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Gegenwärtiger Zustand
d e r –

T ü r k e il,
besonders

Constantinopels,
in topographischer, moralischer, religiöser, poli
tischer und merkantilischer Hinsicht.
- „N a ch -

--

Ka r ls P. e r t u fi e rºs
französischen Artillerie-Offiziers und Gesandtschaftsangestellten
bei der hohen Pforte

Spaziergängen in Constantinopel und an


den Ufern des Bosphorus, -_

--- üb er fetzt
W) 0 U

Dr. B. e r g k.
Mit 12 Kupfern und dem Plane von
Constantinopel.
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Vorrede des uebersetzers.

Das türkische Reich zieht jetzt wegen des Kampfs


zwischen den Griechen und Türken die öffent
liche Aufmerksamkeit auf eine Art auf sich, daß je
der Beitrag zur gründlichen und richtigen Kenntniß
von Ländern und Völkern willkommen feyn muß,
die wir immer noch so wenig kennen. Man weiß
nicht, wie viel das türkische Reich Einwohner hat;
die Einen geben ihm 16, die Andern 25 Millionen,
allein alle diese Angaben find höchst unsicher, da es
an genauen Datis hierzu fehlt. Nach den Einen
hat die europäische Türkei - 8, nach den Andern
11 Millionen Einwohner und die Anzahl der Be
wohner von Constantinopel wird eben so ver
schieden angegeben. Die Einen schätzen sie auf 3
bis 400.000, der General Andreoffy berechnet
- IV - -

sie für 1815 auf 597,600, wobei der Brodver


brauch zum Grunde liegt. Noch unsicherer sind die
Angaben von den Staatseinkünften, der Stärke der
Armee und mehrern andern auf die Staatsregierung
sich beziehenden Gegenständen.
Der Verfasser des Werks, das wir hier lie
fern, Herr Pertusier, befand sich mit dem fran
zösischen Botschafter, dem General Andreof fy, zu
Constantinopel; wahrscheinlich geschah dies von
1812 – 1815. Er beobachtet ziemlich richtig, ur
theilt unpartheiisch und schildert Menschen und Dinge
so, wie sie ihrer Natur nach sind. Seine Schreib
art ist bisweilen sehr verwickelt und geblümelt und
wir haben seinen Vortrag öfters abgekürzt. Er giebt
die Eindrücke wieder, wie sie ein Geist aufnahm
und ein Buch liefert ein sehr sprechendes und lehr
reiches Gemälde von Constantinopel, und da
dieses der Sitz des Reichs und der Mittelpunkt aller
Macht und Größe ist, so entwirft er auch von der
Regierung, dem Heere, den Finanzen und den
- Hauptnationen des türkischen Reichs eine anschauliche
und der Wahrheit gemäße Schilderung. Sein Buch
führt den Titel: Promenades pittoresques dans
-

– v –
-

Constantinople et sur les rives du Bosphore, sui


vies d'une notice sur la Dalmatie, par Charles
Pertusier, Officier au Corps royal de l'Artille
rie, attaché à l'Ambassade de France pres la
Porte Ottomane, Paris 1815. Tom. I. XVI.458.
Tom. II.467. Tom. III.476. - -

Wenn der Verfaffer von seinen Spaziergängen


des Abends zurück kam, so schrieb er sogleich auf
das Papier nieder, was er in Gegenwart der Ge
genstände in seine Schreibetafel eingetragen hatte:
er sagte, was seine Augen kurz zuvor gesehen hat
ten und überließ sich oft der Lebhaftigkeit seiner Eins -
bildungskraft, welche so viele neue und ungewöhn
liche Eindrücke in Bewegung gesetzt hatten. Er
schildert daher die Sitten , Gebräuche und Einrich
tungen mit der größten Anschaulichkeit und prägt dem
Leser ein Bild ein, das diesen eben so sehr erfreuet,
als es ihn belehrt. Der Verfasser, der auch neuerlich
ein Werk über die Befestigungskunst herausgegeben
hat, das auch im vorigen Jahre ins Teutsche über
fetzt worden ist, giebt obiges Werk bloß für einen
Vorläufer eines ausführlichern Werkes über die Ge
genstände aus, welche in den Spaziergängen abge
- vºr –

handelt worden sind. Sein ganzes Streben ging


dahin, die moralische und physische Physiognomie
des Landes richtig aufzufaffen und alles der Wahr
heit getreu darzustellen.
Des Verfaffers Beschreibung von Constan
tinopel ist zwar nicht das neueste Werk, indem
der Herr von Hammer später über diesen Gegen
fand geschrieben hat, allein er ist der neueste Rei

fende, der in Constantinopel gelebt und ein


ausführliches Gemälde von dieser Weltstadt gelie
fert hat. „Trotz dervielen Nachrichten vom osmani
fchen Reiche,“ sagt Herr Pertusier, „glaube
man ja nicht, daß der Gegenstand erschöpft fey.
Es gibt noch Gegenstände zu behandeln, die ganz
neu sind, oder von denen wir bloß Bruchstücke oder
ganzfalscheVorstellungen besitzen, z.B.die Geschichte,
die Politik, die Gesetzgebung und die Staatswirth
fchaftslehre.“ - -

Leipzig, den 2. Mai 1822.


Kupfer, Hinweisungen und Erklärungen.
-

1) Der Plan von Constantinopel kommtzu S.4.


2) Erleuchtung der Mofchee Valide" (Peni
Djami) S. 83. bei Gelegenheit einer Feierlichkeit fin
det diese Erleuchtung fatt. - - -
3) Pforte und Fontaine des Serails S. 125.
4) Der Hippodrom oder Rennplatz S. 130.
5) Die Moschee des Sultans Achmet S. 135.
6) Eine antike Cisterne oder die Cift erne mit
taufend Säulen S. 436.
7) Solimanie oder Moschee Solimans S.314.
8) Thurm von Galata S. 385. --

9) Der Perlenkiosk oder Indgirly - Kieufchk.


Kiosks find Lufthäuser, die von allen Seiten offen,
wider das Wetter von oben durch ein weitvorragendes
Dach geschützt sind und sich durch die Leichtigkeit ihrer
Bauart auszeichnen. Der Perlenkiosk, wo der Sulz
tan oft nach Tische Kaffee trinkt, Taback raucht und
Mittagsruhe hält, hat eine herrliche und sehr weite Aus
ficht und steht auf der Mauer des Serails. Man hat
die Aussicht aufs Meer, auf die Ufer des Bosphorus
- und die blühenden Luftwäldchen des Serails. Unter
demselben ist ein Weihbrunnen (Ajasma), der bei den
Griechen in hoher Verehrung steht und defen Waffer
fie am Fuße des Kiosk kaufen. Seine Bauart ist sehr
sonderbar und er steht über Einem der alten Thore von
Constantinopel.
10) Die Moschee zu Scutari, liegtauf einer Anhöhe
und man kann oben aufderselben auf einen Blick Con
stantinopel, besonders die Gärten des Serails
--- - -- -
– vIII –
übersehen. Ihr Minarett ist sehr hoch und von einer
kühnen Bauart. Scutari hatzwölf Moscheen und der -

Minaret der hier abgebildeten Moschee soll bei gro


- , Ben Winden sehr schwanken. - -

44) Türkisches Lufthaus. Die Türken wählen


oft sehr anmutige Oerter zu ihren Lufthäusern, wo
sich die Frauenzimmer aufhalten und alles sehen kön
nen, was vorbeigeht, ohne seltfit gesehen zu werden.
42) Grabmahl des Sultans Soliman. Es
liegt in dem Garten der Moschee Solima nie
(s. oben S. 314) und ist in einem angenehmen Ge
schmack. Es ist achteckig und von einer Galerie unge
- ºben, die auf 15 kleinen Säulen von Marmorruht, die
ein bedecktes Perifyl bilden. DieKuppel ist von einem
kleinern Durchmesser als jener des Gebäudes und ruht
auf acht andern Säulen von grünem Serpentinstein,
welche aufihren Fußgestellen von weißem Marmor ste
- hen. In der Mitte befindet sich dasGrab des Sultans
- und das seines Sohnes, die andere Kuppel, welche man
durch die Bäume erblickt, istjene desGrabesvon Soli
- mans Gemahlin."
13) Anficht des europäischen Dardanellen
fehltoffes. Die Dardanellenschlöffer in Europa
und Asien vertheidigen den Eingang in den Helle
- fpont. Die Dardanellenstraße ist acht Meilen lang
und eine Viertelmeile bis eine Meile breit und ihr Ein
9ang wird da, wo sie am schmalsten ist, durch vier
. Schlöffer vertheidigt, die man die alten und neuen
Dardanellen nennt und die einander gegenüber in bei
den Erdtheilen liegen. -
Plan von Constantinopel. Von Barabe,
geographischem Zeichner.

Zurückweisungen.
1) Thurm von Marmora.

2) Schloß der sieben Thürme.


3) Moschee des Sultans Achmed.
4) Platz des Hippodrom oder At-meidan.
5) Die h. Sophienmoschee.
6) Die große Cisterne.
7) Das Serail oder der Palast des Großherrn.
8) Ingirli-Kiosk.
9) Moschee, Valide genannt.
10) Das alte Serail. -

11) Moschee Solimanie.


42) Moschee des Sultans Mehemed.
43) Der Fanar oder das Quartier der Griechen. -

44) Quartier der Juden. --

45) Die Blakernen.


16) Vorstadt Eyub.
17) Kiahad-Hane oder die füßen Gewäffer.
18) Kara Haach, alter Palast.
19) Piri Pascha,
20) Has Keui.
21) Terjana und die Werfte.
22) Palast des Capudan Pascha.
23) Schiffsdocke.
24) Quartier von Galata.
25) Pera.
26) Pallast von Frankreich.
27) Todtenacker.
28) Top-Hane.
29) Fondukly.
30) Beschick-tasch.
31) Orta-Keui.
32) Kuru- Tschesme.
33) Arnaud -Keui.
34) Tschengel-Keui.
35) Stavros.
36)Kuskundjik.
37) Scutari.
38) Leandersthurm oder Kiz-Kuleffy.
39) Kavak- Serai.
40) Kadi-keui.
I n h a l t.

- Seite

Er ist er Spaziergang.
Die Propontis und der thrazifche Bots
- - phorus.
- -- -- - 9 I - 17

- - - -
3 weiter Spaziergang
Der Kanal des schwarzen Meeres und die
- - Cyanälen.
Beschreibung des Kanals des schwarzen Meeres– Mei
nungen der Alten und Neuern über feine Bildung –
Nachrichten über die verschiedenen Länder am schwar
zen Meere, über ihre Erzeugniffe, den Handel dieses
Meeres, so wie über jenen der Türkei überhaupt –
die cyanäischen Inseln – die sogenannte Pompejus
jäule. „ • d e - • - - 17 - 43

Dritter Spaziergang.
-- - - -
Aeußere Ringmauer von Constantinopel
und die fieben Thürme.
Beschreibung der Mauern, so wie der Alterthümer, welche
man daran bemerkt - die Häfen des Julianus und
Theodosius – die sieben Thürme und die vergoldete -
Seite
Pforte – Mildthätigkeit der Osmanlis – Ausführ
liche topographische Nachrichten über den Isthums. 42 - 61

V. i e r ter Spaziergang.
Die Wafferleitungen.
Thal von Buyuk - Dere" – Einsicht der Türken in die
Leitung des Waffers – Wafferleitung, Dorf und Thal
von Baktsche-Keuiu – DorfBelgrad– die Romeka –
Tauz bei den alten und neuen Griechen – Tanz bei
den Türken – Musik und Poesie bei den Türken –
Hydraulische Werke – DorfPirgos und Thal des Bar
byfes – Wafferleitung des Julianus und Thal des
Cydaris – Thal und Dorf Dgibedge - Keuiu. 61 – 82

- - s

Fünfter Spaziergang.
C on ist an t i n op e l. -

Jeni Dgiami und von den Moscheen überhaupt – die


hohe Pforte, die Regierung, die militärische Einthei
lung des Reichs, verschiedenen Stände des Staats
und die verschiedenen Claffen der Gesellschaft. –
Die Eiserne Basilica – die alte und neue Sophien
kirche. – Morgenländische Bibliothek. – Oeffent
licher unterricht – das Corps der Ulemas und die
Gerechtigkeitspflege – Kaiserlicher Brunnen –Sakkas
oder Wäfferträger – Straßen und Quartiere von Con
stantinopel überhaupt – der Hippotrom – der Obe
lisk – die Schlangenfäule - die vermauerte Pyrami
de – die Moschee des Sultans Achmet – die Cisterne
der tausend und einen Säule – die Porphyrsäule -
die drei Revolutionen, welche die Sultane Selim III.
und Mustapha IV. vom Throne gestürzt haben. 82 – 141
-
- 1. - r - --

Zusatz zum fünften Spaziergange. .. 141 – 162


Seite
Sechster Spaziergang.
Die füßen Gewäffer in Europa,
Militärgebäude zu Constantinopel – Artillerie- und In
genieurschule – Beschreibung des Thales der süßen
Gewäffer und des kaiserlichen Hauses, das diesen Na
men führt. – Nachrichten über die Topographie von
Constantinopel überhaupt – Zeitvertreibe beider Ge
schlechter im Morgenlande – das Austreiben der
Pferde des Großherrn – Neuer Kiosk; von den kaiser
lichen Palästen überhaupt. . . - - 162 - 190

Siebenter Spaziergang.
Chalcedon und Fener - Baktfche" oder das
Vorgebirge He räum.
Der Hafen von Europa – das Vorgebirge Heräum, heut
zu Tage Fener-Baktsche – Pflanzenkost, welche bei
den Morgenländern gewöhnlich ist – der Anbau in der
Umgegend von Constantinopel – Chalcedon – St.
Euphemia – das Osterfest der Griechen – die bei der
Abreise des Surre" Emini gewöhnliche Feierlichkeit und
die Wallfahrt nach Mekka. -. . . I90 - 214

A cht er Spaziergang.
- Da s O ist e r f e ist.
Das Fasten des Ramazan – die beiden Bayrams und das
Almosen, das sie gebieten – Beschreibung der Bede
kung, die aus allen Ständen des Staats besteht, wenn
sich der Großherr zur Feier des Bayram in die Mo
schee begiebt. – Rückkehr nach Pera über den äußern
Theil des Serails und Top-Khane. - 2 I 4 - 229

N e unter Spaziergang.
- D e r H a |f| e n . -
Beschreibung des Hafens, und der verschiedenen Marine
\
- XII –

Seite
anstalten – Bestandtheile der Seemacht - die bei den
Othomanen gewöhnliche Feierlichkeit, wenn ein Schiff
vom Stapel gelaffen wird – der Einfluß der Stern
deutelei bei den morgenländischen Nationen – die
Kaiks, womit man auf dem Bosphorus fährt. 229 – 244
-

Z e hnt er S p a z i e r g a ng.
C o n ist a n t i n op e l.
Allgemeine Betrachtungen über die Gesellschaft im osma
nischen Reiche und über das, was hier auf Ansehen An
fpruch verschafft – Kalife-Dgiami und Grabmal von
Verde antico – Wafferleitung des Valens.– Säule
des Marcianus – Schazade-Dgjamifi. – Das Janit
fcharencorps; Militärzustand und Grad der Fortschritte
der Kriegskunst im osmanischen Reiche – Militärische
Lehen – die Ergänzung der Armee und die Ursachen
ihrer Empörungen –Eski- Serai– Laleli-Dgjamissi–
Religionsgebräuche – fromme Stiftungen – Wakuf
güter und verschiedene Formen, welche das Eigenthum
in der Türkei annimmt – der Kharatsch – die Skla
verei bei den Osmanlis – die Osmanie – Grabmahl
von Porphir – Eintheilung eines Hauses in der Stadt
Bestandtheile des Hausstandes – die morgenländische
Höflichkeit–die Suleimanie – die Teriakis oder die
Opiumeffer – der Thurm der Janitscharen –Feuers
brünste – Aufwandts- und Luxusgesetze – Eigennamen –
das Materielle der Artillerie –Nizam - Dgedid. 244 – 335

- - Eilft e r Spaziergang.
Das Thal des Großherrn.
Beschreibung der Treppe des Großherrn und von Tokat–
Der Großherr macht Benische; Dschgeridspiel; Einfluß
der Geschenke im Morgenlande.
- XIII. --

Seite -

Zwölfter Spaziergang.
Die Khans, Tfchia rtfchis, Bazars und
" Befestins. - -

Erklärung dieser verschiedenen Namen und Beschreibung


der Gebäude, die sie führen - mechanische Künste –
Antheil, welchen jede der vier Nationen, nach ihren -

verschiedenen Neigungen, daran nimmt – die Osman


lis zeichnen sich durch eine Rechtlichkeit ohne Mißtrauen
aus – das Gewerbe des Arztes und die Heilkunst in
der Türkei – Kleidungsstücke und die Toilette.335 – 345
- -
- - -

Dreizehnter Spaziergang.
D e r F le ck e n Ey n b.
Beschreibung des Gefieldes von Eyub – Ein morgenlän
disches Lusthaus – morgenländische Bäder – Beschrei- “
bung des Flecken Eyubs – Turbes – Sultaninnen –
Krönungsfeierlichkeit – Thronfolgeordnung.– 365 – 333
- -

Vierzehnter Spaziergang.
Die Vorstädte Galata und Pera.
Geographische Beschreibung von Galata und Pera.– Mo-
ralisches Gemälde dieser beiden von den Franken be
wohnten Vorstädte – Todtenacker. . . - 383 – 400
-, - -- - -

F u n fzehn t er Spaziergang.
Das Serail und die Vorstellung der Botschafter,
Beschreibung des Serails,– Beschaffenheit des othomani
schen Hofs – Aufnahmezeremoniell der Botschafter –
Etikette des othomanischen Hofs. . . . . 400 - 430

Formular, oben an dem Befehle, welcher die Vorrechte ent


hält, die Mahomed II. den Genuesern zu Galata unter
dem Namen von Vergleichungspunkten zugestand. 430– 431
Seite

Sechzehnt er Spaziergang.
Scutari und der Berg Bulgurlu.
Das alte und neue Scutari – das Getraidemonopol –
Erhebung der Abgaben; ihre Beschaffenheit und ihre
Verwaltung – Skitze, aufgenommen vom Berge Bu
gurlu – Rückkehr über den Todtenacker von Scutari–
Moschee Selinus III. – Buchdruckerei– Heirathsfeier
lichkeit bei den Osmanlis – Erbfolgerecht und Eigen
thumsrecht – die Empfindsamkeit bei den Türken -
Was den Moscheen vorzüglich Würde und Ansehen
verschafft. • - e d es O 43I – 467

Sieben zehnter Spaziergang


„"

Constant in op e l.
Die jüdische Nation bildet im osmanischen Reiche eine
Republik – ihre Gesetze, Sitten und ihr Gewerbleiß
Moschee Selims I. – Derwisch – Moschee Maho A

meds – der Platz El - Meidan – Cisternen unter


freiem Himmel – Bettelei – Harmonie und Ausdruck
der türkischen Sprache – Quartier der Blakernen –
Palast des Constantinns – Kirche der schismatischen
Armenier – Stadtpolizei, welche in der Türkei mit "
der peinlichen Gerichtsbarkeit verwechselt wird – All
gemeine Polizei – Quartier von Balata – Quartier
des Fanal – Rosenmoschee – die Sitten in Hinsicht
der Reinheit beider Geschlechter – Bei den Osmanlis
haben die Mannspersonen das Verdienst der Erhaltung
derselben – die Großen werden in ihrer Berührung
--
mit uns verdorben, statt sich zu verfittlichen – Mag
netiseurs, Zauberer, Geisterseher u. f. w, 467 – 505

Achtzehnter Spaziergang.
Süße Gewäffer von Afien (Gui ok- Suyu)
Der erste Mai bei den Griechen - das Dorf Kandelt -
Seite
Anadoli Hiffar – die Beschneidungsfeierlichkeit bei den
Mahomedanern – die beiden Thäler der süßen Gewäs
fer von Asien - die Wechabiten. " . . . 505 – 511

Neunzehnter Spaziergang.
Der große Todtenacker.
Denkmäler und Grabschriften – die Pest – Ehrfurcht
der Türken gegen die Asche der Todten. . 511 – 515

Zwanzigster Spaziergang.
Die Prinzen in feln."
Proti– Antigone – platys– Oria –Kalki–Prin
kipos – Calopers – die griechische Kirche. 515 – 525

Ein und zwanzigster Spaziergang."


. Fontaine von Karakula. -

Beschreibung des Thales Zeke - Dere" – gastfreie Denkart


der Osmanlis in Asien – moralischer Unterschied zwis
fchen den Türken in Europa und Asien – Sittenein
falt, die man felbst vor den Thoren der Hauptstadt ans
trifft – der Einfluß der Lehre von der Vorherbestim
mung auf die Meinungen und auf die Lebensweise der
Osmanlis – die Osmanlis der Hauptstadt sind keine
Liebhaber von Vergnügungen, welche die Ruhe ver
scheuchen – nicht die Mahomedaner machen die Wege
in Europa unsicher – Thal und Dorf Beikos. 525 – 533
- - - - - - - - - - -
- Zwei und zwanzigster Spaziergang.
C o n ft an t i n op e l.
Quartier Kondoscale - Aia - Sophia (kleine Sophiens
kirche) – die Thiere, selbst die Vögel, leben vertrau
lich mit den Bewohnern der mahomedanischen Städte
auffallender Unterschied zwischen der Nation und der Res
- NXVI. - -

Seite
gierung, dem Charakter der Herrscher und Beherrsch
ten –Moschee Muhamed Pascha – Cisterne Budrun -
- -
-- Dgjamissi– die armenische Nation, ihr Gewerbfleiß,
ihre Rolle im türkischen Reiche, ihr Grad von Bildung,
ihre.. Sitten, ihre Gebräuche, ihre religiösen Ceremo
nien u. f. w.– Säule des Arcadius– Moschee von
Daud-Pascha –Verehrung der Mahomedaner gegen -

--

gewisse Bäume – ihr Geschmack an Blumen und die


Rolle, welche sie bei ihnen spielen – Tavernen – Pof
senreiser – Ausschweifungen der Osmanlis– worin in
der That die Gewalt des Sultans besteht. Die Os
manlis zeigen gemeiniglich mehr Geistesfreiheit alsman
gewöhnlich glaubt – die Regierung ist bald ohnmäch
tig, bald gebietet sie wieder unbeschränkt – die Mili
tärbeamten sind der Sitz des Despotismus, und nicht
der Sultan– Betrachtungen über den Himmelsstrich–
altes Kloster Studius“ – Cisterne – Moschee des --

Stallmeisters – an welchen Zeichen man im Morgen ---

lande den Rang erkennt – Cisterne Möcisia – die


Mahomedaner haben den Gebrauch der Alten ange
nommen, daß die Stiftungen für die Frömmigkeit oder
auch zum allgemeinen Besten machen – die Weiber,
ihre Erziehung und ihre Lebensweise. Sie haben weit
mehr Freiheit als man in Europa glaubt – Quartier
von Jeni – Baktsche – Medab's oder Rhapsoden –
Thor von Adrianopel. . . . . . 533 – 556
- - - - - -- -- --
---

Drei und zwanzigfter Spaziergang.


- T-h e r a p" t a. - - -
Gefielde von Therapia – Charakter, Sitten und Ge
bräuche der griechischen Nation überhaupt und der Grie
chen des Fanals insbesondere. . . . . . . . . . 559
- - - -- - - - - - - - -
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CONSTANTINOPLE .

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Par M .BARABÉ Dessinateur Yeog ?

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VOIS
1 Tour de Marmara
2 Chateau des Sept Tours
Porte di Andriou 3 Mosquée de Sultan Achmet
Pointe du Sérail 4 Place de l'Hippodrome ou Atmeidan
5 Mosquée de Ste Sophie
mi
n to 6 La grande Citerne
e dos Le Serail ou Palais du Grand Seigneur
ch de Ro 8 Indgirti - kieuschk
9 Mosquée appelé lalülide
10 Le bien ferait
11 Mosquée dite la Solimanie
12 Mosquée de Sultan Mehemed
13 Le Fionar ou quartier des Grecs
14 Quartier des Juifs
915 Les Blaguernes.
16 Faubourg derup
17 Kiahad - Hané'ou les Eaux douces
1418 Kara Haach , Vieux Palais
19 Piri - Pacha
20 Has- Keui
21 Tersana et Chantier de construction
3:22 Palais du Capitan Pacha
23 Forme pour les Navires
24 Quartier de Calata
325 Pera
326 Palais de France
27 Champ des morts
o 28 Top - Hane
han $29 Fondoukly
ep MARMORA 30 Bechiche
olla

n 17 B
Do ean

du Sa St 31 Orta - keni
Per

132 Kourou - tchesmé


min ste 33 Arnaoud - keui
Che du San 34 Ichengel - keui
135 Stavros
136 Kouskoundjik
337 Ville de Scutari
338 Tour de Leandre ou Kiz - Koulessy !
39 Kavac Serai
40 Kadi- kemi
P e r t u fi e r s

Spaziergänge in Constantinopel und an


- den Ufern des Bosphorus.
-

Erster Spaziergang.
Die Propontis und der thrazische Bosphorus. - - -
W„ man zu Lande nach Constantinopel kommt,
fo bemerkt man nicht, daß man sich einer Hauptstadt
nähert. Anderswärts kündigen sich die Residenzstädte
großer Reiche durch eine Menge von Landhäusern, durch
schöne Gärten und durch Anpflanzungen an, wo sich das
Waffer unter tausend verschiedenen Gestalten spiegelt
Hier ist der Boden eben so nackt, wie auf den grenzen
losen Ebenen Rum lis und nur erst an den Thoren
Confantinopels erblickt man Grünes, wo die gros
ßen. Todtenäcker mit Cypreffen beschattet sind,
Allein wenn das Innere desLandes nicht zum Vore
heile dieser Hauptstadt einnimmt, so gewährt dagegen
das Meer einen bezaubernden Anblick, Hier geräth selbst
die kälteste Einbildungskraft in Flammen und kann der
fang nicht widerstehen, welche Himmel, Erde
- - d -
- 2 -

und Waffer erweckt. Alles ist wunderbar; die geringste


Veränderung dieses clafischen Bodens erregt die größten
Erinnerungen. Das Meer, das den Wanderer trägt,
nannten die Alten die Propontis. Die Blicke vers
weilen auf ihm mit der Ehrfurcht, welche große Ereigs
niffe, von denen es seit so vielen Jahrhunderten Zeuge
gewesen und das Andenken an so viele berühmte Natio
nen erwecken, welche nach und nach feine Ufer besucht
oder seine Wellen befahren haben. Von allem dem, was
fich unserer Bewunderung darbietet, geblendet, glaubt
man noch die Spuren des Schiffs zu erblicken, aufdem
die Argonauten fuhren. Man fragt, ob dasdie Küsten
jenes alten Asiens feyn, welche man in einiger Entfer
nung von sich am Rande des Horizontes erblickt. Man
sucht durch den Duft, der sie wie leichte Nebel einhüllt,
Priams altes Reich zu entdecken, unter defen Ruinen
so viele trojanische Helden begraben wurden und das
so vielen ruhmbegierigen Griechen das Grab eröffnete.
Das Auge wünscht die Insel Proconnefus weg, we
gen deren es die Mündungen des Granicus nicht er
reichen kann, wo Alexander feinen ersten Sieg über
die Perfer erfocht. Mit jener Theilnahme, welche die
Erinnerungen aufregen, verweilt es auf den fruchtbaren
Ufern, wo so viele griechische Colonien blüheten, welche
häufig von dem Mutterlande besucht wurden, das da die
Reichthümer Asiens holte und dafür die Erzeugniffe
Europens gab. Nein! es ist keine Täuschung, die
uns verführt; jene mit mehrern Spitzen bekränzte Bergs
kette, die voller Rauchfrost hängt, ist der Berg I da,
von welchem der Aesopus, der Rhodius, der Sea -
nander und der Simois herabkommen; jene reichen
Gefielde sind die von Myfien, welche noch Artace
und Lampfakus aufzuweisen haben, und auf denen
einst Cyzicus, Priapus, Parium und eine Menge
anderer Städte standen, wovon bloß noch Trümmern
oder auch gar keine Spuren mehr vorhanden sind. Hier
hat man auch das Königreich Bithynien vor Augen,
wo Antigonus, Lysimaches, P rufias und
Nicomedes herrschten. Der Berg Olympus, defen
himmelsteigende Gipfel man erblickt, bezeugt dieses.
Wenn man in diesen geräumigen Golf eindringt, wel
chen zwei eben so fruchtbare als grünende Ufer bekrän
zen, findet man Nicomedia noch aufrechtstehend, das
schon in den Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung be
rühmt war. Folgt man den Krümmungen des andern
Meerbusens, so bekommt man nach und nach Alpamea
und Cius zu Gesichte, welche unter den neuern Namen
Mundania und Gemblick verborgen und durch die
Zerstörungen noch unkenntlicher gemacht worden find,
welche fiel erlitten haben. - -

Wenn man nach der europäischen Küste zurückkehrt,


so findet man die Stelle, wo vormals Printhus fand
und die sich jetzt durch Trümmern auszeichnet, welche
ein Beweiß einer vorigen Pracht find; dann verweilt
das Auge auf Selymbria, das noch einige Erinne
rungen von den morgenländischen Kaisern aufzuweisen
hat. Weiterhin findet man in Rodolfo das alte By -
fanthus, Ganos und Callipolis wieder, welche
noch ihre vorigen Namen haben. Zu schnell führen die
Winde das Schiffvor diesem herrlichen Gemälde vorbei,
-a 4 - --

aber man berührt schon den thrazischen Bosphorus,


den die Natur und die Menschen zu verschönern alles
aufgeboten haben.
Hier nähern sich Europa und Asien so fehr, als
ob sie einander betrachten wollten. Jeder von diesen bei
den Erdtheilen weitet vor seinem neidischen Nebenbuhler
ein Ufer voll Wunder auf und scheint ihn herauszufo
dern, sich in eben solcher Schönheit zu zeigen. Man
weiß nicht, welchem man den Vorzug geben soll; aber
für den gegenwärtigen Augenblick wollen wir uns bloß
darauf beschränken, die vor unsern Augen befindlichen
Gegenstände eilig zu überblicken.
Aufjenem hervorragenden schattigen Vorgebürge an
der asiatischen Küste blühete sonst Chalcedon, defen
Trümmern allein noch sein Daseyn bezeugen. Was sind
das für hohe Thürme auf der europäischen Seite in dem
schwarzen Hintergrunde, den die Cypreffen bilden,
welche den Gipfel der Berge beschatten? Eine geheime
Ahndung sagt dem Wandrer, daß der argwöhnische
Despotismus sie angelegt hat. Es sind die sieben
Thürme, wo man aus politischen Rücksichten so viele
unschuldige ermordet hat und wo so viele Andere über
den Verlust ihrer Freiheit getrauert haben, die man ihn
nen trotz dem Völkerrechte geraubt hatte. Sie find fos
wohl für die Eingebornen als die Fremden, sowohl für
die Unterthanen als den Gebieter, furchtbar. Der Boden
scheint fie ungern zu tragen; drei sind schon durch ein
Erdbeben zusammengestürzt; der Himmel wird vielleicht
an den Uebrigen Gerechtigkeit üben. \

- Die Prinzen in feln nennt man jene kleinen


-
Berge, welche an der asiatischen Küste hin zerstreuet lie -

gen; den Alten waren sie unter dem Namen Demo


nefi bekannt. Hier sammelt man in Menge die herr
liche Traube und die zuckersüße Feige. Diese Früchte
haben einen so lieblichen Geruch, daß sie sich von allen
andern unterscheiden.
Fällt Ihnen nicht der erhabene Anblick in die Au
gen, welchen jene Fichten und Cypreffen den Bergen
gewähren, die sich an beiden ufern erheben? Ganze
Geschlechter von Mahomedanern schlafen hier in dü
fiern Schatten ihres traurigen Laubes. Dürfte man in
diesen schönen Einöden herumwandern, so würde man
--
bei jedem Schritte etwas Merkwürdiges gewahr werden.
Man würde sich sowohl über den Adel als über den re
ligiösen Charakter der zahlreichen Denkmäler an diesen
Oertern verwundern und über die fromme und kindliche
Denkart gerührt feyn, die sie errichtet hat. Wenn man
die wohlriechenden Gesträuche und die sorgfältig gewar
teten Blumen erblickt, welche jedes Grab schmücken, so
muß man zu Ehren der Mahomedaner eingestehen,
daß sie im rührenden Ausdrucke des Bedauerns erfinde
rischer sind, welchesder Tod erregt. In diesen Wäldern,
deren düsteres Laub so herrlich der Absicht entspricht, in
der man sie angelegt hat und die die Mahomed a new
auf eine treffende Weiße, das Todtenfeld, nennen,
wandern sie öfters umher und nähren sich mit Betrach
tungen, welche der Gedanke an ein anderes Leben erweckt.
Jetzt wollen wir den traurigen Aufenthalt der Tod
ten verlaffen und uns nach Constantinopel verfügen,
* das die Aufmerksamkeit in so vieler Hinsicht verdient
Diese Stadt, welche die Megarer unter der Anführung
des Byzas mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrech
nung anlegten und welche so viele verschiedene Schicksale
erfahren hat, spielte nach der Reihe in den blutigen
Kämpfen der Perfer und Griechen selten untergeord
nete Rollen; so wie in jenen eben so hartnäckigen, wels
che Sparta und Athen mit einander fochten und in
den Bürgerkriegen, deren Feuerheerd sich zu Rom be
fand, von wo sich Funken nach den entferntesten Pro
vinzen verbreiteten. Bald frei, bald unterjocht und von
den fabelhaften Zeiten an berühmt, hörte sie nur dann
erft eine wichtige Stelle in der Geschichte einzunehmen
auf, als Constantin sie zur Königin der Welt machte.
Indeffen gelang es ihrem zweiten Stifter trotz ihrer Lage,
welche ihr stets unbestreitbare Ansprüche auf diesen glän- -

zenden Kranz gegeben hat, doch nicht, auf sie einen


Glanz zu übertragen, den ihr Roms Name allein noch
freitig machte.
Man betrachte jene alte Mauer, die das mächtigste
Reich nicht von einem traurigen Falle hat retten können,
und die wieder auf das neue zu stürzen drohet, das
man in ihrem Umfange aufden rauchenden Trümmern
des Andern unvorsichtiger Weise erhoben hat. Hier ent
halten ihre Seiten Aufschriften in der Sprache der Be
fiegten; dort find die Oeffnungen, welche die Zeit und
die Sieger darin gemacht haben, durch abgebrochene
Stücke von Säulen verstopft.
Schon sind wir unter den Mauern des Serails
angelangt, das so fruchtbar an blutigen Revolutionen,
und durch seine grausame Politik und seine heimlichen
- 7 -

Ränke fo berüchtigt ist; wo diejenigen, welche unter dies


fen vergoldeten Dächern wohnen, Herrn und Sklaven,
fich nie einem ruhigen Schlafe zu überlaffen wagen.
Wer sollte glauben, hier die schönen Kiosks, die mit
so vieler Leichtigkeit emporsteigen und die künstlichen
Gärten zu sehen, die man von der Hand der Grazien
für die Amors angelegt behaupten sollte, für welche fie
in der That bestimmt find? Wer sollte bei dem Anblicke
so vieler, bis zur Verführung liebenswürdiger Gegen
fände wähnen, daß hier so viele blutige Auftritte vors
fallen?
In den Lüften erblickt man Tausende von Minarets,
die wie Pfeile gen Himmel streben. Man sieht, welche
Anmuth fie gewähren und wie trefflich sie zu den präch
tigen Kuppeln paffen, von denen die blendenden Sons
nenstrahlen, wie Feuerfunken, zurückprallen. Unter ihnen
bemerke man die alte Hauptkirche, die zu Ehren eines
andern Gottesdienstes erbauet ist. Sie scheint mitten
unter den Gebäuden, die um sie her zusammengestürzt
sind, erhalten worden zu seyn, um den guten Geschmack
für seine Verluste zu trösten und hinführo den Maho
medanern als Muster zu dienen, welche trotz ihren
Vorurtheilen die heilige Sophienkirche für den schick
lichsten Aufenthaltsort der Gottheit haben anerkennen
müffen. - - -

Hier befindet" man sich zwischen zwei Wundern und


man weiß nicht, auf welchem das Auge, das sich von
dem Einen zum Andern wendet, verweilen soll. Dies
ist das alte Chryfopolis, Byzanz gegenüber, das
diese bezaubernde Wirkung hervorbringt. Sonst hieß
v, e
– 8 -
Scutari die Goldstadt, weil man da die Schätze -

zusammen häufte, welche die Stadthalter des Großkönigs


den Provinzen entriffen; allein sein Zustand blieb immer
ein Sklavenstand; denn so nahe es auch den freiheitslie
benden Städten lag, so dachte es doch nie daran, die
feinige zu erobern. Seine Lage scheint für die Landhäus
fer einer Hauptstadt bestimmt zu seyn, welche der ver
fchwenderische Himmel mit allem gesegnet hat. Man
sehe einmal, wie sich diese Hügel, voll Häuser und
Bäume, sanft um dieses Ufer her erheben, welches voll
Platanen und Linden steht, unter denen Tausende von
Menschen herumgehen, ruhen und sich durchkreuzen!
Man betrachte die Häuser, von herrlichen Gärten um
geben, wo der Granatäpfelbaum mit seinen glänzenden
Blüten, die Lorbeerrose, der Jasmin, der Seidenbaum,
die Myrte u. f, w. wächst, welche die Milde des Him
melsfirichs alle zum Wachsen und Blühen im Freien
einladet! Diese Berge setzen den Wanderer in Entzücken,
so oft er im Schatten der Lorbeerbäume herumwandelt,
die fie bekränzen, - -

Der geräumige Hafen dringt an der Küste von


Europa tief ins Land hinein, wo man Schutz gegen
alle Winde findet. Zwischen dem schwarzen Meer, des
fen Küsten durch ihre Fruchtbarkeit berühmt sind und
dem mittelländischen Meere gelegen, das noch reicher ist
und ihm das zuführt, was ihm das Erste nicht liefern
kann, vollendet dieser Hafen die glückliche Lage als den
Sitz eines großen Reichs; allein man suche diese Haupt
stadt nicht zu zergliedern, die in ihrem Ganzen schöner
als in ihren einzelnen Theilen ist und zerstöre die köst
– () -w- - -

liche Täuschung nicht. Um diese unverletzt zu erhalten,


wollen wir den Ufern dieses Canalsfolgen, wo alles zur
Unterhaltung derselben beiträgt! . .
Welche Thätigkeit, welche Bewegung bemerkt man
nicht aufdiesem herrlichen Gewäffer! Man sehe einmal
jene Fahrzeuge, welche die Gestalt von Piroquen haben!
Um die Wette durchschneiden sie die Fluchen und segeln
pfeilschnell aus Europa nach Afien, aus Asien nach
Europa. Aus dem einen Erdtheile führen sie die
Einwohner nach den Andern über und unterhalten zwis
fchen beiden eine stete Verbindung, welche nochdie Winde
begünstigen. Man betrachte jene zauberischen Ufer, wo
sich jedermann ein Haus bauet, um darin die reine
Nordluft einzuathmen. Wo findet man einen lebendigern
und mahlerischen Anblick, ein frischeres Gefielde und
einen Erdwinkel, wo es mehr Schatten gibt, welcher
mit größerer Verführung zu einem Genuffe einladet?
Sind jene Paläste, die an Feierei grenzen, für
Götter oder Menschen bestimmt? Welche Anmuth in der
Zeichnung! Es sind zwei Paläste des Großherrn, Die
zahlreiche Wache, welche in den Vorhöfen und unter den
Säulenhallen herumgeht, dient zum Beweise, daß der
Sultan das Serail verlaffen hat, um die Natur zu ge
nießen. Jener andere Pallast, dessen Bauart orignieller
ist, ist der Palast der Sultanin Valide (Mutter des
Sultans). Weiterhin stehen die Paläste, welche für die
Schwestern des Großherrn bestimmt sind, Man findet
in ihnen das Frische und die Anmuth wieder. Bei ih
rem Anblicke sollte man glauben, der Baumeister habe
diese Gefängniffe unter den verführerischsten Außenseiten
-
der Kunst verbergen wollen, allein die Jalousien, welche
das Licht nur mit Mühe durchlaffen, verrathen den
Künstler, indem sie die Schlinge entdecken. -

Durch die Menge von Fensteröffnungen, die um


diese Gebäude her angebracht sind, kann man die innere
Einrichtung beurtheilen. In der Mitte befinden sich
große Säle, wo von allen Seiten die frische Luft ein
dringt; an den Enden sind andere Zimmer, die ebenfalls
der freien Luft ausgesetzt und wahrscheinlich zum Genuffe
der Ruhe befimmt sind, weil sie am entlegensten find;
dann kommen Seitenterraffen, welche nach außen hin
mit leichtem Gitterwerk verschloffen sind und mannichfal
tige und für das Auge stets angenehme Zeichnungen ge
währen. Durch diese durchsichtigen Gitter entdeckt man
das Grün und die Blumen und das Wenige von diesen
köstlichen Gärten, welche das Auge erblickt, erregt das
Bedauern, sie nicht näher betrachten zu können.
Die Dörfer, welche auf beiden Ufern liegen, stoßen
fehr häufig aneinander oder find bloß durch Gefielde ges
trennt, welche auf eine angenehme Art den lebendigen
Anblick der Häuser unterbrechen. Alles ruft hier Erin
nerungen zurück; es giebt keine Bucht, keinen Hafen,
der nicht berühmt und deffen Name nicht mit Auszeich
mung in das Buch der Geschichte eingetragen fey. Jeder
Hügel, jeder Berg war einer Gottheit geweihet und mit
einem Tempel bekränzt. In jener Bucht z. B., welche
das Waffer zur rechten bildet, dort, wo man eine
Gruppe von roth angestrichenen Häusern erblickt, lag
einst am Ufer hin Nicopolis. An der Stelle, wo
sich die beiden Erdzungen am meisten nähern, vollendete
ZEenophon feinen glorreichen Rückzug, welcher Grie
chenland zehntausend Tapfere rettete. An derselben
Stelle ist der Sage nach Darius auf seinem Zuge ge
gen die Scythen im Gefolge einer zahllosen Armee
über den Bosphorus gegangen. Von wie vielen merk
würdigen Ereigniffen sind nicht jene Felsen, welche Jahr
hunderte vergebens zu erschüttern gesucht haben, Zeuge
gewesen! Warum können sie nicht ihre Stimme vers
nehmen laffen und uns die wahre Geschichte so vieler
Völker erzählen, die sie auf einander haben folgen sehen
und deren Thaten wir nur zu oft bloß durch lügenhafte
Sagen kennen? Die Echo sprach in den entferntesten
Zeiten wie jetzt, und wie oft hat sie die Siegesgesänge
und das Geschrei der Verzweiflung so vieler verschiedes
nen Nationen wiederholt! -

Schon haben wir auf der europäischen Seite die


Dörfer Dolma-Baktsche und Befchik-Tafch bes
trachtet, wo wir die für den Sultan erbaueten Paläste
bewunderten, welche vormals mit einem Lorbeerwalde
verschönert waren, der einen dem Apollo geweiheten
Tempel umgab; Orta-Keuiu, das zum Theil von
Juden bewohnt, aber doch stolz darauf ist, daß sich in
ihm die Lusthäuser der Sultaninnen befinden; Kuru
Tischesme, ein jüdisches und griechisches Dorf, das
sich durch schöne Häuser auszeichnet; Arnaud-Keuiu,
das an das alte Vorgebirge, Efties stößt und Bebeck,
das fo, wie das Andere, durch kaiserliche Gebäude vers
schönert ist, welche sowohl durch die Vortheile der Lage
als durch die Anmuth der Bauart eine vortreffliche Wir
klung machen.
- 12 -

Auf der asiatischen Seite haben wir Kuzgundjuk


liegen gelaffen, das von Juden bewohnt wird; Ista
- vros, das sich durch die schöne Moschee, welche Abdul
Hamid erbaut hat, auszeichnet. Beilor -Bei,
Tschingljel-Keuiu, Kule-Baktscheffi, Vani
Keuiu und Kandelli, deren meiste Einwohner Ma
ho:medaner sind; die Uebrigen find Armenier und
Juden. Jetzt sind wir in der Höhe der beiden Schlös
er angelangt, welche ein Werk des schrecklichen Maho -
meds II. sind, der das Reich der Griechen vollends
zusammenstürzte. Das Eine führt den Namen des
Schloffes von Anatoli, das Andere jenen von Ru
melie-Hissar; beide find so gebauet, daß sie das
Meer beherrschen. Das Zweite schließt in feine Mauer,
welche mit Thürmen flankiert ist, den Rücken des Bergs
ein, welcher vormals das Vorgebirge des Mercurius
hieß. Heut zu Tage ist es durch den Gebrauch noch
furchtbarer, zu dem es bestimmt als durch seine Lage,
indem man darin die Todesurtheile gegen die Janit
fcharen vollzieht. Aufihm läßt sich auch der Kanonen
schuß vernehmen, welcher anzeigt, daß der Verurtheilte
nicht mehr fey. -

Bei Arnaud-Keuiu hatte sich die Strömung, die


aus dem schwarzen Meere kommt und die wegen der
Krümmungen der beiden Ufern, so wie wegen ihrer vor
hergehenden Annäherung noch reißender wird, der Forts
fetzung unserer Reise noch mehr entgegengesetzt als vor
her, so daß wir uns sogar hatten fortziehen laffen müf
fen; hier haben wir mit derselben Schwierigkeit zu käm
pfen und unsere Ruderer müffen auch noch den Windun
– 13 –
gen dieses Golfs folgen, um nicht ein Raub der gewalt
tigen Strömung zu werden, die sie mit fortreißen will.
Durch die ungeheuere Menge von Waffer genöthigt,
welches dem schwarzen Meere so viele Flüffe zuführen, hat
es sich diesen Durchgang geöffnet, durch den es sich feis
nes Ueberfluffes in das weit geräumigere Becken des
mittelländischen Meeres entladet, welches ihn wiederum
ins atlantische Meer endet, das von der Natur mehr
zur Aufnahme als zum Abfluffe bestimmt ist, weil der
geringste Unterschied der Meeresfläche zu einem Gunsten
bei dem Andern für alle Länder verderbliche ueberschwem
mungen hervorbringen würde, welche dasselbe einschießen.
Was den ersten Theil der Hypothesen anbelangt, so uns
terstützen ihn die Krümmungen des Bosphorus; denn
das Waffer scheint nicht den geradesten Weg, sondern
denjenigen genommen zu haben, welcher ihm die wenig
fien Hindernisse in den Weg legte; daher verändern die
Strömungen, die von der einen Seite nach der andern
gehen, fiebenmal die Richtung und laffen durch die
Wirbel einen Theil des Waffers mitfortnehmen, den sie
bei sich führen. Wenn der Südwind wehet, so vers
mindert er alle diese Wirkungen, welche der Nordwind
gar sehr vermehrt; er schwächtdie Strömungen, führt
sie sogar von einem Ufer ans Andere und erhebt alsdann
die Meeresfläche bisweilen auf eine sehr merkliche Weise.
Links sehen wir schon hinter uns das Dorf Ro
melie-Hiffar, das sich an ein Vorgebirge voll grü
ner Bäume lehnt, um welche es sich zieht. Baltas
Liman, das am Eingange eines breiten Thales steht,
welches beinahe ganz mit einem Eichenwalde bedeckt ist
und in eine Bucht ausläuft , die vormals der Weibers
hafen hieß; ihren ersten Namen aber hat fie eingebüßt
und jenen Eines von Mahomeds II. Generalen be
kommen, zum Andenken an das berühmte Hinüberschaft
fen der Flotte dieses Sultans über die Berge, welche
nach der Sage der othomanischen Geschichtsschreiber von
diesem Orte ausgelaufen und von Balta Paschas
Sohne geleitet worden ist. Rechts waren wir zu der
selben Zeit vor dem Kiosk der süßen Gewäffer
mit feiner Gruppe von Platanen und seiner schönen
Fontaine vorbeigefahren, die sich unmittelbar am Ufer
befinden. Anatoli-Hiffar, ein türkisches Dorf, das
Kandelli gegenüber liegt und wie dieses im Amphithea
ter erbauet ist; Kandlgia, ein anderes mahomedani
sches Dorf, das sich an dem herrlichsten Theile der afias
tischen Küste hin erstreckt. Wir fuhren vor Stegna
auf der europäischen Küste vorbei, das durch die Sees
fahrer dieser Meere wegen der Sicherheit feines Hafens
so bekannt ist, welchen die Alten den Golf Lastenes
nannten. In demselben Augenblicke fuhren wir links vor
J e n i - K e u. iu vorbei, das auf der einen Seite an
Stegna stößt, auf der Ardern sich mit Therapia
vereinigen will und den Fuß der Anhöhen bekränzt, aus
deren Weinstöcken man sieht, daß diese Oerter von
Christen bewohnt find. Ingir - Keuiu, Beikos
und Jali-Keuiu, die von Mahomedanern und
Armeniern bewohnt find, liegen um einen halbzirkels
förmigen Meerbusen herum. Indem wir unsere Fahrt
fortsetzen, entdecken wir in Asien fast im Angesichte
von Therapia, das um den alten Hafen Pharma
-

– 15 -

cias her erbauet ist, eine Wiese, die mit Platanen und
Eschen beschattet ist und von der ein Flüßchen herab
kommt. Sie führt den Namen des Thales des Groß
herrn; von jeher hat man die Beherrscher von Cone
stantinopel ihre Schatten aufsuchen sehen, welche noch
gegenwärtig Beweise von ihrer Vorliebe verbergen. Vor
uns ficht man auf demselben Ufer einen Berg, der sich
im Blau des Himmels spiegelt und feine ganze Umges
bung beherrscht. Die Alten nannten ihn das Bette des
Hercules; jetzt nennen ihn die Mahomedaner das
Riefengrab. - - -

Oben auf feinem Gipfel entdeckt man in der Ferne


das schwarze Meer, die reichen Fluren Anatoliens und
die Meerenge des Bosphorus bis an die Mauern des
Serails; man gelangt auf einem offenen, bisweilen
schattigen Wege dahin, defen Krümmungen zwischen
wohlriechenden Pflanzen, Erdbeerbäumen und Steineichen
hinlaufen. Oben auf feiner Spitze ist unter einem Lors
beerwalde eine kleine Moschee und die bescheidene Wohs
nung eines Derwiches verborgen. Dieser Letzte zeigt das
Grab eines vorgeblichen Riesen, dessen Besuch die Leicht
gläubigkeit zu Einer der verdienstlichsten Wallfahrten ge
macht hat. Dies Grab, das zu groß ist, als daß es
einem menschlichen Körper angehört haben könnte, ist
weiter nichts als ein Beet, das voll Gebüsche steht,
aufderen Zweigen eine Menge Stückchen von Zeuch von
allen Farben hängt, welche kranke Mahomedaner das
selbst in der Hoffnung befestigt haben, um durch diese
vorgeblich fromme Handlung, die mit Almosen begleitet
ift, ihre Gesundheit wieder zu erhalten,
-

„“
Links hat man in Europa ein Thal, welches in
keinem Stücke den herrlichsten Gegenden Asiens nach
steht. . Es verlängert sich sehr weit nach Westen hin.
Ein Kastanienwald verschönert den Rücken der Hügel,
welche dasselbe einschließen; ein Bach, der nie austrock
net, bewäffert es. In seinem obern Theile ist eine
Wafferleitung, welche sich auf die Seitenberge stützt.
Sieht man sie von hieraus, so scheint sie in der Luft
zu hängen. - -
Jetzt befinden wir uns an der Mündung des Mees
res, das durch seine vielen Schiffbrüche berüchtigt ist,
und schon macht das Gestirn des Tags, das halb hinter
jenenBergen versteckt ist, der Nacht Platz, welche lang
jam ihre dunstigen Seiten in ihre stille Schatten einhüllt.
Die Alten sind über die Größe des thrazischen Bos
phorus nicht einig; Peter Gille, der sie in Uebereins
stimmung zu bringen versucht hat, bestimmt die Länge
dieser Meerenge zu 160 Stadien d. h. zu 4o vom Vor
gebirge von Byzanz biszum Vorgebirge des Hermes,
wo man das Schloß von Europa ficht; zu 80 von
diesem letzten Vorgebirge bis zum Tempel des Jupiter
Urius, da, wo der Kanal eine sehr auffallende Krüme
mung macht, als ob er wieder nach dem schwarzen Meere
zurückkehren wollte; und von dieser Stelle an bis zu den
Cyanälen, wiederum 40 Stadien, d. h... ungefähr fie
bentehalbe Stunde. Seine Breite beträgt zwischen vier
und zwölf Stadien und ist an den Stellen am kleinsten,
wo die Schlöffer des Bosphorus und jene des schwarz
zen Meeres stehen, welche zur Vertheidigung der Durch
fahrt bestimmt find. Der Kanal ist sehr gekrümmt Und
--
- 17 ---

hat oft auffallend eingehende und vorspringende Ecken, -,

wodurch die häufigen Veränderungen in der Richtung der


Strömungen und Wirbel entstehen. Wegen dieser Uns",
regelmäßigkeit in seinem Laufe hat er bisweilen das Mini
sehen von einem See, besonders bemerkt man dies zwi,
schen Therapia und dem Thale des Großherrn,
zwischen Kandelli und Bebeck. Die Schnelligkeit
der Strömungen hat das Ansehen eines Fahrwaffers und
gewährt allenthalben, selbst bis an die Ufer, hinlänglichen
Grund, um Anker zu werfen, mit Ausnahme einiger
Punkte, wo der feste Felsen der Arbeit des Waffers wie
derstanden hat. Es ist ausgemacht, daß die Tiefe des
Kanals, eine Breite und die Schnelligkeit feines Stro
mes zum Abfluffe des Waffers aus dem schwarzen Meere
hinreichend ist, so viel dieses auch Zufluß erhalten mag,
3 :. - - . .. .. .

Zweiter Spaziergang.
Der Kanal des schwarzen Meeres und die Cyanäen,
Beschreibung des Kanals des schwarzen Meer -

res – Meinungen der Alten und Neuern


, über feine Bildung – Nachrichten über die
verschiedenen Länder am fchwarzen Meere,
über ihre Erzeugniffe, den Handel dieses
Meeres, so wie überjenen der Türkei über
haupt – die eyanäischen Inseln – die soge
nannte Pompejusfäule. . . .

Schiff man sich zu Therapia ein, um einen Ausflug


nach den cyanäischen Inseln zu machen und den Anblick
- - - 2.
= 18 -

des an Richthümern sofruchtbaren Meereszu genießen,


so nimmt man zuerst feine Richtung nach dem Dorfe
Buyuk - Dere, am Fuße einer Kette von Anhöhen,
welche mit Gärten verschönert ist. Mit einem geheimen
Vergnügen verweilt das Auge auf den Häusern, aus
deren Aeußern man sieht, daß ihre Bewohner mit uns
einerlei Sitten und Gebräuche haben. Wenn die otho
manische Flotte im Hintergrunde dieses schönen Golfs
in Schlachtordnung aufgestellt ist, wo sie die Nordwinde
nicht erreichen können, so verändert sichder Anblick, und
die Landschaft erhält neues Leben. An schönen Sommer
abenden ist hier ein zahlreicher Zusammenfluß von allen
Nationen. - -- - -

… Ehe man jedoch diesen an mannichfaltigen Ansichten


so reichen Punkt erreicht, fährt man unter den Kanonen
einer Batterie vorbei, welche selbst im Angesichte der
Mündung des schwarzen Meeres angelegt und dazu be
stimmt ist, die Fahrzeuge aufzunehmen, die sich zu
weit vorgewagt haben. Links läßt man die Quelle
Keretschel-Burnu in der Nähe von Felsen, welche
sich in gleicher Höhe mit dem Waffer als Klippen zei
gen, die man vermeiden muß und die die Alten zu Folge
einer Sage, welche sich bis aufunsere Zeiten fortgepflanzt
hat, den Gerechtigkeitsstein nannten. Die Küste
ist in dieser Gegend bis zu dem tiefen Golf sehr gebirgig
und steil und läßt kaum zwischen sich und dem Meere
einen Weg über einen steinigen Strand hin, welchen
die Wellen jeden Tag noch mehr verengen. Wenn man
während der Tagesstunden unter den schönen Platanen
von Keretsche-Burnu Halt macht, sofindet man uns
-
-- 19 -
fritig da Gr iechen oder Armenier, die in ganzen
Familien bei einem ländlichen Mahle versammelt sind,
das, in dem frischen Schatten zubereitet, sehr angenbem
schmecken muß. Kommt man des Abends dahin, so
trifft man eine glänzende Gesellschaft von fränkischen und
griechischen Damen an, die hier und da in Gruppen auf
dem Rasen sitzen und mehrere Zirkel bilden. Sie ge
währen einen bezaubernden Anblick. -

. Vor Buyuk- Dere sieht man Kefeli-Keuiu,


welches türkische Dorf sich am Fuße der Anhöhen hin
erstreckt. Darauf gelangt man nach einem andern man
homedanischen Dorfe, Sarieri genannt, das in einem
hachenden Thale liegt, wo eine Quelle fließt, welche durch
die Kühle ihres Waffers und ihrer Lage auch oft Besuche
herbeilockt. Hierauf kommt einige Schritte weiter hin
in demselben Golf Jeni-Mahale, das bloß von Fia
fchern bewohnt wird. Das gegenüber liegende Ufer hat
von der kaiserlichen Mühle an keine Wohnungen aufzug
weisen, außer Kalköfen, aber es besitzt eine Quelle
Keretsche - Burnu gegenüber, welche gleichsam zum
Gegenstücke auf eine ähnliche Art verziert ist. Dieses
hat jedoch vor ihr den Vortheil der Aussicht, welche die
Mündung des schwarzen Meeres gewährt; daher wird
es auch weit häufiger besucht. :
Die beiden geschloffenen Batterien, welche man in
der letzten Biegung bemerkt, die der Kanal bildet, der
da auf einmal eine nordöstliche Richtung nimmt, find
unter dem Sultan Abdul Hamid angelegt worden.
Ihr Feuer kreuzt sich und die Kanonen, die sich darin bes,
finden, sind sowohl zahlreich als groß. Die Batterie
- 20 -
auf der asiatischen Seite stößt an die mahomedanischen
Dörfer Umur - Jeni und Magias - Bufchu. Wei
ter hin gelangt man zwischen die beiden Schöffer von
Europa und Asien, welche ein Werk Amurats IV.
find und die Durchfahrt an der engsten Stelle des Ka
mals aufhalten. Oben auf der Spitze der Anhöhen, wo
das Erste steht, bemerkt man die Trümmern einer genue
fischen Festung, welche wahrscheinlich die Stelle des bes
rühmten Tempels einnahm, den man hier in den ersten
Zeiten der Welt der Mutter der Götter errichtet hatte.
- - - Sogleich hinter Kavac kommt man in ein offenes
schattiges Thal, wo der Chrysorrhoas fließt und an
deffen Oeffnung,ein sehr angenehmes türkisches Dorf
steht. Doch wir wollen uns wieder nach der asiatischen
Küste wenden. Die Ruinen der großen Kirche, welche
in den Zeiten des morgenländischen Reichs erbaut wor
den ist und die man oben aufdiesem Vorgebirge zwischen
der Batterie Poucha und dem Schloffe bemerkt, zei
gen aller Wahrscheinlichkeit noch die Stelle an, wo vor
minals der andere Tempel fand, der eben so verehrt als
der Erste und dem Jupiter Urius oder dem Ver
heiler der Winde geweihet war. Am Fuße der Anhöhe
steht am Rande eines Ankerplatzes, den diejenigen be
suchen, welche ins schwarze Meer einlaufen wollen, ein
schönes Dorf, deffen Felder mit Lorbeerbäumen bepflanzt
find und einen köstlichen Anblick gewähren. Nach den
Schlöffern kommt das Dorf Buyuk- Liman in Eu
ropa und seine Batterie, welche jener von Fil - Burnu
auf der asiatischen Küste gegenüber liegt; alle beide find
unter der Regierung Abdul-Hamids angelegt; dann
-

- 21 -

kommen die beiden geschloffenen Außenwerke des Barons


von Tott, die einander gegenüber liegen. Das euro
päische führt den Namen Karipiche und das asiatische
Poiras. Oben aufden Anhöhen, von denen das Erste
beherrscht wird, erblickt man eine Verschanzung, welche
den Punkt einnimmt, von welchem aus der Feind das
Innere der Außenwerke mit großem Vortheile unhaltbar
machen könnte; hieraus ergibt sich die Schwäche der
Stellung, so wie der geringe Werth des Hauptwerkes,
Der Ankerplatz, welchen dieses vertheidigt, war bei den
Alten unter dem Namen des Hafens der Lycier be
kannt. Er nimmt einen Strom auf, der ein enges und
nicht tiefes Thal, bewäffert, an deffen Oeffnung einige
Wohnungen stehen. -- :
- Anderthalbe Meile (mille) weiterhin stehen, die
Leuchtthürme von Europa und Asien auf den beiden
Vorgebirgen, welche schon zum schwarzen Meere gehören
und beide durch ein Außenwerk vertheidigt werden, dem
eine Batterie zum Schutze dient. Wenn man den th
maßungen der Gelehrten glaubt, so erinnert der Anblick
der Oerter, wo man den Leuchtthurm '
ficht, an den unglücklichen Fürsten Phineus. Bei
dem Leuchtthurm von Asien liegt der berühmte Hafen,
wo die Argonauten den feinernen Anker änderten
den sie von dem Berge Dindymus mitgebracht hat
zen. Dies ist die letzte Erinnerung, welche die Räuber
des goldenen Blicßes, an diesem ufer zurückgelassen ha
ben. Endlich findet man zwei Meilen (mille) weiter
hin an der nämlichen Küste das Fort Rhebas und in
gleicher Entfernung an der europäischen Küste das Fest
- --
– 99 –
,

Kita, welches die Absicht hat, den Eingang in ein


-

- --
großes Thalzu beschützen. -

Bei dem Anblicke so vieler Vertheidigungswerke sollte


man die Hauptstadt des osmanischen Reichs von der Seite
des schwarzen Meeres her für uneinnehmbar halten, aber
wer zwingt denn die Macht, gegen die man sich sichern ge
wollt hat, ihren Weg bis an die Batterien selbst fortzu
setzen? Wenn sie den Landweg wählt, den sie vermittelt
einer Landung so leicht einschlagen kann, würden nicht
dadurch alle Vertheidigungsmittel in einem Augenblicke
unnütz werden, deren Seiten, die ans schwarze Meer
stoßen, nicht unterstützt werden? Ueberdies sind alle
oben erwähnten Werke auf die Art angelegt, daß sie von
der obern Batterie eines Stifs beherrscht werden; auch
würden sie wegen der gefährlichen Materialien nicht haltbar
fyn, worausdie Brustwehren bestehen, die in ihrerganz
zen"Dies
Längevon
II - ist der berühmtesind.
Mauerwerk - --
Kanal, der in Hinsicht seiner
Entstehung zu so vielen Muthmaßungen Veranlaffung ge
geben hat. Am wahrscheinlichsten hat er sein Dasein vul
kanischen Ursachen zu verdanken, indem das Innere des
Landes auf der europäischen Seite mit Schwefelmaterie
geschwängert ist, welche leicht in Gährung gerathen kann.
Man darfnur in dem Thale von Salieri hinaufgehen,
wo der Boden, welcher in dem obern Theile durch das
Waffer ausgehöhlt ist, ohne unterbrechung die erfoderlichen
Beweise liefert. "Das uferzeigtporöse Steine und Basalte,
welche nach der allgemeinen Meinung unter die vulkanis
fchen Erzeugniffe gerechnet werden. Vier Meilen (mille)
von Fanaraki findet man in der Nachbarschaft des
= Q3 –

Meeres Steinkohlengruben, welche auch im diesem


Theile der Erde eine Umkehrung zu verrathen scheinen.
Kehrt man nach dem Kanale zurück und untersucht in
der Umgebung von Kariptfche die innereAnordnungdes
Bodens, so bemerkt man, daß sichSchichten vorwärtsnei
gen, als ob etwas eingefürzt wäre, und daß der Neigungs
winkel bei den Andern mehr oder weniger in die Augen
fällt, als ob sie durch Revolutionen verrückt worden
wären. Wegen so auffallender Spuren kann man den
schwärzlichen Anstrich, den Anschein von Zersetzung und
die sichtbare Unordnung an der Küste wohl unterirdis -

fchen Feuern zuschreiben.


Wenn man nicht auf dem Kanale nach der Mün
dung des schwarzen Meeres hinfahren will, fo kann NQ

diesen Weg zu Lande aufder asiatischen Küste am ufer


hinmachen, wo man unter dem kühlen Schatten von
Feigen-Sycomoren- und Brustbeerbäumen geht; bis
weilen hat man den Anblick von blühenden Einfaffungen
von Judas - und Granatäpfelbäumen und von allen
Spielarten von Lorbeerbäumen; oder man wandert auch
zwischen zwei grünen Wänden hin, die mit Schling
pflanzen bekleidet sind, welche sich an die jungen Bäume
anhängen, wieder auf den Kopf des Wanderers zurü
fallen und der Hand desjenigen ganze Sträußer reichen,
der sie abpflücken will. Man genießt auch noch die
Ansicht der lachenden Wohnungen, die man allenthalben
antrifft, wo es Thäler gibt, welche in ihrer Nachbar
schaft das Wachsthum begünstigen, und sich mit allem
umgeben, was eine glückliche Lage verschönern kann.
Die europäische Küste scheintgerade das Gegentheil von
- 24 -
- der asiatischen zu seyn, indem diese ordentlich dazu be
stimmt zu seyn scheint, ihre Naktheit und ihre zerriffe
nen Seiten hervorzuheben. -

… Allein wenn das europäische Ufer einen wilden und


- wenig angenehmen Anblick gewährt, so findet man, so
bald man über dasselbe hinaus ist, liebliche Thäler, wel
che nach dem schwarzen Meere hingehen und fruchtbar
find, ohne jedoch sorgfältig angebaut zu sein. Wenn
man weiter hinkommt, so gelangt man auf den Gipfel
der Gebirgskette, die etwas jenseits Kavaks von
des
Europa plötzlich ein Ende hat und wovon sich die An
dere, die ihr in Asien gegenüber liegt, als eine Fort
jetzung ankündigt, -

„ Das Innere der Länder jenseits der asiatischen Küste


gewährt ebenfalls den Anblick von lachenden Thälern,
welche von der Spitze auslaufen und in entgegengesetzter
Richtung die Einen nach dem schwarzen Meere, die An
dern nach dem Bosphorus hingehen. Hier ist nicht
so viel Schatten und die Erdbeerbäume und die wohl
riechenden Pflanzen vertreten die Stelle der Eichen und
- Buchen, welche aufden Höhen des andern Ufers wach
fen; allein wenn man in die Vertiefung dieser Becken
- hinabsteigt, so findet man die Kühlung, welche daselbst
- fließendes Wasser unterhält und Wohnungen wieder, de
ren Fluren die reichsten Erndten zieren. Dergleichen sind
die türkischen Dörfer Ak - Babak, Abdular und
Zeke Dere, welche durch ihre einsame Lage von der
-

-
übrigen Welt abgeschnitten zu seyn scheinen. In den
Thälern Europens sieht man die Dörfer Zekere
Keuiu, Sombre-Keuiu, Demesdgi-Keuiu
-

-
- -
-

- "
Domus - Der, welche von Griechen bewohnt uns
vorzüglich von Jägern besucht werden. - -

Den Leuchtthurm von Anatolien wollen wir lie


gen laffen, an dessen Fuß man aus den Wellen jene
Klippen hervorsteigen sieht, die die asiatischen Cyanälen
genannt werden, und nach jenem von Europa auf dem
Vorgebirge Panium hinabsteigen. Von hieraus kann
man sich ungehindert auf dem Meere umsehen, defen
bloßer Name Stürme weissaget, und das man so oft
durch Wolken verfinstert sieht, in deren Schooße der
Blitz hauet und die von den Winden nach den Spitzen
des Caucasus und Hämus fortgeführt werden, wo
sich unaufhörlich neue Wolken sammeln. Hier bereuct es
der Seefahrer oft, daß er sich mit zu viel Vertrauen
einem Elemente überlaffen hat, das so leicht in Wuth
geräth und defen unwirthbare Küste die Opfer seiner
Wuth zeigen, welche nicht begraben oder grausamer Weise
von ihren Bewohnern ausgeplündert werden, die sie durch
ihre betrügerischen Feuer selbst an die Felsen gelockt -

haben. -- “

Wie viele Nationen bewohnen nicht diese Küsten,


die sich durch ihre Sprache, ihre Religion und ihre Sit
ten von einander unterscheiden! Wie viele Reichthümer
bringen nicht diese Ufer hervor, welche sich die europäi
fchen Mächte streitig machen, und welche fiel zu ihrem
Vortheil zu benutzen verstehen, zum Nachtheil des Volks,
welches die Schätze nicht kennt, die es besitzt! Jedoch
könnte dies Meer allein dasselbe in einen blühenden Zu
fand versetzen. Zwischen Europa und Asien gelegen, -

die sich in dasselbe heilen, ist es der Sammelplatz aller


Flüffe, welche für die Schiffarth außerordentlichgünstig
find und in ihrem Laufe sehr verbeffert werden können;
es ist der Mittelpunkt der Abfarth, um in ihnen hin
aufzufahren und dem Einen das zuzuführen, was die
Ufer des Andern hervorbringen; kurz, es ist die Nieder
lage des Nordens und des Südens, des Ostens und
des Westens und dazu bestimmt, den Verkehr zwischen
den verschiedenen Nationen der Erde zu unterhalten. “
Die Alten, deren Handelsunternehmungen wegen
ihrer geringen Kenntniß in der Geographie nicht densela
ben Umfanghaben konnten, wie die unserigen, benutzten
jedoch schon die fruchtbaren Hülfsquellen, welche das
schwarze Meer dem Handel gewährte; sie holten da das
Getraide, welches die unerschöpflichen Kornspeicher von
Tauris, heut zu Tage von der Krimm, lieferten. Aus
denselben Gegenden, fo wie aus denen, wo Trapez
zunt, Sinope, Amafia blüheten, bezogen sie auch
Wachs, Holz, Leder und Sklaven. Die Häfen, welche
vorzüglich die Athenienfer besuchten, waren Pans
ticapäum und Theodofia, wo sie die Rechte eines
Freihafens genoffen. Auch waren sie der Sammelplatz
der von den griechischen Colonien ausgeschickten Schiffe,
welche auf der asiatischen Küste zerstreuet lebten, von
wo aus. Einige den cimmerischen Bosphorus besuchs
ten, und da die Erzeugniffe einnahmen, welche damals,
wie jetzt, der Tanais nach dem Palus Mäotis
brachte. Man machte da Austauschungen gegen die Ers
zeugniffe des Südens, und die Metalle vervollständigten
das, was zum Gleichgewichte zwischen Ein- und Aus
fuhr erfoderlich war. Was den Theil der Küste zwischen
- - -
.. " - * * * - - -

dem Borysthenes und dem Ister anbetraf, der das


mals von herumstreifenden Horden bewohntwar, welche
aus Großfrythien kamen, so war er bei den Alten
wenig bekannt und enthielt vergebens die reichen Erzeug
niffe, deren Ausfuhr einen großen Theil des Wohlstans
des von Rußland ausmacht." - - - -

Die Venetianer, vorzüglich aber die Genue


fer waren unter den neuern Nationen die Ersten, welche
die Reichtümer und die Lage des schwarzen Mee
ries gehörig zu schätzen wußten. Genua machte es zu
einer Niederlage des Handels mit Ostindien und es
gelang ihm auf einen Augenblick, den Weg in Vergef
fenheit zu bringen, welchen Alexander der Große
Venedig über Aegypten gezeigt hatte. Eine Zeit
lang kämpfte es mit seinem Nebenbuhler, der trotz dem
Beistande der Sultane von Aegypten die Reichthümer
nicht ganz in die Kanäle des Nils zurückbringen konnte,
welcheihren Wegüberden Indus, den Orus und Pha
fis genommen hatten. Das morgenländische Reich war
damals in Hinsicht seiner Vortheile eben so gleichgültig
als sich das türkische gegenwärtig über die einigen wenig
aufgeklärt zeigt. Constantinopel diente damals bloß
zur Bereicherung und Vergrößerung fremder Mächte und
war, wie jetzt, der Mittelpunkt des Handels. Aus Nors
den, Süden und Westen begiebt man sich heutzu Tage
dahin; jede Nation schickt Abgeordnete dahin, um auch
feinen Antheil an dem Gewinn zu haben, den die Tür
ken nicht zu benutzen verstehen. - - - -

* Die Küsten, welche wir vor Augen haben, und die -

sich in einer düstern Entfernung verlieren, sind die Kün


fien des alten Königreichs Bithyniens, welche die
Mahomedaner mit so vielen andern Provinzen unter
dem Namen Anatoliens vermischt haben. Zahlreiche
Heerden, fruchtbare Getraidefelder, besonders Berge,
welche Holz im Ueberfluffe zu allen Arten von Gebrauch
hervorbringen, machen feinenHauptreichthum aus. Hier
auf kommen in derselben Richtung die Küsten von Pa
phlagonien, wo Sinope zwar noch steht, aber
bloß Trümmern aufzuweisen hat. Diese Stadt scheint
den Othomanen ihren Hafen als eine Werfte anzu
bieten, wo sie vermittelt des Holzes, Theers, des
Hanfs und aller ersten Stoffe, welche die umliegenden
Gegenden liefern, zahllose Flotten bauen könnten. -
Jenseits. Sinope findet man Trapezunt, das
einst die Hauptstadt eines fast unbekannten Reichs war.
Das Land hat Ueberfluß an Kupfergruben, aber so reich
auch ihre Adern find, so wird ihre Bearbeitung von ih
ren trägen Besitzern doch sehr vernachlässigt. :…“ - -

- In der Richtung nach Nordosten liegt Colchis,


dasder Phafis bewäffert und das von Iberien durch
die hohe Gebirgskettedes Caucasus getrennt ist. Diese
ganze Strecke wirdvon Nationen bewohnt, bei denen die
Verfittlichung gar nicht Wurzel schlagen will. Man
könnte beinahe sagen, diese Länder fein dazu, bestimmt,
der Barbarei auf immer zur Wiege zu dienen. Heut zu
Tage sind die Völker, welche sie bewohnen, die Geor
gier, die Circaffier, die Mingrelier, die Lazen,
und die Abazen, welche keine bestimmten Begriffe von
Religion, keine Kenntniß von dem gesellschaftlichen Vor
trage und vom Völkerrechte haben. Oft erklären sie ich
- -
einander den Krieg, aus keiner andern Ursache, als um
Gefangene zu machen, und diese nachher an andere Na
tionen zu verkaufen, welche ihre Uneinigkeiten benutzen.
Hier kaufen die Türken ihre Sklaven; auf Kosten dies
fer Gegenden füllt man jene schimpflichen Märkte in der
Hauptstadt und den vornehmsten Städten des osmani
fchen Reichs an. Von hier beziehen,die Harems die
Unglücklichen, die in den Händen der Mahomedaner
weniger zu beklagen sind, als in jenen ihrer Anver
wandten und die leicht die barbarischen Eltern vergeffen,
die sie ohne alle Rücksicht auf die Stimme der Natur
verkauft haben. Dies unglückliche Land befindet sich in
Ansehung des Morgenlandes in derselben Lage, wie die
Küste von Guinea gegen Amerika,
Diese Völker, welche von Gewerbe Jäger sind, lie
fern in den Handel in Menge Pelzwaaren, Wolle und
viele andere Artikel, deren Werth sie befer kennen, als
jenen ihrer Kinder. Vor dem Friedensvertrage zu Bus
charest *) waren fie. Unterthanen der Pforte, allein da
diese durch ihn ihr Land bis an den Phafis verlor,
kamen sie unter den russischen Scepter. Indessen führen
fie ein zu unabhängiges Leben, als daß man behaupten
könnte, sie erkennten einen Herrn an. - -

Das azowsche Meer, das eigentlich ein großer See


ist, welches wegen feiner Untiefen schwer zu befahren ist,
wird jedoch von Schiffen besucht, welche Tangarock
und die Ausfuhrartikel des Tanais in großer Menge
dahin ziehen. Diese bestehen in Eisen, Pelzwaaren aus
- -- --- -- ,

*) Den 16. Mai 1812, . . . - - - - - - - -


- 30 =

Siberien, und vortrefflichem Getraide. Die Schiff,


welche den immerischen Bosphorus besuchen, müffen - -

einen Weg zwischen den Sandversperrungen einschlagen,


wo man die größte Tiefe mit dem Senkbleibloß42 Fuß
findet; oft ist zu wenig Waffer für die Schifffarth, so
daß die Fahrzeuge, welche zwölf Fuß tief gehen, einen
Theil ihrer Ladung nach dem Eingange der Meerenge
schicken und ihn da auf sich warten lassen müffen.
In dem Don oder Tanais, welcher diesem Meere
das meiste Waffer zuführt, treibt man einen fehr reichs
lichen Störfang. Die Störe find durch die Zartheit ihr
res Fleisches und durch ihre Eier bekannt, welche ver
möge einer gewissen Zubereitung in der Levante und
in Italien so gesucht werden, wo dieses Reizmittel der
Eßluft unter dem Namen Caviar bekannt ist. - - -

- Die Krimm, welche man als erst seit kurzem aus


dem Meere hervorgegangen ansehen follte, ist so ergies
big als ein neues Land. In Menge bringt fie. Getraide
hervor, das die Schiffe aller europäischen Nationen nach
Constantinopel, dem Archip e lag us, nach
Frankreich und nach Malta für England schaffen
- und dafür getrocknete Früchte, Weine und Oele mit zur
rückbringen, welche diesen Gegenden abgehen. An dieser
Küste stehen den Schiffen, welche dahin kommen, zwei
Häfen offen. Kaffa sonst Theodofia, wird am
meisten besucht, weil es sich an der Theilungsspitze der bei.
den Meere befindet. Indeffen hat es bloß eine Rhede,
so wie Koslow, welches nachher kommt und haupt
fächlich zur Niederlage für das Salzund den kleinen Theil
von Getraide, des eingesalzenen Fleisches, der But
-- 31 -,

ter, u.f, w, dient, der nichtzur Ausfuhr den Weg nach


dem ersten Hafen genommen hat. Die Kriegsseemacht
hat sich ausschließlich die Häfen von Sebastopel und
Baluk - Lava als die sichersten Ankerplätze vorbehalten.
- - - So viel Sorgfaltdie Kaiserin Catharina II. und

ihre Nachfolger auch aufdie Krimm gewandt haben, so


hat sie doch an Einwohnern vieldurch Auswanderungenver
loren, seitdem sie unter Rußland steht. Die mahome
danischen Völker wollen sich nicht unter die Befehle derer
fügen, die einen andern Glauben haben, so mild auch de
ren Regierung feyn mag. :

- Nunmehro sind wir an dem Dinepr (Dnepr)


und Dniefter (Dnestr) angelangt: wie viele Reich
thümer führen diese Flüffe nicht dem schwarzen Meere
zu, und wie viele verschaffen fiel dafür den Provinzen,
durch welche sie ihren Laufnehmen! Getraide, Pelzwerk,
Bauholz, Leder, Talg, Hanf, Wolle, Wachs, Honig,
und andere Artikel, deren Aufzählung gar kein Ende ha
ben würde, kommen in Menge nach Odessa, Cher
fon u. f. w., wo man einen einträglichen Tauschhandel
treibt, und dafür Natur- und Kunsterzeugniffe erhält,
Vorzüglich macht bei diesem Tauschhandel der Rauchtas
back einen großen Theil aus, welchen die Türken das
hin schaffen, die ihn aus Macedonien, aus den
Paschalik von Janina, aus Syrien und einigen an
dern asiatischen Provinzen bekommen. … …
Das alte Thrazien, das einst von einer kriegeris
fchen Nation bewohnt wurde und wegen seiner frucht
baren Ebenen die Kornkammer von Con stantinopel
feyn könnte, ist äußerst schlecht angebaut. Dieß, ist das
-
- 32 –
Werk des Despotismus, der nichts als zerstört, und wo
er seinen Fuß hinsetzt, die Länder mit unfruchtbarkeit
heimsucht. i

Jenseits des Hämus bespült das schwarze Meer


die Küsten der Provinzen, die bei den Alten unter dem
Namen von Dacien bekannt waren. Durch die frucht
baren Gewäffer der Donau wird in diesem Becken
Fruchtbarkeit verbreitet. " " - "

Die Fahrzeuge, welche von Constantinopel aus


den Weg nach Odeffa nehmen, können, wenn sie von
wiedrigen Winden geplagt werden, nur in einer kleinen
Anzahl von Häfen oder vielmehr Rheden einen Zufluchts
ort fuchen; denn das schwarze Meer enthält wenig
Sicherheitsörter, besonders an den westlichen und nörds
lichen Küsten. Zuerst finden sie hinter dem Cap Niada
an der Küste von Bulgarien einen Ankerplatz, der
gegen Norden geschützt ist; dann in dem GolfPharos,
der in der That den Namen eines Hafens verdient,
verschiedene Zufluchtsörter, die insgesammt sicher sind;
weiter hin kann sie Varna auf seiner Rhede aufnehmen,
wenn nicht etwa der Ostwind stürmt, welcher das Meer
unbefahrbar macht; nunmehro kommt ein kleiner Meer
bußen, der gegen Norden hin, durch das Cap Ghe
legra gesichert ist; wenn die Schiffe blos neun Fuß
tief im Waffer gehen, so öffnet ihnen die Donau ihre
Mündungen, wo sie Sicherheitgenug finden, wenn sie
über die Sandbank hinweg sind, welche den Eingang
versperrt. Weiter hin giebt es keinen Zufluchtsort als für
kleine Fahrzeuge Ackerman an der Mündung des
Dnieftr. - - . .. . . . . . . .. .
. .
als 33 -

" Was die Fahrt aufdem schwarzen Meere beschwer


lich, ja oft gefährlich macht, das ist der Kampf der
Winde, welcher in einem so engen Raume mothwendig
entstehen muß; das sind die verschiedenen Strömungen,
welche da herrschen ; das häufige Aufeinanderfolgen der
Wellen, die fich hier bei weiten nicht so ausbreiten köns
nen, als auf dem Oceane und die Schwierigkeit für
die Schiffe, die Mündung des Kanals zu finden, wenn
die Nord-oder Ostwinde mit Heftigkeit wehen; denn in
diesem Falle kann man wegen des Dunstes in der Alt
mosphäre die Küste nicht mehr erkennen; der Steuermann
kann aus der Strömung kommen und dann läuft das
Fahrzeug Gefahr, zu Grunde zu gehen oder wenn es
noch Zeit zum Herumdrehen des Schiffs ist, so braucht
man oft mehrere Tage Arbeit, um wieder auf den rech
ten Weg zu kommen.
Die Cyanälen von Europa sind für die Fahra
zeuge, welche ihnen zu nahe kommen, furchtbare Felsen;
der Gipfel des drohendsten erhebt sich im Angesichte des
europäischen Leuchtthurms. Hier findet man noch eine
Marmorsäule aufrecht stehend, welche der große Haufe
die Pompejusfäule nennt und welche nach der Bes
hauptung einiger Gelehrten zu Ehren des Augustus
errichtet sein soll; Andere glauben, sie sei dem Apollo
geweihet gewesen. Wegen ihres weißen parischen Mara
mors, der mit der schwärzlichen Farbe des Felsens so
auffallend contrastiert, welcher ihr zum Fußgestelle dient,
fällt sie sogleich in die Augen. Ihre cirkelförmige Ge
falt, ihre geringe Höhe, jene Guirlande mit Blumen
gehängen, oben mit Apisköpfen, welche sich mit so
- 3
- 34 -
vieler Anmuth um fie herumschlängeln, giebtzu der Ver- -

muthung Veranlaffung, daß sie ein Votivaltar, der fein


Opferbret eingebüßt hat und vielleicht zu Ehren des Got
tes der Meere errichtet fey. Diese Meinung wird auch
noch durch die Stelle bewährt, wo sie steht, nämlich
- auf einer Klippe am Eingange eines fürmischen Meeres.
Gegen diese Behauptung streiten jedoch die Spuren von
Aufschriften, welche ältere Reisende daran gefunden haben,
wollen, aber sie sind auf jeden Fall zu zweifelhaft, als
daß man etwas Gewifes zu Gunsten einer andern Meis
nung folgern könnte. -

Buyuk-Dere wird im Sommer von Franken


bewohnt; auch bringen mehrere fremde Gesandte daselbst
die schöne Jahreszeit zu. Unter den Palästen, welche
dies Dorf verschönern, bemerkt man den Palast des
russischen Gesandten, der fich jedoch mehr durch feine
Gärten, die geräumig und schön eingetheilt find und fich
in einer glücklichen Lage befinden, als durch das Ge
bäude auszeichnet, das im Innern weit besser eingerich
tet feyn könnte; äußerlich sieht es gut aus.
Der französische Gesandte hält sich im Sommer zuk
Therapia in dem Palaste auf, welchen der Sultan
Selim III. der französischen Regierung als einen Bes
weiß feiner Gewogenheit geschenkt hat. Die Gärten
haben mehrere bezaubernde Aussichten. Schöne Anpflan
zungen von Fichten, Linden und Platanen, welche die
-
Terraffen beschatten, wovon sich. Eine über der Andern
bis zum Gipfel des Bergs erhebt, gewähren die reizend
fen und erfrischendsten Spaziergänge. Dieses Haus ist
ohnstreitig in Hinsicht feiner Lage, der Zugehör und der
- 35' –
reinen Luft, die man hier einathmet, das Erste am
Bosphorus, so wie Therapia das angenehmste
Dorf unter allen denen ist, welche diese Ufer verschönern,
da es nichts von dem Zwange weiß, welche Buyuk
Dere die Etiquette auferlegt, so wie von den Unan
nehmlichkeiten, denen man in Andern ausgesetzt ist;
denn es ist das einzige Dorf, das keine Mahomeda
ner zu Einwohnen hat. -

Der Fischfang ist für die Bewohner der Ufer des


schwarzen Meeres auch von großem Vortheile, weil sich
zahllose Arten von Fische darin aufhalten, deren Fleisch
zwar nicht den angenehmen Geschmack derer im atlanti
-fchen und im mittelländischen Meere hat, da sehr viele
Flüffe in diese fließen, jedoch ist es sehr fein und zart.
Im schwarzen Meere herrschen periodische Winde,
welche beständig wehen und besonders die Rückfahrten
nach Constantinopel begünstigen. Selten kann ein
Kauffartheischiff, das diese Hauptstadt verläßt, jährlich
drei Reisen nach Odessa machen; denn ohne die Zeit
in Anschlag zu bringen, welche feine verschiedenen Las
dungen erfodern, kann es bei einer Abreise ganze Mo
nate lang durch die Nordwinde aufgehalt in werden, die
im Sommer herrschen, und bei der Rückkehr darf es
sich nicht von dem Eise des Winters überraschen lassen.
Indeffen sieht man seit einiger Zeit Schiffscapitäne,
welche sich jedoch in dieser Jahreszeit auf das schwarze
Meer wagen und eine dritte Reise versuchen, welche ins
mer gefährlich ist. Nach Tangarok kann man jähra
lich höchstens zwei Fahrten machen. Eine Menge Fahr
zeuge begiebt sich mit Ballast dahin, weil die Einfuhr
-
- - 36 –
der Ausfuhr bei weiten nicht gleich kommt. Zu dieser
Fahrt bedient man sich Schiffe von jeder Größe,wovon
Einige wegen ihrer Gebrechlichkeit für die Mannschaft
Besorgniffe erregen. Unter denselben bemerkt man viele
Volischen, die sowohl mit Griechen als mit Türken
bemannt sind und viel Aehnliches mit den Schiffen der
Alten haben. -

Die russische und türkische Flaggen trifft man am


häufigsten aufdiesem Meere an. Unter der Ersten segelt
eine große Menge Griechen aus dem Archipelagus,
wozu auch noch alle Ueberläufer von den Nationen kom
men, welche mit Rußland oder der Pforte Krieg ge
führt haben. Seit dem Friedenstage, welcher den
ägyptischen Krieg beendigte,*) hat Frankreich mit fei
ner Flagge den Eingang ins schwarze Meer erhalten.
Die übrigen Mächte genoffen dies Recht schon, besonders
war dies mit Rußland und Oestereich der Fall,
welche das größte Intereffe an diesem Vortheile hatten.
Das schwarze Meer ist. Eine der besten Gelegenheiten
zum Absatze für unsere jüdlichen Häfen, aber der Vor
theil, den es uns gewährt, steht in gar keinem Verhält
niffe mit dem unermeßlichen Gewinn, welchen Ruß
land davon hat, daß es durch den thracischen Boss
phorus fahren und in feinen neuen Anlagen die frems
den Schiffe aufnehmen kann. Das othomanische Reich
muß entweder in den letzten Zügen liegen oder feine
Verblendung muß grenzenlos sein, daß es die Durch
*) Den 25. Juny 1802. Die Friedenspralimirarien waren
schon den 9. Oct. 1801 abgeschloffen worden, D. Web
• VW
-
- 37 – -

fahrt durch eine Meerenge gestattet hat, welche es be


herrscht und ganz kaltblütig eine Mitbewerbung ansieht,
welche jede andere Macht an ihrer Stelle bis aufs
äußerste versagt haben würde. Welche Reichthümer
würde es sich nicht durch diese unerschöpfliche Quelle vers
schaffen, wenn es sich seiner zahlreichen Häfen an ans
dern Meeren als Niederlagen bediente, die es durch
seine eigenen Fahrzeuge mit den Erzeugniffen des schwarz
zen Meeres versorgte und von wo ganz Europa Waas
ren holen würde? Unstreitig würde Rußland, dessen
Wohlstand auf dem entgegengesetzten Systeme beruht,
der Ausführung dieses so leicht zu faffenden Entwurfs
Hindernisse in den Weg legen, allein die Apathie der
türkischen Regierung verhindert nicht weniger selbst die
Entwickelung der Kräfte ihres Landes. Auch verdient fie
mit Recht großen Tadel wegen des Fehlers, den nicht
veinmal die Nothwendigkeit verzeihlich macht, daß man
sie sich auf Kosten der Ackerbauer wegen der geringen
Vortheilezu entschädigen sieht, welche sie von dem Handel
mit den Ausländer zieht, indem sie für die Ersten die
Zölle, welche sie von den Andern erhebt, verdrei- und
vervierfacht; sie thut also gerade das Gegentheil von,
dem, was der gesunde Menschenverstand lehrt und was
hei andern Nationen eingeführt ist, welche richtige Bes
griffe von der Staatswirthschaftslehre besitzen. Ein ande
rer Vorwurf, über welchen sie ebenfalls erröthen sollte,
ist der, daß ihre zinnshare Unterthanen entwischen, zu,
tausenden sich der russischen Flaggen bedienen und als
dannSerails
des diese feindlichen Fahnen selbst unter den Mauern
wehen laffen. - v
. . . . . .

