittlerweile selbst erkannt und bedient sich bei ihrer Erforschung
ungewöhnlicher Phänomene deshalb auch zunehmend des fachlichen
Beistands von Trickexperten.
So wie man in den asiatischen Kampfkünsten der heutigen Zeit gern
über jene Phase witzelt, da sich jeder chinesische Koch für einen
Kung-Fu-Meister ausgeben konnte, so wissen jene (zugegeben:
wenigen) Okkultisten, die ihre eigenen Quellen ernsthaft erforscht
haben, ein trauriges Lied davon zu singen, wie leicht es ist, mit der
billigsten Masche Eindruck zu schinden, wenn man sie nur in eine
dem jeweiligen Zeitgeschmack und -denken angepaßten Verpackung
kleidet.
Franz Anton Mesmer (gelegentl. auch fälschlich: Friedrich Anton)
wurde schon zu Lebzeiten von vielen Seiten Scharlatanerie und
Betrug vorgeworfen. Das hat nicht unbedingt viel zu bedeuten, denn
das tat man fast mit jedem, der den Anschein erweckte, mit für das
damalige Wissen nicht nachvollziehbaren Mitteln, Techniken und
Kräften zu operieren. Es würde ihm heute wohl kaum anders
ergehen.
Mesmer wurde am 23. Mai 1734 in Iznang bei Radolfzell geboren.
Er studierte Theologie, Philosophie, Jura sowie Medizin und
promovierte 1766 mit einer Arbeit über den physiologischen Einfluß
der Planeten, von der nur noch zwei Exemplare erhalten sind. Damit
stand er in der Tradition von Paracelsus, van Helmont und Robert
Fludd. Inwieweit seine von okkultistischer Seite gern behauptete
Mitgliedschaft in verschiedenen Geheimbünden (Fratres Lucis,
Brotherhood of Luxor) den Tatsachen entspricht, läßt sich nicht mit
Sicherheit nachprüfen.

131
Nach seiner Promotion an der Universität zu Wien begann er den
von ihm postulierten »animalischen Magnetismus« therapeutisch
einzusetzen. So soll er als erstes 1777 ein seit dem dritten Lebensjahr
erblindetes Fräulein Paradis geheilt haben, andere Quellen sprechen
von einer Epileptikerin namens Öster-lin. Dazu befestigte er
Metallmagneten an Armen und Beinen der Patientin, eine Technik,
die er später noch erweitern und verfeinern sollte.
Mesmer geht von einer das ganze Weltall durchdringenden und
verbindenden Kraft aus, ein Fluidum, dessen Beschreibung an antike
Äther-Vorstellungen erinnert. Diese wirkt auch aus der Ferne, oder
eben, in seiner Terminologie, »magnetisch«.
Alle Krankheiten sind eine Folge von Gleichgewichtsstörungen
dieser Kraft im Körper des Erkrankten, wodurch sie sich
unharmonisch im Organismus verteilt. Heilen bedeutet daher nichts
anderes, als dieses gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen. Dies
geschieht durch Zufuhr der besagten Kraft in den Körper des
Kranken.
Für diese Zufuhr ist der Magnetiseur-Arzt zuständig. Mit seinen
medizinischen Kenntnissen und seinem Wissen um die Technik des

132
Magnetisierens gelingt es ihm, die erforderliche Kraft in sich
aufzunehmen, sie zu kanalisieren und je nach Bedarf bei der Abgabe
an den Patienten abzuschwächen oder zu verstärken.
In der Praxis sah das beispielsweise so aus, daß Mesmer im
Behandlungszimmer eine mit Eisenspänen und Wasser
gefüllteWanne aufbaute, um die sich die Patienten gemeinsam setzen
mußten. Er selbst trug dabei ein Lederwams, um sein eigenes
magnetisches Fluidum abzuschirmen. Die Patienten waren mit-
einander durch eine Leitung verbunden und mußten eiserne
Stableiter ergreifen, die aus der Wanne hervorragten. Nun ging unter
Mesmers Anleitung und nach seiner Weisung der Magnetismus von
der Wanne auf die Patienten über und heilte sie. Es kam aber auch
vor, daß Mesmer seine Patienten direkt magne-tisierte, indem er mit
einem Finger oder einem Eisenstab vor ihrem Gesicht oder dem
betroffenen Organ hin und her fuhr -die bis in unsere Tage so
bezeichneten »magnetischen Striche« (auch »Mesmerische Striche«
oder, französisch, passes genannt). Mit dieser Herangehensweise
gelangte Mesmer zu recht unterschiedlichen Ergebnissen: Von der
Spontanheilung bis zum völligen Versagen war so gut wie alles drin.
Nachdem er eine Weile in Wien praktiziert hatte, begab er sich nach
Paris und eröffnete dort eine Praxis für betuchte Adlige. Dort feierte
er auch seine größten Triumphe. Er konnte viele Ärzte von seiner
Heilweise überzeugen und erlangte Berühmtheit, wurde zum
Modearzt. Man stellte sein Bild in den Schaufenstern aus, Dichter
widmeten ihm ganze Ruhmeshymnen. Als er 1784 in der
Boulevardkomödie Les docteurs modernes verspottet wurde, kam es
sogar zu einem handfesten Theaterskandal.
Mesmer genoß auch schon bald die Protektion Marie Antoi-nettes,
was ihm Entrée zu den höchsten Kreisen verschaffte. Bis die
französische Akademie sich seiner annahm: Das sollte seiner
Karriere zum Verhängnis werden. Die Akademie bestallte eine
Untersuchungskommission, die einen für Mesmer vernichtenden
Bericht ablieferte. So fiel er aus der Gunst des Hofes, verließ Paris
und zog sich an den Bodensee zurück, wo er weiterpraktizierte, bis
er 1815 starb und in Meersburg beigesetzt wurde.
Nach seinem Tod setzte die Akademie eine zweite Kommission ein,
die ihn rehabilitierte, indem sie das Urteil der ersten revidierte und
damit seinen Theorien vom animalischen Magnetismus
vorübergehend zu neuer Anerkennung verhalf. Mes-mer war
übrigens einer der ersten, die öffentlich den Begriff »sechster Sinn«

133
gebrauchten, mit dem er das paranormale Wahrnehmungsvermögen
bezeichnete.
Kein Zweifel: Mesmer war das, was man in unserer Zeit einen
Showman nennt. Er wußte sich zu verkaufen, sein Marketing war
genial. Die Wissenschaftler, die nur seine scharlata-nesken Züge
sehen wollten (die er zweifellos auch hatte), übersahen dabei die
eigentliche wissenschaftliche Revolution, die er mit seinem
Vorgehen auslöste, möglicherweise ohne deren Tragweite selbst
genau zu erkennen.
Die Medizinhistoriker würdigen Mesmer heute als einen Vorläufer
der Hypnoseforschung. Nun wäre es zwar töricht zu behaupten, daß
Mesmer die Hypnose »erfunden« hat - sie war schon im Altertum
bekannt, wo man auch um die heilende Wirkung des Tiefschlafs
wußte und diesen therapeutisch einsetzte. (Wörtlich bedeutet
Hypnose nichts anderes als »schlafen machen, einschläfern«.). Auch
die »Jahrmarktshypnose«, wie sie noch heute gern im Fernsehen
gezeigt wird und die Veranstaltungshallen füllt, war kein Produkt
Mesmers und ist schon lange vor ihm belegt.
Dennoch wären beispielsweise die moderne Psychotherapie und die
psychosomatische Medizin ohne ihn fast undenkbar. Von Mesmer
führt die Linie über den von ihm ausgebildeten Marquis de Puységur
direkt zur geistesgeschichtlichen Revolution des Sigmund Freud und
über diesen zur Tiefenpsychologie unserer Tage. Daß sich Mesmers
wissenschaftliche Thesen mittlerweile nur noch in okkultistischen
Kreisen halten, wenn man von wenigen Ausnahmen innerhalb der
Naturheilkunde absieht, schmälert nicht seine Leistung, der
damaligen Welt des Abendlands gezeigt zu haben, daß der Leib nicht
mechanistisch nach Art eines »organischen Uhrwerks« funktionierte
und daß es durchaus möglich war, auch mit anderen Mitteln als jenen
der äußeren Verabreichung von Drogen und Medikamenten
Krankheiten zu heilen. Darüber hinaus stellt der Mesmerismus ein
Paradebeispiel für die »Okkultifizierung« einstmals
ernstgenommener Wissenschaften dar. Die Tatsache, daß Mesmer
damit zum Teil nur alte Weisheiten wiederentdeckte, wie sie der
Okkultismus schon immer gekannt hatte, bleibt davon unberührt.
Mesmer hatte seine Nachfolger, vor allem in der okkultistischen
Welt, und er hat sie noch immer. Mit ihm zeichnet sich eine Zäsur
im okkulten Weltbild ab, deren Folgen gewaltig waren.
Das Konzept einer feinstofflichen, unsichtbaren oder jedenfalls mit
den gewöhnlichen Sinnesorganen nicht wahrzunehmenden Energie

134
oder Kraft ist zwar an sich nicht neu. Bereits in der Magie des Alten
Ägypten spielt die Kraft der Gottheiten eine herausragende Rolle.
Man nimmt mit einiger Berechtigung an, daß sogar schon die
Zauberer der Jungsteinzeit mit sympathiemagischer
Kraftübertragung zu arbeiten trachteten. Die Anthropologie hat im
19. Jh. dafür den polynesischen Begriff mana publik gemacht. Auch
im Alten China sprach man schon vom chi (auch: ch'ii, ki; heute xi),
und der indische Yoga kennt eine ganze Disziplin, die sich mit nichts
anderem befaßt als der Steuerung und Manipulation dieser
postulierten Energie, die man im Sanskrit prana nennt: das
pranayama, das oft fälschlich mit »Atemübungen« gleichgesetzt
wird, wenngleich die Atmung dabei auch eine große Rolle spielt.
Dennoch war die abendländische Magie sehr viel stärker einem
reinen Geistermodell verhaftet. Es wurde von einer real
existierenden Welt der Geister und Dämonen, der Gottheiten und
Teufelsheere gesprochen. Die wesentliche Aufgabe des Magiers
bestand darin, als Mittler zwischen den Welten zu fungieren. (Wir
erinnern uns an die hagazussa oder Zaunreiterin der altgermanischen
Zeit.). Dazu mußte er sich in der Welt der Geister auskennen, er
brauchte jenseitige Bundesgenossen oder Diener, die ihm bei der
Erlangung seiner Wünsche (oder der seiner Klienten) behilflich
waren, und oft genug schuf er sich dort auch Feinde.
All dies ist zwar nicht allein für die westliche Zaubertradition
charakteristisch und findet sich auch in anderen Kulturen; doch mit
Mesmer sollte sich das radikal ändern. Denn nun begann
man, den Schwerpunkt auf ein Energiemodell zu legen. Damit war
das alte Geistermodell zwar nicht gestorben, doch im allgemeinen
legte man die Betonung nun auf Kräfte statt auf Geister. Allerdings
sollte es nach Mesmers Tod noch gut 100 Jahre dauern, bis sich
dieses Modell vollends durchsetzte - und da war schon das nächste,
das psychologische Modell in den Startlöchern, um es abzulösen oder
wenigstens zu ergänzen. Das 1801 in London erschienene Werk The
Magus von Francis Barrett wird zwar in heutigen Okkultistenkreisen
immer wieder lobend hervorgehoben, doch bietet es tatsächlich nicht
viel mehr als eine Kompilation von Elementen der Renaissance-
Magie. Die Impulse eines Mesmer sind dagegen völlig an ihm
vorbeigegangen. Beachtenswert ist allenfalls die Tatsache, daß um
diese Zeit überhaupt noch ein Werk dieser Art erscheinen und Leser
finden konnte - ein Beweis dafür, wie sehr die Magie um diese Zeit
bereits in Vergessenheit geraten war.

135
Doch zurück zum Energiemodell. Mesmers Bezeichnung
»animalischer Magnetismus« ist inzwischen zwar aus der Mode
gekommen und wird nur noch ein wenig verschämt von
»Magnetiseuren« innerhalb des Berufsstands der Heilpraktiker
oder Geistheiler verwendet. Aber diese Entwicklung ist schon älter.
Eine Reihe von anderen Autoren, die sich neidlos auf Mesmer berie-
fen, zogen es lieber vor, eigene Begriffe in Umlauf zu bringen,
obwohl sie damit meist dasselbe meinten.
Ob Mesmer sich selbst als Magier verstand (was eher
unwahrscheinlich ist) oder nicht - indem er praktisch vorführte, wie
weit man mit diesem Modell kommen konnte, zeigte er neue oder
zumindest als neu empfundene Wege auf, dem Mysterium der Magie
auf die Spur zu kommen. Die damals noch in ihren Anfängen
steckenden Naturwissenschaften hatten dem wenig entgegen-
zuhalten.
Mesmers Beitrag zur Modifizierung des damals gängigen
mechanistischen Bilds von der »Körpermaschine«, die man sich
weitgehend wie eine Art Zahnradapparatur vorstellte, wurde schon
häufig gewürdigt. Die Lawine, die er mit seiner Betonung des
Energiemodells lostrat, wurde dagegen bisher meist übersehen.
Nicht so im Okkultismus: Mesmer hätte nicht erst in Ungnade zu
fallen brauchen, um nachhaltige Beachtung zu finden. Die Spur, die
er gelegt hatte, wurde von dem deutschen Naturforscher und

136
Industriellen Karl Freiherr von Reichenbach (1788-1869)
aufgenommen und weiterverfolgt. Reichenbach hatte immerhin
schon das Paraffin und das Kreosot entdeckt, als er 1852 seine
Theorien vom Öd (auch Odkraft; daraus abgeleitet die Verben oden,
entoden) vorstellte. Von ihm stammt übrigens auch die immer noch
gängige Bezeichnung Sensitive.
Beim Od handelt es sich um ein feinstoffliches Fluidum, das sich
nicht vom animalischen Magnetismus Mesmers unterscheidet.
Allerdings konzentrierte Reichenbach sich nicht auf eventuelle
Heilkräfte des Ods, sondern führte Experimente durch, die zu den
frühen Forschungen der Parapsychologie gezählt werden müssen.
Das vom Körper abstrahlende Od (dessen Bezeichnung nach einer
Deutung von Odin, einer anderen zufolge jedoch von gr. odos,
»Hindurchgehen« abgeleitet wird) kann seiner Theorie zufolge von
Sensitiven als »odische Lohe« wahrgenommen werden.
Wenn auch seine Annahmen späteren experimentellen Unter-
suchungen nicht standhalten konnten, genoß Reichenbach doch einen
sehr guten Ruf. Viele Okkultismusforscher des 19. Jh. (so auch
DuPrel) werteten seine Od-Theorie als Erklärungsmodell, mit dessen
Hilfe man den Okkultismus endlich auf eine physikalische
Grundlage stellen könne. Das war zwar wohl eher ein Wunschtraum
und allenfalls Ausdruck des gängigen Wissenschaftsoptimismus der
damaligen Zeit, zeigt aber doch, daß man inzwischen zunehmend
bereit war, das Energiemodell ernstzunehmen.
Der nächste, der die Lebenskraft postulieren sollte, war der englische
Rosenkreuzer, Hochgradfreimaurer und Romancier Edward Earl
Bulwer-Lytton (1803-73). Bulwer, der zu den meistgelesenen
Romanautoren seiner Zeit gehörte und dessen Sohn später Vizekönig
von Indien werden sollte, war ein richtiger Aktivist des Okkulten. Er
war mit dem französischen Okkultisten Eliphas Lévi befreundet,
dem die moderne Magie ihre Renaissance verdankt, und hat schon zu
Lebzeiten unauffällige, aber entscheidende Weichen gestellt, die für
die Weiterentwicklung des Okkultismus von großer Bedeutung sein
sollten.
Zu seinen literarischen Leistungen auf okkultistischem Gebiet gehört
neben dem spiritistischen Roman Zicci und der Ro-
senkreuzererzählung Zanoni sein letzter Erzählband, The coming
race, der von einer geheimen unterirdischen Zivilisation handelt, die
über ein alles durchdringendes Fluidum namens Vril gebietet. Dieses
Werk übte großen Einfluß sowohl auf Madame. Blavatsky als auch

137
auf Rudolf Steiner aus.
Das Vril ist dem Od oder dem animalischen Magnetismus nicht
hundertprozentig gleichzusetzen, kommt diesen aber doch zumindest
konzeptuell recht nahe. Vril ist einerseits die Kraft, die Pflanzen
wachsen läßt, andererseits aber auch eine Energie, die dem
Menschen erst nach seiner Höherentwicklung nutzbar zur Verfügung
stehen wird. Hier wird in romanhafter Form mit dem Kraftbegriff
zugleich eine utopische Verheißung verknüpft, wie sie die Herzen
der okkultistisch gesinnten Gemüter des ausklingenden 19. und
beginnenden 20. Jh. höherschlagen läßt. Inzwischen machen sich
zudem »vitalistische« Denkweisen, wie man sie später nennen wird,
auch in der Biologie breit.
Der Fleischextrakt Bovril, ein Konkurrenzprodukt zu Liebigs
Fleischextrakt, verdankt seinen Namen der Verbindung von
lateinisch bos, bovis, »Rind«, und dem Bulwerschen Vril-Ge-
danken. Noch 1933 wird in Deutschland auf der Grundlage von
Bulwers letztem Roman durch Hitlers Geostrategen und Chef-
ideologen Karl Haushofer die Loge Brüder des Lichts gegründet, die
sich auch als Vril-Gesellschaft bezeichnet.
Bulwers Vril stellt eine Art Gegenkraft zum Astrallicht Lévis dar,
dem der Autor wohl auch seine Anregung dazu verdankt. Das
Astrallicht ist im Prinzip nichts anderes als der Äther der Antike und
der Renaissance: eine feinstoffliche Substanz (allerdings keine
Kraft), die das ganze Universum durchdringt und motorische

138
Wirkungen transportiert. Wir sagten es schon: Die Geisterwelt war
damit keineswegs abgeschafft, trat aber doch zugunsten des
Kraftbegriffs deutlich in den Hintergrund. Bei einem Magier wie
Franz Bardon finden wir zwar selbst in den 50er Jahren des 20. Jh.
immer noch zahlreiche Anleihen an das Geistermodell, doch legt
auch er den Schwerpunkt seiner praktischen Anweisungen deutlich
auf die Arbeit mit Kräften oder Energien, wobei er immer wieder die
Begriffe »elektrisch« und »magnetisch« verwendet.
Bardon steht wiederum in der Tradition des deutschen Magiers
Wilhelm »Rah-Omir« Quintscher, der bereits in den 20er Jahren mit
seinem »Tepha« genannten Apparat die »Batterie-Magie« erfand -
eine Variante des schon im Alten Ägypten und im Hexenwesen
fast aller Kulturen nachweisbaren Puppenzaubers.
Dabei wird eine Fotografie der Zielperson mit den Polen einer
Batterie kurzgeschlossen, um sie aus der Ferne und ohne ihr Wissen
zu beeinflussen.
Der Neoschamanismus der 80er Jahre wiederum arbeitet fast nur
noch »energetisch«: Wenn dabei noch mit traditionellen
»Krafttieren« operiert wird, dann geschieht dies eher beiläufig; meist
werden diese »Geister« ohnehin nur noch als »verkörperte Kräfte«
oder als reine »Kraftspender« verstanden.
Die Ogon-Theorien des Tiefen- und Sexualpsychologen Wilhelm
Reich beruhten ebenfalls auf diesem Modell. Sie führten in direkter
Sukzession zur modernen Bioenergetik. Auch die Radiästhesie
verzichtet inzwischen beim Rutengehen auf die Beschwörung von
Geistern und jenseitigen Mächten und konzentriert sich ganz auf die
Erforschung von Energiewellen und ihren Gittern und Kreuzungen.
Ähnliches postuliert die Radionik (auch Elektro-Homöopathie). Die
Astrologie des 20. Jh. befaßte sich lange Zeit mit Mutmaßungen über
die »Strahlenwirkung« von Planeten und entwickelte sogar eine
eigene Richtung (die »Entfernungswerte-Astrologie«), die allein auf
der Grundlage solcher Annahmen basiert: Die physische Entfernung
der Planeten von der Erde und untereinander entscheidet über ihre
Strahlkraft und über die Qualität ihrer jeweiligen Wirkung. In der
Renaissance gab es bereits ähnliche Überlegungen, aber ihre
ungehinderte Weiterentwicklung mußte wohl einer Epoche
vorbehalten bleiben, die aufgebrochen war, um die bereits in der
Antike bekannte, aber nicht verstandene Elektrizität zu zügeln und
durch ihre systematische Nutzung und Ausbeutung das Gesicht der
Welt nachhaltig zu verändern.

139
Der unter Esoterikern häufig verwendete Begriff der »Schwingung«
rührt ebenfalls aus der mesmerischen Tradition, genau wie sein
unmittelbares Vorbild im Englisch-Amerikanischen der Hippie-Ära:
Das Wissen um vibrations. oder, salopper, vibes, gehört seit den 60er
Jahren zum Standardrepertoire jedes Okkultisten.
Wenn ein Zeremonialmagier, der sich durchaus der »hermetischen
Tradition« zugehörig fühlt, heute einen Talisman oder ein Amulett
herstellt, steht dabei doch immer die »Ladung« desselben im
Vordergrund. Mag sein, daß er dazu auch Planetengeister oder
Dämonen anruft, wie es seine Vorfahren schon vor 2000 Jahren taten
- aber worauf es nach heutigem Verständnis dabei tatsächlich
ankommt, ist die manipulierte Kraft. Daran ändert auch das
psychologische Modell nichts, das wir in einem späteren Kapitel
noch kennenlernen werden.

140
»Madame Blavatsky geruht Weichen zu
stellen«
Von Theosophen, Sexualmagiern, Ordensbrüdern und
kolonialer Herrlichkeit

Man schreibt das Jahr 1875. In der Welt des Okkulten ein bedeu-
tungsvolles Datum, fast eine Zeitenwende. Im Telegrammstil:
* Der französische Okkultist und Begründer der »magischen
Renaissance« Eliphas Lévi ( Alphonse Louis Constant) stirbt
* Die Russin Helena Petrowna Blavatsky gründet in New York die
Theosophische Gesellschaft.
* Der amerikanische Sexualmagier Paschal Beverley Ran-dolph,
Leiter der Hermetic Brotherhood of Light, aus der später der Ordo
Templi Orientis (OTO) hervorgehen soll, wählt in Toledo, Ohio, den
Freitod.
* Der englische Magier Edward Alexander (später: Aleister)
Crowley erblickt am 12. Oktober das Licht der Welt.
* Am 9. November wird Rudolf Glauer geboren, der später unter
dem Namen Freiherr von Sebottendorf Chef der Thule Gesellschaft
und Wegbereiter der NSDAP und ihres spezifischen, okkultistisch
begründeten Rassismus werden soll.

141
Lévi, der uns schon im letzten Kapitel begegnet ist, hatte mit seinen
stark romantisierenden Büchern über Dogma und Ritual der hohen
Magie und über die Geschichte der Magie maßgeblich die okkulte
und vor allem magische Renaissance des 19. Jh. eingeleitet. Die
Welle erfaßte erst Paris, dann Frankreich, dann England und
schließlich ganz Europa. Kaum ein Literat, kaum ein Maler, oder
sagen wir ruhig: kaum ein Intellektueller, der sich nicht davon
angesprochen fühlte.
Schon 1866 hatte Bulwer-Lytton die Societas Rosicruciana in Anglia
(SRIA) gegründet, in die er auch seinen Kollegen Lévi aufnahm.
Lévi wurde zwar viel gelesen und konnte sogar davon leben - noch
größer wurde sein Einfluß allerdings erst später, nach seinem Tod.
Madame Blavatsky (1831-91) oder HPB, wie sie von ihren
Anhängern auch genannt wurde, war eine gebürtige Russin mit einer
abenteuerlichen Vorgeschichte. Mit 42 Jahren betrat sie die Bühne
Amerikas, mitten im Spiritismus-Fieber, und pries sich zunächst
selbst als Medium an.
Der Zeitpunkt war günstig, der Acker schon bestellt: Seit den 50er
Jahren hatte sich der Spiritismus wie ein Lauffeuer über die USA bis
nach Europa ausgebreitet. Ende 1847 war der methodistische Farmer
J. D. Fox mit seiner Frau und den beiden Töchtern Margaretta (14)
und Kate (12) im Staat New York in ein kleines Holzhaus in der
Nähe von Hydesville eingezogen. Prompt traten dort monatelang
nächtliche Klopfgeräusche auf, die die Familie mehr als einmal um
ihren Schlaf brachten. Ende März 1848 gelangten sie zu dem Schluß,

142
daß es in dem Haus spuke. Eines Nachts soll die kleine Kate nach
Auskunft ihrer Mutter den Klopfgeräuschen zugerufen haben:
»Macht das mal nach!«, worauf sie in die Hände klatschte. Sofort
ahmten die Geräusche ihren Klatschrhythmus nach. Nun entwickelte
die Mutter einen primitiven Code aus Klopfsignalen, mit dessen
Hilfe sie mit »dem Klopfenden« in Kommunikation treten konnte.
Der teilte ihr mit, daß er in dem Haus einst ermordet worden sei und
nun im Keller liege. Die Eltern holten Nachbarn herbei, die die
Geräusche ebenfalls wahrnahmen. Der Vater bestätigte später, daß er
1848 tatsächlich im Keller menschliche Gebeine ausgegraben habe.
Nachdem die Geräusche noch einige weitere Monate angehalten
hatten, besuchte Margaretta ihre verheiratete Schwester in Rochester,
New York, während Kate ganz in der Nähe ein paar Tage bei
Freunden in Auburn verbrachte. An beiden Orten kam es zu erneuten
Klopfgeräuschen, was großes Publikum anzog. Die Klopfsignale
behaupteten, von verstorbenen Verwandten und Bekannten
herzurühren und verkündeten, daß eine neue Offenbarung
bevorstehe. Außerdem waren sie ansteckend: Viele Besucher mußten
nach ihre Heimkehr feststellen, daß es nun auch bei ihnen zu Hause
zu klopfen begann.
Die Fox-Schwestern nutzten die Gunst der Stunde und traten
öffentlich als Medien auf, wofür sie auch Eintrittsgeld erhoben. Die
Presse stürzte sich auf die neue Sensation. Keine drei Jahre später
hatte sich die Welle über die
gesamten Vereinigten Staaten ausgebreitet. Schließlich erreichte sie
auch über umherreisende Medien Europa.

143
Schon bald traten auch andere Medien auf, die mit der »Ma-
terialisation von Geistern« gutes Geld machten. Der Spiritismus war
geboren. Die Welt der Wissenschaft wurde aufmerksam, namhafte
Forscher nahmen sich des Phänomens an. Schließlich wurde 1882 in
England die Society for Psychical Research gegründet, die sich
ausschließlich der Erforschung des Spiritismus widmete - die erste
große Vereinigung wissenschaftlicher Parapsychologen. Zu den
führenden Vertretern des Spiritismus gehörte nach der
Jahrhundertwende der englische Arzt und Erfinder der Detektivfigur
Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle.
Der Spiritismus hat sich immer gern vom Okkultismus, speziell vom
hermetischen, distanziert, den er meist als »schwarzmagisch«,
gelegentlich auch als »unwissenschaftlich« einstuft. Er hat sich
schon bald christlich verbrämt und nennt sich deswegen auch lieber
»Spiritualismus«. Diese Abneigung beruht allerdings auf
Gegenseitigkeit. Die Magier lehnen den Spiritismus bis heute ab,
weil dieser bestenfalls »Astrallarven« produziere - eine Art
feinstofflichen Müll also, der keinerlei Eigenwert habe, dafür aber
die Gefahr in sich berge, den Adepten durch Lug und Trug in den
Wahnsinn zu treiben.
Diese Feindschaft ist neben der Christianisierung des Spiritismus der
Grund dafür, daß seit dem 19. Jh. ausgesprochen ne-kromantische
Praktiken (und um nichts anderes handelt es sich schließlich beim
Spiritismus) in der westlichen Magie so gut wie keine Rolle mehr
spielen.
Doch kehren wir zurück zu Madame Blavatsky. Sie erklärte
zunächst, von einem Schutzengel geleitet zu werden, doch danach
wurden ihre Behauptungen spektakulärer: Nun hatte sie Kontakt zu
noch viel höherstehenden Wesen hergestellt, nämlich den »Brüdern«
oder »Meistern«. Das waren gottgleiche Adepten, die das Geschick
der ganzen Erde von ihrem Hauptquartier in den Bergen Tibets aus
gütig überwachten.
Darüber hinaus waren sie auch noch literarisch interessiert: Einer
dieser Meister verfaßte Blavatksys erstes Werk Isis unveiled (Die
entschleierte Isis, 1877) für sie. Beim Schreiben pflegte sie
gelegentlich innezuhalten und in die Luft zu starren. Dabei las sie,
jedenfalls nach eigenem Bekunden, im »astralen Licht«, das wir
schon bei Eliphas Lévi kennengelernt haben. Auch die weitverbreite-
ten Romane Bulwer-Lyttons dürften sie inspiriert haben.
Inzwischen hatte sie zusammen mit ihrem Adlatus, Oberst Henry

144
Steel Olcott, und Rechtsanwalt William Quan Judge in New York
die Theosophische Gesellschaft (TG) gegründet.
Theosophie bedeutet »Lehre vom Göttlichen/von Gott«, und genau
darum ging es HPB: Sie wollte dem Menschen den Zugang zum
Göttlichen wieder erschließen.
Damit beginnt eine der größten und aufsehenerregendsten
Erfolgsstorys in der Geschichte des Okkultismus. Blavatsky lehnte
den Spiritismus nicht ab, sondern nutzte die Tatsache, daß er bereits
weltweit die Hemmschwellen gegen die Beschäftigung mit dem
Übernatürlichen gesenkt hatte.
Gleichzeitig bot sie ihrem Publikum
etwas an, das weit über den Kontakt
mit mehr oder weniger dümmlichen
verstorbenen Verwandten hin-
auszugehen versprach: Kontakt zu
höheren Sphären und den geheimen,
unsichtbaren Herrschern der Welt; die
Entwicklung sensitiver Fähigkeiten;
Teilhaberschaft an der Höherentwick-
lung des Menschen und der ganzen
Welt.
Auch Munition dazu lieferte sie
reichlich. Hatte sich Die entschleierte
Isis noch hauptsächlich mit den
versunkenen Geheimlehren des Alten
Ägypten beschäftigt (oder zumindest
mit dem, was man damals dafür hielt),
so kam elf Jahre später das
geheimnisvolle Indien an die Reihe.
1888 veröffentlichte Madame
Blavatsky ihr mehrbändiges
Meisterwerk, die Geheimlehre. In
diesem versuchte sie, die Weltreligionen miteinander zu vereinen,
ebenso wollte sie eine Brücke zwischen Naturwissenschaft und
Religion schlagen. Dazu bediente sie sich großzügig des überreichen
Angebots der indischen Kultur, vermengte es mit westlich-
hermetischem Gedankengut und schuf so das eigentliche Amalgam,
das für die meisten Zeitgenossen gleichbedeutend mit dem
Okkultismus war und es bis heute geblieben ist.
Sie hatte für alles eine Erklärung. Der Ursprung des Menschen? Der

145
lag in der legendären Hochkultur des versunkenen Atlantis. Nach
dem Untergang dieser Zivilisation war es zu einer komplizierten
Abstufung von »Wurzelrassen« gekommen, aus denen sich
schließlich die gegenwärtige Menschheit entwickelt hatte.
Und woraus bestand der Mensch? Aus mehreren Körpern, sieben an
der Zahl, alle von unterschiedlicher Feststofflichkeit.
Normalerweise konnte man zwar nur den physischen Körper
wahrnehmen, aber darüber hinaus gab es auch den »Ätherleib« (der
meist nach dem Tod für eine Weile beim Leichnam verblieb und
gelegentlich auch für Spukphänomene verantwortlich zeichnete); den
Astralleib, den ein geschulter Adept willentlich aussenden konnte,
um damit andere Seinsebenen und Welten zu bereisen; ferner den
Buddhileib, den Kausalkörper usw.
Außerdem war da noch die Lehre von den fünf Elementen Erde,
Wasser, Feuer, Luft und Äther (oder »Akasha«), wie man sie schon
von den Hermetikern kannte. Nur wurden sie jetzt auf Sanskrit
tattwas genannt und auch sonst mit indischen Bezeichnungen und
Symbole versehen: dem roten Dreieck für das Element Feuer, dem
hellblauen Kreis für die Luft - wiederum: usw.