– 38 –
Fragt man, wo der Gewerbfleiß im türkischen Reiche
ist, so muß man zur Antwort geben, daß er durchaus
keine Fortschritte macht, sondern alle Tage noch mehr
abzunehmen scheint; dies bemerkt man vorzüglich seit der
Absetzung Selims III., der ihn aufzumuntern fuchte.
Die Erzeugniffe der Türken werden größtentheils von
den Ausländern roh ausgeführt, welche fiel ihnen als
dann verarbeitet wieder zurückbringen: dies ist der Fall
mit der Wolle, der Seide, dem Ziegenhaar *) und der
Baumwolle, welches die vornehmsten Artikel der"Aus
fuhr find, Doch verfertigt man zu Smyrna und zu
Salonichi ziemlich schöne Teppiche; zu Angora, ei
nen Zeuch von sehr feinen Ziegenhaaren; zu Bruffa
verschiedene andere Arten von Zeuchen von Seide und
Baumwolle, zum inländischen Gebrauche, so wie etwas
wenig Muslin von gewöhnlicher Art; zu Confitantis
nopel gedruckte, ebenfalls gewöhnliche Musline, welche
an Ort und Stelle verbraucht werden. Die meiste Thäs
tigkeit bemerkt man auf den Inseln des Archipelagus,
deren Manufacturen mehrere Artikel züm Verbrauche lie
fern, und welche die Seide, Baumwolle und Wolle als
rohe Stoffe verarbeiten. -

Seide baut man in Menge in dem alten Bithys


nien, in Morrea und aufden Fluren von Smyrna.
Dieser Handelsplatz ist die Hauptniederlage derselben.
Die Baumwolle bezieht man aus Macedonien, Sy
rien, und den Bezirke von S myrna, die Wolle und

*) Wahrscheinlich dem Haare der Angoraziege.


- D. Uebs,
-

- 39 –
- -

die Ziegenhaare kommen vorzüglich aus den Provinzen,


welche ans schwarze Meer grenzen. Die Artikel, welche
- die Türkei noch außerdem in den Handel liefert, find
Weyrauch, Droguereiwaaren und Galläpfel, die mit
Caravanen aus Oberafien kommen." Von Frank
reich erhält fie im Süden und in Belgien verfertigte
Tücher, Seiden- und Posamentirwaaren, Gold- und
Silberlahn, von Lyon; von Orleans Fezen (wollene
Käppchen für beide Geschlechter); von Paris Uhren u.
f, w.; aus Italien seidene Zeuche, Papier und einige
geringe Artikel, welche ihr Florenz, Genua und
Venedig liefern; aus England einen kleinen Theit
von Tuch, aber viel Quincailleriewaaren, Zucker, Kaffee
und andere Colonialerzeugniffe; aus Teutschland Lein
wandt und Muslime; die Letztern liefert Sachfen;
Quincailleriefachen, denen man wegen des Preises vor
den englischen den Vorzug giebt und einige andere Mas
nufakturwaaren. Rußland ist jedoch die Macht, welche
die Türkei wegen seiner Pelzwaaren, feines Getraides,
feines Eisens und feiner Erzeugniffe aller Art am meis
fen benutzt, die es gegen baares Geld austauscht, das
die Türkei im Handel mit andern Nationen bekommt,
welche nicht die Ausfuhr durch die Einfuhr ausgleichen
können. Persien und Indien bekommen ebenfalls
einen großen Theil von ihren eonventionellen Reichthü
mern, indem sie keine Waaren für die kostbaren Artikel
nehmen, welche sie ihr in Menge liefern. Die vornehm
ften Handelsplätze der Türkei sind Constantinopel,
. Salonichi, Smyrna, Haleb, Bruffa, Angora,
… Frapezunt, Bagdad, Basra, Kahira, Alexans
-
– 40 –.

drien, Canea, Adrianopel, Varna, Bukarest


und Galaß. Hierauf kommen viele Andere an den
Küsten von Syrien, Cypern, Candia, demfchwarz
zen Meere und im Archipelagus. - -

- Könnten die Griechen ihren Naturanlagen einen


freien Schwung geben, so würde das osmanische Reich
bald den andern Mächten im Gewerbfleiße gleich kommen;
fie und die Armenier sind zu dessen Betreibung hin
reichend und man würde die Unthätigkeit der herrschens
den Nation kaum gewahr werden. Wie mächtig würde
alsdann dieser Staat wegen der Menge der Metalle seyn,
die er feinen Nachbarn entziehen würde! Man bedenke
nur ein weit ausgebreitetes Gebiet; die Mannichfaltigkeit
der Erzeugniffe seiner in drei Erdtheilen befindlichen,
Provinzen, die Menge seiner Arme, die zur Faulheit
oder wenigstens nur zu einer mittelmäßigen Anstrengung
verdammt sind, die Reichthümer, die er erndtet, und
man wird sich eine Vorstellung von der Macht machen,
können, welche die Türkei besäße, wenn sie in den
Händen eines fleißigen Volkes wäre
Dionysius der Byzantinermeldet nach einer
alten Sage, die Cyanälen, welche Symplegades
hießen, fießen aneinander. Strabo erwähnt zweier
Cyanäischer Inseln, die Eine von Europa, die Andere
" Wiffen, welche 20 Stadien von einander entfernt
sind. Diese Entfernung scheint ziemlich richtig, wenn
man aufdie Meile (mille acht Stadien annimmt. Der
Name Cyan ää kommt davon, her, daß die Alten in
diesen Inseln eine Aehnlichkeit mit der blauen Kornblume
E") zu finden glaubten. Diese Aehnlichkeit rührt
-

-
– 41 –

von der Strahlenbrechung des Meeres, besonders von


dem thonigen Anstriche der Aufknäulungsmaffen her,
welche unter den Bestandtheilen dieser Felsen vorkommen.
Auf dem europäischen Cyanäenfelsen errichteten die Rö
m er nach Strabo dem Apollo einem Altar; Peter
Gilles las in der lateinischen Aufschrift, welche dieser
Marmor führte, noch den Namen C. Cäsar. Derselbe
war damals schon so verfallen, wie jetzt. Der französis
jche Reisende stimmt mit dem griechischen Schriftsteller
darin überein, daß er die Weihung dieses Denkmals
dem Apollo zuschreibt, weil man den Lorbeer in der
Guirlande erblickt,

Von jeher haben die Nationen, welche zwischen dem


Caucasus und dem schwarzen Meere leben, Mens
fchenhandel getrieben; heut zu Tage werden die jungen
Mädchen, welche man auf dem Markte zu Constan
tinopel zum Verkaufe ausstellt,zum Theil durch Räu
ber gefohlen, welche sich bei den Brunnen in Hinter- -

halt legen und die Alten zurückschicken, die jungen aber


an Kaufleute verkaufen; der andere Theil wird eine
Beute des abscheulichsten Geizes, indem sie ihre Eltern
selbst verkaufen. - - - -
Dritter Spaziergang.
Aeußere Ringmauer von Constantinopel und die
sieben Thürme.
Beschreibung der Mauern, fo wie der Alters -
thümer, welche man daran bemerkt – die
Häfen des Julianus und Theodosius – die
- fieben Thürme und die vergoldete Pforte –
Mildthätigkeit der Osmanlis– Ausführliche
-
- - topographische Nachrichten über den Isthmus,

Constantinopel, deffen Umfang das Auge kaum


übersehen kann, und das eine glücklichere Lage als Rom
hat, enthält innerhalb einer Ringmauern auch sieben
Hügel, welche von einander durch geräumige Thäler ge
- trennt find; es entvölkert die fernen Provinzen, um den
schrecklichen Verlust wieder zu ersetzen, den nothwendig
eine ohne Ordnung auf einander gehäufte Volksmaffe er
leidet. Beim erfen Anblicke scheint es eine Weltzu seyn,
- deren Grenzen zu finden man nie so glücklich ist.Allein
wenn man von außen herumgehet, so findet man, daß
man in fünfter halber Stunde diesen Weg bequem zu
rücklegen kann; jedoch darf man daraus nicht schließen,
daß sein Umfang geringer als 18 italienische Meilen
(44 teutsche Meile) fey. Da man aber den größten Theil Y,

des Wegs zu Schiffe auf einem Meere macht, defen


Strömungen das Rudern begünstigen, so muß man ge
nau aufdie Zeit, die man erspart und auf die Schnell
ligkeit acht geben, mit der man diese Reise zurücklegt.
-
-
/

- 43 -

Confantinopel befindet sich übrigens bei weiten


nicht ganz innerhalb einer Mauern; die Menge von
Häusern, die an den Ufern des Bosphorus hinstehen
und mehrere Städte ausmachen, welche fich sonst durch ihre
Gesetze und Gebräuche von einander unterschieden, ge- .
hört jetzt auch dazu. Sein Ganzes entspricht übrigens
sehr gut diesem erhabenen Anblick und so groß die Idee
auch feyn mag, die man sich von dieser Stadt gemacht
hat, so bemerkt man doch mit Erstaunen, daß sie noch
hinter der Wirklichkeit zurückbleibt. Will man jedoch die
Eindrücke rechtgenießen, welche dieses entzückende Schaus
spiel verschafft, so muß man Constantinopel zum
erstenmal von der Spitze von Chalcedon aus betrach
ten, wenn es an Einem der Sommertage durch die
Strahlen der aufgehenden Sonne erleuchtet wird, wo die
Luft von Dünsten gereinigt ist und man eine weite Auss
ficht hat. - -- -
- Aendert diese Stadt auch ihren Gebieter, so verän
dert sich doch nicht ihr Geschick; sie scheint dazu be
stimmt, die Reiche zu überleben, welche sich zu ihr in den
Tagen ihres Glanzes gesellen. In ihren Einzelnheiten
gewährt sie indessen nicht die Schönheiten, die ihr eine
die Künste liebende Nation ohne Mühe hätte geben kön»
nen, wenn sie die einfachen Geschenke einer freigebigen
Natur benutzt hätte. Will man ein strenges Urtheil
über sie fällen, so könnte man behaupten, fie fey nach
dem Plane von Samarcand angelegt. Wenn man
indeffen einen so strengen Ausspruch unterschreiben wollte,
so müßte man die öffentlichen Denkmäler nicht mehr vor
Augen haben, die durch ihre Schönheit und den erhas
- 44 -s

benen Charakter ihrer Formen mit allem wetteifern kön


nen, was anderwärts den Namen von Schön führt.
In den Zeiten ihres Glanzes öffneten sich in ihrem
Umfange 43 Thore, und von diesen gingen als eben so
viele divergierende Strahlen jene öffentlichen Straßen aus,
auf denen die Boten nach ihren zahlreichen Provinzen
gelangten. Ihre Mauern schüzten mehrere Häfen, und
enthielten, eine ununterbrochene Reihe von Häusern, von
denen man nur noch unförmliche Ueberreste findet. Der
gute Geschmack arbeitete nicht mehr an ihrer Verschönes
"rung, als sich die Osmanlis ihrer bemeisterten; statt
der Circus, Theater, Triumphbogen und Gymnasien er
richtete man bloß noch kalte Denkmäler, wozu die aus -
geartete Kunst die Entwürfe machte. Ihre Bestimmung
ist, der Sitz eines großen Reichs zu seyn; denn nur dies
fes kann eine solche Hauptstadt erhalten, die bei einen kleis
nen Staate zu Grunde geht.
Heutzu Tage ist Constantinopel noch bevölkerter
als es unter der Herrschaft der Griechen war. Jedoch
verdankt es eine Vergrößerung nicht den Aufmunterung
gen, die man dem Gewerbfleiße gewährt, sondern einer
Folge von der Neigung, welche die Städte jederzeit in
despotischen Regierungen äußern, fich auf Kosten des
platten Landes zu vergrößern. Die Menge und die Ver
geffenheit sind in einem solchen Falle das, was man als
die besten Bürgen der Sicherheit ansieht. Alle diejeni
gen, welche so viel Vermögen haben, daß sie die Blicke
der Habgier auf sich ziehen, fuchen um den Thron her
-

Schutz gegen die Verfolgungen in der Provinz.


- - - Am Fuße ihrer Mauern auf der Hafenseite stehen
-
Häuser, die fich bis an den Strand des Meeres erfreke
ken. Auf diesem Rande liegt auch der Fanal, welches
Quartier von den Griechen bewohnt wird; betrachtet
man diese Anordnung, so sieht man leicht ein, daß die
Sieger die Stelle der Besiegten eingenommen haben, und
daß diese einen Zufluchtsort außerhalb ihres väterlichen
Aufenthalts haben fuchen müffen.
Constantinopel steht mit auswärts bloß noch
durch zwanzig Thore in Verbindung, wovon sieben nach
dem Hafen, fieben nach der Propontis und die sechs
übrigen nach der Landseite zu gehen. Keines zeichnet sich
durch feine Bauart aus; die Moscheen, die Bäder, die
Kiosks, die Brunnen, die Spitäler und die Grabmäh
ler find die Gebäude, worin die Othomanen Pracht
zeigen. Selim III. war der Erste, der sie auch in
einer andern Art entwickelte. -

Schifft man sich am Todtenplatze (echelle des


morts) ein, um von außen her um die Stadt zu gehen,
fo fährt man, ehe man um die Spitze des Serails
kommt, an der schönen Moschee hin, welche die Muts
ker Mahomeds IV. hat erbauen laffen und welche den
Namen Jeni - Dgfchami führt; man erkennt sie an
ihren beiden vergoldeten Minarets. Darauf bekommt
man Jali - Kiosk, der am Fuße der Ringmauer des
Serails steht und worin der Sultan dem Capuld an
Pascha die Abschiedsaudienz erheilt, wenn dieser im
Begriffist, im Archipelagus zu kreuzen, und Mer
mer - Kiosk zu Gesichte, den man an den Säulen von
Verdeantico erkennt, auf welchen er ruhet. So sehr
man auch die Leichtigkeit dieser Gebäude bewundert, so
A

verweilt das Auge doch mit Lust auf der glücklichen Mis.
schung von Bäumen und Häusern, welche dem Serail
ein Ansehen von bezaubernder Anordnung giebt.
Mitten unter den Gebäuden, welche an den Seiten
des Hügels und oben auf demselben stehen, welcher in
feinem Umfange begriffen ist, steigt eine Säule mit ei
nem corinthischen Capitale in die Höhe; eine anziehende
Erinnerung , welche dem Andenken des alten Constan
tinopels geweihet ist und stolz daraufzu sein scheint,
daß sie von den Menschen und der Zeit verschont wor
den ist. Diejenigen, die so glücklich gewesen sind, in
ihre Nähe zu kommen, haben an ihrem Fußgestelle fol
gende Aufschrift gelesen: Fortunae reduci ob devictos
Gothos. Sie wurde, wie man sieht, zu einer Zeit er
richtet, wo sich die Griechen durch die Barbaren nicht
in Schrecken setzen ließen. Aus allem kann man abneh
men, daß man sie unter Theodosius dem Großen
zum Andenken eines Siegs über die Gothen errrichtet
hat, dessen Erfolge zum Nachtheile des Reichs ausfielen
und feinen Ruhm durchaus nicht erhöheten. Einige be- -

haupten, aber ohne ihre Meinung gehörig zu rechtferti


gen, es fey die Säule der Gemahlin des Justinia
",
mus, Theodora. -
An diesem Theile sieht man in den Mauern mehr
rere Bruchstücke von Säulen, die man aus den durch
die Othomanen entweder vor oder nach der Belage
rung zerstörten Tempeln und Palästen weggenommen
hat. Auch ist es nicht unmöglich, daß dies die Grie
chen zur Zeit ihres Verfalles selbst gethan haben. Uebri
gens sind die Meinungen über diese Trümmern der Bau
---
-

– 47 – -

kunft geheilt, welche von dem Palaste des Marietta


mus und der Kirche des h. Erlösers herrühren,
sollen. -

In der ganzen Länge des Hafens hin, enthalten die


Mauern nichts Merkwürdiges in Hinsicht der Aufschrif.
ten und der Spuren von Baukunst. Am Fuße derer,
welche die Spitze des Serails einschließen, sind Schupa
pen, unter denen man Kanonen in Batterien stehen sieht,
womit man den Bayram und die Geburt der Kinder
vom kaiserlichen Blute verkündigt, allein mit mehr Vera
gnügen verweilen die Blicke auf dem Perlenkiosk,
der nach der Meinung. Einiger aufder Stelle der Ther,
men des Arcadius steht und sich sowohl durch seine
Marmorsäulen als durch die Schönheit seiner Bauart
auszeichnet. Baluk - Khana, ein hölzerner Pavillon,
der sich an die Mauern lehnt und den man weiter hin
findet, erregt eine andere Art von Intereffe durch die
Rolle, welche er beider Absetzuug der Großveziere spielt.
In dieser zum Nachdenken geeigneten Kammer erwartet
der in Ungnade Gefallene das Urtheit,das man über ihn
ausspricht und das ihn entweder zum Tode oder zur
Verweisung verdammt. -

Die Mauern sind mit viereckigen Thürmen versehen,


die in kleiner Entfernung von der Perpendicularlinie oder
dem Wurfe stehen und wie alle alten Ringmauern an
ihrem obern Theile ausgeschnitten sind. Hier findet man
in ihrer ganzen Reinheit und ohne die geringste Verän
derung durch die neue Methode die Bauart, welche bei
den Alten bei den Ringmauern ihrer festen Plätze ge
wöhnlich war. Ziegel und Steine wechseln im Mauer
– 48 – '

- werke mit einander ab, und die Höhe der Mauern ber
trägt dreißig Fuß. Hier und da bemerkt man Riffe, die
nicht sowohl das Werk der Zeit, als die Folge von Erd
beben zu feyn fcheinen und wodurch ganze Stücken
von Mauer den nahen Einsturz drohen.
Etwa zwei Meilen (mille) von der Seite des Sea
rails sieht man die Ringmauern dieses Letztern, an
dem Rücken des Hügels hin, den es umfaßt, laufen,
und von Gulab- Kiosk, der aufder Seite der Pro
pontis eine Grenze befimmt, ihre Richtung nach der
h. Sophienkirche hinnehmen. Jenseits findet man
Constantinopel in der ganzen Reinheit seiner Bau
art d. h. mit seinen gebrechlichen Häusern wieder, die
wie Holzhaufen gebauet find, so daß sich dasFeuer recht
fortpflanzen kann. Am Fuße der Mauern und in der
Nachbarschaft der Thore sieht man Heerden von Hunden
herumlaufen; diese Thiere, die keinen andernZufluchts
ort als die Straßen und öffentlichen Plätze haben, un
terbrechen oft durch ihr Geheul die Stille der Nacht, das
sich immer weiter fortpflanzt und fich in wenig Augen
blicken in allen Quartieren verbreitet. Trotz dieser für
die öffentliche Ruhe unangenehmen Einrichtung finden
die Ruhestörer doch Gnade bei denen, deren Schlaf sie so
oft unterbrechen, und wissen sie durch eine Art von Dank
barkeit oder Instinkt von den Franken zu unterscheiden,
die sie nicht fo günftig aufnehmen. *) Es ist ein gro

*) Vielleicht ist die Tracht hieran allein Schuld; denn in


Constantinopel behalten die Franken gewöhnlich
ihren abendländischen Anzug bei. -

D. Uebs. "
fes Glück, daß diese Hunde höchst selten von der West
serscheu befallen werden. - -
„ - Der Theil der Stadt, an welchem wir jetzt hin-
fuhren, enthält die alten Häfen des Julianus und
Theodosius, die nicht weit von einander entfernt lies
gen; der Erfie befindet sich beim Thore Jeni - Capu,
der Andere beidem Thore Daud - Pafcha. Das Meer
und der Schutt, den man aus der Stadt hineingeworf
fen hat, haben beide ganz ausgefüllt; im Falle einer
Belagerung könnten sie jedoch für die Stadt von großem
Nutzen seyn, wenn man die Flotte darin in Sicherheit
brächte, da der jetzige Hafen von allen Seiten dem feindlis
chen Feuer ausgesetzt ist, sobald sich der Feind der Anhöhen
an seinem nördlichen Ufer bemächtigt hat, allein die
Othomanen besitzen durchaus nicht so viel Vorsicht. -
- Die beiden erwähnten Häfen dürfen jedoch nicht als
etwas Ueberflüssiges für Constantinopel angesehen
werden, so geräumig und sicher auch der Chryfoceras
ist. Erstlich hat man sie aus Noth und aus politischen
ursachen angelegt, und zweitens, welche Bequemlichkeit
würden sie nicht den Kauffahrtheischiffen gewähren, die
nach dem mittelländischen Meere bestimmt sind, indem
sie nicht um die Spitze des Serails herumzufahren
brauchten! -

Noch sieht man einen Ueberrest von den Damme,


der den Hafen des Julianus einschloß; der zweite, der
viel geräumiger ist, ist mehr gegen die Westwinde ge
sichert, indem er von dieser Seite durch ein ziemlichvor
springendes Cap gedeckt ist.
„Bei Jeni-Capu befindet sich eine4Manufaktur
w- -
- 50 -

von gedruckten Muslimen, die von Armeniern anger


legt worden und geleitet wird. Diese für Constanz
tinopel neue Anlage muß gedeihen, wenn fiel die Re
gierung begünstigt oder ihr wenigstens kein Hindernißin
den Weg legt. - - -

. Von der Serailspitze bis zu den sieben Thür


mensenthält die Mauer eben nichts Merkwürdiges, aus
ßer, einige Aufschriften, welche in griechischer Sprache
sagen, daß , unter dem Kaiser .. . . des treuen Dies
ners Jesu Christi, die Mauern ausgebeffert worden
feyn,“ und abgebrochene Stücke von Säulen, die man an
der Grundlage d. h. vor der Ankunft der Türken auf
einander gelegt hat und bei Kun - Capu Ueberreste ei
nes alten Gebäudes, die man mit zur Mauer genoms
men hat und die vier Fenster mit Frontons zeigen; wo
von Einige dreieckig, die übrigen aber krumlinig sind,
und an deren Seite man zwei Löwen angebracht hat, von
denen dies Thor feinen Namen erhalten hat. Die Auf
merksamkeit wird aber bald durch den drohenden Anblick
des festen Schloffes gefeffelt, das auf der am meisten
vorspringenden Spitze des Dreiecks von Constan
tinopel steht, und das nach dem Zwecke seiner ur
sprünglichen Anlage zu seinem Schutze bestimmt gewesen
zu feyn scheint. - - -- - --

- Die Thürme dieses Schloffes beherrschen die Cour


tinen, die sie mit einander verbinden und die Schlacht
opfer, die darinnen geseufzt haben oder die damit bedros
het sind, entdecken sie nur in zu großer Entfernung.
Ich erinnere mich, daß ich bei ihrem Anblicke den Ja
nitscharen habe bleich werden sehen, der uns bei dem
-
A
--

– 54 -

Besuche begleitete, welchen wir ihnen machen wollten;


mit Schrecken zeigte er uns eine Schießscharte, durch die
man zwei von feinen Cameraden, deren Mitschuldiger er
gewesen, ins Meer geworfen hatte. - - :
- Die Gestalt dieser Festung ist ein Fünfeck mit fünf
runden Thürmen, zu denen man noch die beiden vier
eckigen Thürme gefügt hat, welche, was die goldene
Pforte anbelangt, zur Seite stehen. Hierdurch wird die
Zahl sieben vollständig, woher das Schloß feinen Namen
Jede" - Kulle hat. Sein Ursprung geht bis auf die
griechischen Kaiser zurück, die es nach den Umständen,
in denen sie sich befanden, bald einfallen, bald wieder auf
bauen ließen; daher konnte man es damals als das po
litische Thermometer des Reichs ansehen. Maho med II.
bauete es wieder auf und gab ihm das drohende Ans
sehen, das es haben mußte, um desto beffer feinen Zweck
Fü erreichen; heut zu Tage übertrifft sein Ruf die Ab
fichten seines letzten Erbauers.
Wir verfügten uns ans Eingangschor, um das In
nere des Schloffes zu untersuchen, besonders aber um die
Ueberreste des berühmten Triumpfbogenszu besehen, der
unter dem stolzen Namen „des vergoldeten Tho
res“ so bekannt ist. Während sich unser Drogoman
mit dem Kerkermeister besprach, um uns die Erlaubnis
zum Eintritte zu erkaufen, betrachteten wir das Fallgat
fer, das unsere Köpfe bedrohete, und wir heilten uns
einander unsere Gedanken über die sonderbare Gunst
bezeugung mit, um die wir uns mit so vielen Bitten
bewarben, und die so viele Andere nur zu oft erlangen,
ohne um die angehalten zu haben. Als eine Folge der
-

selben Sonderbarkeit, verweigerte man uns unser Gesuch


hartnäckig, weil die Regierung ausdrücklich verboten
hatte, durchaus niemanden ohne einen Ferman hinein
zu laffen. Wir untersuchten daher wenigstens von außem
die Spuren des Denkmals, das vorzüglich unsere Neu
gierde erregte. Was wir davon zu Gesichte bekamen,
das entsprach nicht unserer Erwartung; zwei Säulen von
zusammengesetzter Ordnung fützten den Ueberrest eines
Architrabs; andere fehr dünne Säulen, folglich von dem
schlechtesten Geschmack, fanden links und rechts von den
beiden Hauptsäulen, welche den Eingang ausmachen;
das Ganze befand sich so in den Mauern eingefaßt, daß
die Zeichnung vertilgt war. Dies hielten wir, wie sie
viele Andere, für den Triumpfbogen, den Theodo
fius, als ein Zeichen seines Siegs über den Maximus
errichtet hatte. -- - - - - - -
* … Ohnstreitig kostet es viel Mühe, ein von den Ge
schichtschreibern des spätern römischen Reichs so gepriesen
nes Denkmal an so entstellten Zügen zu erkennen, das
die Bildsäulen der stolzen Monarchen des Orients trug
wenigstens waren dies die Gedanken, zu denen mir das
mals der Gegenstand Veranlassung gab, und ich fühlte
mich nach dieser Schlinge geneigt, gegen alles Miß
trauen zu faffen, das sich aus demselben Zeitalter, hera
fchrieb, allein seitdem habe ich vermittelt eines Fermans
unter dem Schutze eines Mannes, dem sich alle Thüren
öffnen, Gelegenheit gehabt, das Innere der sieben,
Thürme mit Muse zu untersuchen. Bei diesem zwei
- ten Besuche sahen wir, daß das wirkliche goldene Thor
nicht dasjenige fey, das wir anfänglich dafür gehalten.
- 33 -
hatten, und daß dieses Letzte, welches zugleich mit der
zweiten Einfaffung erbaut ist, weit später als der
Triumpfbogen des Theodosius ist, wie man deutlich,
aus seiner Bauart sieht. . . . . . . . . . . . . . . . . .
nn. Wir haben uns aus sichern. Gründen überzeugt, daß
das goldene Thor:aus drei Eingängen bestand, wovon
der Haupteingang mit Pfeilern von Corinthischer Ordnung
für Flügelthürn versehen war; er war sechs Toien lang
und neun hoch. Die beiden Seiteneingänge waren von
derselbenOrdnung mit Frontons und hatten eine Breitevon
15 und eine Höhe von 30 Fuß. Diese Letzten sind zug
gemauert und die Flügelhüren nicht mehr an derselben
Stelle; das mittelste Thor ist vermittelt seiner Pfeiler
verkleinert worden. Vergebens würde man die Basre
liefs suchen, die Peter Gilles erwähnt, der siegesehen
hgt; nach ihm stellten sie die Arbeiten des Herauke
war; denn seit diesem Reisenden hat die Barbarei an
den byzantinischen Denkmälern noch weit mehrere Zerg
förungen angerichtet. 13 - um irg 1 : 3 : ni,
s: Von der Landseite wird Constantinopel von drei
Ringmauern vertheidigt, die einander beherrschen auf
den beiden letzten stehen Thürme und sie sind mit einem
Graben versehen, der jetzt in einen Garten verwandelt
ist. Die große Menge Ephzu, vor melcher,man sogar
die Gestalten der Thürme wicht erkennen kann, wo die
Hand der Zeitihre Spuren eingedrückt hat; die Feigens
und Lorbeerbäume, die fichiggs ihren Spalten, empar
heben und ihre Schiesscharten bekränzen; die großen Tod,
tenäcker, die man antrifft, wenn man nach dem Ufer
hinabgeht, wird die mit Cypreffen begianzt sind, welche
- - -
– 54 - - -
dem Wanderer bis in den Hintergrund des Hafens
Schatten gewähren und um Confantinopel eine leis -

chenartige Einfaffung bilden; die Einöde, und die Stille,


welche bloß durch Leichenzüge unterbrochen wird, denen
man von Zeit zu Zeit begegnet und die man sich in den
düßern Wald verlieren sieht, der voller Erinnerungen
ift, die Betrachtungen, auf die man beim Anblick des
alten Mauern geräth, welche vor beinahe vier Jahrhuns
dorten noch eine Nation enthielten, die sich so sehr durch
ihren Ursprung, ihre Religion und Sprache von derjeni,
gen unterschied, deren Banner man jetzt darauf wehen
ficht alles dieses erweckt, in dem Betrachter ein tiefes
Nachdenken, i - - -- - - - - - - - - - - -
- - Unter den Gegenständen, welche ihn wieder in die
W
Außenwelt zurückrufen, nimmt das Top- Capu, in
alten Zeiten das h. Romanus horitgenannt, die erste
Stelle ein. "Durch dasselbe drang: Mahomed II, mit
Feuer und Schwerdt in der Hand, in Confiantinöpiel
ein; bei der Vertheidigung der Bresche, die es die
fern hartnäckigen und schrecklichen Feinde zu eröffnen ge
hungrig war, kam auf eine heldenmüthige Art der Kaiser
Constantinus um und nahm mit sichin die Nacht des
Grabes den letzten Seufzer des mörgenländischen Reichs
hinaß. Alles, was den Wanderer umgiebt, spricht von
diesem tragischen Ereigniffe; er kann keinen Fuß auf die
fen Boden setzen, wo er nicht auf eine Stelle stößt, auf
der sich nicht Sieger und Besiegte herumgetummelt hätten,
- Bei dem Anblicke idieser dreifachen Ringmauer voll
Thürine ficht man nur zu deutlich, daß sich dasgriechische
Reich in seiner letzten Zeit bloß auf seine Hauptstadt bes
- 55. - --
schränkte, und daß es in Hinsicht seiner Sicherheit nur
noch aufMauern rechnen konnte. Wird man ihren gegen
wärtigen verfallenen Zustand gewahr, so sieht man leicht
ein, daß die Othomanen bisher noch nichts für ihre
Hauptstadt zu besorgen gehabt haben, oder auch, daß die
Wertheidigung die Sache der Einen und der Angriff jene
der Andern gewesen ist; allein die Zeit, wo die Letztern
diese Mauern wieder aufbauen und ihre Zuversicht auf fie
setzen müssen, scheint nicht mehr weit entfernt zu sein.
Indeffen thun sie doch nichts, um diesen mißlichen Zeit -
punkt noch länger hinaus zu schieben. * * * * * ** -
- -- - -- -

Nicht weit von den fieben Thürm en besten -

uns zu einem wunderbaren Brunnen, Namens-Ba


zuki, wo wir einen guten Muselman fanden, der
mit einem griechischem Papas die Erndte heilte, die
- daselbst auf Kosten der Neugierigen und Frömmler ges,
halten wird.„Es ist eine unterirdische Capelle, wo man
beim Fackelscheine einige Fische zeigt, die auf der einen
Seite gebraten sein sollen und von denen man eine Ge
schichte erzählt, die bloß für Leichtgläubige erbaulich seyn
kann, - . . . . . . . . . . . . . . . . .“
EinigeSchritte weiterhin sahen wir aufdem armenia
fchen-Todtenacker ein Denkmal, das, ob schon neu, doch
alles Intereffe alter Denkmäler hat, weil es an die Tui -

genden der ersten Jahrhunderte des Christenthums era


innert, defen: unerschrockenen Geist man noch oft im
Morgenlande antrifft. Es ist das Grabmahl des hoch
seligen Comidas, eines armenischen Geistlichen, der
in unsern Tagen hingeopfert und wegen seiner Beharra
- 56 -
ichkeit in der Wertheidigung des Glaubens unter die
Märtyrer gezählt wurde. Durch die Propaganda ges
wonnen, trat er zum römisch katholischen Glauben über;
feine Abschwörung empörte seine bisherigen Glaubensge
noffen außerordentlich. Die Sache nahm eine ernsthafte
Wendung; die Regierung glaubte sich darein mischen zu
müffen; der Großvezier beschied also den Neubekehrten
vor seinen Richterstuhl und nachdem er ihn vergebens
ermahnt hatte, zu einem vorigen Glauben zurück zu
kehren, ließ er Henker kommen und drohte ihm mit dem
Tode, wenn er sich noch länger weichere, allein er blieb
fandhaft und sein Kopf fiel seinem unerbittlichen Rich
er zu Füßen. Die Religion wird für die Gegenden,
von denen hier die Rede ist, immer die Ursache älter
großen politischen Ereigniffe und aller heldenmütigen
Handlungen sein, welche sie sehen werden. Diese Sache
gefällt sowohl denen, welche sie bewohnen, als den Mai
bomedanern, welche bisweilen mit denen, die ihnen
konf so verhaßt sind, auf dem Grade eines Märtyrers
zusammen kommen.
- -
- - - -
-

.. .
-

- -,
-
-

- - --- -
-

-
- -- - - - - -- -
-

-- - - - --

Wir gingen vor dem Thore von Adrianbpiel


Forbei, aus welchem zu den unseligen Zeiten der Pest,
oft leben, fo viel Todte als Lebendige herauskommen
Winfr. Dhr vernahm jetzt bloß den Hammerschlag der
Marmorarbeiter, die alle damit beschäftigt waren, Lei
chensteine für die Gräber zu behauen, welche die Pest
noch jeden Tag öffnete, ob schon in wenig Monaten
über zweimal binderttausend begraben worden waren.
Per Weg, den wir gingen, verschafte uns bei jedem
- 57 - -

Schritte neue Beweise von der großen Sterblichkeit, wo


bei ich nichts übertrieben habe, und wir fragten uns,
wie die erschöpfte Natur so viele Lücken wieder ausfüllen
wolle? Der Himmesstrich trägt zwar vieles zum Er
fatze dieses Verlustes bei, allein er ersetzt ihn doch nicht
vollkommen; daher ist es für einen Staat, der fo oft
dieser Geisel ausgesetzt ist, schwer, sich zu behaupten,
und zwar um so mehr, da die Provinzen immer den
- Abgang der Hauptstadt wieder gut machen müffen. - -
- -
- -
- - - - -
-- - - - - - -- -
- * - - - - „2

. . Unterwegs fiel uns ein Frauenzimmer an, das we


gen ihres Wahnsinns von allen denen mit Achtung bei
handelt ward, an welche es sich wandte, ohne sich eben
fo benehmen zu müffen. Die Wahnwitzigen und Blöd
finnigen werden aus. Grundsätzen der Religion von den
Maho medan ern, welche sie als dazu bestimmt an
sehen, mit außerordentlich vieler Menschenliebe behändelt:
Ist ihr Wahnsinn nicht mit Raferei begleitet, fo behals
ten sie ihre Freiheit und alle Thüren, selbst jene der
Paläste stehen ihnen offen. Sollte man es wohl, glau
ben, daß es wenige Nationen, ja wohl gar keine giebt,
bei der die Tugenden der Mildthätigkeit mehr geübt wer
den, als unter den schrecklichen Muselmännern,
deren bloßer Namen schon eine Art von Schrecken einflößt,
wenn man nicht Leute in der Nähe gesehen hat, welche
ihn führen? Freilich vergeffen sie oft diese Tugend, wenn
es Personen betrifft, die nicht zu ihrer Religion gehören
und entfernen sich durch eine falsche Auslegung des Koa
ran, der in mehrern andern Hauptpunkten unrichtig er
klärt wird, von den Absichten des Propheten oder übers
---

schreiten auch die Grenzen, welche der Islamism dem -

Religionseifer vorschreibt. Es ist also nichts Seltenes,


daß bei ihnen der Fanatismus jene menschenfreundliche
Denkart unterdrückt, welche sich gewöhnlich nicht unter
den Menschen zeigt; dafür aber können wir von ihnen
die Ausübung der Mildthätigkeit lernen, die man alle
Tage bei ihnen bemerkt. Sie nehmen nicht blos von
ihrem Ueberfluffe, um den Nothleidenden beizustehen,
sondern versagen sich sogar das Nothwendigste. Kein
Muffelmann wird von den Seinigen verlaffen; er hat
von ihrer Seite keine harten und kränkenden abschläglichen -
-, Antworten zu erwarten, die der nothleidende bei andern
Nationen nur zu oft erhält; ein Unglücklicher, mag, fein
Glaube sein, welcher er will, erregt auch jederzeit ihr.
Erbarmen. Der Almosenzehnten, der darin besteht, daß
man einen Theil von seinen Einkünften hergibt, so ge
ring sie auch seyn mögen, ist Eine der heiligsten Pflicht
ten des Islamism. Die Türken sind selbst gegen die
Thiere auf eine ausgezeichnete Art barmherzig, und die
Arten, die wir im hohen Grade als wild betrachten, leben
bei ihnen in einem vertraulichen Zustande, der sie ges,
wiffermaßen in Hauschiere verwandelt hat. Kehrt mit
dem Frühlinge die Zeit der Liebe zurück, so giebt man
einem kleinen Vogel den Auftrag, dem Großherrn das
Bittgesuch zu überreichen, der Jagd Einhalt zu thun
Der Bittende hat den Zettel am Halse hängen und der
Sultan sorgt für die Gewährung seines Gesuchs. Als
sich der jetzt regierende Sultan eines Tags auf den Ans
höhen am Bosphorus verirrt hatte, konnte er seinen
Unwillen nicht unterdrücken, als er geblendete Vögel sah,
-,

welche christlichenJäger als Lockvögel brauchten*). "So


gleich erließ er einen Ferman, der die Jagd verbot, aber
mit diesem Vorbote ging es wie mit allen Andern,
welche im othomanischen Reiche die höchste Behörde er
läßt d. h. sie werden bloß einige Tage gehalten; dann
fallen sie in Vergeffenheit. Es gibt Fälle, welche den
Muffelmann in dem Grade aufbringen können daß A

er alle Grundsätze der Menschenliebe vergißt; die bei


schimpfte Religion und die verletzte eheliche Treue können
ihn in einen blutdürftigen Tiger verwandeln; allein wenn
man ihn in Hinsicht dieser beiden Punkte schonend bes
handelt, die in seinen Augen für heilig angesehen wer
den, so läßt es sich weit besser mit ihm umgehen als
man glaubt, er verdient alsdann ein weit billigeres Ur
theil, als auf seinem Namen lastet. - - - - - - >
- Jenseits der Todtenäcker, welche an die Straße über
den Isthmus hinweg stoßen, findet man einen wellen
förmigen offenen Boden, der in allen Richtungen mit
Wegen durchschnitten ist, die sehr oft gepflastert sind und
nach den Dörfern Litros, Maltepe, Vitros und
Daud-Pafcha führen, welche von bearbeiteten Feldern
umgeben, die mit Gemüßen bepflanzt sind. Wenn diese
Gefielde dem Künstler, der ein Liebhaber von miannicht
fältigen und reichen Ansichten ist, keinen Genuß gewäh
ren, so befücht sie der Soldat mit Theilnahme, Auf
diesem Boden stellte der Held der Orthomanen die
=------ -
i). Der religiöse Fanatismus scheint ihn alsograusamer gegen
zu, die Menschen zu machen, als er es von Natur ist. Dies -
“ ist aber leider bei den meisten Türken der Fall. -

" : - - - - - - -- D, Uehl -
---

- 60 –
Werkzeuge auf, welche ihm die Mauern, dieser unglück
lichen Stadt öffneten und hier mußten auch die Arbeiten
zu einem Angriffe gegen Constantinopel unternom
men, werden. … Eine bloße Uebersicht zeigt dem Manne
von Handwerk, wie sehr diese Lage beim Angriffe den
Vortheil vor der Vertheidigung gewährt, weil man das
selbst alle Operationen einer Belagerung leicht vornehm
men kann. Er wähle aber zu diesem Ausfluge einen
Sommertag, wo er nichts findet, als die Eidechse, die
guf diesem von der Sonne verbrannten Boden nur mit
Mühe, athmet; zu jeder andern Zeit wird er beobachtet
und beijedem Schritte stößt er auf Neugierige, die ihn
nach der Ursachefragen, die ihn hierher führt. . . . ]
- . Das Schloß der sieben Thürme hat an der
Seite 40 bis 45 Toilen Breite; die fünf Hauptthürme
nehmen die Ecken ein und die beiden Andern, die von
schönen Marmorblöcken erbaut sind, flankieren das gol
dene Thor. Gegen Norden und Osten, ist das Schloß
von Wohnungen umgeben; gegen Westen hat man die
Aussicht auf das Feld und gegen Süden, erstrecken sich
Gärten vom Fuße feiner Mauern an bis zu den Rings
mauern auf der Seite der Propontis, d. h. in einer
Länge von 300 Toifen hin. Ein sechs Fuß breiter Wall
gang läuft rund herum, der durch eine Maffe von
Mauerwerk mit Schießscharten versehen ist. Das Ina
pere zeigt einen verworrenen Haufen von Gebäuden, wo
von Einige in Ruinen fallen, Gemüsegärten, Granat
äpfel - Lorbeer- und Feigenbäume, welche unter den
Schutthaufen hervor wachsen. Zwischen der ersten und
zweiten Einfaffung zeigt man da das Grab Achmeds
Kiuperilis, der den Venetianer Candia abnahm
und zur Belohnung für feine Verdienste seinen letzten
Aufenthalt in den sieben Thürmen fand, wo er ers,
droffelt wurde. : - - --
- Der Triumpfbogen des Theodosius hatte sonst
folgende Aufschrift: Haec loca Theodosius decorat posth
fata tyrannis Aurea secla gerit, qui portam construit,
auro. - - - - - - -- " . . .
-
.. . . . . . . . .

Die Kapelle Baluk li bezeichnet die Stelle, wo


sonst eine Kirche stand, welche Justinianus erbauet
und der heiligen Jungfrau gewidmet hatte. In der
Nachbarschaft fah man zu den Zeiten der griechischen
Kaiser einen prächtigen Palast, der von den Barbaren
mehrmals verbrannt, aber immer, bis zum Untergange
des Reichs,wieder aufgebaut worden ist. - -

",
Vierter Spaziergang. . .

- - - - Die Wafferleitungen.
Thal von Buyuk-De re" – Einsicht der Tür
ken,in der Leitung des Wassers – Waffer,
„leitung, Dorf und Thal von Baktfchen
- Keuiu – Dorf Belgrad – die Romeka –
Tanz bei den alten und neuen Griechen –
- Tanz bei den Türken – Musik und Poesie
bei den Türken – Hydraulische Werke –
- Dorf Pirgos und Thal des Barbyfes –
- Wasserleitung des Julianus und Thal des
- 62 -

1 Eydaris – Thal und Dorf D gib edge


1. Kle ui ui, - : - ---- - - - - - - -
.. . .. . . – in
- --
-- -- - -
O Thal, welches die Alten mit so vielem Rechte das
- schöne Thal nannten, das der Hämus wie eine ge
, liebte Tochter liebreich in feine väterlichen Arme drückt,
welche er gegen die ungestümen Winde vertheidigen will
Wo jene Berge, die ein so mannichfaltiges Wachsthum
ziert, die reichsten Amphitheater entwickeln, die der Ka
stanienbaum, die grüne Eiche und die dichte Buche bei
kränzen; diedir ihre frischesten und klarsten Gewässer zu
senden , die man mit einem geringen Geräusch über ihre
schattigen Abhänge hinschleichen sieht, oder mit Getöß
von dem Gipfel der mit Ephen gezierte. Felsen herab
fällen und schäumend über die ausgeriffenen Wurzeln
dahin rollen hört, wie oft bin ich den Pfad gewandelt,
der sich am Fuße der Hügel hinschlängelt und die dicksten
Gebüsche aufsucht Welche herrlichen Genüffe und welche
entzückenden Aussichten hat man da
Diese angenehme Landschaft steht gegen Osten hin
offen und gestattet dem Auge einen freien Blick. "Man
übersiehteinen Theildes Bosphorus, unddieMündung
des Kanals des fchwarzen Meeres, welche durch den
beweglichen Anblick der Schiffe belebt wird, die bestän
dig hin und her fahren; mit Vergnügen verweilt das
Auge auf der gebirgigen Küste von Afien. Waffer in
Menge, das sich in einem von Weiden beschatteten Bette
fammelt, an welche sich Lianen anklammern , erfrischt
den Rasen, aufwelchem eine majestätische Gruppe von
– 63 – -

Platanen weit hinweg einen verführerischen Schatten


verbreitet, unter welchem man den Muselmann, den
Griechen, den Armenier und den Franken aus,
ruhen sieht, und wo man durch den Einfluß der Lage
alle Religionen gewissermaßen ausgesöhnt findet, so daß
sogar feindlich gesinnte Brüder ihren Streit vergeffen.
* Die Berge, welche das Thal einschließen, und an
deffen Oeffnung zurückweichen, um den Horizont noch
mehr zu erweitern, erheben sich allmälig in sanften Ab
hängen, wo der Weinstock ein grünes Laub zeigt und
wo Wege in allen Richtungen bis hinauf zum Gipfel
führen. Von da hat man die Aussicht sowohl aufs
schwarze Meer als auf die Propontis und entdeckt
in einem und demselben Augenblicke, aber aufverschie
denen Meeren, Schiffe, die von den Küsten des Oceans
und Aegyptens kommen; Andere, die denselben Wind
benutzen, und in die Häfen des alten Tauris oder in
die Mündungen des Dniesters einlaufen. -

* In nordwestlicher Richtung verengt sich das Thal.


Sein forgfältig angebaueter Boden gewährt bis zu einem
Anfange den Anblick von Gärten, mit deren reichlichen
Erzeugniffen man die Hauptstadt und das Dorf Buyuk
Dere" versorgt. Auf den Bergen fangen da, wo die
Weinstöcke aufhören, die Kastanienbäume an, welche
durch ihre kräftigen Zweige den fruchtbaren Boden ver
rathen. An den Seiten des Thales sind hier und da
schattige Vertiefungen, wo man bisweilen sich die itälienis
fche Pappel erheben ficht, welche mit ihrer beweglichen
Spitze über die Eichen, Hagebuchen und Ulmen hinaus
ragt, die um sie herstehen. Mitten in den Gemüsegärten,
/
/ - 64, --

die durch das Waffer befruchtet, werden , welches in


Menge von den Bergen aufdie Ebene herabkommt, vers, -

bergen sich unter dichten Nußbäumen niedrige Wohnung -

gen, deren Strohdach zahlreichen griechischen Familien


Schutz gewährt, welche von dem Ertrage strenger Arbeit,
ten unter den Augen der Türken leben, die nachlässig
auf untergeschlagenen Beinen filzen, mit einer Tabaks
pfeife im Munde, deren Jasmin- oder Kirschbaumrohr,
man aufden Gefilde von Syrien geholt hat, und mit
Stolz das Feld bearbeiten sehen , deffen Arbeiten sie der
achten. Die andern Griechen scheinen vergeffen zu.
haben, daß ihre Altvordern auf dem nämlichen Boden,
Gesetze vorschrieben, den sie jetzt mit ihrem Schweiße
benetzen. - -

Lange zuvor, ehe man unter die schöne Wafferleitung


kommt, welche ein Werk Mahomeds I. ist und queer
üher das Thal an seinem Anfange geht, entdeckt man
dies Denkmal, dem große Teppiche von Ephen, die es
hier und da bedecken, ein scheinbares Ansehen von Alter
thum geben; man glaubt diesem trügerischen Ansehen um
so mehr, je mehr die wilde sich selbst überlassene Natur
zum Nachdenken einladet und den ersten Riß von einem
Gemälde zeigt, das darzu bestimmt ist,die Ruinen hera
vorzuheben. - - -

. . Durch den engen Schlund laufen Waldströme,


welche bei Regenstürmen über die steilen Abhänge der
Berge herabkommen, die bis an ihrem Gipfel mit Ge
hölz bedeckt sind und in der Tiefe des Beckens das Erd
reich mit fortnehmen, das sie von den obern Theilen
losgeriffen haben. Trotz dem Reichthume des Schau
» 65 -
platzes zieht doch der eindrucksvolle Anblick des hydrauli
fchen Gebäudes, das sich durch Festigkeit auszeichnet,
lange Zeit die Blicke allein auf sich. Aufmehrere Bogen
gestützt, deren dreieckige Gewölbe auf Nebenpfeilern ruhen,
welche sich auf ganz ebenmäßige Pfeiler stützen, hält
man sie anfänglich für eine Brücke, die kühn über einen
ungestümen Fluß weggeht und durch die Einsamkeit be
günstigt, welche sie mit etwas Wunderbaren umgiebt,
fieht man nur mit einer geheimen Rührung, wie sich
ihre majestätischen Wölbungen über unserm Haupte
krümmen. - - . . -

.… Weiter hin entdeckt man den Kanal, der sein. Was


fer, anderthalbe Meile (mille) davon aus einem Behälter
von der größten Pracht bekommt und der wohl verdient,
daß man ihn in einem Kastanienwalde aufsuche, der ihn
verbirgt, denn außer dem angenehmen Anblicke dieses
Denkmals fühlt man sich noch durch die köstliche Stille
gn diesem Orte, wo es sich erhebt und von den mah
lerischen Wegen bezaubert, welche dahin führen. Das
herrliche Waffer, das er in Verbindung mit einem an
dern Behälter aufnimmt, der, wie er, über eine Schlucht
weggeht, um diesem hier den Weg zu versperren, wird
nach den Vorstädten Galata und Pera geleitet und
folgt einem Wege, den hohe Pyramiden bezeichnen, welche
man an der Wafferleitung allenthalben da erbauet hat,
wo sie über Untiefen weggehen muß. Der Zweck dieser
hydraulischen Werke ist, die Unterschiede der Wafferwage
auszugleichen. Ueberhaupt verrathen die Türken bei
der Leitung des Waffers, das sie so weit als möglich
herholen, viel Verstand und Geschicklichkeit. Daher
- 5 -
-

trifft man in der Türkei allenthalben Waffer in Menge


an, welches sich durch die Religion erklären läßt, da
das Waffer das einzige durch den Islamism erlaubte
Getränk ist. -

Einige Schritte von der Wafferleitung liegt das


Dorf Baktfche" -Keuiu an der Spitze des gleichnamis
gen Thales in der herrlichsten Lage mitten auf einem
Gefilde, auf dem man alle Arten von Erzeugniffen ers
bauen kann. Ehe man dahin kommt, kann man sich
nicht enthalten, unter einem schönen Büschel von Fichten
halt zu machen, deren wagerechte Aefe einen Sonnen
schirm bilden und so zu sagen der Landschaft eine beson
dere Physiognomie geben. Dies zweite Thal hat mit
den Thälern von Buyuk - Dere, Belgrad, so wie
Zeke'-Dere", welches ihm gegenüber liegt, einen Theis
lungspunkt; es läuft in das Becken aus, das der Bars
byfes bei dem Dorfe Dgen - Dere" bespült. Eine
tiefe Einsamkeit und ein öder Anblick zeichnen es aus,
fo daß man sich hineinzugehen scheuet und zwar um so
mehr, weil Brombeersträuche und Dornen den Weg
versperren. -

Der Weg von Baktfche" - Keuiu nach Belgrad


ist so mahlerisch als man sich ihn nur denken kann; bei
jedem Schritte stößt man auf neue Krümmungen durch
ein gebirgiges Land, das unter Wäldern begraben ist,
in welchen man von Zeit zu Zeit kahle Flecke antrifft,
von wo man die herrlichsten Aussichten hat. In drei
Viertelstunden legt man ihn zurück und wenn man über
den Theilungspunkt hinweg ist, so findet man sich zu
Belgrad, das eine noch schönere Lage hat. - -
Wer
Dies Dorf liegt im Thale gleiches Namens an der
Biegung hin, welche der Boden macht: wo man hin
sieht, da erblickt man schattige Berge, welche den Ge
fichtskreis angenehm begrenzen; Wälder, die sich nähern
und so zusammenziehen, als ob sie den Wanderer von
allen Seiten einschließen wollten und um sich auf der
ersten Fläche ein offenes Gefilde, wo Büsche von Plata
nen und Nußbäumen denjenigen die Ruhepunkte bezeich
men, welche die Einsamkeit und die Kühlung daselbst
zum Verweilen einladen. Am Fuße der Anhöhen fließt
ein Bach, der sich mitten im Walde verliert, wo ein
Waffer sorgfältig durch einen prächtigen Behälter gesam
melt und nach Constantinopel geleitet wird. -

- Die Jahreszeit der Blumen ist für Belgrad die


Vergnügenszeit; denn seine kühle Lage zieht eine große
Anzahl Familien von allen Nationen dahin, welche die
letzten Eindrücke des Winters vollends da vertilgen und
die süßen Einwirkungen des Tags genießen. Aller Zwang
ist da verbannt; man überläßt ihn Buyuf-Dere, wo
er so tyrannisch gebietet als zu Pera. Diese Augen
blicke von Glückseligkeitdauern jedoch nur eine sehr kurze
Zeit; denn die Sommerhitze macht den Aufenthalt zu
Belgrad ungesund: dies rührt von den morastigen
Ausdünstungen her, welche die erschöpften Behälter vera
anlaffen und den Schwarm von Sklaven nach Buyuk
Der e’ verscheuchen, die bald ihre Ketten bedauern und
sie sich mit eben so vielem Stolz als Wohlgefallen wieder
anlegen. -

Die Erndtezeit gewährt zu Belgrad ein eben so


entzückendes Gemälde, wie das des Frühlings, das sich
nie aus meinem Gedächtniffe verlieren wird. Die jungen
griechischen Mädchen, deren schwarze Haare in langen
Zöpfen auf die Schultern herabfallen, schmücken dann,
wie an einem Festtage, ihre Haare mit purpurfarbigen
Mohnen, mitgelben Aehren und Kornblumen. Auf eine
angenehme Art vermischen sich ihre Stimmen und bilden
Concerte, aus denen der Fremde sieht, daß die Heiterkeit
nicht aus diesen Gegenden verbannt ist und dies beruhigt
ihn etwas über den Zustand dieser Menschenclaffe, welche
in den Augen der Türken für so weniggerechnet wird.
Man sieht die Sieger und Besiegten, die Herrn und Sklas
ven unter einander; die Erften vergeffen, daß sie gebie
- ten, die Andern, daß sie zum Gehorchen verdammt sind,
Die freigebige Natur, welche in diesen Tage des Ueber
fluffes immer mit vollen Händen giebt, vertilgt auf
diese kurzen Augenblicke von Freude die Scheidungslinien,
welche zu jeder andern Zeitfo auffallend sind. Auf allen
Seiten sieht man den reichen Schmuck der Felder unter
der Sichel fallen und fich hier und da Haufen von Gar
ben auf dem Stoppelfelde erheben. Die schöne Sonne,
welche zu Mittage fast immer an einem wolkenlosen
Himmel glänzt, bescheint mit Wohlgefallen diesen beleb
ten Auftritt und tröstet die abgemäheten Gefielde mit der
Hoffnung, ihnen bald alles das wieder zu geben, was
fie verloren haben. Der Tag erlischt; die Frische und
Stille eines schönen Abends folgen; mit Vergnügen be
trachtet man alle die frohen Trupps, welche sich versam
meln, um nach Hause zu gehen. Sieht man die gefloch
tenen Aehrenkränze, womit man sich das Haupt fchmückt;
hört man die frohen Gesänge, deren Worte noch so deuta
liche Spuren von der Sprache verrathen, welche die achs
tungswürdigte der Nationen sprach, so läßt sich die Ein
bildungskraft täuschen und diese führt wieder die Vera
nunft irre; man bildet sich ein, in alten Griechen
lande zu feyn und die Gesänge, die man vernimmt,
fcheinen Danksagungen zu sein, welche an die gute Göts
tin gerichtet sind. - - -

. Wählt man zum Besuche von Belgrad. Einen von


den Tagen, welche zur Ruhe und zum Vergnügen be
stimmt sind, so ist man sicherlich Augenzeuge von den
Nationaltanze,dernoch, einige Veränderungen abgerechnet,
in feiner ursprünglichen Reinheit erhalten, und der beiden
Griechen unter dem Namen Romeka oder der Griechis
sche bekannt ist, deren Vergnügen er ausmachtund wovon
der Sänger der Ilias auf dem Schilde des Hercules
die schönste Beschreibung liefert. Der Figuren, und der
Partomime, die ihn auszeichnen, bedient man sich noch
jetzt, wie sonst, um alle Krümmungen des Labyrinth
darzustellen, dessen Geheimniß Theseus allein entdeckte.
Die Frauenzimmer faffen fich am Gürtel, den sie um
den Leib geschlungen haben, folgen dem jungen Mädchen
das sie anführt, und laffen das Schnupftuch flattern,
wie Ariadne, als sie voll Unruhe und zitternd ihren
Geliebten den Weg suchen fah, welcher ihn wiederzu ihn
zurückbringen sollte. Die Anführerinn tritt vor; einen
Augenblick darauf kehrt sie wieder zurück und wickelt um
sich her jene Guirlande, wovon sie die erste Blume ist,
Ihr schwebender und beweglicher Kopf, ihr lebhafter
Blick, worin man die Besorgniß liefet, geben diesem
nachgeahmten Schauspiele die vollkommene Aehnlichkeit,
s -

mit dem Urbilde. Man tanzt die Romeka mit abge


meffenem Schritte, entweder bloß nach dem Gesange oder
auch nach einem Instrumente mit zwei Saiten. -

Bei den Alten war der Tanz die Erzählung einer


Handlung und hatte daher immer einen bestimmten Cha
rakter; er geht bis zu den heroischen Zeiten zurück und
machte das Vergnügen der Menschen aus, welche Andere
Halbgötter genannt haben. Pyrrhus ist nach der am
A gewöhnlichsten angenommenen Meinungder Erfinder des
pyrrhichischen Tanzes und Einer der berühmtesten Tänzer
Griechenlands. Die Lacedämonier, welche dies
fen kriegerischen Tanz für sich behalten hatten, weil er
mit ihren Neigungen übereinstimmte, schrieben das Ver
dienst seiner Erfindung dem Castor und Pollux zu.
Die Gesetze heiligten den Tanz, indem sie ihre Aufsicht
auf ihn erstreckten; er kam bei allen religiösen Feierlich
keiten vor und richtete sich nach der Verehrung, die man
-

einer Gottheit erwieß. - - - -

Die noch heut zu Tage bei den Griechen gewöhn


lichen Tänze find außer der Romelka, der candiotische,
der arnautische, der pyrrhichische und der walachische
Tanz. Die beiden Ersten haben eine so große Aehnlich
keit mit einander und unterscheiden sich nur durch fo
schwache Schattierungen, daß wir von dem candiotischen
keine besondere Beschreibung liefern wollen. Die Erfin
dung des Andern schreibt man dem Dädalus zu und
er diente der Ariadne zum Zeitvertreibe.
Den pyrrhichischen Tanz tanzt man noch mit dem
Schilde, auf den die Tänzer schlagen und den Takt an
geben. Der arnautische Tanz ist auch von kriegerischer
---
- 7 -

Beschaffenheit und wird daher blos von Mannspersonen


getanzt. Der Anführer schlägt mit dem Fuße in abge
meffenen Tritten auf den Boden, alle thun daffelbe und
folgen einander mit in einander geschlungenen Armen.
Er stammt aus dem alten Macedonien oder vielmehr
Epinus ab und hat sicher einen edlen Ursprung, der
vielleicht auf die Helden dieser Länder Bezug hat. -
- Der walachische Tanz ist eben fo plump und bars
barisch als die Nation, die ihn erfunden hat; das einst
zige Charakterische, wodurch er sich auszeichnet, ist das
Burleske ohne Absicht und Grund. Der Tänzer schlägt
mit gebogenen Knien mit der Ferse auf die Erde- und
setzt seine Arme mit so wenig Anmuth ins Spiel, als
er bei der Bewegung seiner Beine zeigt. Wenn ihn
Frauenzimmer tanzen, so wird das Burleske, das er
enthält, einförmig. . . .. . . . . . . . .t

Nie nimmt ein Mahomedaner an solchen Zeit


vertreiben Antheil, welche der strenge Islamism auss
drücklich verbietet, allein er verwehrt es ihm nicht, den
Zuschauer zu machen; daher bedienen sich die Türken
auch dieser Erlaubniß, ohne zu bedauern, daß sie nicht
an Vergnügungen Theil nehmen können, welche nicht
ihren Nationalneigungen entsprechen. Bei dieser Nation
führen Tänzer und Tänzerinnen von Gewerbe wollüstige
Tänze auf. Die Letztern haben Zutritt in den Harem
und werden unter die Vergnügungen gerechnet, womit
man die Weiber für den Verlust ihrer Freiheit schadloß
hält. "- ", , - , . . . . "
- Die Musik genießt bei den Mahomedanern eine
höhere Gunst als der Tanz, ohne daß sie deshalb jedoch
– 72 –
In größerer Achtung steht; mit einem wollüstigen Vers
gnügen hören sie dieselbe an, so daß sie sich gar nicht -
satt hören können, aber aus Ehrfurcht gegen den Koran
legen sie sich nicht darauf, wenigstens die Claffe nicht,
welche bei uns die Musikliebhaber liefert. Indessen haben
fiel doch Musiker von Gewerbe, die ihnen die Zeit vers
treiben; der Großherr, so wie die Paschas, unterhalten
Militärmusiker, die an großen Festtagen z. B. am
Bayramsfefte, spielen müffen. :
- Die Instrumente, welche bei der Kriegsmusik vor
kommen, find keine Pauken und schreiende Hoboen; die
Ersten heißen Kios, die Andern. Zurna; Boru oder
Trompeten von Messing; Daul oder große Trommeln;
Cn ha zur na, die gröbere Töne von fich geben, als die
vorher angeführten Hoboen. Die Instrumente, welche
man in Sälen braucht, sind die Neez - oder Derwischs
flöten, die länger als die unferigen sind und unter den
türkischen Instrumenten am angenehmsten klingen; fie
können eine größere Tonleiter durchlaufen als die unteris
gen; die Timbour, eine Art von Mandoline mit acht
Saiten, wovon sieben von Stahl und die achte von
Messing ist und die man mit einer Schildkrötenschale
schlägt; die Mefcbal, oder Pansflöten mit den drei und
zwanzig Röhren der Psalterions; der Rebab, eine
gndere Mandoline mit einem sehr langen Griffe und
bloß-mit zwei Saiten, auf denen man die Töne mit
einem Violinbogen hervorlockt; der Keman oder Violon;
die Viole d'Amour und endlich mehrere andere Blaß
und Saiteninstrumente, welche mit den bereits erwähn
ten Aehnlichkeit haben. - --
me - 73 –

- Ob schon die Musikleidenschaft ein ausgezeichneter


Charakterzug der türkischen Nation ist, so ist diese Kunst
bei ihr doch noch in der Kindheit und man bemerkt nicht,
daß sie daraus mehr hervorgehen soll, als die Andern:
Wenn man Cantemir, d'Ohffon und Toderini
glaubt, so giebt es theoretische Schriften in persischer
Sprache über die Composition und über die verschiedenen
Notensysteme. Jetzt sind diese herkömmlichen Gesetze
verloren; die Compofiteurs haben ihre Stücke im Ges
dächtniffe; das Orchester studiert sie, und lernt sie ebens
falls auswendig, woraus man schließen kann, daß diese
Musik höchst einfach ist und nicht mit den Zügen über
laden feyn kann, welche zur Hervorhebung des Gesangs
fo nöthig sind. Die Intervallen, die einen Ton vom
Andern trennen, lösen sich in vielfältigere Brüche, als
in unserm Musiksysteme auf, wie die Musik der alten
Griechen und es hat viele Halb- und Vierteltöne,wel
che der Künstler durchläuft, ohne sich je der Uebergänge
von einer Detave zur Andern zu bedienen; er giebt viel
mehr dem reinen Gesange den Vorzug. Was den Zu
sammenklang der Instrumente anbelangt, so spielt man
entweder eintönig oder höchstens eine Octave höher.
Hieraus, so wie aus dem, was oben von der großen
Unterabtheilung der Tonleiter gesagt worden ist, ergibt
sich von der einen Seite, daß die Türken keinen Be
griff von der Harmonie haben und daß von der Andern
ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Melodie gerichtet ist,
wozu sich die große Zartheit der Töne ganz vortrefflich
eignet. - -

Man begreift nicht leicht, warum Mahomed die


--- 74 ---

Musik verworfen hat. Fürchtete er, daß sie dem gesetz


ten Wesen seiner Anhänger Eintrag thue? Jedoch haben
die Araber von jeher eine große und ausgezeichnete Vor
liebe zur Musik gehabt; sie haben sie auf die Perfer
fortgepflanzt, die sie bald hierin übertrafen; dann auf
die Türken, welche keine so glänzende Einbildungskraft
haben und nicht so empfänglich für die durch diese Kunst
hervorgebrachten Einwirkungen sind als ihre Lehrer; ins
deffen äußert sie doch auch auf sie ihren Einfluß auf
eine siegreiche Art: als Anmurat IV. Bagdad auszus
plündern im Begriff stand, ließ er sich durch Shah
Kali, den Orpheus von Persien, so entwaffnen,
daß er seinen Befehl widerrief - - -

- - Die Dichtkunst ist mit der Musik so genau verwandt,


daß man sie nicht mit Stillschweigen übergehen kann,
wenn man von dieser spricht. Bei den Griechen ist
die Dichtkunst voll Feuer und glänzender Einbildungs
kraft und hat, durch den Orient beherrscht, von diesem
Lande, wo die Uebertreibung zu Hause ist, den geblüm
ten Vortrag entlehnt, von dem die alten Griechen fast
gar nichts wußten. Trotz dieser Veränderung behält die
griechische Dichtkunst doch das Markige und die Anmuth,
wodurch fie fich vom Anfange an ausgezeichnet hat und
die man noch immer da wieder findet, wo das Gefühl
nicht erloschen ist. Hier herrscht eine Uebereinstimmung
zwischen der unterjochten und herrschenden Nation, so wie
zwischen ihren Sitten und Gewohnheiten. -

Die türkische Dichtkunst ist noch näher mit dem


Morgenlande verwandt und daher noch bildlicher als die
– 75 –
griechische, und also dem Abendländer noch unverständ
licher. Doch zurück von dieser Abschweifung.
Wenn man von Belgrad nach dem Behälter kons
men will, der wegen seiner Bauart die Aufmerksamkeit
der Kenner verdient, so schlägt man den Weg gegen
Westen hin, das Thal hinab, ein. Bald kommt man
wieder unter den Schatten der Kastanienbäume und als
ten Eichen. Der Behälter zeigt dem Auge eine auffal
lende Maffe von Mauerwerk, in welchem man nichts"
als Marmor bemerkt, und defen Grundlage und abs
hängiger Theil nach dem Widerstande des Stoßes berech
net sind. Das Waffer, das durch dieses Hinderniß auf
gehalten wird, läuft in einen unterirdischen Kanal, der
durch den Wald hindurch geht, durch den man einen
Gang verfolgen kann. Das Ueberflüssige findet einen
Abfluß vermittelt eines Schutzbretes, das seine Oeffnung
nach der Mitte des Behälters hin hat, durch den sich
das Waffer schäumend in ein Kieselbette stürzt, in dem
es nach feinem Fall bis dahin fortläuft, wo sich das
Thal wieder mit dem von Pirgos vereinigt. Weiter
hin befindet sich in einer andern ebenfalls entzückenden
Einöde ein Vereinigungsbecken, wo sich das Wafferfams
melt, das von zwei Richtungen herkommt und folglich
aus zwei verschiedenen Behältern herrührt. Aus diesem
Becken" gelangt das Waffer in einen gemeinschaftlichen
Kanalund setztvonda feinen Lauf nach Constantinopel
fort. Eine Meile jenseits zeigt sich, mit Veränderungen
in den Einzelnheiten, der mahlerische Anblick der Waffers
leitung von Baktfche" 2 Keuiu; man geht auch hier
unter einem zweiten solchen Denkmale hin, das noch äle
– 76 – -

erfeyn zu wollen scheint, als das Erste, wenn man


nach dem Epheu und dem Weinstocke urtheilt, unter des
wen es sein Alter zu verbergen sucht, allein aus Sagen
weiß man, daß dies Gebäude erst durch Mustapha III.
erbauet worden ist. Es führt das Waffer Eines darneben
fließenden Bachs, den man rechts hat und vereinigt es
mit jenem von Belgrad. - -

„ Ist man einige hundert Schritte vor dieser zweiten


*Wafferleitung vorbei, so erblickt man das Feld und hat
Wie Aussicht auf angebauete Fluren, die durch lebendige
Hecken von einander geschieden sind, aus denen hier und
da junge Eichen emporsteigen. Man geht einen unmerk
lichen Abhang hinauf und wenn man ganz oben ist, fo
erblickt man in großer Entfernung einen Boden, der
aus Hügeln und morastigen Gründen besteht und allent
halben nichts als auffallende Ungleichheiten zeigt. Beim
ersten Anblick kann man sich dies gar nicht erklären,
allein nach einigen Betrachtungen sieht man, daß sich
alle diese Schluchten und Thäler, welche von der großen,
dstlichen Kette auslaufen, mit jenem von Pirgos
vereinigen, das man queerüber anderthalbe Meile von
- -
sich erblickt. -

Nach gehöriger Untersuchung, um sich die Gestal


tung des Bodens zu erklären, findet man, daß es drei
Wafferleitungen giebt, wovon sich die größte nördlich be
findet, durch das Thal von Pirgos oberhalb des gleichs
namigen Dorfs geht und sich auf zwei Reihen von "
Schwibbögen stützt, von denen jede funfzig enthält. Der
Sultan Suleiman war der Wiederhersteller dieses schö
nen Werks, das auf den andern Abhang das Waffer
– 77 -
eines Baches führt, der von Südosten kommt, um es
nach der Wafferleitung des Justinianus zu leiten,
welche es insgesammt aufnimmt und vermittelt eines
gemeinschaftlichen Kanals nach Constantinopel führt,
Die dem Verdienste nach zweite Wafferleitung geht
ebenfalls durch das Thal von Pirgos, aber unterhalb
des Dorfs und erhebt sich majestätisch in drei Reihen
von Schwibbögen. Sie bekommt das Waffer aus dem
Thale von Belgrad, so wie jenes der zweiten Waffers
leitung, unter welcher wir hingegangen sind, und führt
ihren Tribut auf unterirdischen Wegen nach der Waf
ferleitung des Justinianus, der sich wieder auf
seinem Laufe mit dem Waffer der Wafferleitung des
Suleiman in einem Becken vereinigt, das sich an der
Strebewand zwischen den Thälern von Pirgos und
Ali - Bey - Keuiu befindet. - - -

Das dritte Denkmal dieser Art, das man von der


Stelle aus entdeckt, wo wir stehen geblieben sind, liegt
gegen Südwesten. Auf beiden Seiten des Thals von
Belgrad führt es das Waffer desselben, fo wie die
Wafferleitung Mustaphas von der rechten Seite nach
der entgegengesetzten, von wo es darauf in die gebogene
Wafferleitung gelangt. Es ist nicht so lang und ist nie
driger als die Letzte, welche wiederum nicht so groß, als
die Wafferleitung Suleimans ist. Die Wafferleitung -

des Justinianus zeichnet sich vor allen Andern durch


die Kühnheit und Schönheit ihrer Bauart aus; nur bei
merkt man mit Bedauern, daß der Baumeister das Ge
wölbe über die Zirkelrunde, der lieblichen vollkommen,
runden Gestalt vorgezogen hat, an welcher die Alten fi
- '78 = *

freulich hielten. Hieraus sieht man, daß der Geschmack


schon auffallende Veränderungen erlitten hatte, als dies
Denkmal erbauet wurde; von der andern Seite aber er
giebt sich auch aus feiner Erhaltung und aus dem festen
Zusammenhange der Materialien, daß die Kunstzu bauen
noch nichts in Hinsicht der Festigkeit verloren hatte. ,
Zur Vollendung dieses Artikels bemerken wir, daß
wenn das Waffer aus der Wafferleitung des Justi
mianus kommt, wo wir es gelaffen haben, es sich am
rechten Abhange des Thales des Cydaris befindet; es
läuft alsdann einen Hügel hinab, geht vermittelt hydraus,
lischer Werke über die anstoßenden hinweg und nimmt
unterwegs das Waffer auf, das aus mehrern Quellen
aus derselben Kette kommt. Endlichfolgt es immer die
fer und fällt beim Thore Egri- Capu in ein Becken,
welches es in der Hauptstadt verheilt. Diese hat einen
solchen Mangel an Waffer, daß man alle benachbarten
Oerter deshalb in Anspruch nehmen muß, allein dies ist
auch der einzige Vorwurf, den man ihr in Ansehung der
Natur machen kann. - - -

Von Belgrad kommt man auf einem schattigen


Wege nach einem Behälter, der an und für sich nichts -
Merkwürdiges hat, der aber wegen seiner Lage anzieht,
deren Schönheit noch fehr durch den geräumigen See
vermehrt wird, welchen er an diesem einsamen Orten bil
det. Wer nach Domus - Dere" reitet, der schlägt den
felben Weg ein, der immer im Walde fortgeht, bis man
aufden Gipfel der Bergkette kommt. Alsdann geht man
einige Augenblicke auf demselben fort, wo man die Aus
ficht auf das schwarze Meer und auf die Thäler hat,
welche nach demselben auslaufen; hierauf gelangt man
allmählig an das Thal, an dessen Eingange das Dorf
liegt, das man fucht und das man nach einer anderte
halbstündigen bequemen Reise erreicht.
- Das Holz, das auf den Anhöhen und in einem
großen Theile des Beckens von Belgrad, so wie in
allen Thälern wächst, welche ihre Gewäffer nach den
Behältern und Wafferleitungen fenden, wird geschont
und verfault oder wird vom Blitzezerschmettert; niemals
schlägt man es, wenigstens nicht mit Erlaubniß. Es
hat in der That einen zu großen Werth, indem es ver
mittelf der Wolken, die es anzieht und erzeugt, die
Quellen ernährt, welche die Hauptstadt mit Waffer zu
versorgen bestimmt find, und welche ohne daffelbe zu der
Jahreszeit vertrocknen würden, wo sie gerade am un
entbehrlichsten find. Die hydraulischen Werke werden
jedoch nicht so gut unterhalten, als sie es werden sollten
and laffen einen Theil des mit so großen Kosten gesam
melten Waffers verloren gehen; indessen kommt doch noch
viel an seine Bestimmung. Von jedem der Kanäle, welche
den Staatsschatz versorgen, geht eine Menge anderer
kleiner Kanäle ab, welche eine so große Menge Waffer
erfodern, daß die Erften beinahe trocken in dem Bes
hälter anlangen. -

Nach Pirgos giebt es einen andern Weg, der von


der Wafferleitung von Baktfche" - Keuiu ausgeht, an
der linken Seite des Thales hinläuft, und nach dem Thale
von Belgrad führt und sich in dem dicksten Theile des
Waldes verliert. Hier herrscht die tiefste Eindde. Der
Weg läuft an den Ufern des Baches fort, der ein Waffen
- so –
durch mehrere Schluchten erhält und in einem Kiefel
bette zwischen hohen Eichen hingeht, welche den Boden
unter undurchdringlichen Schatten verbergen. Bloß das
Echo widerhallt, wenn man spricht. Wenn man nach
Pirgos kommt, so entdeckt man ein geräumiges Thal,
das in einer Strecke von einigen Meilen allenthalben ei
nen sorgfältigen Anbau verräth; man sieht Wiesen, auf
denen im Frühjahre eine Menge Blumen blühen; Fel
der, die sich mit Erndten bedecken, welche die Sonne
mit Wohlgefallen vergoldet; Baumpflanzungen, welche
reichliche Früchte tragen; Weinstöcke an den Abhangen
der Seiten, Gärten, welche reiche Erndten liefern; im
Hintergrunde des Thales den Barbyfes, der sich im
Schatten von Ulmen und Winden dahin schlängelt; auf
Einem der Abhänge das Dorf Pirgos, defen zahl
reiche Häuser ohne Ordnung dastehen und den maha
lerischen Anblick der Landschaft erhöhen; auf dem ge
genüberliegenden Abhange Wälder, die durch ihren wil
den Anblick einen schneidenden Contrast mit dem übri
gen Gemälde bilden; endlich am Ende desselben zwei
Wafferleitungen, welche daffelbe auf den Seiten einfaf
fen. Jenseits dieser Wafferleitungen ist der Anbau ver
nachlässigt, und wenn man in Thale hinaufgeht, wo
man ein türkisches Dorf findet, bemerkt man sogar keine
Spur mehr davon, allein dieser Anblick ist im türkischen
Reiche so häufig, daß man gar nicht darüber mehr
erstaunt. -

Wenn der Wanderer durch das Thal hindurch ist,


so bringt ihn der Weg, der von Pirgos nach der Wafe
ferleitung des Justinianus führt, wieder in Wälder
– 81 –

und in der Einöde, welche allenthalben bei diesem Denk


male herrscht. Die Raubvögel, die über feinem Haupte
schweben, die Kräuter, die zu seinen Füßen verdorren,
das Waffer, das den Hintergrund dieses gekrümmten “
Beckens überschwemmt, das der Cydaris bewäffert,
dienen ihm zum Beweise, daß diese Oerter wenig besucht
werden; ja, es ist sogar gefährlich, da herum zu wan
dern. Will man Wohnungen finden, so muß man in
den Seitenthälern hinaufgehen, worunter das Thal von
Dgebedge - Keuiu den ersten Rang einnimmt, weil
es sowohl das größte als das am besten angebauete if.
Beim Eintritte bemerkt man sogleich an den Spuren des
Pflugs allenthalben um sich her, daß es stark bevölkert
ist und in dieser Erwartung täuscht man sich nicht; denn
eine Meile jenseits der schönen Wafferleitung, die durch
daffelbe geht, entdeckt man ein griechisches Dorf in einer
glücklichen Lage , das in seinem Aeußern den Wohlstand
feiner Bewohner verräth. Klares Waffer, kühler Schats
ten und eine frugale Mahlzeit kann der Wanderer an
diesen Oertern finden, welchen die Neugierde dahin lockt.
Mit Vergnügen verweilt auch fein Auge auf den zahl
weichen hydraulischen Arbeiten, welche durch das Thal
in allen Richtungen laufen und eine Folge von jenen von
Pirgos sind. - s

Dionysius von Byzanz nennt das Thal von


Buyuk - Der as yes, das schöne Gefielde. Nach
Tournefortführt der tiefe Golf, in welchem es aus
läuft, auch den Namen desfaronischen Golfs, weil man
daselbst dem Saron, dem Helden von Megara, einen
Altar errichtet hatte. -
G
- 82 -

Fünfter Spaziergang,
Constantinopel.
Jeni - Dgjami und von den Moscheen über
haupt – die hohe Pforte, die Regierung,
die militärische Eintheilung des Reichs,
die verfchiedenen Stände des Staats und
die verschiedenen Claffen der Gefell
schaft. – Die Cisterne Bafilie a – die alte
und neue Sophienkirche. – Morgenlän
dische Bibliothek.– Oeffentlicher unter
richt – das Corps der Ulemas und die Geg
rechtigkeitspflege – Kaiserlicher Bruna
nen – Sakkas oder Wafferträger – Stra4
ßen und Quartiere von Constantinopel über
- haupt – der Hippodrom – der Obelisk –
die Schlangenfäule – die vermauerte Pya -

ramide – die Moschee des Sultans Milch


met – die Cift erne der tausend und einen
Säule – die Porphyrfäule – die drei Re
volutionen, welche die Sultane Selim III.
und Mustapha IV. vom Throne gestürzt
haben. -

- Durch die gewöhnliche Meinung irre geführt, hatte ich


mich bisher gescheuet, einen neugierigen Blick in Eon
fantinopel zu werfen; dies Vorurtheil aber hat die
Erfahrung gänzlich verscheucht. Ich gehe mit Cheva
lier's Charte als topographischem Führer aus, laffe
---
--

--
e

-
- - -

--------------
-------- Z“:
– 83 –
mich von den Landungsplatze Baluk Bäfat 2 Kas
puffi nach dem Hafen des Zollamtes führen, und
schlage meinen Weg nach der St. Sophienkirche hin
ein. Zuerst zieht Jeni-Dgjami meine Aufmerksam -
keit auf sich. Diese Moschee, die einige Schritte vom
Ufer liegt, ist zwar nicht die Prächtigste der Hauptstadt
der Othomanen, aber sie hat doch den imposanten
Charakter, den bei ihnen heilige Gebäude haben, und
der mit den Wohnungen, ja selbst mit den Häusern der
Großen, einen Contraft bildet, den man, nach der auf
fallenden Zerbrechlichkeit der Letztern zu urtheilen, abs
sichtlich zum Ziele gehabt zu haben scheint.
Jeni - Dgjami ist wie alle kaiserliche Moscheen
nach dem Plane der h. Sophienkirche erbauet, d. h.
sie stellt ein griechisches Kreuz vor, das durch vier Halb
dome, gebildet wird, welche einer schönen Kuppel zu
Stützpunkten dienen. Diese wird von vier andern nicht
so hohen Kuppeln flankiert, welche auf den eingehenden
Winkeln, die hier im Plane des Gebäudes begriffen sind,
den Giebel ausmachen; dies scheint der Benennung des
griechischen Kreuzes nicht zu entsprechen, an dem die
Winkel zierlich ausgehauen feyn sollten. Ein viereckiger
Hof, der von Säulenhallen umgeben ist, die eine Reihe
kleiner Kuppeln bedecken und allenthalben seltene Mars
more zeigen, verkündigt die Moschee an ihrer Vor
derseite; zwei Minarets, deren Spitzen und Halbe
monde vergoldet sind, zeichnen diese aus, welche aus
einer ununterbrochenen Halle besteht, die an der ganzen -
Breite des Gebäudes hinläuft und drei Haupteingänge
im maurischen Stil hat. Der Hof, der so wie der
Boden des Tempels mehrere Stufen erhöhet ist, ist in
feiner Mitte mit einer Marmorkufe verziert, aus wels
cher Waffer emporsteigt, in Garben wieder niederfällt
und durch mehrere Hähne abläuft, um zu den Reinis
gungen zu dienen. An den Seiten des Gebäudes bes
merkt man zweiGalerien, die aus kleinengothischen,folgs
lich gekünstelten Schwibbogen bestehen, die auf Por
phyrsäulen ruhen. Ein Außenhof, den Platanen, Fichs
ken und Cypreffen beschatten, und der mit dem Zubehör
der Moschee umgeben ist, schließet diese ein und hält die
-

Privatgebäude in einer ehrfurchtsvollen Entfernung, welche "


überdies so oft diese Wirkung vernichten, die die Bau
kunft nicht anders bewirken kann, als durch einen nach
den Regeln der Perspektive ausgewählten Gesichtspunkt.
Daher muß man auch unter die Verdienste der kaisers
lichen Moscheen dasjenige rechnen, daß sie ganz frei fe
hen und mit einer imposanten Pracht unter allen übri
gen Gegenständen hervorragen, die dazu bestimmt sind,
fie geltend zu machen. -

Im Innern ist ein mahomedanischer Tempel ein


Sinnbild der Einfachheit; da sieht man keine Bildsäule,
kein Gemälde, das Andacht zu erwecken bestimmt wäre;
bloß künstlich angebrachte Oeffnungen, durch welche das
Licht spärlich hereindringt, was zu dem feierlichen An
fehen beiträgt, das beim ersten Eintritte auffällt und
das auch in der Folge nichts von feiner Wirkung vers
liert. In der Richtung der heiligen Stadt hin befindet
fich eine Nische, wo das Gesetzbuch zwischen zwei un
geheuern Kerzen liegt; links von derselben ist eine Kan
zel, wo der Imam die Gläubigen beim Gebete leitet;
„s- 85 -
aufder andern Seite ist eine zweite noch höhere Kanzel,
wo der Khatib *) den Kutbe“ d. h. das Gebet für
den Sultan hersagt; voraus zählt er alle Eigenschaften
des Allerhöchsten, so wie die Titel seines Stellvertreters
her; hierauf folgt eine geistliche Ermahnung. An der
Stelle, die am meisten in die Augen fällt, ist eine Ems
porkirche für den Sultan; ein Altan für die Softas
oder für die Bewerber des Corps der Ulemas, welcher
das Gegenstück jener ist; an den Mauern stehen Sprüche
aus dem Koran mit goldenen Buchstaben auf schwarz,
zen Tafeln geschrieben; bisweilen eine eingelegte Arbeit
von Fayance in Abtheilungen, die unten am Boden ih
ren Anfang nimmt und 15 his 18 Fuß hoch hinaufgeht;
Straußeneier, Lampen von verschiedengefärbtem Glase,
zusammengeflochtene Aehren, alles mitEbenmaßverbunden
und eine durchbrochene Deckfläche bildend, drei Toifenobers
halb dem Vorhof, mit Teppichen und ägyptischen Matten
bedeckt; dies sind alle Verzierungen einer Moschee, wenn
ihre Erbauung das Werk kaiserlicher Freigebigkeit ist;
denn sonst hat sie keine Kanzel für den Kutbe", keine
Emporkirche für den Sultan und die Verschönerungen
find mit mehr Sparsamkeit angebracht. Ist diese große
Einfachheit, die man in einer Moschee bemerkt und die
den mahomedanischen Gottesdienst auszeichnet, nicht ein
unbestreitbarer Beweiß von der Herrschaft, welche der
Islamism aufdie Gemüther der Gläubigen bloß durch
seine Lehrsätze ausübt?
Der äußere Hofder Moscheen ist gewöhnlich in ein
-,
*) Der Prediger.
-- 86 -
nen Bazar (Marktplatz) verwandelt, wo man verschie
dene Kleinigkeiten verkauft. Auf dem Hofe der Jeni
Dgjami sprechen mich Juden, Verkäufer von Rosen
waffer, Rosenkränzen, und Pfeifenröhren von allen Sei
ten an und ersuchen mich, mich ihren wandelnden Buden
zu nähern. Ich sehe Mahomedaner, Armenier,
Griechen und Franken solche Rosenkränze kaufen,bei
denen die Ersten die 99 Eigenschaften hersagen, welche
Mahomed der Gottheit beilegt; die zweiten und dritten
richten ihr Gebet an fie, jeder in seiner Sprache und nach
feinem Glauben. Manche drehen diese Rosenkränze, ganze
Tage lang zwischen den Fingern herum. An den Ein
faffungsmauern befinden sich kleine Buden, die den
Kiatih oder öffentlichen Schreibern zu Büreaus dienen;
diese setzen. Bittschriften oder andere Schriften auf, die
man von ihnen verlangt; auf dem linken Knie halten sie
das Papier, auf dem sie langsam mit ihrer Rohrfeder
schreiben, die sie in eine dicke Dinte eintunken. -
Ich setze meinen Weg fort und finde einige Schritte
von Jeni- Dgjami den Turbe Abdul Hamids,
worin man an der Seite des Sargs dieses Sultans je
nen Mustaphas IV., Sohns des Ersten, Bruders
Mahmuds II. und Vetters Selims III. stehen sieht,
Ein trauriger Beweiß von den Unordnungen, welche der
Ehrgeiz zu bewirken vermag, sollte dies Denkmal die
Fürften lehren, diesem Ungeheuer nicht zu trauen und
die betrogenen Völker, sich nicht für daffelbe zu bewaffs
nen! Dieser nämliche Mustapha, defen Asche sicher
hich bloß einer scheinbaren Ruhe genießet, begnügte sich
nicht bloß damit, den guten Selim vom Throne zu-
z

stoßen, sondern er verurteilte ihn auch zum Tode, um


feinen beunruhigten Ehrgeiz zu beruhigen, allein er war
der Henker feines eigenen Blutes und wurde auch wieder
das Opfer desselben; die Herrschsucht bewaffnete den Brus
der gegen den Bruder und rächte bald den Vetter, den
man auf dem Altare des blutdürftigen Götzens geopfert
hatte. - v,

Die Straße, durch welche ich gehe, enthält an ih


ren beiden Seiten Buden von Obsthändlern, Zuckerbäk
Fern Pastetenhändlern, Kaffeeschenken, und Bratens
köchen, und ich erhalte durch diese Reihe von Genüffen
einigermaßen einen Begriff von den Bedürfniffen der
Morgenländer, welche sie sich erlauben. Sowohl aus
Neugierde als von Eßluft getrieben, trete ich in die
Bude des angesehensten Restaurateurs dieses Bezirks.
Ich verlange von ihm keinen Speisezettel, von dem er
eben so wenig das Wort als die Sache begreift; seine
ganze Kunst besteht in der Zubereitung der Dolmas
d. h. von in Kugeln verwandeltem Reis, den man in
Weinblätter wickelt; von Kebab, welchen Namen man
Stückchen von Schöpfenfleisch giebt, die an einem höl
zernen Speiler stecken, die man mit Pfeffer und zerhack
ten Kräutern bestreuet, nachdem man sie in Butter ge
braten hat; von Pilaw, der aus Reis und zerschnitte
nem Fleische besteht; endlich einigen andern Gerichten, wo
von diese beiden Gegenstände die Hauptsache ausmachen,
welche bloß eine verschiedene Zubereitung erhalten.
Ich nehme in einer Erhöhung im Hintergrunde der
Bude Platz, und sogleich setzt man die Metallscheibe vor
mich hin. Man trägt die Speiler für mich auf und ein
- 88 -
Crystallgefäß mit einem Tranke von Rosinen reicht man
mir zu Ende dieser Mahlzeit, die man von der Mäßig
keit selbst zubereitet halten sollte, und mit der nur sie,
so wie Mufelmänner, zufrieden sein können,
Die benachbarte Bude, welche ein Zuckerbäcker inne
hat, gewährt mir ohnstreitig eine weit größere Mannich
faltigkeit und verräth eine weit vervollkommnetere Kunst
als die Erste. Ich bemerke sogar eine Art von Charla
tanism, um die Waare herauszustreichen und Kunden
anzulocken. Einige Schritte weiter hin treffe ich einen
Türken an, der unter die Hunde des Quartiers Leber
und Brod, alles aus Frömmigkeit, verheilt. Vielleicht
ist dieser fromme Muselmann auch bloß ein Testa
mentsvollstrecker; denn es ist nicht selten der Fall, daß
Leute von seiner Religion diese Thiere in ihrem letzten
Willen mit begreifen. Trotz diesem ausgezeichneten Wohl
wollen sind die Hunde doch dazu verurtheilt, auf den
Straßen zu wohnen, und weiter keinen Herrn zu haben,
alsdas Publikum; allein wenn man in dem Haufe ei
nes Mahomedaners fast nie einen Hund zu Gesichte
bekommt, so find die Katzen darin defo zahlreicher, welche
dieses Vorrecht dem Propheten zu verdanken haben, der
eine besondere Porliebe zu den Katzen hatte, -

Nachdem ich einige Augenblicke an der Mauer des


Serails hingegangen war, lange ich vor der hohen
Pforte (PaschaCapuffi) an, welche sonst auch der Pal
last des Großveziers heißt. Dies Gebäude ist sehr ge
räumig, aber nach einem Plane erbauet, wo die Verwir
rung den Vorsitz geführt hat und entspricht äußerlich bei
weiten nicht dem Stolze und der Hoheit feines Namens,
Rund herum ist es von Privatgebäuden verstopft und .
man ahndet es gar nicht. Seine Vorderfeite, die man
nur mit Mühe ausfindig macht, verräth durchaus nicht
den Sitz eines Reichs, das sonst so mächtig war; doch
besitzt es in einem Innern Adel und Schönheit.

Ob gleich dieser Palast mehrmals in Asche gelegt


worden ist, so hat man ihn doch immer wieder ohne
Zusätze und ohne Verbefferungen aufgebauet; hierin gleicht
er der Regierung, die er vorstellt und deren Räderwerk
sich ändert, ohne daß sich der Leiter jemals ändere,
Hier hält der Großvezier Divan, um Recht zu sprechen;
hier haben der Kiaya-Bey und der Reis - Effen di
ihre Büreaus, wo eine Legion von Kiatibs (Schreibern)
angestellt ist; hier ist auch das Schlachtfeld, wo sich die
verschiedenen Mächte durch ihre Drogomans, in Gegenwart
derselben Osmanlis bekriegen, welche fiel abwechselnd
anhören, einer jeden besonders Recht geben, alles vers
sprechen oder wenigstens nichts abschlagen, ohne deshalb
etwas zuzugestehen; durch ausweichende Antworten Zeit
gewinnen; oft mit diesem Zauberungssysteme gar nicht
wieder gut zu machende Fehler begehen, defen fie sich
ohne Veränderung bei allen Gelegenheiten bedienen und
das folgender Wahlspruch, der bei ihnen gewöhnlich ist;
„man muß den Hafen mit Karren jagen“ in wenig
Worten erklärt oder sie laffen sich auch verführen, und
verkaufen einen Lappen von dem Gebiete ihres Herrn,
der das Uebel wieder dadurch gut zu machen glaubt, daß
er Köpfe abschlägt, aber die Sache nicht im geringsten
beffer macht; er greift nicht die Quelle an, welche das
Uebel erzeugthat und welchedieses einen Augenblick darauf
POn neuem hervorbringt. - -

Das othomanische Ministerium, dessen Haupt der


Großvezier ist, besteht aus einem Minister des Innern
(Kiaya - Bey), aus einem Minister der auswärtigen
Angelegenheiten (Reis - Effendi) aus einem Finanz
minister (Defterdar)und aus einem Staatssekretär
(Tschiaufch - Baschi). Alle diese Großwürden wer
den vom Sultane ernannt und sie können ihre Stellen
alle Augenblicke verlieren, so wie sie dieselben auch lange
Zeit behalten können. So ist es nicht mit einem Pascha;
jedes Jahr hat dieser eine Bestätigung durch einen neuen
Ferman nöthig, welche zur Zeit des Bayrams ausge
fertigt wird und zu Folge defen sich ein Kiaya (Be
vollmächtigter) bei der Pforte einfindet, um in feinem
Namen mit dem Belehnungspelze bekleidet zu werden.
Wenn der Großvezier die Hauptstadt verläßt, um
sich ins Lager zu begeben, so nimmt er in seiner Eigen
fchaft als sichtbares Staatsoberhaupt alle Minister mit
sich. An ihre Stelle ernennt der Sultan einen zweiten
Vezier, der den Tittel eines Kaimakams annimmt,
so wie ein zweites Ministerium, das bloß zum Scheine
die Stelle des Ersten vertritt; denn alle wichtigen Ana
gelegenheiten - werden demohngeachtet vom Großvezier
entschieden; dies verzieht oft die Sache in eine nachthei
lige Länge, so wie es auch Gelegenheitzu Entschuldigun
gen giebt, die für das von der Regierung angenommene
System vortrefflich paffen. --

Der Großvezier ist der Stellvertreter des Großherrn


bei der Nation; dieser überträgt ihm alle Gewalt durch
-

– 91 –
die Uebergabe der Staatssiegels, so daß man den Einent
mit dem Andern verwechseln und sogar den Ersten ver
geffen kann, weil man nur den Zweiten handeln und
Befehle ertheilen sieht, als ob sie von ihm allein kämen.
Er ist der Mittelpunkt der Macht und der Zapfen, um
den sich alle Räder, dieser abgenutzten Maschine drehen,
- welche sich nicht mehr anders als krampfartig bewegt.
Zwischen das Oberhaupt und die Nation gestellt, muß
er dem Ersten zu gefallen suchen und sich in acht neh
men, auch der Andern nicht zu mißfallen, allein nichts
ist fchwerer, als sich diese widersprechenden Stimmen
in einem Staate zu verschaffen, wo sich die zwei Mächte,
von denen dieselben abhängen, unaufhörlich wie Kämpfer
einander beobachten, um den Gegner bei der schwachen
Seite zu faffen, - -

Der erste Minister führt den Tittel Vezir-azem,


zu welchem noch jener Muhur - Sahib i (Herrn
der Siegel) kommt; bei der Armee gehen vor ihm drei
Roßschweife und sieben Handpferde voraus. Jedes von
den Militärcorps hat stets einen Offizier bei ihm, um
seine Befehle in Empfang zu nehmen. Wenn er sich
von seinem Gebieter entfernt, so nimmt er in Hinsicht
der Beyler-Beys, der Beys, der übrigen Offiziere
der Armee, so wie der Unterthanen überhaupt das Recht
über Tod und Leben mit sich, Eine so große Gewalt
muß ihm natürlich alles zu Füßen werfen, was in der
Regierung oder Verwaltung Ansehen hat; indessen gibt
es doch drei Personen, denen er zu mißfallen sich ge
wöhnlich in acht nimmt. Diese sind die Valide Sul
tanin (Mutter des Sultans), das Oberhauptder schwarz
- -
zen Verschnittenen und der Säbelträger oder der erste
Page des Großherrn. Wöchentlich hält er dreimal Divan,
bald mit den zwei Kadi - askers, bald mit dem
Iftambol-Kadiffy oder auch mit Einem der drei
Mollas der Hauptstadt. Der Richter nimmt den Ge
richtsstuhl ein, spricht das Urtheil und der Großvezier
fetzt bloß das Wort Sabh (richtig) darunter, wodurch
es Gesetzeskraft erhält. Was nun Sachen betrifft, wor
über die kaiserlichen Verordnungen entscheiden, so ent
fcheidet er sie ohne den Beistand. Eines der weiter oben
erwähnten Beamten. Bei den Aussprüchen, wo Caffa
tion statt finden kann, beruft man sich auf ein Tribu
nal; aber bei denen, welche er thut, findet nur dann
eine nochmalige Durchsicht statt, wenn der Verurtheilte
fich des ihm zustehenden Rechts bedient, an das Tribus
nal des Oberherrn selbst zu appellieren. Der Sultan
Mahmud hat dies Recht wieder eingeführt, das das
Köstlichste der oberherrlichen Macht ist und das seit mehr
rern Regierungen in Vergeffenheit gerathen war.
Auf Befehl des Sultans versammelt der Groß
vezier den Staatsrath (Muchavere), der ohne Unterschied
bald an der Pforte, bald im Serail gehalten wird, und
aus den Ministern und Großbeamtendes Reichs besteht.
Der Großvezier stattet dem Sultane von den darin ver
handelten Sachen, so wie von den Beschlüffen Bericht
ab, damit er selbst darüber entscheiden kann. Wie man
sieht, giebt man dem Staatsrathe mit Unrecht den Na
men Divan, der bloß für die Sitzungen vorbehalten ist.
Außer dem Staatsrathe ruft der Großvezier inNothfällen,
wenn man die Nation zur Unterstützung einer unvers
meidlichen Kriegserklärung bewegen will, eine allgemeine"
Versammlung zusammen, welche beinahe aufdemselben
Fuße eingerichtet ist, wie jene des Marsfeldes, worin
das Corps der Ulemas die Gemüther aufreizt und den
Ausspruch thut. Dies ist eine kurze Schilderung des
treuen Abbildes des Sultans, so daß, wenn wir dieses
liefern, wir auch sogleich das Urbild schildern, einige
Veränderungen abgerechnet, welche durch den schwachen
oder gebieterischen Charakter des Großherrn bewirkt
werden. - -

Sonst gab es Vezier-Staatsräthe, welche, wie der


erste Minister, drei Roßschweife und die andern unter
scheidenden Kennzeichen des Letztern hatten; ihre Anzahl
war nicht bestimmt. Im Staatsrathe nahmen sie auf
der rechten Seite des Präsidenten Platz und hatten den
Tittel Vezier - Kutbey. Die Ueberzähligen erhielten
Statthalterschaften; der Großvezier und das Oberhaupt -
des Gesetzes waren die einzigen Großwürden im Reiche,
die den Rang vor ihren hatten. Die Stellen dieser Ves
ziere sind jedoch seit vielen Jahren aufgehoben, ob sie
gleich noch ein vor kurzem erschienenes Werk erwähnt. - -
Die Paschas von drei Roßschweifen sind an ihre Stelle
gekommen. -

Der Kiaya-Bey hat dasDepartement des Innern,


fo wie das des Kriegs; außerdem ist er Obersekretär
des Großveziers; er fertigt daher die Befehle der höchsten
Gewalt aus und nimmt alles in Empfang, was die
Civil- und Militärbeamten an diese richten. Die frem
den Nationen bewerben sich um eine Frundschaft; denn
er ist gewöhnlich der Nachfolger des Großveziers, aber
-
eine Macht, so wie jene des ersten Ministers, hat sich
seit einiger Zeit sehr vermindert, so daß jetzt beide viel
Bedenken tragen, aus Furcht vor der auf ihnen lasten
den Verantwortlichkeit etwas auf sich zu nehmen.
Der Defterdar oder derFinanzminister ist derEins
nehmer sowohl der Staats- als der Kroneinkünfte, welche
er unter die verschiedenen Dienstzweige verheilt; er
nimmtdie besondern Rechnungen in Empfangund legt dem
Großvezier eine allgemeine Uebersichtdavon vor. "Eigent
lich ist er der Oberaufseher des Reichs und des Sultans;
er braucht daher eine Menge Beämte, welche in vielen
Büreaus verheilt sind, die sich in die verschiedenen Vera
waltungszweige theilen. Auch verpachtet er die Avarize
oder die Häuserabgabe, den Karatsch oder die Kopf
feuer, die Zölle, und alle Staatseinkünfte, die in mehr
rere Pachtungen verheilt sind, welche öffentlich verpach
tet werden.
Der Reis - Effendi ist der Verwahrer der Archive
und Staatsgeheimniffe. An ihn werden alle Schreiben
der fremden Gesandten gerichtet, mit denen er im Noth
falle diplomatische Verhandlungen hat. Alle Vorstellung
gen (Telhis) des Großvezier an den Sultan fetzt er
auf, welchem sie von dem Tiefhiftzi - aga überbracht
werden. In seinen Canzeleien werden die Befehle auss
gefertigt. Diese werden von dem Sekretär unterzeichnet,
der sie ausarbeitet; von dem Büreauchef (Beyliktzi) ge
gengezeichnet, von dem Reis - Effendi parafiert; end
lich kommen sie an den Nitschandgi, der den Naa
menszug des Großherrns darauf fetzt. Der Reiss
Effendi und Defterdar werden jetzt aus der Claffs
– 95 -

der Effendisgenommen, welchen Namen man vorzüg


lich den in den Büreaus angestellten Leuten giebt. Die
Beschaffenheit der Verrichtungen dieser beiden Minister
erfordert in der That eine große Uebung in den Geschäft
ten, welche gewöhnlich die Militärs nicht besitzen.
Der Tschiausch - Baschi ist der Vorsteher der
Staatsboten; sein Geschäft besteht daher darin, daß er
alle Befehle des Großherrn verschickt. Auch werden wir
ihn als Einführer bei der Vorstellungsfeierlichkeit der Bot
fchafter eine Rolle spielen sehen. Er ist allemalzugegen,
wenn der Großvezier Divan hält. Vor und nach den
Sitzungen hört er die Klagenden an, entscheidet über
Sachen der zweiten Ordnung und bringt die Andern vor
den höhern Gerichtshof. Bei Aufzügen geht er an der
Spitze von 20 bis 30 Tschiausch vor dem ersten Mi
nister her. Das Corps, dessen Oberhaupt er ist, beläuft
fich auf 3 bis 400 Mann und hat zu seinem Einkom
men Kriegslehen. Sobald der Sultan am Eingange der
Moschee den Fuß aufdie Erde setzt, verrichten die dienst
thuenden Tschiaufchs das für eine Erhaltung gewöhn
liche Gebet; diesthun sie auch beidem Großvezier, wenn
dieser in den Divanssaal tritt oder ihn verläßt.
Alle hier angeführten Großwürden wohnen dem
Staatsrathe bei, wenn darin Sachen verhandelt werden
follen, die sich auf ihre verschiedenen Departements bei
ziehen. Ihre Besoldungen betragen nach dem Gesetze so
viel als beinahe nichts, aber sie halten sich durch die
Baktfchifche oder Geschenke schadlos, um der Sache
einen ehrenvollern Namen zu geben. Dies System era
– 96 –
streckt sich vom Großvezier bis zum geringsten Tichos"
kadar der Pforte herab. - -

Der Groß- und Klein - Teskerdgi, welche Ges


hülfen des Tschiausch - Baschi sind, nehmen die an
den Großvezier gerichteten Gesuche in Empfang und brin
gen das zur Ausführung, was dieser darüber entscheidet,
der sein Visa darunter setzt und Anmerkungen dazu macht.
Sie sind stets an der Pforte zugegen. --

Der Buyuk - Ruznamedgi oder der General


controlleur schreibt Tag vor Tag das auf, was in den
öffentlichen Schatz kommt und wieder ausgegeben wird
und merkt die Verwendungder ausgegebenen Summen an,
so auch, wo die Einnahmen herrühren. Der Kutschiuk
ruznamedgi ist ein Gehülfe; beide stehen jedoch uns
ter den Befehlen des Defterdars. - :
" Der Mektutchi-Effendi ist der Privatsekretär
des Großveziers, und hat, wie man leicht denken kann,
auch seinen Hof, ob er schon bloß ein Untergeordneter
ist, wenn man die kaiserlichen Befehle buchstäblich nimmt,
Doch genug von dem Ministerio, indem wir die Stellen
der ersten und zweiten Ordnung angeführt haben. Nun
wollen wir ein Wort über die Militärbamten fagen.
Nach dem Großvezier, den man an der Spitze aller
Staatskörper findet, mit Ausnahme des Corps der
Ulemas, sind die ersten Offiziere der Armee die Beys“
1er - Beys von Anatolien und Rumelien, welche
unter ihrer Aufsicht die Paschaliks haben, die unter dies“
fen beiden Benennungen begriffen sind. Im Lager fühs
wen sie den Befehl über mehrere Paschas und dann neh
men sie den Titel.Ser - asker an, welcher unsern“
",
Generallieutenant entspricht. Auch kann ein Pascha dies
jen Dienst verrichten. Die Beyler-Beys nennt man
auch Miri - miram oder Fürsten der Fürsten, aber sie
sind trotz dieser Umgebung von Größe das, was der
Sultan selbst ist d. h. sie sind mit mehr Ehre bekleidet,
als sie Macht besitzen. Der Beyler - Bey von A na -
tolien hält sich zu Kutahie, jener von Rumelien
zu Sophia auf. - -

Die Paschas, welche wegen der vollziehenden Ges


walt, trotz der Reichsstatuten den Vorrang vor den
Behler - Beys haben, sind Statthalter der Provinzen -

Sie ziehen in den Krieg, und führen ihre Contingente


an. Die drei Gewalten üben sie ohne Einschränkung
aus und können sich, bei dieser großen Macht, oft uns
abhängig machen. Zwei oder auch drei Roßschweife find
nach ihren Range ihre Unterscheidungszeichen.
Die Anzahl der Paschaliks ist 28, welche wieder in
besondere Regierungen abgeheilt sind, die den Namen
Sandschaks führen. Diese Paschaliksfind in Europa
die Paschaliks von Sophia, Belgrad, Bosnien,
dem Archipelagus, von Cypern, Candia und
Janina, welche zusammen 55 Sandschaks begreifen;
hierzu kommen noch die Fürstenthümer der Moldaut
und Wallachei. Die Paschaliks von Afien sind in
folgender Ordnung abgeheilt und heißen die Paschaliks
von Anatolien, Karamanien, Sinope, Merach,
Trapezunt, Brufa, das erst neuerlich errichtet wor
den ist, von Kars, von Tzeldire, Erzerum, Wan,
Rikka, Diarbe kr, Mosul, Tschefchreful, Bags
dad, Basra, Haleb, Damask, Tripoli in
- 7
Syrien und Saida,welche in allem aus 188 Sand
fchaks bestehen. Hierzu kommen noch: 1) die Kurden,
welche eine Strecke Landes einnehmen, die in fieben
Sandfchaks abgetheilt ist, zu denen aber der Groß
herr nicht ernennen kann; 2) die zwei heiligen Städte
und ihre Bezirke, die von Scherifs regiert werden;
3) Pemen und die übrigen Provinzen Arabiens,
welche Scheiks oder besondern Imams gehorchen; übri
gens aber das Ansehen des Sultans bloß dem Namen
nach und als Kalifen anerkennen; 4) Aegypten,
welches feinen Pascha hat, und sonst auch noch 24
Beys hatte, die diesen zu Kahira gefangen hielten,
ehe ihn der Sultan Mahmud II. aus seiner Gefangen
fchaft befreiete. Endlich begreifen wir in dem großen
Reiche, worüber die Osmanen ihre Gewalt ausdehnen,
auch die Barbaresken, weil sie dem Sultan von neuem
den Tribut schicken, den sie einige Jahre lang verweigert
hatten.*) -

») Nach dem Herr von Hammer (f, des osmanischen Reichs


Staatsverfaffung und Staatsverwaltung, dargestellt aus
den Quellen 1 und 2 Th. 1815) bestanden sonst die osma
mischen Besitzungen in Europa in vier Statthalterschaften,
nämlich Rumili,Bosnien, Temeswar (das Banat),
und Ofen oder der den Türken unterworfene Theil von
ungern; heute zu Tage aber bestehen sie bloß in Ru
mili und Bosna. Die Türken rechnen zu Europa
auch alle zwischen diesem Erdtheile und Asien gelegenen
Inseln; Cypern zählen sie zu Afien und Candia zu
Afrika. Die heut zu Tage bestehenden Statthalterschaft
ten (Paschaliks, Ejalet) sind folgende 25. 1) Rumili;
* 2) Bosna; 3)die Inseln des Archipelagus; 4) Cys
pern; 5) Anatoli; 6) Karaman; 7) Siw a s;
s)Mera sch; 9) Trapeze unt; 10) Kars; 11) Tschill
- 99 -

Die Beys regieren unter den Befehlen der Packag


die verschiedenen Abtheilungen, die wir S andfchafs
genannt haben. Zu Folge ihrer Bestallung müffen diese
Beamte an der Spitze der Besitzer der Militärlehen „
fchiren, sobald es das Staatsbedürfniß erfordet, aber fie "
erfüllen ihre Pflichten eben so schlecht als die Paschas,
ob sie schon, wie die Letztern, alle Jahre einen Ferman
nöthig haben, um ihre Amtsverrichtungen fort zu fetzen.
Bei der Armee wird vor ihnen ein Roßschweif herges
tragen. - - - -

Hieraus fieht man, daß die osmanische Regierung


folgende Unterschiede annimmt: 10 Militärstellen, die
nur so lange vom Vater auf den Sohn forterben, als
diejenigen, die damit, bekleidet sind, die gewöhnliche
Abgaben abtragen; die Pforte läßt sie nur kurze Zeit eine
Gunft genießen, die sowohl für den Unterthanen als dennt
Gebieter höchst nachheilig ist; dieser verfügt darüber nach
seinem Belieben und sieht sie als sein Eigenthum „
2) Ministerialämter, die ebenfalls von Sultane abhäne
gen, die Leute aus den Büreaus erhalten und die noch
- unsicherer sind als die Andern, weil sie gegen den Wils
len des Oberherrn kein Widerstandsmittel gewähren;
3) das Corps der ulema's, das dem Willendes Ober
herrn. Trotz bieten kann und das das Einzige ist, worin
Ammam

dir; 12) Erzerum; 13) Wan; 14) Rakka; 15) Die


arbe kr; 16) Mofull; 17 Scheher fol; 18) Bagdad;
19) Basra; 20) Yemen; 21) Ha leb; 22) Damask;
23) Trip o l i in Syrien; 24) Aegyp t enz
45) Candig.
D. uebs.
-

- – 1oo –
das Erbfolgerecht eingeführt ist;jedoch ohne eine gesetzliche
Genehmigung, sondern zu Folge des Einfluffes, den es
sich zu verschaffen gewußt hat. Diesfind die drei einzi
gen Laufbahnen, die den Unterthanen frei stehen. Die
Paschas und die Großveziere wählt man oft aus dem
niedrigsten Range der Soldaten, gewöhnlich aus der
ganzen Nation; denn jedermann ist unter dieser Soldat,
mit Ausnahme der Ulemas; man kann daher nicht sagen,
das Waffengewerbe fey ein Stand; jedoch müffen die Bea
fizer von Militärlchen, wegen der Einkünfte, die fie
davon beziehen, ihn als einen solchen ansehen und die
Leichtigkeit, mit welcher sie diese erhalten, macht sie um.
so mehr für sie zu einem sehr bequemen Gewerbe.

Nach den Militärwürden kommt die Claffe der Eigen


thümer, welche zahlreich ist und da das Vermögen zien
- lich gleich verheilt ist, so findet eine Abweichung von
diesem Grundsatze der Gleichheit bloß in Hinsicht einiger
großen Feudalbesitzer statt; alsdann folgt die Claffe der
Handwerker, welche mit der zweiten in gar keinem Ver
hältniffe steht, weil sich unter den unterjochten Nationen
viele Hände mit den mechanischen Künsten beschäftigen
und die Mahomedaner allein ohne Besorgniß Grund
besitzungen haben können; daher rührt es auch, daß die
Claffe der Ackerbauer, wenigstens in Asien, die zahl
reichste ist. Dies ist ein kurzer Abriß von der Zusam
mensetzung der Gesellschaft im osmanischen Reiche, wo
bei wir nur noch die Bemerkung machen, daß das Gleich
heitssystem unter diesen „verschiedenen Haupttheilen 1UP .
eine geringe Veränderung erleidet; denn die unbeschränkte
/
- – 101 –
Gewalt behandelt alles mit gleichem Maaße und Alle
kehren vor dem Oberhaupte in nichts zurück.
Uebrigens hat der Islamism das Eigene, daß er
bei den Nationen eine ähnliche Wirkung, wie der repu-,
blikanische Geist, hervorbringt. Er adelt alle, die sich zu
ihm bekennen, im gleichen Maaße und gestattet keinem
Mahomedaner, sich für etwas befferes zu halten als
andere Gläubige, so wie er diesen auch nicht erlaubt,
sich unter jene zu demüthigen. Bei den Mahome
danern giebt es daher weder Kriecherei noch übermüthi
gen Trotz; bloß die Gewalt und die Stärke erhalten eia
nen Vorzug, der aber doch nichts Aehnliches mit demje
nigen hat, welcher von der Herablassung oder der Uebers
zeugung herrührt. Jeder kann Anspruch auf das Vezia
rat machen und da ein Großvezier die Absetzung als ein
unvermeidliches Schicksal ansehen muß, das ihn dazu
verdammt, nicht mehr zu seyn, als Andere, so hat dies
für ihn die Folge, daß er auf eine vorübergehende Gunst
bezeugung nicht stolz wird und für die Gesellschaft den
Vortheil, daß die Ehrfurchtsbezeugung, die man ihm
bloß aus Furcht erweise, mit der Letztern fast gänzlich
aufhört. - - . .
Wenn man sich nach, der h. Sophieukirche hin
wendet, so sieht man bei der Ringmauer des Minister
palastes die Cisterne Basilika oder die kaiserliche Ci
sterne, welche die Osmanlis Batan Serai nen
nen. Sie ist die größte zu Constantinopel, wie
schon ihr Name anzeigt und muß, nach ihrer Bauart zu
urtheilen, aus den Zeiten der Regierung Constantins,
des Großen herrühren. Mehrere Höfe von Kreuzges
- -
- - 102 - -

wölben, die aus römischen Ziegelsteinen und Kittschichten


bestehen, dienen ihr zur Decke. Diese Gewölbe ruhen
auf Marmorsäulen von verschiedenen Ordnungen und an
einigen Stellen sind sie von der Zeit und von der Bar
bareizerstört; übrigens dienen sie den Häusern, die man
darüber gebauet hat, zur Grundlage.
Die Flöße, auf welche ich mich setzte, um auf die
fem unterirdischen Meere herumzufahren, in das sich,
wenn man den Griechen der späteren Zeiten des römis
fchen Reichs glaubt, der Barbyfes und der Cyda ris
verloren, bringt mich in ein dunkles Labyrinth, wo ich
fehr auffallende Züge der römischen Größe wieder finde,
an denen man jedoch Verderbniß und den Ursprung des
Vorfalls der Künste entdeckt. Unsere Streifereien in
Confantinopel werden uns noch mehrmals zu Cifter
nen führen, wovon Einige zwar nicht so groß, wie die
Ba filika, aber doch sehr geräunig sind, Andere befin
den sich unter freiem Himmel und haben einen noch viel
größern Umfang. Wir werden sie mit einer Art von
Gleichheit in den verschiedenen Quartieren verheilt an
treffen, welche fiel vor der Ankunft der Osmanen mit
Waffer versorgten. Stets waren sie auf die äußerst
zweckmäfigste Art angelegt, und sie nahmen nicht etwa
das Regenwaffer auf, wie man bis jetzt geglaubt hat,
sondern sie bewahrten das auf, das ihnen die zahlreichen
auf den Gefilden von Constantinopel verheilten Ka
näle zuschickten, Heut zu Tage bekommen Vertheilungs
gebäude diese Waffer aus der ersten Hand, welche von
allgemeinen Richtungen her anlangen d. h. oben von dem
Gipfel und den beiden Abhängen; hierauf verheilen sie
- 103 -

es in die verschiedenen Quartiere auf eine klug berechnete


Weiße, welche nur durch eine lange Erfahrung zu einem
folchen Grade von Vollkommenheit hat gebracht werden
können. Uebrigens ergiebt sich aus Allem, daß diese
finnreichen Verfahrungsarten, welche eine gründliche Eins
ficht einer sehr schwierigen, aber vollkommenen Verbindung
erfordern, einer Nation zu verdanken find, welche in der
Hydraulik erfahrner war, als die Osmanen und will
man ihre Entdeckung wissen, so darf man sich nur an
die Zeit der Denkmäler halten, welche noch das Geschichts
liche davon aufbewahren. -

Die häufigen Einfälle der Barbaren gaben sicherlich


den morgenländischen Kaisern Veranlassung zur Anle
gung solcher Behälter, um ihre Hauptstadt in Hinsicht
--

des Bedürfniffes dieses Artikels von der ersten Noth


wendigkeitzu sichern, da der Belagerer ohne diese Sicher
heitsmaßregel die Belagerten leicht durch die Abschneidung
des Trinkwaffers zur Uebergabe hätte zwingen können.
Die so stolzen Osmanen, denen es weit mehr, an
Vorsicht gebricht, würden Mahomeds Säbel zu ent
ehren wähnen, wenn sie solche Vorsichtsmaßregeln brauch
ten, da sie das Gebiet ihrer Hauptstadt als unverletzlich
ansehen; denn es läßt sich nicht denken, daß sie den
Grund dieser köstlichen Anstalten nicht gehörig zu wür
digen verfänden. -

Alles, was wir über das Waffersystem, so wie


über die vorhergehenden Artikel gesagt haben, die sich
auf denselben Gegenstand beziehen, verdanken wir den
sorgfältigen Untersuchungen des Grafen Andreoffy, der
das Geheimniß dieses zweiten gordischen Knotens gefune
w- 164 -
den hat, indem er diese unterirdischen Kanäle
von ihren
vielen Anfangspunkten an bis zu ihren Vereinigungs
Punkten verfolgte,
welche oft sehr schwer zu entdecken
waren und den wahren Zweck dieser großen Behälter ent
büllte, welche man "s falsch vor dem Lichtstrahle bei
heilte, der die Untersuchung in ihren geringsten Einzelne
heiten vollkommen aufgehellt hat, allein man muß den
gelehrten Aufatz selbst efen, wenn man feine mühfanen
Untersuchungen gehörig beurtheilen will denn ich maße
mir durchaus nicht an, zu behaupten, daß ich eine voll
fändige Zergliederung davon geliefert habe. *)
- Von der Bafilika nach der h. Sophienkirche
hat man bloß einige Schritte, die man schnell zurücklegt,
"in den Anblick eines Denkmals zu genießen, das einen
fo berühmten Namen hat. Doch würde Man sich eine
sehr irrige Vorstellung davon machen, wenn man nicht
fo glücklich wäre, sich die Thüren öffnen 3 Jaffen und
“ nur von außen betrachten könnte; denn sein Aeuße
“ schmeichelt dem Auge nur so lange, als man nicht
die großen Pfeiler bemerkt, worauf sich das Gebäude -

"f allen Seite "st, und die den durch die Kuppel
"orgebracht, Zauber "ernichten; man muß daher diese
" der Fern, Und ab8esondert von ihrer Grundlage fehen,
e

- wenn sie "ahrhaft in der gut schwebend erscheinen soll,


*) Der
fandter'neral undreist, el"undunter
" Constantin feineNapoleon 9.
Arbeit ist nun
mehro "inter dem Titel erschienen: Voyage à l’embouch".
* de , “ noire ou essai zu 1. Bosphore er a par
tie du Delta de Thrace, "Premant le systeme des eaux,
Fuji ebbrouvenir Constantinople. Paris gig
D. Ueb,
- – 105 – -

von
Der Künstler würde dieses herabwürdigende Miss
einz derungsmittel vermieden und zugleich Anmuth mit dem
ent Durchschnitte der Spitze verbunden haben, wenn er ihr
hält nicht die in der Mitte etwas eingebogene Gestalt gegeben,
ahlen - sondern sich mehr der kugelrunden genähert hätte, welche
Etzt das Auge leichter faßt, und welche wegen ihrer Stütz
muß punkte nicht so ermüdend ist. ,

ühsam Das Aeußere der mahomedanischen Sophienkirche


h mit verkündet also nicht mehr jene berühmte große Kirche,
M - die mit so vielen Kosten den ersten Platz unter den Tem
peln der Christenheit erhielt, woran sich nach und nach
fiti die Geschicklichkeit des Antenius und des Isidor us
f von Milet versuchte, welche die berühmtesten Baumei
eine fer des Zeitalters Justinians, ihres Stifters, waren,
i und worin man eine unzähliche Geistlichkeit erblickte, die -

ni im Schatten ihrer Altäre auf Kosten eines Staats lebte,


der thörigter Weise einen verderblichen Aufwandt machte,
um diese lästigen Stellenzu unterhalten. - -

- Vor Justinian gab es schon eine große Kirche,


welche der göttlichen Weisheit geweihet war, welches die
Bedeutung des Namens der heiligen Sophia ist. Sie
wurde von Constantin gegründet und von Constan
tius wieder aufgebauet; nachmals wieder zerstört und
Regierungen des Arcadius und des Theo
unter den
dosius des Jüngern von neuem aufgebauet; allein bis
zu dem prachtliebenden Fürsten, der sie so hat aufführen
laffen, wie man sie noch heut zu Tage erblickt, nahm
sie unter den Denkmälern Constantinopels bloß eine
Stelle der zweiten Ordnung ein. -


Als sieaus den Händen Isidors von Milet, her
- ,
– 106 –

vorgegangen war,welcherzwischen ihr und denprächtigsten


Gebäuden einengroßen Zwischenraumgelaffen hatte, befand
sich ein Hof vor ihr, der mit Säulenhallen und Spring
brunnen verschönert war, welche nicht mehr vorhanden
find, aber den Osmanen die Idee dieser schmeichelnden
Zubehöran die Handgegebenhaben, die manbeiallen ihren
kaiserlichen Moscheen bemerkt. Jetzt geht man durch vers
fohlne Eingänge hinein, durch die man zu den zwei Vor
häusern gelangt, welche man noch bei allen alten grie
chischen Kirchen findet. Von da kommt man durch neun
Thore in den Tempel, deren Flügel sonst von Bronze
waren. Im ersten Augenblicke mißt der Beobachter nur
mit Erstaunen, das mit Furcht vermischt ist, die große
Entfernung, welche den Vorhof, mit dem er sich ver- -

mischt, von der Kuppel trennt, welche acht ungeheuer


große Porphyrsäulen und 92 andere von Verde antiko,
seltenem Jaspis und Marmor in die Luft erheben. -

An den Seiten gehen zwei Schiffe, mit einer Gal


lerie bekränzt, hin, welche einen krummen Gang an der
Vorderseite bildet, und die Breite des zweiten Vorhofs
einnimmt. Die Säulen von Verde antiko stehen in zwei
Reihen, jede von zwei Stockwerken und verzieren den
Werderheit der Schiffe, so wie der Galerien. Der
Plan des Gebäudes stellt eine viereckige Figur vor, welche
in Hinsicht der Regelmäßigkeit fehlerhaft ist. Sein
Schrägschnitt zeichnet sich nicht durch die edle Einfalt
aus, welche ein eigenthümliches Kennzeichen der griechi
fchen Baukunft, so wie der römischen zur Zeit der Kaiser,
ist. Hier steht, wie in allen mahomedanischen Tems
peln, die Kuppel über Halbkuppeln, wovon diejenige,
-
w- 107 -

welche dem Eingange gegenüber ist, das Allerheilige bes


deckt, das sonst vom Innern durch ein Gitter vom größer
ten Reichthume getrennt war. Die eingehenden Winkel,
die auch zum Umfange des Gebäudes gehören, vollenden
die viereckige Gestalt, -

Mufivarbeiten oder vielmehr eine eingelegte Arbeit


von kleinen Glaswürfeln auf vergoldeten Metallblättern,
alles in Kitt eingefügt, gaben der Kuppel einen hohen
Glanz, der jetzt durch Gypsschichten vernichtet ist, mit
welchen sie die Mahomedaner, die Feinde von Ab
bildungen sind, beworfen haben. Auf der Kanzel des
Kutbe wehen zwei Fahnen, welche der Sieger von
Confantinopel zum Zeichen des Siegs des Korans
über das Evangelium darauf steckte. Der Khatib zeigt
fich nie anders darauf, als mit dem Gesetzbuche in der
einen, und dem Säbel in der andern Hand, -

Um diesen Altar, der nicht mehr vorhanden, und


sosehrwegenseines Reichthumsgerühmtworden ist, flüchtete
sich eine Menge Gefangener wegen einerVolkssage; unter
denselben bemerkte man eine große Anzahl von Jungfrauen
aus den ersten Familien, denenviehische Wollustden Schleier
der Schamhaftigkeit ohne Rücksicht auf Rang, Unglück und
denjenigen abriß, beidem sie einenZufluchtsort gefucht hat
ten: Unordnungen, die von einer Eroberung unzertrenn
lich sind, welche mit dem Preise so vielen Bluts und
nach so vielen Anstrengungen erkauft worden war. Man
muß sich vielmehr noch über die Mäßigung des Siegers
wundern, ob schon die Besiegten alles gethan haben, um
ihn verhaßt zu machen, allein er gestand einen neuen
Sklaven Gewissensfreiheit zu, und sicherte ihnen wie sein
- 10 3 -

nen alten Unterthanen den Schutz der Gesetze ohne Ein


fchränkung zu." Wie fehr erhob fich dieser große Mann,
den Einige so schlecht gekannt haben, über ein Zeitalter!
Innerhalb der Einfaffung der h. Sophienkirche
bemerkt man zirkelförmige Gebäude, die mit Kuppeln
bedeckt und von dem Hauptgebäude abgesondert fehen.
Dies sind die Tempel, die der nämliche Barbar erbautet
hat, defen Lieblingswahlspruch war: „das Studium
der Wiffenschaften ist göttlichen Gebotes.“ Nach seinem
Beispiele haben alle Stifter kaiserlicher Moscheen, meh
rere Großveziere, ja sogar Paschas ähnliche Anstalten
angelegt. Die Bibliothek des Serails nimmt sowohl
wegen der Seltenheit der Bücher, als wegen ihrer Menge
den ersten Rang unter den sechzehn von den Sultanen
gesammelten Bibliotheken ein; in vieler Hinsicht verdient
fie vor mehrern Andern bei weiten den Vorzug, welche
keine so berühmten Stifter haben. Sie enthält ungefähr
drei tausend Bände; dies scheint fehr wenig zu feyn,
wenn man sie mit unsern großen Bücherschätzen ver
gleicht, allein, man muß wifen, daß es unter diesen
Büchern sehr wenige von einem fremden Ursprunge giebt,
und daß die morgenländische Literatur nicht so mannich
faltig als die unserige ist. -

Zu Einigen von diesen Bibliotheken können die


Fremden Zutritt erhalten. … Die Bibliothek Abdul-Ha
mids bei der Turbe dieses Sultans wird ihnen ohne
viele Schwierigkeiten geöffnet. Sie bekommen da ein
artiges Zimmer zu Gesichte, in welchem rund herum
Schränke stehen, wo die Bücher, in Futterale eingepackt,
auf dem Boden liegen, und nach den Materien, von
denen fie handeln, geordnet sind. Sie treffen da fichers
lich Softas, welche aufmerksam in Folianten lesen,
die sie vor sich auf kleinen Pulten liegen haben und
Muderis an, welche das Studium der Wiffenschaften
gebildeter gemacht hat, und welche fiel auf eine artige
Weise empfangen; sie mögen aber so oft dahin kommen,
als diese Anstalten offen stehen, so finden sie doch nie
weder Paschas noch andere Militärbeamte daselbst. Nie
verlaffen diese die Ecke des Sophas in ihren Konaks
und kennen weiter keinen Zeitvertreib, ich will sogar be
haupten, keine Beschäftigung als jene, Besuche durch
eine dicke Rauchwolke anzunehmen, welche vom Tabaksa
rauchen herrührt. -

In der Bibliothek, die wir als Beispiel angeführt


haben, zeigt man dem Liebhaber eine Geschichte von
Perfien in der Sprache dieses Landes, welche selbst
von den Gelehrten nur mit Mühe verstanden wird.
Man richtet seine Aufmerksamkeit auf die schlechten illus
minierten Zeichnungen, worin man Gestalten von leben
digen Wesen antrifft. Hieraus sieht man, daßdie Per
fer über diesen Punkt nicht von denselben Vorurtheilen
angesteckt sind, wie die Osmanlis. Aus den Alles
gorien, wodurch sich diese Zeichnungen auszeichnen, kann
man abnehmen, daß dies Werk eine poetische Geschichte
ist, was die Abtheilung jeder Seite in zwei Columnen
bestätigt. Was der Reisende aber mit tiefer Ehrfurcht
betrachten muß, wenn man so gefällig ist, es ihm zu
zeigen, das find zwei Korane, wovon der Sage nach,
der Eine von Omar, der Andere von Osman in ku
fischen Charakteren geschrieben worden ist; darauf zeigt
- - - , ",
- 110 -

man ihm ein arabisches neues Testament, das der


arabischen Art und Weise angepaßt ist; denn die Mas
homedaner geben vor, der Text dieses Buchs fey von
den Chriften verfälscht worden.
Die Werke, welche diese Bibliotheken enthalten, sind
Lauter Handschriften und mit einer bewundernswerthen
Kunst mit bunten Dinten gemahlt, in welche man Gold
in Menge wirft. Man bekommt jedoch auch einige ge
druckte zu sehen, die aus den Preffen zu Scutari hers
rühren. Der ungeheuere Preis, den man für die Hand
fchriften bezahlen muß, trägt nicht wenig dazu bei, die
Ausbreitung der Aufklärung bei den Osmanlis zu
verhindern, bei denen die Vorurtheile ihre Fortschritte
noch mehr aufhalten. Indeffen haben ihnen. Mehrere von
ihren Sultanen das Beispiel von Liebe zu den Wiffens
fchaften gegeben, indem sie dieselben mit Eifer und Glück
betrieben. Mahomed II. haben wir schon angeführt.
Vor ihm trat Orkhan in feiner Eigenschaft als Stift
ter der Universitäten zu Bruffa auf. Nach diesen bei
den Fürsten kommen nach und nach Selim I., der ein
eifriger Liebhaber der Dichtkunft war; Bajazet II, def
fen Name den Gelehrten noch immer wegen des Schutz
zes, den er ihnen gewährte, und wegen feiner mathe
mathischen Kenntniffe theuer ist; Achmed III; Sulei
man der Große; Osman III, Mustapha III, des
nen ich noch viele Andere beifügen könnte, wenn ich alle
osmanischen Fürsten nennen wollte, welche die Wiffen
fchaften getrieben haben, allein ich würde kein Ende fin
den, wenn ich auch die Kalifen von Bagdad, Kahira,
Grenada und Cordova anführen wollte. - -

s
- 111 -
4

Von den morgenländischen Büchern find die Einen


in arabischer Sprache geschrieben, d. h. diejenigen, welche
vom Gesetze handeln; Andere in persischer, welches Werke
der Geschichte, der Einbildungskraft und der angeneh
men Literatur find; noch Andere in eigentlichem Türkisch,
welche Bücher von allen Claffen enthalten, denn das feine
Türkische besteht aus diesen beiden Grundsprachen. *)
Auf diese verschiedenen Arten beschränkte sich bei
den Erben der Araber der gesammte Reichthum der Wii
fenschaften und Literatur. Ihre Bücher sind gewöhnlich
Nationalwerke; indessen besteht die Claffe der Wiffen
schaften und der Literatur, die ich zuerst anführen will,
zum Theil auch aus Uebersetzungen der besten griechischen
Schriftsteller; dergleichen find Aristoteles, Euclis
des, Archimedes, Hippocrates, Gallienus,
Apollonius u. f. w. Macht man den Morgenländern
daraus einen Vorwurf, so erwiedern sie mit Stolz, die
Araber feyn in den Wiffenschaften die Lehrer der Gries
ichen gewesen; fie seyn wiederum, als Omar die Biblios
thek zu Alexandrien verbrannt habe, bei den Letztern

*) Nach Mouradgea d'Ohffon giebt es zu Constantinos


pel 35 und nach Tod erini bloß 13 kaiserliche Biblios
theken. Der Herr von Hammer führt 2o öffentliche Bis
bliotheken überhaupt an. Bald sollten noch alte Claffi
er in diesen Bibliotheken verborgen feyn, bald wieder
nicht. Mehrere Engländer haben deshalb Untersuchung
gen in Constantinopel angestellt, aber vergebens.
Indeffen hat man noch nicht alle Bibliotheken untersucht.
Der Engländer Carlisle, der hauptsächlich deshalb
nach Constantinopel reitete, hat bloß die äußere Bi
bliothek des Serails besucht, aber nicht die innere.
D, Uebs. . .
\
- 112 –
in die Schule gegangen; damals haben sie die angeführt
ten Uebersetzungen gemacht u.f. w.; wenigstens erhielt
ich diese Antworten, wenn ich ihnen obige Bemerkung
machte. - -

Die Claffe, welche nach der Philosophie die meisten


Werke enthält und zu allen Zeiten vorzüglich bearbeitet
worden, ist jene der Erläuterungen, Auslegungen und
Erklärungen des Gesetzbuchs, dessen Dunkelheit zu einer
Menge Abhandlungen Veranlaffung gegeben hat, welche
die Sache noch schwieriger gemacht haben, weil der Ko
ran zugleich die religiösen, politischen und bürgerlichen
Gesetzbücher der mahomedanischen Nationen enthält.
Die morgenländische Bibliothek enthält auch eine
ziemliche Anzahl Geschichtschreiber und Jahrbuchsverfaffer,
wovon Einige in europäische Sprachen übersetzt worden
find, ob sie schon von der Philosophie der Geschichte -
durchaus nichts wissen und nicht immer wahr erzählen;
auch wissen sie sich darin nicht an den ernsten Vortrag
zu halten, welchen eine so strenge Wiffenschaft erfodert,
und welchen man nur durch das Studium des Tacitus
lernt, den die Morgenländer nicht kennen. -

Die Claffe der Dichter ist zahlloß und enthält Werke,


die reich anEinbildungskraft sind und sichdurch ihre Origis
nalität auszeichnen; wo die Uebertreibungfast immer dem
Natürlichen Eintrag thut und oft das Gefühl drsetzt;
indessen giebt es doch Arten z. B. den Apolog, (Lehrs
fabel) worin die Morgenländer sehr glücklich find; dies
kann man aus Pilpais Fabeln sehen. Der Giulia
stan, ein persisches Gedicht, von Sadi, verdient in
feiner Art eben so viel Bewunderung, „ . . ."

-
-

- 113 - -

- Auch find die Morgenländer reich an Abhandlungen


über die Wohlanständigkeit, die Gebräuche und Ceremo
nien; denn in diesem Stücke haben die Türken viel
Aehnliches mit den Chinesen, welche aus der Etikette
und dem Benehmen eine besondere Wiffenschaft gemacht
haben, die langen und großen Fleiß erfodert; daher
haben. Einige von den angeführten Werken Aehnlichkeit
mit der Abhandlung von der Höflichkeit, An
dere mit dem Hoffee retär, noch Andere schließen sich
gn die Sittenlehre an, über welche man im Morgenlande
viel geschrieben hat, so wie über die Arzneikunde, die
Astronomie, die Geographie, die Grammatik und Als
chemie, wenigstens bei den Arabern. Zuletzt mug ich
noch die Sterndeutelei erwähnen, die bei diesen Nation
nen in großem Ansehen steht. Wer mehr über die mors
genländische Literatur und Bücherkunde wissen will, den
verweise ich auf Herbelot und Toderini. *)
Jede kaiserliche Moschee hat einen Medreffe (eine
Gesetzesschule), wo diejenigen, welche in die Körperschaft
der Ulemas eintreten wollen, ihre Grade annehmen und
nur durch langes und fleißiges Studium den Grad von
Muderis oder Professoren erhalten, welcher selbst acht
Stufen hat, die man durchlaufen muß, wenn man den
- pomphaften Titel eines Muderis der Suleima
nie bekommen will, deren Medreffe den ersten Rang
einnimmt. Jede von diesen Universitäten unterhält auf
„damm
- - - -
---

-
*) Auch Hammers Encyclopädie der morgenländischen Elf
… jenschaften. - - . .

H
– 114 –
Kosten der Einkünfte der Moschee eine gewisse Anzahl
Studierender, welche Soft als heißen, was so viel als
verbrannt, geduldig, fagen will, um aufden Zu
fand von Vertiefung hinzudeuten, dem man sich beim
Studieren überläßt, und Profefforen, im Verhältniß der
die Rechte Studierenden.
Die Muderis gehen, wie schon bemerkt, nach und
nach durch alle Medireffes biszujener der Suleima
nie. Nach diesen mühsamen Proben können sie auf
die ersten obrigkeitlichen Stellen Anspruch machen, aber
wie alles Menschenwerk in der Welt früh oder spät aus
artet, so ist es auch hier der Fall gewesen. Man hul
digt bloß noch der Form, und läßt die Söhne des Ober
hauptes der Gesetze, der Kadi- askers, der Ifam
hol- Kadiffys und anderer Personen von diesem Range
bloß einige Tage in den verschiedenen Graden. Dies ist
eine Bestätigung dessen, was wir oben über die Unres
gelmäßigkeit angeführt haben, welche die Körperschaft der
ulemas in Hinsicht des Geistes der Regierung zeigt,
welchen sie offenbar verletzt. -

- Von diesen Universitäten kommen die Mitglieder


aller Ordnungen der bürgerlichen Obrigkeit und des Prie
ferstandes hervor. Vermöge ihrer Kenntniffe des Ko
rans, in welche man sie als innig eingeweihet betrach
tet, werden die Ersten die unfehlbaren Richter, deren
Aussprüche, sobald sie einmal geschehen find, nicht wie
derrufen werden können. Derjenige unter ihnen, welcher
die höchste Stelle einnimmt, heißt der Scheik - ul - iss
lam oder das Oberhaupt des Gesetzes, sonst auch der
Großmufti. Als Schiedsrichtern der Beschlüffe des
-
– 115 – .
-- Himmels kommt es ihm zu, durch einen bloßen Fotwa
über Krieg und Frieden zu entscheiden und in allen miß- -
lichen Fällen das Verfahren vorzuschreiben. Selbst das,
Staatsoberhaupt betrachtet die Macht dieser hohen Obrig
keit nicht ohne Furcht und Eifersucht und geräth biswei,
len in Erstaunen, daß es ihm einen so großen Theil:
derselben verliehen hat. Dieser so furchtbare Groß,
mufti, der für sich allein der Erhaltungssenat des Reichs
feyn könnte und defen, Rolle bisweilen jener der alten
Päbfe gleicht, ist jedoch Suleimans Werk; man
sollte glauben, dieser Gesetzgeber habe es geahndet, daß
feine Nachfolger einmal einen Führer nöthig haben wür
den. Dieses wichtige Amt, das für die höchste Gewalt
so lästig, aber für die Unverletztheit des öffentlichen
Rechts so günstig ist, beweiset auch, daß die Sultane
den entgegengesetzten Weg von den Kalifen eingeschla»
gen und ungefähr auf demselben Punkte angelangt sind,
ohne daß sie sich diesen zum Zwecke gemacht hätten. Die
Kalifen ließen sich die weltliche Macht entreißen und
sanken weit unter das herab, was heut zu Tage der
Mufti ist, weil sich ihre Verrichtungen bloß auf die
Genehmigung der gesetzwidrigen Anmaßungen beschränkt,
ten; die Sultane hingegen haben von freien Stücken der
geistlichen Gewalt entsagt, und leben, wie die letzten
Kalifen, in ihrem Serail eingesperrt.
Unter den Ulemas erklären diejenigen, die nicht
die Geduld gehabt haben, alle Grade der Medress es
zu durchgehen, und deren Ehrgeiz sich mit dem Grade
eines Provinzialmuftis begnügte, das Gesetz, und helfen
sich dabeimit dem händereichen Sammlungen von Fet.
– 116 –
.. was, die fiefelten im Stiche laffen, indem sie immer
Entscheidungen finden, welche denen entsprechen, die fie
geben sollen, welche jedoch ebenfalls der Ausspruch eines
einzigen Menschen sind, der dem Irrthum unterworfen
ist. Die Andern sind nach der hierarchischen Ordnung,
die beiden Kadi - askers, nämlich von Rumelien
und Anatolien, welche den Rang sogleich nach dem
Mufti haben; der Istanbol- Kadiffy, oder Richter
von Constantinopel; die Mollas, die in vier
Klaffen abgeheilt sind, welche sich nach ihren verschiedes
nen Gerichtssprengeln unterscheiden; die Kadis, welche
die gewöhnlichen Richter find und sich auf mehrere hun
derte belaufen; endlich die Naibs oder Abgeordneten der
Letztern. Alle diese obrigkeitlichen Personen wenden das
Gesetz an, entweder wie es ihnen ihr schwacher Ver
fand eingiebt oder die Verführung anräth: denn was
die Fetwas der Muftis anbelangt, so können fiel dies
felben nach ihrer Weise erklären, oder brauchen sich auch
gar nicht daran zu halten.
Die Fetwas werden in wenig Worten unter erst -
borgtem Namen abgefaßt, so daß sich der Gesetzesges
lehrte nicht dabei von vorgefaßten Meinungen leiten läßt,
und unter Formen von Fragen aufgesetzt, die dieser in
kurzen Worten beantwortet, und sich mit der Benennung -
eines ganz unterhänigen Dieners Gottes unterschreibt.“)

*) Wir wollen hier ein Paar solche Aussprüche mittheilen.