146
Nicht zu vergessen die von Blavatsky populär gemachte »Akasha-
Chronik«: eine Art Äther-Tagebuch des Weltgeschehens, in dem alle
Ereignisse der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft
gespeichert sind. Auch in dieser vermag der echte Adept zu lesen
und dadurch Zugang zu einem alles überragenden Wissen
bekommen - eine wahre Verheißung für jeden Forscher und
Wissenschafler!
Und über alledem schwebten erhaben die »Meister«, die nunmehr
Mahatmas (sanskr. »große Seelen«) hießen. Sie hatten ihrer HPB
und damit der Welt dies alles und mehr offenbart -und Madame
Blavatsky war ihr einziges Medium.
Was tat es da schon zur Sache, wenn jemand nachwies, daß Madame
Blavatsky ihr ominöses Buch Dzyan seitenweise aus einem anderen,
älteren Werk abgekupfert hatte? Oder wenn man erfuhr, daß sie beim
Verfassen der Geheimlehre überreichlich dem indischen Hanf
zusprach, der damals billig, weil frei erhältlich war? Oder wenn der
von der Society for Psychi-cal Research nach Indien entsandte
Forscher Richard Hodgson nach seiner Rückkehr 1885 in seinem
Bericht vermelden mußte, daß die angeblich »sicher verschlossenen
Schreine«, in denen immer wieder auf mysteriöse Weise Briefe der
Mahatmas zu materialisieren pflegten, an der Rückseite kaschierte
Türen besaßen? Wen kümmerte es groß, wenn er erfuhr, daß
Madame Blavatsky bei Séancen gelegentlich kräftig nachhalf, indem
sie an verborgenen Fäden zog, um so das gespenstische »astrale
Läuten« heraufzubeschwören, mit dem sie den Anwesenden
ehrfürchtige Schauer einflößte?
Man muß es HPB zugute halten, daß sie nicht allzu lange die
»magischen« Phänomene in den Vordergrund ihrer theosophi-schen
Überzeugungsarbeit stellte. Das war aber auch gar nicht mehr
erforderlich, denn das von ihr präsentierte Material war so
umfangreich und allumfassend, so komplex und zugleich
nachvollziehbar, so geheimnis- und verheißungsvoll und doch für
jedermann zugänglich, daß ihr wirklich nur die humorlosesten,
bösartigsten Gegner ihre Scharlatanerie verargten. Sollte die
Wissenschaft doch getrost toben, soviel sie mochte - HPB und ihre
Anhänger wußten es sowieso besser. Eines Tages würde auch der
uneinsichtigste Skeptiker und Materialist zum Licht der Wahrheit
finden, und wenn nicht in dieser, dann bestimmt in einer späteren
Inkarnation. Sogar die Reinkarnations-lehre der heutigen Esoterik
entspringt der Ideenschmiede der Madame Blavatsky. Wie das

147
meiste, was sie verbreitete, war zwar auch diese nicht ihre eigene
Schöpfung - aber sie drückte ihr ihren eigenen, theosophischen
Stempel auf. Während der Reinkarnationskreislauf in den
hinduistischen und buddhistischen Kulturen eher etwas Furchtbares
ist, das es möglichst bald zu beenden gilt, wird bei der Blavatsky
daraus die Verheißung des »Es geht immer weiter, immer aufwärts«.
Im kolonialen Indien hatte in den Jahren zuvor eine hindui-stische
Erweckungsbewegung mit dem Namen Arya Samaj an Bedeutung
gewonnen. Sie sollte schon bald eine wichtige Rolle im indischen
Unabhängigkeitskampf spielen. Nun kam es zu einem lockeren
Zusammenschluß zwischen der Theosophischen Gesellschaft und
dieser Organisation, was die Einführung der TG in Indien erheblich
erleichterte.
Es war ein kluger Schachzug der Blavatsky - die Geheimlehre war
noch nicht geschrieben - , das Hauptquartier ihrer Gesellschaft ins
indische Adyar in der Nähe von Madras zu verlegen (seitdem spricht
man auch allgemein von der »Adyar-TG«). Zwar gab es dafür auch
einige ganz handfeste Gründe: eine drohende Ehebruchklage von
Olcotts Frau (immerhin teilte er sich in aller Öffentlichkeit mit HPB
eine Wohnung) sowie weitere Rechtsstreitigkeiten eines anderen
Mitglieds ihrer erlesenen Schar engster Mitarbeiter. Doch hatte die
Umsiedlung darüber hinaus den Vorteil, eine gewisse
Unerreichbarkeit zu gewährleisten und die Lebenshaltungskosten zu
senken.
Die Gemeinde in Adyar wuchs rasch, es stießen auch zahlreiche
indische Anhänger dazu. Im Gastland erkannte man dankbar an, daß

148
die Theosophische Gesellschaft die erste große westliche
Organisation war, die die Kultur des Ostens ernstnahm und
gebührend würdigte. Noch heute genießt die immer noch in Adyar
ansässige TG in Indien einen vorzüglichen Ruf.
Blavatsky und Olcott richteten ihr Augenmerk nun verstärkt auf den
Buddhismus. Unterdessen ging das umsatzfördernde
Spiritistengeschäft munter weiter. Wo sie auch hinkam, wurde HPB
von Klopfgeräuschen und »astralem Glockengeläut« begleitet. Das
sprach sich herum, und bald war auch Europa reif für die neue Lehre.
HPB und Olcott reisten 1884 in die Alte Welt, wo man ihnen einen
triumphalen Empfang bereitete. Allein in Paris entstanden drei
Theosophische Gesellschaften, und auch in England brachten sie ihre
theosophische Saat aus, die schon bald reiche Früchte tragen sollte.
Unterdessen hatte unglücklicherweise eine in Adyar verbliebene
Mitarbeiterin namens Coulomb, die in Blavatskys Diensten stand,
nichts Besseres zu tun, als ausgerechnet einem christlichen Blatt in
Madras ein paar inkriminierende Briefe der Meisterin zu zeigen. Die
stießen bei den Missionaren verständlicherweise auf großes
Interesse. Schon bald war der Skandal perfekt: Coulomb beichtete in
zwei Artikeln, wie sie und ihr Ehemann dazu angestellt worden
waren, bei den Vorführungen der HPB spiritistische »Phänomene«
vorzutäuschen.
Die Society for Psychical Research hatte Olcott und Bla-vatsky in
London mittlerweile kritisch unter die Lupe genommen und war zu
dem Schluß gelangt, daß sich weitere Nachforschungen lohnen
könnten. Noch vor Rückkehr der beiden Cheftheosophen hatte der

149
schon erwähnte SPR-Forscher Hodg-son in Adyar seine
Untersuchungen abgeschlossen und so ziemlich alles, was HPB ihren
begeisterten Anhängern vorzuführen beliebte, als Täuschung
entlarvt. Er hatte dort ein ganzes Arsenal an Bühnenrequisiten
vorgefunden, wie sie von Illusionisten verwendet wurden, und
äußerte in seinem Bericht zu allem Überfluß auch noch den
Verdacht, Blavatsky könnte eine russische Spionin sein.
Das traf die sonst so weitsichtige HPB recht unvorbereitet. So
reagierte sie einigermaßen konfus: Mal gestand sie alles, dann stritt
sie wieder alles ab und bejammerte ihre eigene törichte Hoffnung,
die getürkten okkulten Phänomene könnten die Menschheit auf ihr
eigentliches, »wahres« Werk aufmerksam machen.
Geschadet hat ihr der Bericht jedoch nur wenig. Zwar sprangen ein
paar enttäuschte Anhänger ab, doch tat das dem rapiden Wachstum
der Gesellschaft keinen Abbruch. Blavatsky zog sich schließlich
nach Europa zurück und überließ Olcott die Leitung des indischen
Betriebs. In Indien konnte er sich seinen beiden Hauptinteressen
widmen: dem Erziehungswesen und der Übersetzung östlicher Texte
ins Englische.
Drei Jahre vor Blavatskys Tod erschien die Geheimlehre, in der sie
die Theorien Darwins einfach ummünzte: Aufgabe des Menschen sei
es, den Evolutionsprozeß dazu zu nutzen, zum Gott zu werden, wenn
es nach Ansicht des Biologen schon
keinen solchen geben sollte. Sie brachte den Reinkarnationsund
Karma-Gedanken ein und verkündete, daß sich die Menschheit auf

150
eine neue, mit übersinnlichen Fähigkeiten ausgerüstete
»Wurzelrasse« zuentwickle.
Als sie starb, befand sich die TG auf dem Höhepunkt ihres
Einflusses. Doch von Diadochenkämpfen gebeutelt und von einem
Skandal in den nächsten gleitend, verlor sie schließlich ihre
Führungsposition und konsolidierte sich schließlich auf einem
deutlich bescheideneren Niveau. Immerhin hatte sie gut 20 Jahre
lang den Ton in allen okkulten Fragen angegeben und ihre Konzepte
auch gegen den erbittertsten Widerstand rivalisierender
Gruppierungen durchgesetzt. Es war die erste echte »Esoterik«-
Welle der Geschichte, und wenn sich das Meer zwischenzeitlich
auch immer wieder mal für eine Weile beruhigen sollte, blieb es
doch aufgewühlt und sturmbereit bis zum heutigen Tag.
Sicher hat die Theosophie den geistigen Kulturschatz Indiens und
des buddhistischen Asien rücksichtslos für ihre Zwecke ausgebeutet.
Man stelle sich nur einmal die umgekehrte Situation vor:
Unglaublich reiche indische Missionare dunkler Hautfarbe ließen
sich in Mitteleuropa nieder, um die armen Ein heimischen
gönnerhaft über das »wahre Wesen« ihrer eigenen nordischen Kultur
aufzuklären, nachdem sie diese erst einmal ordentlich mit
hinduistischen und anderen, frei dazuerfundenen Elementen gewürzt
(und verzerrt) hätten. Die koloniale Selbstherrlichkeit, die sich in
diesem hemdsärmligen Umgang mit den Traditionen anderer Völker
offenbart, spiegelt sehr deutlich die eigentlichen Anliegen dieser
Beglückungskampagne wider.
Dennoch hat die indische Freiheitsbewegung von den Aktivitäten der
TG weitaus mehr profitiert, als sie zugeben mochte. Durch die
Berührung breiter Bevölkerungsschichten (vor allem der
Intellektuellen und des Mittelstands) mit östlichem Gedankengut
hatte das imperiale Sendungsbewußtsein Europas, wenn auch nur
mittelbar, einen kräftigen Knacks bekommen. Die chauvinistischen
Schwanengesänge des angloindischen Freimaurers Rudyard Kipling,
der von der »Bürde des weißen Mannes« kündete, an dessen
selbstlosem Wesen die Welt genesen sollte, sind auch als Reaktion
auf diesen Zersetzungsprozeß altgewohnter Suprematievorstellungen
zu verstehen, der im speziellen Fall Großbritanniens erst im
Suezkrieg des Jahres 1956 seinen kläglichen Abschluß finden sollte.
Gewiß, damit war der Kolonialismus noch lange nicht vom Tisch. Im
Gegenteil, die Saat des menschenmordenden Rassismus brauchte
noch ein halbes Jahrhundert, um ihre furchtbaren Blüten

151
auszutreiben. Und sie profitierte nicht zuletzt von den Unwuchten
des allenthalben aus dem Boden schießenden Internationalismus, der
sich des theosophischen Weltverbrüderungsgedankens im gleichen
Maße bemächtigte, wie es die faschistische Rassenlehre mit dem
TG-Konzept vom »Herrenmenschen«, dem »Erleuchteten«, tat.
Nach Blavatskys Tod war die okkulte Welt nicht mehr wie-
derzuerkennen: Menschen, ja ganze Menschenmassen, die bis dahin
noch nie etwas von Yoga, Karma und Reinkarnation gehört hatten,
für die die Kultur des Ostens sich allenfalls im Klischee von der einst
von Nostradamus prophezeiten »gelben Gefahr« erschöpft hatte,
begriffen nun - wie oberflächlich auch immer -, daß die Europäer die
Kultur nicht erfunden hatten. Das verhieß paradoxerweise zugleich
jene Geborgenheit, die der wildgewordene Materialismus einer nicht
mehr aufzuhaltenden Naturwissenschaft und der mit ihr zwanghaft
einhergehenden Technifizierung des »Maschinenzeitalters« und
seiner Entgottung der Welt vernichtet zu haben schien; zugleich aber
stellte Blavatskys gnostische Vision die Vereinsamung des
Menschen in aller Schärfe heraus, indem sie ihm jene Einzigartigkeit
absprach, die ihm das Christentum immerhin einst versprochen hatte.
Es ist kein Zufall, daß sich gegen Ende des 19. Jh. auch eine
verstärkte Zuwendung zu den etablierten Religionen, vor allem zum
Katholizismus, beobachten läßt. Kein Zufall auch, daß 1870 das
Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes und der Unbefleckten
Empfängnis verkündet wurde. So kritisch man dieser
metaphysischen Pose auch gegenüberstehen mag - der Fels Petri tat
damit nur seine selbstauferlegte Pflicht: dort Orientierung zu bieten,
wo die Haltlosigkeit drohte, ein soziales Gefüge endgültig
einzureißen, das sich freilich schon ein-einhalbtausend Jahre zuvor
in den Augen nicht weniger Beobachter als hochgradig brüchig
erwiesen hatte.
Doch der Okkultismus wollte mehr als nur ein Handlungsund
Koordinatengerüst. Die Theosophie hatte ihm zwar neuen Auftrieb
verliehen, aber das war erst der Anfang. Nach der
»Demokratisierung« okkulten Wissens durch die TG, die von
okkultistischen Hardlinern schon früh als »Vermassung« kritisiert
wurde (womit sie im Grunde nur den alten Topos von der
Profanierung wieder aufgriffen), sollte nun die Stunde der okkulten
Aristokratie schlagen. Ihr elitärer Schlachtruf sollte dabei lauten:
»Zurück zum Geheimnis!«

152
»Das Leben überlassen wir unseren
Dienstboten«
Okkultismus und Dekadenz: Das 19. Jahrhundert

Der obige Ausspruch entstammt dem Rosenkreuzer-Drama Axel des


französischen Symbolisten Villiers de l'Isle Adam und wurde schon
viel zitiert, um das »gekünstelte Lebensgefühl« des europäischen
Symbolismus zu charakterisieren. Die europäische Literatur der
Jahrhundertwende ist überreich an okkultistischen Themen und
Zitaten, und es wäre müßig, hier auch nur die wichtigsten Werke
auflisten zu wollen.
Die vom Spiritismus großflächig eingeleitete okkulte Renaissance -
durch die Theosophie konsolidiert - trieb schon bald die exotischsten
Blüten. Nachdem es (wieder einmal) salonfähig geworden war, sich
okkultistisch zu gebärden, machten sich vor allem die
Kunstschaffenden daran, die Grenzen dieser neugewonnenen
Freiheit auszuloten.
Elitär, wie man sich gab, durfte die Erleuchtung nichts für jedermann
sein. Aus diesem Grund lehnte man die Theosophie entweder ab
oder versuchte, sie wieder zu okkultifizieren. Was auch teilweise
gelang: Der Zutritt zur sogenannten »Esoteric Section« (ES) der TG
blieb einem kleinen Kreis ausgesuchter Mitglieder vorbehalten. Über
seine Aktivitäten kursieren noch heute die wildesten Gerüchte,

153
wobei das Spektrum mutmaßlicher Praktiken von welterschütternden
Levitationsexperimen-ten bis zur handfesten Sexualmagie reicht.
Doch das genügte alles nicht, zumal sich gerade nach Bla-vatskys
Tod allzuviele begehrlichen Geister den theosophi-schen Kuchen
teilen wollten. So griff man denn zur Selbsthilfe und gründete flugs
Neues, wiewohl nach altbewährtem Rezept. Da es ungeheuer schick
war zu fiebern, kam es auch prompt zu den vorauszusehenden
Exzessen. Huysmans »zweite Bibel« der Décadence, sein 1891
erscheinender Roman Là-bas (die erste war natürlich A rebours)
zehrt kräftig vom »magischen Krieg«, der zwischen Abbe Boullan
und Huysmans auf der einen sowie Stanislas de Gua'ita und Papus
(Gerard Encausse) auf der anderen Seite entbrannt war. Papus hatte
immerhin 1887 zu den Gründungsmitgliedern der Theosophischen
Gesellschaft in Frankreich gehört. Er präsentierte sich als Schüler
und Erbe des Eliphas Lévi, war Mitglied in den verschiedensten
Orden (so bei den Martinisten und in der irregulären Freimaurerei
des »Ritus Memphis-Misraim«, der später für den OTO eine gewisse
Bedeutung erlangen sollte) und avancierte schließlich sogar zum
»okkultistischen Berater« am Zarenhof.
1885 hatte sich der Literat Josephin Péladan zum Großmeister des
Rosenkreuzes ausgerufen. Drei Jahre darauf gründet er mit Guaiita
den Ordre Kabbalistique de la Rose-Croix. Dieser macht unter
anderem dadurch von sich reden, daß er ästhetizi-stische
Kunstausstellungen (Salons) veranstaltet: Hier wird die
Rosenkreuzerei zum Vehikel dekadent-symbolistischen Kunst-
verständnisses. Es gehört zu den amüsanteren Skurrilitäten dieser an
Abstrusem gewiß nicht armen Zeit, daß Geheimnisse nicht etwa nur
ausgeplaudert, sondern schon von vornherein in aller Öffentlichkeit
inszeniert werden. Denn elitär zu sein, ist zwar ein wesentliches
Anliegen - andererseits will man, wie es schon der Dandyismus eines
Oscar Wilde vorgegeben hatte, sein Licht auch nicht unter den
Scheffel stellen.
So bringt es Péladan, der sich selbst gern in assyrisch-babylonischem
Stil kleidet und - ganz der Hierophant seiner Stadt -als »Sâr
Merodack« titulieren läßt, tatsächlich fertig, ausgerechnet ein
Mitglied des Hauses Rothschild öffentlich zu »exkommunizieren«,
womit er sich selbst und den Orden freilich der allgemeinen
Lächerlichkeit preisgibt. Es kommt zum Schisma, und er gründet
eine neue Bruderschaft, das Rose-Croix Ca-tholique.
(Katholisierende Vereinigungen gibt es in dieser Zeit übrigens

154
zuhauf. Zu ihnen gehört auch die ursprünglich französische
Gnostisch-katholische Kirche, die später in den OTO übergeht und
der von seiten Aleister Crowleys, wie von manchen Kirchenlexika
stirnrunzelnd vermerkt, eine »blasphemi-sche Messe« spendiert
wird, die er 1912 in seinem Ecclesiae Gnosticae Catholicae Canon
Missae kanonifiziert.).
Verwirrend? Es kommt noch schlimmer. Die einst von Bul-wer-
Lytton gegründete Societas Rosicruciana in Anglia nahm nur
Hochgradfreimaurer in ihre erlauchten Reihen auf. Angesichts einer
immer schärfer werdenden Kritik innerhalb des magisch orientierten
Okkultismus, die sich vor allem gegen die »völlig exoterisch
gewordene« Freimaurerei richtete, ließ sich eine solche
Einschränkung nicht länger aufrechthalten. Außerdem drängte das
weibliche Geschlecht in die Tempel der Adepten - eine nicht zu
unterschätzende Nebenwirkung der von Anfang an unverkennbaren
weiblichen Dominanz innerhalb der Theosophischen Gesellschaft,
die sich nach Blavatskys Tod sogar noch verstärken sollte.
So wurde gegen 1889 auf Betreiben des Gerichtsmediziners und
Untersuchungsrichters Wynn Westcott in England ein neuer Bund
gegründet, der Hermetic Order of the Golden Dawn. Ihm stand unter
anderem der exzentrische Samuel Liddell »MacGre-gor« Mathers
vor. Mathers war ein Mann, der zwar keinen Tropfen schottisches
Blut in seinen Adern hatte, sich aber nach damaliger Mode gern
»keltisch« gab, im Kilt herumlief und sich einen waschechten
schottischen Zusatznamen gönnte. Darüber hinaus liebte er, der
Ungediente, die Militärgeschichte und engagierte sich in späteren
Jahren für die jakobitische Sache.
Mathers war freilich alles andere als ein Dummkopf. Er war
ungeheuer belesen, die hermetische Kunst ging ihm über alles.
Obwohl fast mittellos, verbrachte er einen guten Teil seines Lebens
in öffentlichen Bibliotheken und verzichtete auf manche
Annehmlichkeit, die für jeden seiner Zeitgenossen selbstverständlich
gewesen wäre, um sich dieses Privatgelehrtentum leisten zu können.
Daß er auch ein Autokrat und notorisch schlechter Menschenkenner
war, muß kein Widerspruch sein: Allzu oft geht im Schattenreich des
Okkultismus das eine mit dem anderen Hand in Hand.
Westcott hatte von einem befreundeten Freimaurer einen Stapel von
etwa 60 beschriebenen Blättern erhalten, deren Text in einer
Geheimschrift verfaßt war, wie sie sich auch in den Poly-graphiae
des Abts Johannes von Tritheim (1462-1516) fand. Die Schrift war

155
von verblaßter Braunfärbung, was dem Manuskript ein sehr altes
Aussehen verlieh, doch ist inzwischen erwiesen, daß es nicht später
als 1870 verfaßt worden sein kann.
Jedenfalls bot der schließlich entzifferte Text das Gerüst für die fünf
Rituale einer gewissen »Goldenen Dämmerung«. Da darin auf
Fratres (Brüder) und Sorores (Schwestern) Bezug genommen
wurde, war auch klar, daß es sich um keine freimaurerische
Operation handeln konnte. Im Oktober 1887 unterbreitete Westcott
dem ihm bekannten Mathers das Angebot, auf der Grundlage dieses
Strukturskeletts ausführliche Rituale auszuarbeiten, und zwar mit
dem Ziel, damit einen hermetischen Orden zu begründen.
Mathers machte sich unverzüglich ans Werk, die ersten Ri-tuale der
Golden Dawn entstanden. Dieser Orden sollte innerhalb seines
spezifischen Bezugsrahmens die gleiche Bedeutung erlangen wie die
TG in ihrem. Allerdings setzte man nicht auf Masse, sondern auf
Klasse: Zielgruppe war ausschließlich das betuchtere
Bildungsbürgertum.
Es blieb aber nicht aus, daß schon bald auch theosophisch infizierte
Interessenten an die Tempelpforte klopften. Manche suchten auch
regelrecht Zuflucht, so etwa der junge Dichter und Dramatiker
William Butler Yeats, den man bei der Theosophie wegen magischer
Praktiken geschaßt hatte. Überhaupt gab es manche, denen die
theosophische Schmalkost nicht mehr genügte. So umfangreich und
imposant Blavatskys Gedankengebäude auch sein mochte, ließ sich
doch schwer verbergen, daß sie es an praktischen Anleitungen

156
missen ließ. Zudem hatte sich der Novitätseffekt nach 14 Jahren
merklich abgenutzt. Viele, die zur Golden Dawn kamen, wollten
endlich einmal richtig zaubern. Plakativ ausgedrückt: Die Zeit war
reif fürs Ritual.
Mathers las, grübelte und schrieb wie gehetzt. Seine intellektuelle
Leistung nötigt Respekt ab. Es gelang ihm tatsächlich, das erste
wirklich kohärente magisch-okkulte System der Neuzeit zu einer
Bruderschaft zusammenzuschmieden, wie es weltweit nicht
ihresgleichen gab. Ein Gradsystem mußte her; Mathers übernahm
dafür die Grundmatrix des kabbalistischen Lebensbaums. Damit war
auch eine plausible Hierarchie vorgegeben, die sich entsprechend der
dazu entwickelten Korrespondenzlehre bekleiden ließ. Zu jedem
Grad gab es einen festen Satz Symbole. Ein Beispiel: Wollte ein
Magier einen planetenmagischen Liebeszauber durchführen,
betrachtete er dazu erst einmal die Qualität der einzelnen
astrologischen Planeten. War er beim Planeten Venus fündig
geworden, bedeutete dies, sein Ritual entsprechend einzurichten.
Dazu dienten ihm die »Korrespondenzen«, eine Weiterführung der
alten Signaturenlehre. Zur Venus gehörten im kabbalistisch
geprägten Korrespondenzsystem der Golden Dawn die Farbe Grün,
die Zahl 7, das Metall Kupfer, der Wochentag Freitag usw.
Damit war das Grundschema vorgegeben. Der Magier (oder auch die
Magierin) sorgte dafür, daß der Tempel ganz in Grün gehalten war,
um an einem Freitag zur astrologisch berechneten »Venus-Stunde«
sieben grüne Kerzen zu entzünden und die Kräfte der Venus
anzurufen, mit denen der Talisman dann geladen wurde.
Das ist allerdings eine sehr vereinfachende Schilderung, die
Wirklichkeit sah komplizierter aus. Um überhaupt dazu in die Lage
zu kommen, eine solche Venus-Operation nicht nur unbeschadet,
sondern auch möglichst erfolgreich durchzuführen, bedurfte der
Adept einer fundierten Ausbildung auf den verschiedensten
Gebieten: Symbolkunde, Willensschulung, Visualisa-tionsschulung,
Mantramistik (die Lehre von der Intonation magischer Formeln)
nebst einer genauen Kenntnis um die verschiedenen Planeten-
Intelligenzen und -Dämonien. Mathers hatte auch Lévis Anregung
aufgenommen und die 22 Trümpfe des Tarot den 22 Sephiroth-
Pfaden zugeordnet, was das ganze System erheblich komplizierte.
Das war kein so anspruchsloses Programm, wie es die Theosophie
ihren Mitgliedern zumutete - der Adept der Golden Dawn lernte im
Zuge seines Trainings wenigstens in Grundzügen Hebräisch; er hatte

157
einen guten Teil seiner magischen Ausrüstung, darunter auch die
Tarotkarten, selbst anzufertigen; die für die jeweils nächste
Gradprüfung zu bewältigende Literatur war äußerst umfangreich.
Sein Garderobenbedarf war enorm, zumal alles nur aus feinster Seide
zu sein hatte - gewiß kein billiges Vergnügen. Auch die geforderten
Mitgliedbeiträge waren gepfeffert: Eine Jahresgebühr entsprach
ungefähr dem damaligen Jahresgehalt einer Gouvernante oder eines
Sekretärs.
Nein, man ließ sich nicht lumpen, und die Ergebnisse konnten sich
sehen lassen. Natürlich wurden nur die allerdezidierte-sten
Mitglieder diesen strengen Anforderungen gerecht, aber das war kein
Beinbruch: Irgendjemand mußte ja schließlich auch in den niederen
Graden dienen, sonst hätten die höheren doch gar keinen Sinn
gemacht.
Die Golden Dawn zog schon bald vieles in ihren Bann, was in der
angelsächsischen Welt der Kulturschaffenden Rang und Namen
hatte. Dichter, Maler, Dandys, sie alle fanden hier eine neue Heimat
und blieben, darin einem exklusiven englischen Club ähnlich, unter
sich. Sogar Oscar Wildes Frau wurde als Mitglied gewonnen, ebenso
die irische Freiheitskämpferin Maud Gonne, die Romanschriftsteller
Arthur Machen und Al-gernon Blackwood, der Okkult-Autor Arthur
Edward Waite, dem die Tarotwelt das Rider-Waite-Tarotblatt
verdankt, der Zeichner »AE« Russell, die Schriftstellerin Florence
Farr und und und ...
Ein kleiner Schönheitsfehler sollte dem Orden allerdings von Beginn
an anhaften und ihm später zum Verhängnis werden. Man bemühte
sich um »Legitimierung« - auch dies eine Kopie freimaurerischer
Traditionen. Ein Orden wäre damals sicher erfolglos geblieben, hätte
er von Anfang an zugegeben, von x-beliebigen Leuten ohne jede
Bevollmächtigung durch eine bereits existierende, möglichst
»uralte« Überlieferungslinie gegründet worden zu sein.
Schon Blavatsky hatte mit ihren »Meistern« dieser Anforderung
Rechnung getragen und zugleich Maßstäbe gesetzt. Diesem
Schachzug sollte Mathers (der schon bald seine beiden Mitbegründer
als Ordensleiter de facto ausgebootet hatte) dergestalt entsprechen,
daß er von geheimnisvollen, nicht inkar-nierten »Chiefs« sprach - zu
denen natürlich nur er selbst Kontakt hatte. Es waren die Golden-
Dawn-Kopien der theosophi-schen Mahatmas.
Doch das kam erst später. Schließlich mußte der Orden ja ge-
wissermaßen erst Stück um Stück »weitererfunden« werden,

158
während sich im »Vorhof« der ersten Grade schon die ersten
angehenden Adepten tummelten und fleißig ihr Handwerk lernten.
Da die Lehrinhalte der oberen Grade wie ein Staatsgeheimnis
behandelt wurden - und zwangsläufig ein solches waren, solange
Mathers mit dem Schreiben noch nicht nachgekommen war -, hatte
man genügend Zeit, das vorgestellte Skelett sorgfältig mit Fleisch
auszustatten.
Für den Anfang mußte jedoch eine ganz andere Fama herhalten. Man
brauchte eine Charta, die dem Orden die nötige Autorität verlieh.
Wie schon gesagt: Auch dieses Verfahrensmuster hatte die
Freimaurerei vorgegeben, womit sie die Legitimität ihrer vielen
Logen und Landesorganisationen (Großlogen) sicherstellte. Und
siehe da: Inmitten der ursprünglichen Golden-Dawn-Dokumente fand
sich ein ebenfalls chiffriertes Blatt mit dem Hinweis, daß ein
gewisses »Fräulen Sprengel« (eine hohe Eingeweihte der »Goldenen
Dämmerung«) über eine Stuttgarter Adresse zu erreichen sei. Damit
wurde angedeutet, daß auf Wunsch die Verbindung zu einem alten
deutschen Geheimorden hergestellt werden könnte. Diese Anregung
wurde dankbar aufgenommen, und es folgte eine kurze Korre-
spondenz mit dem besagten »Fräulein Sprengel«, die der Golden
Dawn dann auch prompt die erforderliche Legitimation nachlieferte.