,,Wenn Zeid, der zinsbare Unterthan, während feiner
Trunkenheit sich zum Islam bekennt, ist ein Islamism
dann annehmlich? – Ja!“ –„Ist es der Hinnde, einer
* Mahomedanerin, welche ihr Gesicht entblößt, erlaubt, sich“
- 117 –
Jeder Gerichtshof hat immer nur einen Richter uns
also nur eine einzige Meinung; daher braucht man auch
- -- -
“. - -

ihrem eigen Sklaven Amr sehen zu laffen? – Nein!“–


Wenn während des Fastens im Monat Ramazan und an
Tage der Mahomedaner Zeid mit feiner Frau Umgang
hat; ist er dann verpflichtet, dies Vergehen durch die Strafe
des Kefar eth, eines Fasten von 61 Tagen hinter einan
der, zu büßen?? - Ja! – Bisweilen sind die Antworten
des Mufti jedoch auch ausführlicher, wie man aus folgen
dem Beispiele sieht. Die Türken wünschten gern die In
fel Cypern zu haben, und ob sie schon mit den Vene
tianern im Frieden lebten und diese ihnen nichts zu Leide
gethan hatten, so fingen sie doch Krieg gegen sie an und
nahmen ihnen Cypern ab. Der Mufti wurde deshalb zum
Rathe gezogen und erklärte den Krieg für rechtmäßig, ob
ihm gleich jeder Anschein dazu fehlte. Man legte dem be
rühmten Mufti Ebu Sund folgende Fragen vor: „wenn
in einem vormals zum Gebiete des Islams gehörigen, her
nach aber wieder demselben entriffenen Lande die Ungläu
bigen die Moscheen in Kirchen verwandeln, den Islam un
terdrücken und die Welt mit Schandthaten erfüllen; wenn
der Fürst des Islams, aus reinem Eifer für den wahren
Glauben angetrieben, dieses Land den Händen der Ungläua
bigen entreißen und wieder mit dem islamitischen Gebiete
vereinigen will, wenn mit den übrigen Besitzungen dieser
Ungläubigen voller Friede obwaltet; wenn in den ihnen
ausgeliferten Friedensinstrumenten auch dieses Land begrif
fen ist, ist nach dem reinen Gesetze irgend ein Hindernis
vorhanden, weswegen dieser Vertrag nicht gebrochen werden
-
- - sollte?“ '

Der Mufti that darauf folgenden offenherzigen Aus


spruch (Fetwa): , es darf kein Hinderniß vermuthet wer
- den: der Fürst des Islams kann nur dann ge
fetzmäßig mit den Ungläubigen Friede u
- schließen, wenn daraus für die gefammten
Moslem in Nutzen und Vortheil entsteht,
„Wird dieser allgemeine Vortheil nicht bezweckt, so ist auch
3 % der Friede, nicht gesetzmäßig. Sobald es den Anschein eines
Vortheils hat, sei dieser vorübergehend oder fortdauernd,
- - 118 - /

nur Einen zu bestechen; dies ist um so leichter , da die


- Richter ihre Stellen kaufen und einen Theil ihrer Ein
künfte von den Parteien beziehen. - --

… Diese werden nach der Reihe verhört und verthei


digen fich selbst; hierauf vernimmt man die Zeugen, die
man in der Türkei auch für Geld findet. Im Falle
der Kläger keine auftreiben kann und der Beklagte leug
net, läßt man diesen auf das Gesetzbuch schwören, da
der Eid bei diesen Völkern nichts von feinen Ansehen
verloren hat.
Diese Probe gelingt fast immer; sie erschüttert die
Gewiffen und hält sie aus Furcht vom Meineide ab;
- noch mehr, diese Hindernisse, die sich ein Mahome
da ner in den Weg legt, indem er durch einen Eid ir
sgend eine Verbindlichkeit eingeht, wäre er auch feines
Verstandes nicht mächtig, können nur durch die Frei
lassung eines Sklaven, oder durch ein strenges Fasten
hinweggeräumt werden, sobald der Eidbrüchige zu arm
- ist, als daß er sich mit Geld loskaufen könnte. Der
A-m- - -

- - - -- - - - - - - - - - -

- , fo ist es, sobald die Gelegenheit, den Nutzen zu ergreifen,


: : da ist, allerdings erfoderlich und nothwendig, den Frieden
::... , zu brechen: So schloß der Prophet (über ihn fey Heil!)
im fechsten Jahre der Hedschra bis ins zehnte Friede mit
“ : " den Ungläubigen, und Ali (deffen. Angesicht verherrlicht
- ... werden möge!) schrieb den Friedensvertrag; dennoch fand
- er es gerathen, im nächsten Jahre den Frieden zu brechen,
1 : im achten Jahre der Hedfchra die Ungläubigen anzugreis
. . . fen und Mecka zu erobern. .Seine Majestät, der Calife
. . . Gottes auf Erden, haben in Ihrer allerhöchsten kaiserl.
. . Willensmeinung die edle Sunna (das Thun und Laf
& fen) des Propheten nachzuahmen geruhet. Schriebs der
„... arme Ebu Sund.“ -
-
- MM9 --
Gesetzgeber hat den Gegenstand mit dem Ernte behans
delt, den er erfodert, und es ist ihm gelungen bei den
Seinen den köstlichsten Bürgen der Gesellschaft aufrecht
zu erhalten.
Der vor den Richter beschiedene Theil kann die Ver
urtheilung verhindern, sobald er damit bedrohet ist, wenn
er verlangt, daß die Sache vor einen höhern Gerichts
hof gebracht werde, so daß er immer dem Ausspruche
des Richterszuvorkommt und dieselbe Sache kann von
dem geringsten Naib des Reichs bis an den Großve
zier, ja bis an den Sultan gelangen. Diesen Ausweg
hat man sicherlich in der Absicht ausfindig gemacht, um
die Bestechung wieder gut zu machen, und er vermindert
in der That die Nachtheile, die von einem Gerichtshofs
unzertrennlich find, wo der Beklagte nur einen einzigen
Richter hat. Dies für beide Theile günstige Vorrecht be
greift sowohl das Berufungsrecht an ein höheres Gericht
als das Verweigerungsrecht. Beispiele dieser Art kom
men ziemlich häufig vor, und wir könnten einen ganz
neuen Civilfall anführen, der, nachdem er vor mehr
rern Gerichtshöfen verhandelt worden, endlich an den
Höchsten kam, - -

Von der Folter wird oft Gebrauchgemacht und zwar,


auf die grausamste Weise, um einen Angeschuldigten
zum Geständniffe seines Verbrechens zu bringen, oder
auch um Unglücklichen Geld abzupreffen, den dieses allein
strafbar macht; aber dies thun Kriegsrichter, die sich die
fes gehässigen Mittels fast immer in der Absicht bedienen,
um Erpreffungen zu verüben, oder um ihre Grausamkeit
zu befriedigen. Diese Gerichtshöfe haben keine Ahnlich
keit mit den Andern und sind furchtbarer und ungerech
ter, da die Willkühr ihr einziges Gesetz ist, und der
Kopf des Angeklagten von einem Winkel abhängt, -

Die mahomedanische Gesetzgebung besteht aus drei


verschiedenen Theilen; die beiden Ersten hängen sehr ge
nau zusammen, oder werden vielmehr mit einander vers
mischt, weil sie eine Quelle haben. Sie begreifen die
theocratischen und canonischen Gesetze; die Einen find
im Koran enthalten, die Andern gründen sich auf das
felbe Ansehen. Beide sind gleich unveränderlich und ver
fügen über den Gottesdienst, die Gotteslästerung, die
- Heiligthumsentweihung, das Verbrechen der beleidigten
Majestät, die Sklaverei und die Kopfsteuer, enthalten
das bürgerliche und peinliche Gesetzbuch und begreifen
älle Verhältniffe in Hinsicht von Verkäufen, Bürgschaft
ten, Geldanweisungen, Mitgiften, Erbschaften, Mord
thaten, Diebstählen u. f. w. Diese Beharrlichkeit der
mahomedanischen Nationen in der gewissenhaften Beobach
fung desgesellschaftlichen Vertrags, so wie er vor mehr
rern Jahrhunderten abgeschloffen worden ist, ohne daß sie
fich an ihm vergriffen hätten, hat sicherlich viel zu ihren
Siegen beigetragen, so lange sie dergleichen erkämpften,
und seitdem sie das Glück verlaffen hat, hält sie die
Niederlagen, die sie erleiden, im Gleichgewichte oder vers
mindert sie wenigstens. - :
* Der dritte Theilder Gesetzgebung enthält die Samm
kung aller kaiserlichen Verordnungen, welche über die
Verwaltung, die innere Polizei, die Kriegsverfaffung,
das Ceremoniel, kurz über alles verfügen, was das all
gemeine Beste nicht gefährden kann. Dieser Theiliges
-
– 121 -
nießet nicht den geheiligten Charakter der beiden Ersten
und erleidet vielmehr verschiedene Veränderungen, Bes
stimmungen und Aufhebungen, so wie es der Gewalt,
von der er abhängt, beliebt. -

Das religiöse Gesetzbuch spricht die Todesstrafe aus


gegen die Gotteslästerer, worunter es diejenigen begreift,
welche das Andenken Mahomeds und anderer Prophea
ten lästern. Eben so streng ist es gegen die Uebertreter
der Verbote und Pflichten, welche die Religion vor
schreibt. Es macht das Oberhaupt zum Richter der Uns
terthanen , aber es gesteht diesen auch das Recht zu, dies
fen Richter vor einen andern Gerichtshofzufodern, wenn
sich seine Aussprüche nicht durch Billigkeit auszeichnen.
Es verdammt . den Ungläubigen, die mahomedanische
Religion anzunehmen oder auch die Kopfsteuer zu be
zahlen; es erklärt den Herrn zum Besitzer der Güter
seines Sklaven, aber legt auch dem Ersten, um fich
Gott angenehm zu machen, die Verbindlichkeit auf, dem
Andern nach neun Jahren die Freiheit zu schenken. Die
ehebrecherische Frau verurtheilt es zur Steinigung, aber
es bestimmt auch die Anzahl der erfoderlichen Zeugen
auf vier, wenn das Verbrechen erwiesen werden soll, und
erkennt jedem von diesen funfzig Stockschläge auf die
Fußsohlen zu, daß sie die Verübung des Verbrechens
nicht verhindert haben. Dies ist der einzige Fall, wo
- das Geständniß der Schuldigen nicht als Beweiß, ja
nicht einmal als Vermuthung angesehen werden kann,
Die Gesetzmäßigkeit der Schwangerschaft bestimmt es auf
fechs Monate von der Beiwohnung an, und macht die
Ehe zur religiösen Pflicht. Wie daspeinliche Gesetzbuch,
derdammt es den Mörder zum Tode, aber überläßt ihm
es, sich durch Geld von der Todesstrafe loszukaufen,
wenn die Anverwandten des Ermordeten in die Annahme
einer Geldentschädigung willigen. Dem Räuber spricht
es nur dann das Leben ab , wenn er sich dies Verbrechen
zum fünftenmale zu Schulden kommen läßt; die ersten
viermale bestraft es ihn mit der Abschneidung der Hände
und Füße. - Aus diesem kurzen Abriß sieht man, welche
Rücksichten der Gesetzgeber auf die Rechte der Gesellschaft,
die Sitten u. f. w. genommen hat. - -
- So lang und beschwerlich auch die Studien der Ge
fetzesgelehrten find, so gewähren sie doch nur eine ge»
ringe Ausbeute, weil man sie nicht ohne die Unterstüz
zung der arabischen und persischen Sprache machen kann,
deren Kenntniß schon an und für sich mehrjährige Ans
frengungen erfodert, und weil sich ihre Thätigkeit bloß
auf das Studium des Gesetzes, und seiner zahlreichen
Ausleger beschränkt, mit denen das Erste bisweilen noch
nicht ausreicht, indem es ihm an Bestimmtheit gebricht.
. . . Die Studierenden lernen die Logik aus dem Arifo
teles, welche die dialektischen Begriffe dem Geiste ihrer
Schule anpaßt; Einige, aber nur sehr Wenige, lernen
die Elemente der Euclides; Andere, aber in noch ge
ringerer Anzahl, fudiren Arzneikunde und begnügen fich
mit den Kenntniffen, welche die Alten und die Araber
von dieser Wiffenschaft hatten, ohne sich um die Fort
jchritte zu bekümmern, welche sie seitdem gemacht hat.
Zu ihrem Lehrgange gehört endlich noch die Kenntniß der
feinen Lebensart. : ,
Was nun die Geistlichen anbelangt, welche die bei
/

- 123 =

den Khatibs (Hofprediger des Serails), die Scheiks


(Prediger), die Imams und die Muezzins sind, so
halten sich diese, wenn man die Khatibs ausnimmt,
an die bloße Kenntniß des Korans, welche sie zu ih
ren Amtsverrichtungen als hinreichend ansehen. Diese
bestehen bei den Ersten darin, den Imameth und den
Kutbe, d. h. das Freitagsamt in Gegenwart des Sul
tans zu verrichten; bei den Zweiten, den Vaas oder
eine geistliche Ermahnungzu halten; den Imams liegt
die Leitung des Gebets ob, und die Muezzins müffen
es oben von den Minarets herab ankündigen, indem sie
den Ezan hersingen. - - -

- Die Geistlichen können sich von dem Oberhaupte


des Gesetzes an, bis zu dem geringsten Muezzin herab,
verheirathen, was auf diesen Stand sehr vortheilhaft
wirkt. Uebrigens kann jeder Mahomedaner den Ima
meth verrichten, wenn er die vorzüglichte dazu erfor
derliche Eigenschaft besitzt, die in einem unfräflichen Le
benswandel besteht. Diese Religion sieht dies geistliche
Amt noch mit den Augen wie zur Zeit der Patriarchen
an, wo jeder Hausvater die Verrichtungen defelben über
nahm. Der Sultan ist daher der Imam der großen
Familie, und unterscheidet sich von den Uebrigen bloß
durch den Namen eines Kalifen; nach dem Koran ist
das Recht das Einzige, was seiner Macht die Gesetz
„mäßigkeit verschafft. -

- Nach den Medireffe's kommen die Anfängerschus


len, die Mechteb heißen, worin die Kinder umsonst le
ifen und schreiben, so wie die Grundlehren der Religion
lernen. In Constantinopel beläuft sich ihre Anzahl
= 124 -

über 1200; alle haben ihre Entstehung frommen Wert


“ mächtniffen zu verdanken. Die Söhne der Großen, vor
züglich jene der Ulemas und der ersten Personnen des
Hofs, so wie der Regierung haben Hauslehrer (Kode
gias), die ihnen eine forgfältigere Erziehung verschaffen;
besonders ist fiebeffer dazu geeignet, ihr Glück zu machen,
als dies in den öffentlichen Schulen der Fall ist. -

Dies ist die Beschaffenheit des unterrichts im vs


manifchen Reiche. Aus dieser Darstellung, bei welcher
* ich mich genau an die Wahrheitgehalten habe und welche,
wie man leicht bemerken wird, durch keinen Parteigeist
entstellt ist, kann man sehen, daß die Osmanen keine
so großen Feinde der Wissenschaften find als der größte
Theil der Schriftsteller behauptet; daß sie aber auch keine
so großen Fortschritte gemacht, als Andere, die für sie
zu sehr eingenommen waren, vorgegeben haben. Sie
dürfen weder zu vortheilhaft nochzu streng beurtheilt wer
den. Um mehr Licht über die Sache zu verbreiten, wols
len wir jetzt untersuchen, woher diese beiden gleich ver
werflichen Irrthümer rühren.
Der Erste entspringt unstreitig daraus, daß man das
urtheilüber das Volk und die Militärbeamtengefällt hat,
welche beide aus der Provinz genommen find. Der zweite
hat seinen Grund in der Vergeffenheit dieses Unterschieds
und in der bloßen Berücksichtigung des Corps der Ulea
mas, besonders der beimMinisterio angestellten Beamten,
die mehr als alle Andere feine Lebensart und Kenntniffe
besitzen. Endlich ist hieran die vorheilhafte Meinung
Schuld, welche die große Reihe der arabischen, persischen
und türkischen Schriftsteller gewährt, die das Verzeichs
»
-/
- - - ---- - - -- - - - - - - -
-
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PARANG

Hin

Pforte und Fontaine des Ger


- 125 -

niß der morgenländischen Bibliothek enthält, nebst der


Liebe mehrerer Sultane zu den Wiffenschaften. In der
Absicht, die Sachen auf ihren wahren Werth zurückzu
führen und die Osmanen nach einem allgemein bekann
ten Bilde zu schildern, wollen wir sie mit den Franzo
fen, den Engländern und Teutschen des 12, 13,
14 und 15ten Jahrhunderts vergleichen, wo das Volk
ein Sklave der gröbsten Vorurtheile war; wo der Adel
mit feiner Unwissenheit prahlte und bloß den Degen ZU
führen verstand, sehr häufig bloßzur Unterstützung seiner
Lehnsuntreue; wd,die Geistlichkeit, aber nicht die andern
Claffen, einige Kenntniffe besaß, die ihr über den übrig
gen Theilder Gesellschaft ein ausgezeichnetes Uebergewicht
gab, bei dieser Vergleichung aber darf man einen unter,
fchied nicht vergeffen, der darin besteht, daß bei den
Mufelmännern jenes das heilige Buch verwahrende
Corps das Licht nicht aufdiese Art zu verschlingen sucht,
um Finsterniß um sich her zu unterhalten und daß es
weit duldsamer als das Volk und die Militärbeamten
außerhalb find. Ein Ungläubiger findet gewöhnlich an
einem Ulema der Hauptstadt einen Mann, mit dem
es sich recht gut umgehen läßt und mit dem er sich in
Erörterungen einlassen kann, der ihm vieles zugesteht,
ohne feinem Glauben ungetreu zu werden und den Koran
ohne Heuchelei Wertheidigt. Dies war nicht der Fall bei
den Aegyptern, den Hebräern und Chriften der
vorigen Zeiten.
“ Nunmehro wollen wir die Fontaine näher betrach
ken, welche den Serailplatz verschönert und welche
wegen ihrer prächtigen Verzierungen. Aller Blicke auf fich .
– 126 -

zieht. Wie die Fontainen zu Top-Khane, zu Scus


tari und einige Andere, ist sie eine viereckige feste Maffe,
oben mit einem chinesischen Dache, mit sehr breitem Rande
und läßt sich mit einem großen Pilze vergleichen. Im
Innern geht ein schmahler Gang rund herum, der nach
der Reihe zu jeder der Ecken führt, welche die Gestalt
von Thürmchen haben, um die Ausbreitung des Waffers
zu erleichtern. Dieses fließt nach außen hin durch mehr
rere Hähne, die an jeder Seite gleichmäßigverheilt sind.
Aufschriften, Sprüche mit goldenen Buchstaben, Verziea
rungen, Arabesken, welche auf dem Marmor und dem
Lasursteine mit gleicher Verschwendung ausgeführt sind,
geben diesen Gebäuden, welche sie von unten bis oben
hinauf bedecken, ein Ansehen von Pracht, das einen gro
ßen Eindruck macht, so oft man sie auch sehen mag.
Daher geht man nie vor der Fontaine zu Top - Khane
vorbei, ohne durch den Genius der Kunst aufgehalten zu
werden, der zur Betrachtung einladet. Dagegen gibt es
Andere, die sich bloß durch einen schönen Marmor aus
zeichnen, der glänzend weiß ist und zur Verzierung weis
ter nichts hat, als den Namenszug des regierenden Suls
tans. Dergleichen Fontainen bekommt man aufden Ans
höhen von Beschik - Tasch an der Mündung des Thal
les der süßen Gewäffer in Asien u. f. w. zu Gesichte;
fie gefallen aber durchihre Einfachheit ehen so fehr. Ja,
sie erhalten vielleicht in dieser Hinsicht vor den Ersten
noch mehr den Beifall des Künstlers.
Das Denkmal, vor dem wir uns befinden und das
wir betrachten, ist von dem Sultan Achmed III. er
hauet worden, wie man aus der Aufschrift in Versen
A
sieht, welche der Erbauer selbst gemacht hat. Dieser hat
zur Ausheilung des Waffers einen Mann bestimmt, der
die Trinkschalen von verzinntem Kupfer damit anfüllt,
welche er vor seine Bude stellt, der man sich nähern
kann, ohne zu besorgen, daß er für feine Mühe eine
Bezahlung verlangt. -

Mehrere Häuser haben in ihrem Innern Fontainen


vermittelt Wafferfänge, die an den Leitungscanälen an
gebracht sind. Besonders haben die Konaks (Hotels)
diesen köstlichen Vortheil und an den Ufern des Bos
phorus sieht man dergleichen, für welche man eine
Lage benutzt hat, die sichtiefer, als die Fläche des Quell
waffers, befindet, um es bis in die obern Stockwerke zu
leiten. Die Häuser, welche das Waffer an öffentlichen
Brunnen holen müffen, laffen fich damit durch Sak
kas (Wafferträger) versorgen, die statt der Eimer einen
ledernen Schlauch haben, defen Größe den Kräften eines
starken Mannes angemeffen ist, welcher ihn als Scherpe
um den Leib hängen hat. Auch bekommt man Derwische
zu sehen, welche dies beschwerliche Geschäft ausFrömmiga
keit treiben, allein, man muß sich vor diesen Scharlata
nen in acht nehmen, in welcher äußern Gestalt sie sich
auch zeigen mögen; denn sie wollen bloß Andere hinter
gehen und je mehr fie. Demuth und Uneigennützigkeit
heucheln, desto eitler und habgieriger find sie.
Das Quartier, in welchem ich mich befinde, ist im
Ganzen schön, und die Straßen find licht. Zwei ge
pflasterte Fußfeige führen durch die öffentliche Straße;
zwar wird das Pflaster nicht fehr gut unterhalten und die
Polizei bekümmert sich wenig darum, bei schlechtem
– 128 – –

" Wetter den Koth wegschaffen zu laffen, allein Dank sey,


es der Gestalt der Lage, welche einen Gipfel und zwei
ziemlichjähe Abhänge hat! Das Regenwasser nimmt das
her die Unreinlichkeiten mit fort und führt sie bis ins
Meer, das gerade deshalb sehr gut gelegen ist, um den
Boden davon zu reinigen. Die Straßen hängen wenig
zusammen; doch gibt es Einige, welche ohne Unterbre
chung beträchtliche Strecken fortlaufen; dies ist der Fall
mir der Straße, welche von dem Ak - Meidan nach
dem Thore von Adrianopel führt. Das Quartier der
Propontis enthält auch Einige, welche dies Verdienst
haben, aber es giebt auch viele Andere, denen man den
Vorwurf machen kann, daß sie eng und gekrümmt find; .
daher ist es sehr schwehr, sich eine Kenntniß von Con
stantinopel zu verschaffen. - - -

Vergebens suche ich um mich her die Paläste, die


Plätze und alle die Gebäude, wovon das Eine immer
prächtiger als das Andere war und die Constantin und
feine Nachfolger auf dem Boden zusammengehäuft hat
ten, aufdem ich jetzt herumwandle; indessen zeigte die
Strecke, die sichjetzt innerhalbder Ringmauern des See
rails und in der Umgebung der h. Sophienkirche
befindet, bei jedem Schritte, den man that, ein Wuns
der dieser Art. Das Augusteon, das Sigma, das
Octogon, die Thermen des Zeurippos, Achill
les und Honorius, der goldene Meilenstein, die
Säulenhallen des Forums, wo man dies Denkmal fah,
alles dies ist verschwunden; die Zeit oder vielmehr die
Barbaren haben es bis auf die geringste Spur vertilgt;
unter dieser allgemeinen Benennung verstehe ich die La
- -

teiner, die Türken und selbst die Griechen. Con


fantinopel scheint das Grab der schönen Künste
Griechenlands zu seyn, weil man ihre Meisterwerke
nur dahin schaffte, um zur Verschönerungdes Triumpfs
des schlechten Geschmacks zu dienen; anfänglich wurden
fie herabgewürdigt und zuletzt unter Haufen von Trüm
mern begraben. - - . . ."

Heut zu Tage findet man bloß noch Spuren von


so vielen Wunderwerken auf dem Platze des Hippo
drom, wo man die verstümmelten Ueberreste der
römischen Größe erblickt. Hier wollen wir über das
Vergangene nachdenken und zur Unterhaltung der Täus
fchung auf jenen Obelisk, auf jene zerbrochene, noch
aufrechtstehende Säule, schauen. Von diesem geheimen
- , Gefühle geleitet, das mich zu den Alterthümern zieht und
bei ihnen fest hält, gehe ich weiter. Ich lange an und
erblicke den Obelisk, der auf mich einen großen Eindruck
macht und meine ganze Aufmerksamkeit feffelt. "
Kündigt er sich nicht als einen unwidersprechlichen
Beweiß an, daß viele Jahrhunderte vor dem unserigen
- voraus gegangen sind und daß noch eine große Anzahl
derselben verfließen muß, ehe es der Zeit gelingt, die
Natur abzunutzen? Wer kennt das Alter, das jetzt die
jenigen haben würden, welche jene geheimnißvollen und
sinnbildlichen Charaktere gezeichnet haben? Irgend ei.
nem Pharao gewidmet, haben sie nach der Reihe die
Aufmerksamkeit der Ptolomäer, der Cäfarn, der
Nachfolger Confantinus, der Kinder Osmans und
zahlloser Generationen gekrönter Häupter auf sich gezogen. -

- An den Ufern des Nils entstanden, vielleicht eine


- 9
– 130 –.
Verzierung der Stadt mit hundert Thoren oder des Laby
rinths, hat dieser Obelisk die Spiele mit angesehen,
welche man während so vieler Jahrhunderte auf diesem
Platze gefeiert hat, dessen vorzüglichstes Denkmal er war;
er hat die Triumpfe der Constantine, der Theodose
und Belisare mit angesehen und ist nebst der beschei
denen zerbrochenen Säule allein übrig geblieben, welche
sonst so schön war und jetzt so unkenntlich ist. Schon
mehrere Reiche hat er zusammenstürzen sehen und er
wird. noch den Fall mehrerer Anderer überleben. …
2 Der Hippodrom oder der Platz, der zum Pferdes
rennen bestimmt war, hat seit seiner Anlegung weder ei
nen Namen noch einen Zweck verändert; denn die Tür
- ken nennen ihn auch Ak - meidan oder Pferdeplatz,
und treiben darauf dieselben Uebungen wie die Grie
ehen. In seinen schönen Tagen war er von Säulen
gängen umgeben und mit Bildsäulen geziert; und alsdie
Parteien der Rennbahn über die Staatsintereffen ent
schieden, wurden auf ihm jene gefährlichen Erörterungen
angestellt, denen ein rasendes Volk. Beifall zuklatschte,
An Einer feiner Seiten verschönert ihn heut zu Tage
ein prächtiges Gebäude, ich meine die Moschee des Sul
ans Achmet; die drei Uebrigen aber enthalten bloß
Hütten oder Ruinen, so daß er beinahe seine ursprüng
liche Gestalt gänzlich verloren und keine Regelmäßigkeit
mehr behalten hat.
Auf einer und derselben Linie, welche noch die große
Are der Rennbahn anzeigt, sieht man den Obelisk,
der die Mitte des Stadiums bezeichnete; die verstümmelte
Säule und die gemauerte Pyramide. Das Erste von
Der Hippod:om oder Bennplatz.
diesen Denkmälern ist allein noch gut erhalten. Unter
der "Regierung des Theodosius errichtet, ist dieser
Obelisk von viereckiger Gestalt und besteht aus einem
einzigen orientalischen Granatblocke, ist über fechzig Fuß
hoch und an den Seiten sechs breit. Von seiner Grund
lage durch vier Stützpunkte von Bronze abgesondert,
welche den dichten Ecken entsprechen, sind feine Seiten
voll Hieroglyphen, die noch unversehrt und fchön einges
hauen sind. Das Fußgefiele, das jetzt zwei Fuß in
der Erde steht, erhebt sich bloß sieben Fuß über den Box
den und man kann nur eine obern Basreliefs sehen,
aber Spon, Wheler, de la Motraye, Tournea
fo rt und folglich Peter Gilles, haben noch diejenigen
beurtheilen können, welche jetzt die Erhöhung des Erds
reichs verbirgt. Das Eine stellt das Verfahren vor, das
man gebrauchte, um diese ungeheuere Last auf feine
Grundlage zu bringen; das Andere den Platz des Hip
podrom mit einer ganzen Verzierung. Bei dieser Gea
legenheit erzählt Busbeck, ein Erdbeben habe den Obea
lisk umgeworfen, und man habe sich, um ihn wieder
aufzurichten, großer Schiffseile bedient, die man naß
gemacht, um hierdurch eine Spannung zu erhalten, die
man nur durch eine große Anzahl von Menschenarmen
hätte erlangen können. An dem Fußgestelle liefet. man
zwei Aufschriften, die Eine in griechischer, die Andere
in lateinischer Sprache; die Erste sagt in pomphaften
Worten, diese Maffe habe aufder Erde gelegen und sey
durch den Befehlshaber der kaiserlichen Leibwache, Pro
elus, aufBefehl des Theodosius in zwei und dreißig
Tagen wieder aufgerichtet worden; die Zweite erhebt dies
- 132 -

Kunststück noch mehr und bedient sich der Gelegenheit,


“ die Macht des Siegers des Marimus herauszustreichen.
Die Anzahl der obern Basreliefs beläuft sich auf
vier; alle haben auf. Theodosius Bezug, allein die
Gegenstände gewähren so wenig Handlung und Charak
ter, daß man sie bloß durch Muthmaßungen erklären
kann; dies haben Peter Gilles und die andern oben
angeführten Schriftsteller gethan. Sie sind bloß als ein
Zeugniß des Zustandes der Künste interessant, welche sich
unter Theodosius sichtbar ihrem Verfalle näherten,
wenn man nach der Eintönigkeit und dem Mangel an
Ausdruck der Figuren urheilt; so wie nach der Steifheit
und dem Mangel am Natürlichen sowohl in dem Legen
der Steine als in der Bekleidung; nach der Härte der
Meiselschläge, welche die Mittelmäßigkeit des Künstlers
verräth, die übrigens auch durch die Arbeit und die An
ordnung bestätigt wird. Beim ersten Anblicke dieser
Meisterwerke aus dem fünften Jahrhunderte fragt man
sich feufzend, wo sind die schönen Tage Athens und
Roms? Je mehr man sich Mühe gibt, an ihnen ets
was Verdienstliches zu entdecken, desto weniger gelingt
dies und ein schmerzliches Bedauern nimmt um so mehr
überhand.
Die geschlängelte Säule rührt nach der gangbarsten
Meinung aus dem Tempel zu Delphi her und trug den
- berühmten goldenen Dreifuß, welchen die Griechen, nach
Herodots Erzählung, nach der Niederlage des 3Eerres
bei Platäa dem Apollo verehrten. Uebrigens führen
mehrere byzantinische Schriftsteller an, Constantin
habe dies Denkmal der Gottesfurcht von seiner geheilige
- 33 -

ten Stelle wegnehmen laffen, um seine neue Stadt das


mit zu verschönern. Zu Gunsten dieser Meinung kann
man auch den Entwurf dieser Säule anführen, deren
Schaft, welcher aus drei spiralförmig in einander ge
wickelten Schlangen besteht, in Gestalt des Capitals mit
den Köpfen derselben kriechenden Thiere bekränzt war,
welche in der That sehr schickliche Stützpunkte zur Auf
nahme des Dreifußes gewähren mußten. Die Köpfe sind
heutzu Tage nicht mehr vorhanden, ohne daß man weiß,
wer diesen Frevel begangen hat.
Trotz so vielen Beweisen, welche auf eine fiegreiche
Weiße den edlen Ursprung dieses Denkmals beurkunden,
welches das Interessanteste aus dem Alterthume ist,
gibt es doch Leute, welche aus einem unerklärbaren
Hange, alles herabzuwürdigen, was Ehrfurcht erregt, es
bloß zu einem kindischen Talisman machen, den die
Byzantiner auf den Rath des Apollonius von
Tyana gegen die Thiere errichtet haben, von welchen
diese Säule die Aehnlichkeit entlehnt hat. -

- Diese Säule, die bloß Werth durch die Meinung


erhält, zu welcher ihr Alter und derZweck ihrer Errichtung
Veranlaffung geben, erhebt sich nur etwa neun Fuß hoch:
und ist sicherlich tiefer in der Erde begraben , als das
Fußgestelle des Obelisks. Ihr mittler Durchmesser kann
auf dreizehn Zoll angenommen werden. Sie hat nie
einen großen Eindruck machen können, da fie, wie man
sieht, in der Erde zwischen zwei Obelisken steht, die sie
unter dem Gewichte ihrer ungeheuern Größe erdrücken.
Sie befand sich in der That mehr an ihrer Stelle in dem
Tempel, äus dem man fiel weggenommen hat. Diese
- - 134 -

Bemerkung giebt zu der Vermuthung Anlaß, daß sich zu


Constantins Zeiten das Gefühl der Kenntniffe zu ver
lieren begann, wie man auch deutlich einsieht, daß der
mals die Künfte nicht mehr im Stande waren, schöne
Werke hervorzubringen,wenn man an die Plünderungen
denkt, welche dieser Erbauer gegen Menschen und Götter
verübte, um die Unfruchtbarkeit und den schlechten Ge
schmack wieder gut zu machen, welcher zu seiner Zeit im
Anbruche war. -

Die gemauerte Pyramide, welche das äußerste west


liche Ende des Stadiums bestimmen sollte, das allem
Anscheine nach durch fünf Denkmäler abgemeffen war,
wovon zwei verschwunden sind, konnte nicht ohne Werth
feyn, da ihre Seiten die Platten von Bronze enthielten,
womit die Constantinus Porphyrogenitus beklei
den ließ und eine griechische Aufschrift an Fußgestelle fie
unter die Wunder der Welt zählte, indem sie dieselbe mit
dem Coloß von Rhodus verglich. - - -

Die Pyramide, die beinahe so hoch wie der Oblisk


war, gewährt gegenwärtig nur noch den Anblick von
Steinen, die losreißen wollen, und Lücken, die ihren
nahen Einsturz verkünden, da sie nichts hat, was ihre
Erhaltung verspräche. Indeffen dient sie doch zum Ver
bindungspunkte zwischen den verschiedenen Jahrhunderten,
und aus diesem Gesichtspunkte muß man dies an und
für sich unbedeutende Denkmal ansehen. - -

Der Moschee Achmet gegenüber sieht man Ueber


reste von alten Gebäuden, die jedoch, nach ihrer Bauart
zu urtheilen, nicht aus den ersten Jahrhunderten des mor
genländischen Reichs herrühren können. Man gibt sie
-

-
- 135 –

für den Palast des Quästors aus. In der Nähe glaube


-,
man die Kirche des h. Chrysostomus zu erkennen,
- ohne jedoch für diese Meinung weiter etwas als Ver
muthungen zu haben. Zuletzt befindet sich auf derselben
Seite die Menagerie, in der fich ein Tieger, ein Löwe
und einiges Rothwild befindet; sie verdient also nicht bea
sehen zu werden. - - -

Wir wollen uns nunmehro zu der Achmed - Dgja


miffi verfügen, die schon lange unsere Augen auf sich
zieht. Diese Moschee steht auf der Südseite des Ak
meidan; vor ihr befindet sich eine Vorderseitenmauer
mit sehr nahe an einander befindlichen Oeffnungen und
fie ist mit ihrem Zubehör umgeben, welcher an den drei
übrigen Seiten und der Umgebung verheilt ist. Nach
dieser ersten Einfaffung, in deren Mitte sich das Gebäude
erhebt, kommt ein rechtwinklicher Hof, in den man durch
drei Thorwege gelangt; zwei find an den Seiten und
Einer an der Vorderseite; ihre Flügel sind von Bronze.
Hier bemerkt man sehr schöne Säulen von ägyptischem
Granit, welche die Säulengänge verzieren und in der
Moschee befinden sich ebenfalls dergleichen, aufdenen die
Galerien ruhen. Der Abriß, so wie der Durchschnitt
dieses Tempels sind dieselben wie jene der Jevi
Dgjami, aber in einem größern Maaßstabe. Er ist.
der Einzige in der Hauptstadt und im Reiche, welcher
sechs Minarets hat, welches Vorrecht sein Erbauer von
den Ulemas nur dadurch erlangen konnte, daß er auf
der Moschee von Mekka noch einen siebenten Minarett
erbauete, weil diese den ersten Rang einnimmt. Hier
durch kündigt sich diese besondere Auszeichnung an.
– 136 –
- Von der Propontis in einer gehörigen Entf --

gesehen, macht die Moschee Ach met einen bewunderns


würdigen Eindruck und gewährt dem Kunstfreunde einen
herrlichen Genuß. Man geräth in Entzücken, wenn man
die Halbkuppeln betrachtet, welche, sich Eine auf die -
Andere stützend, stufenweise nach den Gesetzen der Pers
spektive auf einander folgen undzuletzt einer leichten Kup
pel, an deren Seiten sechs zarte Spitzen emporstei
gen, Stützpunkte gewähren. Auch muß man gestehen,
daß die Gestaltungder Lage von Constantinopel recht
absichtlich dazu geschaffen zu sein scheint, die Baukunft
in ein vortreffliches Licht zu setzen; in der That bildet
jeder von den Abhängen ein Amphitheater, wo dem Auge
nichts entgeht und wo dasselbe die Gegenstände von der -
Grundlage bis zum Gipfel genau besehen kann." Wenn
man mit diesem Vortheile noch die magische Wirkung,
welche das reiche Schauspiel hervorbringt, in dessen Mitte
dies Wunder steht; die belebte Schattierung, den warmen E

Ton, den die Sonne in diesen Ländern auf allem dem -


verbreitet, was sie berührt; jene Mischung von Häusern -
und Grün verbindet, welche besonders der südliche Abhang
gewährt, so läßt der Dichter in der Begeisterung seine -
Leier und der Mahler seinen Pinsel fallen; beide gestehen
ihre Ohnmacht ein, einen Gegenstand, welchen Natur und -
Kunst so reichlich ausgestattet haben, gehörig darzustellen
Kaum bin ich einige Schritte von dem Hippodrom
hinweg und mich zieht die Cisterne der tausend und einen -
- Säule an: ein Name, den ihr die morgenländische Ueber
treibung gegeben hat, um die große Anzahl der Säulen
anzudeuten, die sie enthält.
- -

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. .

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- 137 -

Der Bau dieses Denkmalsgeht bis auf Constans


tin zurück, wie der Anfangsbuchstabe dieses Kaisers be
weitet, den man an einigen Capitalen und auf allen
Ziegeln liefet, welche übrigens so groß sind, wie bei den
römischen Gebäuden. Zwei hundert und vier und zwan
zig Säulen von gemeinem weißen Marmor, von corin
thischer Ordnung, deren Capitale bloß aus dem gröbsten
gearbeitet sind, tragen die Wiederlage seiner Kreuzge
wölbe. Bei den Griechen war diese Cisterne unter dem
Namen des Philorenos bekannt. Uebrigens hat sie
jetzt nicht mehr ihre erste Bestimmung, sondern dient zu
einer Seidenspinnerei. - - -

In der Nähe befindet sich eine Andere, die beiwei


ten nicht so groß, aber von einer sehr schönen Bauart
ist; sie besteht aus Kuppelgewölben, die von 32 Säulen
von weißem Marmor und von Corinthischer Ordnung ge
tragen werden. In Hinsicht der Festigkeit und der Er
haltung, so wie des Charakters, kommt sie unmittelbar
nach der Cisterne der tausend und einen Säule. Vor
den Untersuchungen des Grafen Andre offy war sie
keinem Reisenden bekannt.
Könnten wir das Ufer von Byzanz verlaffen, ohne
uns jener Säule zu nähern, welche mit den Hütten, de
nen fiel zum Stützpunkte dient, so auffallend contrastiert
und die Aufmerksamkeit so stark auf sich zieht? Beim
ersten Anblicke sieht der Kunstkenner, daß sie aus den
schönen Tagen Roms ist. Ihr Fußgestelle ist von eia
nem Ueberzuge von Mauerwerk umgeben, und durch
Krambuden verstopft; ihr Schaft, der sonst aus acht
Reihen bestand, jede von einem einzigen Porphyrblocke,
- , 138 -,
- von zehn Fuß Höhe , ist nur noch fünf Fuß hoch, weil - z
er durch das Feuer verzehrt worden ist, das so oft dies die
Denkmal zu verschlingen gedrohet hat; jedoch hat es die l

Lorbeerkränze nicht ganz zerstören können, die dazu be


stimmt waren, den Augen die Verbindungsflächen der Pl
Reihen zu entziehen. Diese Säule, welche von dorisch- wi
römischer Ordnung, und aus der alten Hauptstadt der r
Welt entführt worden ist, erhielt zu Byzanz eine be- bal
rühmte Bildsäule des Apollo, welche Alexandria k
Troas besaß, und die Conft an t in dadurch mehr
zu veredeln wähnte, wenn man ihr, statt des Namens in
eines Gottes, den Namen eines Sterblichen gäbe. übt
Der Herr des Donners trafdie Bildsäule, um sichwahr
scheinlich wegen des einem Beherrscher des Olymps den
angethanenen Schimpfs zu rächen, welche von ihrem HO

Throne herabstürzte, und auf ihrem Falle die drei obern Pl


Blöcke der Säule mit herabriß. Aleris Comne- fe
mus, unter defen Regierung dies geschah, welches en

die Griechen als ein böses Vorzeichen ansahen, konnte


diese Beschädigung nicht wieder gut machen, weil sein -
Zeitalter weder einen Phidias noch einen Praxis
teles hatte, und verbarg sie daher so viel als möglich l
durch das grobe Mauerwerk, das die Stelle der fehlen s
den Blöcke vertritt.
Indeffen glaubte er das Andenken an diese barbas
rische Wiederherstellung doch durch eine griechische Auf- e
schrift aufbewahren zu müffen, die dem guten Geschmacke
und den schönen Künsten zur Grabschrift dienen könnte.
Diese Säule zierte das Forum des Confantinus, -

welches von länglicher runder Gestalt und von Säulen

-
gängen umgeben war, die an den äußersten Enden
der große Are durch zwei Triumpfbogen unterbrochen
wurden.
Wir befinden uns in dem Handelsbezirke, in der
Nachbarschaft der Befestins, sowie der Thiartschis,
wie wir aus dem steten Gewimmel von Menschen sehen,
welches hier sichtbarer als an jedem andern Orte ist, aber
bald sich verlieren wird; denn ob gleich die Sonne noch
hoch steht, so sehe ich doch allenthalben die Armenier
und Griechen ihre Buden zumachen und den Weg nach
dem Hafen hin einschlagen, um wieder aufs andere Ufer
überzufahren, wo ihre Wohnungen sind.
An die Tagesgeschäfte denkend, haben. Alle ein nach
denkendes Ansehen, das den Speculationsgeist verräth,
woraus man deutlich genug sieht, daß sie der Dienst des
Plut us ganz eingenommen hat. Ihr Vermögen laffen
fie auf dem Ufer, das sie eben verlaffen, ohne zu fürch
ten , daß sie des Nachts Räuber ausplündern, aber die
jenigen, deren Waarenmagazine nicht gegen Feuer ge
sichert sind, können diese bei ihrem Erwachen wohl in
Asche gelegt finden, und vielleicht nehmen sie in diesem
Augenblicke von diesen Gegenständen ihrer zärtlichsten
Besorgniß zum letztenmale Abschied. Wir wollen jenen
Armeniern folgen, die mir meinen Weg zeigen. Sie
unterhalten sich in einer Sprache, die ich nicht verstehe,
aber ich vernehme doch die Wörter Para und Asper,
die oft aus ihrem Munde kommen. Wir wollen jenem
andern Trupp zuhören, der mir nachkommt; nach diesen
Wörtern zu urtheilen, beschäftigt sich auch ihr Gespräch
mit demselben Gegenstande; rechts und links gellen sie
=- 440 =

mir in die Ohren. Sie scheinen die Grundlage der ar-


menischen Sprache auszumachen, und dasganzen Wiffen
derjenigen, die sie sprechen, scheint darin zu bestehen.
Aber wie sehr sind diese Unglücklichen zu beklagen! In
ihrem Aeußern dürfen fiel sich ihren Reichthum nicht
merken laffen, wenn sie nicht gebrandschatzt werden wol
len. Sie dürfen sich öffentlich nicht in dem prächtigen
Pelzwerke und mit den köstlichen Brillianten sehen las
fen, welche einen Theil ihres Vermögens ausmachen.
Höchstens wagen sie dieselben bloß in Gegenwart ihrer
nächsten Anverwandten im Innern ihrer Häuser zu zei
gen, wenn sie die Jalousien zugemacht haben. Wollen
fie ausgehen, so müffen sie fich mit elenden Lumpen
bedecken. - -

Jetzt befinde ich mich wieder an der Stelle, von


der ich meine Wanderungen angetreten habe. Alle Schiffe
sind in Bewegung, um nach dem Ufer von Pera einen
Theil feiner Einwohner überzuschiffen, welchen sie ihm
alle Morgen entführen. Die Schiffer benachrichtigenein
ander bei dieser Verwirrung durch Geschrei, das ver
eint mit den Stößen, mit denen man alle Augenblicke
bedrohet ist, Besorgnißvor Unfällen verräth, welche sich
jedoch sehr selten ereignen. Alles geht nach Hause, und
kaum hat die Sonne das Ziel ihrer Laufbahn erreicht,
so folgt eine tiefe Stille, besonders in den türkischen und
armenischen Quartieren, aufden Zusammenlaufdes Volks,
der jetzt die Straßen verstopft.
-----------
– 141 - -

Zusatz zum fünften Spaziergange. " "


Selim III. liebte sein Volk und von freisinnigen
Ideen beseelt, die man bei einem Sultane so selten fin
det, wünschte er, daß daffelbe an der Bildung von Eu
ropa Antheil nehme, aber bei einer Neuerung zu wenig
vorsichtig unter Menschen, die schon beim bloßen Worte
Veränderung in Unruhe gerathen, stieß er bei ihnen in
mehrern Stücken an. Es bildete sich daher eine Gegen
partei, die ihre Augen aufden jungen Mustapha warf,
um ihn auf den Thron zu setzen. - - - - -

An der Spitze dieser Partei befand sich das Ober

- haupt des Gesetzes und der Kaimakam; der Eine war


ein Feind des Nizam -Dgedid; den Andern verleitete
die Aussicht zu einem glänzendern Glücke, besonders war
er durch seinen unsittlichen Lebenswandel bekannt. Die
Janitscharen waren die Werkzeuge, die diese beiden Un
ruhestifter ins Spiel setzten, indem sie die allgemeine
Unzufriedenheit benutzten, welche bei ihnen die neue
Kriegsverfaffung erregt hatte; diese Unzufriedenheit durfte
man nur gut heißen, um sie zum Ausbruchezu bringen.
Die neu angeworbenen Truppen dieser Miliz (Pa
mak) gaben,den 26. Mai 1807 in den Kanalbatterien
die Loosungzum Aufstande; sie ermordeten den Nazir *)
des Bosphorus, der sich vor ihnen in der neuen durch
den Nizam - Dge did vorgeschriebenen Uniform zeigte.
Darauf begaben sie sich nach Top - Chane, gewannen
die Kanoniere und verfügten sich mit ihnen mit umges
- -

- - *) Aufseher, \
- 142 -

kehrtem Keffel als Zeichen des Aufruhrs auf den Platz


Ak - Meidan. Hier bildeten diese Aufrührer eine Ver
jammlung, und verlangten einstimmig vom Sultane den
Kopf mehrerer Minister und Serailbeamten, welche Se
lim, aus Schrecken vor dem Sturme, womit er schon
selbst bedrohet war, den Aufrührernzugestand, wodurch er
ihre Ansprüche nur noch mehr vermehrte, Ob es ihn schon
an Zwangsmittel gebrach, so kann man ihn doch mit
Grund Charakterschwäche vorwerfen, die ihn bei dieser
Gelegenheitzu Grunde richtete.
Zu diesen ersten Schlachtopfern fügten die Aufrüh
rer bald Andere, welche fie ohne andere Prozeßformen
hinrichteten, als zu Folge des vor ihrem Richterstuhle ge
fällten Urtheils, allein das Abscheulichste dabei war, daß
so viele Grausamkeiten von dem Corps der Ulemas
gut geheißen wurden, das mit den Meuterern gemein
fame Sache machte, die Absetzung Selims, aussprach
und feinen Vetter Mustapha zu seinem Nachfolger
Ernannte, - - -- - -

: . Der entthronte Sultan verließ mit Würde und ohne


fichtbares Bedauernden Thron, und war sogar der Erste,
welcher dem neuen Sultane Glück wünschte. Mit Er
gebung nahm er die Stelle dieses in dem Gefängniffe
(dem Verwahrungsorte der Prinzen), ein, und wandte
feine Zeit hinführo dazu an, Mahmud, einem Mitge
fangenen, Lehren in der Regierungskunftzu geben, indem
er errieth, daß dieser bald auf den Thron gelangen
werde. : .. . -- - - .

Sechs Tage waren zur Ausführung aller dieser Vers


änderungen hinreichend, an welchen die entferntesten Pro
– 143 –
dinzen des Reichs Theil nahmen, und welche die nah
gelegenen nicht kannten; wenn aber auch in der Türkei
die Stöße heftig sind, so dauern sie doch nicht lange;
dies ist ein Bild des Sturmes, welcher das Meer an
feinen beiden Ufern erhebt, das nach einigen Stunden so
ruhig wird, daß man kaum eine Ahndung vondem Auss
-
tritte aus seinem Bette hat. "

Mustaphas Regierung konnte fürs Reich nicht


anders als verderblich seyn. Es fehlte diesem Fürsten an
allen Hülfsmitteln, und er hatte weiter keine An
fprüche auf die Krone als die Geburt; daher benutzten
die: Ruffen .feine Unerfahrenheit und erfochten über
die osmanischen Heere ausgezeichnete Siege. Auf der
einen Seite kamen die Unordnungen, welche Selim -

verbannt hatte, im Innern wieder mit mehr Kühnheit


zum Vorscheine als jemals; von den Grenzen bis an
den Thron zeigten sich allenthalben die traurigsten Vor
zeichen, wo sie sich als furchtbare Wolke, wie um die
Gipfel der Berge, versammelten. . -

Während die Rechtschaffenen insgeheim über das


Looß eines Fürsten seufzten, der zum Glücke der Nation
geschaffen war, und in Unruhe geriethen, wenn sie ihre .
Augen auf denjenigen warfen, der am Staatsruder saß,
entwarf ein Mann von Charakterstärke und großem Un
ternehmungsgeiste insgeheim den Plan, Selim wieder
auf den Thron zu setzen; diese edle Eingebung, so wie -

der kühne Entschluß, den sie ihm einflößte, war ein


Werk allein. Dieser muthige Mann hieß Tayyard
Muhamed Pascha, Sohn. Eines der vornehmsten Gü
terbesitzers in Asien, der unter den russischen Heeren
– 144 –
gedient, wo er eine ausgezeichnete Stelle erlangt hatte.
In der Schule des Unglücks unterrichtet und über das
Schicksal erhaben, dessen Launen er insgesammt besiegt
hatte, genoß er ein gewisses Uebergewicht bei den gro
ßen Lehensleuten des Reichs, welche sonst mit ihm nicht
einerleiMeinungen hatten. - -
Er benutzte seinen Einfluß auf ihren Geist und bes
wog fie, so wie die Ayans von Romelien, nach
Daud - Pascha unter dem Vorwandte des Kriegs, der
alle Tage verderblicher wurde, Soldaten zu führen, und
sich dafelft einzufinden, um Selims. Thronbesteigung
von neuem auszusprechen.“ Dieser Gedanke war um so
großherziger, da Tayyard von diesem Fürsten verwies
fen worden war; er hatte seine Statthalterschaft ver
laffen rhüffen und schmachte jetzt in der Verweisung.
“-- Wegen feines Plans hielt er um seine Zurückberus
fung an, welche ihm Mustapha, als einem Opfer See
lims, ohne Umstände gewährte. Er ernannte ihn sogar
zum Kaimacam (Stellvertreter des Großveziers), wo
durch er ihm alle Mittel zur Ausführung einer Absichten
in die Hand gab. Er beherrschte den Sultan und seine
Rathgeber, und bediente sich dieser Vortheile, einen Ge
bieter zu bereden, Truppen zusammen zu ziehen, um die
Armee zu verstärken; hierdurch gab er den Paschas und
Ayans einen scheinbaren Vorwandt, fich der Hauptstadt
zu nähern, allein dieser Versuch zog ihm einen Unfall
zu, den er nicht vorausgesehen, oder in Ansehungdefen
ihn die Hoffnung des glücklichen Erfolgs getäuscht hatte.
Beim bloßen Worte Truppenversammlung murrte die
Nation, die des Kriegs überdrüssig war, und er gerieth
-
– 145 –
in so ernstliche Besorgniß, daß er einen Zufluchtsort bei
dem Ayan von Ruschtschuk, Bairaktar, suchen
mußte. -

Durch diesen Unfall ließ sich Tayyard nicht nie


derschlagen, sondern er diente ihm vielmehr zur Auf
munterung in feinem Unternehmen. „Er hatte sich vor
züglich zu Bairaktar begeben, weil er an diesen
Kriegsoberhaupte den Mann zu finden hoffte, der sich
am besten zur Ausführung eines Entschluffes eignete,
Er theilte ihn demfelben mit, schilderte ihm das ganze
Unternehmen mit verführerischen Farben, und gewann
ihn ohne Mühe für Selim - oder vielmehr für den
Staat, dessen erster Held zu feyn er einwilligte. Man
wird jedoch sehen, daß ihn sicherlich die Nothwendigkeit zu
dieser Wahl zwang, und daß es Bairaktar an vielen
zur Ausführung eines so mißlichen Unternehmens erfos
derlichen Eigenschaften fehlte. - -
. Von gemeiner Herkunft, weshalb es ihm sogar an
der ersten Erziehung mangelte, hatte dieser
Mustapha
Bairaktar als bloßer Fähndrich feine Laufbahn unter
den Truppen des Ayans von Rufchtschuk, feines Vors
gängers, begonnen, und war bis zu dem Posten seines
Ohern gelangt, dessen Kopf er dem Sultan zugeschickt
hatte, der ihn wegen Lehensuntreue geächtet hatte. An
diesem Zuge erkennt man den Mann, der sich zur Aus
führung eines fühnen Anschlags eignet. - - -

… Von Tayyard aufgefodert, gab er allen Vere


schwornen die Loosung zum Abzuge, und marschierte an
der Spitze einer Truppen auf Daud Pafcha; als
Vorwandt brauchte er die Nothwendigkeit, eine Verabs
4Q
– 146 –-

redung mit dem Großvezier zu treffen, dessen Haupt


quartier sich zu Adrianopel befand. Bei seiner An
kunft in dieser Stadt machte er halt und that zu Folge
der Anweisung, die man ihm gegeben hatte, dem Divan
den Vorschlag, vom Großherrn die Rückkehr der heiligen
Fahne zu verlangen, wobei er sich auf den mit Ruß
land unterzeichneten Waffenstillestand und auf die Ko
fien bezog, welche die Ausstellung des Sandfchalk
Scherifs erfoderte. Dieser Antrag wurde sogleich von
allen Mitgliedern genehmigt, die überdies zum geheimen
Anschlage gehörten. Der Großvezier, den eine so furcht
bare Verbindung in Schrecken fetzte, gab seine Einwil
ligung, sich an sie anzuschließen und fich in die Nähe
der Hauptstadt zu verfügen. -

Die Verschwornen fanden an diesem Sammelplatze


mehrere andere Ayans von Afien, so wie von Eu
ropa, die in der nämlichen Absicht dahin gekommen -
waren. Der Sultan hielt „diese Truppenversammlung,
die ohne seinen Befehl geschehen war, hinreichend durch
die Absicht gerechtfertigt, die Aufrührer, denen die Ruhe
fchon Langeweile machte, im Zaume zu halten. Es
würde also durch Unterhaltung dieses Irrthums etwas .
Leichtes gewesen seyn, ein Werk zu vollenden, das eine
fo große Anzahl von Theilnehmern zählte, aber Bais
raktar konnte sich bloß einige Augenblicke verstellen und
beschwerte sich, als er schon im Begriff stand, die Maske
abzuwerfen, den 27. Juli 1808 laut über die wenige Luft,
welche der Großherr zeige, das Lager zu besuchen: dies
fagte er in der Absicht, um ihn dahin zuziehen und sich ...
darauf seiner Person zu bemächtigen. - -
- 147 --- -

- Der Sultan ahndete die Schlinge nicht und beschloß,


diesen Fehler gegen die Armee sogleich den andern Tag
gut zu machen, aber er änderte seinen Entschluß wieder
ohne einen andern Grund, als weil dies ein Wille
war; er machte lieber eine Spazierfahrt und verschob den
Besuch im Lager auf eine andere Zeit - - - - "

Bairaktar, der keine Nachricht von diesem neuen


Entschluffe erhalten, hatte den 28. mit Tagsanbruch seine
Armee in Schlachtordnung gestellt, um den Sultan zu
empfangen. Da er ihn nicht kommen sah und erfuhr,
daß er, statt feinen Weg nach Daud Pafcha zu neha
men, auf dem Bosphorus herumfahre, so glaubte -

er, man wolle ihn hintergehen und ohne weitere Auf


klärung abzuwarten, entschloß er sich sogleich, loszubres
chen. Er stellte sich an die Spitze von 12000 Alba
nefen, marschierte mit ihnen nach der hohen Pforte,
ließ den Großvezier verhaften, und nahm ihm die Reichs
siegel als einem Hochverräther ab, weil er ihm mit einer
betrüglichen Hoffnung geschmeichelt hatte, was nach sei
ner Meinung eine Treulosigkeit enthielt. Der Großherr
kehrte voll Bestürzung in aller Eil nach dem Serail
zurück, wo er sich einschloß; Bairaktar zeigte sich vor
den Mauern und verlangte, daß man ihm Selim übers
liefere. Auf Mustapha's Weigerung, nimmt er das
erste Thor ein, marschiert nach dem zweiten und ist im
Begriff, es zu erstürmen, als es sich öffnete, um ihm
Selims Leiche sehen zu laffen, den man auf Befehl feie
nes Vetters umgebracht hatte. -

Bairaktar, der fchon mehr als einen Fehler bei


gangen hatte, verlor feine Zeitdamit, daß er die Wunden
-
– 148 –
seines leblosen Gebieters mit seinenLippen berührte und mit
feinen Thränen benetzte, während die Meuchelmörder damit
umgingen, Mahmud demselben Schicksale preiszugeben;
zum Glücke aber ließen einige Albanesen ihren Heerfüh
rervergebensKlagenausstoßenund eilten,vondem Zahlmei
fer von Bairaktars Armee, Ramiz- Effendi, ge
führt, nach dem Gefängniffe,wo der junge Prinz sich gegen
das Eisen sträubte, das ihn auch hinopfern wollte. Man
entriß ihn dem Tode und setzte ihn auf den Thron, von
dem man Mustapha herabzusteigen nöthigte, um ihn
zum zweitenmale einzusperren. Ein neuer Fetwa, den
die einmüthige Stimme der Nation genehmigte, bestä
tigte die Absetzung des Einen, und die Throngelangung
des Zweiten. Zur Belohnung erhielt Bairaktar die
Reichssiegel, allein er war klug genug, fie anfänglich
auszuschlagen, aber zuletzt nahm er sie doch an und ver
blendete sich über feine Unfähigkeit, eine so wichtige
Stelle zu verwalten, wie jene des Großveziers ist, die
bald eine Unkunde in den Geschäften, und seinen mehr
foldatischen als zur Regierung geschickten Charakter ent
deckte und das Werkzeug eines Untergangs wurde, der
in sehr kurzer Zeit erfolgte. Einige Stunden waren hin
reichend, diese zweite Revolution zu beendigen. Sie
würde mit Mustaphas Tode beschloffen worden seyn,
wenn Mahmud nicht diesen Antrag verworfen hätte,
den ihm der neue Großvezier that; aufder andern Seite
würde sie Selim nicht das Leben gekostet haben, wenn
der ungeduldige Bairaktar nicht an einem Donnerstage
gegen das Serail marschirt wäre, und nur bis den an
dern Tag gewartet hätte, wo der Sultan sein Gebet
durchaus in der Moschee verrichten mußte. Dieser um
fand hätte ihm sicher Gelegenheit verschafft, sich feiner
Person zu bemächtigen und ein kostbares Blut zu scho
nen, über welches das Reich mit Recht von ihm Re
chenschaft verlangen darf. - - -

Der neue Minister, den mehr Leidenschaft als Liebe


zum allgemeinen Befen und eine edle Rache leitete, be
gann damit, daß er die vornehmsten Urheber der Ge
genpartei verfolgte. In diesem Stücke verdiente erjedoch
Lob, weil er hierdurch allein Mahmud eine ruhige Rea
gierung sichern konnte; was aber in seinem Benehmen
Tadel verdient, das find folgende Punkte: 1) daß CE

ohne Ursache und gegen alle Verpflichtung der Dankbara


keit den nämlichen Tayyard umbringen ließ, defen
Rathschläge ihn auf dem guten Wege so lange erhalten
hatten, als er sie befolgt hatte; 2) daß er sich von den
wichtigen Geschäften feines Amts zu einer so bedenklichen
Zeit durch kindische Beschäftigungen mit der Stadtpolizei
abhalten ließ, welche die Grenze seiner beschränkten Eina
fichten wurden; 3) daß er aus Unerfahrenheit und Eia
gendünkel das Lager zu Daud - Pascha aus einander
gehen ließ, und nicht das Corps Albanefen zurückbe
hielt, das mit ihm vor die Mauern des Serails gezogen
war; 4) daß er sich die Unzufriedenheit aller der Seini
gen zugezogen hatte, welche so weit ging, daß man
beinahe niemanden um ihn fah, als die blutgierigen Jaa
mitscharen, die schon fein bloßer Name wüthend machte,
und die gar kein Bedenken trugen, ihn von ihren Ab
fichten zu unterrichten, indem sie sogar an den Thoren
seines Palastes drohende Schriften anschlugen, daß mit
-- 156) –

dem Bayram feine Regierung ein Ende haben werde;


5) daß er trotz diesen Nachrichten, die um so wichtiger
waren, da sich der Ramazan feinem Ende näherte,
doch keine Maaßregeln ergriff, welche die Aufrührer hät
ten in Schrecken setzen oder im Zaume halten können;
er that vielmehr, als ob er ganz sicher wäre, und diese
Sicherheit war nicht geheuchelt. -

Bairaktar hielt sich gegen diese Soldateske, die


wenigstens durch ihre Menge und Zuchtlosigkeit furchtbar
ist, mit Unterstützung einiger Seymens, welches Corps
nicht beträchtlich war und auf dem Gefielde von Scu
tari lagerte und der Seemacht für stark genug, auf
welche er rechnen zu können glaubte, weil Ramiz -
Effendi von ihm zum Capudan Pascha ernannt
worden war. Mahmud allein bewieß damals, daß er
der Regierung würdig fey, ob er schon noch sehr jung
war; er hielt seinen Großvezier für das, was er war,
und ließ sich nicht durch seine dumme Sicherheit hinter
gehen. In Verbindung mit Ramiz - Effendi, an dem
er einen vortrefflichen Rathgeber entdeckte, sorgte er für
feine Vertheidigung und machte sich auf den schrecklichen
Stoß gefaßt, der unvermeidlich am Fuße des Thrones
flatt finden werde; besonders aber beobachtete er Still
fchweigen gegen den unbesonnenen Bairaktar und hielt
ihn mit Recht eines so wichtigen Vertrauens nicht werth.
Die Aufrührer, durch die angenommene Gleichgül
tigkeit ihres Feindes kühn gemacht, oder vielleicht auch
beleidigt, beschleunigen die Ausführung ihres Entwurfs
um zwei Tage, welche in der Nacht vom 15. auf den
15. November 1808 statt fand. Sie ziehen geradenwegs
- 151 –
Y

nach der hohen Pforte, stecken sie in Brand und verfo


gen Bairaktar durch die Flammen hindurch, der sich
in einen feuerfesten Thurm einschließt, als den einzigen
ihm übrig gebliebenen Sicherheitsort, mit dem Ent
schluffe, sich unter feinen Trümmern begraben zu laffen.
Während die Janitscharen an einer Zerstörung arbeiteten,
unterbrach der Capudan Pascha, der feine Flotte in
der ganzen Breite des Hafens hin in Schlachtordnung ges,
stellt hatte, die Verbindungen, welche mit dem andern
Ufer zu unterhalten den Aufrührern fehr viel gelegen.
war; die Truppen von Scutari, unter den Befehlen
Kady - Pafchas, so wie Weli Agas waren ins Se
rail eingerückt, um den Angriffzurückzutreiben, der es
bedrohete.
Des Morgens den 15. zeigten sich die Rebellen, bis
fie förmlich den Thurm belagern konnten, welcher noch
durch brennende Trümmern vertheidigt wurde, vor dem
Serail, wo sie mit Verluft zurückgeschlagen wurden.
Den Tag darauf griffen sie es wieder an und erlitten
eine noch größere Niederlage, wovon Ramiz - Pafcha
das Hauptverdienst hatte. Sie rächten sich dafür, indem
sie mehrere Kriegsanstalten in Brand steckten, in die sich
einige Seymens geflüchtet hatten, welche auf ihrem
Rückzuge abgeschnitten worden waren. Als der Capu
dan Pascha sah, daß das Feuer Fortschritte mache,
welche die Janitscharen auf alle Art und Weise beföder
ten, befahl er den 17. der Flotte, die Cafernen dieser
Soldaten zu bombardieren, allein die Seetruppen, ja
selbst die Topdgis waren schon auf Seiten der Auf
rührer. Anfänglich vermuthete man dies bloß bei den
– 152 –
Ersten, indem sie das Feuer der Schiffe anderwärts als
auf das ihnen angewiesene Ziel richteten; bald aber legten
sie die angenommene Maske ab und verlangten laut,
Mustapha solle den Thron von neuem besteigen.
Der Tod dieses Fürfen, der nicht zu regieren vers
diente, konnte allein das Reich gegen Unfälle, die es bes
droheten, sicher stellen und ihm ein geschicktes Oberhaupt
erhalten. Dies war die Meinung aller derer, welche
Mahmuds Vertrauen besaßen; um sich zu einem Ent
fchluffe zu bestimmen, welcher feinen Empfindungen so
sehr widersprach, mußte der Sultan mehr als einmal
der Stimme der Politik und der unbedingten Nothwen
digkeit Gehör geben. Zuletzt entriß man ihm die Ein
willigung und Ramiz - Pascha vollzog sogleich das
Urtheil,
Kady verließ noch in derselben Nacht das Serail,
um nach Afien zurückzukehren; Ramiz erreichte He
raclea, von wo er sich im Innern des Landes verbarg;
beide gaben den dringenden Bitten eines Gebieters nach,
für den sie sich gern aufgeopfert hätten, der aber gebie
terich foderte, daß sich diese getreuen Unterthanen dem
Loose entzögen, das sie bedrohete. Ihre Köpfe würden
ficherlich als Eine der Waffenstillstandsbedingungen ver
langt worden seyn, den er bald mit den Janitscharen
unterzeichnen mußte.
Diese waren durch die Seemacht und die Topdgis
verstärkt worden und wollten auf der einen Seite förm
lich das Serail von vorne belagern, von der Andern
schickten sie einen Trupp ab, um die Cafernen von
Levend - Tschiflik zu verbrennen, welche für die
/
-- 153 --- .

Truppen des Nizam - Dge did erbauet waren; drittens


zogen sie r ach Scutari, fielen über Kady - Pascha
in den unter der Regierung Selims erbaueten Cafernen
her und verwandelten dies prächtige Gebäude in einen
Schutthaufen; endlich viertens fetzten sie zu gleicher Zeit
den Angriff gegen den Thurn fort, wo sich Bairaktar
wie ein Löwe vertheidigte, der die Nothwendigkeit zu
sterben einsah und dessen Verzweiflung einen Muth ver
doppelte.
Bairaktar'n plagte die Furcht, feinen Feinden
lebendig in die Hände zu fallen und da er überdies sah,
daß er seine Vertheidigungsmittel vergebens erschöpft,
fo wählte er den Entschluß, den man fowohl von seinem
Charakter als von seiner Unerschrockenheit erwartete; er
begrub sich und seine Weiber unter einem Haufen von
Trümmern, indem er das Pulver anzündete, das er
noch hatte. Dieser Sieg, der die Aufrührer in Hinsicht
Eines der Hauptpunkte ihrer Empörung zufrieden stellte
und von der andern Seite die Rache, welche sie an einer
unglücklichen Leiche ausübten, die sie an den Reichsfie
geln, welche sie bei ihr fanden, für jene Bairaktars
erkannten; diese ausgezeichnete Befriedigung, sage ich,
nebst der Verbindlichkeit, wegen der Feier des Bays
rams wieder zum Gehorsame zurückzukehren, der durch
das Gesetz weislich zur Aussöhnung bestimmt ist, war
die Ursache, daß die Aufrührer Abgeordnete, die man
aus dem Corps der Ulemas wählte, an den Sultan
schickten; sie fanden sich den 18. an den Pforten des
Serails ein. Der Sultan willigte ein, fie zu den
Füßen des Throns zu laffen. Die Abgeordneten stellten
- 154 -

sich bittend ein und da sie wußten, daß sie in diesem


Augenblicke die Gnade des Kalffen anfleheten, so be
fchwuren fiel ihn, den Schuldiger weltliche und geistliche
Begnadigung zuzugestehen, damit sie ihre Pflichten als
wahre Gläubige gehörig erfüllen könnten. Mahmud,
welcher die Milde des Kalifen mit der Festigkeit des
Sultans verband, gab zur Antwort, ehe er den Abtrün
nigen wieder den Schooß des Islamism eröffne, müß
ten sie Beweise von Reue geben und das von ihnen an
gelegte Feuer tilgen , das die Hauptstadt noch zu verzeh
ren fortfuhr. Diese Bedingung schien sehr milde und
wurde daher sogleich angenommen. Indeffen würde es
der andern Partei zu fauer angekommen seyn, wenn sie
auch Weli-Aga verziehen hätte; sie willigte daher nur
scheinbar darein und dies großherzige Mitglied der drei
Männer, wozu noch Ramiz und Kady gehörten, fiel
felbst in Pallaste feines Gebieters unter den Dolchen, aber
diese Frevelthat war die Letzte, welche die Aufrührer be
gingen und diejenigen, welche einen Augenblick vorher
alles aufboten, das Serail mit Sturm einzunehmen,
verbeugten sich demüthig bei der Erscheinung des Sula
tan's, welcher von neuem fein Recht über Leben und
HTod über sie bestätigte.
Dies ist der Charakter dieser Regierung, wo sich
die Endpunkte so genau berühren und mit so großer
Schnelligkeit auf einander folgen; wo die Unterthanen
zugleich so unterwürfig und so aufrührerisch gegen den
jenigen find, welchen fiel doch als den Gebieter ihres
Schicksals anerkennen; wo das Oberhaupt so unbedingt
gebietet und zugleich so vielen Wechseln des Geschicks aus
\,
- 155 -

gesetzt iff, die ihn aus Furcht, wozu sie ihn verdammen,
zum Sklaven machen. Nach diesen Widersprüchen darf
man sich nicht wundern, daß man sich so oft über seine
räthselhafte Beschaffenheit getäuscht hat. Während man
den Sultan als einen Monarchen schildert, der von seiner
ganzen Macht umgeben fey, bricht ein Sturm aus, wel
cher die Nation gegen ihn aufregt und verbreitet sich wie
ein Strom, der alles niederreißt, was sich seinem Un
gefüm wiedersetzt, das regierende Götzenbils herabstürzt
und ein Anderes an seine Stelle setzt. Dieselbe Unbestän
digkeit würde man auch gewahr werden, wenn man die
Nation in diesen Augenblicken von Aufwallung schildern
wollte, wo sie ihr Willensvermögen ausübt; einen Au
genblick darauf würde man sie nicht mehr erkennen; denn
man würde sie wieder in ihren Sklavenketten und in der
Stellung eines demüthigFlehenden erblicken, der sich für
strafbar erklärt, daß er gewagt hat, sie zu zerbrechen.
Der Großvezier hält täglich in der Pforte Divan, die
Tage ausgenommen, wo man fremden Gesandten Audienz
erheilt und den Janitscharen den Sold auszahlt, an wel
chen er ihn nach Kutbey - Halte" verlegt. Dinstags
besteht die Versammlung aus den beiden Kadi - askers,
wovon der Erste, d. h. jener von Rumelien in seinem
„Namen "die Aussprüche thut; der Andere versieht in dies
fem Falle bloß die Stelle eines Beisitzers. Freitags nimmt
der Iftambol-Kadiffy oder jener von den Mollas
von Galata, Scutari und Eyub, vor den die an
hängige Sache gehört, den Gerichtsstuhl ein. Mittwochs,
Sonnabends und Sonntags richtet der Großvezier ohne
Appellation. Die Montage und Donnerstage widmet er
– 156 –
den Polizeiumgängen, die er bis in die entlegensten Quar
tiere fortsetzt und bei denen er gewöhnlich das Incognito
beobachtet; dies macht ihn noch furchtbarer; denn wenn
alsdann auch feine D geladds nicht fegleich bei der
Hand sind, so folgen sie ihm doch so nahe, daß die
Vollziehung seiner Befehle nie lange aufgeschoben ist.
Die Scharfrichter, die wir Dgeladds genannt ha
ben, nimmt man aus den Zigeunern und ob sie gleich
Mahomedaner sind, so stehen diejenigen, die dies
Gewerbe treiben, doch in derselben Verachtung, wie bei
uns, so daß sie sogar ihren besondern Todtenacker haben.
Im Divan des Großvezier find immer diensthuende
Dgeladds zugegen; derselbe hat auch dergleichen hinter
sich, mag er incognito ausgehen oder im großen Auf
zuge ich sehen laffen oder in deren Ermanglung verrich
ten die Kaffe kis (Garde dü Corps) oder auch die
Tfchiaufchen des Capudan Paschas dieselben Verricht
tungen, ohne daß sie jedoch die Verachtung theilen, mit
welcher die öffentliche Meinung die Andern belegt.
Eine Orta von Janitscharen, welche als Waffe Hel
lebarden führen und daher Charbadgiheißen, befindet
sich bloß beim Großvezier. - -

Der Sophienkirche macht man den Vorwurf,


daß sie nicht Lichtgenug habe, aber uns scheint derselbe
ungegründet zu seyn, weil man in den Tempeln mit
dem Lichte sparsam feyn muß.
Die Ukemas find, wie oben erwähnt, die Einzigen
unter den Unterthanen, mit einem öffentlichen Charakter,
an deren Vermögen fich das Oberhaupt des Staats nicht
vergreifen darf; er kann sie bloß absetzen, ohne daß die
W

– 157 –

Einziehung ihrer Güter darauf folgt; allein um dieser


Einschränkung dieses Theiles feiner Macht auszuweichen,
auf welchen er an eifersüchtigsten ist, ernennt er eine
erste obrigkeitliche Person zu einem Militärbeamten; auf
diese Art tritt er wieder in alle feine Rechte gegen jeden
feiner Unterthanen als uneingeschränkter Machthaber ein.
Man sagt, ein Großmufti, der der Amtsuntreue
überführt fey, werde lebendig in einem Mörselgestampft,
den man beim zweiten Thore des Serails zeigt, allein
ist diese Strafe jemals vollzogen worden und kann man
annehmen, daß sie durch die osmanische Gesetzgebung
gebilligt werde? Das Oberhaupt des Gesetzes, welches
die geistliche Gewalt besitzt, ist sehr mächtig, besonders
wenn es noch das Corps der Janitscharen auf seiner Seite
hat; der Sultan, dem diese beiden Vertheidigungsmittel
abgehen, ist dann mitten unter seinen Feinden wehrloß;
er muß daher unterliegen, wenn er sich in einen Kampf
einlaffen will;giebt er dagegen der Stimme der Klugheit
Gehör, so behält er sie beide zu Freunden. --,

Die Vortheile, welche das Corps der Ulemas ge


nießet, find zu mächtige Reize, als daß diejenigen, die
sich in Militärämtern Vermögen erworben haben, nicht
alle Mühe anwenden sollten, um ihren Erben die Thür
zu demselben zu öffnen; hier aber vermag man nur mit
dem goldenen Schlüffel etwas auszurichten; ja oft findet
man auch damit noch nicht das Geheimniß; denn man
muß die Einwilligung des Sultans haben, der mehr
Vortheile dabei fieht, wenn er von seinem Erbrechte Ges
brauch macht.
Wir haben dem Muftiden Titel eines Gesetzesgelehr
- 158 -

ten gegeben; wir haben gesehen, daß die Muderis


nach ihren erlangten Graden die Bewerber zu diesem
Stellen, wie zu den Gerichtshöfen, liefern und die ersten
Aemter nicht erlangen können, wenn sie nicht den Mes
dreffe der Suleimanie besucht haben; von hieraus
gehend, wollen wir noch einige Nachrichten über den Ge
richtsstand mittheilen, der in sieben Klaffen abgetheilt
wird. Die Erste besteht aus den beiden Kadi- askers
oder Armeerichtern, wovon sich der Eine im Gefolge der
Armee von Anatolien, der Andere in jenem des Hee
res von Romelien befindet, wenn sie der Sultan selbst
befehligt; dies will so viel sagen, beide verlaffen die
Hauptstadt nicht. Ihre Errichtung geht bis auf Amus
rat I. zurück; anfänglich gab es bloß einen Kadi
asker, allein um den Umfang der Macht zu vermins
dern, welche sich dieser wichtige Mann angemaßt hatte,
theilte man sie unter zweiPersonen. Der Großmufti,
der damals nach ihnen kam, ist seitdem an die Stelle
gekommen, von welcher die oberherrliche Macht einen
gefährlichen Mitbewerber vertrieben hatte und hat sogar
die Eroberungen seines Vorgängers um vieles vermehrt,
Diese beiden Magistratspersonen werden von dem Obers
haupte des Gesetzes ernannt, jedoch ist die Genehmigung
des Großherrn nothwendig und sie besetzen wiederum die
erledigten Stellen der Kadis in ihren Gerichtsbarkeiten,
wo alle Erbschaftssachen vor ihren Richterstuhl"gehören;
dies trägt ihnen viele Sporteln ein. Jedes Jahr werden ,
fie verändert. -

Der Istambol-Kadiffy, den der Mufti eben ,


falls ernennt, folgt auf die Kadi - a skers, aber er
– 159 –

gehört zu der nämlichen Klaffe. Außer den gerichtlichen


Verrichtungen hat er noch das Amt eines Polizeivorste
hers. Die Dauer seines Amts ist auch nicht länger als
jene der Kadi - askers. - - --

Die zweite Klaffe begreift die beiden Mollas der


Städte Mekka und M. ed in a; jene der kaiserlichen
Städte Brufsa, Adrianopel, Damask und Ka- .
hira; die acht Andern, deren Gerichtsbarkeiten die Vor
fädte Eyub, Galata, Pera, die Städte Jerufa
lem, Salonichi, Lariffa, Haleb und Smyrna,
ausmachen; dies sind die auf einander folgende Stufen,
auf denen die Muderis bis auf den Priesterthron fei
gen. Der Mufti ernennt diese obrigkeitlichen Personen,
allein ihre Wahl muß, wie jene der ersten Klaffe, von
dem Großherrn bestätigt werden.
Die zehn Mollas der vierten Klaffe, welche der
Mufti aus den Muder is wählt, und welche dem Be
fuche der Suleimanie entsagen, machen die obrigkeit
lichen Personen der dritten Klaffe aus. Die vierte Klaffe
besteht in den Richtern, welche ausdrücklich dazu ernannt
find, um in Sachen, die sich auf die Wakufs beziehen,
zu entscheiden. In die fünfte gehören die Kadis oder
gewöhnlichen Richter, die man aus den Mulazims d.h.
der Körperschaft der mit einer Gelehrtenwürde. Versehenen
nimmt, und die nicht weiter kommen können. - Diese
Klaffe wird wiederum in dreiAndere abgeheilt undgiebt
eine Summe von 1250 Kadiliks, wovon 550 in Roa .
melien, die Andern aber in den übrigen Reiche sind.
Jeder Gerichtshof ändert seine Richter alle achtzehn Moa ,
nate. Endlich enthalten die sechste und ketzte Klaffe die
Maibs, die Stellvertreter der Mollas und Kadis;
oft sind sie ein Ersatz für die Unwissenheit der Ersten
und spielen eigentlich in diesem Falle dieselbe Rolle, wie
die französischen Parlementsräthe. Sie machen fünf Uns
terabtheilungen aus, und werden insgesammt von den
Richtern ernannt, von denen ihre Stellen abhängen und
pachten diese für einen Theil der Accidenzen. -

Es giebt noch eine andere große obrigkeitliche Würde,


welche auf das Amt des Scheik - ül- islam folgt
und welche den Titel Nakib - ül - eschraf führt. Wer
damit in ihrer Eigenschaft als Oberhaupt der Emire
bekleidet ist, der muß jedesmal aus den Nachkommen
Alis und aus dem Stande der Scherifs gewählt seyn,
Was fein Ansehen anbelangt, so ist es beinahe eben so,
groß, als jenes des Oberhauptes des Gesetzes; er ent
scheidet in Person oder durch eine Abgeordneten in allen
bürgerlichen und peinlichen Fällen, sobald Eine der Par
teien den grünen Turban trägt. Mit diesen Eigenschaft
ten der ersten Ordnung verbindet er noch die Aufsicht auf
die heilige Fahne; auch kann er Mufti werden, aber
dann ist er nicht mehr Häuptling der Emire. Diese
obrigkeitliche Person, so wie ihre Bevollmächtigten mas
chen in der richterlichen Ordnung ein Corps für sich aus.
Mit allen obrigkeitlichen Aemtern sind eigenthümliche
Einkünfte verknüpft, welche unter dem Namen Arpa
liks bekannt find; allein da bloß die Vorzüglichsten ges
hörigbefoldet sind, so mißbrauchen die Andern das Vor
recht, das man ihnen unkluger Weise gelaffen hat, fo
dern Gerichtsgebüren und bedienen sich dieses Vorwand
tes, um den gewinnenden Theil in Contribution zu setzen,
wenn er die Vollziehung des ausgesprochen Urtheils vera
langt. In einem solchen Falle dient die Wichtigkeit ei

nes Prozeffes dem Richter zur Grundlage, nach welcher


er seine oft ungemessenen Ansprüche bestimmt. " .

Nach der Behauptung der Ulemas brauchen die


Softas zwanzig Jahre zum vollständigen Lehrgange in
den Medreffes. Alle Tage erhalten sie Unterricht,
welcher zwei Stunden dauert, allein bei einer großen
Anzahl kann er wegen der Dunkelheit der Gegenstände,
welche man vorträgt, bloß eine dauern, d. h. man
weihet die Zuhörer in alle Spitzfindigkeiten der Schule
ein; die Theologie ist bei den Mahomedanern so abstrakt
als man nur denken kann. -

. . Der Lehrgang wird in zehn Klaffen eingeheilt, in


die Grammatik, die Syntar, die Logik, die Moral,
die Wissenschaft der Allegorie, oder die Rhetorik, die
Theologie, die Philosophie, die Rechtsgelehrsamkeit, den
"Koran und seine Erklärungen, und zuletzt in die münd
lichen Gesetze des Propheten. Alle diese Studien werden
in arabischer Sprache betrieben; indessen fügt man noch
die Unterstützung der persischen und türkischen Sprache
hinzu, deren Letztere durch ihre Verbindungen mit den bei
den Andern eine unförmliche Mundart in eine reiche und
wohlklingende Sprache zu verwandeln gewußt hat,welche
man jedoch bloß bei der ausgezeichneten Sprachweise an
trifft, so wie bei der Abfaffung der Jahrbücher des
Reichs und in allen Schriften des Ministeriums oder
der ersten Gerichtshöfe. Mit dem Koran in der Hand
lernen die Studierenden die Prosodie, und das Lesen und
Singen mit aller Vollkommenheit der Kunst. . . .
– 162 –
- Griechische Aufschrift auf dem Obelisk.
»- Kioyo rergen sugoy, a si x3ow zusaero ä3or,
Moos avastato Audiosos Saales
ToAsycas, IIgönig irre so was voros fly
Klar jeAitous y faxola dus.

Lateinische ueberfetzung des Hugo Grotius.


Stratajacebathumipridempuadrata forma columne,
"Theudosi jussu Principis, arte Procli,
(Quippe nefas alis) molessurrexit in altum
Intra tres decies tanta duosque dies.
Diese Säule von viereckiger Gestalt lag auf der
Erde, allein auf Theodosius Befehl und durch die
Bemühungen des Proclus (kein Anderer war dies zu
thun im Stande gewesen) wurde diese große Maffe in
32 Tagen wieder aufgerichtet. -, -

Lateinische Aufschrift auf demselben Obeliske.


Difficilis quondan dominis parere serenis
Jussus et extinctis palmam portare tyrannis,
Omnia Theodosio cedunt sobolique perenni:
Ter denis sicvictus duobusque diebus
Iudice sub Proclo sublime elatus ad auras.
- *

- Sechster Spaziergang.
Die süßen Gewäffer in Europa.
Militärgebäude zu Constantinopel – Artille
rie- und Ingenieurschule – Beschreibung
des Thales der füßen Gewässer und des
-
– 163 –
kaiserlichen Hauses, das diesen Namen
führt. - Nachrichten über die Topographie
von Constantinopel überhaupt – Zeitver
treibe beider Geschlechter im Morgen lande
das Austreiben der Pferde des Großherrn
- Neuer Kiosk; von den kaiserlichen Palästen
- überhaupt. - - --

Kann man auch nur etliche Tagezu Constantinopel


verweilen, so muß man doch. Einen den Besuche der
füßen Gewäffer widmen; aber wenn man einmal diesen
herrlichen Spaziergang gemacht hat, so will man ihn
gern wiederholen. Unter allen Spaziergängen, welche
man in der Umgegend dieser Hauptstadt machen kann,
ist es. Einer von denen, welcher die größte Mannichfall
tigkeit von Gegenständen gewährt. - - --
Wir brachen von Pera auf und ließen uns, wie
so viele Andere, durch das Gemurmel des Ba rbyfes
und Cydaris locken, deren noch aus dem Alterthume
herrührende Namen Erinnerungen erwecken, welche die
Gegenwart der Gegenstände noch eindringlicher macht.
Der schönste Weg, den man einschlagen kann, wenn
man diesen Spaziergang macht, ist ohnstreitig der Weg
zur See. Auf dieser Fahrt vergißt man beinahe seinen
Zweck und man glaubt bei jedem der reizenden Gegen
fände, vor denen man vorbeifährt und die sich in Menge
zeigen, bei demjenigen angelangt zu feyn, welcher uns
anzieht. Wer kann zum Beispiele ohne den größten Ge
muß die geräumigen Casernen am rechten Ufer des Ha
fens sehen, wovon Einige köstliche Ueberreste aus der
-
– 164 –

Regierung Selim's III. find und bei dem Erbauer die


offenbare Absicht verrathen, einer Nation ihre vormalige
politische Eristenz wieder zu verschaffen? Anfänglich ver
führen die Cafernen der Marine durch ihre Bauart und
man fühlt sich versucht zu glauben, man werde nichts
Aehnliches weiter antreffen, aber wenn man darauf das
andere Gebäude derselben Art zu Gesicht bekommt, das
für die Bombardierer und Minirer (Comparadgi und
", Lagzumdgi) bestimmt ist, so ändert man seinen ersten
Ausspruch und gesteht den Vorzug dem zu, das ihn
mit so vielem Rechte verdient. In diesem letzten Gebäude
herrscht eben so viel Zweckmäßigkeit als Geschmack und
Glanz, die um so verführerischer find, da man bei uns
fern Militärgebäude diese glückliche Verbindung nicht bes
merkt; bei uns find die Dauerhaftigkeit und die Erspars
niß die einzigen Bedingungen, die man zu erfüllen sucht.
Die erwähnte Caserne ist ein viereckiges Gebäude,
an der Seite ungefähr 40 Toien breit und auf jeder
Seite mit einer schönen Halle geziert, welche die Einför
znigkeit der geraden Linie unterbricht. Im Hofe steht
eine Moschee, welche in Hinsicht ihrer Bauart mit den
Verhältniffen des Gebäudes übereinstimmt. Die Haupt
feite geht nach dem Hafen hin; vor ihr befindet fich
eine große Terraffe mit Mörsern auf ihren Lavetten,
welche in der ersten Linie stehen und die Bestimmung
des Gebäudes verkündigen. Diese Terraffe dient auch
zu Uebungen und gewährt eine schöne Ansicht des Gen
- - -- -- - -
bäudes. - - * * - 4

Ueberhaupt sind alle Denkmäler dieser Art, weil


Constantinopel verschönern, nach einem großen unb
- -
- 165 -

ausgezeichneten Plane erbauet. Die Caferne des Todtens


ackers von Pera bestätigt mehr als irgend Eine diese
Behauptung: an diesem Gebäude bemerkt man an seinen
vier Seiten die fchönste Bauart; jede zeigt drei Halb
monde, den Einen in der Mitte, die beiden Andern an
den Ecken, welche mit einander durch Säulengänge vers
bunden find. Vor dem Ganzen befinden sich Hallen;
übrigens nach einem eben so reichen Plane und nach ei
nem eben solchen Maaßstabe. Man sieht daran eine
solche Menge von Verzierungen, als hätte man die Absicht
gehabt, die zügellosen Janitscharen zu entwaffnen.
Die Militärgebäude zu Confantinopel haben
gewöhnlich eine viereckige Gestalt, mit Ausnahme derer
von Top-Khane, die in einer einzigen Linie hinlau
fen. Gemeiniglich find fie bloß ein Stockwerk hoch, und
im Innern befindet sich vor ihnen ein Säulengang, so
groß, wie das Erdgeschoß; eine Moschee gehört jeder
zeit dazu, wenn sie geräumig sind. Diese Zuthat träge
nicht wenig zu ihrem schönen Anblicke bei. Was die
innere Vertheilung anbelangt, so bestehen die Casernen
aus Abtheilungen von zwei Stuben, die Eine geht nach
vorne hin, die Andere empfängt das Licht von hinten,
mit großen Feldbetten und Schränken, deren Anzahl mit
der Zahl der Leute der Kammer im Verhältniß steht,
- welche sich auf 18 bis 20 beläuft. Die Hallen der vier
Seiten tragen Kiosks, unter denen jener, welcher am
meisten in die Augen fällt, für den Sultan bestimmt
ist, wenn er diese Anstalten besucht; während der Regie
rung des Sultans Selim geschah dies oft, vielleicht zu
häufig. Die Verzierung und das Bildwerk werden noch
f
--

– 166 –
durch Frescomalereien gehoben, die man so oft erneuert,
als fiel etwas durch die Witterung gelitten haben. In
allen bemerkt man eine bewundernswerthe Reinlichkeit;
worüber sich aber die Europäer noch mehr wündern,
das ist die Stille in diesen Gebäuden, welche bei uns
fo Geräuschmachende Bewohner haben. -

- Hinter der Caferne der Comparadgis ist die


Ingenieurschule (Muendgi), wo man Türken die mas
thematischen Wissenschaften lernen sieht, welche andere
Türken lehren; eine Bibliothek, welche unsere besten
freng wissenschaftlichen Werke, geometrische und afro
nomische Werkzeuge, enthält; dabei ist ein Rißvon einem
Fefungswerke in erhabener Arbeit mit allen Einzelnheis
iten, sowohl in der Hauptfestung als in den Außenwerken,
und in den Verbindungen, welchen auch Osmanen
gemacht haben; zuletzt findet man alles, was zu Kriegs
fchulen erforderlich ist. Der Stifter dieser Anstalt ist
ebenfalls Selim III.; aber jetzt ist, fiel sehr gesunken,
wie alle herrlichen Neuerungen, welche dieser Sultan ges
macht hatte; werden sich denn die übel berathenen Tür
ken stets mißtrauisch gegen Einrichtungen zeigen, die fie
den Ungläubigen zu verdanken haben und werden sie ihre
Kindheitzu Folge eines abgeschmackten Vorurtheils zu vers
ewigen fuchen, das offenbar ihren Untergang bewirkenmuß?
In der erwähnten Schule find die Bombardieroffi
ziere mit den Minirern und Ingenieuren vereinigt; jes
doch macht jedes ein besonderes Corps aus. Nach dieser
Einrichtung, welche die Artilleriekunft bloß auf eine Of
fizierclaffe beschränkt, sind die Offiziere der Topdgis
bloß Kanoniere, welche in der Praxis geübt find.
- 467 -

Die Ingenieur- und Minierschule enthält vierzig


Zöglinge, die mehrere Jahre aufden Erwerb der Kennt
niffe verwenden, die sich auf ihr Fach beziehen. Diese
werden ihnen von den Kodgjas gelehrt und sie begreis
fen die Anfangsgründe der Mathematik, die Mechanik,
die Befestigungskunft, so wie die Theorie der Minirere
kunft. Man theilt ihnen noch einige Begriffe von den
militärischen Wiffenschaften mit, die aber nicht hinreichen,
diesen wichtigen Zweig ihres Dienstes gehörig zu verrich
ten. Außerdem üben sie fich, sowohl in der Aufnahme
als in der Verkleinerung der Charten; sie besitzen eine
ziemlich gute Sammlung dieser Art, wo man Genauiga
keit und Reinheit im Stiche bemerkt.
Seid - Mustapha, welcher zuerst die Leitung dies
fer Anstalt hatte, giebtin seiner Schrift: Abhandlung
des Ingenieurs Seid Mustapha über den ges
genwärtigen Zustand der Kriegskunft im
othomanischen Reiche, eine Nachricht von den Ans
frengungen und Hindernissen,die man bei dieser neuen
Einrichtung zu überwinden hatte. Der Sultan. Selim
hatte aufden Ebenen des Ok - Meid an und von Les
vend - Tfchiflik mehrere mit Bastionen versehen
Werke im Kleinen aufführen laffen, deren man sich bes
diente, um sich in allen Belagerungsarbeiten zu üben;
ein finnreicher Gedanke,der noch einen politischen Zweck
erreichte, nämlich, öffentlich den Vorzug der europäischen
Taktik zu beweisen und der nach der Erzählung unters
Verfaffers einen vollkommnen Erfolg hatte. Die Art
und Weiße, aufwelche der Letztere von den Casernen zu
Scutari spricht, verräth, daß sie von der größten
e- 158 –

Pracht , mit Bädern, Moscheen, Buden und Pavillons


für die Offiziere versehen waren. Ihre Erbauung hatte
fünf Millionen Piaster gekostet und damals hatte der
Piafer mehr als zwei Franken am Werthe. Derselbe ver
fichert, die Truppen von der neuen Einrichtung hätten
die Europäer durch die Bestimmtheit in ihren Mas
noeuvres in Erstaunen gesetzt; Einige von ihren Offizie
ren waren aus Wißbegierde den Lehrgängen von Sus
lidze gefolgt. Bei dieser Gelegenheit setzt er hinzu,
die Confantinopolitaner zeichneten sich durch Ver
fand aus. Alles dieses dient zum Beweise, daß die
Regierung eines Fürsten, der ein Freund der Bildung
war, sich bei einer Nation fühlbar machte, so hartnäckig
diese auch an ihren Vorurtheilen hängt.
Die Anzahl der Ingenieure ist sehr klein, und fie
führen den Titel Kodgja oder Professor. Sie verrich
ten den Dienst von Stabsoffizieren und in dieser Eigen
fchaft folgen sie dem Großvezier und den verschiedenen
Seraskiers (Obergeneralen) ins Lager. Im gegen
wärtigen Augenblicke braucht sie die Regierung zur Un
tersuchung der europäischen Grenzplätze, um diese in Ver
Pheidigungsstand zu setzen. Sie erhalten zu ihrem Un
terhalte Kriegslehen; das Ansehen, das man ihnen ein
räumt, steht mit ihrem Verdienste in keinem Verhält
niffe. Das Vorurtheil, das daffelbe an Körperfärke
kettet, und die leidende Rolle, zu welcher sie sich durch
ihren Stand verurtheilt finden, find zwei Ursachen, warum
sie nicht das verdiente Ansehen erhalten. -- -

Das Bagno erblickt man neben den Gebäuden,


die wir beschrieben haben, und neben den glänzenden
– 169 –
Marineanfalten; daffelbe unterdrückt die edlen Empfin
dungen, welche diese erregen. Dieser Unglücksort enthält
nicht bloß Miffethäter, sondern verschlingt auch eine
Menge Unglücklicher, welche das Schicksal der Waffen
den Türken in die Hände spielt. Hier feufzten lange
Zeit die unglücklichen Franzofen, als der Krieg in
Aegypten beide Nationen entzweiet hatte.
In der Hoffnung, eine Erleichterungzu finden, stößt
der Blick, wenn man ihm aufs andere Ufer wirft, auf
die Trümmern eines Palastes, dessen Erbauung eine
unbestimmte Sage dem Belisarius zuschreibt; die
Erinnerungen, welche dieser berühmte Name erweckt,
verdoppeln die peinlichen Empfindungen des Wanderers.
Der Gedanke des Siegs und der Undankbarkeit zerreißt
das Herz, welches auch die Oerter, Zeiten und Menschen
feyn mögen, die Zeuge davon gewesen find.
“ Aufdemselben Ufer sahen wir ein ganzes Quartier,
Batalla genannt, das sich auf der Hafenseite außer
halb und innerhalb der Mauern hin- erstreckt, und das
damals eben erst vollendete Häuser unter den Trümmern
Anderer zeigte, deren Schutt man noch nicht weggeschafft
hatte. Mit Erstaunen erkannten wir das nämliche Quars
tier wieder, das vor wenig Monaten ein Raub einer
Feuersbrunst gewesen war. -

- Dies ist ein eigenthümlicher Zug Constantino


pels. So schrecklich auch die Verheerungen der Geisel
seyn mögen, welche diese Hauptstadt alle zwanzig Jahre
zerstört und wieder erneuert, so wird das Uebel doch im
Verlaufe des Jahres wieder gut gemacht. Hierüber darf
man sich jedoch nicht wundern. Zum Aufbauen der Häus -
- 170 -

er ist nicht mehr Zeit nöthig als zu ihrer Verwandlung


in Asche. Ihre Gebrechlichkeit scheint schon auf den ges,
ringen Werth hinzudeuten, welchen die Mahomedas
m er aufdiese vergänglichen Wohnungen legen. Sie bes
gnügen sich damit, aufdieser Erde zu lagern, und fire
ben nur bei ihren Grabmälern nach Dauer und Festig
keit. Diese Verachtung ist eben so sehr eine Folge der
Religion als der Regierung, weil man sie auch unter
den niedrigsten Klaffen antrifft, welche doch ihre Armuth
gegen Plünderungen sichert. -- -

Der Palast des berühmten Pascha Huffein, den


das Meer bespült und den man am Eingange des Flek
kens Eyub erblickt, entspricht durch feine Schönheit und
Größe vollkommen dem Range und der Gunst seines
Bewohners. Vielleicht macht man ihm den Vorwurf,
daß er zu gekünstelt, daß seine Vorderseite durch eine zu
große Menge Vorsprünge entstellt fey, und daß er, wie
alle othomanischen Gebäude, eine zu vergängliche Frische
habe, die man ihm auf Kosten der Dauerhaftigkeit ge
geben; ich räume dies alles ein; aber wenn die Oss
manlis diesen wesentlichen Theil des gesellschaftlichen
Lebens nicht so ernsthaft behandeln, wie wir, so verschaft
fen sie sich doch dadurch das Vergüngen, ihre Einfälle
in Hinsicht der Wohnungen zu befriedigen. So befän
dig sie in der Form und den Farben ihres Anzugs sind,
so leicht verändern sie ihre Häuser.
Am Abhange der Berge, welche das andere Ufer
bilden, zeigte man uns eine ansehnliche Strecke, die
voll kleiner Säulen von weißem Marmor fand, wovon
jede zwei Ellen hoch war. Diese Strecke heißt Ok
4
- 171 -

Mridan; hier, erzählte man uns, komme bisweilen


der Sultan her und übe sich im Bogenschießen, und
diese Steine bezeichneten die Stelle, wo seine Pfeile nie
dergefallen feyn. Wie kann man glauben, daß es in
Europa einen Monarchen gebe, der fich mit solchen
kindischen Trophäen belustigt? Bisweilen fühlt man sich
in der That versucht, zu glauben, diese Osmanen feyn
erst gestern von den wilden Gefielden Seythiens ans
gekommen, und wenn man fiel mit ihren Nachbarn vers
gleicht, so überzeugt man sich noch mit wenigerer Mühe,
daß sie dahin zurückkehren werden, wenigstens kann man
sich dieses Gedankens nicht enthalten.
Auf dem rechten Ufer bekommt man nach und nach,
wenn man von Galata ausgeht, die Quartiere Cafe
fim - Pafcha, Divan Hane, Kas - Keuiu und
Sulidze zu Gesichte, wo man türkisch, griechisch, ar
menisch und hebräisch sprechen hört. Dränge man ins
Innere des Landes ein, so würde man San Demis
trio, Mikele" - Teke, und Piali- Pascha finden,
welche auf der Spitze der Anhöhen liegen, die die Ge
gend gestalten und fiel vermittelt mehrerer Thäler durchs
schneiden, welche in den Hafen auslaufen. Wenn man
in dem Thale von Piali-Pascha hinaufgeht, so
kommt man an eine einsame Stelle, wo sich eine Mos
fchee verbergen zu wollen scheint, die fich jedoch durch
%.
sechs Kuppeln auszeichnet, welche ihr einige Aehnlichkeit
mit den großen Moscheen von Bruffa und von Mekka
geben. Gelangt man aufdie platte Erhöhung des Oks
Meidan, so hat man eine außerordentliche weite Auss
ficht, die man so oft verändern kann, als man will,
– 172 –
indem man bis zum jüdischen Todtenacker fortgeht, wo
man über das Thal der süßen Gewäffer hinsieht. Diese
große platte Erhöhung fängt am Todtenacker von Pera
an und endigt sich da, wo wir stehen geblieben find;
allein,feine Unfruchtbarkeit dient zum Beweise, daß man
in Regierungen, wo die Selbstsucht und die Willkührdie
Haupthebel sind, die Erde ihres natürlichen Schmuks be
raubt, und daß sich jeder das Zerstören um die Wette
angelegen seyn läßt. Glücklicher Weise geben die grünen
Bäume, welche die zahlreichen Todtenäcker beschatten,
womit diese Quartiere umgeben find, der Landschaft ets
was Leben. Dies sind die einzigen Lebenszeichen, welche
das Wachsthum auf dieser großen Strecke gewährt.
Man muß wiffen , daß am nördlichen Ufer die Pri
vatgebäude die Rücken bekränzen und den öffentlichen
Anstalten, welche aufdem andern Abhange die Gipfel
einnehmen , absichtlich die Oeffnung der Thäler laffen.
Die verschiedenen Zwecke, wozu beide bestimmt sind, ha
ben diese Einrichtung veranlaßt.
- Eyub, das man im Hintergrunde des Hafens an
feinem südlichen Strande und in Einer der angenehmsten
Lagen findet, trägt durch feine vergoldeten Kuppeln zum
Eindruck des Gemäldes bei, welcher nicht harmonischer
feyn kann. An der Seite, am Rande des Kanals und
immer an demselben Ufer hin bemerkt man eine lange
Reihe kaiserliche Häuser, welche für die Sultaninnen
d. h. für die Schwestern, Nichten und Muhmen des
Sultans bestimmt.find; dies find die Einzigen, welche
nebst,der Valide" diesen Titel führen, obgleich eine
–, 173 –

große Anzahl Schriftsteller ihn den Frauen des Große


herrn geben. ,
. … In dem Thale der süßen Gewäffer geht man a
einem krummen Kanale hinauf, der mit hohen Erlen
eingefaßt und nicht weit von feinen Ufern von zwei Bergs
Letten bekränzt ist, zwischen denen fich eine Wiese befins
det, deren grüner Rasen eine Menge Einwohner aus der
Hauptstadt herbeilockt. Hier läßt der Grieche Spuren
von feiner aufgeräumten Gemüthsart blicken, und vers
gißt im Schooße der Heiterkeit, daß er strenge Gebieter
hat. Der Armenier bringt dahin seinen friedlichen
Charakter und fein Phlegma mit,*) das ihn weder auf
dem Lande noch in der Stadt verläßt. Der eben fort
strenge als rauhe Mahomedaner, in Hinsicht defen,
was die Sitten anbelangt, verbietet dem andern Ges
schlecht, das im Morgenlande zur Sklaverei bestimmt
ist, sich öffentlich auf eine andere Art sehen zu laffen,
als mit einem Schleier (Yachmak), der die lieblich
fien Umriffe der Gestalt entziehet, aber dafür die Leb
haftigkeit der Augen erhöhet und in einem weiten Ober
kleide (Feredge), das ohne Barmherzigkeit den herrlichsten
Anzug, so wie die schönste Taille verbirgt. Der Jude
nimmt auch an den Vergnügungen Antheil, welche die
füßen Gewäffer gewähren, ohne jedoch die Gewinnsucht
aus den Augen zu verlieren, die mit ihm geboren wird,
und ihm bis ins Grab nachfolgt. Den Franken lockt
auch der frische Schatten und der große Zusammenfluß
von Menschen von allen Nationen dahin, welche man

* Der Verfasser fest teutsches Phlegma,


– 174 –
dafelbst antrifft. Boßhaft lächelnd vergleicht er feinen
freien und beneideten Zustand mit diesem Daseyn, das
fo vielen Widerwärtigkeiten, Abwechslungen und Unge,
mache ausgesetzt ist, welche das Erbtheil der unglücklichen
Klaffe der Rayas *) sind. Der Mahomedaner
zeigt sich hier als Gebieter. In gleichem Grade stolz ges
gen alle Nationen, ausgenommen gegen die feinige, hat
er die Gnade, feinen Sklaven zu erlauben, ihre Feffeln
auf einen Augenblick abzulegen, um sich das Vergnügen
zu machen, sie mit einer verächtlichen Miene, einem Blicke
zu betrachten, der schnödes Bedauern ausdrückt, daß
man sich ohne Würde der Thorheit überläßt. Er wans
delt mit gesetzten und methodischen Schritten herum, oder
legt sich auch träg auf seine Teppiche hin und ist eitel
auf feinen gebieterischen Ernst, jemehr er Andere den
ihrigen verlieren sieht; auf diese Art bestärkt er sich imis
mer mehr in der hohen Meinung, welche er von sich
hat. -

- Wenn man den Fluß hinaufgeht, fo braucht man


von seiner Mündung an bis zum Kiosk des Großherrn
drei Meilen, welcher gewöhnlich der Zweck der Reise ist.
Anfänglich fließt er in einem engen Bette, dann fällt
er in ein großes Becken, wo sich ein anderes ebenfalls
angenehmes Thal eröffnet, und vermischt hierauf fein
gelbes Waffer, das durch Zuflüffe angeschwellt wird,
mit dem klaren Waffer des Hafens, dessen Durchsichtige

•) Ein nicht mahomedanischer Unterthan, der so gut als ein


Sklave behandelt wird, -

- - D, liebf.
-
- - 475 - -
keit er in der Regenzeit oft verändert. An seinen Ufern
trifft man hier und da einige dünnfiehende Wohnungen,
besonders herrliche Lagen an; man wundert fich, daß
man fich um sie gar nicht bekümmert, ob sie schon so
nahe an der Hauptstadt find; immerfort sieht man neuere
Ruinen, statt Lufthäuser, welche fiel verschönern sollten.
Hölzerne Brücken, die von Zeit zu Zeit über den Fluß
gehen, unterhalten die Verbindung zwischen den beiden
Ufern, welche abwechselnd anziehen. Die Biegungen,
welche der Fluß macht, werden um so hervorstechender,
da das, Thal immer weiter wird und einen schönen grüs
nen Teppich zeigt. Trotz den vielen Krümmungen, die
man an ihm hin machen muß, verzeihet man ihm dies
doch, wegen der kühlen Schatten, welche er fortwährend
gewährt, und wegen der verschiedenen Aussichten, die
er verschafft. Auch wird man noch durch das Andenken
an die unglückliche Jo zerfreuet, welche in diesen Ge
genden die Ceroéffa, die Frucht ihres Umgangs mit
dem Gebieter des Olymps, zur Welt brachte. Vor fich
hat man das durch die Byzantiner der Semy stra
geweihete Vorgebirge, welche nach ihrer Behauptung
dieses erlauchte Mädchen gestillt hatte, in welche sich
Neptunus verliebte, und welche dadurch die Mutter
des Stifters von Byzanz wurde. Die herrliche Lage
des Thales der füßen Gewäffer und die Erinnerungen,
welche es erregt, machen es zu einem sehr angenehmen
Spaziergange. - - -

Der Palast des Sultans, so wie alle kaiserliche


Häuser, welche er selten besucht, werden nicht bloß durch
die Einwirkung der Witterung, sondern auch durch die
s
– 176 –

Verschleuderung ihrer Aufseher zerstört. Seine Vorders


Seite geht nach einem schönen Becken von Marmor hin,
in dessen Mitte sich zwei Vasen, deren liebliche Form
Spuren alter Zeiten verräth und eine verstümmelte
Säule erhebt, welche als Capital vier Schwanenköpfe
hat, wovon jeder einen Wafferstrahl bildet. Dies Beke
ken, an dessen Rande der Kenner nicht ohne Bedauern
Trümmern von Schaften von Vende - antico und
von Porphyr erblickt, welche für die Fahrzeuge zu Bes
festigungspunkten dienen, ist vom obern Kanal durch
eine doppelte Schleuße von weißem Marmor getrennt,
welche mehrere Cascaden vermittelt der verschiedenen
. Muschelabsätze bildet, die sich von einer Höhe ablösen.
An dieser Schleuße stehen drei Pavillons von morgen
ländischer Bauart hin; der Eine nimmt die Mitte, die
beiden Andern ihre Enden ein. Ueber dem Lusthause
steht ein einzelner Kiosk in der Gestalt des griechi
schen Kreuzes. Dies leichte Gebäude ruhet auf Marmor
fäulen, welche es rundherum verzieren und Arcaden mit
vollem Bogen bilden; in der Mitte ist ein Becken, das
an seinem Rande mit Wafferstrahlen versehen ist, welche
in Garben auf eine Erhöhung von Marmor zurückfallen
und aus defen Schooße das Waffer von allen Seiten
hervorspringt. Die Decke bildet eine Kuppel, die mit
übergoldeten Bildhauerarbeiten verziert ist. Einen solchen
„Riß legt man gewöhnlich beim Baue der Kiosk zum
Grunde. - - - - --

Der obere Kanal geht in gerader Linie fünfhundert


„Toifen fort und ist mit Marmor eingefaßt; seine Ufer
„sind mit zwei Reihen von Bäumen bepflanzt, welche in
– 177 –

seiner ganzen Länge bin ein ununterbrochenes grünes


Gewölbe bilden. An seinem Ende geht man über eine
hölzerne Brücke und kommt nach dem Dorfe Kiathana,
dessen Häuser theils aufder Ebene, theils am Abhange
der Anhöhen auf dem rechten Ufer stehen. Hier trifft
man eine ziemliche Anzahl Spaziergänger an, welche sich
mit ländlichen Speisen erquicken, die diese Oerter im Ue
berfluffe hervorbringen und deren Vorzug, welchen ihnen
das blumige Gras vor allen andern Milchspeisen ver
fchaft, seinen Ruf weit verbreitet. - -

Ehe man an das kaiserliche Haus gelangt, kommt


man, wie schon erwähnt, an die Vereinigung zweier
Thäler, wovon jedes durch einen Strom bewäffert wird,
deren Verbindung den Fluß der süßen Gewäffer bildet.
Der Eine von diesen Strömen, jener von Kiathana,
entspringt einige Meilen (milles) oberhalb Pirgos d. h.
er durchläuft einen Raum von fünf Stunden Wegs im
einem ganz freien Becken, das mehrere Nebenflüßchen
aufnimmt. Der Andere hat einen gekrümmtern Lauf
und kommt zwölf Meilen oberhalb der Wafferleitung des
Justinianus her; er bewäffert ein einsames Thal, an
deffen Eingange man Ali-Bley-Keuiu findet. Dies
Dorf liegt am Ausgange eines andern ziemlich tiefen,
Thales, das gegen Süden hinläuft, während die beiden
Hauptthäler ihre Richtung zwischen Norden und Westen
hin nehmen. -- - - -- - -
Umdie allgemeineBeschreibungdes Bodensum Con
stantinopel zu vollenden, wollen wir noch bemerken,
daß eine Bergkette vom Hämus ausläuft; hinter Pir
gos, Belgrad, Baktfche - Keuiu, Bujuk-Dere"
- - 12%
- - 178 -

und Sarieri weggeht und sich bei dem Kavak von


Europa endigt, wo sie durch den Kanal des schwarzen
Meeres unterbrochen wird. An diese Kette, welche von
Nordwesten nach Südosten hingeht, lehnen sich mehrere
Strebemauern an, welche die Thäler trennen, wovon
Einige nach dem schwarzen Meere hin auslaufen; der
gleichen sind die Thäler von Domus - Dere, Killa,
Fanaraki u. f, w. Andere gehen nachdem Bosphos
rus hin, worunter die Nebenthäler von Bujuk - Dere,
Therapia, Stegna, Balka - Liman, Orta -
Keuiu und Baktfche - Keuiu den ersten Platz ein
nehmen; noch Andere neigen sich vermittelt des Thals
der süßen Gewäffer nach dem Hafen hin, das sie auf
nimmt; endlich schicken noch einige größere, aber weit
weniger tiefe ihre Gewäffer in die Propontis; dergleichen
sind die Thäler von San - Stefano, Daud-Pascha
und Topschilar, das durch Constantinopel von
Norden nach Süden hinläuft. Die Wände dieser Thäler
sind sehr feil, voll Eintiefungen, jedoch stets mit Auss
nahme jener der Propontis, welche nach der Gestal
tung des weit einförmigern Bodens auch auf eine weni
ger launische Artfortlaufen. Was die Beschaffenheitdes
Bodens anbelangt, so ist er schiefer - und kalkartig.
Diese kurze Schilderung zeigt, wie uneben die Gegend
von Constantinopel ist, und was für Schwierigkeit
fie militärischen Untersuchungen und der Aufnahme in
den Weg legt. - - - - - - - -- -

Auf dem rechten Ufer des schönen Kanals, der bei


dem Kiosk anfängt und sich zu Kiathan a endigt,
ist ein großer Raum , der zum Descheridwerfen bestimmt
V
ist; er dient auchzu Artillerieübungen; denn die Artillerie,
hat selbst beim Pallaste ihre Schulanstalten, und daselbst,
"fehen einige zwanzig Kanonen, welche man für russische, -

erkennt.

Wenn die Türken dies System weiter fortzusetzen


verständen, und sich aller Arten von Waffen ihrer Feinde
bedienen lernten, ohne hierunter die politischen Kunst
griffe zu vergeffen, mit denen sie jedoch nicht ganz un-"
bekannt sind; wenn sie damit das Studium der Wiffen
schaften verbänden, an welchem sie zu wenig Antheil neh-"
men, so würde es ihnen auch gelingen, sich Achtung zu"
verschaffen, oder sie würden wenigstens nicht mehr einen
so auffallenden Widerstreitgegen Andere machen, der für
fie so nachheilig ist, aber wie viel Zeit würde dazu nö
thig seyn, diese Wahrheiten dem großen Haufen einzu
prägen, von denen vorzüglich die Janitscharen nichts
wiffen wollen, ehe man sich Gehör und Glauben
verschaffte? . . .
-

- Die Wiesen, welche sich im obern Theile des Tha


les befinden, sind zu Weideplätzen für die Pferde des
Großherrn bestimmt, wenn die Blumenzeit zurückkehrt.
Der Tag ihrer Abreise, welcher gewöhnlich der St.
Georgstag ist, giebt Veranlaffung zu einem Feste,
das im Serail mit Pracht gefeiert wird. Das Staats-,
oberhaupt, welches sich in Einem seiner Kiosk befindet,
verfolgt mit den Augen die Gegenstände seiner Lieblings
neigung, so weit es sie sehen kann; bisweilen begiebt es,
sich an einen Ort, wo man sie vorbeitreibt, um sie desto
später aus dem Gesichte zu verlieren. Die Pferde ziehen,
- 180 –

vor ihm mit dem Ober- und Unterstallmeister (Buyuk


und Kutschiuk - emir - ahor) an ihrer Spitze vorbei;
ihren Weg nehmen fiel durch das Thor von Adriano
pel und von da geht es nach den Weideplätzen hin.
Der Hof ist in Gala und läßt sich angelegen seyn, den
Glanz dieses Tags so viel als möglich zu erhöhen, und
die Bulgaren, die in den Dörfern wohnen, aufderen
Gebiete diese Pferde auf die Weide getrieben werden,
genießen deshalb besondere Vorrechte, welche dem Geiste
dieser Festlichkeit entsprechen. In dieser Einrichtung fin
det man ganz die Tartaren von den Ufern des caspi
fchen Sees, und man erkennt an einer Menge othoma
nischer Gebräuche die noch wenig veränderten, oft höchst
auffallenden Züge einer Nomadennation wieder. Bei
den ungeheuernMißbräuchen und den zahllosenUngerechtigt
keiten, welche im türkischen Reiche herrschen, sind Ver
befferungen der innern Staatseinrichtungen und Regie
rung fast unmöglich, und doch ist Mahmud II. nicht
der Einzige in seinem Reiche, welcher einen solchen Traum
zu träumen wagt, aber Unwissenheit und Eigennutz, die
sogleich in Unruhe gerathen, verscheuchen ihn hartnäckig.
* Dieser unglücklicher Weise nur zu wahre Gedanke erregt
die Besorgniß, daß das othomanische Reich zu alt fey,
als daß es sich beffern sollte, und daß es, wenigstens
in Europa, aus denselben Ursachen zusammenstürzen
müffe, welche dasjenige untergruben, dessen Trümmern
ihm zur Grundlage gedient haben. Es befindet sich in
der That in Umständen, welche so viel Aehnlichkeit mit
denen haben, welche diese Catafrophe begleiteten, daß,
wenn man die Geschichte von dem Sturze des Einen
-- -

– 181 –
fieler, man sich versuchtfühlt, das Schicksal des Andern - -

voraus zu verkündigen. - , -

Die süßen Gewäffer gewähren sehr lehrreiche An


fichten von den morgenländischen Sitten, und man kann
mit einiger Aufmerksamkeit da die Schattierungen auffass
fen, durch die sich die verschiedenen Nationen der Türs
kei von einander unterscheiden. Da die Ruhe das ist,
was die Osmanlis vor allem Andern suchen, so be
steht ihr"höchstes Vergnügen in vollkommener Unthätig
keit. Man sieht einen vornehmen Türken und einen
gemeinen Mann die nämlichen Vergnügungen mit glei
cher Wollust verschlingen, so daß man von ihnen bes
haupten kann, ihre Neigungen seyn dieselben, und man
kann daraus abnehmen, daß ihre Ideenreihen beinahe
eine und dieselben sind. Beide verweilen unter einem
Platanenbaume, um zu rauchen, effen mitgleichem Ver
gnügen eine Schaale geronnener Milch oder trinken eine
Taffe Kaffee und machen langsam am Kanale hin einen
Spaziergang oder reiten auf flüchtigen Pferden dahin.
Die Armenier haben denselben Geschmack, jedoch mehr
aus Nachahmungssucht, als aus natürlicher Neigung.
Die Vergnügungen der Griechen sind weit geräuschvoll
ler; dies wird man besonders sehen, wenn wir eine aus
führliche Schilderung von ihren Sitten und Gebräuchen
liefern.
Die Frauenzimmer der vier Hauptnationen find
jedoch in Hinsicht der Zeitvertreibe leicht zufrieden zu
stellen; wegen ihrer Mäßigung und ihrer blinden Unter
würfigkeit wünscht derjenige, welchen der Lerm der gro
ßen Welt in Schrecken jetzt, beinahe sich unter ihnen
– 182 –,
eine Gefährtin auswählen zu können. Der Erste ünd
Vorzüglichste von allen Genüffen, den man den türki
„fchen Frauenzimmern verschaffen kann, besteht in den
- Badepartien, zu denen sie ihre Mahlzeiten und ihre
fchönften Anzüge mitnehmen und auf diese Art ganze
Tage für sich allein zubringen, ohne ein Bedürfniß zu
fühlen, Mannspersonen zu Hülfe zu nehmen, um ihre
Gesellschaft angenehm zu machen. Nach dieser Haupt
glückseligkeit kommen die Landpartien. Mehrere Frauen
zimmer entschlüpfen, aber jederzeit ohne Gesellschaft von
Mannspersonen, aus dem Harem mit Waffen und Ge
päck, d. h. sie nehmen ihre Kinder, welche ihre ganze
Beschäftigung ausmachen; ihre Sklavinnen, deren Zu
fand sie durch ihre milde Behandlung angenehm zu ma
chen wissen; einige Toilettensachen z. B. einen Spiegel,
um auffreiem Felde den Schleier gehörig zu legen; ei
nen Wafferkrug und einen Becher, die sie nie vergeffen;
einen Teppich und Kiffen, um unter Schatten daraufzu
ruhen nnd alte Weiber und Tabakspfeifen mit, welche
bei ihnen die Stelle der Cbarten oder der Andächtelei
vertreten, und welche als die letzten Zeitvertreibe des
„ weiblichen Geschlechts betrachtet werden, wenn Spiele
und Lachen daffelbe verlaffen, um wieder auf den Pfad
der flüchtigen Jugend zurückzukehren.
- Mit diesem Gepäck versehen, schiffen sich die Frauen
zimmer eines Harems ein, und steigen an. Einem der
Landungsplätze des Bosphorus aus, wo sie den ganzen
Tag bleiben. Wollen sie die ganze Reihe der im Mors
genlande bekannten Vergnügungen erschöpfen, so sieht
man sie aus den Fahrzeuge in den Araba (Wagen,der
- 183 –
von Ochsen gezogen wird) steigen und so ganze Stunde
lang hin- und herfahren. Zuletzt würzen sie das Ganze
mit einem ländlichen Mahle. Die Alten vergnügen sich
darauf oder vertreiben sich die Zeit mit Tabaksrauchen;
die Jungen putzen ihre Kinder an oder schaukeln sie auf
ihren Shawls, die sie als Hamaks an Baumzweige hän
gen, oder sie legen ihre Shawle auch auf die Art, daß
sie alles das sehen laffen, was zu den Augen gehört,
welche bei ihnen sehr schön find. Diese letzte Bemerkung
bezieht sich auf die eleganten Frauen, die ich Coquetten
nennen würde, wenn dies Wort den Mahomedanern
nicht unbekannt wäre, ob schon der Keim der Sache bei
ihren Frauenzimmern vorhanden ist; allein aus Mangel
an Gelegenheit kann er sich nicht entwickeln, und er ist
fo zusammengepreßt, daß ihn bloß geübte und miß
trauische Augen entdecken können.
Das bisher. Angeführte gilt vollkommen auch von
den Armenierinnen und mit einiger Ausnahme auch
von den Jüdinnen, so wie von den griechischen Frauen
zimmern, welche jedoch weit mehr in Gesellschaften von
Mannspersonen leben. Die vornehmen Frauenzimmer
dieser Nation verachten zwar nicht die erwähnten Ver
gnügungen, aber sie verbinden damit die unfertigen; dies
kann auch nicht anders feyn; denn ihr Geist ist zu thä
tig, und ihre Einbildungskraft zu lebhaft, als daß ihnen
dieser stete Zustand von Unthätigkeit gefallen könnte,
allein das Gesetz, das diesem Geschlechte im Morgen
lande Unterwürfigkeit gebietet, hat auch auf sie, wie auf
die Uebrigen, seinen mächtigen Einfluß. -

Diese Versammlungsörter werden stets von Banden


-
– 184 –
von Musikanten belebt, welche den Befehlen jederzeit zus
vorkommen , die man ihnen oft nicht errheilt und wider
Willen Stücke spielen, welche die Eingebornen mit dem
größten Vergnügen anhören, die Fremden aber abscheu
lich finden, wenn sie dieselben zum erstenmal hören.
Man trifft da auch Zigeunerinnen, die für einige Paras
die Geheimniffe der Zukunft, der Gegenwart und der
Vergangenheit entschleiern, Taschenspieler, Ringer -
Zucker - und Pastetenbäcker, wandernde Kaffeehäuser und
Serbedgi's an: kurz wer diese Gegenden nicht ver
laffen hat, der findet alles, was nicht bloß eine Ben
dürfniffe , sondern auch eine Einfälle befriedigt.
Da wir hier von den Zeitvertreiben der osmanischen
Nation sprechen, so müffen wir auch die Don am nas
oder öffentlichen Feierlichkeiten bei Gelegenheit glücklicher
Ereigniffe z. B. der Geburt eines Prinzen, eines Siegs,
oder auch der Unterzeichnung eines Friedens erwähnen.
Die Großen und die Reichen erleuchten mehrere Tage
hinter einander ihre Konaks oder Hotels, deren Vor
hof in einen Erfrischungssaal verwandelt ist und allen
denen offen steht, die daselbst verweilen wollen, und wo
der Herr mit einer ausgesuchten Artigkeit den Wirth
macht. Dies hat einige Aehnlichkeit mit den Saturna
lien. Trupps von herumziehenden Comödianten laufen
auf den Straßen herum, machen auf öffentlichen Plätzen,
vor den Hotels, halt und führen Poffenspiele auf, bei
denen der vornehme und gemeine Türke lacht, ob sie
schon bisweilen beißenden Spott gegen den Ersten richten,
wodurch er sich an diesen Tagen von Zügellosigkeit nicht
heleidigt fühlen kann. Ueberhaupt sind die Nationen,
'
– 185 –
denen man erlaubt, die erhaltenen Beleidigungen durch “
Spott zu rächen, für die Regierung weit weniger furcht
bar, als diejenigen, welchen man diese Freude versagt.
Jede üble Laune, jeder Unwille, der sich durch Spott
- Luft macht, bewahrt den Staat vor den Erschütterun
gen, welche die Gährung gefährlicher Leidenschaften her
vorbringt, die man unterdrücken will. Gäbe es zu Con
stantinopel oft Don am nas, so würde man nicht
so viele Aufstände und Feuersbrünste zu sehen bekommen,
- Trotzdem reizenden Wege, der uns zu den süßen
Wäffern geführt hat, findet der Spaziergänger, der bei
feiner Rückkehr nach Pera einen andern Weg einschla
gen will, bei jedem Schritte jenseits des kaiserlichen
Kiosks einen Steig an der Seite des Berges hin, auf
welchem er die große platte Erhöhung erreicht, die ihn
bekränzt. Beim Hinaufsteigen kann er sich nicht enthal
ten, sich umzusehen, in der Hoffnung, die lieblichen Ge
genstände noch einmal zu überblicken, von denen er Ab
schied nimmt: das vollendeteste Gemälde ist dann der Lohn -

für feine Neugierde. Kiathana, so wie die Anhöhen,


an welche sich dies Dorflehnt, halten einen Blick auf;
außerdem findet er, indem er das Thal hinaufgeht, eine
köstliche Aussicht, und wenn er in seine Vertiefungen
kommt, die schönsten Lagen; zu seinen Füßen liegt das
Lusthaus, und er erhält eine bestimmte Vorstellung von .
feinem Plane, ob es gleich die schattigen Bäume seinem
Blicke zu entziehen versuchen. Das Auge verfolgt jenen
Wafferstrom, der anfänglichgekrümmt, daraufaber durch
den Marmor zu einem geraden Laufe genöthigt; alsdann
wieder minder frei ist. Jenseits Kiathana kann er -
- - 186 –
bis nach den Weiler Dgendere sehen, welcher fünf
Meilen (milles) von feinem Standort liegt. Bei den
Ziegelscheunen fängt er an in die Höhe zu steigen, und -

er kommt über zahlreiche Schluchten, welche bei der


platten Erhöhung ihren Anfang nehmen, nach Pera
zurück. - -

- Bei Einem unserer ersten Besuche in der Schule von


Sulidze trafen wir den Vorsteher der Anstalt. Er
- zeigte uns mehrere Werke, welche die Anfangsgründe der
Mathematik oder die Befestigungskunst enthielten, die er
zum Unterrichte der Zöglinge geschrieben hatte, und die
zu Scutari gedruckt waren. Unter den Landcharten,
die er uns zeigte, um uns Gelegenheit zur Beurtheilung
der Arbeiten zu geben, war auch Eine von Europa;
während wir sie durchsahen, sagte er lächelnd, man zeige
uns da nichts, was wir nicht weit beffer wüßten; dies
war ein seltenes Compliment, welches ganz feinen ma
homedanischen Ursprung verleugnete. Die Liebe zu den
Wissenschaften erzeugte zwischen ihm und uns ein freund
schaftliches Verhältniß, und wir verließen uns mit der
Absicht, uns noch öfters zu besuchen. Er schien, wie alle
übrigen Profefforen, so entzückt, wie wir selbst, jeman
den getroffen zu haben, der im Stande fey, sich mit ihm
kaber die Art von Gegenständen in eine Unterredung ein
zulaffen, nach welcher wir sehr begierig waren. Die Ge
fichtsbildung aller Personen, welche in diesem Heilig
thume der Wiffenschaften wohnen, verräth durch ihre
Freundlichkeit den Einfluß der Kenntniffe auf unser phy
fisches und moralisches Wesen. Eine andere Bemerkung,
die ich gemacht habe und bei der mir nicht widersprochen
-
- -- 187 --- --

worden ist, besteht darin, daß die Religion nichts von


ihrem Einfluffe auf den Charakter dieser Gelehrten ver
loren hat; nur verräth sie sich bei ihren, frei von Fana
- tismus und Unduldsamkeit. Ich hat mehrere Fragen
an den würdigen Mann, der uns so gefällig aufnahm
und erfuhr von ihm, das Corps der Ulemas widersetze
fich durchaus nicht der Ausbreitung der Aufklärung und
der Sultan Mahmud werde sie sicherlich befödern, so
bald er die Feinde alle Verfittlichung, die Janitscharen,
unterjocht habe. Bitter beklagte er sich über die Unge
-
rechtigkeit Europas gegen die Osmanlis, bei denen
man alle Klaffen verwechsle, und die höhere nach der
niedern beurtheile. Auch erzählte er mir, daß seit dem
Tode des Sultans Selims III. die Offiziere der Bom
bardierer ihren Unterricht sehr vernachlässigten, und daß
man auch bei dem Unterrichte der Ingenieure den Man
gel an Aufmunterung spüre. Wir waren von Schülern
umgeben, welche sich mit gleicher Theilnahme um uns
her drängten, um die Worte, die wir sprachen, zu erra
thenzu suchen. Nachdem wir von dem Vorsteher der An
falt Abschied genommen hatten, kam Einer von den
Schülern auf der Straße wieder zu uns, der kaum funf
zehn Jahre alt war. Wollten Sie wohl, sagte er zu
uns, mir Unterricht im Zeichnen geben? Ich will zu
Ihnen kommen und mich allen Bedingungen unterwer
fen, die Sie von mir verlangen. Zuletzt sprach er mit
der Beredtsamkeit, welche die Wißbegierde einflößet und
wir hörten ihn mit der Theilnahme an, welche sein An
trag gewährte. Unglücklicher Weise gestattete uns die
Ungewißheit unsers Geschicks nicht, seinem Antrage Ge
– 188 –

hör zu geben. Die Anekdoten sind die Pinselstriche,


welche die Physiognomie der Nationen auszeichnen.
Aus den verschiedenen Unterhaltungen, die ich mit
unserm Professor hatte, erwarb ich mir die feste Ueber
zeugung, daß sich sowohl die aufgeklärtesten als die un
wiffendsten Osmanlis in gleichem Grade über den
Sturm verblenden, welcher ihr Reich bedrohet. Einst
mals brachte ich das Gespräch auf Constantinopel
und zwar in militärischer Hinsicht, und wagte einige
Worte über das Vertheidigungssystem fallen zu laffen,
das feiner Lage am angemeffenfen fey; mein Unterred
ner ließ mich nicht ausreden, sondern unterbrach mich in
meiner Erörterung, und fragte mich in einem ironischem
Tone, ob man wohl annehmen dürfe, daß ihre Haupt
fadtjemals angegriffen werden würde?
Der Erbauer des Kiosks der süßen Gewäffer ist
Achmet III., der Baumeister hatte das Schloß von
Marly zu feinem Vorbilde genommen. In der Absicht,
dem Sultane zu schmeicheln, erbaueten die Großen des
Reichs aufdem linken Ufer des Fluffes Lusthäuser, welche
jetzt bloß noch Trümmern sind und schon bei der Revo
lution viel gelitten hatten, deren Opfer der Sultan Alch
met wurde. Seit einem Jahre hat sich der Pallast,
den wir so beschrieben haben, wie er damals war, ganzvers
ändert; nach einem weitgrößern Plane erbauet, ist er durch
Mahmuds Freigebigkeit. Eines der schönsten Luftschlöf
fer worden, welche die Krone befizt. Damit es diesen
Ruf verdiene, hat man alles dazu gebauet, was sich mit
dem Zwecke verträgt; eine Moschee, einen Kiosk von der
größten Schönheit u. f. w. Die Vertheilung ist glücklich
- 189 –

und die Verzierung im Innern und Aeußerm vortrefflich;


jedochistdies alles die Arbeit von einigen Monaten gewesen,
so schnell, aber auch leicht, arbeitet man in diesem Lande.
Mahmud, der sich durch feine Strenge in der
Aufrechthaltung der Sitten in ihrer ganzen Reinheit
auszeichnet, hat an diesem Orte eine große Stelle mit
hohen Mauern umgeben lassen, wo die Frauenzimmerden
Blicken der Neugierigen entgehen, und den Pachmak
ohne Besorgniß verlaffen können.
Diesem Pallafie fehlen Gärten, welche man jedoch
leicht anlegen könnte, wenn man die vorheilhafte Lage
benutzte, welche dem geschickten Künstler nichts zu wün
fchen übrig läßt. Gewöhnlich haben alle kaiserliche Häu
fer in dieser Art nur sehr beschränkteZubehöre; dies bewei
fen die Paläste zu Dolma Baktsche und Befchik
Tasche. Man hat nur an die Vergrößerungder Aus
ficht gedacht; freilich werden hierin bloß unsere Vorstel
lungen verletzt, während die im Morgenlande angenom
„menen ihrem Zwecke vollkommen entsprechen. Der
Türke zu Constantinopel macht sich wenig Bewe
gung, und da ein größter Genuß darin besteht, sich,
ohne die Ecke des Sophas zu verlaffen, weit und breit
umsehen zu können, so muß er es natürlich sehr ungern
sehen, wenn man feine Aussicht beschränkt, unter dem
Vorwandte, sie zu verschönern. Was kann man sich nun .
zur Befriedigung feines Geschmacks für eine glücklichere
Lage denken, als die Ufer des Bosphorus, wo eine
stete Beweglichkeit der Dinge die Einförmigkeit so sieg
reich bekämpft? Alle diese Paläste sind zwar sehr ge
brechlich und versprechen wenig Dauer, aber die Aus
-


– 190 – -

befferungen, welche sie alle Jahre erfodern, unterhalten


bei ihnen ein Ansehen von Frischheit, das so viel zur
Erhöhung ihres Werthes beiträgt. -

- -
-

Siebenter Spaziergang.
Chalcedon und Fener - Bakt sche" oder da
Vorgebirge Heräum. " - - - - -

Der Hafen von Europa – das Vorgebirge


Heräum, heut zu Tage Fener-Baktfche“–
Pflanzenkost, welche bei den Morgenlän
dern gewöhnlich ist – der Anbau in der
Umgegend von Constantinopel – Chalce
don – St. Euphemia – das Osterfest der
Griechen – die bei der Abreise des Surre"
Emini gewöhnliche Feierlichkeit und die
Wallfahrt nach Mekka. - -

Ja, komme wieder aus dem „Lande der Erinnerungen


zurück; in einigen Augenblicken bin ich durch drei Städte
gewandert, welche sowohl am Alter als am Glanze des
Namens mit einander wetteifern. Mit Hülfe der Ein
bildungskraft habe ich in der Ferne noch mehrere Andere
erblickt, die den Ersten in nichts nachstehen. Seit lan
ger Zeit betrachte ich oben von den Anhöhen von Pera
herab mit Vergnügen jenes Vorgebirge, wo sich Chal
eedon, die Nebenbuhlerin von Byzanz, erhob;
ich suchte jene gekrümmte Küste zu errathen, die auf ihr
rem langen Laufe, bis zum Fuße des Olymps zwei
tiefe Meerbusen, eine Menge Vorgebirge und Buchten
bildet, welche für das Auge die anmuthigsten Umriffe
machen und, durch das Alterthum veredelt, insgesammt
das Andenken an einige berühmte Thaten enthalten.
Vergebens bot mir Dolma - Baktfche den Anblick
feines lachenden Thales, der Bosphorus jenen einer
belebten Ufer dar; meine Blicke wandten sich weg, um
auf Oertern zu verweilen, wo die Einbildungskraft mich
hinzog, denen ich mich aber wegen des unversöhnlichen
Nordwindes nicht nähern konnte, den ein strenger Win
ter veranlaßte. - -

Endlich stellte sich der Zephyr ein und sogleich be


kam die Natur neues Leben; das schüchterne Veilchen,
die frühzeitige Schlüffelblume und das vertrauliche Gän
seblümchen kamen zum Vorscheine, ohne unter dem
Himmel von Constantinopel eine neue Rückkehr des
Winters zu besorgen zu haben. Den Frühling suchte ich
in Asien, indem ich fest überzeugt war, ihn da zu
finden. Der Zwischenraum, der beide Erdtheile von ein
ander trennt, kann man in einigen Minuten zurücklegen
und doch scheint die Sonne, welche den Einen erleuchtet,
ganz von derjenigen verschieden zu feyn, welche dem An
dern Leben giebt. In Afien ist das Wachsthum in
voller Thätigkeit; die verjüngte Natur hat schon wieder
ihr Frühlingsgewand angethan, während sie in Europa
noch in Trauer und ein Opfer des kalten Nordwindes ist.
Ich wähle den Weg zu Waffer, um mich nach dem
Fanal von Asien zu begeben, welcher dasZiel meiner
Reise ist; bei meiner Rückreise wandere ich über die blu
- -
-

-
- "
- ,
- 192 -

inigen Gefielde, die ihren Schmuck vor mir ausbreiten


In einem Augenblicke lege ich die Hälfte des Bospho
rus zurück und befinde mich auf den Punkte, der in
gleicher Entfernung von Chalcedon, Chryfopolis
und Confantinopel liegt. Auf der einen Seite ver
liert sich mein Auge in dem gekrümmten Kanale, wo
es bloß einen verlornen Zweig des Hämus entdeckt,
der es aufhält; auf der andern, im Innern dieses Ha
fens, deffen amphitheaterförmig gebildete Ufer bloß in
der Absicht mit der Menge von Häusern geschmückt zu
feyn scheinen, um ihm ihre Ehrfurcht zu erweisen.
Wenn man diese Tempel, diese Paläfte, diese Städte
and diese an einander gehäuften Flecken erblickt, die da
anfangen, wo ein Anderer aufhört, und die diesen gan
zen Horizont bedecken, soll man nicht glauben, hier
fey die Welt beisammen? , es nicht das Serail,
das ich rechts entdecke? Wie erkennt es nicht an dem
Walde von grünen Bäumen, w.che diese prächtigen Ge
bäude umgeben und deren magisches Laubwerk so viel
zu dem imposanten Charakter der dem Geheimniffe ge
weiheten Oerter beiträgt? Wenn man es mit dem
Schönsten aufdieser Erde vergleicht, so gesteht man zu,
daß ihm nichts den Rang unter den Wundern unserer
Zeit freitig machen kann. -

- Wie sehr beleben die Kiosks, welche hier und da,


mit einer entzückenden Unordnung, oben aufdiesen Hü
geln zerstreuet stehen, die Landschaft! Ich glaube das
Waffer der reichlichen Quellen murmeln zu hören, die ich
an den Schatten wieder erkenne, welche sie umgeben, wo
mich der Gesang des muntern Finken hinruft und jene
Cypreffenwälder, deren düsterer Anblick zur Melancholie
einladet; jene Lorbeerbäume mit dunklem Laube, welche
die Bläffe der wilden Oelbaumbäume noch mehr hervor
heben; jenen ersten Entwurf des Gemäldes, wo man
Bewegung und Leben findet; Scutari, das durch sei
nen Umfang die Aufmerksamkeit allein auf sich zu ziehen
sucht, ohne alle Rücksicht auf Constantinopel, dem
es noch nicht den ersten Platz einräumen will: dies ist
die reiche Skitze, die sich sogleich meiner Bleifeder dar
bietet. -, - -

Nunmehro befinde ich mich oben auf der Anhöhe


von Chalcedon. Sein bescheidener Anblick ist das
Zeichen des Unglücks, es wünscht sich allen Blicken zu
entziehen und sich vergeffen zu machen. Chalcedon
ist jetzt bloß noch ein Dorf, das auf den Trümmern
einer großen Stadt erbauet ist. Betrachtet man die Lage,
welche diese auf einem Vorgebirge einnahm, das so ge
bildet war, daß vermittelt einer krummen Küste zwei
geräumige Häfen entstanden, so erstaunt man, wie
Apollo die Megarer Blinde nennen konnte, daß sie
an dieser Stelle den Grund zu ihrer Stadtgelegt hatten,
ja man würde sich versucht fühlen, die Götter der Un
gerechtigkeit zu beschuldigen, wenn ein Blick auf den
schönen Hafen von Byzanz das Orakel von Delphi
nicht von diesem ersten Urtheile frei spräche.
Schon bin ich um das Cap von Chalcedon herum
gesegelt und verlaffe den Bosphorus und Constan
tinopel, von denen ich nichts mehr als das von den
Propontis bespülte Ufer entdecken kann. Meine Ruderer
find mit Vorsicht einem Wege gefolgt, der durch Absteck
43 -
d,

– 194 –
pfähle bezeichnet ist, um jene Felsenbänke zu vermeiden,
welche gleiche Höhe mit dem Waffer haben, von der
Küste auslaufen und sich mit den Inseln Prothi und
Antigone vereinigen, die durch diese sehr auffallende
Verbindung noch zum festen Lande zu gehören scheinen,
oder wenigstens anzeigen, daß eine Revolution fiel davon
getrennt hat. Diese hat wahrscheinlich damals statt ge
funden, als das Waffer des schwarzen Meeres seinen
Lauf in die Propontis nahm, wenn man überhaupt
die Meinung von einem durchbrochenen Damme gelten
läßt, dessen Erfolg ein Durchbruch in den Gegenden seyn
mußte, wo wir jetzt sind.
Wenn man die europäische Küste in der Nähe be
trachtet, so sieht man, daß sie bis tief ins Land hinein
voller Sand ist; dieser Umstand bringt auf die Vermu
thung, daß dieser fremde Boden von dem Waffer herbei
geführt worden ist, um so mehr, da der ursprüngliche
Boden tief und kalkartig ist. Die asiatische Küste ist da
gegen gebirgig und konnte die Ueberschwemmung nicht
begünstigen, aber diese hat sich wahrscheinlich wegen des
Hinderniffes, das man ihr in den Weg legen wollte,
dadurch gerochen, daß sie die tiefen Bußen aushöhlte,
welche wir vor Augen haben. Diese Vermuthung jetzt
jedoch voraus, daß damals die Meerenge der Darda
nellen noch nicht geöffnet war: dies ist auch um so
wahrscheinlicher, weil das Waffer, wenn es die Insel
Samothrace überschwemmen wollte, wie Diodorus
Sicillus erzählt, über den Cherfonnefus laufen
mußte, indem die Landenge, welche der Höhe der Insel
gegenüber liegt, einen niedrigen Boden hat, der sich sehr -

- -
- 195 –
gut zu dieser Ausleerung eignet. Außerdem findet in
der Meerenge eine vollkommene Aehnlichkeit zwischen den
beiden Erdtheilen statt, welche beide kalkartig find; die
Waffer des Jdas folgen nach den auseinander laufenden
Richtungen hin, in Hinsicht der Lage, wo das alte Aby
dos gestanden hat, so daß man annehmen darf, jene
diesseits dieses Theilungspunktes haben anfänglich ein
Thal gesucht; während die jenseits zum Sammelplatze
das Andere hatten, diese ihren Spitzen gegenüber be
findlichen Thäler schickten diese verschiedenen Tribute in
die beiden Meere, welche damals noch in keiner Verbin
dung mit einander fanden. Die Gewäffer des schwarz
zen Meeres zerstörten darauf diese '' The-Einrichs
tung ohne viele Mühe, wegen der geringen Höhe, die
der Theilungspunkt, der sie aufhielt, haben mußte, und
wegen der Leichtigkeit, die sie fanden, das Erdreich vers
möge seiner Beschaffenheit zu durchweichen, aber diese
ganze Menge von Muthmaßungen, wovon die Einen
die Andern nöthig haben, um Stützpunkte zu fin
den, bildet vielleicht ein Gebäude ohne Grund, das ein
Wort der Natur über den Haufen werfen könnte, wenn
fie ihr Geheimniß entdecken wollte.
Ich befinde mich mitten im Hafen von Europa.
Er ist tiefer als jener, um welchen fich die Ueberreste
von Chalcedon nähern und kann also Fahrzeuge von
jeder Größe und in zahlloser Menge aufnehmen, allein sie
nüffen sich in ihm vor dem Südwinde fürchten, der
bisweilen dies Meer zerpeitscht, das man mit Recht das
trügerische nennen kann, wenn man feine plötzlichen
Stürme mit einer scheinbaren Ruhe vergleicht. Der
– 196 –
Rasen, die grüne Eiche, den Lorbeer suchen die Ruinen
gänzlichzu verbergen, die sich noch an dieser steilen Küste
befinden. - -

Aufdiesem nämlichen Vorgebirge, wo vor einigen


Jahrhunderten Wohnung an Wohnung stand, ist der
Anbau wieder in alle Rechte zurückgekehrt. Dieser Ans
blick mildert wenigstens den Schmerz, den man empfin
det, wenn man sich fragt, was aus den tausenden von
Menschen worden ist, welche ein feindliches Geschick zer
freuet hat.
Der Zephyr führt mir die Wohlgerüche zu, welche
die blühenden Mandel-,Pfirsich - und Kirschbäume ver
breiten, wovon Einige einen Schmuck von einem lebhaf
ten Rothe, Andere von einem zartrosenfarbigen zeigen
und durch alle Schattierungen bis zu dem glänzenden
Weiß hindurch gehen, welches die Birn - und Pflaum
bäume und die lebendigen Hecken ziert. Wie drängen
sich alle diese Gewächse auf diesem Boden zusammen,
welcher reichlich für ihre Bedürfniffe forgt! Wie schlin
gen sich die Weinstöcke, deren Augen aufzubrechen an
fangen, mit Anmuth um die starken Bäume, welche das
für von ihnen einen neuen Schmuck erhalten!
Die Granatäpfelbäume und die Geißblätter, wovon
die Einen röhliche Blätter haben, die Andern ein Grün
zeigen, das die Blüthen bald vergolden werden, wuchern
unter dem lieblichen Einfluffe der wohlthätigen Sonne,
und beeifern fich, das Ufer zu verschönern, wo der Zei
fig neben der Grasmücke fingt, während die Schwalbe
mit ihren Flügeln die unruhige Oberfläche berührt, auf
welcher der Eisvogel ruhet. “ -
-
-
Warum müffen mich diese Oerter mitten unter den
Reitzen, welche die Natur an diesem Festtage ausbreitet,
an die Greuelthaten erinnern, von denen sie Zeuge ge
wesen sind? Aufdem männlichen Ufer kamen Mauritius
und sein ganzes Geschlecht unter den unerhörtesten Qua
len um, welche die Barbarei erfinden konnte. Der wilde
Phocas befahl fie. Dieser Hafen erinnert mich auch
an den Tod des Eutropius, jenes berühmten Verst
fchnittenen und ersten Ministers des Arcadius,
den das Glück so lange als ein verzogenes Kind behan
delt und endlich doch vernichtet hatte, um ihn dafür zu
frafen, weil er zu viel auf dafelbe gerechnet hatte: .. :
Meine Barke bringt mich nach der Erdzunge, die
an. ihrem äußersten Ende ein kleiner Wald von Fichten
und Cypreffen bekränzt und gegen Osten hin den Hafen
von Europa versperrt. Durch dies Wäldchen hindurch,
von einer wunderbaren Wirkung aufdie Landschaft, ents
deckte ich den Thurm, der vorne am Rande des Meeres
steht. Mehrere große Fahrzeuge, die von Nicomedia
oder Mondania kommen, fahren an dem weinigen
hin. . Sie sind mit Asiaten beladen, welche von den
Grenzen von Perfien, und aus den Gegenden von
Jconium, Almafia. und Erzerum kommen, um
einige Jahre an den Hafen zu: Constantinopel zu
arbeiten, um alsdann wieder in ihr geliebtes Vaterland
zurückzukehren und den kleinen durch Fleiß und Spar
famkeit erworbenen Schatz mitzunehmen. - :
Aber welches bezaubernde Gemälde gewährt mir in
Finge diese Küste! Ihre Berge halten meinen Blick
nicht mehr auf, der nach Belieben ins Innere des Lans
des eindringen kann. In diesem tiefen Golfe“ einge
fchloffen, darf ich nicht mehr besorgen, daß mich Con 4
stantinopel durch feine stolze Pracht und durch seine
Verschwendung zerstreue. Die Natur hat mich hier
- ganz in Beschlag genommen und welche Natur! Selbst
der Gefühlloseste muß ihr hier eine Ehrfurcht bezeugen.
- Wie sehr bezaubert mich diese Einsamkeit und mit
welcher Wollust überläßt sich der Geist dem Nachdenken,
das sie veranlaßt! … Wer würde es glauben, wenn er
diese tiefe Stille bemerkt, daß hier je eine geräuschvolle
Stadt gestanden hat? - Wenn ich meine Blicke rechts
wende, so sehe ich die Erdzunge, nach welcher mein
Fahrzeug feine Richtung hin nimmt; links habe ich das
Vorgebirge von Chalcedon, das meinen Augen jeden
weiten Blick versperrt. Von dem Punkte aus, auf
welchem ich mich befinde, kann ich bei eingezogenen Ru
dern ruhig den ganzen Rücken betrachten, der fich an
Ufer in einem unmerklichen Abhange verliert und sich
nach der größten Vertiefung des Hafens hin mit dem
Meere verschmilzt, das sich sanft an einem feinen Sande
bricht, der voll Muscheln liegt. Zwischen diesen beiden
Seiten des Gemäldes befindet sich die herrlichste Land
fchaft; hier sieht man alles, was die Einbildungskraft
köstliches ersinnen kann: eine Wiese von mittler Größe,
welche der Chalcedon bewäffert, defen Lauf ficht bloß
einige Meilenweit erstreckt; rund herum Hügel, welche
in abgemeffenen Abstufungen bis an den Berg Bugurlu.
vorlaufen, der sich in einer Entfernung befindet, welche
feiner Höhe angemessen ist und der nebst der schönen Mos
fchee des Sultans Seil im und dem Todtenacker zu

-
\
– 199 –
Scutari zum Hintergrunde dient; allenthalben Blu
men, Grün und ein lebhaftes Wachsthum, dem noch
die Hand fleißiger Menschenzu Hülfe kommt; Kiosks,
„die sich in der Ferne erheben und durch ihren leichten
Bau auszeichnen; entstehende Schatten und blühende
Rosen; alles dieses versetzt diejenigen in füße Träume
ereien, bei denen es Erinnerungen aufregt. Hier find
zwieder Bruchstücke von Mauern auf dieser Küfe zers
freuet, welche zum Beweise dienen, daß die Zerstörung
„nichts von dem verschont hat, was sonst diesen Oertern
Leben gab. Soll den Wanderer dies Marmorbecken von
neuerer Bauart und jene Platanen, die ihm Schatten
gewähren, für das trösten, was sie verloren haben?
Vielleicht gehörten die Trümmern, auf welchen ich jetzt
herumgehe, zu dem Lufhause des Justinianus? Die
jenigen, welche seine Nachfolger von dem Throne von
Byzanz gestoßen, haben auch, ob wir sie gleich Bar
baren nennen, die Schönheit dieser glücklichen Lage zu
schätzen gewußt, wie es die Schatten beweisen, unter de
nen wir halt gemacht haben. - :
Was für ein entzückendes Schauspiel gewährt die ver
worrene Mischung jener verfallenen Kuppeln, an welchem
sich hinauf Epheu schlingt; jene gebogenen Fichten, die
ihre röthlichen Zweige wagerecht neben jenen Eibenbäu
men ausbreiten, die fich pyramidenförmig erheben; jene
Lorbeer - und Oelbäume, jene Jasmine und Myrten, die
am Fuße der Andern wachsen, die Lücken ausfüllen,
„welche diese laffen und an dem Wege hinfiehen, welcher
ums Cap am äußersten Ende des Ufers herumgeht.
Wenn ich von diesem vorliegenden Punkte meine
-

- - - 200 - -

Blicke in die Ferne richte, was für ein mannichfaltiger


Gesichtskreis bietet sich mir von allen Seiten dar! Cons
fantinopel, das ich für ganz unsichtbar hielt, er
fcheint schöner wieder als je; man kann sogar behaupten,
diese Stadt habe sich nur auf einen Augenblick den Au
-gen entzogen, um den Werth ihrer Reize zu verdoppeln."
Zugleich übersieht man die Inseln , die auf jenem gros
sfen. Becken zerstreuer liegen, das gegen Süden durch den
Olympus begrenzt ist, defen Gipfel fichtdurch das
Licht, das ihn erleuchtet, noch mit Schnee bedeckt zeigt.
Dort ist Proconnefus und Cyzicus; hier Nicäa
und Brufa; links glaubte ich Nicomedia und nicht
" weit davon Libyffa zu entdecken, das der Sage nach
das Grab des karthaginienfischen Helden enthält, dessen
Andenken an den Verräther Prusias II. erinnert. Was
:für eine Menge Erinnerungen bestürmt mich bei dem
Anblicke der Oerter, deren Namen sie wieder erwecken!
1. Diese Gegend, in der ich herumwandle, durchzogen
die, Armeen des Constantinus und Licinius und
fie wurde an jenem merkwürdigen Tage mit Strömen
von Blut überschwemmt, an welchem das Reich hinführo
nur einen Herrn erhielt, flatt der stets gegen einander
bewaffneten Mitbewerber, welche es zerriffen. Nico
-media erinnert mich an den Diocletianus, dem
man nicht weiß, welches Beiwort man geben soll. Es
war der Lieblingsaufenthalt mehrerer Herrn der Welt,
wo Libanius dem Julianus unterricht gab; es hatte
Theater, Rennplätze, Tempel und Paläste ohne Zahl,
und jetzt gewährt es bloß den Anblick einer tartarifchen
Stadt, in deren Mitte man noch einige unbedeutende
– 201 –
Ruinen sieht. Nicäa giebt mir mit noch weit größern
Rechte Stoff zum Nachdenken über die Wandelbarkeit
des Schicksals. Es spielte von jeher eine wichtige Rolle,
besonders unter der Regierung des Constantinus,
und zeigt dem neugierigen Wanderer, den der Glanz fei
'nes Namens anlockt, weiter nichts mehr als verfallene
Mauern, welche einige Hütten umgeben, die mitten auf
einem großen Umfange stehen, über welche gegenwär
tig der Pflug ohne Barmherzigkeit hingeht. Doch erin
nert an demselben Orte. Eine der ältesten Hauptkirchen
noch an die berühmte Kirchenversammlung, auf welcher
Arius und seine Lehre verdammt wurden. Der Ur
fprung von Cyzicus geht bis auf die ältesten Zeiten
zurück; seine Ringmauer kann man noch zwischen den
grünen Eichen und Lorbeerbäumen von der künstlichen
Erdzunge, welche es mit dem festen Lande verbindet, bis
auf die Spitze des Berges Dindymus verfolgen, wo
es den Schutz der Mutter der Götter suchte. Seine
Ruinen liefern bei jedem Schritte Beweise von seltener
- Pracht , und es war nach der Sage der Alten allen Göt
tern des Olymps geweihet, zur Anspielung auf die
zahllosen Tempel, welche es verschönerten. Weise Ge
fetze, ein ausgebreiteter Handel und eine große Macht
verschafften ihm nebst Miletus den ersten Rang unter
den griechischen Colonien. Außerdem erinnert es mich
noch an die Argonauten, an Alexander, Mi
thridates und Lucullus. - . . ."
Jetzt befinde ich mich unter Steineichen, an denen
sich Lorbeeren hinaufschlingen und fühle mich erleichtert.
Was für ein Vergnügen empfindet man, wenn man
– 202 –
diese Fluren betrachtet, welche dem Landmanne nichts zu
wünschen übrig laffen! Was für ein lachendes Amphi
theater bilden jene Hügel, die voll wohlriechender Ge
fräuche stehen und um jene mit Blumen gezierte Wiefe
herumgehen, wo der Chalcedon ruhig dahin läuft!
Welchen Reiz gewährt die Brücke, die über diesen Strom
geht, und der kleine Cypreffenwald oben auf dem
Hügel! - -- - -
Ich fühle mich erbauet, wenn ich den Mahome
dan er in Europa faul, in Afien aber fleißig sehe.
„Hier führt er den Pflug, gräbt die Erde um, verrichtet
alle ländliche Arbeiten und scheuet sich nicht vor der bren
nenden Sonne des Sommers. Wir wollen hier einen
Augenblick verweilen, und jenem Gärtner bei seiner Air
beit folgen. Er hat Beete von einem sehr schwarzen
Erdreiche gemacht und frühzeitige Gewächse gesäet; jetzt
begießet er sie; neben ihm liegen Strohdecken, womit
- er beim Einbruche der Nacht die zu frühzeitigen Pflan
zen zudeckt, um sie gegen die Nachtkälte zu schützen.
Seine Mühe wird ihm belohnt; denn er findet in der
Hauptstadt eine Menge Käufer, die sich um eine Waare
streiten, und mehr dafür geben, als sie werth ist. Dies
er hohe Preis hat seinen Grund in dem National

- Dieser Vorzug, welchen die Osmanlis, die Ar


menier, ja felbst die Griechen der Pflanzenkost vor
allen andern Nahrungsmitteln geben, ist die Ursache, daß
fast alle angebaueten Felder in der Umgegend von Con
fantinopel Gartenland d. h. Thäler sind; hierzu
kann man auch noch einige Abhänge der Hügel rechnen,
- 203 -

welche mit Weinreben bepflanzt sind. Die platten. Er


höhungen find dagegen fast insgesammt unangebauet.
Beim - Anbau der Ersten hat der Landmann kein
großes Verdienst; denn er findet da einen vortrefflichen
Boden, defen Erdreich durch das Regenwaffer von den
umliegenden Bergen herabgeführt worden ist, auf wel
ehen nur wenig. Wälder oder auch gar keine sind und
von welchen die fruchtbare Erde leicht mit fortgenoma
men werden kann. Auch trifft er daselbst allenthalben
Waffer, das er nach der Reihe vermittelt Rinnen, die
er macht, und kleiner Dämme, die er aufwirft, nach
feinen verschiedenen Gewächsen leitet, so daß jede
Pflanze reichlich bewäffert wird und der Boden so viel
Feuchtigkeit einsaugt, daß das Wachsthum beschleunigt
wird. Wenn er Brunnen graben muß, um Waffer zu
bekommen, so bedient er sich der Schöpfräder, um es
herauszuholen. - Die Zwiebeln, Eierpflanzen (aubergines),
Melonen, Gurken, Waffermelonen, Salate, Kohl, Mohr
rüben sind die Gewächse, die er vorzüglich pflanzt, weil
man sie in Menge verbraucht. Die Erde gräbt er mit
dem Spaden um, und bedient sich auch der Schaufel oder
der Gabel, um sie umzuwenden, den Gebrauch des Re
chens aber kennt er nicht und giebt sich keine Mühe, wie
unsere Gärtner, um den Boden zu durchharken. Zum
Düngen braucht er den Mist, aber hiermit verfährt er
fehr sparsam, weil dieser fruchtbare Boden schon eine - -

große Menge nahrhafter Säfte enthält. - - - - - - -


Der Weinbau ist beinahe eben so wie bei uns in
Burgund, aber man giebt sich bei der Bearbeitung
des Stocks nicht so viel Mühe, und hat weniger Vers
– 204 –
frauen zu dem Schneiden. Der Weinstock kriecht auf
der Erde hin oder stützt sich auch an mittelmäßig hohe
Pfähle. Er trägt Muscat -, Chaffelas -, Tschiausch-,
rothe und weiße Beeren in großen Trauben, die sehr
füß sind und einen trefflichen Wein liefern, trotz dem
fehlerhaften Verfahren, das man bei seiner Verfertigung
beobachtet. In einigen Gegenden, z. B. in Artaki bei
Cyzic us thut man in die weißen Weine Gyps, wo
durch die ungesund werden. Im Archipelagus mischt
man, in gehörigem Verhältniffe Seewaffer, darunter, wo
durch er den Kopf einnimmt. Beide Verfahrungsarten
rühren noch aus dem Alterthume her. - - - - - - -
- Auf den Feldern von Constantinopel bauet man
außerdem noch viel Mais, den die Einwohner effen
wenn er in der Milch ist, indem sie die Aehre kochen
oder rösten laffen. Das wenige Getraide, das man
bauet, besteht beinahe ganz in Weizen, welchen man
durch zwei bis vier Pferde austreten läßt, die auf einer
Tenne, die man dazu gemacht hat, im Kreise herumges
hen. Auf den Bergen, findet man zahlreiche Heerden
von Ziegen und Schaafen von der großen Art. Die
Ochsen, die eben so schön find, braucht man zum Acker
bau; felten nimmt man das Pferd dazu, das man in der
Türkei bloßzum Tragen braucht. Auch sieht man da
viele Büffel, die beim Feldbaue und dem Weiterschaffen
von Gegenständen sehr große Dienste leisten; der Maul
efel und der gewöhnliche Esel, dessen Dienste allenthal
hen, besonders in den Ländern, gehörig geschätzt werden,
wo die Wagen wenig im Gebrauche sind, nehmen - hier
unter den Lastthieren eine bedeutende Stelle ein. - - - -

-
– 205 –
Jetzt komme ich an die Thore von Chalcedon
und frage, wo diese große, reiche und schöne Stadt ist,
welche die Megarer erbauet haben, und welche so viele
Jahrhunderte hindurch geblühet hat? Derjenige, an den
ich mich wende, giebt mir weiter keine Antwort, als
daß er kalt auf ein Dorf hinweise, defen Häuser auf
dem Felde zerstreuet stehen, und dem er den unbekann
ten Namen Kadi-Keuiu giebt. Ihre Trümmern ha
ben Byzanz verschönert; auch sieht man noch derglei
chen in der Wafferleitung, welche ihr Zerstörer, Valens,
angelegt hat, und in der prächtigen Moschee, welche ein
Werk Suleimans ist. Wo ist denn die Basilika der
h. Euphemia, worin zwei der berühmtesten Kirchen
versammlungen gehalten worden sind?
Bei dem verehrten Namen der h. Euphemia er
räth man, was ich suche, und man bringt mich in eine
kleine Kapelle, in die das Licht nur sparsam eindringt.
Der Papas, der mir zum Führer diente, behauptet feier
lich, daß dies die Stelle fey, wo die Versammlung ge
halten worden und stützt sich auf das Zeugniß anderer
Papas, um seiner Aussage Gewicht zu geben; meine
Gründe von dem Gegentheile will er gar nicht anhören.
Die h. Eu phemia ist eine kleine Kuppel, welche
auf vier runden Bogen ruhet, die sich auf der einen
Seite auf die Außenmauern, und auf der andern auf vier
Säulen stützen. Man hat noch Nebengebäude an den
Seiten angebracht, welche den Mangel des Umfangs des
ursprünglichen Gebäudes ersetzen.
Der heutige Tag ist der Tag vor den Osterfeierta
gen der Griechen; auf den Feldern holt man eine
– 206 –
Menge Blumen zusammen, um die Kirchen damit aus
zuschmücken. Ich sehe, wie man Lorbeern in Menge
an den Eingang derjenigen trägt, die ich besuche; selbst
den Vorhof bestreuet man damit.
Die Griechen, welche von Natur Vergnügungen
lieben, scheinen bei der Rückkehr dieses Festes beinahe
außer sich zu feyn und feiern es durch Spiele, Tänze,
und bacchische Zeitvertreibe; alles dieses verbinden sie mit
religiösen Feierlichkeiten. Die Vorstadt Pera und der
Fanal sind nie so lebhaft als bei dieser Gelegenheit.
Die Griechen, welche das übrige Jahr hindurch in
Feffeln schmachten müffen, erhalten die drei Osterfeier
tage hindurch volle Feiheit, deren Genuß sie für Geld
erkaufen müffen. Bei jeden Schritte stößt man auf
Einnehmer, welche diese auf die Fröhlichkeit gelegte Ab
gabe einsammeln, d. h. Türken, welche hinter einem
Teppiche verschanzt sind, auf den die Steuerpflichtigen
ihre Paras werfen müffen. Dies sagen ihnen auch die
Stöcke, die sich an der Seite der Einnehmer befinden,
und von denen diese bei der geringsten Weigerung Ge
brauch machen; als kluge Leute nehmen sie sich jedoch
fehr in acht, den für das Vergnügen so günstigen
Traum zu stören. Für diese Abgaben können sich die

Griechen kleiden, wie sie wollen; doch ist es ihnen auf


keinen Fall erlaubt, den geheiligten Turban zu tragen.
Auf den Straßen, auf den öffentlichen Plätzen, trifft
man Trupps luftiger Leute an, welche aus verschiedenen
Handwerkszünften bestehen, die Nationaltänze d. h. die
Romeka und den arnautischen Tanz aufführen. Auch
die Frauenzimmer ziehen ihre schönsten Kleider an, welche
- – Q07 w

fie auf dieses Fest aufbewahren. Die Blumen, welche -


ihnen eine Menge Verkäufer, ebenfalls auf Teppichen,
auf ihrem ganzen Wege anbietet, vermehren noch ihren
Putz. - \. - - -

Der Todtenacker von Pera ist der geräuschvolle


Sammelplatz dieser Nation, welche daselbst Banden von
Musikanten, die sie in Begeisterung versetzen und zum
Tanze einladen, indem sie die Gründe anführen, welche sie
daran erinnern; Verleiher von Pferden, Arabas, kleine
Stuhlwagen, Kaffeehäuser, kurz alles antrifft, was im
Morgenlande das Gefolge der Freude ausmacht. Hierzu
fügen die Griechen noch Gelächter und thörigte Poffen,
die gewöhnlich nicht zu diesem einförmigen Laufe gehö
ren. Die übrigen Nationen bilden die Umgebung, und
diese Zuschauer find eben so zahlreich, als die thätigen
Theilnehmer. Wenn in den Augen des europäischen
Beobachters etwas diesen fröhlichen Auftritt stört, so sind
es die Stöcke der Polizei, die sich alle Augenblicke sehen
laffen und auf dem Schauplatze jene der Teppiche in
den Zugängen ersetzen, die nach dem Vergnügungsorte
führen, als ob man fürchte, die Unglücklichen, für
welche diese furchtbare Waffe erfunden ist, möchten ver
geffen, daß sie noch vorhanden fey, wenn sie dieselbe
nicht alle Augenblicke sähen. Aber sie sind an ihren
Anblick gewöhnt und laffen sich nicht dadurch schrecken;
auch glauben sie, sie fey zu ihrer Sicherheit da, und
laffen sich in ihrer Fröhlichkeit nicht stören. -

Bei den vornehmen Griechen sind- die Osterfeier


tage Vergnügungen gewidmet, die bei weitem nicht folge
räuschvoll sind, und die man im Innern der Familien
-- 203 -

genießet. Für sie ist es auch die Zeit der Besuche, welche
jedoch alle Augenblicke zurückkehrt; man könnte daher von
dieser Nation sagen, einen Theil des Jahres bringe sie
mit Fasten, den Andern mit Etikettenbeweisen zu. -

Die Ausgelaffenheit, welche man der griechischen


Nation an den Osterfeiertagen als etwas Außerordent
liches gestattet, ist eine kluge Maaßregel, sicherlich von
der Erfindung dessen, der ihr die volle Ausübung ih
rer Religion erlaubt hat; denn diese Sitte trägt das
Gepräge des Eroberers von Constantinopel, das
man wieder erkennt, so wenig man auch studiert haben
mag; auch hat sie seit der Zeit Veränderungen erlitten,
da sie anfänglich ohnftreitig noch freior war. ,
Ich habe von Chalcedon Abschied genommen und
bin über die kleine Strecke Landes zwischen demselben
und Scutari gegangen. Meinen Weg nehme ich nach
dem düstern Walde zu, der mit so vieler Wahrheit den
traurigen Aufenthaltder Todten bezeichnet. Ich irre mich
nicht; meine Augen zeigen mir am Eingange dieses hei
ligen Haines Schatten, die fich da bewegen; denn was
können jene Gespenster, mit einem weißen Schleier bes
deckt, die hin und her gehen, sich vertiefen und sich un
ter jenem düstern Laube vergraben, anders feyn, als
Seelen, die kein Begräbniß erhalten haben, und die fo
lange herumirren müffen, bis eine freundliche Hand ihre
Asche sammelt! Jedoch sind diese Gespenster nichts wei
ter als mahomedanische Frauenzimmer, welche die An
nehmlichkeiten des Landlebens genießen wollen und nach
der Nationalneigung diesen, Oertern den Vorzug gegeben,
haben, wo man in der That den kühlsten Schatten und
– 209 –
die Einsamkeit findet, die für das Geheimniß am güns
figsten ist, das sie beobachten müffen.
Auf dem hohen Punkte, wo ich jetzt stehe, übersehe
ich die herrlichste Stadt, deren Schönheit und Größe sich -
hier in ihrer ganzen Stärke zeigt. Vor mir liegt die
schöne Moschee des Sultans Selims und mit den Fü
ßen trete ich aufden Trümmern der Anstalten herum,
welche dem othomanischen Reiche seine vorige Größe wie
der verschaffen sollten. Da ist der Kiosk, wo dieser
gute Fürst den Uebungen der durch ihn errichteten Mi
litärcorps zusah, und der Exercirplatz, wo sie ihre Ma
nöeuvres ausführten. Diese furchtbaren Trümmern stellen
sich dem Geiste als Ruinen des Reichs selbst dar.
Ehe wir diese Oerter verlaffen und nach Europa
zurückkehren, wollen wir noch unsern Durst an der als
ten Quelle Hermagora fillen, die in der Tiefe des
kleinen Thales hinläuft und in die Propontis fällt.
Ich befinde mich auf der Straße, welche durch ganz
Asien geht und nach Mekka führt. Ich sehe sie in
diesem Augenblicke mit einer großen Menschenmenge bei
deckt, ohne daß ich den Zweck davon errathen kann. In
deffen ahnde ich ihn. Es ist der Tag der Abreise des
Surre - emini, der vom Sultan den Auftrag hat,
die reiche Decke nach Mekka zu bringen, welche er alle
Jahre zur Bedeckung der Kaaba dahinschickt. Dieser
ganze Zug versammelt sich im Serail und in Gegens
wart des Sultans überliefert das Oberhaupt der schwar
zen Verschnittenen dem Surre - emini seinen Auf
trag, der in Goldbrokat eingepackt ist. Der Sultan be
findet sich unter einem Zelte und bereitet sich zu dieser
- 14

-
- 210 -

erhabenen Feierlichkeit vor, indem er die Lieder mit ans


hört, welche die Imams und Scheiks der kaiserlichen
Moscheen singen. Der Kislar - agaffi, der bei dies
-
fer Gelegenheit in feiner Eigenschaft als Aufseher der
heiligen Städte die erste Rolle spielt, läßt sich das ges
heiligte Kameel vorführen, das in gerader Linie von
demjenigen abstammen soll, das Mahomed ritt. An
diesem feierlichen Tage ist dieses verehrte Thier mit den
reichsten Decken geziert und trägt eine goldene Kette um
den Hals, die das Oberhaupt der schwarzen Verschnitts
tenen sogleich nach feinem Erscheinen ehrfurchtsvoll küßt.
Ihm folgen mehrere Maulesel, welche den Schatz tragen,
der für die beiden heiligen Städte bestimmt ist und den
die Frömmigkeit der Sultane ihnen alle Jahre zuschickt.
Da der Surre'- emini mit der Vertheilung des Gel
des beauftragt ist, so überliefert man ihm ein Verzeich
niß desselben, welches das Oberhauptder schwarzen Ver
schnittenen, der Finanzminister und der Nikhandjy
effendi unterzeichnet hat. Alle Großbeamte des Hofs
und der Regierung wohnen dieser Feierlichkeit bei, woran
die Etikette eben so vielen Antheil hat als die Religion.
Wenn der Surre - emini die goldene Kette aus
den Händen des Kislar - agaffi erhalten hat, so
nimmt er das Kameel, führt es vor dem Sultane vors
bei, zieht unter einem zahlreichen Gefolge, das bei je
dem Schritte zunimmt, durch die Höfe des Serails und
begiebt fich ans Ufer, von dem er nach Scutari über
fährt, um eine Reise fortzusetzen. Gerade in diesem Au
genblicke, wo ich ankomme, befindet er sichunterwegs. Ins
deffen fah ich das geheiligte Kameel nicht;derjenige, den
- 211 -

ich deshalb frage, giebt mir zur Antwort, man habe es


klüglich wieder ins Serail zurückgeführt und ein anderes
Kameel, von demselben Schlage, vertrete zu Mekka feine
Stelle. Man fürchtet, es möchte den Mühseligkeiten
einer so langen Reise unterliegen. " - - --

Nach dem Surre" - emini kommt eine Menge


Wallfahrer, die eine Religionspflicht verrichten wollen,
welche der Koran dringend gebietet, allein es ist für
Viele, besonders für die Mahomedaner in Europa,
wegen der großen Entfernung sehr fehwehr, derselben
gnüge zu thun. Wir wollen über die Feierlichkeiten und
Gebräuche, welche bei dieser religiösen Handlung statt
finden, noch einige Bemerkungen mittheilen.
- Die Wallfahrt nach Mekka hat auf die Kaaba
oder das Gotteshaus Bezug, das Abraham an der
Stelle erbauet hat, wo die Engel auf Befehl des Aller
höchsten ein Zelt für Adam und Eva zur Erinnerung
an ihre Wiedervereinigung auf dem Berge Ararath
nach einer hundertjährigen Trennung aufschlugen, seit
dem sie aus dem irrdischen Paradiese vertrieben worden
waren. Nach dem Glauben der Araber ist Abra
ham der Stifter der Wallfahrt und fie führen den Zeit
punkt derselben bis aufdie Erbauung der Kaaba zurück.
Auch schreiben sie ihr einen Theil ihrer religiösen Ge
bräuche z. B. die Beschneidung, die Reinigung u. f. w.zu.
Mahomed macht die Wallfahrtzu Einer der noth
wendigsten Pflichten für die, welche sie machen können.
Die Weiber sind nicht dazu" verbunden, wenn sie sich
nicht von ihrem Gatten oder einem Anverwandten be
gleiten laffen können. - Weil der Sultan feine Haupt
-

-
– 212 –
fadt nicht verlaffen und also die Pilgerreise nicht mits
machen kann, so schickt er alle Jahre an die heiligen
Städte die oben erwähnten Geschenke. Daß er für die
Kaaba die Decke liefert, verschafft ihm die oberherrliche
Macht über die Stadt, die diesen Schatz besitzt. -

Die Frömmlinge unter den Mahomedanern


machen nicht bloß die Wallfahrt nach Mekka, sondern
besuchen auch die Stadt Jerusalem zum Andenken an
Jefum Christum und die Stadt Medina, wo der
Prophet, so wie auch Ali, begraben liegt, welcher vor v,

züglich bei den Schiiten in großem Ansehen steht. Auch


verrichten sie ihr Gebet am Grabe Abrahams, das die
Sage nach Hebron versetzt.
Der Pascha von Damask führt die Pilgercaravane
aus Europa und Asien durch die Wüste nach der
heiligen Stadt; der Pascha von Aegypten dient der
Caravane aus Afrika zum Führer. Die Einkünfte
Aegyptens und der benachbarten Länder find zum
Theit hierzu bestimmt. -

Der Name Heräun (Hero), den man dem Vor


gebirge des Fanals giebt, kam von einem Tempel der
Juno her, der darauf fand. Die griechischen Kaiser
hatten diesen Ort besonders lieb, der damals durch das
Luftschloß berühmt war, das bei den byzantinischen
Schriftstellern unter dem Namen Irea so bekannt ist
und wovon Justinianus der Erbauer war. Es ge
hörte eine Basilica und Bäder dazu, welche derselbe Kais
fer angelegt hatte und welche der Pracht des Gebäu
des entsprachen, das Mehrere von feinen Nachfolgern,
immer noch mehr verschönerten z. B. die Kaiser Mauris
- -
– 213 -
tius, Bafilius der Macedonier, Constanti
nus Porphyrogenitus u. f. w. Man fieht noch
eine Cisterne daselbst, welche einen rechten Winkel bildet;
achtzig Schritte lang und vierzig,breit ist. Sie wurde,
wie so viele Andere, auf Befehl des Kaisers Heraclius. -

ausgefüllt, welcher wegen einer Phrophezeihung, vor der


er sich fürchtete, das Waffer von der Oberfläche der Erde,
verschwinden laffen wollte. - -

Die ansehnlichen Werke, welche vormals den Hafen,


von Europa verschönerten, und deren Spuren noch
rund herum allenthalben sichtbar find, waren ebenfallsvon
Justinianus. An demzweiten Hafen hattedieser Kaiser.
auch seine Freigebigkeit bewiesen; dies fieht man daraus,
daß Chalcedon damals einen Rang einnahm, den
man ihm zu erhalten suchte. Constantin der Große
hatte die Absicht, noch weit mehr für dasselbe zu thun;
denn da er nicht wußte, wo er die Hauptstadt der Welt
aufbauen sollte, so gehörte auch Chalcedon unter
die Städte, die er zum Genuß dieses glänzenden Ge
schicks bestimmte, allein nach Zonargs und Cerenus.
Erzählung machten ihn die Götter durch unzweideutige
Zeichen auf seinen Fehlgriff aufmerksam. -

Nach einem Marmor, den Peyffonnel auf den


Gefielden von Chalcedon gefunden hat, und auf dem
man die Namen. Mehrerer der Obrigkeiten dieser Stadt,
liefet, mußte ihre Regierung democratisch sein.
„Die Basilica der h. Euphemia, sagt Eva
grius, die man zu Chalcedon fieht, ist ungefähr
200 Stadien vom Bosphorus entfernt, und hat eine
schöne Lage an einem sanften Abhange, wovon man die
– 214 –
Aussicht auf Constantinopel und die umliegenden
Fluren hat. Das Gebäude besteht aus drei Theilen:
4) aus einem sehr geräumigen Hof, der von Säulenhallen
umgeben ist; 2) aus einem Gebäude, das so groß wie
der Hof und auf die nämliche Art verziert ist, aber mit
einem Giebel; 3) an der Morgenseite findet man eine
Rotunda, die mit einer Kuppel bekränzt, welche sich auf
Säulen stützt und mit einer innern Gallerie verschönert
ist. Hier ruhen die Reliquien der Heiligen, welche mit
einem Grabe vom größten Reichthume bedeckt sind.“
-

".