159
Diese deutschsprachigen Dokumente sind inzwischen zweifelsfrei
als Fälschungen entlarvt worden. Es gilt als ausgemacht, daß
Westcott sie selbst (wenn auch wohl mit Wissen Mathers') in
Auftrag gab. Das durfte freilich sonst niemand wissen. Nachdem die
Legitimationsfrage erst einmal geregelt war, ließ er »Fräulein
Sprengel« daher auch ganz opportun sterben und begleitete die
entsprechende Nachricht mit dem Hinweis, daß es ab nun keine
Mitteilungen mehr aus Deutschland geben werde. Das Phantom hatte
seine Schuldigkeit getan, der Prozeß des Ordensaufbaus war in Gang
gesetzt und die »Verbindung zu Deutschland« hatte sich überlebt.
Was übrigblieb, war eine imposante Liste angeblicher weiterer Mit-
glieder der in Deutschland und Frankreich arbeitenden Organisation,
die freilich allesamt bereits verstorben waren. Mathers nannte in
diesem Zusammenhang auch Eliphas Lévi, was dem ganzen
Unterfangen noch einen besonderen Glanz verlieh. Das immer
wieder kolportierte Gerücht, Lévi sei Mitglied der Golden Dawn
gewesen, ist also unzweifelhaft ein Produkt dieser Fälschung. Es
kam schließlich, wie es kommen mußte: Der Orden entwickelte sich
recht gut, auch wenn seine Mitgliederzahl selbst zu besten Zeiten
weltweit kaum mehr als 800 betrug. Aber man wollte ja auch keine
Massenorganisation sein.
Als jedoch im Zuge interner Zwistigkeiten Mathers' Autorität von
immer mehr Mitgliedern angefochten wurde, blieb es nicht aus, daß
auch andere Adepten behaupteten, Kontakt zu den »Geheimen
Oberen« zu haben. Im Zuge dieser Streitigkeiten kam dann auch
heraus, daß es sich bei den ursprünglichen Ordensdokumenten um
freche Fälschungen gehandelt hatte, was bei einem großen Teil der
idealistisch am Großen Werk bosselnden Mitglieder
verständlicherweise einen furchtbaren Schock auslöste.
Ähnliches war ja auch schon in der Theosophie geschehen, die es
allerdings immer wieder geschafft hatte, entweder zähneknirschend
einen Burgfrieden zwischen den verfeindeten Parteien herzustellen
oder Schismen und Austritte schon aufgrund ihrer großen
Mitgliederzahl einigermaßen schadlos zu verkraften und die Reihen
der Abtrünnigen durch neue Nachrücker wieder aufzufüllen.
Das war in der Golden Dawn jedoch schon deswegen schwer
möglich, weil einer der »schlimmsten« Störenfriede ein Mann war,
der noch bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in der Welt des
Okkultismus und weit über ihre Grenzen hinaus von sich hören
machen sollte - freilich selten zu seinem Vorteil: Aleister Crowley.

160
Wir werden diesem Enfant terrible des abendländischen Okkultismus
noch einen Teil des nächsten Kapitels widmen. Zuvor soll uns unsere
Zeitreise jedoch noch einmal kurz in deutsche Gaue führen.
Etwa um 1895 gründet der durch seine Erfindung des holzfreien
Papiers zu großem Wohlstand gelangte österreichische Fabrikant
Karl Kellner seinen »Osttemplerorden«, den schon mehrfach
erwähnten Ordo Templi Orientis (OTO). Das wäre an sich gewiß
nichts Besonderes gewesen, arbeitete die kleine Gruppe denn auch
zunächst still im Verborgenen. Allein diese Arbeit war nicht die
übliche Alltagskost aus Symbolspekulation, astrologischen Studien,
harmlosen Imaginationsübungen und gelegentlichen Ritualen.
Kellner hatte den Osten, vor allem Indien, bereist und war dort nach
eigenen Angaben in streng geheime Lehren eingeweiht worden.
Auch das gehörte damals zum Standardrepertoire eines jeden
Ordenschefs, der etwas auf sich hielt. Was den OTO jedoch von
anderen Bünden seiner Art unterschied, war die Beschäftigung mit
Sexualmagie.
An der Sexualmagie ist eigentlich nicht viel Geheimnisvolles;
entsprechende Praktiken sind schon in der Antike und im Alten
Ägypten nachweisbar. Wir haben bereits im Zusammenhang mit den
Barbelo- oder Spermagnostikern der frühchristlichen Zeit ähnliches
kennengelernt. Doch im Zuge der Unterdrückung alles Sexuellen
wurde das Wissen darum immer wieder aus dem Bewußtsein
westlicher wie östlicher Kulturen verdrängt.
Kurz gesagt, handelt es sich bei der Sexualmagie um die Arbeit mit
der sexuellen Erregung (oder den »Kräften« der Libi-do) zu
magischen Zwecken. Anstelle von Drogen, Fasten, körperlicher
Anstrengung oder ähnlichen Ekstasetechniken wird also die
Sexualität verwendet. Auf dem Höhepunkt oder beim Orgasmus soll
das beabsichtigte Ziel visualisiert und dadurch »geladen« werden.
Das kann allein, also autoerotisch-mastur-batorisch, geschehen oder
mit einem oder mehreren Partnern unterschiedlichen oder gleichen
Geschlechts. Auch der indische Tantra arbeitet nach diesem Prinzip,
obwohl die meisten Tantrika dabei eher mystische und religiöse als
profane erfolgsmagische Ziele verfolgen.
Darüber hinaus speiste sich der OTO allerdings nicht nur aus genuin
östlichen Quellen. Es bestanden Verbindungen zur Her-metic
Brotherhood of Light des 1875 verstorbenen Amerikaners Paschal
Beverly Randolph, der schon in seinem Hauptwerk Magia Sexualis
ein ausgefeiltes System sexualmagischer Praxis vorgestellt hatte.

161
Randolph ist in der Forschung bis heute weitgehend unbeachtet
geblieben, war aber zu seiner Zeit durchaus kein Unbekannter. Im
Jahre 1922 erschien sein Roman Dhoula Bel auf deutsch. Die
Übersetzung besorgte kein geringerer als Gustav Meyrink.
Wir erinnern uns: Es ist die Epoche, da man sich zunehmend für die
Mechanismen der Sexualität zu interessieren beginnt und die ersten,
von Ärzten und Wissenschaftlern verfaßten sexologischen Werke
erscheinen, allen voran Krafft-Ebings Psychopathia Sexualis (1886).
Man sollte das gängige Klischee vom sexualfeindlichen
viktorianischen Zeitalter nicht allzu wörtlich nehmen: Das Thema
Sexualität war damals durchaus allgemein präsent, wenn auch in
einer anderen, sehr viel betulicheren Form als heute.
Ähnlich wie heute konnte es sich eine okkulte Gruppe allerdings
auch damals nicht leisten, allzu offenherzig über sexualmagische
Praktiken zu sprechen, weshalb man die Sache auch nicht an die
große Glocke hängte. Von der Zahl seiner Mitglieder her, die
zunächst auf einen kleinen Wiener Zirkel beschränkt blieb, hätte der
OTO sicher keine Erwähnung verdient. Und auch später sollte er als
Organisation in der bündischen Szene keine allzu herausragende
Rolle spielen. Was ihn freilich interessant macht, ist die Tatsache,
daß er 1923 von dem schon erwähnten Aleister Crowley
übernommen und zu einer Vereinigung geschmiedet werden sollte,
innerhalb derer er eine Menge dessen entwickelte, ausprobierte und
praktizierte, was ihm seinen heutigen Ruf - den guten wie den
schlechten - eingetragen hat.

»Die skeptische Erleuchtung«

Crowley, Spare, Gurdjieff und andere Stars

Man kann gegen Aleister Crowley einwenden, was man will -ein
Weichspüler war er bestimmt nicht. Mit einer Schilderung seines
Lebens und seiner unzähligen Aktivitäten lassen sich ganze Bände
füllen, was auch schon mehrfach geschehen ist. Auch der Verfasser
hat sich in dieser Hinsicht nicht zurückgehalten und eine
einschlägige Arbeit vorgelegt. (Vgl. Tegtmeier, Aleister Crowley.
Die tausend Masken des Meisters). Es fällt besonders schwer, einem
so überbordenden, vielseitigen und in seiner sozialen

162
Ausstrahlungskraft kaum zu übertreffenden Charakter auf wenigen
Seiten gerecht zu werden.
Crowley war aus demselben Holz geschnitzt wie alle Zyniker: ein
enttäuschter Idealist. Seine Kindheit war, das läßt sich nicht anders
ausdrücken, grauenhaft. Zwar herrschte in seiner Familie keine
materielle Not - sein Vater war ein wohlhabender Bierbrauer -, dafür
kam die Seele aber eindeutig zu kurz. Die Eltern gehörten der
fundamentalistischen Sekte der Ply-mouth Brethren (auch Darbyites
genannt) an; dementsprechend religiös-engstirnig und lieblos verlief
auch seine Erziehung. Das mag vielleicht nichts entschuldigen,
erklärt aber doch so manches.
Seine Mutter bezeichnete ihn einmal in einem Wutanfall als das
»Große Tier« der Johannes-Apokalypse (dessen Zahl, wie wir uns
erinnern, 666 ist). Crowley sollte dies später voller Genugtuung
aufgreifen und sich selbst so titulieren, oft auch in der
altgriechischen Fassung »To Mega Therion« (»Großes Wildes
Tier«). Das hinderte ihn freilich nicht daran, einmal vor Gericht
treuherzig zu behaupten, daß dieser Name im Grunde doch nichts
anderes als »kleiner Sonnenschein« bedeute.

163
Durch den Tod seines Vaters kam Crowley, der als Edward
Alexander geboren wurde und sich erst später den Vornamen
Aleister zulegte, schon früh zu Geld. Das gab er auch mit vollen
Händen aus, unter anderem für mehrere Himalaja-Expeditionen, die
er aus eigener Tasche bezahlte und in deren Zuge er mehrere
inoffizielle Weltrekorde als Bergsteiger errang. Crowley war ein sehr
versatiler junger Mann, der sich für eine Vielzahl von Themen
interessierte und nicht zuletzt deshalb sein Chemie-Studium in
Cambridge abbrach. Ein brillanter Schachspieler, trug er sich
ernsthaft mit dem Gedanken an eine Profi-Karriere, verwarf diesen
Plan aber ebenso wie sein langjähriges Vorhaben, in den
diplomatischen Dienst einzutreten. Er beherrschte Latein, Griechisch
und Französisch und eignete sich im Zuge seiner okkultistischen
Studien auch umfangreiche Hebräisch- und Henochischkenntnisse
an.
Solange seine Mittel es ihm erlaubten, spielte Crowley den Dandy-
Bohémien, womit er freilich in dieser Epoche des Dandyismus nicht
alleinestand. Er verfaßte eine Menge Gedichte, die er meist auf
eigene Rechnung in kostbaren Lederausgaben auf Spezialpapier
drucken ließ. Einige seiner in Paris gedruckten Werke wurden später
beim Versuch der Einfuhr vom englischen Zoll als »obszön«
beschlagnahmt und vernichtet. Crowley freundete sich mit Auguste
Rodin an, und kein geringerer als Marcel Schwob übertrug seine
Hymne an Pan ins Französische. Später sollte Fernando Pessoa, als
Dichter schon zu Lebzeiten eine Art Nationalheiligtum Portugals, die
Hymne auch ins Portugiesische übertragen. Somerset Maugham, der
ihn ganz und gar nicht mochte, schrieb einen ganzen Roman über ihn
(The Magician), in dem Crowley als okkulter Scharlatan und
Bösewicht Oliver Haddo unschuldige Mädchen in seinen
hypnotischen Bann zwingt. Es spricht für Crowleys Humor, daß er
dieses Machwerk, das nach einhelligem Votum der Kritik mit
Abstand zu Maughams schwächsten Romanen gehört, ausgerechnet
unter dem Pseudonym »Oliver Haddo« enthusiastisch rezensierte.
Der amerikanische Schriftsteller James Branch Cabbell
paraphrasierte in seinem Skandalwerk Jurgen die von Crowley
verfaßte und bereits mehrfach erwähnte »Gnostisch-katholische
Messe«, und der vielgelesene Horrorautor Dennis Wheatly ließ ihn
in vielen Masken in seinen Romanen als schlimmen Finger auftreten.
Zur Golden Dawn stieß Crowley 1898 und machte dort schnell
Karriere. Er war begabt, verfügte über reichlich Geld und Zeit und

164
konnte sich dementsprechend gründlich dem aufwendigen
Studienprogamm des Ordens widmen. Nebenbei experimentierte er
ausgiebig mit Drogen aller Art (er sollte später bis zu seinem Tode
heroinabhängig bleiben). Da er auch sexuell nichts anbrennen ließ,
Männern wie Frauen gleichermaßen zugetan war und sich in
ungebremster Flamboyanz übte,
verscherzte er es sich im Orden schnell
und gründlich mit den anderen, deutlich
farbloseren Mitgliedern.
Diese hatten 1890 beschlossen, ihm eine
fällige Graderhöhung zu verweigern.
Crowley, der davon nichts wußte, reiste
nach Paris, wo Mathers inzwischen mit
seiner französischen Frau Mina (der
Schwester des Philosophen Henri
Bergson) lebte. Mathers gewährte ihm den
gewünschten Grad - und es kam zur
offenen Rebellion.
An den sich daran anschließenden
Auseinandersetzungen, die von un-
freiwilliger Komik förmlich strotzten,
sollte die Golden Dawn letztlich zer-
brechen. Später überwarfen Mathers und
Crowley sich ebenfalls, und es kam zum
Prozeß, als Crowley das bis dahin streng
geheime Studienmaterial der Golden
Dawn in der Zeitschrift seines eigenen,
neugegründeten Ordens Argenteum
Astrum veröffentlichte.
Der autokratische Mathers hatte, in-
stinktlos und taktisch ungeschickt wie
meist, vor Gericht allen Ernstes erklärt, er
sei der »Chef aller Rosenkreuzer«. Damit
rief er unfreiwillig eine Unzahl von Or-
ganisationen auf den Plan - oft nicht mehr
als völlig unbedeutende Eintagsfliegen -,
die sich eine solche Anmaßung nicht gefallen lassen mochten. So
wurde Crowley in Folge dieses Prozesses mit Ehrengraden,
Ordenschartas und Diplomen förmlich überschüttet und war nun in
Ordenskreisen bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund.

165
Doch das waren im Grunde schon die Nachwehen des Niedergangs
des wohl bedeutendsten magischen Ordens der Neuzeit. Die
Crowley-Affäre war vielleicht der Auslöser, sicher aber nicht die
alleinige Ursache für das Auseinanderbrechen der Organisation. Wie
wir gesehen haben, gab es genügend anderen Zündstoff: die
aufgeflogene Fälschung der Gründungsdokumente, persönliche
Rivalitäten mit den entsprechenden Intrigen und Verleumdungen,
Mathers' autokratischer Führungsstil usw.
Mit dem Jahr 1903 war der Traum von der Goldenen Dämmerung
endgültig ausgeträumt. Einzelne Splittergruppen existierten zwar
weiter, gingen teilweise auch in andere organisatorische
Zusammenhänge ein, doch die Golden Dawn war ein für alle Male in
die Bedeutungslosigkeit versunken.
Nicht so allerdings Aleister Crowley: Seine große Zeit sollte erst
noch anbrechen. Im Jahre 1904 empfing er, auf Hochzeitsreise in
Kairo, medial die Botschaft eines Wesens namens »Ai-wass«, das
berühmt-berüchtigte Buch des Gesetzes (von ihm aufgrund
kabbalistischer Überlegungen auch Liber Al betitelt). Kernaussage
dieser Offenbarungsschrift, um deren Auslegung in
Okkultistenkreisen schon so mancher Streit entbrannte, ist das
vielzitierte »Gesetz von Thelema« (gr. thelema, »Wille«), das da in
seiner vollständigen Fassung lautet: »Tue, was du willst, sei das
ganze Gesetz. Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.« In
Crowleys Weltbild ist dies das »Gesetz des neuen Äons«, und er
verstand sich als Prophet eines neuen Zeitalters, das jenes der
»Sklavengötter«, wozu er auch den christlichen zählte, ablösen
sollte.
Die Anhänger dieser Lehre bezeichnen sich selbst als »The-lemiten«,
wobei viele von ihnen allerdings großen Wert auf die Festellung
legen, daß sie deshalb noch lange keine »Crowleya-ner« seien. Die
gibt es zwar auch, aber sie sind doch deutlich in der Minderzahl. Im
allgemeinen behält man sich lieber vor, die thelemitische
Offenbarung selbst auszudeuten, und nimmt sich nicht unbedingt ein
Beispiel an Crowleys vielen Mängeln und Widersprüchen, über die
auch in aller Offenheit geredet und diskutiert wird.
Nach mehrjährigem Zögern bekannte Crowley sich schließlich
rückhaltlos zu seiner Offenbarung, die fortan ins Zentrum seines
Leben rücken sollte. Jetzt hatte er endlich sein persönliches Arkanum
gefunden - und sollte prompt alles daransetzen, es in der
Öffentlichkeit unmöglich zu machen.

166
Unter diesem »Willen« versteht Crowley allerdings nicht dasselbe
wie die Skandalpresse, die daraus noch immer gern ein »Tun,
wonach einem gerade ist«, macht. Es sei dem Verfasser hier ein
Selbstzitat gestattet:

»Zwar haben Crowleys Lebenswandel und seine


beständigen Selbstinszenierungen, seine Vorliebe
für Skandale und seine immer wieder artikulierte
Pose des Bürgerschrecks ihr gerüttelt Maß dazu
beigetragen, das Prinzip des Thelema ins falsche
Licht zu rücken; doch ändert das nichts an der
Tatsache, daß seine Auffassung zutiefst
moralisch war, ja theologisch nicht einmal so
unkonventionell, wie man auf den ersten Blick
vermuten könnte. [...] Thelema [...] oder der
Wahre Wille könnte mit den Begriffen
»Berufung« oder »Bestimmung« verglichen
werde. Es hat also, wie Crowley nicht müde wird
zu betonen, nicht das geringste mit launischem,
wankelmütigem Wollen zu tun. Ebensowenig
bedeutet »Tue, was du willst«, das gleiche wie
»Tue, was dir gerade paßt«. Es kann im
Gegenteil sogar sehr unbequem sein, den
eigenen Wahren Willen leben zu sollen, vor
allem dann, wenn er erst spät erkannt wird und
sein Ausleben entsprechend schwere
Konsequenzen für das bisherige und zukünftige
Leben mit sich bringt. Es gilt also, das eigene
Thelema zu erkennen und zu leben, denn nach
Crowleys Auffassung gründen sämtliche Pro-
bleme, mit denen sich der Mensch im Leben
konfrontiert sieht, auf Verstößen gegen dieses
Gesetz. Die von
Freud postulierte >Libido des Unbewußtem sei,
so Cro-wley, in Wirklichkeit nichts anderes als
der >wahre Wille des innersten Selbst< [...] Man
sieht das Weltbild der Renaissance und des
Spätmittelalters aufblitzen, wenn er formuliert:
>Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.<
Solange diese >Sterne< aus freien Stücken ihren

167
vorbestimmten Bahnen folgen, befindet sich das
Weltganze in Harmonie und Eintracht. Verläßt
ein Stern jedoch seine natürliche Bahn, ist die
Kollision vorprogrammiert. Cro-wleys
Sozialphilosophie beruht auf der Vorstellung,
daß die Harmonie nur gewährleistet ist, wenn
jeder Mensch die Möglichkeit hat, seinen
eigenen Wahren Willen ungehindert auszuleben.
Einen echten Konflikt zwischen dem jeweiligen
Thelema zweier Menschen kann es nicht geben,
weil die Sternenbahnen auf irgendeine my-
steriöse, von Crowley nie näher definierte Weise
(oder durch eine ungenannt bleibende
übergeordnete Instanz) von Natur aus
harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Es ist
also stets nur der Mensch, der versagen kann,
nicht das System.« (Ralph Tegtmeier, Aleister
Crowley. Die tausend Masken des Meisters, S.
29f.)

Das Thelema-Konzept an sich ist nicht sonderlich neu. Es findet sich


bereits bei Rabelais, in dessen Roman Gargantua et Pantagruel nicht
nur die Formel »fayce qu'il voudras« auftaucht, sondern sogar eine
Abtei »Thélème« geschildert wird. Darüber hinaus kann man auch
beim Kirchenlehrer Augustinus den Satz »amas et fac quid vult«
nachlesen, und auch auf Nietzsches Betonung des Willens wird
immer wieder hingewiesen.
Wie alle alten und neuen Gnostiker hatte auch Crowley sich die
Gottwerdung des Menschen zum Ziel gesetzt. An einer Stelle
formuliert er sogar ganz eindeutig: »Jeder Akt, der nicht dazu dient,
die unmittelbare Verbindung zur Gottheit wiederherzustellen, ist ein
Akt schwarzer Magie.« Das hätte auch aus der Feder eines
Kirchenvaters stammen können.
Und in seinem Aufsatz Die Gefahren des Mystizismus kritisiert
ausgerechnet er, der von Mystik mehr verstand als jeder andere in
diesem Jahrhundert, den Mystiker, der sich zwar demütig gebärdet,
in Wirklichkeit aber nur flugs Gott auf seine Seite bringt, um sich
dann um so hemmungsloser in dieser Verschmelzung aufzuplustern.
Anders der Magier, wie Crowley ihn versteht: »Er, der Große Eine,
der Herrscher des Universums, kann keine Meile in drei Minuten

168
rennen.« Denn der Magier weicht dem Streit mit der Ohnmacht nicht
aus, er begeht ihn dort, wo er auch erkennbar stattfindet: an den
Grenzen seiner Möglichkeiten.
Crowley war davon überzeugt, daß er aus jedem Menschen ein
Genie machen könne, sofern man ihn nur ließe. Auch das ist ein
urgnostischer Gedanke, wie wir ihm später noch einmal bei Gurdjieff
begegnen werden: die Erlösungsfähigkeit des Menschen aus eigener
Kraft.
Eines der vielen Motti der Französischen Revolution lautete: »ni
dieu ni maitre«. Es gilt auch für den Magier, letztlich sogar für jeden
Okkultisten, der nicht nur versucht, funktionierendes Rädchen im
fremdbestimmten Getriebe der Schöpfung zu sein oder zu werden.
Über Crowley wird noch heute immer wieder kolportiert, er sei der
»Vater des modernen Satanismus«. Kirchliche Lexika und
Sektenexperten behaupten es, Illustrierte beten es nach, alle scheinen
sich darin einig zu sein. Aber es sei hier endlich einmal in aller
Deutlichkeit festgestellt: Das ist völliger Unsinn, der auch durch
ständige Wiederholung nicht richtiger wird! Daß Crowley sich
gelegentlich satanistischer Posen bediente und sich auch
blasphemisch gab, ist unbestritten. Doch war seine Weltanschauung
viel zu differenziert, um sich ohne abenteuerlichste geistige
Akrobatik in dieses wohlfeile Klischee pressen zu lassen.
In Wirklichkeit handelt es sich bei der Bezeichnung »Satanismus«
nämlich um eine für das Christentum spezifische Au-genwischerei.
Kulturhistorisch versteht man unter »Satanismus« ausschließlich den
expliziten Kult des Satans oder, wie es Biedermanns Handlexikon
der magischen Künste definiert: »die Verehrung des widergöttlichen
Prinzips«. Es ist auch bezeichnend, daß das unter Mitwirkung dreier
Amtskirchen entstandene Lexikon der Sekten, Sondergruppen und
Weltanschauungen einer präzisen Definition aus dem Weg geht und
sich statt dessen auf eine phänomenologische Beschreibung seiner
Äußerungsformen kapriziert, um sich dafür im Anschluß wortreich
über das vermeintliche Psychogramm des Satanisten auszulassen.
Grundbedingung eines jeden Satanismus ist eine streng dualistische
Kosmologie, in der zwei Prinzipien, das Gute und das Böse, um die
Vorherrschaft ringen, wie es der Manichäismus und viele gnostische
Sekten lehrten. Die Amtskirchen dagegen bezeichnen, übrigens
genau wie ihre fundamentalistischen Mitbrüder, alles als
»Satanismus«, was sich explizit gegen ihr spezifisches Verständnis
der christlichen Heilslehre richtet. Dazu gehören dann technisch

169
gesehen allerdings auch das Judentum und der Islam ebenso wie der
Buddhismus. Und in der Tat haben kirchliche Ultras beispielsweise
in den 70er Jahren versucht, sogar die Yoga-Kurse an
Volkshochschulen als »satani-stisch« abzustempeln - eine bereits in
der Spätantike gängige Diffamierungstaktik, die freilich auch damals
schon nichts fruchtete. Die historischen Folgen des kirchlich
abgesegneten und christlich begründeten Antisemitismus dagegen
sind bekannt und brauchen hier nicht referiert zu werden.
Dieses unerfreuliche und mühsame Geschäft der Richtigstellung von
Selbstverständlichkeiten ist leider deshalb unverzichtbar, weil das
Bild vom Okkultismus nun schon seit Jahrtausenden immer wieder
auf diese Weise verzerrt wird. Vielleicht gibt es am Okkultismus
tatsächlich manch Kritikwürdiges, doch ist eine derart hysterische
und dilettantische Argumentationsweise letztlich nur
kontraproduktiv und somit uneffizient.
Im Jahre 1910 (nach anderen Quellen 1912) erhält Aleister Crowley
Besuch von dem deutschen Okkultisten Theodor Reuß (1855-1923).
Reuß gehört zu den vielen Paradiesvögeln des Okkultismus seiner
Zeit. Bereits vor der Jahrhundertwende war er unter anderem als
Opernsänger tätig. »Unter anderem« bedeutet in diesem
Zusammenhang, daß er auch in Diensten des preußischen
Innenministeriums stand und in London die Sozialistische
Internationale bespitzelte (es heißt, daß Tussi Marx, die Tochter des
Philosophen, ihn nicht ausstehen konnte und dementsprechend gegen
ihn intrigierte). Er gehörte 1895 zur Gründungsmannschaft des OTO
und hatte den nach Kellners Tod ruhenden Orden 1906 reaktiviert
und die Leitung übernommen. Darüber hinaus war er als Titelhändler
in Sachen okkulter Bünde unterwegs. So machte er Rudolf Steiner
1906 zum Rex Summus X° (Landesmeister) des OTO und verkaufte
ihm für 1500 Mark ein Patent zur Führung von dessen Sektion
Mysteria Mystica Aeterna (MMA).
Auch Crowley wurde von Reuß angeworben. Nach Aussage des
»Meisters Therion«, wie Crowley sich selbst gern bezeichnete,
machte Reuß ihm Vorhaltungen, weil er die Geheimnisse des Ordens
in seinem Buch der Lügen, wenn auch in allegori-sierender Form,
preisgegeben habe. Erst nach einigem Hin und Her sollte der
verdutzte Crowley begreifen, daß Reuß damit auf Sexualmagie
anspielte. Seiner eigenen Aussage zufolge dämmerte ihm nun, daß er
damit unverhofft einer ganz großen Sache auf die Spur gekommen
war, und er willigte ein, die Leitung des OTO für die Britischen

170
Inseln zu übernehmen. Etwa zehn Jahre später sollte er, nach
Reußens Tod, selbst Chef der Organisation werden. In der Zeit
zwischen 1914 und 1917 finden wir Crowley in Amerika.
Mittlerweile hat er sein gesamtes Vermögen durchgebracht und sitzt
dort - auch kriegsbedingt -fest. Um sich über Wasser zu halten, läßt
er sich für die deutsche Sache anwerben und beginnt, prokaiserliche
Propaganda zu schreiben (das Kaiserreich will den befürchteten
Kriegseintritt Amerikas verhindern). Das ist jedenfalls die eine
Version der Geschichte.
Die andere ist ungleich komplizierter. Nach dem Krieg und seiner
Rückkehr nach England gerät Crowley 1919 ins Kreuzfeuer der
Kritik, und man fordert seinen Kopf: Er soll wegen Hochverrats vor
Gericht gebracht werden, was jedoch seltsamerweise nicht geschieht.
Er verteidigt sich mit dem Argument, bei seiner prodeutschen
Propaganda habe es sich um völlig überzogene Parodien und Satiren
gehandelt, mit denen er in Wirklichkeit der englischen Sache habe
dienen wollen. Nach jüngsten Erkenntnissen darf tatsächlich als
gesichert gelten, daß er zugleich für die englische Abwehr arbeitete,
vielleicht nicht zum ersten, mit Sicherheit aber nicht zum letzten
Mal.
Crowley baut den OTO aus und gewinnt weltweit immer wieder
zahlungskräftige Anhänger, die ihn über Wasser halten. Er ist
inzwischen heroinabhängig und braucht eine Menge Geld, was durch
seinen extravaganten Lebenswandel noch verstärkt wird. Die
Heroinsucht war übrigens ausnahmsweise kein Produkt seiner
Experimente mit Drogen, mit denen er die Möglichkeiten der Magie
ebenso ausloten wollte, wie er schlicht und einfach den Rausch
genoß. Vielmehr war er Vollasthmatiker, und die Ärzte hatten ihm,
wie damals nicht unüblich, das Heroin als Medikament verschrieben.
1920 siedelt er nach Cefalu auf Sizilien über und gründet dort seine
»Abtei Thelema« (Rabelais läßt wieder grüßen). Es ist ein Jahr nach
Mussolinis Machtergreifung, und es liegt nahe, daß seine
Übersiedlung ins strategisch wichtige Sizilien zumindest in
Abstimmung mit dem britischen Nachrichtendienst, wenn nicht gar
in seinem Auftrag erfolgt.
Aus der Abtei wird schon bald ein Publikumsmagnet: Viele Literaten
und Künstler pilgern dorthin, um sich unter der Obhut des Meisters
magisch ausbilden zu lassen, durchaus auch angezogen vom
Faszinans seines schlechten Rufs, an dem er emsig arbeitet, und von
der Aussicht auf Drogen- und Sexexzesse. Schließlich wird Crowley

171
jedoch 1923 unter undurchsichtigen Umständen des Landes
verwiesen.
Nach weiteren Irrungen und Wirrungen - immer wieder von der
englischen Presse gehetzt, deren absoluter Skandalliebling er ist -
rührt Crowley 1925 in Deutschland die Werbetrommel, um sich von
verschiedenen Okkultistenorganisationen zum »Weltenheiland«
ausrufen zu lassen. Auf einer Konferenz im thüringischen Weida
kommt es darüber zum Bruch innerhalb der deutschen
Pansophischen Loge. Aus dieser Spaltung geht später die Fraternitas
Saturni hervor, die von dem Buchhändler Eugen Grosche (1888-
1961) unter dem Namen Gregor A. Gregorius geleitet wird.
Die Loge Fraternitas Saturni war der erste nennenswerte Ge-
heimorden, der Crowleys Gesetz von Thelema übernahm. Allerdings
blieb diese Loge autonom, unterstand also nicht der Obödienz des
OTO, und ergänzte das thelemitische Gesetz durch den Zusatz:
»mitleidlose Liebe«.
Crowley betätigte sich auch als Maler und stellte 1930 in der
Berliner Galerie Portas Bilder aus. Bei dieser Gelegenheit begegnete
er dem englischen Schriftsteller und Philosophen Al-dous Huxley,
den er als erster mit Meskalin vertraut gemacht haben soll. Später
sollte Aldous Huxley mit seinem Werk Die Pforten der
Wahrnehmung, in dem er ausführlich über seine Meskalin-
Experimente berichtet, zu einem der Väter der Drogenbewegung
werden.
Auch bei diesem Besuch scheint Crowley gleich mehrere Fliegen mit

172
einer Klappe geschlagen zu haben. So ist beispielsweise überliefert,
daß er eine Unterredung mit dem Führer der Kommunistischen
Partei, Ernst Thälmann, hatte. Angeblich soll er dabei erfolglos
versucht haben, auf diesen einzuwirken, den Klassenkampf
aufzugeben und statt dessen das Gesetz von Thelema zu
übernehmen.
Nachdem er lange als Autor und als Person eine führende Position in
der Welt der englischsprachigen und deutschen Magie eingenommen
hatte, ließ sein Einfluß nun vorübergehend nach. 1935 mußte er in
England den Offenbarungseid leisten. Über seine Tätigkeit im
Zweiten Weltkrieg gibt das nächste Kapitel Auskunft. Am 1.
Dezember 1947 starb er im englischen Ha-stings laut Totenschein an
»Herzversagen und chronischer Bronchitis«.
Um die Nachfolge Crowleys streiten sich mittlerweile mehrere
Organisationen, von der jede beansprucht, der allein authentische
Ordo Templi Orientis zu sein. Seit den 60er Jahren ist auch wieder
ein verstärktes Interesse an der Person Aleister Crowleys zu
beobachten. Die Hippie-Generation sah in dem Drogenpionier einen
geistigen Vater, während man in den 70ern wieder stärker auf den
Magier Crowley aufmerksam wurde.
Crowley ist das Verdienst zuzusprechen, die Magie psychologisch
plausibel gemacht zu haben. Er trat den Beweis an, daß man
keineswegs ein geistig unterbelichteter Halbidiot zu sein brauchte,
um sich fundiert und tiefsinnig mit dem Okkultismus zu befassen. Er
war ein großer Skeptiker, der noch dazu über einen wachen,
naturwissenschaftlich geschulten Verstand verfügte und sich in
wissenschaftlichen Dingen stets auf dem laufenden hielt. Auch wenn
er Sigmund Freud nicht schätzte, hatte er ihm - wie fast alle
Intellektuellen seiner Zeit - sehr viel zu verdanken.
Durch Freuds Konzept vom Unterbewußtsein wurden mit einem Mal
Verhaltensweisen und seelische Erkrankungen erklärbar, vor denen
die Medizin und die Neurologie bis dahin hatte kapitulieren müssen.
Crowley war zwar kein Freudianer, ließ es sich aber nicht nehmen,
das magische Handeln und die Funktionsweise der Magie
psychologisch zu erklären. Allerdings blieb er letztlich doch dem
Geistermodell verhaftet, obwohl er für den reinen Spiritismus stets
nur beißenden Spott übrig hatte: »Aiwass« war für ihn eine reale
außerirdische Existenz, und Crowley meinte, dafür hinreichend
kabbalistische und andere Beweise in der Hand zu haben, die keine
andere Erklärung zuließen.

173
Darüber hinaus war sein Grundanliegen - das wird oft verkannt - ein
fundamental religiöses, wie seine oben zitierte Aussage zur
schwarzen Magie beweist. Bezeichnenderweise trug seine über viele
Jahre erscheinende Zeitschrift The Equinox den Untertitel: »Das Ziel
der Religion - die Methode der Wissenschaft«. So war die Magie für
ihn nur eine Hilfsdisziplin der Metaphysik und der Mystik. Darin
zumindest aber steht er, allen seinen modernistischen Posen zum
Trotz, voll und ganz in der Tradition des Spätmittelalters und der
Renaissance.

Austin Osman Spare


Es gab noch weitere Okkultisten um die Jahrhundertwende, die den
Faden aufgriffen, den Freud und die Tiefenpsychologie zu spinnen
begonnen hatten. Einer davon war der Maler Austin Osman Spare
(1886-1956). Lange Zeit blieb seine Leistung als Magier in der
Öffentlichkeit unbemerkt, bis er schließlich im Zuge der »okkulten
Renaissance« der 70er wiederentdeckt wurde.
Spare war der Sohn eines Londoner Polizisten. Mit 13 verließ er die
Schule und trat eine Lehre als Glasmaler an. Inzwischen hatte er
schon begonnen zu malen und zu zeichnen. Sein Vater schickte ein
Bild ohne Wissen des Jungen an die Royal Aca-demy, wo man sofort
sein Talent erkannte und ihn ausstellte.
Schon bald galt er als eines der vielversprechendsten Talente der
englischen Malerei seiner Zeit. Mit Anbruch des Ersten Weltkriegs
wurde er sogar zum offiziellen Kriegsmaler bestallt,
und einige seiner einschlägigen Werke sind noch heute im Londoner
Kriegsmuseum zu besichtigen. Zusammen mit einigen Kollegen gab
er verschiedene Kunstzeitschriften heraus. Alle Tore standen ihm
offen: Er erhielt mehrere Preise und hätte es zweifellos zu einem der
anerkanntesten englischen Maler dieses Jahrhunderts bringen
können.
Doch der Akademie- und Galeriebetrieb lag ihm nicht. Spare
berichtet, daß er schon früh die Gesellschaft einer älteren Frau
suchte, die er nur als »Mrs. Paterson« kannte und die von sich
behauptete, eine Hexe aus einer Familienlinie zu sein, die der
Verfolgung durch Cotton Mather und seine Schergen im ameri-
kanischen Salem der Puritanerzeit entgangen sei. Spares Verhältnis
zu seiner leiblichen Mutter (der er seinen ersten Nachnamen

174
»Osman« verdankte) war getrübt, und so wurde Mrs. Paterson zu
seiner zweiten oder, wie er es ausdrückte, zu seiner »Hexenmutter«.
Sie brachte ihm bei, zu visualisieren und Traumbildern Leben
einzuhauchen und ebenso Geister und Elementare zu beschwören.
Gleich, ob man seiner Darstellung Glauben schenken mag oder
nicht, gibt es doch keinen Zweifel daran, daß Spare davon überzeugt
war und dies auch immer wieder zum Zentralthema seines
bildnerischen Schaffens machte. Seine skurrilen, oft gespenstischen,
immer aber höchst eigenwilligen Zeichnungen und Gemälde stellen
häufig Wesen aus dem Schattenreich dar, wie sie den Grimoarien der
Renaissance oder der Feder eines H. P. Lovecraft hätten entspringen
können.
Spare nahm - nicht ganz zu Unrecht - für sich in Anspruch, der erste
Surrealist gewesen zu sein. Während des Kriegs erlitt er einen
Bombenschock, der sich im Zweiten Weltkrieg darin äußern sollte,
daß er beim Signieren seiner Bilder gelegentlich die Ziffern der
Jahreszahlen 4 und l vertauschte: So wurde aus 1941 »wieder« 1914.
Vom konventionellen Kunstbetrieb angewidert, zog sich Spare 1927
in die Slums des südlichen London zurück, wo er fortan das Leben
eines Eigenbrödlers führte. Zwar stellte er noch gelegentlich in

175
örtlichen Kneipen aus, doch mied er weitgehend die Gesellschaft von
Menschen.
1913 hatte Spare sein für den heutigen Okkultismus wichtigstes
Werk veröffentlicht: The Book of Pleasure or Self-Love. Darin stellt
er seine magische Weltsicht mal
deutlicher, mal stark verschlüsselt
dar. Spare ist der Auffassung, daß
in den entwicklungsgeschichtlich
überlagerten tiefsten Schichten des
menschlichen Unterbewußtseins
übermenschliche Fähigkeiten
schlummern. Diese will er mit einer
Technik aktivieren, die er als
»Formel der atavistischen
Wiederbelebung« (Formula of
Atavistic Resurgence), gelegentlich
aber auch als »Atavistische
Nostalgie« bezeichnet. Wir
begegnen hier einer der frühesten
Freud-Rezeptionen des
Okkultismus: Spare übernimmt das
Konzept von der mehrschichtigen
Psyche und lokalisiert dort auch die
magischen Fähigkeiten des
Menschen. Doch das ist noch nicht
alles. Denn nun kehrt er Freuds
Neurosenlehre zur praktischen
Nutzung einfach in ihr Gegenteil
um.
Bekanntlich war Freud der
Auffassung, daß durch Wie-
derbewußtmachung verdrängter
Traumata deren Wirksamkeit
gebrochen werden könne, was
wiederum zur Aufhebung von
Zwangsneurosen (z. B.
Waschzwang u. ä.) führt. Spare aber dreht den Spieß um, indem er
sinngemäß argumentiert: Wenn etwas, das ich verdrängt und
vergessen habe, Macht über mich ausübt und Situationen herstellt,
welche ich eigentlich nicht wünsche, dann brauche ich doch nur Si-

176
tuationen, die ich mir tatsächlich wünsche - oder, genauer, den
Wunsch danach - zu verdrängen und es dem Unterbewußtsein zu
überlassen, sie für mich herzustellen.
Seine Technik besteht aus einer gezielten Verdrängung von
Wünschen und Begierden zum Zwecke ihrer Verwirklichung. Was
die praktische Seite angeht, schlägt er dazu vor, einen Willenssatz zu
formulieren und diesen
aufzuschreiben. Um den
psychischen Zensor zu umgehen,
der diesen Wunsch möglicherweise
nicht zulassen würde, weil er den
Vorstellungen des Über-Ichs
widerspricht, muß er verschlüsselt
werden. Dazu wird jeder Buchstabe
des Willenssatzes beim wie-
derholten Vorkommen ausge-
strichen, bis nur noch das nackte
Gerüst einzelner, einmaliger
Buchstaben übrigbleibt.
Aus diesen Buchstaben fertigt Spare
dann eine »Sigil« (die Schreibweise
»Sigil«, also mit einem »l«, ist im
Deutschen eigentlich nicht üblich;
sie hat sich aber seit den 80er Jahren
in der magischen Literatur
eingebürgert, um damit
ausschließlich Sigillen zu be-
zeichnen, die nach dem System
Spares hergestellt wurden). Eine
Sigil ist ein abstraktes grafisches
Zeichen, welches mit dem
ursprünglichen Wunsch oder
Willenssatz nicht mehr die geringste
Ähnlichkeit haben und auch nicht an
diesen erinnern soll.
Nun gilt es, diese Sigil ins Unterbewußtsein »einzupflanzen«, damit
sie dort ihre Wirkung entfalten kann. Dies geschieht beispielsweise
durch die autoerotische »sexualmagische Ladung«, bei der Magier
auf dem masturbatorischen Höhepunkt seine Aufmerksamkeit spas-
misch auf die Sigil lenkt und diese danach sofort beiseite schafft, um

177
sie nun möglichst schnell wieder zu vergessen. Das gezielte
Vergessen ist der eigentliche Schlüssel zu dieser Technik, denn nur
so ist eine »künstliche Verdrängung« herzustellen. Der Magier soll
ab nun weder an seinen ursprünglichen Wunsch noch an die Sigil
selbst denken. Ist die Operation gelungen, wird das Unterbewußtsein
mit seiner magischen Fähigkeit das Gewünschte herbeiführen.
Dieses System der Magie ist aus mehreren Gründen
ungewöhnlich. Zum einen
verzichtet es völlig auf jegliche
metaphysische und transzendente
Komponente. Das steht auch damit
im Zusammenhang, daß der
»Glaube« (belief) nach Spa-res
Auffassung nur eine Art von
Technik ist. Er hat also nichts mit
»Wahrheit« zu tun, sondern stellt
lediglich eine spezifische
Handhabung der eigenen Anliegen
dar. »Wahrheit« ist so gesehen ein
sinnloser Begriff, der allenfalls
eine bestimmte Interessenlage
bezeichnet, aber nichts
Überpersönliches sein kann.
Deshalb haben auch ethische und
moralische Fragen hier keinen
Platz: Der Magier wird durch
dieses Verfahren zum nüchternen
Ingenieur der Schwarzen Kunst.
Zum anderen ist diese Herangehensweise außerordentlich un-
aufwendig. Sie wirkt auf viele romantische Gemüter noch heute
nackt und kalt. Sie kennt keine geheimen Meister im Himalaja,
bedarf keines exotischen Räucherwerks und verzichtet auf Drogen.
Es finden keine Rituale statt, der Magier muß keine ausgiebige
Schulung durchlaufen, er braucht keine Korrespondenztabellen zu
büffeln, keinen Symbolkanon zu kennen und kein Ritualwerkzeug
herzustellen. Alles, was er benötigt - und nicht einmal das ist
zwingend - ist ein Schreibstift und ein Blatt Papier.
Spare war für kurze Zeit Mitglied in Crowleys Orden Argen-teum
Astrum, doch trat er schon nach einem halben Jahr wieder aus.
Offenbar hatte der Meister Therion ihm nicht viel zu bieten. Von

178
Crowley ist ein Handexemplar des Book of Pleasure erhalten, reich
versehen mit handschriftlichen Randbemerkungen. Crowley hat
Spares magie-revolutionäre Entdeckung ganz offensichtlich nicht in
ihrer vollen Tragweite erfaßt. Er kritisiert zu Recht, daß das Buch
sich streckenweise liest wie eine Kopie des chinesischen Tao te king,
doch scheint er sich nicht die Mühe gemacht zu haben, mit Spares
Technik zu experimentieren. Immerhin hat er ihn respektiert. Er
bezeichnet ihn zwar an einer Stelle als »schwarzen Bruder«, also als
jemanden, der wider besseres Wissen den falschen Weg einschlägt;
das ist gewiß nicht zustimmend gemeint, aus Crowleys Munde
allerdings doch fast eine Auszeichnung, die beweist, daß er ihn
ernstnahm, was er nur selten tat, wenn jemand erst einmal mit ihm
gebrochen hatte.
Über Spare kursieren die schaurigsten Gerüchte. So sollen zwei
Neugierige ihn einmal bedrängt haben, für sie aus jenen ominösen
»Tiefenschichten der Seele« einen Atavismus heraufzubeschwören.
Nachdem er es getan hatte, soll einer der beiden kurz darauf
Selbstmord begangen und der andere dem Wahnsinn anheimgefallen
sein.
Es gilt als gesichert, daß Spare auch magische Auftragsarbeiten
gegen Bezahlung ausführte. Während er sich die letzten Jahre seines
Lebens materiell mit der Reparatur von Radioapparaten durchschlug
- wobei er die Sperrholzrückwände ausgemusterter Geräte als
»Leinwand« für seine Werke benutzte -, brauchte er doch immer
wieder mal Geld, und wenn es nur für seine 20 Katzen war, mit
denen der menschenscheue Einsiedler zusammenlebte.
Nach seinem Tod geriet er bald in Vergessenheit, in der or-
ganisierten okkulten Szene hatte er ohnehin nie eine Rolle gespielt.
Erst nach seiner Wiederentdeckung durch den englischen Magier
und Autor Kenneth Grant, der auch zusammen mit Crowleys
Testamentverwalter John Symonds die Ausgabe crowleyscher Werke
besorgte, erinnerte man sich seiner »Sigil-lenmagie«, die seitdem
ihren festen Platz in der westlichen Tradition zumindest der
angelsächsischen und deutschsprachigen Magiewelt bekommen hat,
obwohl sie keine erkennbare Ähnlichkeit mit den Praktiken der
Hermetik aufweist.
Mit Spare hält - sehr viel deutlicher als mit Crowley - die
Psychologie vollends Einzug in die Magie. Das Psychologische
Modell der Magie, mit dem wir es hier zu tun haben, »erklärt« die
Mechanismen der Zauberei nicht, wie dies das Geister- und das

179
Energiemodell noch versuchen, sondern lokalisiert sie lediglich.
Es kommt dabei also nicht mehr darauf an, daß der Magier um die
Geisterwelt weiß oder feinstoffliche Kräfte zu kanalisieren versteht.
Statt dessen benutzt er die »Maschine« seiner Psyche und
manipuliert sie nach Bedarf, ohne daß genau zu klären ist, wie diese
dann schließlich den gewünschten Effekt herstellt. Diese Unklarheit
läßt sich zweifellos auch als Ausdruck der relativistischen,
endzeitlich gebrochenen Skepsis verstehen, wie sie einen großen Teil
der Intellektuellen der Jahrhundertwende beherrschte. Die
Neuromantik des ausklingenden 19. Jh., in dem man sich noch
»keltisch« geben oder ja-kobitischen Thronbesteigungsphantasien
nachhängen konnte, war zerstört. Mit Spare begegnen wir nicht nur
dem ersten wirklich psychologisch operierenden Magier, sondern
zugleich einem Adepten, der als erster innerhalb des praktischen Be-
zugsrahmens seiner Zauberkunst die Moderne ausformuliert.

Gurdjieff
Wenn hier von Georgij Iwanowitsch Gurdjieff (ca. 1877-1949) die
Rede sein soll, so mag das auf den ersten Blick etwas verwundern.
Man kann ihn wohl kaum zum »orthodoxen« Okkultismus zählen -
sofern es so etwas gäbe -, und sein unmittelbarer Einfluß auf die

180
magische Welt scheint darüber hinaus recht gering zu sein. Und doch
haben wir es bei ihm nach Auffassung vieler mit einem
authentischen Neognostiker zu tun, der in keiner Übersicht über die
Geschichte des abendländischen Okkultismus fehlen sollte.
Übergehen wir also sein exzentrisches, ungeheuer abenteuerliches
Leben und konzentrieren wir uns allein auf die Essenz seiner Lehren
und auf jene Einflüsse, die von ihr ausgegangen sind.
Als er, ein gebürtiger Russe griechisch-armenischer Herkunft, nach
langen Reisen durch den Orient und einer mehrjährigen Lehrtätigkeit
in St. Petersburg und Konstantinopel schließlich 1922 in den Westen
kam und sich nach erfolglosen Versuchen, in Deutschland Fuß zu
fassen, in Fontainebleau bei Paris niederließ, brachte er ein System
mit, wie das Abendland es bisher noch nicht gesehen hatte. Auch
wenn sich seine Lehre aus den unterschiedlichsten, meist östlichen
Quellen speiste, die sich bei ihm mit einem radikalen Materialismus
westlicher Prägung verbanden, war daran doch soviel Einzigartiges,
Eigenständiges, ja Originelles, daß er schon bald die Aufmerk-
samkeit zahlreicher westlicher Intellektueller erregte. So wurde die
ehemalige Abtei, in der er mit seinen Schülern lebte, zu einem
wahren Mekka der Weisheitssucher. Auch von Aleister Crowley ist
überliefert, daß er wenigstens einmal den allerdings erfolglosen
Versuch unternahm, bei Gurdjieff vorzusprechen. Einer anderen
Quelle zufolge soll tatsächlich eine Begegnung stattgefunden haben,
doch selbst wenn dies stimmte, dürfte es die einzige gewesen sein.
Gurdjieff lehrt, daß der Mensch »schläft«, sich also nicht im
Wachzustand befindet, auch wenn er das Gegenteil meinen sollte.
Darüber hinaus ist er eine reine Maschine, ein unbewußter Roboter
ohne eigene Seele. Letzteres betont Gurdjieff immer wieder
ausdrücklich, fährt aber auch fort, daß der Mensch sich etwas
Seelenähnliches erschaffen kann, sofern er an seiner Entwicklung
arbeitet. Mit Hilfe bestimmter Bewegungsabläufe, die Gurdjieff
unermüdlich mit einigen seiner Schüler einstudiert, soll es dem
Menschen gelingen, sich seiner selbst bewußt zu werden. Dazu
kommen die unterschiedlichsten Übungen, die teilweise dazu dienen,
die Selbstbeobachtung zu fördern, teilweise aber auch erstarrte
Verhaltens- und Orientierungsmuster aufbrechen sollen.
Gurdjieff bezeichnet seine Lehre als »Vierten Weg« - neben dem des
Fakirs, des Mönchs und des Yogis. Er lehrt teils auf kryptische, teils
auf drastisch-direkte Weise. Eines seiner beliebtesten Mittel ist die
Abschreckung: Indem er sich unattraktiv, ja regelrecht abstoßend

181
gibt und verhält, betreibt er bereits eine Vorauswahl. Er triezt seine
Schüler mit scheinbaren, in Wirklichkeit aber wohlberechneten
Launen, um ihre Reaktionen aufzugreifen und ihnen den Spiegel
ihrer Selbstgefälligkeit und Trägheit vorzuhalten.
Gurdjieffs eigentliche Lehren haben im magischen Okkultismus
zwar nie eine große Rolle gespielt. Um so stärker hat man sich dafür
an seiner Person und an seinem Verhalten orientiert. Er gilt
gemeinhin als beispielhafter Lehrer: Der Meister, der seine Schüler
ständig im Ungewissen über seine Herkunft und seine Absichten
läßt; der sie erschreckt und grundlos zusammenstaucht; sie aus
heiterem Himmel lobt und plötzlich ohne erkennbaren Grund
tagelang schneidet; der fast nur in Widersprüchen redet, aber auch
plötzlich mit den scharfsinnigsten, logisch zwingendsten Analysen
herausrückt; der sich beim Flunkern und Aufschneiden erwischen
läßt; der grenzenlose Großzügigkeit und widerlichsten Geiz zu einer
völlig unberechenbaren Mischung verquickt; der sie rücksichtslos
ausbeutet, aber auch reich beschenkt; der die Nichtalkoholiker zum
Trinken bringt und den Saufbolden den Schnaps vergällt; der sie mit
langatmigen Diskursen und endlosen Belanglosigkeiten zu Tode
langweilt, sie aber auch mit den aberwitzigsten, komischsten
Erzählungen unterhält, zu denen er sie zuvor allerdings mitten in der
Nacht aus dem Bett geholt hat - kurzum all das, was die Ethnologie
unter dem Begriff des »Tricksters« zusammenfaßt, wie man ihn in
vielen schamanischen Kulturen findet.
All dies tut er nur, um dem Schüler keine Handhabe zu geben, ihn in
sein vorgefertigtes Orientierungsgefüge einzuordnen und die
Begegnung mit ihm im Zuge dieser Immunreaktion zu entsorgen. Er
erschreckt den Schüler scheinbar gnadenlos, weil die Wirklichkeit
noch viel schrecklicher und gnadenloser ist, weil er der Ohnmacht
den Krieg angesagt hat, weil er nämlich, wie Colin Wilson es in
seiner gleichnamigen Gurd-jieff-Biographie formuliert, einen
unermüdlichen »Kampf gegen den Schlaf« führt.
Dies alles mag eine sehr vordergründige Sicht Gurdjieffs sein, doch
gibt es ohnehin keine einheitliche Meinung über ihn und sein Werk.
Er hatte zahlreiche Schüler, auch solche, die sich von ihm trennten
und seine Lehren durch den Filter ihrer eigenen Sichtweise
weitergaben und -entwickelten.
Immerhin würdigt man ihn als großen Wissenden, und wenn auch
die wenigsten heutigen Magier die - vornehmlich unter Nichtmagiern
kursierende - Meinung teilen würden, daß er einer der Ihren war,

182
würden sie doch jederzeit einräumen, daß es sicher nicht verkehrt
wäre, wenn sie selbst so wären wie er.

»Begehung eines Schattenreichs«


Okkultismus und Politik im 20. Jahrhundert

Will man sich einem so komplexen und undurchsichtigen Thema wie


der Frage nach der politischen Rolle des Okkultismus nähern, heißt
es zunächst, von einigen vertrauten Vorstellungen Abschied zu
nehmen. Ohne in fruchtlose Gelehrtenschelte verfallen zu wollen,
muß hier doch festgestellt werden, daß das größte Problem dabei die
bis vor kurzem äußerst desolate Quellenlage darstellt, für die eine
jahrzehntelange Vernachlässigung und Bagatellisierung des Themas
durch die konventionelle Forschung verantwortlich zeichnet. Statt
dessen besetzten zumeist Kolportageautoren dieses Feld, wo sie sich
ungeniert den wildesten Spekulationen hingeben durften.
Die Gründe für die »gepflegte Ignoranz«, mit der die Historikerzunft
diesem Problem bisher begegnete, sind mannigfacher Natur. Wir
wollen nur zwei davon herausgreifen, weil sie ganz unmittelbar mit

183
unserem Thema verknüpft sind, um danach den gegenwärtigen Stand
der Forschung zu referieren, an dem sich erfreulicherweise in
jüngster Zeit doch einiges zu ändern beginnt.
Das erste Problem ist technischer Natur. Wir haben auf unserer
Zeitreise bereits einen Eindruck davon gewinnen können, daß das
Bild vom »okkulten Sumpf« insoweit zutrifft, als die Materie von
einer schier unüberschaubaren Vielfalt geprägt ist. Was wir in
diesem Buch meist nur mit wenigen groben Strichen skizzieren
müssen, erweist sich für jeden Gelehrten bei akribischerer
Betrachtung als wahre Sisyphosarbeit. Es dauert viele Jahre, bis der
Forscher auch nur die grundlegendsten Standardwerke und
Originalquellen durchgearbeitet hat - und dann steht der Historiker
erst am Anfang seiner eigentlichen Aufgabe, nämlich zu einer
sorgfältigen Gewichtung der Rolle zu gelangen, die der Okkultismus
möglicherweise oder tatsächlich im politischen und
gesellschaftlichen Geschehen einer Epoche gespielt hat. Zudem muß
er vieles aus den entlegensten, nicht selten auch aus ziemlich
dubiosen, »unseriösen« Quellen zusammentragen, manches wird er
dabei sicher auch zwangsläufig übersehen.
Nun gilt das freilich auch für viele andere Forschungsbereiche der
Geisteswissenschaften - dennoch scheut man nicht davor zurück, sie
aufzubereiten. Und so stoßen wir denn auf den zweiten, eigentlichen
Grund für diese Zurückhaltung der akademischen Forschung: auf die
Ablehnung des Themas als solches. Auch diese hat wiederum
zahlreiche Ursachen, allen voran die im wesentlichen doch immer
noch einerseits vom christlich-monotheistischen, andererseits vom
humanistisch-aufklärerischen Weltbild geprägte Grundhaltung, die
sich bis in die wissenschaftliche Methodenlehre zurückverfolgen läßt
und sich erst in den letzten Jahrzehnten zaghaft umzustellen beginnt.
Wir sind dieser Problematik bereits im Zusammenhang mit der
künstlichen Unterscheidung zwischen Religion und Magie begegnet:
Lange Jahre orientierten sich Religionswissenschaftler,
Anthropologen und Ethnologen dabei allein am christlichen Modell,
wurde »Religion« mit »Christentum« gleichgesetzt. Doch obwohl in
diesen Disziplinen schon vor einiger Zeit nicht zuletzt durch die
Einflüsse amerikanischer Forscher eine Wende eingesetzt hat, gilt
dies nicht gleichermaßen für die Geschichtswissenschaft.
Es ist im Grunde das alte Lied: Was nicht sein darf, kann auch nicht
sein. Wie sollte ein so abstruses Konglomerat heterogenster
Elemente wie der Okkultismus, eben jener »Köhlerglaube«, von dem

184
Thomas Mann, wie bereits eingangs erwähnt, sprach, eine
ernstzunehmende Größe im Mächtespiel beispielsweise der Politik
des 20. Jh. gespielt haben? Lebt man nicht ganz bequem mit der
mühsam errungenen Nachkriegsfik-tion, Politiker und Machthaber
aller Art seien doch eiskalte Profis, die sich von nichts anderem als
ihrem, dem Metaphysischen gänzlich abgeneigten, rationalen
Verstand leiten lassen?
All dies war einer nüchternen, gelassenen Beschäftigung mit der
Materie nicht gerade förderlich und verstellte zudem den Blick auf
ebenjene Realia, die durchaus hätten aufmerken lassen können. Da
wir aus Platzgründen ohnehin immer wieder Schwerpunkte setzen
müssen, wollen wir in diesem Kapitel beispielhaft für das große
Gebiet »Okkultismus und Politik« nur die okkult-politischen
Aspekte des Nationalsozialismus herausgreifen - ein Thema, über
das bisher viel spekuliert, aber nur wenig kritisch-aufgeschlossen
geforscht wurde. Für diese thematische Beschränkung gibt es eine
Reihe triftiger Gründe: Zum einen stellt das Dritte Reich eine in sich
einigermaßen überschaubare Arena okkultistischer Bewegungen und
Aktivitalen dar. Zum anderen gründete ebendieses Reich zu einem
nicht unerheblichen Teil auf einer Ideologie, in die eine ganze Reihe
okkultistischer Anschauungen eingeflossen waren. Und schließlich
wird dem Okkultismus von seilen seiner Kritiker immer wieder eine
reaktionäre, faschistoide Grundhallung vorgeworfen. Dieser Vorwurf
dürfte zwar oft genug den Kern der Sache tatsächlich treffen, deckt
sich aber doch nicht in allen Einzelheilen mit der Realgeschichle,
wofür die NS-Zeil wiederum reiches Anschauungsmaterial bietet.
Beginnen wir daher mil dem einem kurzen Überblick über die
okkultistischen Hintergründe des deulschen Nationalsozialismus.