Achter Spaziergang
D a s O p f e r f e st.
Das Fasten des Ramazan – die beiden Bay
rams und das Almosen, das sie gebieten –
Beschreibung der Bedeckung, die aus allen
Ständen des Staats besteht, wenn sich der
Großherr zur Feier des Bayram in die Mo
fchee begiebt. – Rückkehr nach Pera über
den äußern Theil des Serails und Top
- "…
Khan". - - ---
-

- -

Die Mahomedaner sind an ein neun und zwanzigs


tägiges Fasten gebunden, das sie Ramazan nennen;
nach dem Namen des Mondenmonates, der es alle Jahre
zurückbringt. So streng es auch ist, so wird es doch
außerordentlich gewissenhaft beobachtet. Es legt ihnen
news- 215 -

die Verbindlichkeit auf, sich von Sonnenaufgang bis zur


– Sonnenuntergang jeder Art von Nahrung zu enthalten;
in den langen Tagen des Sommers ist dies höchst be
schwerlich; es verbietet sogar den Genuß des Kaffees und
des Tabaksrauchens; auch verletzte man dies Gebot,
wenn man das unschuldigste Getränk zu sich nähme, um
den unerträglichen Durst zu stillen.
Sobald aber die letzten Strahlen der untergehenden
Sonne verlöschen, scheinen diese abgezehrten Faster zu
neuem Leben zurückzukehren, und ersetzen durch eine reichs
liche Mahlzeit die verlorenen Kräfte. Allein, wenn sie
auch den dringendsten Bedürfniffe der Natur Gehör gea
ben, so verlieren sie doch die Erfüllung frommer Hand:
lungen nicht aus dem Gesichte und verfügen sich fogleich
in die Moschee, sobald sich die Stimme der Religion vers
nehmen läßt. . .

Zu dieser Zeit gewährt Constantinopel den An


blick unserer Städte bei öffentlichen Feierlichkeiten. Alle
Minarets sind von unten bis oben hinauf aufdie Spiz
zen mit Lampen versehen. Das Licht zeigt sich unter
tausend verschiedenen Gestalten und entlehnt jene von
den Gegenständen, welche es am meisten herauszuheben,
geeignet sind. Die Straßen, die öffentlichen Plätze,
welche zu jeder andern Zeit so öde sind,gewähren einen
Zusammenfluß von Menschen, der nur etwas Aehnliches
zu Venedig hat, dessen Einwohner, wie man weiß,
in ihrer Lebensweise, die von der Natur bestimmte Ord
nung umkehren. Allenthalben sieht man nichts als Bu
den und Kaffeehäuser, die mit Menschen angefüllt sind,
welche einige Stunden vorher durch ihr Betragen 3er
– 216 –
knirschung oder Ermattung verriethen. Der Großvezier
versammelt in diesen Nächten nach den Gesetzen der Eti
kette nach der Reihe die vornehmsten Würden jedes
Standes bei sich, die er festlich bewirthet und mit
Geschenken entläßt. Der Sultan widmet den größten
Theil der Fasttage der Andacht und hört mit der größten
Andacht, wie der Religiöseste seiner Unterthanen, die
Vorlesungen aus dem Koran an, welche vor ihm die
Imams der kaiserlichen Moscheen verrichten. Bei dies
fem Wechsel von Fasten und Schwelgen verfließt der
Monat Ramazan, und sobald die Wächter auf den
Olymp den Eintritt des folgenden Monats (Schewa)
anzeigen, beginnt sogleich der erste Bayram, der unter
dem Namen Idfitz (Bruch des Fastens bekannt ist)
. . Dies Fest dauert drei Tage, während welcher der
Hofund die Stadt in Staatskleidern erscheinen; die Gea
schäfte und Arbeiten ruhen; dies geschieht bloß bei den
beiden Bayrams. Siebenzig Tage darauf tritt das
zweite Fest, der Curban - Bayram oder auch Id
ad'hha oder das Opferfest ein, das mit einer noch
größern Feierlichkeit begangen wird als das erste, und
das wir deshalb vorzüglich beschreiben wollen.
- Den Eurban - Bayram, welcher zum Andenken
an Abrahams Opfer eingeführt ist, ist eben so sehr
ein Werk der Politik als der Religion. Die Beweise
hiervon sind die Gebräuche selbst, wodurch sich dies Fest,
das Feierlichste des Islamism, auszeichnet. Seine
Dauer währt vier Tage, die zu Besuchen zwischen Ana
verwandten und Freunden gewidmet sind. Man wünscht
einander Glück und dies thut man mit der beiden Mas
– 217 –
homedanern gewöhnlichen Offenherzigkeit; man föhnt
fich aufrichtig mit einander aus, was bei ihnen immer
leicht ist, sobald es die Religion befiehlt. -

Die Großen des Staatsbesuchen einander und ihre


-
Untergeordneten können leichter Zutritt zu ihnen erhal
ten. Alle machen in Gesammtheit dem Staatsoberhaupte
ihre Aufwartung. Das Oberhaupt des Gesetzes, so wie
jenes der Emire küßt ihm den Rock auf der Brust und
betet für sein Wohl zum Himmel. • Bei der Rückkehr
aus der Moschee schlachtet jeder Vater einen Widder.
Der Sultan, als das Oberhaupt der großen Familie giebt
das Beispiel zur strengen Verrichtung dieses Gebrauchs
und nimmt zuerst das geheiligte Meffer. Zuletzt vereis
nigt das Osterlamm, von welchem man den besten Theil
der Armuth giebt, bei Einer der morgenländischen Mahl
zeiten, wobei Mäßigung und Frugalität den Vorsitz fühs -
-

ren, die strengen Mufelmänner, die Wein und Liebe -

aus ihren Gesellschaften, als für die Ernsthaftigkeit zu


gefährliche Feinde verbannen, ohne jedoch die offene
Herzlichkeit und die süßen Ergießungen zu verscheuchen,
welche das Vertrauen veranlaßt. Was aberden Fremden
bei der Feier dieses Festes am meisten gefällt, das ist
der glänzende Zug, der aus allen Ständen des Staats
d,
besteht und der am Morgen des ersten Tags den Groß
herrn in die Moschee begleitet. Unter allen Zeitpunkten
des Jahres ist dieses in der That der beste, wo Man

einen richtigen Begriff von der Beschaffenheit des Hofs


und von der asiatischen Pracht erhalten kann. . . . ."
Die Artillerie, die bei den Othmanen jetzt bloß
noch an ihren Festtagen Lerm macht, läßt sich von Tag
- 218 -

gesanbruch an allen Ufern des Bosphorus hören und


verkündigt weit und breit den Bayram. Bei dieser
ersten Loosung schüttelt jeder Muselmann den Schlaf
von den Augen, und zieht seine reichsten Kleider an, um
auf eine würdige Art in der Moschee zu erscheinen. Die
Bewohner der Hauptstadt geben den Vorzug gern der
jenigen, welche der Sultan gewählt hat, um darin sein
Gebetzu verrichten. Man erkennt ihn an seinen Kauks
(Turbanen), die er dahin tragen läßt, und die die Kenn
zeichen der höchsten Gewalt sind, welchen man eben so
tiefe Ehrfurcht erweitet als dem Sultane selbst. Zwei
Itsch - Aghaffi (Pagen) tragen in Begleitung einer
Abtheilung ihrer Mitbrüder in großem Staate diese Ge
genstände der öffentlichen Verehrung in die bestimmte
Moschee und gehen einige Augenblicke vor der Abreise
des Großherrn dahin ab. -

Der ganze Weg, den der Sultan zurücklegen muß,


ist mit einer doppelten Reihe Janitscharen in ihrer
Staatskleidung besetzt. Betrachtet man diese Soldaten,
deren ehemalige Bravour in Meuterei ausgeartet ist, so
hat man Mühe unter so entstellten Zügen die Sieger der
Ungarn, Griechen, Moldauer und einer so gros
ßen Anzahl kriegerischer Nationen wieder zu erkennen, so
fehr hat sie die Verderbniß verändert. Sie waren das
Werkzeug des Ruhms der Sultane, sollten sie nicht auch
das Werkzeug des Umsturzes ihres Thrones seyn? -
Die Ulemas und alles, was sich in der Haupts
fadt von ausgezeichneten Personen befindet, find die Vors
läufer des Sultans. Der Großmufti ist wie in ei
nem Sarge begraben, indem er sich im Hintergrunde ein
– 219 –
nes Wagens befindet, der mit rohem Tuche überzogen
ist; vor ihm gehen mehrere Naibs her, die man für
feine Liktoren halten könnte; er ist. Einer der Ersten, der
fich nach der Moschee verfügt. -

- Im Gefolge des Oberhauptes des Gesetzes kommen


die Kadi - askers und fahren in eben so bescheidenen
Wagen als der einige ist. Nach ihnen erscheint der
Jiftambol- Kadiffy und alle Mollas, sowohl die,
welche im Amte find, als diejenigen, welche fich im Ge
folge befinden; alsdann folgen die„Muderis, die Kas
dis und die Naibs; zuletzt kommt das Janitscharena
Priester - und Gesetzescorps, weil die Ulemas zu
Folge des Korans diese drei Eigenschaften in sich vers
einigen. - - -

Die Za im s und Timarioten (Befitzer von


Kriegslehen) erscheinen jeder in einem Aufputze, der mit
den Einkünften ihrer Timars oder Zaimlets im Ver
hältniffe fcht. Die Einen reiten auf reich geschmückten
Pferden und vor ihnen gehen Handpferde her, die
unter mit Gold gestickten Decken versteckt sind. Andere
zeigen sich in viel bescheidener Gestalt; sie kommen allein
und reiten auf Pferden, die ihrem Zustande entsprechen.
Zugleich folgen Eilboten auf Eilboten, die um fo schnel
ler nach der Moschee hin eilen, je näher die Ankunft des
Sultans ist. -

Eine lange Reihe von arabischen Reitpferden gehe


mit einem Schritt einher, die ihre Führer nur mit
Mühe aufhalten; sie find folz darauf, die glorreichen
- Schilde der ersten Othomanen zu tragen, aufdenen
Smaragden neben Rubinen und Topasen eingefaßt sind,
- - 220 -

Wer sind denn aber die vornehmen Herrn mit von Gold
glänzenden Kaftanen, deren Reichthum nur eines Gleis
chen mit den Schabracken auf den Pferden hat, welche
fie reiten? – Es find die Capidschi - baschys, die
Kammerherrn des Sultans; die Träger feiner unwider
ruflichen Befehle in den Provinzen; der Schrecken der
Großen, die sie für einen Tod verkündenden Vogel ans
fehen. Vorzüglich verhaßt sind sie beiden Paschas, welche
a“
ihnen deshalb den Eintritt in ihre Statthalterschaften nur
dann erlauben, wenn sie nicht so mächtig sind, daß fie
ihnen denselben verweigern können; ihren Kopf halten sie
nur dann der unseligen Schnur hin, womit die Andern
versehen sind, wenn sie ihnen nicht haben zuvorkommen
können. Zwischen den beiden Parteien entspinnt sich ein
Kampfvon List und Schlauheit, der oft lange dauert
und aus dem der Verschlagen sie als Sieger hervorgeht.
Der Kopf des Besiegten ist das Pfand des Stegs.
Vermöge ihrer Verrichtungen sind diese Großbeam
ten des Serails gewissermaßen die Verwahrer des
Theiles der dem Sultan verbleibenden ausübenden Ge
walt. Dieser braucht sie auch zu Gesandschaften und er
nennt sie zu Statthaltern der Provinzen. Sie sind unter
den Unterthanen, welche fein Brod effen, diejeni
gen, gegen welche er das wenigste Mißtrauen hat; daher
müffen sie sich auf alle Sendungen gefaßt halten, wozu
die Politik Veranlassung geben kann.
Nach den Capidfchi - Baschys kommen, rotten
weise die Itsch - aghafis oder die Pagen des Groß
herrn. Die Einen tragen Turbane und zeigen dadurch -
an, daß ihnen dieser wichtige Gegenstand seines Anzugs
- 921 -

zur Verwahrung übergeben ist. Die Verrichtungen jenes


dort, der einen Wafferkrugvon vergoldetem Silber trägt,
bestehen darin, daß er den Sultan bei den Reinigungen
bedient. Aus der Brieftasche, die der Andere an einem
Bandelier hängen hat, fehe ich, daß er sein Geheimschrei
ber ist, während dieser Seffel ohne Lehne auf den der
Sultan tritt, wenn er sich aufs Pferd setzt oder absteigt,
feinen Tschokodar oder Kammerdiener anzeigt. Zuletzt --

geht noch vor ihm der Seliktar her, der der Vor
nehmste unter feinen Pagen ist, und seinen einst furcht
baren Säbel trägt, als er noch nicht fo reich war; indes
fen dürfte dieser Säbel heutzu Tage vielleicht nur aus der
langen Unthätigkeit hervorgezogen werden, in die ihn
die Trägheit versetzt hat, aber eine Macht, die noch höher
ist, alsder kriegerische Sinn einesgegenwärtigen Herrn,
hält ihn hartnäckig in der Scheide zurück.
Die Farbe und die Form der Pelze dieser Pagen
der ersten Ordnung, so wie jener Menge Anderer vers
künden den Rang, den jeder von ihnen einnimmt und
einen Grad von Gunst bei dem Sultane. In dem Se
- rail, wie Er, von früher Jugend an eingesperrt, vers
geffen sie da diejenigen, denen sie ihr Lebenzu verdanken
haben, und gewöhnen sich daran, den Staat in der
Person desjenigen zu sehen, den sie mit Ergebenheit,
mehr noch durch das Gebot als aus Neigung dienen.
Man lehrt fie, einen Pfeilwerfen, ein Pferd leiten, und
einander im Laufen zuvorkommen; ihre geistige Erzies
hung beschränkt sich auf das Studium des Korans, das
den Maximen des Serails angepaßt wird. Jeden Aus
genblick des Tages schärfen ihnen die Verschnittenen ein,
- 222 -

belche ihre Lehrer sind, daß die Einfälle und Launen


ihres Gebieters Gesetze find, und daß ihre pünktliche
Vollziehung eine heilige Pflicht ist. Sie bringen, wie er,
ihr Leben in Weichlichkeit zu, bis sie eine Stimme auf
weckt, um sie als Statthalter in die Provinzen zu
schicken. - - -

Verräth fich nicht die leidende und verstümmelte Nas


tur bei jenem von beiden Geschlechtern ausgestoßenen
Wesen, das noch mehr in moralischer als in physischer
Hinsicht herabgewürdigt ist? Dies Ungeheuer, das für
die Vergnügungen seines Herrn sorgt, hat das Recht,
über das Schicksal des Reichs zu entscheiden. In seinem
Gefolge schleppt es jene schimpfliche Begleitung von seis
nes Gleichen nach, deren Verzweiflung in kleinlicher Rachs
jucht gegen ein schwaches Geschlecht ausbricht, dessen
Schrecken und Spott sie sind.
- Nach diesem Oberhaupte der schwarzen Verschnittenen
(Kislar-aghaffi) kommt ein Mitbruder, das Oberhaupt
der weißen Verschnittenen (Capu - aghaffi). Die
fer fieht noch häßlicher aus als jener, und feine Gestalt
kann nicht die Mahlzeichen feines schmerzhaften Martys
rerthums verbergen. Bei einem bleichen und schwärzli
chen Aussehen, feinem schlaffen und herabhangenden
Wangen und feiner Wohlbeleibtheit, die aber kein Kenn
zeichen der Gesundheit ist, muß man ihn eben so sehr
bemitleiden als verachten. Um sie wegen eines so traus
rigen Zustandes zu trösten, hüllt sie der Luxus in feine
Pracht und sucht die düstere Unruhe, die sie verzehrt,
unter Vergoldungen und Pelzen zu verstecken. Ihrer
Habgier überläßt der Sultan die Schätze von Mekka
– 223 -

und Medina, so wie der kaiserlichen Moscheen. Dies


geschieht aus der Ursache, um sie in feinem Schatze zu
verscharren; denn er ist ihr Erbe.
Hinter diesen beiden wichtigen Personen des Serails
kommt der Chasnadar oder der Schatzmeister des
Kislar - aghaffi. Mit vollen Händen wirft er, vom
Pferde herab, Geld unter die Janitscharen aus, die sich
mit einander darum balgen und jetzt nicht daran denken,
das Serail zu belagern. -

An der Erscheinung des Janitscharen- agas, den


man leicht an feinem Helme erkennt, der mit Reiherfe
dern geziert ist, erräth man, daß der Sultan nicht weit
mehr entfernt ist. Den Janitscharen zaga begleiten
alle Unteroffiziere des Corps, welche einen Lederrock tras
gen, der voll kupferner Verzierungen hängt und so schwer,
ist, daß man die Unglücklichen, die fast unter dieser Last
erliegen, nicht ohne Mitleid ansehen kann.
Der Tfchiaufch - bafchi (Staatssecretär) den alle
feine Boten begleiten, welche schwarz gehen, wie er, und
vorne am Kopfputze eine kleine Aigrette tragen, verkün
det das Ministerium, das vor dem Großherrn hergeht.
Eine Doppelreihe von Fußvolk, das aus den Khafa
fekis, den Peiks und den Solaks besteht, dient dem
Sultane zur Bedeckung. Die Einen tragen lange Mützen
und rothe Kleider nebst einem weißen Stocke als Waffe;
die Andern einen cylinderförmigen vergoldeten Helm nebst
einem Römeranzuge und Liktorenbündeln; diese dagegen
haben das Haupt mit Straußenfedern geschmückt, welche
feine Zierraden ausmachen, und tragen nebst einem Bos .
gen in der Hand einen Köcher voll Pfeile über die
- 924 - -

Schultern. Wer erkennt nicht an dieser sonderbaren Mi


fchung die Vereinigung der Waffen und den Anzug,
welchen Mahomed II. im Palaste der griechischen Kai
fer fand, mit denen, welche eine Vorfahren mit aus
Scythien gebracht hatten? - - - . .
Y Ehe wir unsere Blicke auf die erhabene Person des
Sultans richten, wollen wir zuerst noch bei dem Mini
fer der auswärtigen Angelegenheiten (Reis - effens
di), dem Finanzministern (Defterdar) und dem
Kiaya bey (dem Stellvertreter des Großveziers) ver
weilen, vor dem sich die Menge von Janitscharen vers:
neigt, welche diese Großwürden trotz ihrer Allmachtdurch
eine Art von Demüthigung zu gewinnen suchen, indem
fiel die durch die Erfahrung bestätigte Marime nie vers
geffen, daß man im osmanischen Reiche niemanden vers
/ achten müffe, so unbedeutend er auch sein möge, noch
weniger das Corps der Janitscharen. Nunmehro wollen
wir unsere Augen auf den Capuld an Pafcha richten,
der die zweite Person des Staats wird, wenn der Großs,
vezier die erste und der Sultan bloß der Mündel dieses
ist; die Nation hatte sich an diese Umkehrung gewöhnt,
aber wenigstens wird man dies nicht in Mahmuds
Geschichte lesen. Der zartgrüne mitZobelgefütterte. Pelz,
womit der Capudan Pascha bekleidet ist und seine
pyramidenförmige Mütze verkünden, daß er auf den
Meeren allmächtig ist. - - -

Ein amaranthenfarbiger Pelz, mit demselben Pelzwer


ke gefüttert, wie jener des Großadmirals und ein der an
geführten Mütze ähnlicher Kopfputz find die Zeichen, woran
man den ersten Minister erkennt. . . . . . .. . .
– 225 –

Seine verehrte Person scheint dem Götzen, der un


mittelbar auf ihn folgt und dem er die Bahn oft Schritt
vor Schritt vorzeichnet, einen Theil seiner Verehrung zu
rauben, indem er den Weihrauch theilt, mit dem man
ihn auf dem Wege beräuchert. Vielleicht finnt er in dem
- nämlichen Augenblicke auf Mittel, wie er sich einen un
gestümen Herrn vom Halse schaffen will, während die
fer von feine Seite über den Sturz dieses ungetreuen
Sklavens nachdenkt.
- Eine edle und reiche Einfachheit in dem Anzug,
welche gegen die Pracht und den glänzenden Reichthum
gewaltig auffällt, den wir oben erwähnt haben; sklavi
fche, ohne alles Maaß verschwendete Ehrfurchtsbezeu
„gungen; eine zahlreiche Menge von Sklaven, Wachen
und Offizieren laffen keinen Augenblick an dem erhabe
nen Charakter desjenigen zweifeln, welcher, in diesem
Glanz des Ruhms eingehüllt, einherzieht. Seine Blicke
beleben wie die Strahlen der Frühlingssonne alles, dem
fie begegnen und zerstreuen augenblicklich die Wolken,
welche ihre Abwesenheit aufthürmte. Diejenigen, für die
fie sanft und freundlich find, glauben den offenen Him
mel zu erblicken, und wenn sie die entgegengesetzten Em
pfindungen , oder auch bloß zweideutige ausdrücken, so
werden sie Blitze für die Unglücklichen, auf denen sie vers
weilen. Hier ist endlich der Gebieter so vieler Provin
zen, und eines so großen Reichs; der Abkömmling einer
langen Reihe erlauchter Ahnen, welche die Ufer des caspi
fchen Sees haben geboren werden sehen, und welche, ihre
Wüsten verlaffend, die Welt mit dem Geräusch ihrer
Heldenthaten erfüllt haben! Hat man ihm wenigstens
- 15
- -
- – 226 –
gesagt, und erinnert er sich wohl daran, daß er auf
dem Throne sitzt, den der tapfere Orkhan, der groß
müthige Am urath, der weite Suleiman mit so vie
lem Ruhme beseiffen haben? Hat ihm seine Umgebung
die traurige Catastrophe des unmoralischen Ibrahims,
die Ausschweifungen des dummen Osmans erzählt?
Hat man ihm gesagt, daß ihr Andenken bei der Nation
eben so verheißt, als jenes der Ersten ihr heuer ist? –
Ja! man versichert, Mahmud II. fey von allen diesen
Wahrheiten durchdrungen, und er wünsche, daß ihn die
Geschichte in ihre Bücher als den Wiederhersteller des
osmanischen Reichs eintrage.
* Um an die Stelle zu kommen, wo wir dies Schau
spiel mit ansahen, hatten wir den Schatten der Nacht
benutzt und Nebenwege eingeschlagen; diese Vorsichts
maßregel mußten wir wegen der Pest nehmen, welche
damals Constantinopel verheerte; allein der Glanz
des Lichtes flößte uns Vertrauen ein, die Neugierde gab
uns Muth und wir wählten bei der Rückkehr einen neuen
und anziehendern Weg. - - - - - -

Alles athmete jetzt in dieser Hauptstadt festliche


Freude, die auch das Herz derjenigen gewann, welchen
der Beweggrund fremd war und sie zur Theilnahme ein
lud. Die Mahomedaner redeten einander mit der
Herzlichkeit an, welche den ernsten Anblick mäßigte, des
fen Uebermaaßbei ihnen in Strenge ausartet; nur hörte
man die Klagetöne der Opfer, welche von allen Seiten
unter dem Meffer der Opferpriester fielen und man be
dauerte, daß ein so schöner Tag durch Blut befleckt
-
werde, - - - - -
-

– 2:1 –- -

Wir gingen um die h. Sophienkirche herum.


Sogleich drang ein kalter Schauder durch unser Blut,
- als wir sahen, daß wir uns in der Nähe des schreckli
chem Eingangs ins Serail befanden, welcher die Ge
rechtigkeitspforte oder dasKaiserthor heißt. An den
Seiten befinden sich zwei Nischen, die dazu bestimmt
sind, die Köpfe derjenigen dem Publiko zu zeigen, die
man oft auf bloßen Verdacht hin herunterschlägt, UnfEP
denen sich jedoch seltener Unschuldige als Strafbare finden.
Wir wanden unsere Augen weg und setzten unsern Weg
außen an dem Serail fort. Seine hohen Mauern, die
mit viereckigen Thürmen versehen find, an denen sich
eben Schießscharten befinden , find die überzeugenden Be
weise, daß, wenn das Mißtrauen mit einiger Sicher
heit Athem schöpfen will, es Wälle braucht. Wir gin
„gen durchs eiserne Thore hinein, und ehe wir an einen
andern Ausgang kamen, legten wir einige hundert
Schritte in Gärten zurück, wo alles zu einem nützlichen
Zwecke bestimmt ist. Da beschatten Obstbäume den B
den, der mit kraftvollen Gemüsen bepflanzt ist. Wäh
rend dieses kurzen Durchgangs waren, unsere Blicke oft
nach den Oertern gerichtet, welche der Neugierde verbo
ten sind. Wir sahen die Fichten und Cypreffen , die auf
eine geheimnisvolle Art ihren Schatten über die Gebäude
ausbreiten, um sie den Augen zu entziehen. Der grüne
Pavillon,welcher am Ufer steht, und welcher den Sul
tan erwartet, nahm unsern Abschied auf, den wir an
Constantinopel richteten. Indem wir über diesen
Hafen fuhren, den das Auge zu durchwandeln nicht müde
wird, bewunderten wir nach der Reihe dasLandarsenal,
- -
– 228 -

das vielleicht in Hinsicht eines Zwecks nicht streng genug


ist; jene Stückgießerei von einem weit hervorstehendern
Charakter; jenen Thurm auf einer gebietenden Spitze,
um defio beffer über die Erhaltung einer Stadt zu ma
chen, wo Feuersbrünste so leicht ausbrechen und sich so
leicht ausbreiten; jene Fontaine von Top - Khane", die
durch die Eleganz des Entwurfs und der Formen gefällt;
jene Moschee, die mitten unter Schatten erscheint, end
lich jene schönen Artilleriecafernen, bei denen der Palast
des Großherrn sich erhebt, welcher mit einem schönen
Vorhofe und durch den größten Reichthum verschönert ist.

Ich habe Vieles erzählt und doch habe ich noch Vies
les weggelaffen, was ich gesehen habe und was ich noch
erzählen könnte. -

An jedem der beiden Bayrams ist jeder gute


Muselmann, außer den erwähnten mildthätigen Wer
ken, auch noch zu einem Almosen verpflichtet, das in
der Vertheilung eines halben Maaßes Getraides besteht,
welches jeder einigermaßen wohlhabende Steuerpflichtige
zum Besten der Armen geben muß. Zur Erfüllung der
Verbindlichkeit des Opfers kann man einen Widder, ei
nen Ochsen, ja auch ein Kameel wählen. Zu Opfern
geben noch mehrere Gelegenheiten Veranlaffung z. B. die
Geburten, die Beschneidung, das Gelingen eines Unter
nehmens u. f. w.
4 – 229 –

N e unter Spaziergang.
D e r H a f e n.
Beschreibung des Hafens, und der verschies
Senen Marineanstalten – Bestandtheile
der Seemacht – die bei den Othomanen ge
wöhnliche Feierlichkeit, wenn ein Schiff
vom Stapel gelaffen wird – Der Einfluß
der Sterndeutelei bei den morgenländischen
Nationen – Die Kaiks, womit man auf
dem Bosphorus fährt.

Bei den Othomanen giebt es eine Feierlichkeit, bei


welcher man alles anwendet, was die Religion, die kais
serliche Majestät und die verschiedenen Stände des Staats
Großes haben. Man begeht sie, wenn man ein neues -
Schiffvom Stapel laffen will. Zuerst wird der Hofs -

ferndeuter zu Rathe gezogen; denn er allein besitzt das


Vorrecht, den Tag und den Augenblick zu bestimmen
wann das letzte Seilzerhauen werden soll und nach fei
nem Ausspruche, den er im Namen des Himmels er
theilt, richtet man die Vorbereitungen zum Feste ein.
Der Fremde, der Augenzeuge davon ist, wird,
sobald er Empfänglichkeitfür das Schöne hat, die Feier
lichkeiten nicht wieder vergeffen, wodurch sich diese Ce
remonie auszeichnet. Ich will hier erzählen, was ich
gesehen habe. Es war an Einem der schönen Winter
tage, welche unter dem glücklichen Himmelstriche von
Constantinopel bisweilen einen so angenehmen Eins.
– 230 – .
bruck, wie im Frühjahre, machen. Die Sonne erhob
sich über den hohen Gipfel der Gebirge By thiniens
und beschien die weißen Spitzen des Olymps, welche
mit gemäßigtem Glanze die glänzenden Lichtstrahlen zu
rückwarfen. Wir fuhren auf Einer der leichten Piroken
von Top-Khane ab, deren schlanke Form so trefflich
zu der Beweglichkeit des Elements paßt, das sie zu
durchfahren bestimmt sind. Um uns her wetteiferten
tausende solcher Nachen, an Schnelligkeit mit einander
und richteten insgesammt ihren Lauf nach demselben Ziele
hin, wo schon, mehr die Theilnahme als die bloße Neu
gierde, eine ungeheuere Menge versammelt hatte.
"Wir fuhren durch das Innere des Hafens, den die
Alten mit Recht das goldene Horn nannten und
worin wir eine Menge von Schiffen erblickten, welche,
der ausgebreiteste Tauschhandel aus allen Theilen der
Erde herbeigezogen hatte. Dies Becken, das unaufhör
lich durch die Strömungen gereinigt wird, so daß es
feinen ursprünglichen Boden selbst bis an die Ufer be
hält, wo man vor Anker geht, reichlich mit den ge
schätztesten Fischen versehen, besonders mit Thunfischen,
die man in Menge fängt, dringt ungefähr fünf Meilen,
ins Land hinein, dem Barbyfes und dem Cydaris
entgegen; allenthalben behält es die Breite eines schönen
Fluffes, ohne jedoch diejenige zu überschreiten / welche
- Besorgniffe vor dem Ungestüme der Nord- und Süd
winde erwecken könnte, gegen welche es eine gebirgigten,
Ufer schützen.
„ Unser Blick umfaßte zu gleicher Zeit Scutari,
Eine der Vorstädte dieser Hauptstadt, die sich auf Eu
– 231 –
ropa und Asien stützt, zum Zeichen der oberherrlichen
Macht, welche sie über beide ausübt; jenes Vorgebirge,
das mit Cypreffen bekränzt ist, deren düsteres Laub das
Grab von Chalcedon anzeigt und jenen stets lachen
den Theil des Bosphorus, welchen der Lorbeerbaum
mit den geheiligten Zweigen und der Erdbeerbaum mit
wohlriechenden Blüthen in der Erwartung des Frühlings
verschönern, den die Mandelbäume, der türkische Holun
der und der Judasbaum beschleunigen zu wollen scheinen.
Die beiden Ufer, zwischen denen wir hinfuhren, be
eiferten sich durch die Menge von Reizen unsere Blicke
auf sich zu ziehen. Auf der einen Seite zeigte sich uns
das weit ausgedehnte Serail, das zu derselben Zeit und
nach demselben großen Entwurfe erbauet ist, wie das
osmanische Reich; defen Anblick so viele Erinnerungen
erweckt, und wo einst das Schicksal der Welt entschie
den wurde, das aber jetzt bloß noch ein vergoldetes Ge
fängniß ist, worin Sklaven, mit dem Diadem umgeben,
ohne Vertheidigungsmittel und mit dem Ketten der
Weichlichkeit belastet, die Stöße ihrer Feinde erwarten.
Trotz unserer Ungeduld, an dem Ziele anzulangen,
nach welchem wir hinflogen, wurden unsere Sinne doch
durch die Reinheit der Luft, die Helligkeit des Waffers
und die Heiterkeit des Himmels gefeffelt und unsere Blicke
konnten sich nicht von diesem an Wundern so reichen
Ufer losreißen. Bald verweilen sie mit Vergnügen auf
der hohen Kuppel jener Basilica , deren Erbauung an die
schönen Tage Constantinopels erinnert oder aufden
zahllosen Minarets, die um majestätische Dome herum
gruppiert sind, welche ihre imposanten Formen von der
– 232 –
römischen Baukunft entlehnt haben und, auf den Gedan
ken bringen, daß die Nation, die sie erbaut hat, nicht
unwiderruflich von den Andern durch die Bildung ge
trennt sein werde. Besonders wandert das Auge mit
einem religiösen Erstaunen, das sich immer durch eine
tiefe Stille ankündigt, durch das unermeßliche Amphi
theater, welches der Hafen gewährt, der an seinen beis
den Ufern voll Wohnungen steht; noch häufiger ziehen
es feine Gebäude an, die durch die Originalität ihres
Durchschnittes den Charakter der Nationalbaukunft be
fimmen, welche selbst durch ihre Bizarrerie gefällt , ja
bisweilen verführt.
Jetzt kommen wir in die Nähe; hier sind die gro
ßen und prachtvollen Marineanstalten, welche am nörds
lichen Ufer des Hafens stehen und es mit eben so vielem
Geschmacke als Pracht verschönern. Man sieht zuerst
das Becken zum Bauen, das die kaum vom Stapel ge
laffenen (lancés) Schiffe aufzunehmen bestimmt ist.
Hierauf verweilt das Auge auf einem geräumigen Platze,
den vorne das Meer bespült; an dessen Seiten aber eine
Caferne für die Galiondgis, welche mit vieler Pracht
erbauet ist und andere Marinegebäude stehen und mit
den elenden Buden einen auffallenden Contraft machen,
die man in der Hauptstadt der Osmanen allenthalben
antrifft. Auf einem benachbarten Vorgebirge erhebt sich
der Palast des Capudan Pascha, aus welchem die
fer das ihm zugehörige Element beherrscht und mit einem
Blicke den ganzen Umfang feines Gebiets überschauen
kann. Die Maschine zum Bemasten, die zahlreichen
Magazine, die alle in einer Reihe stehen und an dem
-.
– 233 –
ufer hinlaufen; die Seilerbahn und eine Menge anderer
Gegenstände würden unsere Aufmerksamkeit länger feffeln,
wenn sie nicht jene geräumige Einfaffung reizte, die mit
grünen Bäumen bepflanzt ist und auf deren angenehmen
Umfange das Auge so gerne herumirrt, allein man kann
sich nicht darin umsehen, wenn der Capudan Pajcha
nicht selbst die Thüren öffnen läßt. Noch betrachtet
man feufzend diese Oerter, welche Kühlung verbreiten"
und das Verlangen erwecken, als schon wiederum der
Pallast des Terzana - emini, der unmittelbar am Ufer
liegt, die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zuletzt fiehtman
die Stückgießerei, welche nach dem Planejener zu Top
Khane" angelegt ist; man erinnert sich des Barons von
Tott, dessen Werk diese Gebäude sind, der den Oss
manen viel Gutes erwiesen hat und der so viel Böses
als möglich von ihnen erzählt. Zur Vollendung dieses
Gemäldes muß man noch die Tausende von Cypreffen er
wähnen, die am Rücken der Berge hinstehen und deren
farre Aete der Südwind belebt, auf welche der Boreas
den Rauchfrost des Nordens gelegt hat, welcher in die
fem Augenblicke mit der Milde der Witterung einen auf
fallenden Contrast macht. - -
Wir langen an der Stelle an, wo das Schauspiel
statt finden soll; funfzehn große Schiffe, eine gleiche
Anzahl von Fregatten, Corvetten und reichverzierten
Bricks, auf welchen sich eine mehr kriegerische als har
onische Musik hören läßt, zeigen sich in einer Linie,
lche das neue vermehren und in dieser furchtbaren
Reihe Platz nehmen soll. -
Eine allgemeine Abfeuerung des Geschützes, die im
– 234 –
ganzen Bosphorus widerhallt, erweckt die zahlreichen
Echos an seinen Ufern hin und kündigt den Sultan in
Begleitung eines ganzen Hofs an. Ein vergoldetes
Fahrzeug, das 26 Ruderer unter der Leitung des Bo
fandgi - Baschi in seiner Eigenschaft als kaiserlicher
Steuermann über das Waffer hingleiten laffen, trägt den
erhabenen Sprößling Osmans und läßt ihm nicht Zeit,
den Zwischenraum- zu meffen. Mehrere eben so schöne,
obschon nicht fo reiche, Piroken fahren vor“ ihm voraus,
Andere folgen ihm nach. -

. . Der Sultan berührt das Ufer; tausendmal wieder


holte Beifallsbezeugungen empfangen ihn da; der Strom
des Volks öffnet sich, um ihn in Empfang zu nehmen.
Der Kennzeichen beraubt, an welchen man den Despotisa
mus erkennt, überläßt er sich feinen Unterthanen ohne
Mißtrauen. Wenn man dies rührende Schauspiel sieht,
so glaubt man, diese Nation fey glücklich, wenigstens
feyn diese Menschen, welche sie ausmachen, keine ver
wilderten Sklaven, unter die sich ein verabscheueter Ty
rann begiebt, wie man gewöhnlich behauptet, -

Der Sultan nimmt den für ihn bestimmten Platz


ein. Von hieraus belebt er durch feine Gegenwart die
Arme, welche von diesem Augenblicke an damit be
fchäftig sind, die Feffeln zu zerbrechen, die die neue Ei
tadelle noch festhalten, welche sich gern in den Schoos,
der Wellen begeben möchte, allein ehe man sie noch in
Bewegung setzt, muß der Himmel für ihr künftiges Ge
schick angeflehet werden. -

"Der Großmufti tritt ans Ufer, von den ersten


Denn der Religion umgeben und von einer unermeß
- - 235 =

lichen Volksmenge gedrängt, das ein Gebetgern zu ver-,


nehmen wünscht. Die Arme gen Himmel gehoben, dem -
er das Schiff zeigt, zu defen Gunsten er ihn anflehet,
beginnt er mit feierlicher Stimme: „Wohnung aller
Seligkeiten! Wohnung dessen, der der Urheber und
Schiedsrichter von allem ist! O du, der du in ei-,
nem unermeßlichen Raume alle verheißene Wunder
vereinigt; der du den göttlichen Hauch, den Ausfluß
der untrüglichen Weisheit aufnimmt, welcher durch Eine
deiner besondern Gnadenbezeugungen, so wie zum Glück
der wahren Gläubigen einige Augenblicke zuvor einen
irrdischen Körper belebte, und nachdem er das entdeckt
hat, was man glauben muß, sich wieder an deinen er
habenen Aufenthalt zurück begab. Himmel! immer ge
wogen den Anhängern des heiligen Propheten, breite
über uns heute die Ströme deiner Gnade aus; deine
Catarakten öffnen sich und es fließen in gewaltigen
Strömen glänzende Geschicke auf diese neue Stütze der
Macht der Osmanlis herab! Der Pfad, dem sie folgt,
fey durch den Ruhm vorgezeichnet! Mögen ihre großen
Seiten deine Blitze enthalten und deine Rache ausspen
den! Ihr geheiligtes Panier verbreite weit und breit
Schrecken in die Seelen der Ungläubigen! Immer fey
ihr die Welle günstig und diese sei stolz darauf, sie zu
tragen! Nie seyn ihr die Winde zuwider und diese zera
freuen vor ihr die Stürme, um sie über die Verworf
nen loßbrechen zu laffen, welche die Finsternisse des Irr
thums dem Lichte der Wahrheit vorziehen! Sie sey
schnell, wie der Blitz, unerschütterlich, wie deine All
macht, schrecklich, wie dein Zorn, ein Verkünder desSiegs
– 236 –
und kehre nie in den Hafen zurück, ohne ein Bote des
selben zu feyn! Gott! der du alles weißt und nur mit
dir allein verglichen werden kannst, erhöre unser Gebet!
Laß oben von deinem azurfarbigen Wohnsitze herab, einen
Blick der Barmherzigkeit auf diese Erde, den Aufenthalt
der Ohnmacht, fallen! Du siehst da einen Sultan, den -

Sohn eines Sultans, dem dein unüberwindlicher Arm


stets beistand. Du fiehst da ein ganzes Volk, das deine
unveränderlichen Rathschlüffe ehrt; Herr und Unterthanen
werfen sich an diesem Ufer, als zu dem Fuße deines
von Glückseligkeit und Ruhm glänzenden Thrones nie
der, und flehen um einen neuen Beweis deiner unaus
- sprechlichen Gnade. Und du! Stolz der Woge,dem ein
Meer der Glückseligkeit entgegen kommt, das dich zu
tragen wünscht, empfange an diesem Tage, welcher in
das Buch des Schicksals als ein Glückstag eingetragen
ist, den stolzen Namen des allmächtigen Gebieters des
größten Reichs; dieses Coryphäen der gekrönten Häupter,
der Perle des Morgenlandes, der Freude dieser Erde,
des Schatten Gottes unter den schwachen Sterblichen, die
er zerstreuen und in Staub verwandeln kann, fo wie die
Winde den beweglichen Sand der Wüste vor sich herja
gen. Gehe voll Vertrauen mit diesem Namen, Verkün
der des Siegs, unbeweglicher Schild im Unglücke, Be
schützer der Schwachen und Unterdrückten; gehe und in
was für Umständen, Winden und Gegenden du dich auch
befinden magst, vergiß nie, daß du ihn führt.“
So sprach im prophetischen Tone das Oberhaupt der
Gesetze, voll heiliger Begeisterung und tausend Stimmen
wiederholten auf eine ehrfurchtsvolle Weise seine letzten
– 237 –

Worte. Hierauf werden mehrere Opfer geschlachtet und


Ströme von Blut, welche unter dem heiligen Meffer
fließen, vereinigen sich zuletzt mit denen, die sich am
Strande brechen, um die Gunst des Meereszu gewinnen. -

Man vergißt nichts, was den Himmel menschlichen Un


ternehmungen geneigt machen kann und jeder steht mit
der rührenden Unruhe da, wodurch sich die Nationalliebe
auszeichnet; in der Erwartung des ersten Erfolgs, wel
cher als eine Vorbedeutung künftiger Siege angesehen
wird. -
- Die Loosung wird gegeben. Verdoppelte Arthiebe
laffen sich vernehmen und erfolgen von dem einen Ende
des Schiffs biszum andern. Seine Stützen fallen; ein
einziges großes Seil hält es noch fest und man genießet
Eines von den Schauspielen, welche die menschliche Ers
findungskraft am meisten ehren. Eine große Maffe steigt
ohne Anstrengung und durch eine auf gleichförmige Art
beschleunigte Bewegung mitten in die Wogen hinab, die
sich vor ihr öffnen und mit einer Art von Wohlgefallen
um ihre Seiten her drängen, während ihr die Zuschauer,
die insgesammt ihr Geschick an das ihrige knüpfen, eine
glückliche Reife (Urula) wünschen. Einezweite allgemeine
Salve verkündigt weit und breit, daß die Seemacht des
osmanischen Reichs so eben eine Verstärkung erhält; das
Echo des Hämus sagt es jenem des Caucafus, wel
ches es den Gegenden des Nordens und jenen - um den
caspischen See verkündigt. Der Capudan Pascha und .
die Baumeister bekommen zum Beweise der Zufriedenheit
von dem Sultan reiche Pelze, die mitZobelgefüttert find.
Hiermit endigt sich jede Feierlichkeit bei allen Gelegen
– 238 –

heiten, welche durch die kaiserliche Freigebigkeit veredelt


zu werden verdienen. " " "
Das Oberhaupt der "Sterndeutrer nimmt in dem
Corps der Ulemas, so wie am Hofe, gegen Maho -
A- meds ausdrückliche Absichten, einen ausgezeichneten
Rang ein. Die Osmanlis haben einen unwidersteh
"lichen Hang zur Sterndeutelei und Alle sind von diesen
Aberglauben angesteckt. Keine Nation behandelt diesen
"närrischen Gegenstand mit so vieler Ernsthaftigkeit; bei
den geringsten Schritten zieht man die Wahrsager, Zei
- "chendeuter u.fw zu Rathe und sie bestimmen unwider
- ruflich den Entschluß den man bei allen Gelegenheiten
zu nehmen hat. Unvorhergesehene Umstände, so kleinlich
sie auch sein mögen, erhalten einen vorherverkündenden
Charakter; oft halten sie die wichtigsten Unternehmungen
auf, welche am wenigsten dem Zufalle ausgesetzt sind.
Alles ist ein Sklave dieses Aberglaubens, ja selbst der
Sultan ist ihm am meisten unterworfen.
, Nach dem Großmufti kommt das Oberhaupt des
Sterndeuters, dessen Aussprüche das meiste Ansehen im
Reiche haben; selbst die Fetwas des Ersten erhalten nur
durch die Genehmigung des zweiten Gesetzeskraft. Oft
sind die Männer, die mit diesem wichtigen Posten beklei
det sind, Fanatiker, in deren Händen die Auslegungs
kunst ein blindes Werkzeug wird, das sich bloß durch die
Leidenschaften leiten läßt; bisweilen find es aber auch
schlaue und unterrichtete Personen.
Nunmehro wollen wir noch einige Worte über die
Beschaffenheit der türkischen Seemacht und den Grad der
Vollkommenheit sagen, den sie erreicht hat.
– 239 – -

. - -
Selim I. kann als der Schöpfer derselben ange -

fehen werden. Seit ihm haben ihr mehrere Sultane


eine größere Ausdehnung verschaft. Sie verfiel mit den
Reiche. Mustapha III., Abdul-Hamid und Se
im III. gaben ihr wieder, von Hassan und Hufein
Pascha unterstützt,Leben, die aus allen Kräften dahin
arbeiteten, sie guf die Höhe zu bringen, welche die Bau
kunft erlangt hatte. Seine Aufmerksamkeit wandte Se
lim III. vorzüglich auf die Schule, wo man noch jetzt,
aber mit weit geringerm Eifer, als während seiner bele
benden Regierung den theoretischen Theil lehrt. Die
Zöglinge werden da im Zeichnen geübt; sie lernen Mä
thematik, die man ihnen aus Bezouts Vorlesungen
vorträgt. Die Astronomie lernen sie aus dem kürzer
"Abriß von Lalande; sie setzen den Fremden in Bei
"wunderung, der bei. Einem dieser Tartaren, die man
ihm als unversöhnliche Feinde der Wiffenschaften geschil
dert hat, sicherlich keinen Compas oder kein Astrolabium -

zu finden erwartet.
““ Auf den Schiffswerften befolgt man das Verfahren, -

das bei den in der Baukunst erfahrensten Nationen ge


wöhnlich ist; man richtet sich dabei immer nach dem neues
fien Modelle. -

Das Becken ist schön; jedoch ist es zu groß und


verlangt daher viel Zeit, ehe es mit Waffer angefüllt
wird. Die Maschinen zur Regierung der Vorsteckthüren
befinden sich auf Walzen und werden von Pferden in
Bewegung gesetzt. Die Stückgießerei hat zwei Oefen,
wovon jeder so viel Materie faffen kann, als zu sechs
Kanonen von großem Calibre erforderlich sind. Außer
-
- 240 –
lich zeichnet sie sich durch Kuppeln aus, in denen fich
Ausgänge für den Rauch befinden. Die Schmieden find
in demselben Gebäude enthalten. Nirgends braucht man
das Waffer als bewegende Kraft. -

Das Schiffsbauholz bezieht man theils von den Ber


gen Arganthon, zwischen Nicäa und Nicomedia,
theils von den Küsten des schwarzen Meeres, welche
außerdem auch alle Artikel zum Schiffsbedarfe liefern.
Die Baumeister, welche jetzt die Leitung der Schiffs
werften haben, sind Franzosen; an der Spitze der
übrigen Werkstätten sieht man Armenier, jedoch stets
unter der Aufsicht von Mahomedanern.
Den Hauptfehler, der in der ganzen othomanischen
Verwaltung sichtbar ist, bemerkt man ganz vorzüglich
hier, wo er allen möglichen Schaden thut. So schafft
man aus einer dieser Regierung ganz natürlicher Sorglosig
keit alles erst an, wenn man bauen will; auf diese Art
erzeugt das Holz, das man schon verbraucht, wenn es
kaum geschlagen ist, bald Würmer und springt auseinan
der. Die Schiffe wagen daher schon nach einer sehr
kurzen Zeit die See nicht mehr zu halten.
Die Marineabtheilung hat mehrere Militärlehen, die
vorzüglich im Archipelagus liegen. Die Einkünfte
davon sammelt alle Jahre der Capudan Pafcha ein;
auch fodert er die übrigen Abgaben ein, welche das Land
an den Schatz zu entrichten hat und hebt die Mannschaft
ten aus, welche der Dienst verlangt. Die jährlichen
Ausgaben des Arsenals schlägt man auf 6000 Beutel
(3 Millionen Fr.) an. Dieser mäßige Aufwandt darf
niemanden in Verwunderung setzen, da die Regierung
- -
– 241 –
alle ersten Stoffe besitzt und folglich bloß die Handarbeit
zu bezahlen hat. -

- Die osmanische Seemacht beläuft fich jetzt (1815)


auf 18 Linienschiffe, fechs Fregatten acht Corvetten und
auf dreißig Kanonierbarken. Ohnstreitig findet man diese
Anzahl sehr mäßig, wenn man sie mit den Hülfsmit
teln vergleicht, die ein so großes Reich darbieten kann;
die Verschleuderung aber verschlingt einen Theil derselben
den andern läßt die Unwissenheit zu Grunde gehen; so
daß der Schatz oft so leer ist, daß er nicht einmal das
Geld herbeischaffen kann, das der Bau eines bloßen
Kriegsschiffes kostet. In diesem Lande muß sich der
Staat in seinen nothwendigsten Bedürfniffen einschrän
ken, weil man nicht das Ueberflüssige anzurühren wagt,
von dem die Volkserpreffer leben. ".

Das Corps der Galiondgis ist der glänzendste


und am besten eingerichtete Theil des Personales. Es
macht auf den Kriegsschiffen die Besatzung aus und er
gänzt sich größtentheils aus herumschweifenden Maho
medanern, die fast alle von dem Archipelagusges
liefert werden; auch dient es den Renegaten zum Zu
fluchtsorte. Hieraus wird man ohne Mühe einsehen,
wie nöthig die strenge Mannszucht ist, der dieses Corps
unterworfen ist, um die Raubgier im Zaume zu halten,
welche alle seine Mitglieder angesteckt hat, und welche
dem ohngeachtet Gelegenheit findet, sich trotz allem Zwange
zu befriedigen, - -

- Die Klaffe der Matrosen befindet sich bei weiten auf


keinem so guten Fuße als die angeführte, Erstlich fehlt
es ihr an Kenntniffen, und wie könnte dies auch anders
- 46
– 242 –
feyn, wenn man bedenkt, daß man zu ihrer Ergänzung
die Rayas aufden Straßen einigeAugenblicke zuvor mit
Gewaltwegnimmt, ehe der Capudan Pafcha unter Sea
gelgeht? Dies dientzum Beweise, daß sich die othomani
sche Nation in Hinsicht ihres Charakters, welcher ein
Geschöpf ihrer Einrichtungen ist, wenig zum Seedienste
eignet, und daß, wenn sie einmal Siege erfochten, fie
diese dem Zustande der Kindheit zu verdanken hat, in
dem sich damals die Kunst befand, fo wie den Barbas
resken , die ihr Matrosen lieferten.
Der Capudan "Pascha, der Großadmiral des
Reichs, besitzt auffeinem Elemente ein Ansehen, das
jenem des Großveziers aufdem festen Lande gleichkommt;
er hält, wie diefer, Divan, und thut den Ausspruch in
letzter Instanz. Unter seinen Befehlen stehen die Bes
satzungen der Seeplätze, und seine Gewalt erstreckt sich
über alle Seeküsten und Inseln. Seine Einkünfte sind
beträchtlich, indem er für sich einen Theil der Abgaben,
die er erhebt, und den fünften Theil der Priegelder bes
hält und eine große Menge zufälliger Vortheile für sich
benutzt, die noch mehr betragen, als die bestimmten
Einkünfte. - -

Nachihmkommtder Terfana-emini oder der See


minister. Dieser Beamte hat nur einen Theilvonden Oblies
genheiten zuerfüllen, die man bei uns mitdieser Stelle vers
knüpft; der Andere kommt dem Capudan Pascha zu,
der die Ausgaben feines Departements bestimmt- und den
obersten Aufseher auf den Werften macht. Dem Seemi
nifer ist der Terzana - Keayaffi beigeordnet, der in
Arsenale wohnt, damit er sogleich bei der Hand ist, um
- 243 -

die Polizei bei den Arbeiten zu versehen; mit diesem


Dienste ist er ausdrücklich beauftragt. Vor ihm kom
men dem Range nach der Capudan a-bey, der Reala
hey, der Patrona - bey, deren Grade unserm Ad
miral, Viceadmiral und Contreadmiral entsprechen. Hier
auf folgt der Liman - reis, Hafencapitän. Alle diese
Offiziere, so wie die Schiffscapitäne und Lieutenants sind
Mahomedaner; es fehlt ihnen dahergewöhnlich an Kennt
niffen. Ihre Anstellung ist nach der unserigen einge
richtet, aber ihr Sold ist beträchtlicher, als man nach der
Knickerei erwarten sollte, die allenthalben indem herrscht,
was den Staat anbelangt. -

Man versteht nichts beffer als das Behauen der


Kaiken, mit denen man das Waffer des Bospho
rus durchschneidet. Diese Piroken, denen ich keinen
fprechendern Namen geben kann, haben die Gestalt von
Schiffchen, sind 15 bis 20 Fuß lang und in ihrer größ
ten Breite viertehalben Fuß breit; sie endigen sich in
zwei Schnäbeln, wovon jener am Vordertheile mit einer
kleinen Spitze versehen und sehr scharf ist. Die Last
kommt jedesmal auf den Hintertheil, der sowohl auf
seinem Verdecke als in dem Raume, der am Fuße die
fes angebracht ist, fechs bis sieben auf morgenländische
Mrt sitzende Personen faffen kann. Dies Gewicht, wel
ches den Vordertheil in die Höhe hebt, begünstigt noch
die Schnelligkeit des Kaiks. Wenn er den Bospho
rus hinauffährt, so geht dies so schnell, als ein Pferd
im Trabe läuft, und wenn er in der Richtung des Stro
mes fährt, so kommt er beinahe dem schnellsten Pferde
gleich,
",

– 244 –

Die Bedeckung eines Kaiks besteht aus Getäfel


von Buchenholz, das bloß einige Linien dick ist, damit
es fich gehörig biegt. Inwendig ist sie mit Bildhauers
arbeit verziert und oft mit Vergoldungen, bisweilen im
Uebermaße, bereichert. Diese Schiffchen segeln mit uns
terstützung eines, zweier bis dreier Ruderer, die in der
Mitte sitzen, und ihr Gesicht nach dem Hintertheile hin
gerichtet haben; jeder hat zwei Ruder in der Hand, mit
denen sie jedesmal vereint ins Waffer stoßen und damit
von vorne nach hinten hin fahren. Diese Ruderer sind
wahre Wunder der Stärke und Geschicklichkeit. Mehrere
Stunden lang können sie ihr Geschäft verrichten, wobei
ihr Gesicht den Strahlen der brennenden Sonne ausges
jetzt ist. Der Schweiß läuft ihnen von allen Theilen
des Körpers herab, ohne daß fiel in ihrer Anstrengung
nachlaffen. Auch kann man nicht leugnen, daß nichts
vollkommener ist als diese Maschine, welche man nach
den Erfahrungen von Jahrhunderten erbauet hat.
- -

Zehnter Spaziergang.
C. o n ft a n t i n op e l.
Allgemeine Betrachtungen über die Gefett
fchaft im osmanischen Reiche und über das,
was hier auf Anfehen Anfpruch verschafft
Kilife - Dgjami und Grabmal von Verde
antieo – Waferleitung des Valens. –
Säule des Marcianus – Schazade - Dgja
w- 245 , -

miffi.– Das Janitscharencorps; Militär


zustand und, Grad der Fortfchritte der
Kriegskunft im osmanischen Reiche – Mis
litairische Lehen – die Ergänzung der Air
- meen und die Ursachen ihrer Empörungen–
- Eski-Serai – Laleli-D gjamiffi – Re
ligionsgebräuche – Fromme Stiftungen –
- Wakufgüter und verschiedene Formen, wel
ehe das Eige n thum in der Türkei an -
nimmt – Der Kharatsch – Die Sklaverei
bei den Osmanlis – Die Osmanie – Grab -
mahl von Porphir – Eintheilung eines
Hauses in der Stadt – Bestandtheile des
, Hausstandes – Die morgenländische Höf
lichkeit – Die Suleimanie – Die . Teria -
kis oder die Opiumeffer – Der Thurm der
I an it fchar en – Feuersbrünfte – Aufs
wandts- und Lurus gefe tz e – Eigenna
men – Das Materielle der Artillerie –
Nizam Dge did.
/ . –

- Es ist ein Freitag, d. h. ein Tag der Woche, welchen


der Islamism heiligt, und welcher dem Sonntage
der Christen entspricht, nur mit dem Unterschiede, daß
hier die Ruhe nicht geboten ist, und daß sich alle Ver
bindlichkeiten, welche dieser Tag den Mahomedanern
auferlegt, bloß darauf beschränken, fein Mittagsgebet in
der Moschee unter der Leitung des Imams zu verrich
ten. Mahomeds Lehre predigt keine Faulheit, wie
- - 246 -
dies die geringe Anzahl der Festtage zeigt, wo nach sei
nem Willen alle Arbeiten eingestellt feyn müffen. Wenn
man die Weichlichkeit und die Apathie des Türken
in Europa betrachtet, so follte man dies nicht glauben,
aber dies rührt von einer ganz besondern Ursache her,
Feren Grund wir aufzusuchen uns angelegen seyn laffen
wollen. - -

Vor dem Zustande der Erschlaffung, die man bei


diesem ausgearteten Tartaren volke bemerkt, trieb es
das Waffenhandwerk und machte es wie bei uns ehemals
der Adel; es ruhete auf seinen Lorbeer die nöthige Zeit
aus, um sich wieder zu erholen oder bis sich jeinem
fcharfen Schwerdte andere Gelegenheiten darboten. Nach
und nach wurden solche Erndten seltener und mühsamer;
es war von Maffen von Beute umgeben, die ihm alle
Besorgniffe für die Gegenwart undZukunft benahmen; an
der Spitze zahlreicher Sklaven, welche die eroberten Län
der anbauten und für seine Bedürfniffe sorgten, überließ
es sich unvermerkt einem Schlafe, der jetzt so tief wor
den ist, daß ihn nicht einmal das Kriegsgetümmel mehr
verscheuchen kann. Erst nach verschiedenen Veränderun
gen in ihrer Lebensweise haben die Kinder dieser stolzen
Eroberer den Entschlußgefaßt, sich aufmechanische Künste
zu legen. Daher sind alle die, welche wir jetzt mit der
Zimmerart, dem Marmormeifel und einigen andern
Sinnbildern des Gewerbfleißes bewaffnet sehen, eben
so viele Edelleute, die in ihren Vermögensumständen,
herabgekommen sind, welche nicht mehr zur Bestreitung
ihrer Bedürfniffe hinreichen und die fich nicht herabzu
würdigen glauben, wenn sie selbst die niedrigsten Gea
– 247 –
werbetreiben, wie es auch das Ansehen von Schutz be
weitet, welches fich der mahomedanische Pastetenbäcker
giebt, wenn er den Gruß jenes Armeniers erwiedern
will, der ohnstreitig weit reicher ist als er, und die Herz
lichkeit, mit welcher jener angesehene Türke seinen Safe
lamalek beantwortet.
Diese Turbane machen also ohne Ausnahme, selbst
derer, welche Hamales (Lastträger) Sakkas (Waffer
träger) Serbedgis (Limonadenhändler) u. f. w. auf
haben, den Adelstand des osmanischen Reichs aus; wirk
lich sind die Leute, die sie tragen, die Einzigen, welche
aufdie Stellen beim Militär, beider Regierung u.f. w.
Anspruch machen können. Was die Andern anbelangt,
welche unter dem allgemeinen Namen Rayas bekannt
find, so schätzt man sie geringer als dasverworfenfe Ge
fchöpf, und sie genießen kein Vorrecht, ausgenommen
das, sich zu bereichern, jedoch mit der Bedingung, daß
fie ihre Schätze nicht sehen laffen. Dies sind die beiden
Juden und Armeniern anerkannten Adelsansprüche.
Wir werden späterhin sehen, daß die Griechen andere
haben; dies will jedoch nicht so viel sagen, daß sie diese
nicht anerkennen. Was die Franken anbetrifft, so sind
dergleichen Ansprüche, da sie dieselben ungehindert zeigen
können, bei ihnen von großem Gewichte, und sie ver
jchaffen ihnen dasselbe Ansehen, das bei uns eine lange
Reihe von berühmten Vorfahren gewährt. - -
„Wenn man mich fragt, auf welche Art man die
Reichtümer zusammenscharrt so verwiedere ich, daß in
der Türkei niemand verbunden ist, weder von seinem
Vermögen noch von seiner Gewerbert Rechenschaftzuge
- 248 -

ben, weil daselbst die öffentliche Meinung keinen Rich


terstuhl hat; daß jeder daselbst von feinen Nachbarn so
abgesondert lebt und daß die Vorurtheile von den un
ferigen so verschieden sind, daß man von der größten
Armuth zum ungeheuerten Reichthume übergehen kann,
ohne daß jemand sichdarum bekümmert, so wenig man
ihn auch verheimlichen will; ja man denkt nicht einmal
daran, Untersuchungen über die Quellen anzustellen,
durch welche man sein Vermögen erhalten hat, so wenig
fchwierig, oder vielmehr so nachsichtig ist man über den
Punkt der Rechtschaffenheit. -

Der Mißbrauch der Geschenke hat großen Antheil an


dieser Umkehrung der Grundsätze, besonders aber die
Raubsucht der Regierung, welche den Unterthanen ge
fattet, sich unerlaubten Gewinn zu machen; den Einen,
durch die bösen Beispiele, die man ihnen gibt; den
Andern durch die Erpressungen, welche fiel an ihnen
verübt.