Guido von List: Urahn der Ariosophie


Ein Foto des österreichischen Okkultisten Guido von List zeigt ihn
mit weißem Rauschebart in der typischen Pose eines deutschen
Kunst-Professors der Jahrhundertwende, komplett mit Wagnermütze.
Und um die Gunst der akademischen Gelehrten buhlte der Künstler
und Autodidakt, dessen Adelsprädikat »von« wohl allein seiner
blühenden Phanlasie entsprungen war, immer wieder. Ohne im
einzelnen auf seine nicht sonderlich aufregende Biographie

185
einzugehen, ist hier doch festzuhalten, daß er gemeinhin, wie
Karlheinz Weißmann es formuliert, als »Stifter der völkischen
Runen-Esoterik« gilt. Von seinem au-ßerordenllich umfangreichen
Werk sind vor allem die Titel Die Rita der Ariogermanen, Die
Bilderschrift der Ariogermanen, Die Ursprache der Ariogermanen
und natürlich Das Geheimnis der Runen hervorzuheben. Er wurde
schon bald in der doppelten Bedeutung des Worts zum »Kultautor«
und prägte sowohl die Runen-Mystik als auch den germanisierenden
Rassismus ganz entscheidend. Von ihm soll der Begriff
»Ariosophie« als der »Lehre vom Ariertum« slammen, und was den
Einfluß auf die Theorienbildung des völkisch geprägten Okkultismus
betraf, konnte ihm allenfalls noch ein Lanz von Liebenfels das
Wasser reichen. Die bis heule stark unterschätzte Wirkung eines
Rudolf von Sebottendorf dagegen konzentrierte sich stärker aufs
Organisatorische und Logistische völkisch-okkultistischer
Gruppierungen.
Schon früh gründete sich um ihn, den »deutschen Meister«, in Wien
die Guido-von-List-Gesellschaft, zu der schließlich so gut wie
sämtliche Mitglieder der örtlichen theosophischen Loge stoßen
sollten.
Lists Hauptquelle der Weisheit ist die »Erberinnerung«, mit anderen
Worten: die intuitive Schau. Gegner würden wohl eher sagen: seine
Einbildung. Er entwickelt eine historisch nicht nachweisbare 18er-
Runenreihe, das inzwischen nach seinem Orden benannte
»Armanen-Futhark«. Erst in den 70er Jahren sollte die okkulte
deutsche Runenkunde aufgrund der praxisnahen Schriften eines
amerikanischen Autors, des studierten Nordisten Edred Thorsson,
von diesem Futhark abrücken und sich wieder auf das ältere,
historisch verifizierbare Altgermanische Futhark mit seinen 24
Runen besinnen.
List wurde und wird als »Meister« verehrt. Mit Lanz verbindet ihn
die völkisch-mystische Gesinnung. Als er nach dem Ersten
Weltkrieg seinen Armanenorden gründet, wird Lanz bei ihm
Mitglied, wie auch er und viele seiner Anhänger Mitglied in dessen
Neutemplerorden sind.

186
Gott als »entaffte Minne«: Okkulter Rassismus
Das erste Kampfblatt der »Bewegung«, der Völkische Beobachter,
war aus der Tageszeitung Münchener Beobachter und Sportblatt
hervorgegangen, die sich im Besitz der neogermanischen Thule
Gesellschaft befand. Ein Zufall? Wohl kaum. Es gilt inzwischen als
gesichert, daß schon der junge Hitler in seiner Wiener Zeit nicht nur
das okkult überhöhte rassistische Hetzblatt des ehemaligen
Zisterziensermönchs Jörg Adolf Josef Lanz (von) Liebenfels (häufig
auch: Jörg Lanz-Liebenfels) las, nämlich die Ostara-Hefte aus dessen
Bibliothek der Blonden und Mannesrechtler, sondern auch in okkult-
bündisch organisierten Kreisen, darunter ab 1909 auch mit Lanz
selbst, verkehrte. Wiederum nur ein Zufall? Daim bezeichnet Lanz in
seinem gleichnamigen Werk als den »Mann, der Hitler die Ideen
gab«. Das mag stark übertrieben sein und auf einer Fehleinschätzung
der Breitenwirkung dieses Rassentheoretikers beruhen, aber ganz
von der Hand zu weisen ist es nicht. Schließlich war es immerhin
besagter Lanz Liebenfels gewesen, seines Zeichens Gründer und
Leiter des ariosophischen Ordo Novi Templi, der auch als erster
schon 1907 auf der österreichischen Burg Werfenstein die später
zum Symbol der NSDAP und des Deutschen Reichs gekürte
Hakenkreuzfahne gehißt hatte.
In seinem erstmals 1904 erschienenen Werk Theozoologie vertritt er
die These, daß die Erde einst von Göttern heimgesucht wurde, die
sich zerstritten und daraufhin in eine »weiße« und eine »schwarze«
Linie teilten. Als Folge davon gebe es auf der Erde nun zwei
verschiedene menschliche Gattungen: jene, die aus der Paarung der
»weißen Götter« mit der unentwickelten irdischen Urrasse
hervorgegangen seien; und jene anderen, die der Vermischung der
»schwarzen Götter« mit Tieren entsprungen sind. Zur ersten Gruppe
zählt er die Arier, zur zweiten Kategorie, den »Sodomsäfflingen«
oder »Tschandalen«, rechnet er die »Dunklen«: Juden, Neger,
Mongolen sowie andere »Makulaturrassen« oder »Sozusagen-
Menschen«. Das ganze wird mit einer eigenen Lehre von dem im
Okkultismus seit der Theosophie beliebten, für paranormale
Phänomene zuständigen »dritten Auge« und der feinstofflichen
Energie abgerundet, die in Teilen an Bulwer-Lyttons Vril- und
Reichenbachs Od-Konzept erinnert. Es bedarf eigentlich keiner
gesonderten Erwähnung, daß Lanz natürlich auf die Reinigung
(»Entaffung«) und Reinhaltung der arischen Herrenrasse abstellte,

187
der er auch sein ganzes Lebenswerk widmete. So war das Motto der
zweiten, in Fortsetzungsform erschienenen Ausgabe der
Theozoologie eine an seine spezifische Weltanschauung angepaßte
Übersetzung eines Zitats aus den Johannesbriefen: »Gott ist entaffte
Minne.«
Noch heute wird in einschlägigen Kreisen gern ein weiteres
Lieblingsthema des Lanz aufgegriffen: die Interpretation der
Kreuzigung Jesu als Versuch der Juden, die rassische »Kreuzung«
durchzusetzen. Hier entwickelt sich der Nazarener (oft, auf ein
Ulfilas-Zitat zurückgreifend, »Frauja« statt Jesus geheißen und damit
dem nordischen Gott »Pro« gleichgesetzt) zur ariosophischen
Lichtgestalt, die einzig für die Reinerhaltung der arischen Rasse
kämpfte und deshalb vom »Untermenschen« eliminiert wurde. Diese
seltsam erscheinende Ansicht war damals durchaus weit verbreitet.
Schließlich sollte sogar Hitler selbst in Mein Kampf völlig
unzweideutig formulieren: »Christus war ein Arier.«
Es liegt in der Logik dieser Argumentationslinie, daß man dem
»Sachsenschlächter« Karl dem Großen seinen Massenmord an der
heidnisch-germanischen Priesterschaft ebensowenig verzeiht, wie
man im Gegenzug gern behauptet, daß die wenigen arischen Weisen,
die diesem Inferno entkamen, Zuflucht ausgerechnet in den damals
unbehelligt gebliebenen Synagogen gesucht hätten - wo sie dann
prompt ihr altes Wissen einbrachten und es mosaisch kaschierten.
Daraus soll sich dann die demzufolge in Wirklichkeit alles andere als
authentisch-jüdische Kabbala, in ariosophischer Lesart »Gabala«,
entwickelt haben. Gern wird auch nach wie vor kolportiert, daß eine
bis dahin noch unveröffentlichte Schlüsselschrift des Lanz zu
ebendieser, natürlich deutschen »Gabala« nach dem Zweiten
Weltkrieg vom englischen Geheimdienst requiriert und für immer
aus dem Verkehr gezogen wurde.
Auch vor mancher kalauerhaft anmutenden Übung in »luna-tic
etymology« schreckt man nicht zurück. Da wird dann »ga-liläisch«
munter mit »gallisch«, also »keltisch-arischer Abstammung«,
gleichgesetzt; aus »Kristall« wird die noch bei einem
Nachkriegsautor wie Spiesberger zu findende Formel »Krist-All«
mit dementsprechenden mystisch-religiösen Spekulationen, usw.
Galiläa heißt diesen Theorien zufolge übrigens deshalb so, weil
dorthin einst arische Gallier ausgewandert seien - wo sie allerdings
»dem Einfluß der überwältigenden Fremde erlagen«, wie der
Armanen-Chef Adolf Schleipfer in seinem »Vorwort zur

188
Manuskript-Neuausgabe der TheoZoologie von Lanz von Liebenfels
durch und für den Armanen-Orden« schreibt.
Es versteht sich nun schon von selbst, daß diesen Lehren zufolge alle
Kultur und jede Zivilisation vom Norden ausgeht und daß man sogar
ernsthaft behauptet, die chinesischen Schriftzeichen seien von
nordischen Runen abgeleitet, die selbstverständlich, im Gegensatz zu
den Schätzungen der »verjudeten« akademischen Nordistik, gleich
um einige tausend Jahre älter gemacht werden. Oder man behauptet,
wie es Sebottendorf tut, daß die altägyptische und die chinesische
Kultur »in der Bilderschrift steckengeblieben« seien und den
gewaltigen Entwicklungssprung zur Alphabetschrift, wie ihn die
Runen vorgaben, nicht nachvollzogen. Die Rassentheorie eines Lanz
mag uns noch so abstrus erscheinen - in ihrem spekulativen Charak-
ter unterscheidet sie sich qualitativ jedoch nicht wesentlich von jener
der Theosophie oder von den Rassenlehren eines Gobi-neau oder
Pictet; sie reiht sich auch fugenlos neben die Entartungspolemiken
eines Max Nordau und die antisemitischen Ti-raden des
Rembrandtdeutschen, die man damals schließlich ebenfalls durchaus
ernst nahm und rege diskutierte.
Zudem war Lanz alles andere als ein intellektuell unterbelichteter
Eiferer. Neben seinen theologischen und geschichtlichen Studien
betätigte er sich als Erfinder und ließ sich ein automatisches
Eisenbahnblockiersystem und einen universellen Scheibenrad-
Propeller für Flugzeuge, Segel- und Unterseebote sowie
Windturbinen patentieren. Sein Antisemitismus läßt sich nur als
ziemlich zwiespältig bezeichnen. So ist beispielsweise bekannt, daß
er der Wiener jüdischen Gemeinde die Burg seines Ordens zur
Begehung des Laubhüttenfests zur Verfügung stellte. Darüber hinaus
zählte er zu den führenden Hebraisten seiner Zeit und gab zusammen
mit jüdischen Schriftgelehrten historisch-kritische Texte in der Reihe
Monumenta judaica heraus.
Auch war den Juden zumindest anfänglich der Zutritt zu seinem
Neutemplerorden nicht verwehrt. Dort vereinte Lanz solch
unterschiedliche Persönlichkeiten wie den steirischen Seher und
»Schreibknecht Gottes« Jakob Lorber und den von ihm als
»Arioheroiker« eingestuften Karl Kraus, obwohl dieser be-
kanntermaßen jüdischer Abstammung war. Man bemühte sich
durchaus erfolgreich um Prominenz: Zum Freundeskreis des ONT
zählte ein August Strindberg ebenso wie der britische Feldmarschall
und Kriegsminister des Jahres 1914, Herbert Lord Kitchener of

189
Khartoum; der Begründer Deutsch-Ostafrikas, Carl Peters, war mit
Lanz befreundet; reguläre Ordensmitglieder waren der Erfinder der
Postsparkasse, Dr. Alexander von Peetz, sowie Gustav Simon, der
das in ONT-Schriften als »ur-arisch« gefeierte Simonsbrot erfand;
und sogar Lenin soll dem Orden prinzipiell sehr gewogen gewesen
sein, ohne ihm jedoch eine politische Zukunft einzuräumen, sofern
man Liebenfels' Behauptungen Glauben schenken darf.
Es ist Carmin zwar durchaus darin zuzustimmen, daß man den
Einfluß des ONT auf die NS-Größen nicht überschätzen sollte;
ebensowenig ist die Guido-von-List-Gesellschaft in diesem
Zusammenhang über den Charakter einer bloßen Marginalie
hinausgelangt. Doch viele kleine Mosaiksteine ergeben schließlich
auch ein vollständiges Bild, wenn man sie nur zusammenfügt, und
Kräfte können sich summieren. Letztlich zeitigten diese beiden
Organisationen ihre Wirkung auf den Nationalsozialismus eher
mittelbar, nämlich auf dem Umweg über den Münchner Germanen-
Orden und die mit ihm verbundene Thule Gesellschaft des Rudolf
von Sebottendorf, auf den wir gleich noch zu sprechen kommen.
Wenn Hitler 1923 im Zirkus Krone verkündet: »Der Jude ist wohl
Rasse, aber kein Mensch«, und sich darüber ausläßt, daß er sogar ein
Abbild des Leibhaftigen sei, bekommt seine Formulierung vor
diesem Hintergrund jedenfalls unbestreitbar einen zusätzlichen
Unterton, der sich nicht so ohne weiteres um einer intellektuellen
Bequemlichkeit willen in die Kategorie »Rhetorik antisemitischer
Zweckpropaganda« abschieben läßt.
Die Frage, inwieweit Hitler, Himmler und auch Goebbels lediglich
einem Zweckantisemitismus frönten, weil dieser der Zeitstimmung
entsprach und seine Nutzung ihnen politisch opportun erschien, ist
schon viel diskutiert worden. Für die Opfer der Judenverfolgung
bleibt es zwar letztlich dasselbe, aber es ist durchaus verständlich
und legitim, wenn Historiker dieses Problem bis in seine zahllosen
Verästelungen hinein verfolgen.
Auch auf die Querverbindungen zu ariosophischen Lehren und
Bünden wurde bereits verschiedentlich hingewiesen. Man macht es
sich allerdings zu leicht, wenn man in bester abendländisch-
dualistischer Tradition nur das eine oder das andere gelten lassen
will. Zum einen war der Antisemitismus schon immer ein in sich
sehr widersprüchliches Phänomen. Er wurde ebenso von zahlreichen
Juden getragen und propagiert, wie es erklärte Antisemiten gab, die
abseits ihrer öffentlichen Eiferei beste persönliche Kontakte zu

190
jüdischen Bekannten und Freunden unterhielten. Auch machte man
innerhalb der jüdischen Gemeinschaft im Deutschland der Weimarer
Republik zum Teil scharfe Unterschiede zwischen alteingesessenen,
»deutschen« Juden, und jenen, meist chassidischen Glaubensgenos-
sen, die überwiegend zur Kaiserzeit aus Osteuropa eingewandert
waren. Da darf es eigentlich nicht verwundern, wenn es zu dem
vielzitierten, in der Literatur mal dem Wiener Bürgermeister Lueger,
mal Hermann Göring, mal sogar Hitler zugesprochenen Satz
kommen konnte: »Wer Jude ist, bestimme ich.«
Es ist unbestreitbar, daß die NS-Spitze sich die Entscheidung über
die praktische Handhabung der »Judenfrage« im Alltag vorbehielt.
Oft handelte sie einzelfallbezogen und willkürlich und folgte
keineswegs immer konsequent ihrer eigenen Propaganda, die
ohnehin in ihren Zuspitzungen in erster Linie - wie alle Propaganda -
nur für die Massen bestimmt war. So kam es eben auch zu jener
abstrusen Konstruktion, dem »Ehrenarier«, was aber noch lange
nicht beweist, daß es sich beim Antisemitismus der NS-Führung um
reine Heuchelei gehandelt haben muß. Ebensowenig greift natürlich
die umgekehrte Vereinfachung, derzufolge man sich Politiker wie
Hitler, Göring oder Goebbels als blindwütige, nur ihren nackten
Emotionen folgende Rassentriebtäter vorzustellen hat.
Dieser scheinbare Exkurs soll deutlich machen, daß sich auch die
okkultistischen Aspekte des Antisemitismus und der ihm
übergeordneten Rassenmystik nicht so ohne weiteres in ein
Schwarzweißschema pressen lassen. Dies um so mehr, als die
Grenze zwischen Materie und Geist für den Okkultisten ohnehin
fließend und keineswegs scharf umrissen ist. So war es ein Leichtes
und wurde nicht einmal als Widerspruch empfunden, einerseits einen
extremistischen biologischen Rassenmaterialismus zu verkünden, um
gleichzeitig je nach Bedarf zwischen »physischen« und »geistigen«
Ariern zu unterscheiden. Denn letztlich steht hinter jedem
metaphysischen Okkultismus als ultimative kosmische Erkenntnis
das Primat von der Illusion allen Seins: Alles ist am Ende Maya und
bleibt es auch. Das bedeutet zwar nicht unbedingt eine Abkehr von
jener Diesseitigkeit, die ja, wie wir gesehen haben, für den
Okkultismus so charakteristisch ist. Aber es relativiert doch häufig
genug die scharfen Konturierungen, mit denen die profane
Wirklichkeit in der Regel definiert wird. In der Dialektik der
Widersprüche, um die der Okkultist ebenso weiß wie der Materialist,
besetzt er nach eigenem Verständnis meist die Position des

191
»Beobachters aus kosmischer Warte«, der letztlich doch nicht von
dieser Welt sein will, auch wenn er in ihr lebt. So erscheinen seine
Gedankengänge dem unbeteiligten Betrachter oft als widersprüchlich
oder gar kraus und wirr - während der Okkultist darin nur einen
Ausdruck des Pragmatismus sieht. Hitler war nicht nur ein Eleve des
Thule-Freunds Dietrich Eckart, der ab 1921 den Völkischen
Beobachter leitete; er verkehrte nicht nur in bündisch organisierten
Okkultkreisen (darunter, wie wir noch sehen werden, auch bei der
Thule Gesellschaft selbst); er war außerdem selbst ein Vegetarier
und Antialkoholiker. Das muß zwar, isoliert betrachtet, noch nicht
viel bedeuten, obwohl es auch nicht gerade nahtlos zu dem Bild vom
skrupellosen, völkermordenden Teppichbeißer passen will, als der er
noch heute oft gesehen wird. Im Zusammenhang mit den bisher ge-
schilderten Fakten und Einzelheiten sollte uns diese Tatsache aber
doch zumindest stutzig machen.
Über den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer Elite
(und sei es nur einer vermeintlichen) und einer asketischen
Lebensweise ist schon viel geschrieben worden, und wir wollen es
hier nicht wiederholen. Es genüge der Hinweis, daß es in den
meisten religiös, metaphysisch oder eben auch okkultistisch
ausgerichteten Gemeinschaften stets die Führungsschicht ist, der die
ausgiebigsten Askesepraktiken abverlangt werden: Der zölibatäre
Priester der katholischen Kirche ist auch der Hir-te seiner Schäfchen;
der buddhistische Mönch Thailands steht in der religiös-sozialen
Hierarchie über dem Kaufmann; der geläuterte Swami Indiens, der
seiner Familie und den weltlichen Begierden entsagt hat, gilt, wenn
auch vielleicht nicht in der Theorie, so doch in der Praxis mehr als
der Haushälter. Auch den Tempelrittern, die zunächst die
militärische, dann auch die ökonomische Elite der abenländischen
Kreuzzugszeit stellten, war persönliche Besitzlosigkeit und
Keuschheit aufgetragen. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
Auch von den Mannen der SS wurde Entbehrungsbereitschaft
erwartet, und in heruntergebrochener, allgemeinverständlicher Form
hämmerte es die NS-Propaganda auch jedem wahren Deutschen,
nicht nur den Parteimitgliedern, ein: »Du bist nichts, dein Volk ist
alles.« Was lag da näher als ein Heros, der ebenfalls die Merkmale
des Entsagenden trug? Das ist ja nicht unbedingt mit »Leid«
gleichzusetzen, sondern kündet vielmehr von Durchhaltewillen und
Stärke. »Wer entsagen kann, wird dadurch stark« - ein uralter
Lehrsatz aller Klostertechnologien. Und auch ein Schuß

192
Weltfremdheit konnte sicher nicht schaden (»Wenn das der Führer
wüßte!«), solange sie sich nicht den Anschein der Schwäche gab.
Doch der Vegetarismus ist ein recht vielschichtiges Phänomen, das
sich nicht allein auf eine diätetische Gesundheitsregel reduzieren
läßt. Auch seine vielbemühte ethische Seite, derzu-folge es unrecht
ist, Tiere um des Essens willen zu töten, weil pflanzliche Nahrung
voll ausreicht, um das Überleben zu sichern, stellt schließlich nur
eine Facette von vielen dar. Zahlreiche esoterisch-mystische
Gruppen haben die Fleischlosigkeit gepredigt, auch schon in der
Antike: Ein herausragendes Beispiel dafür bieten die Pythagoräer,
die freilich in mancherlei Hinsicht stark asiatisch beeinflußte Züge
aufweisen. Und ein Teil der gnostischen Rebellion wandte sich, wie
wir schon früher gesehen haben, explizit gegen jede Absicht, die
Lebensdauer der Schöpfung durch Schonung des Lebens selbst auch
noch zu verlängern. Die Tatsache, daß dies ein Stück aktive
Auflehnung sein konnte, macht wiederum deutlich, wie weit
verbreitet die gegenteilige Auffassung gewesen sein muß.
Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß Hitler seinen Vegetarismus
und seine Alkoholabstinenz aus vordergründigen, pro-
pagandistischen Zwecken praktizierte. Hier ist nicht der Ort, um

193
ausführlicher über die seelischen Mechanismen der Selbstkasteiung
zu reflektieren; und man sollte auch nicht die Tatsache übersehen,
daß es viele Menschen gibt, die aus keinem erkennbaren Grund
einfach nur die Lust am Fleischverzehr verlieren. Daher kann jede
Aussage über die Hintergründe dieses wenig beachteten Aspekts
Hitlers nur Spekulation bleiben, solange kein gesichertes
Faktenmaterial vorliegt, das eine eindeutige Erklärung bietet.
Andererseits gibt es durchaus plausible Vermutungen, denen
nachzugehen lohnenswert erscheint.
Sehr häufig wird der Vegetarismus nämlich auch aus rein
technischen Gründen praktiziert, weil man der Fleischlosigkeit eine
reinigende, die Sinne verfeinernde Wirkung zuspricht. Somit kommt
ihm im Lebenskampf die Funktion eines »Wettbewerbsvorteils« zu.
Das lehrt der indische Yoga ebenso, wie es für viele magische
Operationen der hermetischen Tradition gilt. In dieser Hinsicht ist er
dem Fasten verwandt, wie es unter anderem auch im Christentum, im
Judentum und im Islam geübt wird. Das gleiche gilt für die
Enthaltung hinsichtlich Drogen wie Alkohol oder Nikotin. Es ist also
nicht völlig abwegig zu vermuten, daß Hitler mit diesem dem
Okkultismus entlehnten Mittel möglicherweise seine
Führerqualitäten erhöhen wollte.
Suster hat in seiner ansonsten mehr an die Spekulationen des
Autorengespanns Pauwels/Bergier angelehnten als auf eigenem
Quellenstudium fußenden Betrachtung immerhin auf einen Punkt
hingewiesen, der den späten Hitler der Kriegszeit betrifft und sein
von vielen Zeitzeugen als äußerst absonderlich empfundenes
Verhalten ein wenig aufhellt. Die Rede ist von Hitlers Neigung,
negative Frontmeldungen und Kriegsanalysen zu überhören, sie mit
untauglichen, banalen Vorschlägen abzutun oder ihren Vortrag gar
nicht erst zu dulden. Suster weist dabei auf eine interessante
Parallele zum Verhalten eines Zeremoni-almagiers hin, der auf einen
bestimmten magischen Effekt abstellt. Ein solcher wird sich nämlich
darum bemühen, in einem Ritual möglichst ausschließlich Symbole,
Bilder, Kraftgegenstände und Strukturelemente zu verwenden, die
seinem Anliegen förderlich scheinen. Gleichermaßen wird er
versuchen, alles von sich fernzuhalten, was seiner Trance oder der
Konzentration auf das gewünschte Ergebnis abträglich sein könnte.
Das bleibt übrigens nicht auf die eigentliche Zeremonie beschränkt,
sondern kann sich je nach Anliegen auch über Tage, ja sogar
Wochen und Monate hinziehen. Damit soll natürlich nicht

194
»bewiesen« werden, daß Hitler ein praktizierender Ritualmagier war,
wie wir ihn beispielsweise von der Golden Davon her kennen,
obwohl manch ein Kolportageautor dies fleißig behaupten mag. Und
möglicherweise bedürfte es auch gar keiner derart umständlichen
Erklärung, wenn das Psychogramm Hitlers nur eine Spur weniger
ambivalent wäre. Doch ist auch nicht völlig auszuschließen, daß
dieses Vorgehen des Gröfaz zu jenen Überlebenstechniken gehört,
wie man sie zuhauf im magischen Alltag des westlichen Magiers
vorfindet, der ja gerade nicht der puren Unvernunft huldigt, wie der
Rationalist es gern unterstellt, sondern vielmehr pragmatisch nach
allem greift, was nützlich erscheint, und sei es noch so unerklärlich.
Von Bismarck weiß man, daß er in Stunden der Sorge gelegentlich
die Einsamkeit aufsuchte und eine starke Eiche umarmte, wonach er
sich wieder erfrischt und von neuem Mut beseelt fühlte. Ein
Okkultist würde daraus nur zu gern schließen, daß der Eiserne
Kanzler wohl um die heilende Kraft der »Baumenergien« gewußt
haben muß (»und sei es unbewußt«, würde er vielleicht
vorsichtigerweise hinzufügen). Auch wenn es blanker Unfug wäre,
Bismarck deswegen zum Okkultisten zu stempeln, bleibt es dennoch
eine rituelle Handlung, wie sie der Psychologie und
Verhaltensforschung nicht unvertraut ist.
Im Zusammenhang mit den hier nur bruchstückhaft angerissenen
okkultistischen Bezügen, Querverbindungen, Verflechtungen und
Einflüssen darf man Susters Mutmaßung freilich eine gewisse
Plausibilität nicht absprechen. Und nur um eine solche kann es
gehen, solange sich die Geschichtswissenschaft mit ihren ungleich
umfangreicheren Forschungsmöglichkeiten nicht etwas nachhaltiger
dieses Themas annimmt.