Unter solchen Betrachtungen bin ich von dem Tod


tenhafen auf dem gegenüber liegenden Ufer zu Oun
Kapanen - Kapussi angelangt. Der Himmel ist
rein; bei der durch den Nordwind abgekühlten Atmosphäre
vergißt man, daß man in das Zeichen des Löwen ge
treten ist, und daß man sich unter dem 41 Grade N. B.
befindet. Wir wollen in der Straße hingehen, an deren
Enden Mühlen stehen, die von Pferden getrieben wer
den; sie führt uns auf die Spitze hinauf und wenn wir
einige Schritte rechts abweichen, ehe wir sie erreichen,
finden wir Kilife - Digami, eine alte griechische Kir
che, welche Anafiafius erbauet hat, und welche jetzt
dem mahomedanischen Gottesdienst gewidmet ist.
- Diese Hauptkirche bestand vor den Veränderungen,
welche sie erlitten hat, aus fünf Schiffen, wovon jedes
eine Kuppel hatte und sich in Blumenwerk endigte. Vor
dem Ganzen waren zwei Vorhöfe; jetzt ist weiter nichts
mehr vorhanden als das Hauptschiff und auf einer
und derselben Seite die Seitenschiffe. Noch findet man
einige Ueberreste von dem Vorhofe, der aus Marmor be
fand, welcher in regelmäßige Figuren abgeheilt war.
- - Ich verlange eine Cisterne zu sehen, welche nach der
Behauptung. Eines unserer jetzigen Schriftsteller geräumig
und von Corinthischer Ordnung seyn soll; ein Einwohner
des Quartiers, an den ich mich wandte, gab mir zur
Antwort, das Thor, das dahin führe, sei schon seit
langer Zeit zugemauert; in der Absicht, meine nicht be
friedigte Neugierde zu stillen, zeigte er mir in der Nach
barschaft eine Andere, die, wie ich durch das Loch fah,
keine Betrachtung verdiente. Schon brumme ich gegen
meinen Führer, aber meine Mühe wird belohnt werden.
Vor dieser nämlichen Moschee sehe ich in einer kleinen
Einfaffung von Gitterwerk ein Grabmahl von Verde
antieo, dessen oberer Theil die Form eines dreieckigen
Prismas hat, und das an seinen vier Ecken mit Cyline
derabschnitten verschönert ist. Es ist acht Fuß lang und
sieben breit. An den vier Seiten zeigen sich griechische
Kreuze in erhabener Arbeit, welche Wappenschilde um
geben. - - - - - - - - - - - - -- --- -
- “ Dies Grabdenkmal, das sicherlich die Asche eines
mit dem Purpur bekleideten Sterblichen enthalten hat,
- 250 -

das fogar Einige, aber mit Unrecht für Con fantins


Grabmahl ausgegeben haben, und das jetzt in ein Kufe
verwandelt worden ist, enthält das Waffer zu den Rei
nigungen. In seiner Nähe befindet sich ein Getraidema
gazin, das unter dem Namen, Tschakur - Haman
bekannt und dadurch merkwürdig ist, daß es noch aus
den spätern Zeiten des römisch- morgenländischen Reichs
herrührt. - - - - -

Ich nehme meinen Weg an der langen Wafferlei


tung hin, die über die Strecke zwischen dem Hügel, auf
welche oben Mahomeds Moschee steht und jenem hin
weg geht, wo man Bajazet- Dgjami sieht. Die
Wirkung, die fiel in der Ferne macht, und das Ansehen
von Pracht, das sie in einem vorzüglichen Grade aus
zeichnet, laden zur nähern Beschauung ein, um die ein
zelnen Theile ihrer Bauart zu untersuchen.
- Von Valens auf Kosten der Mauern erbauet,
welche Chalcedon umgaben, erkennt man sie an ihrem
Ansehen von Festigkeit und an den Bogen mit mehrern
Gewölben, die sie verzieren, sogleich für ein Werk der
Römer. Sie besteht aus Ziegeln und Steinen, die in
abwechselnden Flächen gelegt, und durch den festen Kitt
mit einander verbunden sind, welchen man nur bei alten
Bauwerken findet. - - - -- - -

. An dem obern Theile dieses imposanten Gebäudes


geht ein Weg durch Lorbeerbüsche und wilde Feigen
bäume. Von hier aus übersieht man zu gleicher Zeit die
Propontis und den Hafen; umfaßt mit einem Blicke
Constantinopel, und das andere Ufer, und dringt in
das Innere dieses Labyrinthes ein, das Spuren aus
- 251 -

allen Zeiten und von allen Lieblingsnationen der Ges


schichte aufzuweisen hat. ,
Wo ich meinen Fuß hinsetze, begegne ich Frauena
zimmern, die Truppweife gehen, und wovon jeder Trupp
einen Harem ausmacht; auch bekomme ich oft Kot
schis d. h.fahrende Sänften zu Gesichte, welche eben
falls voll Frauenzimmer sind, aber von einem höhern
Range als die Ersten. Und wenn ich nicht wüßte, daß
es heute Freitag wäre, so würde ich ihn doch an diesen
äußern Zeichen erkennen; denn dieser Tag ist, wie der
Dienstag, bei dem schönen Geschlechte zu Besuchen, Spa
ziergängen, oder Badepartien bestimmt, so wie es ihm -
beliebt. - - - - - - --
... Ich habe vergeffen einen Janitscharen mit zu mehr
men, doch hat mir bisher noch niemand etwas zu Leide
gethan. Sollten sich die Türken an den Anblick der
Hüte gewöhnen, die ihren Vätern so zuwider waren?
Jedoch würde es nicht gerathen feyn, gewife, von den
Franken wenig besuchte Quartiere ohne eine solche
Begleitung zu besuchen; wenigstens würden die Kino
der die Hunde auf einen solchen,Wanderer hetzen. Ein
nige Frauenzimmer könnten auch ein Recht zu haben
glauben, ihm Beleidigungen zu sagen, die bisweilen mit
noch stärkern Grobheiten begleitet sind; ja in den Pro
vinzen der europäischen Türkei setzt man sich noch är
gern Beleidigungen aus, in die sich unfehlbar Steine
mischen. - - -
Nachdem ich über den Gipfel hinweg bin, gehe ich
einige Schritte am südlichen Abhange hin und lange bei
der Säule des Marcianus an, welche die Türkeu
Ar“,

-
- 252 - -

den Jungfernstein“) nennen; diese schreiben ihr die


Eigenschaft zu, welche die Griechen dieser berühmten
Säule beilegten, der sich bloß die Jungfrauen nähern
durften. Sie befindet sich in dem Umfange eines Pri
vathauses, von deffen. Eigenthümer man die Erlaubniß
erkaufen muß, dies Denkmal in der Nähe zu besehen,
das dadurch merkwürdig ist, daß es das Andenken eines
guten Fürsten aufbewahrt. Spon und Wheler ver
dankt man seine Entdeckung, oder wenigstens die Er
klärung der Ursache, warum man daffelbe errichtet hat;
dies erfuhren sie aus einer lateinischen Aufschrift, welche
jetzt ausgelöscht ist. Diese Säule von vermischter Ord
nung ist von weißem Marmor; ein Steinblock, den Ei
nige für die Urne des Fürsten halten, befindet sich oben
aufdem Capitale; an drei Seiten seiner Grundlage sieht
man griechische Kreutze; die vierte ist mit einem Wap
penschilde verziert,das zwei Genien tragen. Seine Höhe
beträgt mit Inbegriff des Fußgestelles nur 35Fuß.
Indem ich näch der Straße zurückkehre, welche nach
der Caferne der Janitscharen führt, komme ich zu
dem schönsten Quartiere von Confantinopel, das
wegen seiner Regelmäßigkeit einen Contraft mit allen de
nen macht, die ich bisher gesehen habe. Eine der Sei
ten dieser Straße nimmt die Moschee ein, welche Sulei
man II. im Geschmacke der kaiserlichen Moscheen erbauet
hat, d. h. die besteht aus einer Kuppel, welche mit vier
Theilen von Kuppeln und zwei Minarets begleitet ist.
Aufder andern Seite sieht man eine Caserne der Janit
- *) Kis Tascht.
-

- -

- 253 -

scharen, die mehr der Wohnung eines Fürsten, als ei


nem bloßen Kriegsgebäude ähnlich sieht. Besonders ist
die Halle von der größten Pracht. Bei diesem Anblicke
überzeugt man sich leicht, daß die vorgeblichen Herrn
dieser zügellosen Soldaten sie immergeliebkoset haben, um
fie zahm zu machen.
Zu Cantemirs Zeiten war die erwähnte Straße
den Frauenzimmern verboten, und einige neue Reisende
haben auf einen Bericht eine Sonderbarkeit wiederholt,
welche seit langer Zeit nicht mehr gewöhnlich ist. Dieser
Punkt ist nicht der Einzige, in welchem die Gebräuche, ja
selbst die Meinungen der Türken, wenigstens derer, die
zum Hofe und zum Ministerium gehören, seit Cantemir
Veränderungen erlitten haben, trotz dem Gesetze der Ge
wohnheit, das die Nation überhaupt beherrscht. Esgiebt
noch einige andere Punkte, über welche man diesem schätz
baren Schriftsteller fklavisch nachgeschrieben hat.
Seit einiger Zeit besitzen die Janitscharen nicht mehr
die Anmaßung, die sie vor kurzem noch so verwegen
machte, daß sie den Sultan Selim III. vom Throne
stürzten und Mahmud in die harte Nothwendigkeit
versetzten, das Todesurtheil über seinen Bruder auszus
sprechen. Unerschütterlich und unerbittlich läßt sie dieser
Fürst für ihren letzten Aufruhr büßen und bestraft die
leichtesten Vergehen. Durch die Köpfe, welche häufig
auf seinen Befehl fallen, schwächt er unvermerkt dies
furchtbare Corps und prägt ihm zugleich einen Schrecken
ein, welchen ihm jetzt der Name Mahmud einjagt.
Ich sehe zwei von diesen Besatzungshelden, die mit
entschloffenem Schritte daher kommen und auf ihren
- 254 -

Schultern einen an einem Stocke hängenden Keffel tra


gen. Ein Unteroffizier geht mit einem großen Löffel
voraus; ein Anderer in einem großen Rocke von gro
bem Leder, der mit kupfernen Verzierungen belastet ist,
und mit einer Peitsche mit mehrern Knoten im Gürtel,
folgt ihnen auf dem Fuße nach. Nichts vermag sie vom
- geraden Wege abzulenken, sie werfen und foßen un
barmherzig alles über den Haufen, was ihnen in den
Weg kommt. Stolz auf ihre Last, würden sie dieselbe
zu beschimpfen glauben, wenn sie nur im geringsten vom
kürzesten Wege abwichen, der zu dem Heiligthume führt,
wo sie dieselbe absetzen. , - -

- . Dieser Triumpfzug wird dem Leser sonderbar vor


kommen, und dieser wird noch mehr erstaunen, wenn er
hört, daß die Keffel (Kafam) bei den Janitscharen in
eben solchem Ansehen stehen, wie bei uns die Fahnen, und
daß sie bei ihnen dieselbe Rolle spielen. Man sagt von
einer Ort a, die bei der Armee ist, ihr Keffel be
finde sich im Lager und die Orta, welcher der Feind ihre
Keffel abnimmt, ist eben so entehrt, wie bei uns ein
Regiment, das feine Fahnen verloren hat. Selbst die
Offiziere entlehnen von diesem Küchenwerkzeuge ihre Titel
als den sichersten Bürgen des Gehorsams. Endlich die
nen diese Zeichen auch dazu, dies Corps zum Aufruhr
zu verleiten: in diesem Falle werden die umgekehrten
Keffel in die Höhe gehoben, und wenn sich dies unselige
Zeichen sehen läßt, so ist nicht weniger als der Kopfdes
Sultans oder die Köpfe seiner Minister oder auch eine
Schüffel Pilaw nöthig, um diesen ausgetretenen Strom
wieder in ein gewöhnliches Bette zu bringen.
– 255 –
Das Janitscharencorps verdankt seine Entstehung
Am urat I., der es dadurch ergänzte, daß er aus
den christlichen Gefangenen die schönsten Leute aussuchte,
die noch jung genug waren, um sie in der mahomeda
mischenReligion zu erziehen. Ohne andere Verwandte
als den Sultan und nur das Serail für sein Vaterland
ansehend, durfte dies Corps anfänglich, wenn es der
Glanz des Thrones verlangte, mit seinem Blute nicht gei
zen und mußte dem Willen seines Gebieters blindlings
gehorchen. Nach der Beschaffenheit seiner Verfaffung
und der Art eines Dienstes mußte es jedesmal unter
den Fahnen des Siegs in den Zeiten marschieren, wo in
Europa - das Fußvolk verachtet war, und wo unsere
Vorfahren die Reiterei für den Haupttheil der Armee
ansahen. - -

"Aber nach und nach geriethen die weisen Anordnun


gen, auf denen die Einrichtungen dieses Corps beruheten,
in Verfall, und als man daffelbe durch Mahomeda
ner flatt durch Christenkinder ergänzte, sah man diese
ausgeartete Miliz verwildern und vergeffen, daß sie ihre
Waffen bloß zum Gebrauche gegen den Feind habe.
Man mischte sie in die Streitigkeiten des Serails und
sie verkaufte ihre Dienste dem Bruder gegen den Bruder,
dem Sohne gegen den Vater und machte sich endlich
dem Monarchen und dem Staate furchtbar. Seit lan
- ger Zeit ist daher beiden an ihrer Ausrottung gelegen.
-

In der Hoffnung, das Uebel zu vermindern,gerieth


man in der Folge auf den Einfall, den Namen von
Janitscharen allen Leuten zu geben, die bei den Mi-
nistern und den Großen angestellt sind; den Sold Meh
- – 256 –
rerer auf den Kopf eines Einzigen zusammen zu häufen
und endlich durch alle mögliche Mittel die stets wieder
wachsende Hydra zu beschränken, allein - man hat nur
neue Unordnungen eingeführt und das Uebel durchaus
nicht an der Wurzel auszurotten vermogt. Jetzt ist es
dahin gekommen, daß die Janitscharen in Hinsicht der
Macht des türkischen Heeres für nichts mehr gerechnet
werden; daß sie sich zu marschieren weigern und nur sich -
fehen laffen, um ihren Sold in Empfang zu nehmen,
oder wenn sie ein Aufruhrgeschrei zu den Waffen ruft.
Ihre Anzahl, die anfänglich bloß 40,000 betrug, hat
für die öffentliche Ruhe und die Finanzen auf eine furcht
bare Art zugenommen; daher find sie jetzt eine Geißel
des Staats.
Man schlägt jetzt die Anzahl der Janitscharen auf
400.000 Mann an, welche in 196 Regimentern oder Ors
tas verheilt sind, wovon sich 60, Buluks genannt,
durch die rothen Stiefeln ihrer Obersten auszeichnen;
hundert und zwei heißen Gemaal und ihre Obersten
tragen gelbe Stiefeln; die 34 Uebrigen, welche die älte
fen sind, machen ein besonderes Corps unter den Bes
fehlen des Seymen Baschi aus.
Die Stärke des Ortas beträgt 50 bis 40.000
Mann. Jede ergänzt sich in dem Bezirke, der ihr be
sonders angewiesen ist, und das Corps wird im Ganzen
in zwei Theile geheilt; der Eine ist fillliegend d. h. be
zieht bloß den Sold; der Andere ist für den Dienst der
Hauptstadt und der Festungen in Thätigkeit und beträgt
40,000 Mann. - -

Wer diese Laufbahn betritt, der ist anfänglich ein


- 257 - --

Neuling (Yamak) und nach einer gewissen Anzahl von


Dienstjahren wird er endlich ein Veteran (Oturak). Wahr
ist es, daß seit langer Zeit Gunst oder Geld über die
Beföderung entscheidet. Zum Theil rücken Leute vor,
welche entweder Aemter haben, oder Geld dafür geben,
so daß die Ursachen des Glanzes dieses Corps jetzt zu
feinem Nachtheile wirken. Man würdigt es herab, aber
feine Vernichtung gelingt nicht; man erniedrigt es und
macht es dadurch für den Staat immer noch verderblicher,
Der Sold nimmt jedes Jahr zu, indem man alle
Zwischenräume des Fortschreitens durchläuft. Das Aeuse
ferfe sind zehn Asper *) und neunzig Asper, welche die
Grade des Neulings und des Veteranen bezeichnen. Der
Sold wird an der Thür des Divans ausgezahlt, und
die einzelnen Mannschaften nehmen ihn auf Vorzeigung
von Billets (Ezamet) in Empfang, woraufdie Summe
angegeben ist, welche jeder nach feiner Klaffe erhält.
Diese Billets dienen heut zu Tage zu Anweisungen auf
den Schatz, die verkauft werden, feigen und fallen, je
nachdem Friede oder Krieg ist.
Die diensthuenden Janitscharen bekommen außer
dem noch Brod, Fleisch, Gemüße, Licht und als Zu
schuß noch beträchtliche Vortheile, vermittelt der Avanien
(Erpressungen), welche ihnen die Wachen verschaffen, be
sonders wenn sie dieselben in den Bezirken der Rayahs
beziehen; für ihren Sold müffen sie sich jedoch auch die
Waffen und die Kleidung anschaffen, dieser Fehler, der

*) Ein Asper ist # Krenzer. -

- 47
-
-

alle Einförmigkeit vernichtet, findet fich allenthalben in


der Kriegsverfaffung des türkischen Reichs.
Die Ausgaben, welche diese Miliz dem Staate ver
ursacht, können auf acht bis neun Millionen Franken,
(2, bis 2,250,000 Thaler) angeschlagen werden. Vor
einem Jahrhunderte beliefen sie sich bloß auf 64 Mills
lion, allein wegen Verschlechterung der Münze hat man den
Sold erhöhet; das ganze Corps steht unter den Bes
fehlen eines Oberbefehlshabers, der Aga heißt, und
durch seine Stelle natürlich einen sehr großen Einfluß
hat, da er nach Belieben die Janitscharen im Zaume
halten oder aufwiegeln kann.
Nach ihm kommen neun Offiziere, die mit dem Ti
tel Tschiorbadgi (Oberst) nochbesondere Vorrechte ver
binden, z. B. die können keine andere Stelle bei andern
Ortas erhalten, als solche, die ihrem Titel entsprechen.
Diese Obersten der ersten Klaffe sind der Kulke ay
affi der von Rechtswegen die "Stelle des Aga vertritt,
,
wenn dieser abgesetzt, oder geforben ist; die drei Od
giat Tschiaufchk, Offiziere vom Generalstabe des
Agas; der Samsondgi-baschi (Aufseher der Bul
lenbeißer); der Zagardgi-baschi (der Aufseher der
Falken); der Turnadgi-baschi (der Aufseher der
Kraniche); der Keaya - ie ri, der Oberpolizeiaufseher,
welcher dies Amt im Namen des Obersten des Corps
verwaltet; zuletzt der Muzur - aga, der die beim Groß
vezier diensthuende Orta befehligt. Den Titel Jaja
bey, der ein bloßer Ehrentitel ist, giebt man mit Ge
halt jenen vornehmen. Offizieren, wenn sie ihren Abschied
nehmen, oder nehmen müffen, v
-

– 259 –

- Die Subalternoffiziere find bei jeder Orta: - der


Oda - bafchi (Capitän), der Vekil - khazdgi (Speis
femeister), der Bairaktar (Fahnenträger) und der
Baf.ch - eski (Aeltefe der Soldaten). Man muß durch
die dreiletzten Grade gehen, ehe man zu dem Erstenkommt,
von dem man in der Folge den Grad des Tschiorbadgi
(Obersten) erhalten kann, wenn man fünf bis sechstau
fend Piafter für den Aga aufzubringen vermag; denn
ihre Stelle gehören ihm und er hat das Recht, fiel dem
Meistbietenden zu geben. Kann ein Oda -baschi dieses
Geld nicht aufbringen, so verläßt er endlich das Corps
mit einem Gehalte von 120 Aspers (1 Franken); hierzu
kommt noch der Ertrag von dem Gewerbe, das er 96
,
wöhnlich ergreift; sehr oft treibt er das niedrigste, ohne
daß seine Ehre im geringsten darunter leidet.
Hierauf kommen die Unteroffiziere: 1) der Altfcht
fchi- ufa (Meister - Koch), der für den Keffel zu sor,
gen hat, und in dieser Eigenschaft bei den Janitscharen
in großem Ansehen steht, so daß er bei ihnen für ein
Orakel gilt, dessen Aussprüche Gesetzeskraft vor jenen
des Oda - bafchi haben; daher ist der Altfchtschi auch
Einer der ersten Urheber von Aufständen; an ihn wendet
man sich auch, um die Ruhe wieder herzustellen: dies
Vorrecht hat er jedoch mit den Veteranen gemein. Er
trägt einen großen Ledermantel, der voll fupferner Ver
zierungen hängt; einen Gürtel mit zwei großen Küchen
meffern und den großen Löffel, welcher die dem Keffel
geweihete Ehrfurcht theilt; 2) der Mutevelly (Sergent
Major), dem die Verwaltung der Kaffe der Orta obliegt;
man wählt ihn jederzeit aus den Veteranen; 3) der
– 260 -

Basch - karakulutschi oder der Oberste der Unterof.


fiziere oder der Küchenjungen, was einerlei ist; 4) die
Kara - kulutfchis (Küchenjungen), die, ob schon aus
den jüngsten ausgewählt, doch das Recht haben, (immer
deshalb, weil sie in die Nähe des Keffels kommen), die
Schuldigen zu bestrafen, jedoch zu Folge des Ausspruchs
des Bafch - karakulutschi. Der Tfchiorbadgi
kann nur durch das Organ des Oda - bafchi Strafen
verfügen. -

- Bei der Erfüllung ihrer Pflichten als Züchtiger be


dienen sich die Kara - kulutschis des Stocks; oder fie
hauen auch bei schwehren Vergehen die Schuldigen mit
einem großen Ledergürtel, der vorne eine Agrafe, so wie
eine silberne Platte hat, und das unterscheidende Kenn
zeichen eines Unteroffiziers ist. Derselbe flößt dem Ja
nitscharen eine weit größere Ehrfurcht ein, als die ist,
welche er vor dem Sultane hat; denn wenn sich Einer
darunter gegen ihn aufzulehnen wagt, so würde er augen
blicklich erdroffelt werden. Wenn ihn die Kara - külut
fchis einbüßen, so werden sie wieder Küchenjungen in
der eigentlichen Bedeutung dieses Worts. Der Ueber
gang vom großem Ansehen und Reichthume zur Dunkel
heit und größten Armuth macht in der Gesellschaft über
haupt keinen so großen Eindruck als dieser. " . .

- Der Sakkas (Wafferträger) gehört in die Liste der


Unteroffiziere, und zeichnet sich durch die Peitsche, die er
im Gürtel trägt, und durch feinen ledernen Oberrock aus,
an welchem sich Schellen befinden. Die Waffen dieser
-

- 261 -

Art von Soldaten find Säbel und Flinte; ihr Geschrei


beim Angriffe des Feindes ist Allah (Gott). *)
- Unter die Offiziere und folglich vor den zuletzt er
wähnten, muß man auch rechnen: 1) den Haffas a
bafchi, der die Aussprüche des Großveziers zu voll
ziehen hat und in dieser Eigenschaft dem Divan bei
wohnt. Er hat eine Wohnung in den Gefängniffen,
welche er alle Tage besuchen muß; 2) den Unter-bas,
fchi, den man wie den vorhergehenden aus den Tschior
badgis wählt. Vereint mit ihm führt er den Vorsitz
bei der Folter, die man bloß auf einen Befehl des Groß
veziers anwenden darf. Sie besteht darin, daß man je
mandem die Bostonnade auf die Fußsohlen giebt, die
Nägel ausreißet, die Glieder mit Schnuren bindet u. j.w,
Bei den Frauenzimmern besteht die Folter darin, daß
man in ihre Unterhosen Katzen feckt, oder ihnen die
Bostonnade aufden Hintern giebt. Die beiden eben er
wähnten Stellen find zwar einträglich, werden aber nicht
gesucht. Desto mehr ist dies mit der Stelle des Penit
geri - effendi der Fall, der das Tagebuch führen
muß, und man kann sich nach feinem Titel leicht vor
stellen, woher dies kommt; daher wird dieser Posten
auch immer von einem Schützlinge des Janitscharenaga
verwaltet, der die Todten unter den Lebenden aufführt,
wenn die Löhnung in Empfang genommen werden soll.
Dieser Häuptling ernennt zu allen Stellen, jedoch

*) Dieß Geschrei erheben alle Mahomedaner, wenn ein Kampf


beginnt. -

B. nebs.
– 262 – -

unüffen jene vom ersten Range die Genehmigung des


Sultans haben.
Die Janitscharen haben viele Vorrechte, die noch zu
genommen haben, und die man ihnen theils zur Aufmun
terung und zur Belohnung, theils um ihre Gunft zu ers
halten, zugestanden hat. Wenn ein Sultan den Thron
besteigt, so muß er jetzt jedem Janitscharen 75 Franken
(etwa 19 Thaler) auszahlen laffen. Diejenigen, welche
noch nicht den Sold von 36 Aspern haben, bekommen
außerdem noch einen Para *) Zuschuß. Im Felde haben
fie Zelte, Pferde zum Fortschaffen dieser, und Zeltauf
fehläger, fo, daß, wenn sie an Ort und Stelle anlangen,
die Zelte aufgeschlagen seyn müffen. Ehe sie den Feind
angreifen, muß man ihnen den Kuli- Pilaw oder
den Blut - Pilaw vorsetzen. Sie effen ihn, umarmen
einander und stürzten sich sonst darauf mit gebeugten
Häuptern in die feindlichen Reihen, jetzt aber bedienen sie
fich der Stärke, welche diese Speise gewährt, dazu, um
desto schneller beim Zurückziehen fort zu kommen und
unterwegs. Verheerungen anzurichten.
" Zu Folge der Verordnungen des Sultans Sulei
man sollen sie jedoch den Ehrenposten einnehmen, und
fie genießen die Auszeichnung, den Vortrab zu machen.
Dieser Fürst that noch mehr für fie; nach Einem seiner
glänzendsten Feldzüge, worin sich die Janitscharen selbst
übertroffen hatten, vertrauete er den Aeltesten des Corps
die Bewachung feiner Person an, und gestand ihnen die
Erlaubniß zu, dem Kriegsrathe beizuwohnen, wobei zu

*) Ein Para ist drei Asper oder ein und ein halber Kreutzer.
– 263 –
gleich ihr Sold vermehrt wurde. Jedoch sah sich der
Sultan in der Folge genöthigt, sich ihrer allzu großen
Liebe zu entziehen, die sie zudringlich machte, indem sie
ihn sogar in seinem Zelte nicht aus den Augen ließen,
und ihm nicht mehr erlauben wollten, während eines
Gefechts heraus zu gehen, weil sie besorgten, er möchte
fein Leben in Gefahr setzen. Uebrigens schonte er sie
nicht im geringsten. Die gegenwärtigen Janitscharen
haben gar nichts Aehnliches mit jenen; allein damals
wohnten sie in den Cafernen, und sie durften niemanden
von ihren Familien hineinbringen, es mußte denn die
Frau des Einen sterben und ihm einen Sohn hinterlass
fen. Dann nahm man den Knaben ins Corps auf, denn
bei Tage Lehrer Unterricht gaben; des Abends holte ihn
Einer von den Oturuks ab und schloß ihn in eine
Stube ein, wo er die Nacht über blieb und wo man
ihn den andern Tag wieder herausließ, aber immer uns
ter der Leitung seines Führers, der ihn seinen Uebungen
übergab. Im drei und zwanzigsten Jahre wurden diese
Janitscharenlehrlinge in das Corps aufgenommen und
vollendeten ihre Erziehungbeim Alga. -

Suleiman nahm in dieses Corps Georgier,


Circaffier, Abazen und Kinder der Christen auf,
die Mahomedaner aber schloß er davon aus, wenn
fie nicht die tüchtigsten Ansprüche darauf machen konnten.
Er bediente sich eines Ansehens als Kalife, wenn je
nes des Sultans nicht ausreichend war, und sprach den
Fluch gegen die Widerspenstigen aus, unter defen Last sie
auf immer vernichtet waren. - " -

Jedoch kann man diesem großen Fürsten den Vor


/

– 264 –
wurf machen, seine Absicht fey dahin gegangen, die Ja
nitscharen wild und grausam zu machen. Er vermehrte
die Fleischportion und belohnte diejenigen damit, welche
vertrauete Stellen hatten; der dem Corps angewiesene
Schlachtplatz wurde von ihm zum Uebungsplatze bestimmt,
und die vornehmsten Offiziere erhielten Namen, die sich
ganz für den Anführer einer Compagnie von Geiern oder
Sperbern schickten. Auch verdient er deswegen Tadel,
daß er sich zu sehr mit ihnen einließ und dadurch seine
Nachfolger in die Nothwendigkeit versetzte, fiel auch zu
liebkosen.
Er erregt aber auch von neuem die Bewunderung,
wenn man sieht, wie er bei den Uebungen diejenigen be
merkte, die besondere Beweise von Geschicklichkeit gaben,
und verlangte, daß sich die Offiziere in seiner Gegens
wart übten, indem er das Ringen mit der Leitung der
Waffen verband, um destomehr die Körperkräfte zu ent
wickeln. Es war ihm gelungen, die kriegerischen Tu
genden bei ihnen auf einen solchen Grad zu treiben, daß
fieben tapfere Männer, die sich von ihm etwas ausbitten
sollten, was sie am liebsten hätten, ihre Bitte daraufbe
fchränkten, einen Brunnen in der Caserne erbauen zu
laffen. -

Alle redeten ihn ohne Unterschied an und wandten


sich mit Vertrauen an ihn. Einer davon, ein bloßer
Koch, überreicht ihm einst das Gesuch, die Schlächtereien
näher an die Caserne zu verlegen. Dies sonderbare Ver
Langen erregte anfänglich beim Sultane Lachen, indefen
gab er eine günstige Antwort und sagte, er habe in der
Fergangenen Nacht von dieser Verbefferung geträumt,
– 265 – -

Auf der Stelle befahl er auch noch, daß für die Köche
eine kleine Kapelle in der Nähe ihrer Arbeitsgemächer er
bauet werden sollte, damit sie neben den Pflichten ihres
Amtes auch jene der Religion verrichten könnten.
- Aus allem diesem erklärt sich das hohe Ansehen,
in welchem die Keffel und die Köche beiden Janitscharen
fiehen. Auch sprach der Sultan die Griechen,
welche in den Schlachthöfen arbeiteten, von allen Ab
gaben frei undgab die Aufsicht über diese dem Tfchiausch
- baschi, mit dem Befehl, sie fleißig zu besuchen. End
lich ließ er den Oberschlächter ins Serail kommen, be
kleidete ihn mit einem Ehrenpelze, ernannte ihn zum Zahl
meister und übertrug ihm das Geschäft, den Preis der
Lebensmittel in der Hauptstadt zu bestimmen -

- Dieser neue Polizeicommissär ließ, um die Wahl


des Sultans zu rechtfertigen, bei seinem ersten Umgange
elf Kaufleute hängen, welche auf Uebertretungen ertappt
worden waren, und da er in der Folge eben so streng
blieb, so wollte der Sultan selbst sehen, ob diese Strenge
nicht etwa übertrieben sey; er verkleidete sich daher als
Derwisch und sah ein, daß man nicht zu viel gethan
hatte. In den othomanischen Charakter mischt sich im
mer ein Ueberrest von Barbarei, welcher seinen anfäng
lichen Ursprung verräth, so viele gute Eigenschaften er
auch sonst besitzen mag. Was man etwa zur Vermin
derung dieses Vorwurfs bei dieser Gelegenheit anführen
könnte, das find die Unordnungen, welche der Aufkauf
der Lebensmittel von der ersten Nothwendigkeit und die
daraus entstehende Theuerung in einer Hauptstadt vers
anlaßt, wo Feuersbrünste und Revolutionen als ein
- 266 -

Spiel betrachtet werden. In dieser Hinficht kann man


dies Vergehen als ein Verbrechen betrachten, aber die
Todesstrafe ist sicherlich zu hart. …
Die Verordnungen defelben Gesetzgebers untersagen
den Aga das Recht, irgend einem Janitscharen eine
Soldvermehrung von drei Aspern zuzugestehen; er will
dies untrügliche Mittel, sich Freunde zu machen, für den
Oberherrn behalten wissen. Sie versprechen als Beloh
nungen Stellen bei den Spahis und beiden Solaks;
dies Corps zeichnete sich damals durch große Tapferkeit
aus, und es verrichtet noch jetzt den Dienst der Ehren
garde bei dem Sultane, woraus man die Obersten der
Janitscharen nimmt. Sie entziehen denen, welche sich
in den untern Graden verheirathen, den Anspruch auf
Beföderung und bestimmen die Dauer ihres Dienstes in
jeder Garnison aufdrei Jahre, worauf sie abgelöfet
wer
den sollen. Hat Einer von ihnen den Tod verdient, so
fängt man zu Folge ihrer Vorschriften damit an, daß
man ihn aus den Verzeichnissen ausstreicht und ihm
alles abnimmt, woran man ihn noch als Janitscharen
erkennen könnte; dann erdroffelt man ihn aus einem
Ueberreste von Achtung oder Wohlwollen, aber im Ge
fängniffe, fern von den Augen des Publikums.
Nach den Janitfcharen kommen die Tulums
bad gi, die jedoch auch unter dies Corps gerechnet wer
den. Sie bestehen aus vier Ortas, die insgesammt
zum Sprützendienste bei Feuersbrünsten bestimmt und
daher von Kriegsdiensten frei find. Sie haben mehrere
Vorrechte, die jedoch nicht so viel eintragen, als sie im
-
- 267 -

baarem Gelde erhalten, wenn sie ihre Sprützen spielen


laffen. - -

Hierauf folgen nach der Anciennität die Dgebe das


gis, denen die Bewachung und Unterhaltung der Ge
wehre, Munition und Lagerungsgeräthschaften obliegt
Dies Corps verrichtet jedoch, wie das vorige, keine
Kriegsdienste mehr, und liegt stets als Besatzung in der
Hauptstadt, wo es Caternen hat. Seine Stärke beträgt
viertausend Mann; eine Unterhaltung kostet jährlich uns
gefähr 600,ooo Franken, außer den Lehengütern, welche
es hat. Sonst war es weit zahlreicher. -

Die Comparadgis (Bembardierer), die erst neur


errichtet sind, und die Top dgis (Kanonire), welche sich
in der That erst von der Errichtung des Nizam-Dge
did her schreiben, machen zwei Corps aus; jedes hat
einen besondern Obern und ihren Nazir oder Inspektor,
Die Bombardiere find 2000 Mann stark. Die Offiziere,
fo wie die Aeltesten des Corps, haben Lehen, welche
vierhundert bis 12.000 Piafter eintragen. Der Coma
paradgi-baschi hat einen jährlichen Sold von vier
zig Beuteln. Die gemeinen Soldaten bekommen täglich
Sold und Lebensmittel. Alle diese Artikel betragen im
baaren Gelde eine Million und einige tausend Franken.
- Das Corps der Topdgis, das ungefähr 10,000
Mann stark ist, besteht aus 110 Ortas, jede von 125
Mann auf dem Kriegsfuße, welche zehn Feuerschlünde
bedienen.
Die Titular - Tschiorbadgis find an Zahl den
Compagnien gleich. 31 Andere, die Mullazim heißen,
befinden sich im Gefolge. Die Offiziere einer Orta sind
- 268 -
der Oda - baschi, der Vekilharez, der Bairak
tar, der Ufa, der Bach - karakulutschi, die
Kara - kulutschis und der Sakkas. -

Die reitende Artillerie beläuft sich auf 800 Mann,


welche 70 Kanonen bedienen können, indem man 12 Kas
moniere, auf die Kanone rechnet. - -

. . Die Arabadgi sind die Soldaten des Artillerie


trains, welche eine militärische Einrichtung haben. Sie
haben einen Obern, der vermöge seines Dienstes unter
den Befehlen des Topdgi - baschi steht.
Der Generalstab der Kanoniere enthält auch noch
den Doengu - bafhi, oder den Oberaufseher der Stücke
gießerei. Dies Corps kostet jährlich an Sold und Un
terhaltung ungefähr 3,600 000 Franken. Der Sold ist
folgendermaßen bestimmt; der Topdgi-baschi erhält
60 Beutel und in Kriegszeiten noch andere Vortheile;
der Nazir 2o Beutel und eine große Menge Lebens
mittel; der Oda - baschi täglich 120 Asper und seinem
Grade angemessene Portionen, so wie auch die folgen
den: der Vekil 90 Asper; der Bairaktar 80; der
Ufa 90; der Bach - kara - kulutfchi 60; der Sak
kals 50; der Obere jeder Kanone (Top - ustafi) 90
und der Kanonier von der letzten Klaffe 40. Die Le
bensmittel bestehen, wie bei den Janitscharen, in Reis,
Fleisch, Brod, Butter u. f. w., welche man Kamerad
jchaftenweise verzehrt, die gewöhnlich aus den Leuten be
fiehen, die zu einer Kanone gehören. Außer diesem
Solde verschaffen sich die Kanoniere noch einen Neben
fold, wenigstens diejenigen, welche in Constantinopel
in Besatzung liegen und da größtentheils Gewerbe treit
ben; vorzüglich find die Schiffer, was sowohl dem Uni
terrichte als der Mannszucht schaden muß. -

Die Laghumdgi (Minirer) gehören auch zu den


regelmäßigen Corps, welche der Kriegszucht unterworfen
find und stets im Dienste bleiben. Ihre Anzahl beträgt
1500. Die Portionen sind bei ihnen, wie bei den Bom
bardierern, und ihre Unterhaltung beträgt nebst den
Kriegslehen, welche dieOffiziers haben, nicht über 600.000
Franken.
Die Ingenieure haben wir schon erwähnt. Hier
wollen wir bloß noch bemerken, daß dies Corps für den
Staat nicht kostspieligfeyn kann, weil die Zöglinge allein
ihre Einkünfte haben, welche außer dem Lebensmitteln
monatlich 15, 25, 35 und 45 Franken betragen. Nun
mehro wollen wir zur Reiterei übergehen.
Diese Waffe besteht aus den Seliktars und Spa
his (Sypahis); den Timarioten und Zaims. Die
beiden ersten Corps haben denselben Ursprung und dies
felbe Einrichtung wie die Janitscharen; man sieht sie,
wie diese an den Revolutionen des Serails Theil neh
men und über den Thron verfügen, aber sie sind bei
weiten nicht so furchtbar, weil sich ihre Anzahl bloß auf
43,000 Mann beläuft; sie find auf Afien beschränkt,
von wo her man sie kommen läßt, um sie ins Lager zu
schicken. - -

Sie find in sechs Regimenter eingetheilt, die Blu


luks heißen;jedes hat einen Obern, welcher Buluk
agaffi heißt. Der General führt den Namen Spa
hilar - agaffi, und befehligt das Regiment mit den
rothen Fahnen, das 5000 Mann stark ist. Die gelbe
-
- - 270 -

Fahne, die aus 4000 Mann besteht und die den zwei
ten Rang einnimmt, hat den Seliktar - agaffi zu
ihrem Obern; die grüne Fahne, von 12,00o Mann, ist
die dritte; die weiße, ebenfalls 12,000 Mann stark, die
vierte; die fünfte ist die rothe und gelbe Fahne; die
sechste die grüne und weiße, und sie machen zusammen
2600 Mann aus. Jeder Reiter hat am Ende seiner Lanze
ein Fähnchen von der Farbe der Fahne eines Regiments;
seine Waffen sind eine Lanze und ein Säbel; bisweilen
führt er auch Pistolen bei sich.
Unter den Befehlen des Buluks fehen die Lieutes
nants Bafch - Tiefchiaufch, welche felbst Offiziere von
einem niedern Range (Tschiausch) befehligen. Begeht ein
Spahi einen Fehler, so bringt man ihn zu einem
Agá, der ihm auf einem rohen Teppiche die Boston
nade geben läßt. Hat er den Tod verdient, so erdroffelt
man ihn nach dem Abendgebete. Die Spahis erschei
nen jährlich nur viermal in der Hauptstadt, wenn sie
ihren Sold erhalten.
Wenn sonst der Sultan in eigener Person die Armee
befehligte, fo marschierte ihm der Spahis - agaffi zur
Rechten und der Seliktar - agaffi zur Linken, jeder
an der Spitze seines Regiments; darhinter kam die grüne
Fahne und die Bewachung des Schatzes, fo wie der
heiligen Fahne, war der weißen Fahne anvertrauet. Der
Sultan Suleiman ließ sich in diese einzelnen Umstände
ein, woraus man deutlich sieht, daß er alle mögliche
Mittel brauchte, um seine Soldaten zu Heldenzu machen.
Der Erfolg krönte seine Absichten, allein feine Nachfolger
begriffen ihn nicht mehr; daher ist ein Gebäude von
allen Seiten untergraben." - "

- Die Seliktars erhalten als Sold Kriegslehen;


die Sp a his bezahlt der Schatz, wozu er ungefähr
4500,000ausgiebt; hierunter ist auch die Unterhaltung Und
Nahrung der Mannschaften, so wie der Pferde, begriffen,
für welche die Ersten von dem ihnen angewiesenen Solde
sorgen müffen.
Die Zaimlets und Timars (Kriegslehen) wurs
den von Amurat I. auf Kosten der Eroberungen über
seine Feinde und nach demselben Plane eingerichtet, wie
jene bei den nördlichen Nationen, nur mit dem Unter
schiede, daß da die Leibeigenschaft unbekannt und jeder
Lehensbesitzer in unmittelbaren Vasal des Staats ist,
ohne von jemandem Andern abzuhängen.
So wie sich das Gebiet der Osmanen vergrößerte,
vermehrten sich auch die Lehen; sie fanden immer Käm
pfer, die sich durch ihre Ergebenheit und ihren Eifer in der
Verbreitung von Mahomeds Lehre verdient machten.
Die Eroberungen wurden in drei Theile getheilt, wovon
der erste Theil an Mahomeds Säbel, d. h. in den Be
fitz der Krone kam; den zweiten erhielten die Moscheen
und den dritten die Timars und Zaimets. Vermöge
der Verleihung solcher Lehen machten sich diejenigen,
welche sie bekamen, verbindlich, eine Anzahl Reiter zu
unterhalten, welche den Einkünften des Lehens entspra
ehen und sich auf den ersten Befehl an ihre Spitze zu
stellen, bis ihnen der Friede die Entlaffung verschafft.
So lange sich die Sultane dem Auslande furchtbar
machten, gehorchte man diesen Verbindlichkeiten, allein
– 272 -

feitdem sie ihre Schwäche selbst bei ihren Unterthanen


verächtlich gemacht hat, haben die Lehensbesitzer ihre
Pflichten vergeffen, weil sie wissen, daß man sie nicht
dazu zwingen kann. Uebrigens werden dieseLehen, welche
anfänglich nach dem Erstgeburtsrechte auf die männli
chen Nachkommen unter der Bedingung übergingen, daß
der Besitzer die Bedingungen seines Vertragsgenau erfül
le, aufdas Haupt einer einzigen Personzusammengehäuft
und tragen bloß dazu bei, die Unterthanen ungehorsam
zu machen, die ohne diese gefährlichen Reichthümer die
Grenzen der Unterhänigkeit nicht überschreiten würden,
oder man giebt sie auch Leuten, wie wir schon gesehen
haben, die mit dieser Art des Dienstes gar nichts zu
thun haben. -

Der Sultan Selim III. wollte durch seinem Ni


zam-Dgedid das Grundgesetz wieder in Kraft setzen,
die Lehensbesitzer von neuem zum Gehorsame bringen
und für Rechnung des Staats die Timars oder Zias
mets der Widerspenstigen verwalten. Dieser Plan war
das Vorspiel von der Umschaffung, die die othomanische
Armee erhalten sollte, und man konnte davon den glän
zendsten Erfolg erwarten, um so mehr, da es keine Macht
giebt, welche ein so beträchtliches Einkommen im Rück
halte hat, als die osmanische. Um sich eine Idee davon
zu machen, darf man nur wissen, daß die Timars
und Zianets allein nach ihrem jährlichen Ertrage über
50,000 Reiter stellen und noch viele andere Beiträge
zum Kriegsdepartement liefern sollten, wovon wir schon
Mehrere angeführt haben. - -

Dies waren Sel im s rühmliche Absichten, aber


- 273 –

so viele gekränkte Intereffen mußten sich gegen den Urs


heber eines solchen Plans empören und die Regierung
hewieß, daß sie vielmehr andere Mißbräuche einführen,
als die bestehenden verbeffern könne. - -

, . „Wir könnten noch weit mehrere Corps anführen,


aus welchen die osmanischen Armeen bestehen. Ich hätte
noch von den Gioniullis, die sonst durch Freiwillige
ergänzt wurden und zu Pferde dienen; den Deliler,
bloß dem Namen nach Wüthenden, die aber jetzt so fried
fertig sind, als ihre Vorgänger furchtbar waren u. f. w.
sprechen können, aber wozu nützt dies Verzeichniß, in
welchem man bloß eine Menge finnleerer Namen fände?
Wir wollen vielmehr die Art erwähnen, auf welche die
Armeen ergänzt werden, weil man daraus sehen kann,
was sie in der That sind, und nicht das erzählen, was
fie font sein konnten.
Wenn man bei der Annäherung eines Kriegszu den
Waffen greifen muß, so pflanzt man an dem öffentlichen
Orte jeder Stadt und jedes Dorfs eine Fahne auf, und
ein Herold lade, aus vollem Halse schreiend, die Gläu
bigen zum Marsche gegen die Ungläubigen ein. Wer
dieser Auffoderung gehorcht, die aber heut zu Tage we
nig fruchtet, der nimmt den Namen Subden geth
fchi (Wagehals) an. Er unterhandelt mit dem Pascha,
der ihm eine kleine Summe auszahlt und für die Zu
kunft weit mehr verspricht. Aus diesen Freiwilligen bil
det man Corps von 1000 Mann, deren Anführer deshalb
Bin - bafchi heißt. Dieser empfängt vom Pascha Fonds
zum Solde für seine Truppen, aber, von der niedrigsten
Habsucht getrieben, zahlt er ihnen nichts aus; diese lau
18
- – 274 –
fen daher bald fort, ohne daß sich der wirkliche Bestand
in den Verzeichnissen vermindert. Auf diese Art muß
zuletzt der Staat auf Kosten seiner theuersten Intereffen
den Golddurst stillen, welcher in der Türkei alle dies
jenigen verzehrt, die mit den öffentlichen Einkünften zu
thun haben. -

*- Nach den Freiwilligen kommen die Beuluks, d.h.


diejenigen, welche das Contingent des Paschas ausma
ehen. Bisweilen giebt man den Befehl über dieselben
Zaims, oder man läßt sie auch als Haustruppen des
Paschas marschieren. Sie wählen fich selbst ihre Subal
ternoffiziere (Beuluk - bafchi); die Ernennung des
Bak - beuluk - bafchi ist die Sache des Statthalters.
Die Haustruppen des Paschas bestehen in den Tu
feindlgi (Füselieren) und in den Delis, welche ein
Reitercorps ausmachen; hierzu kommt ein schwaches Con
irgent von dem Janitscharencorps, d. h. kaum der vierte
vom Staate gefoderte Theil; in den Spahis und Se
liktars, die in Alias oder Corps von 400 Mann ge
heilt sind; in den Lehensbesitzern, die zu arm sind, als
daß sie sich beim Pascha von der Verbindlichkeitzu mar
schiren loskaufen könnten, und in den regulairen Corps,
welche die Einzigen find, bei denen man einen Schatten
von einer Kriegsverfaffung findet, die jetzt von allen
Mächten Europas angenommen ist. " -

Jeder Pascha begibt sich in Person an den Sam


melplatz, oder schickt auch an seine Stelle jemanden von
den Seinigen; zieht sich aber der Krieg in die Länge,
so ziehen sich die Oberhäupterzurück, selbst schon damals,
als die großen Vasallen noch ihre Contingente anführten;
-
– 275 – -

dies müffen fie oft thun, weil sie bloß noch eine Hand
voll Leute haben, welche das böse Beispiel nicht verfüh
ren gekonnt hat. Aus diesem Mangel an Mannszucht,
sowohl bei den Obern als bei den gemeinen Soldaten,
kann man leicht schließen, wie es mit dem Lagern bes,
schaffen ist. Man kann sich keine Vorstellung von der
Unordnung machen, mit welcher dies eine türkische Armee
verrichtet. Ohne Barmherzigkeit verstößt man gegen
alle Regeln der Anlegung eines Lagers; jeder schlägt die
Zelte nach Belieben auf, wie es bei den Hirtenvölkern
der Tartarei gebräuchlich ist. - -

Was die Lebensmittel anbelangt, so ernennt der


Großherr einen Oberaufseher (Muful-emini), der für
alle Bedürfniffe der Armee zu sorgen hat. Nie bewirbt
man sich darum, und dieser jederzeit lästige Auftrag wird
nicht gesucht, aber man thut nicht wohl, wenn man ihn
ausschlägt. … Die Wahl fällt gewöhnlich auf Leute, die
fich bei der Geschäftsleitung bereichert haben. Sie machen
Vorschüffe, die man ihnen ganz, oder nur zum Theit, nach
Beschaffenheit des Finanzzustandes, wieder bezahlt. Sie
wenden sich an die Paschas und Beys, die die Liefe
rung von Lebensmitteln für jeden Bezirk mittelf Bezah
lung bestimmen, die jedoch immer rückständig bleibt, mag
es durch Uebernehmung oder im Auftrag geschehen.
Wie schmerzlich muß es für das Oberhaupt dieses
hinfälligen Reichs feyn, wenn es sich an die vorigen
Zeiten erinnert, die noch eben nicht lange vorbei sind
Damals durfte sich die Stimme des Sultans als Kalifen
bloß hören laffen, und jeder Mahomedaner gehorchte
diesem Aufrufe, der im Namen der Religion geschah.
-
– 276 –

Das Kriegsgeschrei wurde in Europa und Asien durch


die Beylerbeys wiederholt und waren diese auch bloß
Wiederhalle, so sammelten sich doch die Paschas mit Uns
terwürfigkeit um die heilige Fahne. Einer so begeisters
ten Armee konnte der Sieg nicht entgehen; daher ersetzte
auch ihre Unerschrockenheit lange Zeit ihren Mangel an
Taktik, als man diese in Europa einführte, und er
hielt das Gleichgewicht zwischen den Osmanen und ihr
ren Feinden.
Allein nach und nach ließ sich ihre Tapferkeit, worin
ihre Stärke befand, durch die Liebe zur Ruhe besiegen,
welche die Gleichgültigkeit erzeugte, die sich mit Ge
walt der Gemüther in einem Staate bemächtigte, der
eine Beute der Raubgier von einer Menge kleiner Tyran
nen ist. Die Othomanen verloren dann unvermerkt
die köstliche Ueberzeugung von ihrer Unüberwindlichkeit,
die bisher furchtbare Nachbarn geschreckt hatte. Die
Tartaren der Krim verbargen diesen traurigen Ver
fall, und nahmen auf dem Schlachtfelde die Stelle ein,
welche ihre Bundesgenoffen verließen; je schwächer das
Contingent dieser wurde, destomehr lieferten fie. Soldaten,
alleinjetzt find sie russische Unterthanen und die Schwäche
des türkischen Reichs ist ganz offenbar worden. Die
Sache ist nunmehro so weit gekommen, daß eine heftige
Erschütterung, durch außerordentliche Ereigniffe veran
laßt, für die Türkei noch die einzige übrige Hoffnung
bleibt, um aus ihrem gelähmten Zustande herauszus
kommen.
Ihr letzter Krieg hat bewiesen, daß ihr Zustand ein
verzweifelter ist; fatt einer furchtbaren Armee, die fie
-
- 277 -

verlangt hatte, brachte sie mit vieler Mühe bloß45.000


Mann zusammen. Ali, Pafcha von Jan in a,
Tschapana Oglu, Kara - Osman - Oglu in Asien,
und der Bey von Seres blieben gleichgültig bei den
Gefahren, die sie bedroheten, und taub gegen die hö
hern Befehle, und schickten kaum den zehnten Theil von
dem Contingente, das sie an die Donau hatten führen
sollen. Die übrigen Paschas gaben ein eben solches Bei
fpiel von Ungehorsam, so daß der Sultan nicht mehr
wußte, welches feine Feinde feyn, und ob er noch Uns
terthanen habe. -

- Wenn diese Letzten jedoch diese Benennung, vorzüg


lich den Namen von Mufelmännern, rechtfertigen
wollten, so könnten sich ohne Anstrengung 150.000 Mann
in Rumelien, und 250.000 Mann in Anatolien
versammeln, um sich wenigstens der Verletzung ihresGes
biets zu widersetzen. Diese Ubersicht ist diejenige, welche
selbst die hohe Pforte aufgesetzt hat. Sie würde eine
noch weit größere Summe liefern, wenn die Habgier
eine andere Recrutierungsart gestattete, als jene der Cons
tingente, welche man in gewöhnlichen Zeiten verlangt
Dieselbe erstreckt sich nicht bis Oberafien und verschont
die Provinzen, auf welche fiefich vorzüglich fützt; denn
von den 400,000 Mann wird beinahe die Hälfte als
Sold beziehend, entweder als Lehensbesitzer, oder als
Spahis oder als Janitscharen, angesehen. Wenn
man aber die Wurzel des Uebels ausfindig machen will,
so muß man bis zu den Paschas und Ayans zurück
gehen. Gelänge es dem Sultan, sie zu unterwerfen, so
würde es keine gegen eine Befehle widerspenstigen uns
– 278 –
terthanen mehr geben. Zur Ausführung dieses schwierig
gen Unternehmens aber hat er eine große Sicherheit von
außen nöthig, und er kann auf diese nur dann Rech
nung machen, wenn eine freundschaftliche Macht einen
solchen Antheil an einem Loose nähme, daß sie ihm die
felbe verbürgte. - -

Das bisher Gesagte darf jedoch von den Mächten,


welche nach der europäischen Türkei geizen, nicht als
eine Aufmunterung angesehen werden, ihre Wegnahme
zu versuchen. Ich gestehe, das es ihnen keine große
Schwierigkeiten kosten würde, ihr ihre zinnspflichtigen
Provinzen abzunehmen; ja dieser Tag fcheint schon eine
getreten zu seyn, allein die müffen die Sache reiflich übers
legen, ehe sie sich an die Gegenden wagen, wo der Iss
lamism feste Wurzel geschlagen hat, indem sie sich nicht
schmeicheln dürfen, ihn jemalszu unterwerfen; sie haben
daher kein anderes Mittel, als ihn zu nöthigen, in fein
Vaterland zurückzukehren; dieser Kampfe würde also ges
wiß ein Ausrottungskrieg feyn. Dies ist gerade die Cris
fis, die ich als den Zeitpunkt angegeben habe, der im
Stande ist, die Osmanen umzuschaffen und ihr Reich
zu retten. ... : “
: Nun müffen wir noch die Ursachen der Auflösung
der osmanischen Heere und des Stillstandes der Kriegss
kunft bei dieser Nation angeben. Die Anzahl derselben
beläuft sich auf drei, die gleichmächtig sind und die wir
nach der Reihe durchgehen wollen. - - - - -

Zuerst rührt das Ausreißen, das vor dem Ende des


Feldzuges eintritt, von dem Mangel her, der bald auf
die Verschwendungfolgt, mit welcher man anfänglich in

---
-
-

– 279 –
Hinsicht der Lebensmittel verfährt; zweitens rührt esauch
davon her, daß sich die Türken wenig an ihre Gefan
genen erinnern; dieser Umstand, wirkt sowohl auf den
gemeinen Soldaten als auch aufden Offizier höchst nach
theilig. Je höher dieser an Rang ist, destoweniger läßt
fich die Regierung angelegen feyn, ihn auszuwechseln,
weil seineStelle schon vergeben und er ihr zur Last fal
len würde. Folgende Anekdote mag dieser Behauptung
zum Beweise dienen. .. .
s. In dem Kriege, der sich mit dem Frieden zur Pass
farowitz endigte, fiel ein russischer Offizier den Tür
ken in die Hände, welche ihn in die sieben Thürme ein
sperrten. Rußland und Preußen boten zwei Pate
schas für seine Auswechslung an, allein die Pforte schlug
diese hartnäckig aus. Eine dritte Macht übernahm in
dieser Sache die Rolle der Vermittlerin. Dies war
Frankreich, dessen Stellvertreter damals Ruffin
war, der den Grund der Weigerung und daher ein Mit
tel der Unterhandlung zu entdecken, glaubte. Durch seine
lange Erfahrung belehrt, machte er bei dem osmanischen
Minister die alte Freundschaft der beiden Mächte geltend;
erläuterte diesen Umstand gehörig, der immer miteinem
glücklichen Erfolge gekrönt worden war, und sagte zuletzt,
es würde von Seiten der Pforte nicht zu viel gethan
feyn, wenn sie einem so getreuen Bundesgenoffen den
verlangten Gefangenen ohne Auswechslung zurückgebe,
um so mehr, da diese großmüthige Handlung durch die
vorhergehende Weigerung noch glänzender werden würde.
Der Minister nahm eine nachdenkende Miene an , wie
jemand, der von einer Sache halb überzeugt ist, und
- 280 -

gefland fast ohne weiteres Ansuchen von Seiten des Umw


terhändlers den verlangten Gegenstand zu.
Die dritte von den angeführten Ursachen hat auf die
Kriegskunst unmittelbar Einfluß, welche in ihrem Zu
fande von Stockung bleiben muß, weil eine abscheuliche
Politik ihr die Gelegenheit benimmt, aus der Kindheit
herauszutreten. Die von Rußland *) unterstützte Po
litik der türkischen Regierung besteht darin, daß sie fich
der Offiziere entledigt , sobald sie sich durch ihre Talente
und ihre Tapferkeit auszuzeichnen anfangen. Sie berech
net weit weniger die Dienste, welche ihr solche Unter
thanen leisten können, als sie den Besorgniffen und den
Argwohne Gehör giebt, die fie mit Recht gegen sie fast
fen zu können glaubt. Diese verderbliche Maaßregel, zu
welcher eine feindliche Macht nur ermuntern kann, weil
fie die ersten Früchte davon erndtet, geht so weit, daß
man den Einen gegen den Andern mit Mißtrauen be
waffnet. So hat man zwei Paschas gesehen, wovon der
Eine gegen das Leben des Andern mit einem Khatti,
fcherif versehen war, Jeder suchte den Andern insge
heim zu überfallen; endlich sprach man fich, sah die dop
Pette Schlinge ein und beide zerriffen einstimmig die To
desaussprüche, deren Vollzieher und Opfer sie sein soll
"en. Wie können die Osmanen bei einem solchen Arg
wohne große Anführer erhalten? Ihre Altvordern, welche
ihre Soldaten selbst auf den Pfad des Siegs führten,
hatten keine so verderbliche Politik.
-mm-, .. . . . .“ -

9 Mieten ist Ratland wohl den unfall: es ist der


eigentliche Charakter jeder despotischen
- --- -
ist,, Uebf.
bf.
- 281 - -

Nunmehro wollen wir das Quartier der "Janitschar


ren verlaffen und uns nach der Moschee des Sultans
Bajazet verfügen, worin der Großherr das Freitags
gebet verrichten muß. Wir gehen in der Straße hin,
welcher die Säulenhallen eine Aehnlichkeit mit denen mehr
rerer Städte in Italien geben. Ich lange unter den
Mauern des alten Serails an, das Mahomed so
gleich nach der Eroberung Constantinopels anlegte,
das er aber bald wieder verließ, um sich in der ohnfrei
tig schönern Gegend niederzulaffen, wo sich der neue kai
ferliche Palast erhebt, der den ganzen Raum des alten
Byzanz einnimmt. *) , -

Die Ringmauer von Eski- Serai kann andert


halbe Meile im Umfange haben und stellt ein Fünfeck
vor. Gegenwärtig ist esder Aufenthalt der Thränen und
des Bedauerns der Größe, die nicht mehr ist und die
auch nicht wieder kommt. Man schaft den Harem des
Sultans dahin, der so eben dies Leben verlaffen hat.
Die Unglücklichen, die da schmachten, haben bloß Erin
nerungen, um die Gegenwart zu vergeffen und fich we
gen der Zukunft zu trösten. - - -

Dies Quartier ist eben so schön, als das der Ja


nitscharen. Man fieht da den prächtigen Palast, den
der berühmte Juffuf Aga, der Liebling Selims, der
Keaya der Valide" und der vertrauete Rathgeber des
Sultans erbauet hat. Alle Straßen, die an dieser
Einfaffung hinlaufen, find breit und sehr helle. Die
*) Dies ist ein Irrtum, das alte Byzanz hatte einen viel
größern Umfang. . -

t - D, Uebf.
- 282 -

Eine davon heißt der Kupfermarkt und auf allen


Seiten vernehme ich unter dem Hammer den Klang dies
fes Metalls, das eine lange Reihe von Buden meinen
Augen unter mehrern verschiedenen Gestalten zeigt, welche
insgesammt für die Küche bestimmt sind. - - -

Hätte ich mich etwas rechts gewandt, als ich, aus


dem Quartiere der Janitscharen kam, so hätte ich die
Moschee Laleli (die Tulpenmoschee) besuchen können,
die von einer schönen Bauart und mit sehr schönen Mars
mor bekleidet ist. Ihr Gipfel besteht bloß aus einer
Kuppel; an den Säulenhallen ihres zweiten Hofs findet
man mit Vergnügen die ionische Ordnung wieder, jedoch
nicht ohne einige Veränderungen; was aber dieser Mo
fchee die Theilnahme gewährt, welche sie ohne Mühe
von den Fremden, besondersvon den Franzofen, erhält,
besteht darin, daß man den Turbe" des Sultans Se
lim unter das zählt, was zu ihr gehört.
. Einige Schritte von der Laleli-Dgjamiffi ist
die Moschee Rhagib - Pafcha’s, die eine reiche
Bibliothek besitzt, welche die Liebe ihres Stifters zu den
Wiffenschaften bezeugt. Unter Os man III. wurde
Rhagib Großvezier, und seine menschenfreundlichen Ab
fichten brachten ihn auf den Entschluß, die Prinzeninsel
zu einem Lazarethe zu machen, wodurch Confantino
pel gegen die Verheerungen der Pest gesichert gewesen
wäre. Er starb und niemand war so weit Philosoph,
um diese menschenfreundliche Idee zur Ausführung,zu
bringen, oder hatte fo viel Herz, dies zu thun. Alle
Augenblicke, welche ihm keine Staatsgeschäfte raubten,
wandte er aufdas Studium der Wiffenschaften; auch ist
– 283 –
die morgenländische Literatur von ihm durch mehrere
Schriften bereichert worden, wodurch er sich bei einer
Nation mit Recht den Titel eines Gelehrten erworben
hat. Ihr Gesammttitel ist folgender: Schiffder Ge
lehrten. Man findet darin die Sittenlehre, theologi
fche, mit Scharfsinn erörterte Untersuchungen, Poli
stik, Gedichte, Artikel über die mathematischen Wiffen
fchaften. Seine Zuname Rhagib (der das Studiren
Liebende) ist zu feiner Schilderung hinreichend. - -
- In der Nachbarschaft seiner Moschee steht die Mos
fchee Murad - Paschas, die von mittelmäßiger Größe
ist, aber ein sehr schönes Ebenmaaß hat. Sie ist mit
einer Kuppel versehen und vor ihr befindet sich eine
Halle von acht schönen Säulen , wovon vier von Verde
antico, und die vier andern von Granit sind. - --
- Endlich entdecke ich die Minarets der Moschee, die
ich suche, und trete in den ersten Hof, der mit Cypress
fen, Fichten, und Platanen bepflanzt ist und zum Ba
zare dient. Die Hallen des zweiten Hofs sind mit Säu-"
illen von Verdeantico und morgenländischen Granit
verschönert. Das Schiff besteht aus einem Hauptschiff,
das aus einer Kuppel besteht, die sich an zwei Halb
kuppeln mit Blumenwerk anlehnt; die Seitenschiffe haben
jede vier Kuppeln, die in Hinsicht der Größe mit jener
in der Mitte im Verhältniß stehen. Vier Granitsäulen
tragen nebst vier Pfeilern die Hauptlast. Die Tribune
für den Sultan ist wegen der Säulen von Verde antico
und Jaspis, an der Zahl zehn, merkwürdig, auf wel
ehen sie ruht. - - - - - " : - - ,
Alles um mich her zeigt an, daß der Großherrer
- 284 -
wartet wird. Auf den dahin führenden Straßen hat
man alles weggeschafft, was sie gewöhnlich verstopft;
Offiziere der Boft andgis zu Pferde langen an, um
die Polizei unter der großen Menge Volks zu handhaben,
die sich um den Weg her drängt, den der Sultan ein
fchlagen foll.
Endlich erscheint er und ist von einem Walde von
Federbüschen umgeben, welche feine Wachen auf dem
Kopfe tragen, die in zwei Reihen marschieren. Die Bei
fallsbezeugungen, die ihn unterwegs begleiten, erwiedert
er durch eine leichte Verbeugung und durch Herabziehung
der Augenlieder, so wie er auch den trüglichen Beweiß von
Gehorsam von Seiten der Janitscharen beantwortet, welche
die Spitze auf die rechte Schulter herabfallen laffen und
dadurch dem Gebieter der Hälfe anzeigen wollen,
daß er nach feinem Belieben ihre Köpfe abschlagen kann.
Wenn der Sultan im ersten Hofe anlangt, so steigt
er vom Pferde; die Imams empfangen ihn mit Räu
chergefäßen, worin Aloe brennt; der Aga der Janitscharen
zieht ihm die Halbfliefeln aus und küßt ihm die Füße.
Der eigenthümliche Nazir der Moschee läßt ihm ein Def
fert anbieten, das aus einigen funfzig Schüffeln mit
Fruchtkörbchen besteht, die ins Serail geschafft werden.
Der Geistliche, der den Kutbe" sprechen soll, wartet,
bis ein Blick des Sultans als Oberpriesters ihm gebietet,
die erhabenen Verrichtungen des Kalifats anzufangen.
Das Gebet wird augenblicklich verrichtet, sobald der
Sultan Platz genommen hat. Es beschränkt sich auf ei
nige Verse aus dem Koran, mit Kniebeugungen und an
dern frommen oder allegorischen Stellungen begleitet,
- – 285 -

wobei die Hände eine Hauptrolle spielen; bald legt man


fie auf die Schenkel, während sich der Redner auf die
Ferfen fetzt; bald hält man sie an die Ohren, dann läßt
man fie wieder an der Seite herabfallen, wenn er aufs
feht. Wenn diese fromme Pflicht vorbei ist, so steigt
der Sultan wieder zu Pferde und nimmt den Weg nach
dem Serail hin, das er den nächsten Freitag von neuem
verlaffen muß, um dieselbe andächtige Handlung ohne
Rücksicht auf Zeit oder auf feine Gesundheit zu verrich
ten; denn die Nation, die wifen will, ob sie nicht durch
die Ränke des Harems einen andern Gebieter erhalten
hat, ist in diesem Punkte so streng, daß man den Sul
tan Osman bei seiner Rückkehr aus der Moschee zwi
fchen den beiden Pforten des Serails den Geist aufgeben
fah. Hieraus ergibt sich, daß der Sultan bald als un
umschränkter Herr gebietet, bald wieder als demüthiger
Sklave gehorcht. -

Die Mahomedaner müffen innerhalb vier und


zwanzig Stunden das Gebet (Namaz) fünfmal verrich
ten, nämlich: des Morgens, zu Mittage, gegen die
Mitte des Nachmittags, beiSonnenuntergang und in der
Nacht. Die Muetzins rufen oben von den Minarets
herab, daß die Gebetstunde gekommen sey. Ihre Töne
gleichen nicht den traurigen Verkündigungen, welche man
in mehrern Ländern der Christenheit vernimmt; ihre
Stimme, die einen religiösen Ton hat und zugleich me
lodisch klingt, erinnert vielmehr in den beredtesten Aus
drücken an eine Pflicht, die leicht zu erfüllen ist, wenn
man fiel auf eine so überzeugende Weise verkündigen hört.
Daher kann man sich nichts bereitwilliger zur Verricht
– 286 – " -

tung dieser Pflicht denken, als einen Mahomedaner;


ihn halten weder Vergnügungen noch der Schlaf von sei
ner Andacht ab, welcher bei Tage keine menschliche Bes
trachtung, so wichtig fiel auch feyn mag, vorgeht.
Alle Gebete, die Freitagsgebete ausgenommen,
kann der Gläubige zu Hause und allenthalben verrichten,
wo er sich befindet; er braucht blos Waffer zu den Reis
nigungen und entbehrt er dieses, so erlaubt der Prophet
trockene Reinigungen, die darin bestehen, daß man die
Hände auf den Sand legt. Dies gilt von der Wüste und
erklärt deutlich die moralische Bedeutung dieser vorberei
tenden Handlung, die deshalb eingeführt ist, um die
Seele daran zu erinnern, daß sie ohne Flecken seyn soll,
wenn sie sich auf eine würdige Artzu Gott erheben will.
Die Frauenzimmer find von der Pflicht des Be
fuchs der Moschee frei gesprochen; ja fiel dürfen nur in
den Stunden in dieselben gehen, welche nicht zum Ge
bete bestimmt sind, um darin keine Mannspersonen an
zutreffen; allein die Frauenzimmer, die in den Jahren
so weit vorgerückt sind, daß man die Zerstreuungen nicht
mehr zu besorgen hat, welche das männliche Geschlecht bei
ihnen erregt, sind nicht mit in diesem Verbote begriffen.
Wenn man zu der Pflicht des Gebets noch die Be
schneidung, die Wallfahrt nach Mekka, die verschiedes
nen mildthätigen Gaben, das Faften des Ramazan,
die beiden Bayrams, den Jahrestag der Geburt des
Propheten und die fieben für heilig gehaltenen Nächte
hinzufügt, so hat man ein vollständiges Verzeichniß
aller röligiösen Gebräuche, Büßungen und Feiertage,
- 287 –

welche der Islamism vorschreibt. Man fieht hieraus,


- daß diese Gottesverehrung sehr einfach ist.
Die Handlungen, wodurch man fich zum Gebete
vorbereitet, beschränken sich nicht immer auf die Reini
gungen. So oft eine Mannsperson Umgang mit einem
Frauenzimmer gehabt hat, muß sie die Abwaschung ver
richten; auch ist das Frauenzimmer dazu verbunden, wenn
es aus dem Kindbette ist oder ihre monatlichen Reini
gungen vorbei sind. - - - - - -

* Die Reinigungen erstrecken sich aufdie Füße, Hände,


Ohren, den Mund d. h. auf alle Theile des Körpers,
welche bei den Mahomedanern zur Verrichtung der
Ehrfurcht gegen den Allerhöchsten beitragen. Die Ab
waschungen bestehen in einem allgemeinen Bade.
Außer dem gewöhnlichen Namaz muß der Mai
homedaner auch noch das Leichengebet für die Ver
forbenen verrichten, so wie jenes der mit dem Tode
Ringenden, wenn er sich feiner letzten Stunde nähert.
So muß er auch das Gebet hersagen, das an einem
Schlachttage vor dem Augenblicke des Angriffs voraus
geht. So verrichtet er auch bei öffentlichen Unglücksfäl
len Gebete, wenn eine Sonnen- oder Mondfinsternis
- sich zeigt und er legt sich außerdem aus Andacht oder
zur Büßung Gebete auf, wozu er nicht verpflichtet ist,
und welche in so vielen Versen des Korans bestehen als
er will. -

Das Fasten des Ramazans, die beiden Bayram


und die Wallfahrt haben wir schon erwähnt und von der
Beschneidung wird weiter hin die Rede sein. Wir ge
hen daher zu den sieben heiligen Nächten über, die an
- 9288 -

merkwürdige Zeitpunkte erinnern, oder auch Andere von


einer eben so glänzenden als finnreichen Erfindungen vors
aussetzen. Die Empfängniß, die Geburt und die Ver
götterung des Propheten sind die Veranlassung zu der
Weihung der drei ersten. Die Nacht, welche vor jedem
Bayram vorhergeht, muß auch im Gebete zugebracht
werden. Es gibt eine Andere, worin nach dem Ge
setze die Engel, wovon zwei jedem Menschen als Wäch
ter beigegeben find, der Eine, um seine guten Handluns
gen aufzuschreiben, der Andere, um eine bösen anzumer
ken, die Jahresverzeichnisse in die Archive des höchsten
Gerichts niederlegen und von dem Oberrichter neue ber
kommen; die siebente endlich verfließt nie, ohne einige
Erscheinungen herbeizuführen und gehört eben deshalb
unter die Andachtsnächte. - -

Das Gebet, das mit dem ganzen bescheidenen Pompe


begleitet ist, durch den sich der Islamism verschönert,
ist nicht die einzige Pflicht, die man an diesen geheilig
ten Zeitpunkten zu erfüllen hat. Auch find die beiden
Geschlechter zur Enthaltsamkeit verpflichtet, und der Aber
glaube geht so weit, daß man wähnt, die Frucht, die
in diesem Falle empfangen worden sey, trage die Zeichen
der Mißbilligung des Himmels an fich.
Das Gesetz unterscheidet zwei Arten von Almofen:
4) diejenigen, wozu man verpflichtet ist, z. B. den Al
molenzehnten, und die Almosen, die man in der Abficht
austheilt, um sich von einer Sünde loszukaufen und 2)
die Handlungen der freiwilligen Mildthätigkeit d. h. die
man bloß in der Absicht thut, um fich Gott angenehm
zu machen.
– 289 -

- Der Almosenzehnten besteht in den vierzigsten


Theile seines Einkommens oder des Ertrags feines Gese
werbfleißes, wenn man durch diesen mehr erwirbt, als
NON nothwendig braucht. Die Bußgeschenke richten fich
nach der Schwere des Fehlers, von welchem sich jemand
reinigen will; die Uebrigen befimmt die Mildthätigkeit
allein. Was aber bemerkt zu werden verdient, be
febt darin, daß die Armuth die Wohlthaten der Men
fchenliebe jederzeit richtig empfängt und daß diejenigen,
in deren Hände fie kommen, sie nie zu etwas anderm,
als zu ihrer Bestimmung verwenden. Am häufigsten
erhält sie der Arme selbst unmittelbar und er findet jeder
zeit in dem Gewissen des Gebers einen sichern Bürgen
der Treue, mit welcher die Abgabe entrichtet wird.
So viel Lob jedoch die Gebote der Mildthätigkeit
und die Einfachheit des Gottesdienstes des Islamism
verdienen mag, so kann man doch auch nicht leugnen,
daß es mehr als einen Zug giebt, der ihm eine Aehn
lichkeit mit dem Aberglauben giebt. Man bewahrt z. B.
im Serail sehr sorgfältig als Reliquien zwei Zähne und
einen Bart auf, welche dem Propheten gehört haben
sollen; auch zeigt man da einen angeblichen Rock, der
nach dem Glauben jedes guten Mahomedaners dem
Waffer, in das man ihn taugt, die Eigenschaften giebt,
welche mit der Heiligung verbunden sind. Alle Jahre
wird diese Ceremonie erneuert und man verheilt das
Waffer in Fläschgen an die Großen des Reichs. Ich
könnte noch viele andere eben so lächerliche Dinge anfüh
ren; hierunter aber darf man nicht die geheiligte Fahne
rechnen, weil diese große Wirkungen hervorgebracht hat,
19
– 290 –
Auch kann ich die Art von Verehrung nicht mißbilligen,
welche die Mahomedaner den Heiligen d. h. den
tugendhaften Seelen erweisen. -

Die Moscheen sind insgesammt mehr oder weniger


reich ausgestattet und haben ihr Vermögen der Frömmig
Peit der Gläubigen zu verdanken. Die kaiserlichen Mos
scheen besitzen sehr große Güter, die noch alle Tage ver»
mehrt werden, weil die Einnahme mehr beträgt als die
Ausgabe. Die Andern schlagen denselben Weg ein und
alle haben zu ihrer Verwaltung einen Mutteveli, der
einem Nazir Rechnung ablegen muß. Der Urheber des
Vermächtniffes wählt beide und ernennt sehr häufig zum
Nazir jemanden, der sich durch einen Rang auszeichs
net. Auf diese Art erhalten gewöhnlich der Großvezier,
die Oberhäupter der Verschnittenen und die vornehmsten
Ulemas diesen Vorzug
Die Kosten für die Geistlichen und den Gottesdienst
sind nicht beträchtlich und richten sich beijeder Moschee
nach ihren Einkünften. Der größte Theil des jährlichen
Einkommens ist zu den dazu gehörigen Anstalten bei
stimmt. Diese sind nach dem Vermögen des Tempels
mehr oder weniger groß; die kaiserlichen Moscheen z. B.
haben Hospitäler für die Narren, Andere für die Kran
ken, Gasthäuser (Imarethe) wo die Studierenden der
Eollegien und die Armen ihren Unterhalt bekommen; nies
dere Schulen, (Mekte b’s); Universitäten (Medress
fes); Bibliotheken, Bäder, Chane und Turbes.
Diese Stiftungen, welche man sonst von der den Feins
den abgenommenen Beute anlegte, jetzt aber mit den Er
sparnissen des kaiserlichen Schatzes, werden nie au
- 291 -

Kosten des Staats gemacht; dieser findet vielmehr in


ihren Kaffen - Unterstützung, die er fich in Nothfällen
unter dem Namen von Anleihen verschaft und die er
späterhin mit der größten Redlichkeit wieder abträgt: die
gewöhnlichen Moscheen können bloß Einige von den er
wähnten Anstalten unterhalten; der größte Theil dersel
ben hat nur kleine Schulen.
Alle geheiligten Güter sind unter dem Namen von
Wakufs bekannt *) und bestehen aus einem großen
Theile des öffentlichen Vermögens; sie drohen sogar auch
noch den Andern zu verschlingen, weil die Moscheen nie
etwas veräußern und alle Jahre ihre Capitalien durch
neue Besitzungen vermehren. Diese Verschlingung alles
Eigenthums besorgte man einst von der Geistlichkeit der
christlichen Religion. Bei den Mahomedanern wird
dieser Nachtheil dagegen durch den guten Gebrauch
des größten Theils dieser Reichthümer wieder gut ge»
-

*) Muradgea d'Ohffon sagt von den Wakufs, folgen


" des: alle den Tempeln oder den milden Stiftungen gehö
renden Güter heißen im allgemeinen Wakf, gewöhnlich
Wa kuf. Dies Wort, welches Abtretung, Uebergebung in
gerichtliche Verwahrung, Verlaffung, Niederlegung bedeu
tet, führt gewöhnlich den Begriff einer geheiligten Sache,
eines den Bedürfniffen der Menschheit und des Gottes
dienstes aus Liebe zu Gott geweiheten Gegenstandes mit
fich. Diese Waffs sind in drei Claffen getheilt: die Erste
enthält die der Moscheen, welche so zu fagen die Kirchen
güter der Nation ausmachen; die Zweite, die öffentlichen
Wakfs oder Stiftungen zum Unterhalte der Armen und
zum allgemeinen Besten der Menschheit; die Dritte die ge
wohnheitsrechtlichen Watfs, die von den Moscheen gleich
fam zu Lehen gehen. " - -

- - - - - D. „Ueb f.
- -

– 292 –
macht, die man zum Vortheile der bürgerlichen Gesell
schaft anwendet, allein der übrige Theil, auf welchen
die Letztere ebenfalls unbestreitbare Ansprüche hat, wird
durch die treulose Verwaltung verschwendet. Indeffen
haben alle öffentlichen Anfalten im türkischen Reiche das
her ihren Ursprung, so wie ihre Unterhaltsmittel.
Uebrigens darf man nicht glauben, daß man immer
aus Frömmigkeit die Vermächtniffe macht, welche zu
Wakufs bestimmt sind; am öftersten will man dadurch
fein Vermögen dem Erbschaftsanspruche des Sultans
entziehen und diese Absicht bestimmt die Großen, es Gott
zu weihen; in einem solchen Falle wird der eigenthüm
liche Erbe zum Verwalter ernannt, wodurch er einen
großen Theil von dem Ertrage des Wakufs, noch außer
demjenigen, beziehen kann, welcher ihm in der Schen
kungsakte vorbehalten ist; doch darf dieser Letzte nicht so
beträchtlich feyn, daß er beim Sultan Verdacht wegen
der wahren Absicht des Vermächtniffes erregt; in welchem
Falle es vernichtet werden würde.
Die kaiserlichen Wakufs hat man zuerst verpach
tet gehabt, dann durch Commissionen bewirthschaften
laffen und zuletzt in lebenslänglichen Pacht gegeben, aber
immer waren sie eine Beute entweder der Pachter oder
der Rechnungsführer. Jetzt theilen sich die Mutteves
lis und das Oberhaupt der schwarzen Verschnittenen,
der Generalnazir aller kaiserlichen Moscheen, in diese
Vortheile. Die Wakufs, welche die Unterthanen errich
tet haben, werden verpachtet und der Pachtbrief muß
alle vier Jahre erneuert werden. - -

Eine fromme Stiftung ist nur dann ihrem ganzen


- -- -
- - 293 –

Inhalte nach gültig, wenn ihr Urheber vollkommen ges


fund war, als er die Schenkungsurkunde aufsetzen ließ.
Findet das Gegentheil statt, so hat sie nur zum dritten
Theile Gültigkeit. Dies gründet sich darauf, daß ein
Erbsetzer zum Nachtheile der Erben, welche ihm das Ge
fetz bestimmt, nur über den dritten Theil seines Vermö
gens verfügen kann.
Nie hat man die Güter der anfänglichen Stiftung
veräußert; blos der Mutteveli hat das Recht, vortheil
hafte Austauschungen gegen Güter, wodurch fich Er
fparniffe ergeben, zu machen; jedoch stets mit Bewillig
gung des Nazir. - - - - -

Den Namen Wakufgebt man auch den Vermächte


niffen, welche zu Stiftungen bestimmt sind, deren eine
giger Zweck das allgemeine Beste ist, wozu aber doch
jederzeit die Frömmigkeit Veranlassung giebt; denn diefe
Triebfeder zeigt sich bei allen Handlungen der Maho
medaner, wenigstens dient sie demjenigen zum Vors
wandte, was wir als die Veranlaffung. Einiger von dies
jen verdienstlichen Werken angegeben haben. So gehören
die Bäder, die Todtenäcker, die Brücken, die Brunnen
und alle Anstalten, deren Hererzählung den Artikel der
Moscheen begleitet, in diese Elaffe; auch werden sie auf
die nämliche Art, wie die frommen Stiftungen, verwaltet,
Die Moscheen haben auch aus ihren Ersparniffen
Arten von Leihhäusern errichtet, wo der Eigenthümer im
Nothfalle, und wenn er von seinen Gläubigern gedrängt
wird, so wie derjenige, den die Regierung mit Plünde
rung bedrohet, ihre Güter unter ziemlich leidlichen Bedin
gungen versetzen können. Hier läßt die Frömmigkeit die
*
– 294 –
Maske fallen; es ist von weiter nichts mehr die Rede
als von einem Verkaufe von Seiten des Eigenthümers
und von einem Ankaufe von Seiten der Moschee, so
daß sich beide Theile mit gleichem Eifer über die Zinsen
streiten. -

Gewöhnlich bestehen die Bedingungen solcher Vera


träge von Seiten des Käufers darin, den dritten Theil
des Werthes des Grundstücks zu bezahlen und von Seiten
des Verkäufers, alle Jahre der Moschee ein und ein halb
Prozent von dieser Summe zu bezahlen, welche auf das
Grundstück eingetragen ist, das er auf ewige Zeiten
behält und bei dem er alle Unterhaltungskosten bestreitet.
Auch kann er sein Grundstück mit Einwilligung des
Mutteveli und eines Abzugsrechts von dem Verkaufs-
preise verkaufen oder verpfänden. Seine Kinder beiders
lei Geschlechts erben in gleichen Theilen, aber in Er
manglung der Ersten nicht seine Enkel; denn in diesem
Falle ist die Moschee Erbe, wie sie auch in Besitz tritt,
wenn der Vertragschließer drei Jahre verfließen gelassen
hat, ohne den Grundzins zu bezahlen. Diese beiden
Bedingungen , besonders die Erste, geben dem Käufer
vor dem Verkäufer einen großen Vorzug und sind für die
Moscheen äußerst einträglich. Im Jahre 1842 bekamen
die Moscheen der Hauptstadt die Schlüffel von 7000
Häusern, die als Wakufs dieser Art errichtet waren,
weil die Pest den Eigenthümern keine Zeit zum Unter
handeln über ihre Verträge gelaffen hatte.
Indeffen ist das Gesetzbuch der Wakufs fehr voll
kommen und gewährt eine Zuflucht wider die Habgier
der Regierung, so wie es auch alle lästigen Käufe ver
- 295 -
hindert, die so leicht in einem Staate stattfinden kön
nen, wo man von der Willkühr oft zu Ausflüchten ge
zwungen wird, so daß trotz den Vortheilen, welche die
Eine von den Parteien hat, die Andere doch ihr Bestes
so berücksichtigt findet, daß sie solche Bedingungen eins
gehen kann, besonders wenn sie sich beiden Veränderuns
gen vorsieht, die zu ihrem Nachtheile eintreten können,
Dieser Gegenstand veranlaßt uns von der Beschaft
fenheit des Eigenthums in seinem ganzen Umfange zu
sprechen, das uns bis jetzt unter der Gestalt von Kriegs
lehen und Wakufs vorgekommen ist. Es kann frei
feyn und dann erhält es den Namen von Mulf; ge
wöhnlich macht diese Claffe die Ländereien aus. Die
Staatseinkünfte, die in mehrere Loose geheilt sind, wels
che Malikiane. heißen, werden auch vermittelt des
Abtrits des Mißbrauchs jedes Losses, das meistbietend
verkauft wird, Privateigenthum. Vermittelt der Bes
zahlung des Preises, den der Meistbietende giebt, und
der zehn Prozent von dieser ersten Summe, die jährlich
an den Miri bezahlt wird, genießt der Malikiane"
fakhibi auf seine Lebenszeit diese Art von Eigenthum,
deffen Einkommen auf der Grundsteuer, dem Ertrags
der Kammergüter und andern Einkünften beruht, und
in verschiedene Theile abgeheilt wird, welche den Na
men Mukata bekommen. Stirbt aber der Besitzer eines
Malikiane, ehe er noch feine erste Ausgabe hat wieder
erhalten können, so nimmt man durchaus keine Rücksicht
auf die kurze Zeit seines Pachts; bei den öffentlichen Fett
bietungen bekommen gewöhnlich seine Kinder den Vorzug,
- ohne daß jedoch diese Nachsicht eine Verbindlichkeit fey.
/

w
- 296 -
Der Defterdar hat, gleichsam von Rechtswegen,
die Malikian es zu einem Departement gehörig und
die Kadi - askers müffen die Verträge oder Schen
kungsakten aufsetzen; diese können verkauft werden und
werden sogar eben so viele Handelspapiere, die für den
Miri sehr einträglich sind, welcher bei jeder Verände
rung von dem neuen Verkaufe zehn Prozent bezieht. Die
Pachtbriefe der Wakufs, können auch vermittelt einer
BAbgabe und mit Einwilligung des Muttevelis in an
dere Hände übergehen. Alles dies dient zum Beweise,
daß die osmanische Verwaltung, sich recht trefflich auf
die Eintragungsgebühren versteht und daß die Vortheile,
die sie davon hat, fiel bereichern müßten, wenn die Vers
walter nicht ihren eigenen Vortheil, dem Staatsbesten
vorzögen. Auch ergiebt sich aus der „unsichern Form,
welche das Eigenthum fowohl bei den Wakufs als bei
den Malikian es annimmt,welchehauptsächlich den Gros
ßen und allen denen gehören, welche Antheil an der
Regierung haben, die Unsicherheit der Personen aus der
höhern Claffe und der geringe Werth, den sie gewöhn
lich aufdie Zukunft setzen, sobald sich diese über die ge
genwärtige Generation hinaus erstreckt. Dies ist eine
natürliche Folge der Verläugnung, welche die Religion
predigt und der Grundsätze, zu welchen sich die Regie
rung in Hinsicht ihrer Geschäftsträger bekennt.
Die Mulk - oder freien Güter machen vorzüglich
das Vermögen der von den Geschäften entfernten Perso
nen, welche daher die Plünderung nicht erreichen kann
und der großen Vasallen aus, die durch ihre Macht das
Recht der natürlichen Erblichkeit in ihren Familien ein
-
-
- 297 -
geführt haben. Dergleichen sind die Kara - Osman -
Oglu's, welche friedliche Besitzer des Königs der Alt
taler find*); Ali, Pascha von Janina, den man
mit Grund in dieselbe Claffe zählen kann; einige Ayans
von Rom e lien und eine noch größere Anzahl von
Anatolien. Was die Andern anbetrifft, so verwan
deln fiel auch, außer den Malikian es, die gewisser
maßen für sie eingerichtet sind und deren sie fich bemäch
eigen, ihr Vermögen in kostbare Gegenstände von einem
geringen Umfange; in köstliche Metalle, die sie gewöhn
ich vergraben und die also für den Umlaufverloren sind,
oder, wenn sie in den Verkehr kommen, so werfen fie
15, 18 Prozent, ja bisweilen noch weit größere Zinsen
ab, welche die Gefahren wieder gut machen, die man
bei der Uebertretung des Gesetzes läuft, welches aus
drücklich das Borgen auf Zinsen verbietet, besonders
wenn man sein Vermögen andern Händen übergiebt, als
feinen eigenen. Diesem Verfahren geben sowohl die ho
hen Beamten, als die Rayas, die es mit ihnen hal
ten, den Vorzug. Jedoch ist der Gebrauch, diese Art
des Eigenthums vermittelt Borgen geltend zu machen,
bloß bei den Rayas gewöhnlich: denn die Mahome
daner find ganz unwiffend in solchen Spekulationen,
wo sie immer die Rolle der Betrogenen spielen. -
Aus allem diesem ergeben sich folgende Betrachtune
gen: 1) da die Idee des Grundeigenthums im othomas