Der Dunkelmann aus der Levante: Rudolf von Sebottendorf


Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Belege für die okkultistische
Durchdringung des nationalsozialistischen Alltags. Der
Hochmeister des mit der Thule eng verknüpften ariosophischen
Germanen-Ordens, Adam Rudolf Glauer alias Rudolf von Se-
bottendorf, veröffentlichte schon Ende 1933 in München seine
Dokumentation Bevor Hitler kam. Urkundliches aus der Frühzeit der
nationalsozialistischen Bewegung, in der er zwar etwas
schönfärberisch, aber im Kern doch viel zutreffender und genauer,

195
als bisher gemeinhin angenommen, die Rolle seiner Organisation als
Steigbügelhalter der NSDAP beschrieb. Zusammenfassend
formulierte er durchaus korrekt: »Thule-Leute waren es, zu denen
Hitler zuerst kam, und Thule-Leute waren es, die sich mit Hitler
zuerst verbanden!« (S. 8).
Die zweite Auflage des Werks (Anfang 1934) wurde sofort von der
Gestapo aus dem Verkehr gezogen. Sebottendorf, ein naturalisierter
türkischer Staatsbürger, wurde kurzzeitig inhaftiert, kehrte dann in
die Türkei zurück, wo er 1923-28 den Rang eines mexikanischen
Honorarkonsuls innegehalten hatte, um nun bis Kriegsende für die
deutsche Abwehr tätig zu sein.
Sebottendorf gehörte zu den schillerndsten Gestalten des an
extremen Charakteren nicht gerade armen deutschen Okkultismus.
1875 in Hoyerswerda geboren, studierte er Ingenieurwissenschaften
und betätigte sich beruflich in der Levante. 1909 wurde er in der
Türkei nach eigener Aussage von einem Baron Heinrich Sebotendorf
von der Rose adoptiert, 1911 nahm er die türkische
Staatsbürgerschaft an. Nachdem diese Adoption öffentlich
angefochten wurde, ließ er sich 1920 ein zweites Mal adoptieren,
diesmal vom letzten Glied der Familie der Sebot-tendorfs. Die
genaue Schreibweise seines Namens ist unklar: In verschiedenen
Werken aus seiner Feder wird er mal mit »f« geschrieben, mal mit

196
»ff«. Außerdem benutzte er nur gelegentlich den Namenszusatz »von
der Rose«.
Nachdem er mit großen Mitteln ungeklärter Herkunft vor Ausbruch
des Ersten Weltkriegs aus der Türkei nach Deutschland
zurückgekehrt war, trat er unter anderem als Finanzier des Panzer-
Erfinders F. W. Göbel in Erscheinung. Der »Tank«, wie der Erfinder
seine »rad- und gleislose Eisenbahn« nannte, wurde auf mehreren
Messen und Ausstellungen vorgeführt, von den Militärbehörden aber
zunächst abgelehnt.
Nach dem Ersten Weltkrieg fungierte Sebottendorf als Schriftleiter
sowohl für die Astrologische Rundschau im Theo-sophischen
Verlagshaus in Leipzig als auch für die Monatszeitschrift des
Germanen-Ordens, Die Runen. Er redigierte die Ordenszeitschrift
Ringende Jugend und den Münchener Beobachter. Sebottendorfs
Schwester Dora Kunze besaß übrigens noch Ende 1920 Anteile am
Völkischen Beobachter.
Sebottendorf sollte der Waffenbranche noch lange Zeit treu bleiben,
vor allem als Beschaffer. Nach dem Krieg organisierte er die
Arsenale verschiedener Freikorpsverbände (unter anderem für das
Freikorps Oberland, aus dem später die SA hervorging), und er war
auch an der Aushebung mehrerer Bürgerwehren innerhalb und
außerhalb Bayerns beteiligt. Sein bis heute vielgelesenes Werk Die
Praxis der alten türkischen Freimaurerei schildert ein System der
Lautmeditation in Kombination mit bestimmten Freimaurergriffen,
das auf türkischen Derwischpraktiken beruhen soll. Tatsächlich
erinnert es in vielen Punkten an die Buchstabenmystik des

197
Freimaurers Justinus Kerning und vor allem dessen Schülers Kolb,
die in eingeweihten Kreisen schon Mitte des 19. Jh. für Aufsehen
sorgte. Zudem war Sebottendorf der Verfasser von astrologischen
Ephemeriden und einer Geschichte der Astrologie, schrieb aber auch
über so astrologische Spezialthemen wie die Berechnung des Zeu-
gungshoroskops. Auch sein autobiographischer Roman Der
Talisman des Rosenkreuzers ist in diesem Zusammenhang von
Interesse. Man hat Sebottendorf verschiedentlich nicht ganz zu
Unrecht als einen »deutschen Aleister Crowley« bezeichnet, obwohl
sich seine Breitenwirkung eher auf die völkisch-nationalen Kreise
richtete. Wie Crowley machte auch er sich immer wieder zahllose
Feinde und war einer förmlichen Prozeßlawine ausgesetzt.
Nachdem es mit der Thule in Sebottendorfs Abwesenheit eine Weile
lang nur noch bergab gegangen ist und der Verein 1930 per
Registergerichtsbeschluß sogar aufgelöst wird, reaktiviert der »alte
Meister« die Organisation nach seiner Rückkehr im Jahre 1933. Am
31. Oktober, also schon ein dreiviertel Jahr nach Hitlers Machtantritt,
finden in den alten Räumen der Thu-le im Hotel »Vier Jahreszeiten«
zu München die Feierlichkeiten zur Wiederbelebung der
Gesellschaft statt - in Anwesenheit des Münchner
Oberbürgermeisters Fiehler und begleitet vom Orchester der
Beamtenabteilung der NSDAP. Am selben Tag nimmt auch ein
neues Organ der Thule Gesellschaft sein Erscheinen auf: der Thule-
Bote. Nachdem er seine Truppe wieder auf Vordermann gebracht
hat, gibt Sebottendorf erneut die Führung weiter, diesmal an den
Tondichter Franz Dannehl, der sich bereits 1919 als Mitglied des
Kampfbunds der Thule mit antisemitischen Flugblättern hervorgetan
hatte.
Als Theoretiker ist Sebottendorf kaum in Erscheinung getreten; das
meiste aus seiner Feder entstammt anderen Quellen. Seine Stärke lag
in der Organisationskraft, seinen hervorragenden Verbindungen und
den schier unbegrenzten Geldmitteln, die er für die ariosophische
Sache einsetzte. Er stellte Kontakte her, schuf Referenzmaterial,
dokumentierte und archivierte, kurzum: er war zugleich »Mädchen
für alles« und charismatische Führerpersönlichkeit. Es ist kaum
vorstellbar, daß er keinen oder allenfalls flüchtigen Kontakt zu Hitler
hatte, der ihn gerade in der Frühzeit der Bewegung gewiß nicht
schadlos hätte übergehen können. Schon die Formalitäten im
Zusammenhang der Übergabe des Münchener Beobachters an Adolf
Hitler selbst legen diesen Verdacht nahe.

198
Die SS wurde nach freimaurerischen Prinzipien aufgebaut, auch
wenn die Freimaurerei selbst vom Regime geächtet wurde. Darin
war sie keine Ausnahme. Selbst dort, wo man die Freimaurerei nicht
liebte, orientierte man sich doch immer wieder gern an ihren
Strukturen, teilweise auch an den Inhalten maurerischer Lehren, wie
wir bei unserer Betrachtung des 19. Jh. gesehen haben. Der für eine
Mitgliedschaft - übrigens nicht nur in der SS - erforderliche »arische
Nachweis« geht allerdings auf die Statuten des 1912 gegründeten
Germanen-Ordens zurück, dessen Mitglieder »Blutreinheit bis ins
dritte Glied« nachweisen mußten.
Völlig zu Recht nennt Höhne daher die SS den »Orden unter dem
Totenkopf«. Nicht zufällig wurden die Adolf-Hitler-Schulen der
NSDAP, in denen der Führungsnachwuchs der Partei ausgebildet
wurde, als »Ordensburgen« bezeichnet. Himmler sprach sogar selbst
ausdrücklich von seinem »soldatischen, nationalsozialistischen
Orden nordisch bestimmter Männer«, mit dem er nach (natürlich
gewonnenem) Krieg noch eine Menge vorhatte. So plante er die
Errichtung eines souveränen SS-Modellstaats »Burgund« nach
jesuitischem Vorbild: komplett mit eigener Armee und
Gesetzgebung, mit einem Münz- und Postwesen und - vor allem -
dem Zugriff der Partei gänzlich entzogen, die darin keinerlei Rechte
haben würde. Auch über die Geographie dieses Gebildes wußte er
schon detailliert Auskunft zu geben: Es sollte die französische
Schweiz, die Pikardie, die Champagne, die Franche-Comté, den
Hennegau und Luxemburg umfassen. In diesem Ordenssanktuarium
würde die SS endlich Gelegenheit haben, ihre Weltanschauung in die
Praxis umzusetzen und aller Welt vorzuführen.
Heinrich Himmler selbst befaßte sich gern mit Pendelkunde. Er ließ
sich regelmäßig von seinem Masseur, dem Medizinalrat Felix
Kersten, magnetisieren und versuchte auch schon mal, seine engsten
Gefolgsleute dafür einzuspannen, im Nebenraum stattfindende
Verhandlungen mit Hilfe von Konzentrationsübungen per
Übertragung von Gedankenkraft in seinem Sinne zu beeinflussen.
Himmler, der sich ganz nebenbei auch noch für eine Inkarnation
Heinrichs des Voglers hielt, ließ die Mitarbeiter seines eigens zu
diesem Zweck gegründeten und mit beinahe unbegrenzten Mitteln
ausgestatteten SS-Wissenschaftsamts Deutsches Ahnenerbe so
unterschiedlichen okkulten Themen wie den Gesetzen der
»Erberinnerung«, der Suche nach dem Gral in der französischen
Provence, der genauen Kartographierung altgermanischer Kultstätten

199
in den Nordländern, der angewandten Runenkunde und den
parapsychischen Kräften tibetanischer Lamas nachforschen.
Und das Projekt Lebensborn, mit dessen Hilfe die germanische
Rasse wieder systematisch »hochgezüchtet« werden sollte, stellte in
jeder Hinsicht und Betrachtungsweise nur den Versuch der
praktischen Umsetzung des eine Generation zuvor von Liebenfels in
seiner Theozoologie angedachten und in den Ostara-Hetien aufs
Niveau der Populärliteratur heruntergebrochenen Anliegens der
»Entaffung« des deutschen, »arischen« Bluts dar.
So betrachtet, hat das Konzept vom »Herrenmenschen« der
theosophischen Mythe von den Mahatmas und dem in Okkultkreisen
bis heute gängigen verklärten Bild vom Templerorden weitaus mehr
zu verdanken als einem Friedrich Nietzsche, der allenfalls - und das
auch noch unfreiwillig - die markig scheppernden Worthülsen dazu
geliefert hatte. Einer Zivilisation, die ihren eigenen lebendigen
Mythenschatz auf dem Altar des mathematisch-technischen Kalküls
opfert, bleibt es eben nicht erspart, daß sich die Widerstandskräfte in
der Verdrängung und Verbannung bündeln und zu völlig
unberechenbaren Ausbrü- chen neigen - nebenbei bemerkt übrigens
eine der Grundriten jeder Dämonenmagie.

200
Ein Okkultist wie der Literaturnobelpreisträger und spätere
Senatsabgeordnete William Butler Yeats sympathisierte eine Weile
mit den faschistischen Blauhemden seiner irischen Hei-mat, trug
sogar eine Zeitlang in der Öffentlichkeit ihre Uni- form. Doch schon
lange bevor es so etwas wie eine faschisti-sche oder
nationalsozialistische Bewegung gab, machte er sich ausgiebig
Gedanken über die Wiederbelebung der altirische Mythenwelt, die er
in Form einer künstlich zu schaffenden neuen »Volksreligion« zu
verwirklichen dachte. Yeats, der be-kanntlich schon Ende des 19. Jh.
der Theosophischen Gesell-schaft angehört hatte und später zur
Führungsriege der langsam verbleichenden Golden Dawn zählte, war
ein praktizierender Zeremonialmagier und wußte durchaus, was er da
tat.
In der Welt der Magie, das haben wir schon mehrfach auf-führt und
veranschaulicht, haben die Symbole eben eine eigene Wirkkraft, ob
man nun an sie glauben mag oder nicht. Bislang hat aber noch kein
konventioneller, akademischer NS-Forscher wirklich Stichhaltiges
zur Erklärung der Tatsache beigetragen, daß die NSDAP sich
ausgerechnet das Hakenkreuz zu ihrem allesbeherrschenden Symbol
auserkor. Gewiß, man weiß beizutragen, daß es sich dabei um ein
altes ariogermanisches Heilszeichen handelt, doch ist das ein wenig
kümmerlich, wenn man bedenkt, wie sorgfältig und strategisch
durchdacht ein Hit-ler bereits die Zukunft der Deutschen
Arbeiterpartei in Planung nahm.
Tut es wirklich nichts zur Sache, daß bereits die Theosophi-sche
Gesellschaft das altindische Symbol in ihrem Emblem verwendete
und es bis heute tut, wiewohl in gegenläufiger Form? Der Ordo Novi
Templi, dessen Gründer Lanz von Lie-benfels das Heilszeichen
wahrscheinlich von seinem Freund Guido von List übernahm, deutet
es heute als Erweiterung christlichen Kreuzes, die dessen Potenz »im
rassischen Sinn einer neuen Zeit vergrößern« sollte.
Auch die Verbindung zur Thule Gesellschaft liegt auf der Hand, und
es gibt keinen Grund, an Sebottendorfs Darstellung zu zweifeln,
wenn er über die Trauerfeier für die im Zusammenhang mit dem
Aufstand gegen die Räteregierung Eisners in München ermordeten
Ordensmitglieder schreibt:

»Das Rednerpult war mit einer erbeuteten


Kommunistenfahne bedeckt, an Stelle des
Hammers und der Sichel hatte eine

201
Schwesternhand das Hakenkreuz im weißen
Felde angebracht, das Hakenkreuz, das alle
Wände der Loge schmückte, für das die Thule-
Leute in den Tod gegangen waren.«
(Sebottendorf, Bevor Hitler kam, S. 166)

An anderer Stelle schreibt er ergänzend: »Unser Thule-Zeichen, das


germanische Hakenkreuz, übernahm Hitler in dieser Form als
Symbol der siegenden NSDAP.« (S. 190). Und auch das »Sieg
Heil!« der Nazis hatte möglicherweise tatsächlich, wie von
Sebottendorf behauptet, seine Urform im »Heil und Sieg!«-Gruß der
Thule-Leute.
Sebottendorf belegt seine Ausführungen sogar mit reichem
Bildmaterial: Werbeblätter des Germanen-Ordens (1918), ein
Exemplar seiner Zeitschrift Runen aus demselben Jahr, dazu zwei
Ausweiskarten der Thule Gesellschaft aus dem Jahr 1919 - allesamt
mit dem Hakenkreuzemblem versehen. Das außerdem abgebildetete
Blatt Allgemeine Ordens-Nachrichten des Germanen-Ordens,
Großloge (Nr. 15 vom »Julmond des Ein-bulwinters 1918/19«)
enthält sogar den Aufruf und das Programm der Deutsch-
Sozialistischen Partei (DSP) »An das Deutsche Volk!« (S. 204)
Diese DSP sollte schließlich mit der späteren NSDAP fusionieren.
Geht es noch deutlicher?
Es wird in esoterischen Kreisen noch heute viel darüber diskutiert,
welches die »richtige«, nämlich »weißmagische« Drehrichtung des
Hakenkreuzes sei und welches die »falsche, schwarzmagische«. Der
Okkultist ist es schließlich gewohnt, Symbole auf ihre verborgenen
Konnotationen und Wirkungsweisen abzuklopfen und daraus auf
entsprechende Zusammenhänge zu schließen. So nimmt es nicht
wunder, wenn im allgemeinen Konsens darüber herrscht, daß das
linksdrehende Sonnenrad der Nazis den dunklen, destruktiven
Mächten zuzuordnen sei. Daraus wird dann wiederum eine von
beiden Folgerungen entwickelt: Entweder zeigt das »böse«
Hakenkreuz an, daß die Nationalsozialisten von Anfang an mit den
Kräften der Finsternis im Bunde standen; oder es deutet auf ihr
mangelndes Wissen um diese verborgenen Zusammenhänge hin und
stellt somit eine Art metaphysischen Betriebsunfall dar, der logi-
scherweise ein schlimmes Ende nehmen mußte.
Solche esoterischen Dispute mögen den Außenstehenden zwar
amüsieren, doch scheint es nützlich, sie zumindest insoweit zu

202
beherzigen, als sie vielleicht Auskunft über die wirklichen
Hintergründe der Entscheidung zu diesem »Logo« der NS-
Bewegung geben könnten. Leider wird die Angelegenheit dadurch
kompliziert, daß sich diese Schematisierung bei genauerer
Betrachtung der Materie als haltlose Vereinfachung erweist -
nebenbei bemerkt ein Problem fast aller okkulten Korrespondenzen.
Denn die Swastika kennt dort, wo sie noch heute gebraucht wird,
nämlich im indisch-hinduistischen und im fernöstlich-buddhistischen
Kulturraum, keineswegs diese starre Unterscheidung in eine
»konstruktive« und eine »destruktive« Richtung. Das schließt
keineswegs aus, daß die Väter der nationalsozialistischen Bewegung
nicht in ganz ähnlichen Bahnen dachten, wie es die meisten
Okkultisten tun.
Doch in diesem Fall ist das eher unwahrscheinlich. Denn Se-
bottendorffs Interpretation (und er mußte ja wissen!) ist wesentlich
prosaischer, und sie steht ganz offen in Bevor Hitler kam (S. 240):
Das linksdrehende ist das aufsteigende, das rechtsdrehende das
absteigende Sonnenzeichen. Somit stellte die Nazi-Fassung nichts
anderes als ein germanisiertes Symbol der aufgehenden Sonne nach
Interpretation der Thule dar - und das bildliche Pendant zum
Parteislogan »Deutschland erwache!«.
Überhaupt die okkulten Symbole: Crowley, der neben dem Victory-
Zeichen auch den hochgereckten Daumen als Symbol der
Ermutigung erfunden haben will und eigens ein Gedicht darüber
verfaßte, zielte ferner darauf ab (so kündet jedenfalls die okkulte
Mär), mit Hilfe des durch Zeige- und Mittelfinger gebildeten
»Zeichens des Pan« die solare Macht der Swastika zu brechen. Zu
diesem Zweck ließ er im London der Blitzkriegszeit auf eigene
Kosten Bildpostkarten in Umlauf bringen, die ihn mit dem Victory-
Zeichen zeigten, das freilich erst durch Churchill seine bis heute
ungebrochene Berühmtheit (und Deutung) erhielt.
Es ist belegt, daß Adolf Hitler nach seiner Machtübernahme von
Crowleys deutscher Anhängerin Martha Küntzel, die in Leipzig die
Thelema-Verlagsgesellschaft besaß, das dort erschienene Buch des
Gesetzes in deutscher Sprache zugeschickt bekam. Davon weiß die
Hitler-Forschung zwar bisher noch nichts - aber wer macht sich auch
schon die Mühe, akribisch nachzuforschen, welche Glückwünsche,
Bittbriefe und Geschenke der Regierungs- und Staatschef einer
großen Industriemacht aus aller Welt im einzelnen erhält? Da
Küntzel sich nicht konkret zu einer Antwort des Führers äußert,

203
dürfen wir mit einiger Sicherheit annehmen, daß sie auch keine
erhalten hat, daß darüber hinaus das erbauliche Geschenk seinen
Empfänger wahrscheinlich nie persönlich erreichte.
Noch bis zum Kriegsausbruch entspann sich aus dieser Diskussion
ein reger Briefwechsel zwischen dem Großen Tier und seiner
treuesten Schülerin. Hatte der Meister nicht einst verkündet, daß das
erste Volk, welches das »Gesetz von Thelema« übernehme, sich die
ganze Welt Untertan machen würde? Und zeigte nicht gerade der
laizistische Führer des Nationalsozialismus mit seiner häufigen
Betonung der Macht des menschlichen Willens und seiner
unbeugsamen Haltung, daß er damit ernstzumachen gedachte? Man
kann es einer Okkultistin wie Küntzel nicht verdenken, wenn sie
daraus den Schluß zog, Hitler sei tatsächlich ihr »magisches Kind«.
Und vielleicht kommt die Vorstellung vom Führer als einer Art
ferngesteuerter Homunculus ja den historischen Tatsachen doch sehr
viel näher, als man sich bisher hat träumen lassen. Wir werden auf
diesen Aspekt an späterer Stelle noch zurückkommen.
Es ist zweifellos eine Bagatellisierung, wenn man die Nazi-Zeit, den
Zweiten Weltkrieg, den Judenmord und überhaupt sämtliche Übel
jener Zeit allein auf die finsteren Machenschaften einer ominösen
unsichtbaren »Schwarzen Loge« zurückführt, wie dies
beispielsweise die einflußreiche theosophische Schismatikerin und
Begründerin der »Arkanschule« Alice Bailey tut.
Daß der Okkultist jedoch danach strebt, alle Ereignisse in der
Begrifflichkeit seines jeweiligen Bezugssystems zu erklären und
faßbar zu machen, ist nicht sein Privileg allein. Man kann sich dieser
Deutung anschließen, man kann sie verwerfen oder achselzuckend
im Raum stehen lassen - es wird ihn kaum bekümmern und an der
subjektiven Richtigkeit seiner Aussagen nichts ändern. Doch selbst
wenn man die Ideologie des Nationalsozialismus noch so absurd und
aberwitzig finden mag, wird man mit dieser Pose allein noch keinen
wirkungsvollen Beitrag dazu leisten, ihr endgültig jenes Faszinosum
zu rauben, mit dem sie zweifellos operierte und das ihr, wie wir
gegenwärtig wieder sehen, in den Augen nicht weniger Zeitgenossen
immer noch eignet.
Von dem englischen Kulturkritiker Houston Chamberlain, dem
Schwiegersohn Richard Wagners, dessen Antisemitismus
bekanntlich maßgeblichen Einfluß auf den Rassismus der NSDAP,
insbesondere auf Rosenberg und wohl auch auf Hitler selbst ausübte,
ist belegt, daß er nach eigener Aussage »Dämonen schaute«, die ihn

204
zu immer weiteren Werken antrieben, welche er in einem
Trancezustand verfaßte - Werke, die er teilweise hinterher nicht
einmal mehr als die seinen wiedererkannte. Das mag man, isoliert
betrachtet, für eine bloße psychologische Anekdote ohne
tiefgreifende okkulten Bezüge halten. Dennoch sagt es einiges über
den Hintergrund aus, vor dem sich das okkulte Treiben abspielte.
Zudem darf man davon ausgehen, daß ein Okkultist derlei durchaus
wörtlich und für bare Münze nehmen und konsequenterweise ganz
andere Schlüsse daraus ziehen wird, als es der dem Okkultismus
fremde Historiker täte.
Daß Rudolf Heß der Golden Dawn angehörte, ist nicht gesichert und
eher unwahrscheinlich. Nicht, daß er ihr von seiner Weltanschauung
her nicht hätte angehören können, aber dergleichen wird ja von
vielen Schlüsselfiguren des Okkultismus um die Jahrhundertwende
kolportiert. Dabei wird freilich meist übersehen, daß dieser Orden
schon um 1902 seine Hoch-Zeit hinter sich hatte und seitdem nur
noch eine Schattenexistenz am Rande des bündischen Spektrums
fristete. Man unterstellt eine Mitgliedschaft im Golden Dawn
beispielsweise Gustav Meyrink ebenso wie Rudolf Steiner, und
wenn dies auch durchaus plausibel erscheinen mag, ist es doch in
den meisten Fällen schon aus chronologischen Gründen

205
unwahrscheinlich und eher im Reich des Wunschdenkens
anzusiedeln. Ohnehin
ist der angelsächsischen Golden-Dawn-Forschung bisher nichts von
einem deutschen Ableger dieses Ordens bekannt. Möglicherweise
beruhen viele dieser Gerüchte auch auf einer Verwechslung: Wie wir
gesehen haben, beriefen sich Mathers, Wescott und Woodman schon
bei der Gründung des Ordens auf eine, freilich gefälschte
Legitimation aus Deutschland.
Des weiteren gründete der Generalagent Karl Heinrich Loe-berich
unter dem Decknamen Dr. Erich Hein um 1905/06 einen
Freimaurerbund zur aufgehenden Sonne - eine ursprünglich als
Freidenkerbund gedachte Organisation, die sich schon bald zu einer
Reform-Freimaurerei entwickelte. Sie warb eifrig um die
Anerkennung der regulären Freimaurerei, wozu sie auch immer mehr
Abstriche an ihrer monistischen Weltanschauung machte. Als sie
jedoch ihr Ziel nicht erreichte, bildete sie schließlich ab 1930 die
Symbolische Großloge von Deutschland und legte ihren
ursprünglichen Namen damit ab. Es ist nicht auszuschließen, daß es
diese zeitweise intensiv mit Zeitungsanzeigen werbende und
seinerzeit vielbeachtete Verbindung war, die von vielen Autoren mit
der Golden Dawn verwechselten, zu der sie aber keinerlei Beziehung
hatte.
Zwar dürfte es einige Jahre nach ihrer Gründung tatsächlich
Kontakte der Golden Dawn nach Deutschland gegeben haben -so
soll beispielsweise eine Delegation des Ordens Rudolf Steiner
aufgesucht haben -, aber daraus nun zu schließen, daß Steiner
deshalb auch Vollmitglied gewesen sein müsse, ist zumindest sehr
gewagt. Anders verhält es sich dagegen mit Steiners Mitgliedschaft
im OTO: Sie wird zwar von anthroposophi-schen Autoren immer
wieder unterschlagen oder geleugnet, doch spricht alles dafür, daß er
ebenjene führende Stellung in dieser Organisation innehielt, die wir
im letzten Kapitel bereits geschildert haben. Inwieweit Steiner
freilich auch der Sexualmagie des OTO frönte, steht auf einem völlig
anderen Blatt. Es ist jedenfalls nicht zu bestreiten, daß er auf die
Entwicklung des Ordens kaum oder sogar keinen Einfluß genommen
hat.
Sebotendorf führt Rudolf Heß allerdings im Personen- und
Sachverzeichnis seines Bevor Hitler kam ausdrücklich als Thule-
Mitglied auf. Hitler dagegen weist er, ebenso wie dessen Mentor
Eckart, dem Arbeiterverein- und Parteigründer Anton Drexler sowie

206
Alfred Rosenberg nur den Status »Gast der Thu-le« zu. Es scheint
angebracht, seinen Ausführungen Glauben zu schenken, denn es gibt
keinen erkennbaren Grund, weshalb er ausgerechnet dem Führer-
Stellvertreter Rudolf Heß eine Mitgliedschaft hätte andichten sollen,
während er Hitler und die anderen davon ausnahm. Auffällig ist
allerdings auch, daß er Heinrich Himmler mit keinem Wort erwähnt.

Der Lama Moses Pinkeies


Eine der undurchsichtigsten Gestalten in der bewegten Geschichte
der frühen NSDAP war der »Berater« Hitlers und Ludendorffs, Ignaz
Trebitsch-Lincoln, der auch eine hervorgehobene Rolle beim Kapp-
Putsch spielte. Er führte eine ganze Batterie von Pseudonymen oder,
wenn man so will, Alternativna-men: Moses Pinkeies, Thimotheus
Lincoln, Ignaz Trebitsch und andere. Historiker erwähnen ihn meist
achselzuckend mit dem kurzen Zusatz »Abenteurer« und lassen ihn
weitgehend unbeachtet.
Tatsächlich konnte er, der Sohn eines Budapester Getreide-
großhändlers namens Nathan Trebitsch, eine sehr bewegte Karriere
aufweisen: Das Spektrum seiner Tätigkeiten reichte vorn
Schauspieler über den Pfarrer bis zum Ölspekulanten und Spion. Er
befand sich übrigens zur selben Zeit in den Vereinigten Staaten wie
Aleister Crowley und schrieb wie dieser antibritische
Propagandatexte für die deutsche Sache. Nur daß man ihn im
Gegensatz zu »Old Crow« nach England abschob, um ihm dort den
Prozeß wegen Hochverrats zu machen.
Wie Sebotendorf taucht er später im Zusammenhang mit
Waffenkäufen und konspirativen Operationen der nationalsozia-
listischen Bewegung auf, beim erwähnten Kapp-Putsch ist er es, der
dem eigens mit seinem Mentor Eckart aus München angereisten
Hitler als erster vom Scheitern des Unternehmens Meldung macht
und die beiden Mitstreiter dazu bewegt, sich sofort in Sicherheit zu
bringen und unverrichteter Dinge nach München zurückzukehren. Er
mußte es ja wissen - schließlich war er inzwischen zum
Pressesprecher der Regierung Kapp avanciert.
In unserem Kontext ist auch von Interesse, daß Trebitsch-Lincoln
sich gelegentlich für einen tibetischen Lama namens Djordi Den
ausgab. Nach der Machtübernahme wurde er, der
höchstwahrscheinlich Volljude war, unter Himmlers Ägide für die

207
SS-Führung tätig. Noch während des Kriegs organisierte er den
Kontakt zwischen der SS und einigen tibetanischen Klöstern, zu
denen auch mehrere Expeditionen stattfanden. Es wird auch
überliefert, daß er 1942 nach seiner Rückkehr aus Ostasien Heinrich
Himmler im Reichssicherheitshauptamt ein Medikament aus dem
Kloster Lai-Len überreichte, das für Dr. Morell, den Leibarzt Hitlers,
bestimmt war. Als er 1943 spurlos verschwand, hieß es nach einer
Version, er sei in Shanghai verstorben (sein Grab auf dem dortigen
europäischen Friedhof wurde nach Ende des Krieges vom
amerikanischen Geheimdienst geöffnet, doch es erwies sich als leer
...). Der Völkische Beobachter widmete ihm einen ehrenden Nachruf,
gab als Todesort allerdings Graz an.
Sicher gehört Trebitsch-Lincoln in jene Grauzone der okkulten Welt,
in der zwischen Geheimbund und Geheimdienst ebenso schwer zu
trennen ist wie in der profanen Welt zwischen Nachrichtenagentur
und Nachrichtendienst.
Es gab aber auch noch weitaus herausragendere okkulte Per-
sönlichkeiten, deren geheimdienstliche Tätigkeit teils hochgradig
plausibel scheint, teils sogar gut belegt ist: John Dee, Pa-pus, Reuß,
Sebottendorf, Crowley, Gurdjieff, Hubbard und andere. Dabei sollte
man allerdings berücksichtigen, daß das Geheimdienstwesen bis zum
Zweiten Weltkrieg nach heutigen Maßstäben noch in den
Kinderschuhen steckte. Die hier behandelte Epoche war unter
anderem auch die Zeit des »Gentleman-Spions«, da so gut wie jeder,
der über einen gewissen Bildungsgrad verfügte, viel reiste und
vielleicht noch die eine oder andere Fremdsprache beherrschte, zu
geheimdienstlicher Tätigkeit herangezogen werden konnte.

Der Astrologen-Krieg
Vielleicht war das astrologische Interesse eines Hitler oder Himmler
tatsächlich nur eine persönliche Marotte, wie vielfach behauptet,
möglicherweise auch reine Fiktion. Die englische Abwehr nahm die
Angelegenheit jedenfalls nicht auf die leichte Schulter. Wie Ellic
Howe, der damals in diesem Zusammenhang für die englische Seite
tätig war, berichtet, war man sich seiner Sache zwar keineswegs
sicher, wollte aber nichts versäumen, was den eigenen Zielen
förderlich sein konnte. Wenn die alliierten Rundfunksender im Krieg
mit der »Astrologiegläubigkeit« der NS-Führung auch immer wieder

208
ihr Thema fanden, scheint es doch unwahrscheinlich, daß man damit
nur auf die eigene Propaganda hereingefallen war.
Man wußte, oder glaubte zu wissen, daß Hitler sich einen eigenen
»Hofastrologen« hielt: den Schweizer Karl Ernst Krafft. Man wollte
gern wissen, was dieser dem Führer möglicherweise raten könnte,
und so engagierte man den ungarischen Astrologen Louis de Wohl,
der für den englischen Geheimdienst auf dem Wege der
Rekonstruktion und der Mutmaßung und getreu den handwerklichen
Regeln der Sternenkunst entsprechende Gutachten dazu verfassen
sollte.
Diese Herangehensweise erwies sich freilich als wenig fruchtbar,
und so konzentrierte man sich statt dessen schon bald auf
Propaganda mit okkultistischen Themen. So wurden gefälschte
astrologische Prognosen fabriziert, um, in Form von Handzetteln und
Pamphleten hinter den feindlichen Linien abgeworfen oder durch
Widerstandskämpfer ins Feindesland geschmuggelt, die Soldaten der
Wehrmacht zu demoralisieren. Dieses Vorgehen entsprach
ironischerweise sogar einer altehrwürdigen Tradition: Schon im
Alten Rom hatte man bekanntlich die Horoskope politischer Gegner
verfälscht, um ihnen die Anhänger abspenstig zu machen - auch dies
ein Grund, weshalb es lange Zeit bei Todesstrafe verboten war, das
Horoskop des Kaisers zu stellen. Und auch in der Reformationszeit
arbeiteten beide Seiten gern mit gefälschten Horoskopen ihrer Wi-
dersacher.
Die deutsche Seite hielt durchaus mit. Krafft, ein bedeutender
Nostradamus-Kenner, schaffte in Berlin nur für kurze Zeit den
erhofften Karrieresprung. Dann fiel er in Ungnade, wurde
drangsaliert, mehrfach verhaftet und so lange unter Druck gesetzt,
bis er sich dazu bereiterklärte, im Reichssicherheitshaupt-amt für die
deutsche Propaganda gefälschte Nostradamus-Pro-phezeiungen zu
texten. Er starb später auf dem Transport nach Buchenwald - manche
meinen, weil er zuviel wußte. Ein ähnliches Schicksal hatte schon
einige Jahre zuvor der Bühnenmagier und angebliche Hellseher
Hanussen erlitten, den man kurz nach dem Reichstagsbrand in einem
Waldstück bei Potsdam ermordet vorfand. Wie Carmin es treffend
formuliert: »Für Scharlatane war im Reich kein Platz: In den
Bereichen des Übersinnlichen und Magischen verstand man keinen
Spaß.« (Das schwarze Reich, S. 94)
Die englische Seite nutzte wiederum die ohnehin reichlich
mehrdeutigen Nostradamus-Centurien für ihre eigenen Zwecke. Und

209
wenn etwas nicht so recht passen wollte, wurde es eben
zurechtgebogen!
Howe, selbst einer der bedeutendsten Kenner des Okkultismus in
diesem Jahrhundert, aber ganz gewiß kein bekennender Okkultist,
bietet uns ein etwas ernüchterndes Bild von seiner Kriegstätigkeit:
Man operierte schließlich mit Fälschungen und hatte
dementsprechend alle Hände voll zu tun, das richtige Papier und dem
Original möglichst ähnliche Druckstöcke zu beschaffen, um
beispielsweise eine astrologische Zeitschrift wie die deutsche Zenith
nachzuahmen. Es wurden alle Register psychologischer
Kriegsführung gezogen - und das natürlich, wie immer, auf beiden
Seiten.
So höhnte der in deutschen Diensten stehende, unter dem
Spitznamen »Lord Haw-Haw« bekannte Ire Joyce in seinen an die
englischen Truppen gerichteten Ansprachen anläßlich des V1- und
V2-Beschusses während des Blitzkriegs, man solle doch den
notorischen Aleister Crowley ein magisches Schutzritual in
Westminster Abbey durchführen lassen - vielleicht würde das ja
gegen die Raketen helfen. Darüber hinaus wurde Churchill von der
Nazi-Propaganda immer wieder als Freimaurer (und damit, in der
Logik dieser Argumentation, als »Judenknecht«) diffamiert.
Der Astrologe Wilhelm Wulff, der im Spätsommer 1923 Hitlers
Horoskop gestellt und für den 8. oder 9. November verheerende
Ereignisse prognostiziert hatte, avancierte schließlich zum
astrologischen Berater der SS. Nach anfänglichem Argwohn hatte
das NS-Regime die Reichsastrologen weitgehend unbehelligt
gelassen und sie schließlich gleichgeschaltet. 1936 wurden sie sogar
als eigener Berufsstand quasi-gewerkschaftlich in die
Reichsarbeitsfront integriert. Erst nach dem verpatzten Heß-Flug
nach England bekamen auch sie die eiserne Faust der Diktatur zu
schmecken: 1943 wurde jede astrologische Tätigkeit verboten, die
Karteien der Astrologenvereinigungen wurden beschlagnahmt und
nicht wenige ihrer Mitglieder in Schutzhaft genommen oder in KZs
verbracht. Ebendiese Entwicklung war auch der Anlaß für das jähe
Ende der Karriere Kraffts.
Es ist unter Kennern der Materie international unumstritten, daß die
deutsche Astrologie der 20er und 30er Jahre die Ster-nenkunst auf
ein nie gekanntes und danach weltweit nie wieder erreichtes
intellektuelles Niveau getrieben hatte. Um 1930 gab es in
Deutschland 13 regelmäßig erscheinende astrologische Zeitschriften,

210
die offenbar auch ihre Käufer fanden. Aber so rege und anregend die
Astrologenszene auch sein mochte, so naiv war sie politisch. Schon
vor der Machtübernahme hatten viele Astrologen versucht, sich mit
botfertigen Deutungen der Horoskope von NS-Größen, eingebettet in
ein linientreues Vokabular, einzuschmeicheln - offensichtlich sogar
mit einigem Erfolg. Was man allerdings völlig verkannte, war die
Tatsache, daß die zweifellos vorhandenen persönlichen
Okkultinteressen besagter Bonzen sehr viel weiter gingen und von
ganz anderen Motiven getragen waren, als es sich die um redliche
Forschungsarbeit bemühte Sterndeuterzunft auszumalen vermochte:
Für sie war nämlich auch die Astrologie etwas Esoterisches und
demnach bestenfalls für eine kleine Elite bestimmt, sicher aber nichts
fürs gemeine Volk.
Wie manch anderer stand auch der deutsche Astrologe plötzlich
fassungslos auf den Zinnen seines Elfenbeinturms vor ebenjenen
Dämonen, die er teilweise heraufzubeschwören mitgeholfen hatte.
Der harten Alltagsrealität einer Diktatur, wie sie die Welt noch nie
gesehen hatte, war er kaum oder gar nicht gewachsen. Und für den
Profi, der nicht über ausreichend andere finanzielle Mittel verfügte,
stellte die anfängliche Aussicht auf ein Berufsverbot die völlige
Existenzgefährdung dar. Denn anders, als man es heute oft glaubt -
und auch handhabt -, ist die Astrologie, wird sie denn tatsächlich
gewissenhaft betneben, keine bloße Freizeitbeschäftigung - sie
erfordert volle Aufmerksamkeit und jahrelanges Studium wie jedes
andere Handwerk auch. So kam die Katastrophe zwar mit
Verspätung, dafür aber um so nachhaltiger.
Ähnlich erging es, wenn auch schon viel früher, den zahlreichen
völkisch-national gesinnten Gruppierungen, Logen und Bünden, die
einst die NSDAP nach Kräften gefördert und ihre Machtergreifung
lautstark bejubelt hatten: Nach 1933 war für okkultistische
Eigenbrödelei kein Platz mehr im Reich - was sich nicht anpaßte,
wurde rücksichtslos ausgemerzt.
Und das war so manches. Nach anfänglicher Euphorie über den
vermeintlichen Sieg ihrer Sache (»Adolf Hitler [...] hat geschaffen,
was wir erstrebten; wir sammelten, er führte ans Ziel«, schreibt
Sebottendorf in seiner Bevor Hitler kam vorangestellten Widmung)
mußten viele Völkische und Ariosophen die Feststellung machen,
daß die Partei und ihre Führer ihre okkulten Vorstellungen
rücksichtslos den Zwängen der Realpolitik opferten - oder daß ihre
Lehren tatsächlich, von oben oktroyiert, im wörtlichen Sinne wieder

211
»esoterisch« gemacht wurden, also fortan nur noch einem kleinen
Kreis von Auserwählten vorbehalten bleiben sollten. So hatten sie
zwar nicht gewettet - aber der eiserne Besen des Regimes fegte sie
gnadenlos beiseite. Später sollten sich viele, die das Tausendjährige
Reich überlebten, als »Widerstandskämpfer« ausgeben -was aus
ihrer Sicht übrigens nicht einmal gelogen war. Mit dem »Kämpfen«
war es bei den meisten zwar nicht weit her gewesen, aber es besteht
kein Zweifel daran, daß das, was Hitler und NSDAP aus »ihrem«
Deutschland und dem deutschen Volk machten, keine oder
bestenfalls nur eine sehr vordergründige Ähnlichkeit mit dem
aufwies, was sie sich von ihnen erhofft und wofür sie gearbeitet
hatten. Schließlich war ab 1935 sogar die Ariosophie selbst beim
Regime in Ungnade gefallen - jedenfalls offiziell; von der
Übernahme des ariosophischen Gedankenguts einer Thule
Gesellschaft durch DAP/NSDAP war nicht mehr die Rede, nicht
einmal ihr Beitrag des Hakenkreuzes wurde gewürdigt. Lanz von
Liebenfels wurde nach dem Anschluß 1938 mit Schreibverbot
belegt, Sebotendorf war im Exil, und was noch nicht anderweitig
entsorgt worden war, scharte sich im Amt Ahnenerbe um Heinrich
Himmler, von dem man nunmehr vermuten muß, daß er für einige
dieser gestrandeten Ariosophen wohl die letzte Zuflucht dargestellt
haben dürfte.
Außer den bereits erwähnten Orden gab es noch eine Vielzahl von
Eintagsfliegen oder Gruppierungen, die nach 1933/35 entweder nur
noch ein kurzes Schattendasein fristeten oder linientreu
umfunktioniert wurden und in der Bedeutungslosigkeit versanken.
Ihre Liste ist lang: Hammerbund, Deutschreligiöse Gemeinschaft,
Nordische Glaubensbewegung, Nordungen, Germanenring,
Nordisch-Arischer Blutsverband, Hermannssöhne, Eddavereinigung,
Bund der Quoten, Germanischer Rassebund, Völkischer Orden der
Teutonen, Bund deutscher Heiden ... Nicht jedes ihrer Mitglieder
hätte sich als Okkultisten bezeichnet, und doch zehrten sie allesamt
vom ariosophisch-okkultistischen Gedankengut, von dieser ganz
spezifischen Spielart einer völkisch-nationalen Theosophie.
Auch andere okkulte Organisationen wurden verboten, ihre Leiter
unter Arrest gestellt. Der Crowley-Finanzier und spätere -Nachfolger
als Chef des OTO, Karl Germer, wurde für zwei Jahre wegen seiner
»Kontakte zu dem international bekannten Freimaurer Aleister
Crowley« ins KZ verbracht, um nach der Freilassung in die USA zu
emigrieren. Gregor A. Gregorius (Eugen Grosche), seines Zeichens

212
ehemaliger Radikalsozialist der USPD sowie Gründer und
Oberhaupt der noch heute existenten Fraternitas Saturni, emigrierte
zunächst in die Schweiz und von dort nach Italien. Auf ein deutsches
Auslieferungsersuchen hin wurde er nach Deutschland abgeschoben,
wo er für ein Jahr in Schutzhaft kam. Danach wurde er, mit
Publikationsverbot belegt, aus der Haft entlassen und verhielt sich
bis Kriegsende unauffällig.
Wie über Nacht schien der ganze okkulte Spuk vorüber zu sein. Von
all den »barfüßigen Propheten« (U. Linse), die das Leben der 20er so
interessant gemacht hatten, war niemand mehr zu sehen: Alles war
entweder gleichgeschaltet, inhaftiert oder auf andere Weise mundtot
gemacht worden.
Die okkulten Wurzeln dieses hier fast im Telegrammstil skizzierten,
kaum überschaubaren Treibens sind, wie wir gesehen haben, nicht
einmal so schwer zu bestimmen, wenn man nur weiß, wonach man
Ausschau zu halten hat. Wir erwähnten bereits die Tatsache, daß die
Theosophische Gesellschaft mit der Blavatskyschen Lehre von den
»Wurzelrassen« sicher unfreiwillig die Weichen für die Entwicklung
des europäischen Rassismus völkisch-okkultistischer Prägung
gestellt hatte. »Unfreiwillig« deshalb, weil die Theosophische
Gesellschaft doch eigentlich ganz und gar unrassistisch und
völkerverbindend eingestellt war, was auch ihre starke Rezeption im
Indien des 19. Jh. beweist. Ihre Vertreter mochten zwar im Einzelfall
- darin ganz Kinder ihrer Zeit - dem kolonialen Dünkel verfallen, wie
es »Vertreter der Wahrheit« ja ohnehin meist tun, aber aktiv
diskriminierende Rassisten und Antisemiten waren sie als echte
Theosophen ganz bestimmt nicht.
Das schloß jedoch nicht aus, daß sich ein knappes halbes Jahrhundert
später eine Vielzahl von deutschen und österreichischen Theosophen
der Ariosophie zuwandten und dabei ungeniert auf theosophisches
Gedankengut zurückgriffen. Und was nicht originär theosophisch
war, beispielsweise das Konzept von »feinstofflichen Kräften« oder
Energien, wurde von ihnen zumeist durch den Filter der Theosophie
rezipiert und bediente sich ihrer Terminologie.
Auch das Führer-Prinzip der Mahatmas stellte keine theoso-phische
Erfindung dar, entsprach aber in hinreichendem Ausmaß dem
Geschmack und den Anliegen der Zeit, um aus dieser Quelle
übernommen und in der Schmiede ariosophischer Rassenmystik
weiterentwickelt zu werden - mit den bekannten Folgen.

213
Man kann sich natürlich auf den Standpunkt stellen, in alle-dem nur
rein ephemere Erscheinungen im politischen Alltag einer auf die
totale Diktatur abzielenden Bewegung zu sehen -genau das ist ja
auch seit mittlerweile einem halben Jahrhundert geltende
Lehrmeinung. Und man mag ferner die Auffassung vertreten, daß
der größte Teil der führenden Köpfe der NSDAP sich ursprünglich
nur aus Opportunitätsgründen mit der Schar völkisch-nationaler,
neogermanischer, runen- und rassenmystischer Gruppen und Bünde
verband. Das wäre schließlich nicht einmal unplausibel: Die
Tatsache, daß nach der Gleichschaltung alle diese Organisationen
verboten und ihre Leiter drangsaliert, teilweise auch inhaftiert und in
Konzentrationslager verbracht wurden, spricht eine unmißverständli-
che Sprache.
Dennoch basiert ein ganz beträchtlicher Teil der nationalso-
zialistischen Ideologie tatsächlich auf okkulten Grundsätzen und
Gedankengängen. Die dahinterstehenden Machtstrukturen sind
allerdings eingestandenermaßen derart komplex, daß es schon an
Scharlatanerie grenzte, sie hier auch nur in groben Zügen skizzieren
zu wollen.
Daher müssen wir an dieser Stelle noch viel nachhaltiger als sonst
auf die weiterführende Literatur im Anhang verweisen, wobei es vor
allem drei Werke sind, die in diesem Zusammenhang Erwähnung
verdient haben: erstens Ellic Howes englischsprachiger Bericht
Astrology and the Third Reich, in dem der ehemalige englische

214
Abwehrmann detailliert die Rolle astrologischer Propaganda im
Zweiten Weltkrieg schildert, zweitens die bisher ebenfalls leider nur
in englischer Sprache vorliegende Studie The Occult Roots of
Nazism des englischen Historikers Nicholas Goodrick-Clarke, die
eine minutiöse Auswertungdes historisch verifizierten
Quellenmaterials (Stand: ca. 1984) bietet, und schließlich drittens
das jüngst erschienene bahnbrechende Werk des NS-Forschers E. R.
Carmin, Das schwarze Reich, in dem der Autor nach
jahrzehntelangen Recherchen nicht nur eine aktualisierte Fassung
seines 1985 erschienenen Buchs »Guru Hitler« integriert hat,
sondern den ganzen Themenkomplex in einen sehr viel
umfassenderen Gesamtzusammenhang stellt und seine Thesen mit
einer alle bisherigen Untersuchungen in den Schatten stellenden
Materialsammlung untermauert. Hier allein wird das Thema übrigens
auch bis in die jüngste Vergangenheit weiterverfolgt.
Auch die akademische Geschichtsforschung des deutschsprachigen
Kulturraums scheint mittlerweile aufzuhorchen. Kein geringerer als
der Historiker Werner Maser hat in seinem 1994 erschienenen Werk
Der Sturm auf die Republik eingeräumt, daß die frühe NSDAP und
ihre Vorläufer, DSP und DAP, tatsächlich nicht nur lose, eher
zufällige Verknüpfungen mit dem Thule Orden aufwiesen, sondern
von diesem regelrecht ferngesteuert wurden. Das läßt auf eine
überfällige gründliche Aufarbeitung dieses so wichtigen und
aktuellen Themas hoffen, die an dieser Stelle zwar empfohlen, aber
nicht geleistet werden kann.
Es gäbe zum Thema Okkultismus und Politik noch vieles zu
bemerken, mancher Spur zu folgen. So beispielsweise dem Einfluß
des Illuminismus zunächst auf die europäische und später auch auf
die amerikanische Politik des 18. und 19. Jh. Auch der Frage nach
den Hintergründen der Verwendung mancher staatlicher Symbole
wäre nachzugehen: Woher kommt die außerordentlich weite
Verbreitung des fünfzackigen Sterns, der ja nur ein ausgefülltes
Pentagramm darstellt, als internationales staatliches Symbol? Wie
gelangte das Illuminatensiegel, nämlich das Auge in der
abgeschnittenen Pyramidenspitze, auf die amerikanische Dollarnote?
Was sind die okkultistischen Hintergründe der Skandale um die
Freimaurerloge »Propaganda 2«, die ja nicht nur Italien, sondern in
ihren Ausläufern sämtliche westlichen Demokratien erschütterten?
Wie sieht es um die Zusammenhänge zwischen dem Thule- und
Germanen-Orden und der mit vatikanischer Hilfe organisierten

215
Massenflucht von Nazi-Kriegsverbrechern nach Kriegsende aus?
Was ist dran an den Gerüchten, daß hinter der durch
Waffenschieberei und Geldwäsche reich gewordenen
Rosenkreuzersekte des Sonnentempels ganz andere Kreise standen,
die es möglicherweise auch veranlaßten, daß 1994 ein
»Massenselbstmord« inszeniert wurde, der in Wirklichkeit gar keiner
gewesen sein soll?
All dies werden wir hier nicht klären können, vieles dürfte sogar
niemals endgültig zu ermitteln sein. Denn in mancherlei Hinsicht
funktioniert das im okkultistischen Bereich immer wieder
thematisierte Prinzip des »Schweige!«, also der Geheimhaltung,
eben doch - in unserer informationsverwöhnten Epoche an sich
schon ein archaischer Anachronismus mit geradezu magischen
Zügen.

216
»Jetzt holt die Hex' den Schinder!«
Wicca, Neuheidentum und ähnliche Aufstände

Die Aufklärung hat das kirchliche Treiben der Inquisition, an dem


freilich sämtliche Bevölkerungsteile kräftig mitgewirkt hatten, als
wahnhafte Entgleisung der Vernunft abgetan. Das lange verwendete
Bild vom »finsteren Mittelalter« stammt noch aus dieser Zeit. Es war
zwar in dieser zugespitzten Form von Anfang an falsch und beruhte
zudem auf einer völlig ahistorischen Sicht der Verhältnisse, doch
selbst unter Okkultisten herrscht wenig Klarheit darüber, daß die
eigentliche Hexenverfolgung nicht etwa im Mittelalter, sondern
ausgerechnet in der Renaissance stattfand, zur Blütezeit des
Humanismus nämlich.
Im 19. Jh. wertet der Okkultismus im Zuge der weitverbreiteten
Aufklärungskritik die Verfolgung von Hexen und Hexerei etwas
anders. Um ein typisches Beispiel zu nehmen: Ein Autor wie der
deutsch und polnisch schreibende Literat Stanislaw Przybyszewski
vertritt in seinem Werk Die Synagoge Satans (1897) die These, daß
die Inquisition prinzipiell im Recht gewesen sei. Womit er allerdings
nicht etwa eine prokirchliche Position einnimmt sondern vielmehr
seinem Argument zur Geltung verhelfen will, daß es Hexerei
tatsächlich gibt. Er verkündet, daß es sich einst beim Hexenkult um
eine organisierte Gegenreligion handelte, die in Opposition zum
Christentum stand.
Der »schweflige« Przybyszewski, wie ihn der französische
Literaturwissenschaftler Mercier wegen seines ziemlich strapaziösen
Prosastils einmal nannte, mag mit seiner verspäteten Schützenhilfe
für die Henkersknechte der Inquisition vielleicht etwas übers Ziel
hinausgeschossen sein, aber er stand und steht mit seiner Meinung
keineswegs allein. Charles Godfrey Le-lands bahnbrechendes,
damals wie heute vielgelesenes Werk Aradia (1899), in dem der
britische Volkskundler, wenn auch stark romantisierend, einen
italienischen Hexenkult der »dianischen« Tradition schildert, tut auf
seine Weise nichts anderes, als diese fast gegenreformatorisch
anmutenden Thesen zu stützen. Gemeinsam ist beiden Autoren
übrigens, wie so vielen Okkultisten ihrer Zeit, die scharfe Ablehnung
der skeptisch-rationalistischen Weltanschauung.

217
Andererseits wird der szientistische Zwiespalt, dem sich auch ein so
fulminanter Zivilisationskritiker wie Przybyszewski nicht entziehen
kann, an der wohl von ihm erstmals in Umlauf gebrachten und später
immer wieder gern kolportierten genbiologischen These deutlich,
daß sich in dem traditionell okkultismusfreundlichen England nur
deshalb so viele Medien und paranormal begabte Menschen finden
ließen, weil die Inquisition auf den Inseln weniger heftig zu wüten
vermochte und daher auch weniger »Hexen-Erbmasse« hätte
ausmerzen können. Hier wird also implizit von einer Art »Hexen-
Gen« ausgegangen, das für Zauberei, Hellsichtigkeit und überhaupt
jeden Zugang zum Übersinnlichen verantwortlich zeichnet.
Auch wenn man sich im heutigen Okkultismus darüber einig ist, daß
es sich bei den meisten Opfern der Inquisition um völlig unschuldig
Verfolgte ohne jeden inneren Bezug zum Hexenwerk gehandelt
haben dürfte, bestreitet man naturgemäß doch nicht die prinzipielle
Instinktsicherheit ihrer kirchlichen Verfolger: Hexen gab und gibt es
durchaus. Das rechtfertigt zwar noch lange nicht ihre Verfolgung
und Ausrottung, zeigt aber, welcher Gefahr jeder praktizierende
Okkultist ausgesetzt ist. Worin die alljährlich wieder aufflackernde
Medienhysterie den Okkultisten ja paradoxerweise auch recht gibt.
Auch in den 20er Jahren unseres Jahrhunderts kursierten Theorien
über die Existenz eines womöglich seit der Jungstein-zeit in Europa
nachweisbaren, auf jeden Fall aber vorchristlichen »Hexenkults«.
Eine so charismatische Forscherin wie Margaret Murray fand mit
ihren einschlägigen Thesen (die ebenfalls von Przybyszewski bereits
1897 weitgehend vorweggenommen worden waren) sogar Eingang
in die geheiligten Buchdeckel der ehrwürdigen Encydopedia
Britannica des Jahres 1921.

218
Die wissenschaftliche Forschung ist von dieser Auffassung schon
bald wieder abgerückt, nicht jedoch der Okkultismus. Mit der
Abschaffung des Witchcraft Act, der bis Anfang der 50er Jahre jede
Betätigung als Hexe oder Hexer zumindest theoretisch immer noch
unter Todesstrafe stellte, entstand in England ein neuheidnischer
Hexenkult, der von dem ehemaligen Gummiplantagenbesitzer und
Zollbeamten Gerald Bros-seau Gardner (1884-1964) ins Leben
gerufen wurde.
Gardner war ein vorsichtiger Mann mit einer leichten Neigung zum
Flagellantismus. Bereits in den 40er Jahren veröffentlichte er in
romanhafter Form Schilderungen eines real existierenden Hexenkults
englischer Provenienz, zu dem er Zutritt erlangt zu haben vorgab.
Als derlei Treiben dann nicht mehr unter Strafe stand, sondern
schlimmstenfalls als »Wahndelikt« gewertet wurde, trat er 1954 mit
Witchcraft Today viel unverblümter ans Licht der Öffentlichkeit und
begründete damit eine Traditionslinie, die man gemeinhin die
Gardnerians nennt. Es versteht sich von selbst, daß auch er Murrays
Theorie vom durch die Jahrhunderte überlieferten Hexenkult vertrat
und für sich beanspruchte, die »Alte Religion« fortzuführen. Unter
der Bezeichnung Wicca setzte sich Gardners spezifischer Kult
schnell durch und kann sich nach wie vor lebhaften Zuspruchs
erfreuen.
In den 60er Jahren sollte er allerdings Konkurrenz durch den
medienbewußten Alex Sanders bekommen, der sich gemeinsam mit
seiner fotogenen Frau Maxine als »King of the wit-ches« einer regen
Publicity versicherte. Nach ihm benennen sich seitdem die
Alexandrians (auch im deutschsprachigen Hexenkult sind die diese
englischen Bezeichnungen üblich). Prinzipiell kennt man in der
heutigen Wicca- oder Hexenszene des angelsächsischen Kulturraums
vornehmlich diese beiden Hauptrichtungen, die allerdings noch
durch eine dritte, die sogenannten Hereditaries, ergänzt werden. Bei
diesen »Erbhexen«, die publizistisch meist nur als Kritiker der
anderen beiden, von ihnen als »Hexen-Parvenüs« gewerteten
Richtungen in Erscheinung treten, handelt es sich um Vertreter des
Kults, die ihrer jeweils eigenen alten Familientradition folgen oder
zumindest vorgeben, dies zu tun. Darüber hinaus gibt es noch eine
ganze Reihe kleinerer Hexenbewegungen, wobei das Spektrum der
Ausrichtungen von »nordisch« über »altsächsisch« bis
»feministisch« und »schwul« reicht.
Es gilt inzwischen als einigermaßen gesichert, daß Gardner die

219
Dienste des Grand Old Man des Okkultismus der Jahrhundertwende,
also Aleister Crowleys in Anspruch nahm, der ihm gegen Honorar
sein Ritualbrevier, das Buch der Schatten, schrieb. Crowley tat das
nur zu gern, hatte er sich doch bereits 1915 für die Einführung eines
neuen, möglichst naturnahen Fruchtbarkeitskults ausgesprochen, da
die Menschen der »hypothetischen Götter müde« seien. So trägt
denn Gardners Buch der Schatten deutlich Crowleys Handschrift;
sogar leicht modifizierte Passagen aus dem Buch des Gesetzes sind
darin zu finden.
Die Beteiligung des eklen Bösewichts Aleister Crowley an der
Neuinstallation ihres Kults wird freilich von seiten der Gardnerianer
gern und wortreich bestritten. Im Gegenzug wurde versucht, dem
jungen Aleister Crowley eine Bezie-
hung zu dem englischen »He-
xenmeister« Pickinghill nach-
zuweisen, der vor der Jahrhun-
dertwende im nördlichen England
eine kleine Schar von Anhängern um
sich geschart haben soll; was
wiederum von den Crowleyanern als
»völlig ungesichert und
unwahrscheinlich« verworfen wird.
Die eigentliche Lehre des Wicca- oder
Hexenkults ist recht schlicht gestrickt:
Es gibt eine Große Göttin und einen
Großen Gott, die über die Natur
herrschen und in allem präsent sind
und mit denen der Mensch in
Beziehung treten kann. Darüber
hinaus ist es ihm möglich, mittels der
Volksüberlieferung entlehnter
Praktiken zu allen erdenklichen
Zwecken zu zaubern: zu heilen, zu
schützen, zu befruchten, aber
natürlich auch zu schaden und zu
töten. Umgesetzt wird dies unter Verwendung von Ritualwerkzeugen
und anderen Paraphernalia sowie Ekstasetechniken, wie man sie
auch aus schamanischen Kulturen kennt.
Die meisten Wicca-Anhänger sind in sogenannten Covens
(»Konventen«) organisiert, die jeweils eine Hohepriesterin und einen

220
Hohepriester haben müssen. Es gibt keine zentrale Organisation und
auch in theologisch-ideologischen Fragen sind die Covens völlig
autonom. So stellt sich der Kult als loser Verbund mehr oder weniger
gleichgesinnter Gruppen dar, die meist fest verfugt sind und
Außenstehenden nur selten Zutritt gewähren.
Einig sind sich die meisten Covens in der Frage der acht Jahresfeste
oder »Sabbatte« (Solstitien, Äquinoktien usw.), die der Verehrung
der Götter dienen und bei denen man das gesellige Beisammensein
pflegt.
Wie es sich für einen (neu)heidnischen Fruchtbarkeitskult gehört,
gibt es im Wicca auch Sexualmagie: den sogenannten »Großen
Ritus«, bei dem sich Hohepriesterin und Hoherprie-ster
geschlechtlich vereinigen, was allerdings in vielen Covens nur
symbolisch stattfindet.
Die von manchen Autoren verbreiteten Zahlen über die angebliche
Anzahl aktiver Hexen sind nur mit größter Vorsicht zu genießen.
Dennoch gehört vieles, wenn nicht sogar das meiste, was heute unter
»Neuheidentum« läuft - und von den Kirchen immer noch mit
demselben Argwohn beobachtet wird, - wie schon vor 500 Jahren -
tatsächlich dem Hexen- oder Wicca-Kult oder seinen jeweils
aktuellen Varianten an.
Darüber hinaus gibt es noch die zahlenmäßig unbedeutenderen
Anhänger der nordisch-germanischen Religion, die man jedoch nicht
pauschal mit den ebenfalls ziemlich umtriebigen »völkisch«
gesinnten Aktivisten der politischen Okkult-Rechten gleichsetzen
darf. Immerhin ist in Island schon seit einigen Jahren auch der
wiederbelebte altnordische Kult des Asatrú als zweite Staatsreligion
anerkannt, ohne daß man diesem gleich eine nationalsozialistische
Ideologie unterstellt.
Sicher stellen die Neuheiden heute ein vor allem im angel-
sächsischen Raum nicht zu unterschätzendes Gegengewicht zur
amtskirchlichen christlichen Dominanz dar. Ihr ausgeprägtes
Selbstbewußtsein läßt sie auch politisch in Erscheinung treten, so
etwa in der Friedensbewegung der 70er und 80er Jahren mit der
Organisation PAN (Pagans against nukes - »Heiden gegen
Atomwaffen«). Sie mischen vor allem auf kommunaler Ebene in
mancher Gemeinde mit und unterhalten mehrere schlagkräftige
Kommunikationsnetzwerke, die sich auch zunehmend elektronischer
Medien (Mailbox, Datenübertragungsdienst) bedienen.

221
Das Bild von der Hexe als »Vorkämpferin der Frauenemanzipation«,
wie es gelegentlich vom Radikalfeminismus verbreitet wird, ist
sicher falsch und bagatellisiert letztlich nur das Grauen des
Hexenschindens im Dienste einer selbstgerechten Ideologie: Die
armen, eingeschüchterten Frauen, die der unbestritten männlich
dominierten Hexenverfolgung zum Opfer fielen, waren weder
Streiterinnen wider die gesellschaftlichen Verhältnisse und
Herrschaftsstrukturen ihrer Zeit noch die Erbinnen eines uralten
Matriarchats oder einer emanzipatorischen Gegenkultur.
Tatsächlich weist ein derartiges Hexenbild sehr bedenkliche,
übrigens nicht nur strukturale Ähnlichkeiten mit der national-
sozialistischen Ketzerromantik auf, wenn wir Borsts entsprechende
Ausführungen zur Katharer-Rezeption der 20er und 30er Jahre
einmal analog darauf übertragen (vgl. Die Katharer, S. 48f. u.
Anm.). So läßt es sich bei genauerer Analyse nur als prinzipiell
faschistoid bezeichnen, auch wenn seine Vertreterinnen dies in
durchaus ehrlich gemeinter Betroffenheit weit von sich weisen
mögen.

222
»Der postmoderne Satan«
Okkultismus heute

»Natürlich gibt es eine jenseitige Welt«, schreibt der amerikanische


Komiker und Filmregisseur Woody Allen. »Die Frage ist nur: Wie
weit ist sie von der Innenstadt entfernt und wie lange hat sie offen?«
Wen wundert es da noch, wenn in magischen Magazinen der
Gegenwart immer wieder über Techniken wirkungsvoller
Parkplatzzauber diskutiert wird?
Es ist eine kaum zu bestreitende Tatsache: Nirgendwo zeigt sich die
Richtigkeit des bösen Worts vom »Okkultismus als abendländische
Dauerform des Cargo-Kults« (Rolf England) deutlicher als in der
sogenannten Postmoderne. Der auch von Esoterikern vielkritisierte
»esoterische Einheitsbrei« läßt ein verstärktes Abgrenzungsbedürfnis
entstehen. Man ist nicht mehr so recht >unter sich<, und das rege
Interesse der Medien an Sensationen und Pikanterien tut ein Übriges,
um parallel zur zunehmenden Vermassung des Markts wieder alte
Abschottungsstrategien attraktiv erscheinen zu lassen.
Heute geht es den wenigsten Okkultisten, sofern sie sich als Magier
bezeichnen, um die Erkenntnis einer bereits vorgegebenen Wahrheit.
Vielmehr operieren sie nach dem Prinzip »Wahrheit ist, was dem
Menschen nützt«.
Freilich stellt die Riege der Magier nur eine sehr kleine Minderheit
innerhalb der esoterischen Welt dar. Ihr Einfluß ist jedoch größer, als
es selbst den meisten Esoterikern bewußt ist. Seitdem das allgemeine
Bewußtsein um die magischen Elemente im Denken der Neuzeit
immer mehr geschärft wird, schrauben auch die Vertreter anderer
Disziplinen ihre Berührungsängste zurück. Besonders deutlich wird
dies in der Psychologie, deren jüngster »Kassenmagnet«, das
Neurolinguisti-sche Programmieren (NLP), sich auf ein
zweibändiges Standardwerk mit dem bezeichnenden Titel Strukturen
der Magie stützt. Auch in der Psychotherapie bedient man sich
immer häufiger schamanischer und magischer Techniken - oder je-
denfalls dessen, was man dafür hält. Und das »Positive Denken«, ein
Schlagwort, das schon längst in jeder Volkshochschule und in jedem
besseren Wirtschaftsunternehmen salonfähig geworden ist, ist eine,
wenn auch aufs populärste Niveau heruntergebrochene, urmagische
Technik.

223
Einen Stammplatz hat sich inzwischen auch die Astrologie im
öffentlichen Bewußtsein gesichert. Sie konnte zwar das hohe Niveau,
das ihr die deutschen Astrologen der 20er und frühen 30er Jahre
verliehen, bisher nicht wieder erreichen, aber dafür ist sie fest
etabliert im Kulturgefüge unserer Zeit und läßt sich aus den
Tageszeitungen und Wochenillustrierten ebensowenig wegdenken
wie aus den Regalen der Buchhandlungen. So kann man also ohne
Einschränkungen behaupten, daß sie voll salonfähig geworden ist -
immer noch viel belächelt, aber nur noch selten angefeindet. Gewiß
umgibt sie nicht mehr der Nimbus des Geheimnisvollen, seitdem
sich auch die Statistiker ihrer angenommen haben. Aber gerade das
zeigt ja auch, daß sie nicht mehr jenes kümmerliche Schattendasein
im Abseits aller Beachtung fristet, das ihr noch im letzten
Jahrhundert beschieden war.
Und auch die Naturheilverfahren tätigen wieder zunehmend
Anleihen an den Erkenntnissen der alten, durch und durch magisch
geprägten Volksmedizin. Der alte Spiritismus lebt zwar noch in
einigen kleineren spiritualistischen Kirchen in der gleichen Form
weiter, wie er sie im 19. Jh. entwickelte. Doch das eigentliche
Rennen hat das Channeling gemacht: Es ist dieselbe Technik, aber
die Anliegen sind doch nicht mehr ganz dieselben. Nun steht nicht
mehr der Jenseitskontakt zu lieben Verstorbenen im Vordergrund des
Interesses, sondern der Zugang zu über- oder außerirdischem
Wissen, letzteres vor allem in der esoterisch orientierten UFOlogen-
Gemeinde. Dafür hat die Technik verstärkt Einzug in die
Jenseitserkundung gehalten: Vorträge über die Ergebnisse der
Tonbandstimmenforschung und fortgeschrittene
Videoaufnahmetechniken, mit denen Verstorbene hör- oder sogar
sichtbar gemacht werden sollen, finden überall ihr Publikum.
Die Kirlianfotografie beansprucht, mit Hilfe elektrischer
Hochspannungsfelder die menschliche Aura sichtbar zu machen, die
seit der Theosophie durch den Okkultismus des Abendlands geistert,
während man sich zugleich mit Disziplinen wie der chinesischen
Akupunktur befaßt, deren Konzept von der Chi-Kraft dem nach wie
vor ungebrochenen Interesse am Energiemodell sehr
entgegenkommt. Parallel dazu hat sich im Gefolge asiatischer
Kampfkünste auch das Tai Chi auf dem Markt etabliert, ebenso
natürlich der Yoga.
Gab es Anfang der 70er Jahre nur zwei, drei verschiedene
Tarotblätter auf dem Markt, geht ihre Zahl heute in die Hunderte.

224
Und es läßt schon aufhorchen, wenn ein Dozent der vatikanischen
Lateranuniversität im Theologenkreis laut darüber nachdenkt, warum
man das allgemeine, geradezu andächtige Interesse am Tarot, wie
man es heute auf italienischen Jahrmärkten beobachten könne, nicht
dazu nutzen sollte, um die Ohrenbeichte ein wenig attraktiver zu
gestalten. Des Teufels Gebetbuch nun auch im Dienste der Kirche?
Doch wen könnte in der Welt des Okkulten noch irgendetwas
erstaunen?
Von der >alten Garde< der Jahrhundertwende sind nicht mehr allzu
viele Organisationen übriggeblieben. Die Theosophische
Gesellschaft existiert nach wie vor, auch wenn sie publizistisch kaum
in Erscheinung tritt. Ihre große Zeit dürfte sie hinter sich haben, doch
ihr indirekter Einfluß bleibt ungebrochen.
Die Anthroposophie Rudolf Steiners hat sich einen festen Platz in
den Gesellschaften der industrialisierten Welt des Westens erobert -
ein Trend, der nicht zuletzt durch ihre Waldorfschulen und ihre
Präsenz am Markt der Naturprodukte (Lebensmittelsektor,
Reformhauswaren usw.) nachhaltig konsolidiert wurde.

225
Der Ordo Templi Orienüs arbeitet weiter, wenn auch noch immer
verschiedene Organisationen gleichen Namens um die Authentizität
konkurrieren. Am deutlichsten hat sich dabei die amerikanische
Linie des sogenannten »Caliphats«-OTO in Erscheinung gebracht,
die auch weltweit die höchste Mitgliederzahl aufweisen dürfte. Ihre
Authentizität wurde inzwischen durch mehrere Gerichtsurteile
bestätigt, und sie erhebt auch rechtlich untermauerten Anspruch auf
das Copyright der Werke Aleister Crowleys. Die Fratemitas Saturni
wurde zwar 1935 in Deutschland verboten, arbeitet aber seit ihrer
Reaktivierung nach dem Krieg trotz mancher Schismen und
Sturmperioden weiterhin an ihrem Großen Werk.
Die Golden Dawn hat in den USA eine Neugründung erfahren, doch
tritt sie bisher kaum an die Öffentlichkeit, so daß sich nicht viel
darüber sagen läßt.
Nach einer Flaute in den 50er und 60er Jahren war es vor allem die
britische Szene, die die Welt der Magie aufs neue belebte. Die
Wiederentdeckung Aleister Crowleys und Austin Osman Spares; die
verstärkte Beschäftigung mit der henochi-schen Magie des John Dee;
die Veröffentlichung des gesamten Golden-Dawn-Materials und die
Rückbesinnung auf einen pragmatischen, mehr an der praktischen
Umsetzbarkeit als der Reinheit des theoretischen Dogmas
interessierten Ansatzes haben die hermetische Zeremonialmagie und
ihre Nebendisziplinen breiteren Bevölkerungskreisen und neuen
Generationen nahegebracht. Sicher hat auch der Aufschwung des
Wicca-Kults in den 70ern eine Menge dazu beigetragen, das
Interesse an altem, verworfenem Wissen zu schärfen.
Rosenkreuzerorden gibt es nach wie vor zu Dutzenden, einige davon
stammen sogar noch aus den Anfangsjahren dieses Jahrhunderts, so
etwa AMORC und die Rosenkreuzer Gemeinschaft, bei anderen
handelt es sich um Neugründungen. Ähnliches gilt für die
verschiedenen Illuminaten- und Martinisten-bünde.
Die Alchemisten haben sich wieder in ihre Labors zurückgezogen
und bilden eine kleine, verschworene Gemeinde. Nachdem die
Alchemie durch den in Amerika ansässigen Frater Albertus und sein
Paracelsus Research College in den 70er Jahren vielen Interessierten
nahegebracht werden konnte, ist es nach seinem Tod doch recht still
um die Königliche Kunst geworden. Ausgestorben ist sie allerdings
nicht: Einschlägige Antiquariate und Reprintverlage haben eine treue
und zahlungskräftige Kundschaft, die nicht nur symbolische
Alchemie betreibt, sondern auch wieder praktisch »kocht«.

226
Die Vertreter der Radiästhesie lieben es nicht sonderlich, mit
Okkultisten in einen Topf geworfen zu werden, da sie ihre Disziplin
als eine echte, angewandte Naturwissenschaft verstanden wissen
wollen. Dennoch kann man sowohl ihre Literatur als auch das
erforderliche Zubehör (Wünschelruten, Pendel) meist nur über den
esoterischen Fachhandel beziehen.
Einen breiten Raum nehmen die östlichen Religionen und ihre
Praktiken ein. Meditation, Zen, tibetischer Buddhismus und
Taoismus haben seit den 60ern ihre feste Stammgemeinde.
Buddhistische Zentren finden sich in allen größeren Städten, und
wenn die Missionstätigkeit indischer Gruppen und Sekten seit den
80er Jahren auch stark nachgelassen hat, sind sie doch immer noch
präsent.
Wenig bekannt ist die Tatsache, daß der Begründer der immer
wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geratenden Scientology Kirche,
Lafayette Ron Hubbard, einst engste Kontakte zu Alei-ster Crowleys
OTO unterhielt (eine formelle Mitgliedschaft scheint nach neuesten
Forschungsergebnissen allerdings unwahrscheinlich). Hubbard
erklärte später dazu, daß er im Auftrag »gewisser Dienste« gehandelt
habe, die in den Vereinigten Staaten die »schwarze Magie« hätten
ausmerzen wollen. Wenn das stimmen sollte, ist es ihm jedenfalls
nicht gelungen. Eine umfassende, detaillierte Analyse eventueller
Einflüsse Crowleys und seiner Magie auf die Lehren und Praktiken
der Scientology steht noch aus, auch wenn es schon erste Ansätze
dazu gegeben hat.
Seit den 60er Jahren macht die First Church of Satan des früheren
Dompteurs Anton Szandor LaVey viel von sich reden. Sie ist noch
heute ein Lieblingskind der Medien, was nicht zuletzt an der
geschickten PR-Arbeit dieses Satanspriesters liegt. Er beruft sich in
seinen intellektuell ziemlich überschaubaren Schriften zwar immer
wieder auf Aleister Crowleys Gesetz von Thelema, doch gilt seine
Interpretation desselben in Crowleya-ner-Kreisen als apokryph.
In der Manson-Affäre um die Ermordung der Filmschauspielerin
Sharon Täte spielte auch eine gewisse Solar Lodge of the OTO eine
Rolle, was dem Ansehen des Ordens bis heute großen Schaden
zugefügt hat. Tatsächlich handelte es sich dabei jedoch um keine
reguläre Loge der Bruderschaft, sondern um eine ungenehmigte
Imitation. Was ihre Gegner allerdings nicht daran hindert, bei ihren
Anfeindungen immer wieder geflissentlich darüber hinwegzusehen.
Überhaupt wird viel Aufhebens um »Satanismus« und »Ju-

227
gendokkultismus« gemacht. Von okkultistischer Seite sieht man die
Verantwortung dafür fast ausschließlich bei den Kirchen, was aber
auch nicht immer stimmt. Vielen kirchlichen Sektenexperten ist
inzwischen durchaus klar, daß es sich dabei um ein weitgehend
>herbeipubliziertes< Phänomen handelt. Durch sensationalistische
Aufmachung in der Boulevardpresse wurden die wenigen echten
Einzelfälle solange zu einer ganzen »Bewegung« hochstilisiert, bis
diese daraufhin, den Gesetzen der selbsterfüllenden Prophezeiung
gehorchend, tatsächlich ansatzweise aufflackerte. Richtiger wäre es
allerdings, in diesem Zusammenhang von einer »Mode« zu sprechen.
Es wäre freilich nicht das erste Mal, daß der Okkultismus Positionen
seiner Gegner nicht nur für bare Münze nimmt, sondern sie in
praktisches Tun überführt. Derlei haben wir schon beim Hexenkult
beobachten können, ebenso bei der Sexualmagie und im
Neugnostizismus, ja sogar beim »formalen« Satanismus selbst.
Die aus dem England der 70er Jahre stammende Chaos-Magie
benutzt den Begriff »Gnosis« synonym mit »Trance«. Sie greift
damit auf die Wiederentdeckung des Schamanismus zurück, die etwa
zeitgleich mit ihrer eigenen Entstehung zu beobachten ist. Lange Zeit
galt sie als Avantgarde der zeitgenössischen Magie, da sie sich mit
systematischem Paradigmenwechsel, informationstheoretischen
Magiemodellen, Hightech-Orakeln, Computerzauberei und anderen
Bilderstürmereien befaßte. In ihrer organisierten Form (die allerdings
nur einen Bruchteil der aktiven Chaos-Magier unter ihrem Dach
vereinen konnte) trat sie international vor allem als Orden der
Illumina-ten von Thanateros (IOT) in Erscheinung. Anfang der 90er
Jahre mußte allerdings auch dieser Bund die Erfahrung machen, daß
selbst die vermeintlich lockerste Organisationsstruktur nicht vor
Rivalitäten und Schismen schützt. Im Zuge von Streitigkeiten
innerhalb der Ordensführung kam es zum Bruch, worauf die
Organisation fast 80 % ihrer Mitglieder und damit schließlich auch
ihre Trendsetter-Funktion einbüßte.
Da sie in der Regel weniger an Theorien interessiert sind als an ihrer
praktischen Umsetzung, stehen die Magier jedoch augenblicklich
wieder im Begriff, erneut zu Impulsgebern des Gesamtokkultismus
zu werden. Nachdem die Magie in den langen Jahren ihrer Ächtung -
auch und gerade durch andere »Geheimwissenschaftler« - dazu
gezwungen war, sich ihre Anregungen bei anderen Disziplinen zu
suchen, scheint sich inzwischen eine Trendwende abzuzeichnen, die
allerdings in Wirklichkeit nur ein »Zurück zu den Ursprüngen«

228
bedeutet. Denn schließlich ist es einst ja auch die Magie gewesen,
aus deren Schoß der Okkultismus entsprang.
Daß der Okkultismus dabei scheinbar neue, nie dagewesene Formen
entwickelt, war nur zu erwarten. Als Auffangbecken allen
Unbehagens an der jeweils vorherrschenden Kultur hat er das
schließlich schon immer getan. Gewiß, heute weicht gewissermaßen
die Neuromantik der Neuro-Mantik: Cyberspace, Multimedia,
Datenautobahn und Science Fiction sind mittlerweile die primären
Mythenspender unserer Epoche. Oder wie es ein Verlagslektor
einmal im branchenüblichen Jargon ausdrückte: »Esoterik wird jetzt
Mainstream.«
Das bedeutet im Klartext, daß sich der Okkultismus als »kulturelle
Ausnahmeerscheinung« für eine Weile wohl weitgehend überholt
haben dürfte. Nicht daß die Bevölkerung der Industrieländer heute
schon mehrheitlich »okkultistisch« dächte. Aber sie übernimmt
immer häufiger, oft auch völlig fraglos, Werte und Denkstrukturen,
die im okkulten Lager beheimatet sind. Letztlich handelt es sich
dabei nur um einen langfristig anzusetzenden
Normalisierungsprozeß: Mit zunehmender »Demokratisierung«
sozialethischer Entscheidungsprozesse, die noch vor kurzem fest in
der Hand entsprechender >Spezialisten< und ihrer gesellschaftlich
verfugten Vollstreckungsinstanzen (Kirche, Staat, Bildungswesen)
lagen, geht auch eine - oft nur reflexhafte - Rückbesinnung auf ältere
Volkstraditionen einher, die tatsächlich keiner künstlichen
Wiederbelebungsversuche bedürfen, weil sie nie wirklich
verlorengegangen sind. Denn Dornröschenschlaf und Tod sind eben
nicht dasselbe.
Zum Abschluß dieses Kapitels möchte der Verfasser noch darauf
hinweisen, daß viele der hier genannten Organisationen nach wie vor
größten Wert auf Diskretion legen. Manches erfährt der Forscher nur
vertraulich, wozu auch meist die Adressen der jeweiligen
Vereinigungen zählen. Er bittet deshalb ausdrücklich darum, von
diesbezüglichen Kontaktanfragen abzusehen. Auch steht er nicht für
die Weiterleitung solcher Anfragen an besagte Orden und Bünde zur
Verfügung.
Wer sich für Derartiges interessiert, sei statt dessen auf den
einschlägigen Buchhandel und die Fachpresse verwiesen, wo er
entsprechende Beratung erhalten und Erkundigungen einholen kann.

229
Schlußbemerkung
Es dürfte im Laufe unserer Betrachtung deutlich geworden sein, daß
es den Okkultismus schlechthin gar nicht wirklich gibt: Weder kann
das Ideal seiner Anhänger eine reale Grundlage für sich verbuchen,
noch jene Schimäre des Bösen und Verdummenden, die seine
Gegner schon immer in ihm sehen wollten.
Es liegt in der anarchischen Ambivalenz des Okkultismus selbst
begründet, daß er von jeder interessierten Partei für sich vereinnahmt
werden kann - oft zu seinem eigenen Schaden. Das aber hat er mit
der Religion gemein und ist ihm nicht allein anzulasten. Stets bleibt
dieser imperiale Zugriff freilich Stückwerk, muß er wesentliche
Bestandteile des Ganzen verwerfen oder übergehen. Doch ist er eben
auch deshalb möglich, weil die Zusammenhänge, denen er so
opportunistisch sein Material entreißt, nur lose geknüpft sind.
Die Frage nach dem Wesen der Wirklichkeit scheint den Menschen
schon zu beschäftigen, seit wir von ihm wissen. Wer das Phänomen
des Okkultismus tatsächlich begreifen will, darf freilich nicht auf die
Antworten hereinfallen, die dieser ihm darauf in Hülle und Fülle
wohlfeil darbietet. Denn seine eigentliche Stärke, der auch seine
Unverwüstlichkeit entspringt, liegt nicht in diesen Antworten
verborgen, die er immer wieder revidiert, umstülpt, wiederentdeckt
und aufs neue verwirft; nicht in den zahllosen Systemen und
Dogmen, die nur die Dokumente des Herantastens an ein womöglich
niemals aufzulösendes Rätsel darstellen. Nein, das Geheimnis seines
Faszinosums ist die Kinetik des unentwegten Fragens selbst. Daran
ändert auch die Tatsache nichts, daß selbst die Okkultisten dies kaum
jemals begriffen haben. Wie sollten sie denn auch: Die Nüchternheit
ist ihre Sache nicht.
Die Sphinx, die dem Menschen ihre Rätsel aufgibt, ist, das sollte nie
vergessen werden, ein Ungeheuer. Und Ungeheuerlichem wird auch
begegnen, wer sich nicht scheut, ihr fest ins Auge zu blicken.
Sapienti sat!

230
Anhang
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OTO Ordo Temph Pressedienst,
Im Text verwendete Onentis Hamburg: 3,84
Abkürzungen PAN Pagans Musee Conde,
AMORC Agamst Nukes Chantilly Umschlag
AntiquusMy-sticus (Heiden gegen Suddeutscher Verlag
Ordo Rosae Crucis Atomwaffen) Bilderdienst,
(Alter Mystischer SPR Society for München: 76, 77, 78,
Orden von Psy-chical Research 79
Rosenkreuz) SRIA Societas Zentralbibliothek
DAP Deutsche Rosicru ciana in Zürich: 8, 16, 22, 24,
Arbeiterpartei Anglia 39, 54, 60,82
DSP Deutsch- TG Die Rechte der nicht
Sozialistische Partei Theosophische aufgeführten Bilder
ES Esotenc Section Gesellschaft liegen beim Verlag
(der TG) USPD Unabhängige oder konnten nicht
HPB Helena So zialdemokratische ausfindig gemacht
Petrovna Blavatsky Partei Deutschlands werden
IAO laldabaoth
(Zauberformel für Bildnachweise
Jehova) Archiv des Autors: Personenregister
IOT Orden der 20,
AbbeBoullan 179 Barrett, William 249 Bö Ym Rä
Adorno, Theodor 158 Behrens, Alfred (Joseph Anton
10, 15 Agnppa von 52 Bergson, Henri Schneider-Franken)
Nettesheim 193 Bernadino von 215
(Henricus Cornelius Siena Bodm, Jean 98
Agnppa) 86ff, 89, 117 Bernhard von Brumlik, Micha 80
94, 132 Clairvaux, Bruno, Giordano
Allen, Woody 260 hl. 68,75 94,
Andreae, Johann Biedermann, Hans 96 Bulwer-Lytton,
Valentin 102-105 106, Edward
Apuleius 51 Arius 129 50, 160f, 165, 168,
58 Augustus 54 Bismarck, Otto von 180,219 Butler,
Avicenna 131 228 Blackwood, Samuel 101
Baco, Roger 94 Algernon Cabbell, James
Bailey, Alice 239 184 Blavatsky, Branch 192
Bardon, Franz 17, Helena Petro- Cagliostro (Guiseppe
60, vna 43, 160, 164f„ Balsamo) 43, 150f.
161,257 168-177, 180, 185, Carmm, E. R.

248
75,222, 251 Fox,John 96 Fox- 68 Haushofer, Karl
Casanova 43 Schwestern 165ff. 161 Heinrich der
Cäsar 18 Franz I. von Vogler 233
Chamberlam, Frankreich Heinrich VI. von
Houston Stewart 88 England 132
239 Frater Albertus Helmont, Johann
Churchill, Wmston 134,264 Frazer, Bapti
238 James George sta van 132 Heraklit
Court de Gebelm 113 Freud, Sigmund 48
41, 151 120, Heß, Rudolf 240ff.,
Crowley, Aleister 8, 156, 202ff.,206 246 Himmler,
43, 63,73,94,97, 133, Gardner, Gerald Heinrich
164, 187, 189-203, Brosseau 255f. 81f., 222, 233,
21 Off, 231,238, Geber (Jabir ibn 242ff.,
242, 245, 248, 256f„ Hayyan) 242 Hitler, Adolf 8,
263ff. 131 161,
Dannehl, Franz 232 Germer, Karl 248 218f, 222-229, 232f.,
Dee, John 86,93- Glauer, Adam 236, 238, 242ff.,
101, Rudolf (Freiherr von 247f. Hodgson,
132, 150,243,264 Sebot-tendorf) Richard 171,
Diokletian 126 164,218, 222, 228- 174
Doyle, Sir Arthur 232, 236f., Homer 48f. Howe,
Conan 241ff.,247f. Göbel, Elhc 106, 244f,
167 F. W. 230 Gönng, 250 Hubbard,
Drexler, Anton 240, Hermann 223 Lafayette Ron
242 Dudley, Robert Goebbels, Paul 243, 265
(Earl of Joseph Huxley, Aldous 201
Leicester) 94 222f. Huysmans, Joris-
Eckart, Dietrich Goethe, Johann Karl
224, Wolfgang 29, 100 182f.
242 Elisabeth I von Gönne, Maud 184 lamblichos 50
England Goodrick-Clarke, Innozenz III. 78
94, 97, 99 Nicho- Institons, Heinrich
Empedokles 46 las 250 Graf von St 117
England, Rolf 260 Germain James I. von England
Eschenbach, 43, 151 98
Wolfram Grant, Kenneth 209 Joachim I. von
von 79 Gregonus, Gregor A. Brandenburg 91
Farr, Florence 184 (Eugen Grosche) 41, Johannes von
Feuerbach, Ludwig 63, 133,201,248 Tntheim 181
16 Ficino, Marsilio Guaita, Stanislas de John, Augustus 182
94,132 Flammel, 179 Gurdjieff, Jonson, Ben 101
Nicolas 59, Georgij Iwano Judge, William Quan
132 Fludd, Robert witsch 8, 197, 168
104f., 210ff., 243 Gurney, Jung, CG. 22, 120,
132, 153 Edmund 173 134
Fokke, Simon 153 Haeckel, Ernst 16 Kant, Immanuel 83
Fortune, Dion Hanussen 245 Karäsek, Jifi 101
(Violet Hartmann, Franz 63 Karl der Große 220
MaryFirth) 193 Hassan ben Sabbah Kelley, Edward

249
(Edward 217f., Frederic 173
Talbot) 96ff 222, 235 Loeberich, Nietzsche, Friedrich
Kellner. Karl 63, Karl Heinrich 234
187f. Kepler, (Dr. Ench Hern) Nordau, Max 221
Johannes 95 241 Lorber, Jakob Nostradamus
Kernmg, Justinus 221 Lovecraft, H P. 16,245
231 Kersten, Felix 205 Lullus, Olcott, Henry Steel
233 Kieckhefer, Raimundus 127, 168, 173f. Ovid 51
Richard 132 Luther, Martin Fächer, Michael
122ff. Kiesewetter, 105 112 Papus (Gerard
Karl 119, Machen, Arthur Encausse)
136, 140, 144 184 Magnus, 148, 179,243
Kipling, Rudyard Albertus 126, Paracelsus
176 Kircher, 132 (Theophrast
Athanasius 41, Maier, Michael 104 Bombast von Hohen-
84,132, 143, 151 Mann, Thomas heim) 88ff„ 92f.,
Kitchener, Herbert 15,216 Marcion 77 104f., 131f, 153
Lord Marie Antomette Payen, Hugo von
222 155 Marlowe, 68 Peet, Alexander
KlemensV. 73f. Chnstopher von
Kmgge, Adolf 109 lOOf. Marquis de 222
Konstantin d. Große Puysegur Peladan,Josephin
68 Krafft, Karl Ernst 156 Marquise de 179f. Pessoa,
244, Montespan Fernando 192
246 (Francoise Athenais Peters, Carl 222
Kraus, Karl 222 de Petromus 51 Philip
Küntzel, Martha Rochechonart) V von Frankreich
238 Kunze, Dora 149f. 73ff.
230 Marx, Karl 16 Philostrat 50 Pico
Lanz (von) Marx, Tussi 199 della Mirandola
Liebenfels, Maser, Werner 251 94f, 132
Jörg Adolf Josef Mathers, Samuel Platon 46,57,94
217- Liddell Plimus der Altere
221,235,248 LaVey, »MacGregor« 8, 50 Plutarch 50
Szandor Anton 181, 183, 185ff., Poseidomos von
265 Leland, Charles 194,241 Maugham, Apamea
Godfrey William 46 Przybyszewski,
254 Somerset 192 Stanislaw
Lemkos, Diederich Maximilian I. von 253f.
122 Lenin, Wladimir Osterreich 88 Ptolemaios 51
Iljitsch Mesmer, Franz Pynchon, Thomas
222 Anton 110
LeoX. 88 Levi, 17, 149, 151, 153- Quintscher, Wilhelm
Eliphas (Alphonse 159 Meynnk, Gustav »Rah-Omir« 161
Louis Constant) 8, 66, 93, Rabelais, Fran9ois
42, 50, 73, 146, 160f, 101, 188,240 Molay, 88,
164, 168, 179, 183, Jacques de 73 200
186 Murray, Margaret Rahn, Otto 81
Lewis, Spencer 134 255f. Mussolini, Randolph, Paschal
List, Guido von Benito 200 Myers, Beverly 63, 164,

250
188 Reich, Wilhelm heim 132 Tweed,
162 Reichenbach, Cyrus Reed 185
Karl Valentmus, Basilius
Freiherr von 17, 132
159 Reuß, Theodor Vergil 51
198t., Vilhers de l'Isle
243 Adam
Rosenberg, Alfred 178 Voltaire
242 Rudolf II. von (Fran9Ois-Mane
Habsburg Arouet) 109
94, 97, 104 Russell, Wagner, Richard
»AE« 184 239 Waite, Arthur
Sanders, Alex 256 Edward
Schleipfer, Adolf 184
220 Schwob, Marcel Weishaupt, Adam
192 Sebottendorf, 109 Weißmann,
Rudolf v. s. Karlheinz
Glauer, Adam 217 Westcott, Wynn
Rudolf Sellon, 181,
Edward 63 Senior, 186,241
John 21,24 Wheatly, Dennis
Shakespeare, 192 Wilde, Oscar
William 184 Wilson, Colm
101 213 Wilson, Robert
Sidgwick, Henry Anton
173 Simon, Gustav 20, 110
222 Spare, Austin Wohl, Louis de 244
Osman 6, Wulff, Wilhelm
203-210,264 246
Spiesberger, Karl Yeats, William
220 Sprenger, Jacob Butler 38, 182,235
117 Steiner, Rudolf
160,
199, 240f, 262f.
Stnndberg, August
222 Sueton 54
Suster, Gerald 227
Sylvester II., Papst
74 Symonds, John
209
Täte, Sharon 265
Thälmann, Ernst
202
Thorsson, Edred
218 Trebitsch-
Lmcoln, Ignaz
(Lama Moses Pmke-
les) 242f.
Tnthemius von
Spon-

251

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