-) So viel wir wissen, hat der jetzige Sultan auch diese


Familie sich, unterwürfig gemacht und sie fast ganz aus
gerottet, - -

- -- -- D, Ue hf.
– 298 –
mischen Reiche allgemein noch wenig Reitz hat, so muß
natürlich der Anbau des Bodens vernachlässigt werden
und ein großer Theil deffelben muß unangebauet liegen
bleiben, wie dies auch wirklich der Fall ist, jedoch nach
dem Charakter der Statthalter mehr oder weniger; 2)
da die vornehmsten Unterthanen ihr Vermögen zu vers
bergen suchen, so gibt es eine große Menge Reichthüs
uner, die sowohl für den Eigenthümer alsfür den Staat
unfruchtbar sind; 3) dieser erhebt von den Wakufs keine
Grundsteuer; nichts oder sehr wenig von den Kriegsley
hen zum Vortheil der Abtheilung, welchen,diese Güter
angewiesen sind; 4) diese Verluste nebst den Verschleudes
rungen erklären hinlänglich die Zerrüttung der Finanzen
und den Zustand von Ohnmacht, den man bei allen Uns
ternehmungen dieser Regierung bemerkt. Sie hat, um
ihrem Mangel abzuhelfen, ihre Zuflucht zu einem Mit
tel genommen, das ihre Noth tagtäglich vergrößert, ich
meine die Verschlechterung der Münzen. Trotz der trauri
gen Erfahrung von anderthalb Jahrhunderten hat sie
doch noch nicht das Verderbliche einer so traurigen Spe
culation einsehen gelernt, die immer größeres Unglück
herbeiführt. /
Da wir einmal von den Fehlern der Verwaltung
sprechen, so dürfen wir auch nicht den alten Gebrauch
der Sultane mit Stillschweigen übergehen, welcher
weit mehr ihren Geiz als ihre Sparsamkeit verräth.
Durch das Beispiel getäuscht oder durch die Nationallei
denschaft verführt, glaubt jeder Sultan bei seinem Tode
einen besondern Schatz hinterlaffen zu müffen, der mit
dem Staatsschatze nichts gemein hat und worein die

- -

--
-
(

- 299 - »

großen Ertrage von den drückenden Abgaben fließen, die


von den Paschas unter dem Namen von Avanien era
hoben werden. -

- Wir wollen auch noch die Gleichgültigkeit erwähnen,


mit welcher man die Bergwerke bearbeitet, die eine
Menge kostbarer Metalle liefern könnten. Bei dieser Ge
legenheit können wir auch die Bedrückungen nicht uners
wähnt laffen, die man an den Rayas verübt, welche
eine neue Grube entdecken und ihrer Regierung etwas
davon merken laffen. In einem solchen Falle schüttet
man sogleich den Erzgang, wenn er Gold enthält, wieder
zu, weil man besorgt, man möchte zu dem Zustande
der unglücklichen Sklaven verurtheilt werden, welche die
Athenienfer in ihren Bergwerken begruben, da der .
Geiz und die Habgier desjenigen, der dies Metall glän
zen sähe, ohne Zweifel eine Menge Unglücklicher nöthigen
würden, es für seine Rechnung bis zu seiner letzten Wur
zel zu verfolgen. Doch genug von den Mißbräuchen und
Unordnungen! Wir würden damit, nicht fertig werden,
wenn wir sie alle aufzählen wollten. "
Nunmehro wollen wir unsern Weg nach der Os- -

manie hin nehmen, welche nach einem ganz andern Plane


erbauet ist, als alle die, welche wir bis jetzt geschildert
haben. Im Vorbeigehen werfen wir einen Blick auf
Ali -Pascha - Dgjamiffi, die hinter der verbranns
ten Säule liegt. Ob sie schon lange nicht so imposant
ist, als die kaiserlichen Moscheen, so bemerkt man doch
in ihrer Bauart Eleganz und an der Kuppel darüber eine -

annuthige Form. Auch der Säulengangzieht durch feine


Einfachheit und seinen guten Geschmack die Aufmerksam
– 300 –
"keit auf sich. Wir werden oft, besonders in den Quar
tieren in der Nähe der Propontis, religiöse Stiftungen
antreffen, welche Paschas angelegt haben, und welche
dieser Stadt ein Ansehen von Pracht geben; denn Con
stantinopel ist ohnstreitig reicher an heiligen Gebäus
den als irgend eine andere Stadt in der Welt.
Einige Schritte von mir sehe ich einen Türken,
der einen unglücklichen Juden mißhandelt; ich erkuns
dige mich nach der Ursache und höre, der Erste fey ein
Kharatsch-(Kopf) steuereinnehmer, der Andere ein Raya,
der sich dieser Abgabe vielleicht entzogen, und daher kei
nen Schein bei sich gehabt, daß er bezahlt habe. Pers
fonen dieser unglücklichen Klaffe sind bei jedem Schritte
solchen Behandlungen ausgesetzt, so daß diese Sicherheits
charte für die höchst nothwendig ist.
Ohne Rücksicht auf diese üble Behandlung, die er
im voraus erfahren hat, wird der Unglückliche, der in
diesem Augenblick mein Mitleid erregt, doch einer Erpress
fung ausgesetzt seyn, welche über ein sichtbares Vermös
gen geht; denn so wie alle Abgaben, ist der Kharatsch
an eine Gesellschaft verpachtet, welche außer ihrem Ge
zwinne noch die Jahrgehalte, die sie an die Minister, die
Serailbeamten, und an ihre Geschäftsführer bezahlt, und
die Geschenke wieder zu erhalten suchen muß, welche sie
den Frauen mehrerer Harems macht.
Ich gehe vor dem Sklavinnenmarkte vorbei, und ob
schon den Franken der Eintritt in denselben verboten
ist, so habe ich doch Zeit, einen Blick hinein zu werfen,
und alles das genau zu besehen, was er enthält, ehe
man mir befiehlt, mich zu entfernen: dies geschieht nicht
– 301 –
twa auf eine ehrerbietige Art, wenn ich die drohende
Mine desjenigen betrachte, der mir den Befehl ertheilt. -

Aber ich mache mir wenig daraus; ich habe die Opfer
es Völker- und Naturrechtsgesehen, die man aufgleiche
Art verkennt und mich durch den Augenschein von dem
berzeugt, was meine Vernunft nicht glauben wollte.
Jede von diesen Unglücklichen erwartet einen Herrn,
er ihr einen so milden Zustand verschafft, als man ihn
ich bei der Beraubung der Freiheit denken kann; viel
eicht gelingt es ihr, ihn so zahm zu machen, daß sie
eine Gefährtin wird. Ihre Kinder , die nicht so un
glücklich find als sie, werden freigeboren und genießen
alle Vorrechte einer rechtmäßigen Geburt, wenn auchihre
Mutter eine Sklavin bleiben sollte. Uebrigens dauert
dies nur fo lange, als ihr Herr lebt; denn nach einem
Tode erhält sie nach den Vorschriften des Korans ihre
Freiheit wieder. - -

Die Mahomedaner haben außer den allgemei


nen Anordnungen des Korans über die Sklaverei noch
ein sehr ausführliches Gesetzbuch, das durchaus keine
Aehnlichkeit mit dem Sklavencoder der gebildeten Nation,
nen hat. Aufjeder Seite schärft es dem Herrn Menschen
liebe ein; aufjeder Seite beschäftigt es sich mit der Er
haltung des Sklaven und es betrachtet ihn weit mehr
als Nebenmenschen, denn als ein besonderes Eigenthum.
Es giebt dem Herrn, wie dem Sklaven alle denkbaren
Mittel der Freilassung an die Hand, entweder daß es
die Menschenliebe und die Religion bei dieser Sache in
Anspruch nimmt, oder daß es zu einem andern Mittel
seine Zuflucht nimmt, das den Menschen zu rühren ver
- – 302 –
mag, d. h. es jetzt den Sklaven in den Stand, sich mit
dem, was er verdient hat, seine Freiheit zu erkaufen.
Die Herrn behandeln daher gewöhnlich ihre Sklaven sehr
menschenfreundlich. --

Die Sklaven sind also in der Türkei bloß wegen


ihres Namens zu beklagen, weil sie sehr häufig Herrn
haben, die weiter keine Härte besitzen , als ihren Namen.
Wenn die Sklaven nach mehrern Jahren eines ununter
brochen trenen Dienstes ihre Freiheit wieder erhalten, so
finden sie sich ganz an die Familie gekettet, welche fie
unter ihre Mitglieder aufgenommen hat; von der andern
Seite haben sie wenig Ursache, den Verlust ihres Vas
terlandes zu beklagen; ihre herabgewürdigte Gemüthsart
weiß überdieß so wenig von den süßen Gefühlen der
Freiheit, daß sie nicht einmal Lust haben, ihre Ketten
zu zerbrechen undfast immer in der Nähe ihrer Gebieter
bleiben, ohne etwas in ihrer Lebensweise zu ändern.
Dies ist jedoch nicht von den Kriegsgefangen, die man
von den Christen gemacht hat, sondern von den Abyf
finiern, Circaffiern, Georgiern und allen der
nen zu verstehen, welche von ungebildeten Nationen ab
stammen. - - - - - -
Der einzige Punkt, in Hinsicht defen die Maho
medaner gegen ihre Sklaven zudringlich sind, ist die
Religion; denn was auch ihr Beruf seyn mag, so nöthi
gen sie dieselben doch fiets, den Koran auswendig zu
lernen und mit ihnen das Gebet herzusagen. Dies ist
das auffallendste Eigenthumsrecht, das man gegen fie
ausüben sieht, allein diejenigen, von denen wir sprechen,
haben gewöhnlich so unbestimmte Religionsbegriffe, daß
– 303 –
es ihnen wenig Mühe kostet, sie einer andern Glaubens
artzum Opfer zu bringen. Daher treten sie auch ohne
Widerwillen zum Mahomedism über.
Die Franken werden gewöhnlich als Sklaven von
den Mahomedanern am wenigsten geschätzt. Vor
ihnen kommen die Circaffier, welche sogar für die
Ersten gehalten werden, weil sie mehr als Andere ver
möge ihrer Erziehung an Arbeit gewöhnt sind, deren
Zweck die Ausbildung ihrer Körperkräfte ist; nach ihnen
folgen die Abazen; alsdann kommen die Russen, die
Georgier und Mingrelier. Die Letztern haben in
den Augen der Türken wegen ihres Hangs zur Weicha
lichkeit nicht mehr Werth als die Franken.
Noch habe ich die Umgebung der Oerter nicht ver
laffen können, welche dem Beobachter so viel Stoffzum
Betrachten geben, und bleibe an der Ecke einer Neben
straße wie angezaubert stehen, um das mit den Augen
wegzustehlen, was man mir nicht sehen laffen will.–
Die Unglücklichen find mit bloßen Decken bedeckt. Bei
ihnen befinden sich die Stützen diesesgehässigen Handels,
deren schwarzbraune Hautfarbe und wilder Blick allen
- Verführungen der Schönheit trotzzu bieten scheinen. Auf
ihre Waare so erpicht, als es nur die Pferdehändlerfeyn
können, und eben so leicht bereit, sie für klingende Münze
wegzugeben, bedienen sie sich auch ähnlicher Mittel, um
fie herauszuputzen. Von Gewinnsucht getrieben,ziehen sie
in allen Winkeln der Erde aufdem Sklavenhandel herun
und beim Verkaufe bestimmt ihre Wahl bloß eine kör
perliche Untersuchung. Warum bin ich nicht in Stande,
in der Seele jener jungen Serbierin ZU lesen, die noch
w
ihre Mutter beweint, aus deren Arme man sie geriffen,
hat? Was für ein Contrast mit unsern Sitten! Im
Morgenlande werden eine Menge Ehen durch den An
kaufvon Sklavinnen geschloffen und die Weiber sind das
selbst beinahe bloß zur Befriedigung der physischen Bes"

dürfnisse bestimmt. Ihre große Unterwürfigkeit und ihr


Stillschweigen dienen zum Beweiße von dem geringen
Ansehen, das sie in der Familie genießen.
Die Osmanie, die sich meinen Blicken darbietet,
hat zwar nicht das imposante Ansehen der Moschee Ach
med, das man vorzüglich auch an der Suleimanie
bemerkt, aber sie übertrifft beide in Ansehungder Schön
heit des Plans und Durchschnittes. Ihre Vorderseite ist
von zwei Minarets begleitet; ihre Kuppel ruht auf vier
Seiten, die sich rechtwinklich durchschneiden, ohne einen
Zusatz von jenen Halbkuppeln, die wir bei andern Mo
fcheen gefunden haben. An den Hauptseiten befinden sich
schöne Säulengänge, welche in der Höhe des ersten Stock
werks hingehen und auf einem Fußgestelle ruhen, aus
welchem das Waffer durch mehrere Hähne herauskommt.
Vor ihr ist ein halbzirkelförmiger Hof oder dieser hat
vielmehr die Gestalt eines regelmäßigen halben Vierecks
mit Säulenhallen. Ihr Umfang ist von den Turbes,
Medresfes, Imarethes und andern Anstalten um
geben, welche zu ihr gehören und mit dem Tempel ver
mittelst einer Gallerie in Verbindung stehen, die ein
großer voller Schwibbogen trägt. Die Moschee und die
dazu gehörigen Gebäude sind von einem blendend weißen
Marmor, welcher sowohl dem Innern als dem Aeußern
ein Ansehen von bezaubernder Frische giebt.
- - -
– 305 –
Die Osmanie besitzt einen köstlichen Schatz aus
vergangenen Zeiten. Dies ist ein Grab von Porphyr,
das in einem Blocke von acht Fuß Länge, fünf Fuß sechs
Zoll Breite und vier Fuß fünf Zoll Höhe besteht. Man
kann mit Recht annehmen, daß ein so seltenes Stück
von einen so geschätzten Steine wohl die Asche Con
fantins hat enthalten können, weil diese nach der Ge
fchichte in einem Grabe von Porphyr beigesetzt wor
den ist. -

Sicherlich war der obere Stein, der jetzt fehlt, eck,


fäulig gehauen und mit Bildhauerarbeit verziert; vielleicht
erzählte er die Geschichte desjenigen, dessen sterbliche Hülle
er bedeckte, welche er gegen die Zeit schützen sollte, aber
war sie wahr? Dies wage ich nicht zu behaupten.
Ich verlaffe den Hof der Osmanie, um mich nach
der Moschee des Sultans S. u le im a n zu begeben.
Aber kaum bin ich einige Schritte auf der Straße ge
gangen, so muß ich schon wieder einen ähnlichen Auftritt
mit ansehen, wie einige Augenblicke zuvor. Jetzt ist es
ein Tschiaufch oder ein Werkzeug der Criminal- und
Stadtpolizei, das einige Zoll von dem Kragen der ele
ganten Feredge ohne Rücksicht auf das Geschlecht und
gewiß auch aufden Rang derjenigen abschneidet, die ihn
trägt. So straft man bei den Osmanlis die Ueber
tretung der Luxusgesetze! Ein zu hoher Kalpak wird
in den ersten Tagen der Bekanntmachung des Firmans,
der die alten Gebräuche aufrecht erhalten soll, ohne Barms
herzigkeit verkürzt. - - -

Nach Suleimans Verordnungen ist jedermann


verpflichtet, eine Kopfbedeckungzu tragen, deren Gestalt
- 20
– 306 –

und Größe genau bestimmt und wovon jedem Gewerbe


eine besondere angewiesen ist. Jede Nation hat ihre in
Hinsicht der Fußbekleidung festgesetzte Farbe. Die Ma
homedaner und die Schützlinge tragen Babuschen und
Halbstiefeln von gelbem Marokin; die Armenier haben
kirschrothen; die Griechen und Juden schwarzen.
Gegen diese Verordnung darf man nicht verstoßen, be
fonders wenn sie noch neu ist, sobald man sich nicht har
ten Strafen aussetzen will. - -

Mahomed hat als kluger Gesetzgeber bei feinen


Einrichtungen die Luxusgesetze nicht vergeffen, weil er
wohl einsah, daß der Luxus der furchtbarste Feind ist,
den eine erobernde Nation und eine Religion haben kann,
der sich bloß auf die Einfachheit der Sitten gründet.
Er verbietet alles, was diese verletzt, ohne jedoch in eine
lächerliche Strenge zu verfallen. Der Gebrauch von köst
lichen Metallen zu Putz, Gefäßen, Schmuck und Zeu
chen liefert Stoff zu seinem ersten Verbote, mit Auss
nahme einiger geringen Veränderungen, welche nach ihm
die Gesetzeslehrer eingeführt haben. Die seidenen Zeuche
sind ebenfalls den Mannspersonen verboten; bei dem An
zuge des weiblichen Geschlechts und bei Geräthschaften
werden sie geduldet. Da die Edelgesteine unter die vers
führerischen Mittel des Luxus gehören, so werden sie
deshalb von dem Gesetzgeber mit großer Strenge behan
delt, jedoch ist diese Strenge in diesen verschiedenen
Punkten nicht übertrieben. A

Die Luxusgesetze des Propheten haben noch Gültig


keit. Beijeder neuen Regierung kündigtder Sultan feine
Thronbesteigung durch strenge Verordnungen an, welche
-
– Z07 -

in dem Geiste dieser Gesetze ihren Grund haben. Allein


da er in der Einschränkung, die er von Andern fodert,
trotz dem vortrefflichen Lehren, welche die ersten Kalifen
ihren Nachfolgern hierüber hinterlaffen haben, selbst kein
gutes Beispiel gibt, so erhält er nur einen augenblick
lichen und bloß äußerlichen Gehorsam; der Feind hält
sich einige Tage verborgen, ohne daß er etwas von sei
nem Einfluffe verliert.
-
-
-
" " - - - - -- -
-
-
. ..

. . Man glaube jedoch nicht, daß das, Serail in allen


Stücken die Gesetze des Propheten öffentlich übertrete;
es gibt Punkte, in Hinsicht welcher man sie gewissen
haft beobachtet, z. B. in Rücksicht der Geschirre, die noch
immer von bloßem Porzellan find; so ist es auch mit
andern Artickeln, welche noch ganz den alten Gebräuchen
angemeffen find. Auch bilde man sich nicht ein, daß
die Türken einem zügellosen Luxus fröhnen und taub
gegen die Stimme der Religion sind. Ohnftreitig giebt
es in dieser Hinsicht Strafbare, aber man wird sehen,
wie sie sich zugleich entschuldigen. . . .“

- Ihre Pracht zeigt sich vorzüglich in Dingen, welche


sie bis auf einen gewissen Punkt von ihren Verirrungen
wegen des Gebrauchs, zu dem sie bestimmt find und der
hohen Ideen freisprechen, welche solche Neigungen vor
aussetzen. Auf diese Art find die Waffen, die Pferde
die vorzüglichsten Götzen, die sie herausputzen. Darauf
kommt der Luxus in Kleidern; allein ob dieser schon
unendlich mehr zu Grunde richtet, so fällt er doch weit
- weniger auf, als bei uns, weil er sich nicht durch etwas
Auffallendes zeigt, z. B.durch Stickereien, kostbare Edel
– 308 –

gefeinen u. f. w.. und sichmitostindischen Shawls, aus


gesuchtem Pelzwerke, begnügt.
-

Die Prunkliebe zeigt sich am meisten im Haus


fande, der bei den Großen gewöhnlich sehr zahlreich ist
und um so mehr Tadel verdient, da sie durch die Ge
schenke dem Publicum zur Last fällt, welche jedes seiner
Mitglieder von den Besuchenden verlangt. Vorzüglich
sind die Weiber Gegenstände des Aergerniffes Hinsicht
in
der Luxusgesetze, wenn nämlich diese ihre Gewalt bis in
den Harem erstrecken können, wo der Luxus zu Hause
ist, aber durch diesen Zwangszustand ist er dochzu einer
Menge Vorsichtsmaßregeln genöthigt; er kann also nicht
so gefährlich sein. - 1, - - -

- - Man überläßt also dem schönen Geschlechte die mit


Gold und Silber gestickten Zeuche, die Stickereien, die
kostbaren Steine, von welchen die Letztern sich jedoch die
Mannspersonen einen Theil zur Verzierung ihrer Waf
fen, eines Rings und einiger kleinen Staatsgeräthchaften
vorbehalten. Gold und Silber verschwenden sie auf ihr
pferdegeschirre; daher sind die Decken, die Zügel mit
diesen köstlichen Metallen
bedeckt. Auch bekommt man
bei den Großen noch einige Hausgeräthe von Gold
und Silber zu Gesichte, aber kein solches Tischgeschirr.
ueberdieß ist der Aufwandt bei Tische sehr beschränkt,
wenn man ihn mit dem unserigen vergleicht. Von der
andern Seite macht man keinen zu Festen, Bällen und
Equipagen, Theatern u. f. w. Indeffen hat, doch der
urug eine auffallende Veränderung in den Sitten der
Hauptstadt bewirkt und verkündet traurige Folgen, weil
– 309 –
man daselbst kein Ehrgefühl und keine Vaterlandsliebe
bemerkt. - - --

Das Quartier, durch welches ich gehe, ist gänzlich


von Mahomedanern bewohnt. Dies bemerkte ich
fogleich an den Jalousien, die in einem engen Gitters
werke bestehen, durch welches selbst nicht der schärfste
Blick dringen kann; so wie auch an der rothen Farbe,
welche sie von jenen der Rayas unterscheidet. JedesHaus
zeigt äußerlich einen oder mehrere mit Fenstern versehene
Vorsprünge. Die Fenster sind bisweilen Keffelhakenartig
eingerichtet, so daß man ohne Gefahr sehen kann, oder
gehen auch auf jeder Seite der Straße vor, und zwar
einander entgegen. Bei dem Baue der Häuser bemerkt
man Steine bloß an der Grundlage und am Fuße; von
da aus bestehen sie nur aus Holzwerk, das senkrecht und
in der Queere läuft; die Zwischenräume sind mit ge
brannten Ziegeln zugemauert, die man in Mörtel gelegt
und mit Getäfel von Tannenholz überzogen hat. Im In
nern ist das Männergemach (Salemnik) von dem
Aufenthalte der Frauenzimmer (Harem) abgesondert.
Die Häuser von Privatpersonen bestehen in mehrern
Stübchen, die insgesammt in einen Vorhofgehen, wohin
die Treppe führt. Durch die Konaks oder Hotels läuft
in ihrer ganzen Länge hin ein großer Saal auf venetia
mische Art, welcher den Eingang in die verschiedenen
Zimmer des Stockwerks eröffnet. Oft haben sie auch
im Erdgschoffe einen großen Saal zu Besuchen für
Mannspersonen. Da wir jetzt das Wort Besuch ausge
sprochen haben, so wollen wir auch die Ceremonien er
wähnen, die man bei dieser Gelegenheit beobachtet; dies
- - – 310 –

ist das wichtigste Kapitel der morgenländischen Höfe


lichkeit. -- -
Wenn jemand einen Andern von einem weit höhern
Range besucht, so beugt er sich bei der Anrede bis zur
Erde und thut als ob er ihm den untern Theil seines
Kleides küfen wolle; hierauf hebt er sich wieder in die
Höhe, legt die Hand an den Mund, dann an die Stirn,
den andern Arm kreuzt er auf der Brust und läßt sich
auf dem Sofa oder vielmehr auf dem Teppiche zu den
Füßen des Obern nieder, die Hände zum Zeichen der
Ehrfurcht immer mit den Aermeln seines Benisches
bedeckt. Der Hausherr dagegen erwiedert mit der Hand
den Gruß und macht eine leichte Bewegung mit dem
Körper, ohne jedoch deshalb die Ecke des Sofaszu verlas ,
fen, welche er bloß einer höhern Person einzuräumen ver
pflichtet ist. Wenn hingegen der Obere den Untern mit
feinem Besuche beehrt, so steht dieser, sobald er die An
kunft des Andern erfährt, auf, und geht ihm eine Strecke
entgegen, welche sich nach der Achtung richtet, die er ihm
schuldig ist, und indem er vor ihm vorausgeht, um ihm
den Weg zu zeigen, tritt er zuerst in den Empfangssaal,
wohin ihn derAndere, unter denArmengeführt, unten von
der Treppe anfolgt. Einen Theil dieses Ceremonielsfindet
man schon in dem höchsten Alterthume: wenn Minerva
den Telemach bewillkommnet, so geht Ulyffis
Sohn vor der Göttin her, um in den Festsaal zu treten.
Sobald der Besuchende eingeführt ist, hört ein
Client gewissermaßen auf, Herr in seinem eigenen Haufe
zu seyn. Der Andere befiehlt nunmehro daselbst und
winkt daher den Leuten, Tabakspfeifen, Sorbets, Kaffee,
- 311 - -

Wohlgerüche u. f. w. zu bringen, und giebt Befehl, die


zuerst demjenigen zu reichen, bei dem er sich befindet.
Derjenige, der den Besuch erhält, firäubt sich mehrmals,
ehe er die Pfeife anzurühren wagt; denn die Gleichheit
des Rangs gewährt allein das Recht, sie nach dem
Munde zu führen, und selbst die Raucher sind, wenn
fie in einem Fahrzeuge unter den Mauern des Serails
oder des Palastes von Dolma - Baktsche hinfahren,
fobald ihn der Sultan bewohnt, verbunden, ihren Liebs
lingsgegenstand bei Seite zu legen; aber der Sultan er
wiedert diese Höflichkeitsbezeugung ebenfalls; denn das
Gesetz verbietet ihm das Tabaksrauchen; vielleicht aus
dem Grunde, weil es als Duldung diese Freiheit der
übrigen Gesellschaft zugesteht und weil der Kalife ver
nünftiger Weise von keinem Vorrechte Gebrauch machen
kann, das gegen die Religion verstößt.
Was nun das Aufnahmeceremoniell bei den Othos
nanen anbelangt, so sieht man, daß die Großen al
lenthalben als Beschützer betrachtet werden. Daffelbe Ge
fühl schreibt beiden Theilen eine Etikette vor, welche we
nigstens dem Geiste und Grunde nach sich gleich ist, wenn
sie sich auch in den Formen unterscheidet. Die morgen
ländische Höflichkeit aber unterscheidet sich darin gar sehr
von der unserigen, daß sie dem Obern gebietet, denn
Untergegebenen im Grüßen zuvorzukommen. In einem
solchen Falle legt der Erste die rechte Hand aufs Herz
und verbeugt sich leicht; der Andere aber erwiedert dies
auf die oben beschriebene Weise.
Die Itsch - agaffis (Kammerdiener) halten fich
stets in dem Empfangsaale selbst auf, um welchen her
/
– 312 –
auf drei Seiten Sofas gehen, mit Ausnahme einiger
Fuß in den Seitentheilen; sie hören da auf, wo die Ers
höhung ein Ende hat, d. h. wo die Abtheilung der Be-2
dienung ihren Anfang nimmt. Die vierte Seite, welche
der Letztern ganz angehört, hat in ihrer Mitte bisweilen
ein Kamin, ein andermal eine Nische, in welche man
Blumen setzt, so wie auch Schränke und Gefelle, in
die man die Tabakspfeifen thut.
* Jeder Itsch - agassi hat seine besondere Verricht
tung. Der Eine muß den Kaffee zurechte machen, den
ein Anderer auf einem mit einem gestickten Ueberzuge
versehenen Brete und in Taffen herumreicht, welche bei
den Großen Untersätze haben, die mit köstlichen Steinen
bereichert sind. Der Eine trägt die Räucherpfannen her
um, der Andere gießt wohlriechendes Waffer auf die
Hände; der vornehmste Bediente ist der Pfeifenaufbewahrt
rer. Hierauf kommen die Lackeien (Tschokadars),
welche dem Herrn, die Hand auf den Hintertheil seines
Pferdes gelegt, folgen und den Teppich, den Shawl
und den Mantel tragen. Sie müffen ihm beim Auf
und Absteigen vom Pferde helfen, ihn beim Arme nehmen
und das Kleid in die Höhe heben, wenn er zu Fuße geht.
Der Dienst im Harem wird von Sklavinnen besorgt;
den Küchendienst verrichtet eine Mannsperson; die Thüre
bewacht ein Thürsteher, der am gewöhnlichsten ein Ars
menier ist. Will man seine Leute rufen, so klatscht
man in die Hände; auf dieses Zeichen kommen sie fo
gleich, aber sie laufen niemals; denn der Morgenländer
eilt bloß in Fällen einer sehr bekannten Nothwendigkeit.
Die Zimmer, in den Hotels erhalten ihr Licht durch
– 313 –
zwei Reihen Fenster, wovon Eines, über dem Andern
angebracht ist. Die obern sind Doppelfenster, in dem
Steine eingefaßt und bisweilen mit gemahlten großen
Scheiben versehen. Die Decken, welche nach dieser Ein
richtung nothwendig hoch feyn müffen, machen die Haupt
verzierung der Häuser aus; oft bestehen sie in Feldern
von Holz, welche verschieden gemahlt find; bisweilen
haben sie auch Bildhauerarbeiten, welche Blumen und
Früchte vorstellen oder auch Arabesken und andere Ge
mälde dieser Art, gewöhnlich von einer sorgfältigen Aus
führung. Die Teppiche nehmen den ersten Rang unter
den Lurusgegenständen in dem Möblement ein und um
fie zu schonen, läßt man eine Babuschen oder Sanda
len am Eingange des Zimmers stehen und behält bloß
die Meftes an, welches Schuhwerk von Marokin ist,
das man an den Pantalons befestigt hat. Nach den Tep
pichen kommen die Sofas, welche bisweilen mit schönen
Zeuchen von Damask, Bruffa, Lyon u. f. w. über
zogen find; dies sind beinahe die zwei einzigen Artikel,
worauf sich das ausgesuchte Hausgeräthe beschränkt; die
Betten bestehen in einer oder in zwei Matratzen, welche
man auf die Nacht auf dem Fußboden in dem Besuchs
zimmker selbst ausbreitet; des Morgens nimmt man fie
wieder weg und thut sie in Schränke, damit man sie
nicht fieht.
Der Gang eines Morgenländers ist gesetzt und um
fo abgemeffener oder theatralischer,jemehr er durch einen
Rang das Recht erhält, gesuchte Geberden zu zeigen,
aber in Gegenwart seiner Obern muß er diese vermeiden,
weil es sonst das Ansehen hätte, als ob er sich ihnen

/
4
- – 314 –
gleich setzen wollte. Die Osmanlis haben gewöhnlich
eine edle Haltung; sie tragen den Kopf in die Höhe und
bezeichnen beim Gehen leicht damit die Bewegungen des
Körpers. Ihre Züge sind stark ausgeprägt und ihre Ge
fichtsbildungen haben fast alle denselben Charakter von
Ausdruck d. h. eine Miene, welche stets ernst ist und
welche selten ein Lächeln verzieht. Die Manieren der
höhern Claffe würden ein vollständiges Gesetzbuch der
feinsten Höflichkeit feyn, wenn man dies Wort in einer
allgemeinen Bedeutung nähme. Man findet darin An
muth, Würde, ja Grandiöses; sie scheinen so aus
drucksvoll zu seyn, daß sie sich ein Europäer ohne
Mühe erklären kann. Man erstaunt, daß diese Nation
in andern Stücken so weit in der Verfittlichung zurück
ist, da sie doch hierin so weit vorgerückt ist. Man muß
fich aber in eine gewisse höhere Sphäre erheben, wenn
man so verfeinerte Manieren antreffen will, die sich selbst
bei den Großen verlieren, je weiter man sich von der
Hauptstadt entfernt, ob man gleich die eigentlich soge
nannte Höflichkeit bei allen Claffen findet, weil sie mit
der Religion in wesentlicher Verbindung steht.
Jetzt sind wir bei der Suleimanie angelangt.
Diese Moschee ist von einer ersten Einfaffung umgeben,
die mit Bäumen bepflanzt ist, durch die man den herr
lichen Turbes des Stifters und jenen der Rorelaine
erblickt, deren Geschichte sie beinahe zu einem fabelhaften
Wesen gemacht hat. Sie kündigt sich wie die Moschee
Achmet, die ihre Nebenbuhlerin an Pracht ist, durch
eine Außenmauer an, die mehr leere Stellen, als auss -
gefüllte zeigt. Der zweite Hof ist von Säulenhallen
d
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In:
Ist

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– 315 –

umringt, die von ägyptischen Granitsäulen erbauer sind.


Das Schiff ist von der Art, wie jemes in der Moschee
Bajazet und besteht aus einer Kuppel und zwei Halb
kuppeln für das mittelste Schiff; und auszwei Seiten,
schiffen, die auch mit Kuppeln bedeckt sind. An den
Seiten laufen Galerien hin, in welche Ausgänge gehen.
Allenthalben erblickt man Verde antico, felbst an den
Thüren der äußern Ringmauer; im Innern bewundert
man vier Säulen von morgenländischem Granit, welche
fechzig Fuß hoch sind und von der Stadt Ephesus
weggeführt sein sollen. Der herum befindliche Raum
ist voll zahlreicher Anstalten dieser Moschee, welche sehr
reich ausgestattet,und vielleicht die schönste im Reiche ist,
In der Seitenstraße erblickt man allenthalben nichts
als Kaffeehäuser, wo man das langsame Gift in Pillen
verheilt, in das mehrere Morgenländer so verliebt find,
daß sie eher dem Gesetze des Propheten als dem Opium
entsagen würden. Eine blaffe Bleifarbe, herumschwei
fende hohle Augen, eine außerordentliche Magerkeit, eine
gekrümmte Gestalt und ein unsicherer Gang verrathen
fie, so daß man sie gar nicht verkennen kann." Jeden
Tag müffen sie die Dofis dieses Opiats vermehren, weil
ches die Quelle sowohl ihrer Leiden als ihrer Freuden
ist. Indem sie die Unordnungen, welche es bei ihnen
veranlaßt, durch andere Unordnungen verbergen, beläu,
ben sie die Natur in einem solchen Grade, daß fie ihr
sogar die Kraft rauben, sich gegen eine so verderbliche
Lebensweise zu empören; ihr Leben zählen sie bloß nach
den Augenblicken von Entzückung, welche ihnen ein fünf,
licher Schlaf verschaft. Bei ihrem Erwachen nehmen fie
-

– 316 –
von neuem ihre Zuflucht zu diesem schlafbefördernden
Mittel; denn ohne daffelbe fühlen sie sogleich in sich das
Gefühl des Lebenserlöschen. -

Das Opium ist lange Zeit der Gegenstand sehr ernst


hafter theologischer Erörterungen bei den Muselmän
nern gewesen. Diejenigen, welche das Gesetz des Pro
pheten nach einem wahren Sinne in Hinsicht der hitzigen
Getränke auslegten, verdammten es; andere weniger
Scharfsichtige oder Unredliche freichen es aus der Liste
der verbotenen Sachen aus. Endlich hat der Geschmack
der Nation gesiegt und statt der Trunkenbolde, die ihren
Verstand im Traubensafte verlieren, giebt es andere noch
Unfinnigere, die sich durch Mohnsaft vergiften.
Ehe ich meinen heutigen Spaziergang beschließe,
will ich noch den Thurm der Janitfcharen beftei
gen, welcher der Suleimanie gegenüber steht und zu
jenem Palast gehört, welcher der Konak des Agas
-

ist. Dieser Thurm dient wie,jener von Galata zum


Wachtthurm, um Tag- und Nacht ununterbrochen zu
wachen. Sobald die Wachen eine Spur von Feuer be
merken, laffen sie einen eisernen Stock oben von diesem
Wachtthurme herabfallen, welcher die Wache aufmerksam
macht. Diese giebt dem Aga Nachricht davon, der sich
sogleich auf Eines von den Pferden wirft, welche stets
deshalb gesattelt stehen und in aller Eil an Ort und
Stelle verfügt; denn er muß sich zuerst daselbst einfin
den. Der Großvezier folgt ihm sogleich nach, weil er
besorgt, der Sultan möchte ihn zuvorkommen, welcher
sich eben so schnell einfindet, wenn das Feuer nicht fo
gleich wieder gelöscht wird. Er läßt Geschenke unter das
– 317 -

Corps der Spritzenleute ausheilen und bestimmt das


Haus, wo dem Feuer Einhalt gethan feyn muß und in
das er sich für feine Person begiebt. Der Großvezier
thut daffelbe und findet sich oft an Ort und Stelle, von
dem Capudan Pafcha, dem Topdgi-baschi und
allen Kriegshäuptern unterstützt, ein.
- Trotz einer so vervollkommneten und von so hohen
Personen verwalteten Polizei werden bei Feuersbrünsten
doch oft schreckliche Unordnungen begangen, deren ge
ringste die Nothwendigkeit ist, in der sich die unglück
lichen Abgebrannten befinden, sich aus den Flammen
loßzukaufen, indem sie den Spritzenleuten alle Augen
blicke Geld zuwerfen. Man hat sogar Spritzenleute ge
fehen, die statt Waffer Oel in ihre Spritzengoffen, um
dadurch die Heftigkeit des Feuerszu vermehren; werden
sie aber entdeckt, so wirft man sie ohne weitere Um
fände in die Flammen, so wie auch die Diebe, die
unter dem Vorgeben, Beistand zu leisten, den Eingang
in die Häuser mit Gewalt zu erzwingen suchen. Die
Letztern machen sich so furchtbar, daß man sich vor ihnen
noch mehr fürchtet, als vor den verheerenden Flammen 5
man verrammelt daher sogleich eine Thüren, sobald
man in den Fall geräth, fremde Unterstützung zu be
sorgen. - -

Das Feuer ist ein Mittel, defen fich die Soldaten,


bedienen, um ihrer Unzufriedenheit gegen den Sul
tan zu äußern. Der hohe Punkt aber, auf welchem ich
mich jetzt befinde, bietet nicht immer so traurige Auf
tritte dar. Jetzt z. B. können meine Augen mit Vert
gnügen aufbeiden Ufern des Hafens verweilen und eine
-

– 318 –
Strecke von mehrern Meilen (milles) übersehen, wo die
Menschen wie auf einander geschichtet sind, Ein so anz
ziehender Anblick belehrt mich auch über die Stärke der
Anziehungskraft, die aufdiesem fast unmerklichen Punkte
eine so große Menge Menschen, trotz der Verschiedenheit
ihres religiösen Glaubens, ihrer Sitten und Sprachen
versammeln konnte, welche die unaufhörlich von einander,
zu entfernen trachtet. - -

Der Herr des Palastes, wo wir unsjetzt befinden,


hat, wie schon oben bemerkt worden, einen großen Ein- A

fuß, dessen ganze, Größe, man dadurch einsehen wird,


wenn wir noch hinzufügen, daß sich der Sultan als den
Untergegebenen des Agas ansieht, weil er in dem Vers
zeichnisse der ersten Orta als gemeiner Janitschar einges
tragen ist und seinen Sold in der Caferne selbst holt.
- Zwar jetzt der Sultan oft einen Untergebenen ab,
allein bisweilen kommt ihm auch der Aga zuvor und
braucht sein Ansehen bei den Revolutionen im Serail.
Dieser schmähliche Kampf dauert seit Jahrhunderten fort,
ohne daß die Sultane noch Mittel ausfindig gemacht has
ben, den Keim davon auszurotten. - - - -

Indem ich mich wieder nach dem Hafen hin ver


v
füge, wo ich mich nach Pera einschiffen muß, gehe ich
vor dem Konak Ali Beys, eines jungen vornehmen
Herrn, vorbei, welches der Sohn eines in der Verweis
jung gestorbenen Ministers ist und bei dem ich angemel
det bin. Diese Gelegenheit will ich dazu benutzen, eis
nige Nachrichten überdie morgenländischen Sitten zu
sammeln. - - - -, - - - “ - -
Nachdem wir uns hatten anmelden laffen, brachte

4
-

– 319 – "
uns ein Tfchokadar von seinem Herrn eine Einladung
zum Eintritte. Man zieht den Tuchvorhang auf, welcher
die Stelle der Thürflügel vertritt und wir gehen auf
Ali Bey los, den wir in einer Ecke des Sofas sitzend
finden; er ist von auf einander liegenden Büchern um
geben, und hat neben sich auf einem rechtwinklichten
Brete alle Werkzeuge, die man auf einem Schreibetische
findet; er ist damit beschäftigt, auf seinem Knie ein
Gedicht in der Nationalsprache zu verfertigen. Er steht
nicht auf, um uns zu bewillkommnen, allein fein frohes
fchwarzbraunes Gesicht giebt uns zu verstehen, daß wir
ihm willkommen feyn und entschuldigt ihn hinlänglich in
unsern Augen für das Opfer, das ihm das religiöse
Vorurtheil in Hinsicht der Ungläubigen auferlegt. Er
giebt uns ein Zeichen, uns niederzulaffen und befiehlt,
daß man uns Tabakspfeifen bringe und Kaffee zurechte
mache. -

Die Unterhaltung beginnt aus dem Kreise der


Allgemeinheiten herauszugehen; ich suche ihn allmählig
auf Politik zu bringen und spreche mehrmals das Wort
Nizam - dgedid aus, allein die Vorsicht schließt mei
nem Unterredner sogleich wieder den Mund, der trotz
feiner Seitensprünge , um einen so kitzlichen Gegenstand
- zu vermeiden, mich jedoch merken ließ, daß Selims
Andenken in feinem Herzen mit unvertilgbaren Buchsta
ben eingegraben fey. Um sich aus der Schlinge zu ziehen,
die ich ihm vielleicht mit zu vieler Zudringlichkeit stellte,
ließ er den zu Scutarigedruckten Atlas bringen, schlug
ihn vor meinen Augen auf und folgte mit der größten
Theilnahme, den einzelnen Nachrichten, welche ich ihm
"

– 320 –
von den verschiedenen Ländern unserer Erde gab. Er er
kundigte sich bei mir nach unsern Gebräuchen; besonders
wollte er wissen, wie wir die Weiber behandelten. Er
war ganz erstaunt über die große Freiheit, die sie bei
uns genießen, und über das gute Zeugniß, das ich ihm
von ihrer Aufführung gab. Ich suchte diese moralische
Erscheinung vermittelt des Einfluffes zu erklären, wel
chen die Erziehung hat; - er börte mich lächelnd an und
that als glaube er mir aus Gefälligkeit, aber er fchien
mir nichts weniger als überzeugt von der Wahrheit meist
ner Behauptung und zog ohnstreitig die Unverletzlichkeit
des Harems und die Ohnmacht der Verschnittenen den
Versicherungen von der Schaamhaftigkeit vor, die durch
die eheliche Treue verbürgt ist. Er setzte seine Unterre
dung fort, fuchte eine vergleichende Schilderung uns
ferer Sitten mit den feinigen zu entwerfen, und äus
ferte bei jeder Antwort sein Erstaunen über eine so große
Verschiedenheit. Ohne Zweifel zog er die Sitten der
Morgenländer den unserigen weit vor. Als er von mei
nen Gefährten die Nachricht erhielt, ich arbeite an einem
Werke, worin ich die Tugenden der Osmanen heraus
zu heben, und die Artigkeit bekannt zu machen suchen
werde, die man bei Männern feines Standes finde, fragte
er mich begierig, ob ich auch ihn unter meinen Beweis
en anführen werde; dies versprach ich ihm um so bes
reitwilliger, da es mir Mühe kosten würde, eindring
lichere aufzufinden. Die Theilnahme, welche ich ihm
bei dieser ersten Unterredung einflößte, war fo groß, daß
er sogar die Beschaffenheit meines Vermögens zu wiss,
fen, verlangte, und eine Menge Fragen über meine
Familie an mich hat, welche nach unsern Sitten die erste
Stelle unter den unbescheidensten einnehmen würden, die
aber mit Recht zu entschuldigen sind, wenn man mit
der Offenherzigkeit der Orthomanen bekannt ist, welche
man nicht für Neugierde halten darf.
Als ein Beispiel von Zartgefühl und Uneigennützig
keit, dasgewisse Türken in ihrem Benehmen beobachten,
wollen wir folgendes anführen: ein junger Franke, den
Ali Bey kannte, besuchte diesen auf seinen Landhause;
nachdem er ihn mit einer gewöhnlichen Artigkeit behan
delt hatte, bot er ihm sein Schiff zur Rückreise an und

drückte ihm einige Goldstücke in die Hand, um sie sei


nen Leuten als Baktchische (Trinkgeld)zu geben, was
gewöhnlich geschieht. Der Franke wollte dies Geschenk
anfänglich nicht annehmen, weil er es einer ganz andern
Absicht zuschrieb, allein endlich willigte er ein; denn man
muß wissen, daß Geschenke, selbst in baarem Geld, das
Zartgefühl der Afiaten durchaus nicht beleidigen, son
dern einen wesentlichen Theil ihres Höflichkeitsgesetzbuches
ausmachen. Von der andern Seite kann man nie einen
Konak verlaffen, in welchem man einenBesuch abgestattet
hat, ohne den Tscheka dars Beweise von seiner Freige
bigkeit zu hinterlassen. Manche Mahomedaner, stets
von der ausgezeichneten Klaffe, haben jedoch, ihre Leute
fortgejagt, weil sie gegen ihre Befehle Trinkgelder ange
nommen hatten.
Ob sich schon Ali Bey mit uns unterhielt, so ar
beitete er doch fortwährend an der Vollendung seines Ge
dichts, ohne deshalb gegen den morgenländischen Anstand
zu verstoßen. Die langsame abgemeffene Art, mit der
Q1
- 322 -

er jeden Buchstaben fchreibt, erinnert mich an eine Bes


merkung über die Vorzüglichkeit der osmanischen prosai
fchen Schriftsteller vor den Dichtern derselben Nation.
Die Osmanlis besitzen mehr Besonnenheit des Ver
fandes, als Lebhaftigkeit der Einbildungskraft, und wen
den alle Mühe darauf, ihren Gedankendie gehörige Reife
zu geben. -

Ich fragte den Dichter, ob er unter feiner Nation


viele Nebenbuhler habe. Er erwiederte ,,ja!“ und be
stätigte das, was ich schon mehrmals von dem Daseyn
einer Dichteracademie in der Hauptstadt gehört hatte.
Jedes ihrer Mitglieder fügt, wie mir Ali Bey erzählte,
zu seinem Namen noch ein Beiwort, das eine besondere
Geschicklichkeit ausdrückt. So führte z. B. Selim III.
den Namen des Begeisterten, welchen er den glücklis
chen Ideen zu verdanken hatte, die ihm als Stellvertres
ter der Gottheit aufdieser Erde sicherlich vom Himmel
kannen.
Ich sprach mit Ali Bey von der Pest und fragte
ihn, ob er glaube, daß ein guter Muffelmann Vor
fichtsmaßregeln gegen fiel ergreifen dürfe. Er gab mir
zur Antwort, die Religion verbiete dies nicht, so glaube
wenigstens er und viele vornehme Leute. Nur das ges,
meine Volk ist noch ein Sklave eines verheerenden Vors
urtheils; denn selbst das Serail giebt das Beispiel von
Vorsichtsmaßregeln. Ich nahm von meinem guten Mus
fielnannte Abschied, der mir versprach, mich incognito
zu besuchen, und mich mehrmals einlud, mich an seine
Behausung zu erinnern.
Der Name Ali Bey, dessen Vater und Vorältern,
- 323 –

ein jeder unter einem andern Namen bekannt sind, ver


anlaßt mich, hier einige Bemerkungen über die Eigen
namen mitzutheilen. Diese haben bei den Mahome -
danern eine aus der arabischen Sprache entlehnte Bea
deutung. So ist Mahomed die (französische) Ueber
fetzung von Muhamed, welches Wort sowohl arabisch
als türkisch ist; Mustapha, Abdul-Hamid, Sa -
lih, Kalil find einfache oder zusammengesetzte Bei
wörter, welche folgenden entsprechen: ausgewählt,
Diener desjenigen, der unfere Lobeserhe
bungen verdient, rechtschaffen, Freund. An
dere Namen sind aus dem 1. Buch Mofis, ja sogar
aus dem neuen Testamente entlehnt, z. B. Ibrahim
(Abraham), Pfsuf (Joseph), Jacub (Jacob), Sulei
man (Salomo), Jahia (Johannes der Täufer), Ischak
(Isaak), Ismail (Ismael), Daoud (David), Khizv
(Elias), Idris (Enoch), Adem (Adam), Ifa (Jesus
Christus) u. f.w. Die Mahomedaner haben oft noch
Zunamen, welche sie besonders auszeichnen und welche
fie oft von einem Fehler, einer körperlichen Eigenschaft oder
einer besondern Lebensweise entlehnen, z. B. der Große,
der Kleine, der Buckelige, der Einäugige u. jw. Diese
Zunamen rühren auchvon den Vater, von dem Sohne; von
dem Geburtsorte oder dem anfänglichen Gewerbe her. "
Was die Familiennamen anbelangt, so kann man
behaupten, daß sie bei den mahomedanischen Nationen
nicht gebräuchlich find; denn kaum zählt man einige Häu
fer; dergleichen sind die Keuprulu's (Kimperli's), die
Kara- Osman-Oglu's, die Tschapan-Oglu's auf
- der militärischen und verwaltenden Laufbahn; die Durri
– 324 –

Zade, die Schani-Zade" (Sohn des Kammmachers)


in dem Corps der Ulemas, die wegen des Einfluffes,
den sie sich zu verschaffen gewußt haben, für sich allein
die Sitte umgestoßen haben, indem alle ihre Nachkom
men ihre ursprünglichen Namen erben. Die Frauenzim
mer bekommen ihre Namen entweder von einer in den
Jahrbüchern des Islamism berühmten Frau, z. B.
der Fatime", Alische, oder von einem arabischen oder
persischen Worte, welches gewöhnlich eine angenehme Bes
deutung hat. - -

- Die Mahomedaner gehören also unter die Völ


ker, welche bloß den einzelnen Personen, aber nicht den
Familien Namen geben, deren Eigennamen keine vorher
gehenden Spuren verrathen und auch kein Andenken
zurücklaffen. /

Nachdem wir von der Einrichtung des Personellen


bei der Artillerie der O sm an e n gesprochen haben,
wollen wir auch noch Einiges über den gegenwärtigen Zus
fand des Materiellen dieser Waffe und ihre Anstalten
zu Constantinopel mittheilen; denn außerhalb der
Hauptstadt findet man weder Werften noch Stückgieße
reien, man müßte denn die Werkstätte dazuzählen, welche
die Paschas von Salonichi, Janina und Travnik
angelegt haben, ob dieselben schon nicht ununterbrochen
arbeiten und nur Kanonen von dem Calibre der schlech
testen Art liefern. - -

Ehe die hohe Pforte von den andern Mächten die


Modelle von Lafetten, Wagen und Kanonen entlehnt
hatte, welche sie gegenwärtig befolgt, war alles, was
-

* - 323 –

aus ihren Zeughäusern und Stückgießereien kam, ganz


unförmlich, wie man noch Muster davon in den Schlöf
fern ficht, welche den Kanal des schwarzen Meeres und
die Dardanellen vertheidigen. Die Kanonen und
die Lafetten waren ganz unbeweglich; dieser Fehler er
freckte sich sogar auf ihr Feldgeschütz und die Belages
rungsartillerie, die noch immer sehr schwerfällig ist, ist
nicht ohne große Anstrengung zu regieren, sowohl wegen
der Last, die sich darauf befindet, als auch wegen des
Calibers der Stücke und der Spur der Lafetten.
Die Letztern würden den unferigen gleichen, wenn
fie nicht auf Rädern statt aufdazu paffenden Rollen ruhe
ten; dieser Unterschied ist hinreichend, fiel aller Vortheile
der Beweglichkeit zu berauben. Ihren Lafettenwändten
kann man auch die zu große Schwehre zum Vorwurf
machen.
Sie haben eine endlose Reihe von Calibers, wenn
man die alten Stücke dazu rechnet, wovon Einige dazu
bestimmt sind, Granitkugeln von 20 Zell im Durchmes
fer zu schießen; wenn man aber bei denen stehen bleibt,
für welche jetzt die Stückgießereien arbeiten, so muß man
36 und 16 für die beiden äußersten Endpunkte nehmen.
Da die Bergwerke von Trapezunt sehrreichhaltig sind,
so ist alles Geschütz, selbst das Seegeschütz von Bronze.
Es fehlt dem Lande nicht etwa an Eisen; denn wenn
man dergleichen haben wollte, so dürfte man nur die -

Gruben des Berges Hämus bearbeiten, welche noch den


Vortheil der Nähe haben, aber man bezieht es lieber aus
Siberien. - - -

Unter den Mörsern findet man die Calibers von 12,


- 326 - -

s und 6 Zoll, aber diese Geschützarten sind wie die An


dern zu schwehr. Die Pulverkammer ist bei allen cylin
derförmig. Die Lafette ist nach dem österreichischen Mo
dellgemacht und hat wie dieses eine Richtschraube. Zum
Transport des Mörfers bedient man sich eines Karren,
deffen Bauart jener der Lafette gleicht; diese Letzte hat
ihren besondern Wagen. -

Was das Feldgeschütz anbetrifft, so haben die Oss


um an ein den Fehler gänzlich verbeffert, der ihrem Bela
gerungsgeschütz eigen ist. Auch verdienen sie Lob, daß
fie die überflüssigen und sonderbaren Verzierungen ab
geschafft haben, die ihr ehemaliges Geschütz, vom hin
tersten Theile bis zur Mündung, bedeckten. Die Calibers
der Feldkanonen sind folgende: 3, 4, 6 und 12 Pfün
der; bei den Haubitzen sind sie von 5 und 6 Zoll. Die
Ersten sind nach den französischen und österreichischen
Modellen gegoffen; bei den Andern folgt man dem ruse
fischen Modelle.
Die Lafetten gewähren eine Mischung der Riffe, so
wie der Beschläge der französischen und österreichischen
Artillerie. Die Richtungsschraube, die eiserne Achse, die
kupfernen Büchsen und einige andere Stücke sind von
der ersten entlehnt; die Richtungsringe, die Hebebäu
me u. f. w. hat man von der andern genommen. Die
Kasten unterscheiden sich von den unserigen darin, daß
fie nicht so lang und ohne Radachse sind, aber man sieht
doch leicht ein, daß man die unserigen hat nachmachen
wollen: dies bemerkt man auch an der innern Verthei
lung. Uebrigens find sie nach der Beschaffenheit des
Landes zweckmäßig eingerichtet, indem man wegen feiner
-
„r -

- 327 --- -

Gebirge und aus Mangel an Straßen nur mit Mühe


fahren kann. Was die Holzarbeit anbelangt, so ist sie
fehr forgfältig gemacht.
Fügt man zu den drei beschriebenen Lafetten noch
die Seelafette, welche man neben den ersten beider Küstens
vertheidigung gebraucht, so hat man eine vollständige
Uebersicht von dieser Art von Geräthe, worin man mehr
als eine empfindliche Lücke, besonders in dem letzten Ar
tikel, bemerkt, für welchen die Maschinen bestimmt sind,
die am wenigsten beweglich find.
Top-Khane" vereinigt alle Waffenanstalten und
LNQIN sieht leicht, daß sie fremde Hände errichtet haben.
Die Stückgießerei, welche den ersten Rang einnimmt,
ist ein großes viereckiges Gebäude, rund gewölbt und
mit zwei Oefen, wovon jeder so viel Stoff faßt, als
zum Guffe von sechs Feuerschlünden erfoderlich ist; die
Einen sind Belagerungs -die Andern Feldgeschütz; ihre
Gestaltung ist übrigens in allen Stücken jener in un
fern Stückgießereien ähnlich. Beim Bohren kann man
alle Fortschritte der Kunst sehen. So ist es auch bei den
Marinearsenal. Besonders ungeschickt zeigen sich die
Türken in der Bewirkung der äußern Politur.
Die Werkstätten der Arbeiter in Eisen und Holz
sind geräumig und gut eingerichtet, und hier trifft man
alle Nationen an, welche Unterthanen des türkischen Reichs
find, die Juden ausgenommen, die sich nicht mit den
Gewerben abgeben, welche solche Arbeiten erfodern. Die
Schmieden könnten beffer eingerichtet seyn; sie concentris
ren die Hitze nicht genug. Die Magazine find schlecht
versorgt; die Arbeiten gehen nur langsam und lies
– - 328 -a

fern nicht so viel als man braucht; eine Armee fände


also in diesem Zeughause nicht Waffen genug, wenn sie
färker als 60.000 wäre.

Zwei Stunden von Constantinopel bei San


Stefano befindet sich eine Pulvermühle, die in meh
rern sehr schönen Gebäuden besteht; ihre Leitung besorgen
Armenier, die, nachdem sie in der Schule der Fran
- ken unterrichtet worden sind, diese aus der Anstalt ver
drängt haben und übrigens die Arbeiten mit der Einsicht
betreiben, die sie bei allen mechanischen Gewerben zeigen.
Die Caserne der Bombardierer enthält einen Ofen zu
hohlen Wurfgeschützen; die Marineschmieden haben noch
mehrere Andere, der Staat aber hat durchaus keine Ge
wehrfabriken. Auch würden sie für ihn überflüssig sein,
weil er eigentlich keine stehenden Heere hat und jeder
feiner Vertheidiger sich selbst mit einem Gewehre ver
--- sorgt, wie es ihm gut dünkt.
Während der nur allzu kurzen Herrschaft des Nia
za m - Dgedid waren die Janitscharen im ganzen Um
fange des Reichs verbunden, sich in der Handhabungdes
Gewehrs und im Marschieren, nach den Grundsätzen der
europäischen Taktik, unter der Aufsicht ihrer Offiziere von
allen Graden, ja oft in Gegenwart des Sultans zu
üben, der nichts sparte, um bei ihnen eine Nacheiferung
zu erwecken, die er trotz seinen unermüdlichen Anstren
gungen doch nicht regemachen konnte. Indeffen waren
die Mittel dieselben, deren fich S. u le in a n be
diente, um diese Soldaten unüberwindlich zu machen;
fie müffen also ganz ausgeartet seyn, weil solche Reize
– 329 –
alle begeisternde Kraft bei ihnen verloren haben, die sonst
so leicht auf sie wirkte.
Die Dgebedgis, welche ein stillliegendes Corps
worden waren, hatten zu Folge der in der Einrichtung
aller Waffen eingeführten Veränderung thätigen Dienst
zu verrichten angefangen, ohne Nachtheit für ihr Ge
schäft als Bewahrer der Kriegsmunition. Zugleich be
schäftigte man sich unausgesetzt mit der Versorgung der
Vorräthen für die Zeughäuser und Magazine, und rich
tete sich dabei nach dem Verbrauche, den man zu sechs
Feldzügen brauchte: dies ist für einen Staat hinreichend,
so groß auch die Anzahl seiner Feinde seyn mag.
Die neue Einrichtung ließ sich vorzüglich die Ab
schaffung der zahllosen Mißbräuche angelegen seyn, welche
das Kanoniercorps ganz unkenntlich machten, das wenige
Jahre vor dem Baron von Tott wieder hergestellt wora
den war, aber bloß mit Hülfe von Palliativmitteln,
welche es nicht lange mit den der Einrichtung ankleben
den Fehlern aufnehmen konnten. Man fing damit an,
diese umzuschmelzen und sie ganz anders einzurichten.
Um den Muth der Leute zu erhöhen, welche dies neue
Corps ausmachen sollten und das hohe Ansehen zu be
stätigen, in welchem die Artillerie bei den Othomanen
steht, räumte man ihm einen Schweif als eine besondere
Gunstbezeugung ein, welcher so viel als die Granate be
deutet, und man nahm den Topdgi bafchi unter die
Großoffiziere des Reichs auf. Sein Nazir, der auch
unter den vornehmsten Herrn gewählt wurde, genoß von
der Zeit an Vortheile, die nach dem Ansehen berechnet
waren, das man ihm verschaffen wollte. Diese beiden
- 330 -

Oberhäupter erhielten außer der Verwaltung und der ins


nern Polizei noch die Ernennung zu den verschiedenen
Graden, wie es bei den Janitscharen und überhaupt bei
allen, sowohl Militär - als Civilcorps der Fall ist, deren .
Oberhäupter von den Sultane allein gewählt werden.
- Die Corps des Nizam - Dged id zeichneten sich
durch besondere Uniformen aus, die sich nach der Dienst
art jeder Waffe richteten. Zu Selims Zeiten wurden
die Artilleristen stets in den nöthigen Wissenschaften uns
terrichtet. Die Manöuvres nahm man aus der frana
zösischen Schule; man befolgt sie noch jetzt und die Ka
moniere werden wöchentlich dreimal geübt.
Das Corps der Arabadgis wurde auch verbeffert;
nan gab ihm einen besondern Obern und übertrug die
Verwaltung desselben dem Nazir der Artillerie. Die
größte Veränderung aber fand bei den Füselieren fatt,
deren Corps nach europäischer Art eingerichtet und ge
übt wurden, allein nach Selims Tode wurde die ganze
Einrichtung wieder bis auf die geringste Spur vertilgt.
Das Füseliercorps führte die Namen Bostany - Tu
fenklichiffy - odyayhy, weil die Boftandgis ein
verleibt worden waren. Seine Befehlshaber waren ein
Capi-baschi und ein Nazir. Es befand aus 12
Regimentern (Buluks), jedes von 1600 Mann, welche
unter den Befehlen des Bin - baschi fanden. Der
Befch- yuz - bafchi-Yemen - u - yefa befehligte
fechs Bataillone, jedes von 787 Mann, und der Puz
baschi eine Compagnie von 130 Mann. Außer seinen
besondern Offizieren hatte dies Corps noch einen Befehls
haber der Artillerie, einen Train - und einen Dgebedgis
– 331 - -

befehlshaber, außerdem noch einen Adjünkten für jeden


derselben. Bei jedem Regimente befanden sich 96 Kar
noniere, 12 Top - uftaffi, 12 Top - kalfaffi, 12
Arabadgi - kalfaffi, 60 Arabadgi und 12 Sak
kas. Ein Imam und eine kriegerische Musik dienten
zur Vervollständigung des Generalstabes. Der Staat
forgte für die Beköstigung und andere Unterhaltskosten
dieses Corps, für welches der Sultan zwei prächtige Ca
fernen hatte erbauen lassen, wovon man jetzt weiter nichts
mehr als die Stelle sieht, wo sie gestanden haben.
Die Seemacht wurde bei dem Nizam - Dgedid auch
nicht vergeffen. Man schaffte eine Menge Mißbräuche
ab, und wandte viel Aufmerksamkeit sowohl auf das Per
jonelle als auf das Materielle. Alle Offiziere wurden
geprüft und man machte diejenigen zu bloßen Bewerbern,
welche aus Mangel an Unterricht auf keinen höhern Po
ften Anspruch machen konnten; man bauete mehrere
Kriegsschiffe nach den neuesten Modellen, und unterwarf
die Offiziere und gemeinen Soldaten einer Mannszucht,
- die ihnen unbekannt war; besonders machte man ver
mittelt einer strengen Verwaltung, die sich auf die Ge
, setze der Sparsamkeit gründete, den Verschleuderungen
ein Ende. Die Ausführung dieses Theils der Verord
nung wurde dem Terfana-emini übertragen, welcher
nebst dem Hafencapitän alles genau untersuchen mußte.
Die Schule wurde nach einem neuen Plane wieder her
gestellt.
Was dem Sultan Selim auch noch zum Lobe ge
reichte, das war seine besondere Aufmerksamkeit auf den
Handel. Um ihn aufzumuntern und den Fremden, die
- - 332 -
sich in feinem Reiche niedergelaffen hatten, diesen köstlis
ehen Gewerbszweig zu entziehen, veranlaßte er mehrere
Vornehme, Schiffe für ihre Rechnung abzufenden und
gestand außerdem den Rayas das Recht zu, sich diesel
ben Freiheiten zu erwerben, welche die Europäer
genießen. - - -

Zur Unterhaltung der Einrichtungen des Nizam


Dgedid errichtete der Sultan eine besondere Caffe,
welche auch ein besonderer Defterdar verwaltete, der
sogleich nach jenem des Miri kam. In diese Caffe floss
jen die Einkünfte aller Malikianes, die Zölle und die
Abgaben von dem Tabake, die erhöheten Abgaben vom
- Weine, von der Seide, der Baumwolle, der Wolle u. fw.
Diese verschiedenen Einkünfte betrugen im Jahre 1798
32,250,000 Piafter. -

Man beschäftigte sich auch mitder Verproviantirung


der Festungen und der Hauptstadt, und legte daher an
der Donau Magazine an, welche für den Unterhalt einer
Armee hinreichten, die an dieser Grenze agieren sollte.
In Constantinopel erbaute man sehr schöne Ge
bäude, um diese Stadt gegen eine Hungersnoth zu sichern.
Zur Verproviantirung wurde eine gewisse Summe be
stimmt, und an die Spitze dieser Verwaltung setzte man
einen dritten Tefterdar. Der Sultan gab die Abgabe
auf, welche im Namen des Miri von dem Getraide er
hoben wurde, und stellte defen Verkauf fast frei.

Der Almosenzehnd befcht streng genommen bloß


in 23 Prozent, welche man von den Ueberflüffigen er
hebt und welche jeder gute Muselmann seinen dürfti
– 333 – -

gen Glaubensgenoffen
geben muß. Die Blutsfreunde
welche auf die Unterstützung ihrer Anverwandten vers
möge des natürlichen Rechts Anspruch machen können,
werden von der Zahl derer ausgeschloffen, welche dies
Almosen empfangen können, das sich aufdie gesellschafts
lichen Gesetze gründet. Man trägt es in Natura ab;
so muß man auch von einer gewissen Anzahl Stücke
Vieh in dem von uns erwähnten Verhältniffe abgeben.
Von Metallen und Lurusachen muß man mit um so
größerm Rechte eine Abgabe entrichten und man braucht
bloß so viel als 120 Franken Werth zu besitzen, um der
Tare unterworfen zu werden. Der Eigenthümer ist der
Austheiler des Almosens. ( - -

Keinem dürftigen Muselmanne ist gestattet, mehr


zu betteln, als er zu seinem täglichen Unterhalte braucht.
Das eigentliche Almosen, das sich von dem Zehnten un
terscheidet, kann und muß jeden Nothleidenden gegeben
werden, von welcher Nation und Religion er auch feyn
mag. Der Sultan und die Großen predigen durch ihr
Beispiel die Ausübung der mildthätigen Tugenden.
D'Ohffon, dessen Ansehen in Hinsicht seiner Wahrs
heitsliebe als Glaubensartikel angenommen werden kann,
erzählt nach osmanischen Schriftstellern, Osman I. habe
außer den zahlreichen milden Gaben, die er an die Witt
wen und Waisen verheilt, alle Tage in seinem Palaste
Tische für die Armen decken laffen, wo alle diejenigen,
die sich wegen dieser Benennung rechtfertigen konnten,
Platz fanden; der Fürst habe selbst bei diesen Mahlzeiten
den Vorsitz geführt und oft eigenhändig die Speisen auf
gesetzt. Nach so schönen Beispielen darf man sich nicht
-
-

- 334 „–

mehr über die Mildthätigkeit wundern, welche die Maa


homedaner überhaupt beseelt, und welche sich als Ei-
ner der charakteristischen Züge bei den Türken zeigt.
Grabmähler der Seeligen (Welly) trifft man häu
fig in den Städten und Dörfern an. Besonders hat
jede von den Ersten mehrere Capellen, wo man vier bis
fünf verehrte Grabmähler sieht; auch an den Wegen be
kommt man in der Nachbarschaft der Brunnen derglei
chen zu Gesichte. Mehrere Sultane hat man unter die
Seeligen versetzt; unter diesen nehmen Bajazet II. Mas
honed II, Selim I, Suleiman der Gesetzge
ber, den ersten Platz ein; wirklich find sie die Größten
unter den Osmanen, und ich wundere mich nicht,daß
sich ein Osmanli ihren Grabmählern mit einer heiligen
Ehrfurcht nähert. - - -

-- Die Bewohner der türkischen Häuser find in der


Kunst der Bequemlichkeiten, welche eine glückliche Ein
theilung gewährt, noch sehr unwiffend. Die einzelnen
Stuben stehen nur durch Nebengänge mit einander in
Verbindung. Auch haben sie keine größern Fortschritte in
den dazu gehörigen Gebäuden gemacht; alle ihre Häuser
fehlen von der Seite des Edeln und die Baumaterialien
sind sehr gebrechlich.
Die Aufsicht über die öffentlichen Gebäude und Pri
vathäuser ist einem Generalinspektor anvertrauet, welcher
dem Titel Mimar - aga führt. An ihn wenden sich
die Privatpersonen, um die Erlaubniß zum Bauen zu
erhalten, und richten sich genau nach einem Ausspruche
in Hinsicht der Höhe und Abmeffung, oder sie kaufen auch
von ihm die Erlaubnis, sich davon zu entfernen. Die
–, 335 - -
Höhe der türkischen Häuser ist auf funfzehn Ruthen;
jene der Rayas auf dreizehn bestimmt, allein dem
Mimar- aga stehen eine Menge Mittelzu Gebote, die
fen Anordnungen auszuweichen; indessen zeigt er sich doch
in Absicht der Höhe strenger; dies geschieht wegen der …
Erdbeben, die jedoch feit einigen Jahren wenigerzu fürch
ten sind. Unter feinen Befehlen stehen alle Baumeister,
die sehr häufig ganz unwissend find und weiter kein Ver
dienst haben als die Gunst des ersten Ministers, welcher
sich diese theuer bezahlen läßt. - -

- - - -
- --
-

- -
- . --

Eilft er Spaziergang.
Das Thal des Großherrn. -
Beschreibung der Treppe des Großherrn und
von Tokat – Der Großherr macht Benische;
Dschgerid spiel; – Einfluß der Geschenke
im Morgenhande. - --

An dem thrazischen Bosphorus auf der asiatischen


Küste ist ein Thal, das reichlich mit klarem Waffer ver
sehen ist; sein beständiges Frühlingsgrün und der blaue
Himmel, der selten durch Wolken verdunkelt wird, ver
breiten über die Landschaft ein jugendliches Ansehen, ei
nen Ueberfluß an Leben und ein frisches Colorit. Die
4 Gegenstände zeigen sich da, mit einer durchsichtigen Gaze
verschleiert; alle Sinne werden zugleich zum Genuffe ein
– 336 –
geladen; die Seele wiegt sich in ein liebliches Vergnügen
ein. Alles athmet Wohlgerüche und eifert um die Wette,
den Wanderer zu feffeln und zurückzuhalten. -

" Wenn man durch diese bezauberten Oerter wandelt,


so stößt man bei jedem Schritte auf gekrümmte Wege,
die den Wanderer einladen, ihnen zu folgen und sich in
der bezaubernden Einsamkeit zu vertiefen, in welcher sie
sich selbst verlieren; Bäche, die vom Thau des Him
immels genährt werden und die ihn durch ihr liebliches Mur
meln an ihre blumigten Ufer locken, und Schatten, die
ihn durch ihre Kühlung zu feffeln suchen.
Der traurige Gesang des Nachtvogels läßt sich da
nicht vernehmen; die Wäldchen von Lorbeer, Jasmin und
Erdbeerbäumen, welche an den Seiten hinlaufen, die
sich amphitheaterförmig um die Ebene her erheben, wer
den bloß von Nachtigallen, Grasmücken und Turteltau
ben besucht, welche die Strenge des Winters selten nd
thigt, ihren friedlichen Aufenthalt zu verlaffen. Der gie
rige Jäger wagt daselbst keine Unruhe zu verbreiten, und
die Art schont die Eichen, Fichten und Cypreffen, welche
die Gipfel der Berge bekränzen, bis auf die spätesten
Zeiten. - -

Der Hintergrund des Thales ist von hohen Plata


men, weißen Pappeln und majestätischen Eschen beschaf
tet, unter denen das Licht bloß einen lieblichen und ge
mäßigten Schein verbreiten kann. Die Kühlung, die
noch durch das Waffer erhöhet wird, scheint es zu ihrem
Tempel gemacht zu haben, und trotzt da der Mittagss
gluth. Das Meer, das seine Mündung bespült, schickt
Thm ein leichtes Lüftchen zu, das sanft die Blätter bei
"– 337 –
wegt, deren angenehmes Zittern, mit dem Gesange der
Vögel und dem Geräusch der Wellen verbunden, allein
die daselbst herrschende Stille fört. Hier und da erblickt
man durch die Schatten einige Häuser, die entweder auf
den Hügeln zusammengroupirt, oder an ihrem Fuße zer
freuet stehen. An den Bache, der, wenn er alle von
den Bergen herabkommenden Gewässer gesammelt hat,
fie ins Meer führt, erhebt sich eine dem Gewerbfeiße
gewidmete Fabrik, den ein Monarch, der ein Freund der
Bildung war, vergebens bei den Osmanlis zu feffeln
gesucht hat. Dies schöne Gebäude, das auf einem klei
nen Hügel steht, beherrscht die Gipfel der Nußbäume
und der Platanen, die ihre dichten Zweige bis an seinen
Giebel auszudehnen wünschen. Bisweilen stößt man
auch auf das Grab eines frommen Muselmannes,
der wünschte, daß seine Asche an dem Orte ruhe, wo
er so gern einen Träumereien nachgehangen hatte.
Der Kastanienbaum wächst da an den Abhängen,
welche die Nordwinde abkühlen, die ihn der Lorbeer
baum, der die Mittagssonne liebt, gern zu überlaffen
wünscht. Zu seinen Füßen wächst die jungfräuliche Rebe,
der Epheu mit rohen Früchten, der Wunderbaum, welche
von der Erde emporsteigen, fich an ihre Zweige hängen,
ihren Gipfel erreichen und wieder herabfallen, indem sie
eine grüne Kuppel bilden, welche der Frühling mit Blu
men ziert, die in der Folge durch die bunten Farben
des Herbstes ersetzt werden, welcher dies gebrechliche Ge
bäude bald purpurroth färbt, das endlich der Nordwind
zerstört.
Indem man dem Laufe des Baches folgt, welcher
22
-

– 338 –
das Thal bewäffert, trifft man von Zeitzu Zeit Spring
brunnen von weißem Marmor, aber von einer einfachen
Bauart an, welche jedoch mit dem Hauptgegenstande
übereinstimmt. Ist man allen Einfällen seines Führers
gefolgt, so befindet man sich in einer völligen Einöde,
wohin man zuerst hingekommen zu seyn glaubt, wenn
man nicht Becken, Denkmäler der kaiserlichen Pracht,
sähe, in denen das Waffer einen Augenblick im Schata
ten von Thränenweiden auszuruhen scheint, um darauf
wieder zu entwischen und von neuem herum zu wandeln.
Hier nähern sich die Berge und schließen das Thal im
mer enger ein; ihre Rücken sind mit einem dichtern -
Wald bewachsen; das Grün scheint noch frischer und der
Himmel noch bläuer.
Bisweilen erblickt man in diesem Thale einen Was
gen, der von zwei Ochsen gezogen wird, und einen Trupp
Unglücklicher trägt, welche die Langeweile aus dem Ha
rem vertrieben hat, die sie sogar in diese kühlen Schat
ten verfolgt. Ihr Wächter sucht für sie die größte Ein
öde auf; keinen Augenblick verliert er seine schüchternen
Schäfchen aus den Augen. Man sieht ihn um seine
Heerde herumgehen, die Augen auf die Gefahr gerichtet,
die sie bedrohet oder die das Mißtrauen erdichtet, um
ihn wachsam zu erhalten; ja er thut auch, als ob er
schlafe, um Strafbare zu überrachsen und Opfer zu
erhalten. - -
Dieselben Oerter zeigen auch oft erbaulichere Ge
mälde, welche mehr mit dem Schauplatze im Verhältniß
stehen. Dies sind ernste Muselmänner, mit stolzem
Schritte, einer edlen und gesetzten Haltung, deren wich
-

*
– 339 –
tiges Aussehen so gut mit der weiten Kleidung überein
stimmt, die sie verschönert. Durch die Andacht benach
richtigt,daß die Gebetstunde geschlagen hat, bereiten sie
sich zuerst durch Abwaschungen vor, um sich von jedem
körperlichen Schmutze zu reinigen; hieraufbreiten sie ihren
Teppich aufdem Grafe aus, richten ihre Aufmerksam
keit auf das Wesen, das sie anbeten wollen und werfen
sich vor ihm auf die Knie, umgeben von allen Wundern
der Schöpfung, wie in seinem heiligsten Tempel nieder. -
Das Thal des Großherrn muß man vorzüglich im
Mai besuchen, wo der Rasen, einen so reichen Teppich
gewährt, daß man nicht weiß, wo man den Fuß hin
fetzen soll. Hier genießet oft der Gebieter eines großen
Reichs, von der Kühle der Gegend eingeladen, dies
Vergnügungen, welche die einzigen sind, die eine Nation
kennt, welche man noch für ein Nomadenvolk halten
sollte, wenn man sie nach ihren Neigungen und Sitten
beurtheilt. Mit dem ganzen asiatischen Pompe verfügt
er sich dahin, in den sich die Beherrscher des Morgens
landes wie in eine Wolke hüllen. Unter den dichtesten
Schatten werden sogleich Zelte aufgeschlagen; Gold, Stika
kereien, wo Damask alle Hülfsquellen seiner Kunst
erschöpft; ; die reichsten Teppiche, die Perfie n; zu
verfertigen gewußt hat und die man ausbreitet, werden
mit dem Grunde des Gemäldes in Widerstreit gesetzt;
in einem Augenblicke verändert sich die Scene; sie zeigt
ein tartarisches Lager, das durch den Luxus des Mor
genlandes entstellt wird.
Der Schiedsrichter so vieler Geschicke, dessen Tage
aber eben so unsicher sind, wie jene seiner Unterthanen,
-
– 340 -

nimmt sogleich auf einem durch die Weichlichkeit aufges


richteten Throne Platz. Sein Zelt feht vorne offen,
damit er sich umsehen kann, oder damit ihn auch die
Volksmenge, die sich herandrängt, sehen kann. Wie
aufmerksam ist alles, was sich feiner Person nähern darf,
um ihn zu bedienen! : Seine Befehle giebt er durch Zei
chen zu erkennen, und hundert Personen, deren Augen
ununterbrochen auf die feinigen gerichtet sind, eilen fo
gleich herbei, um fielauszuführen. Man sieht eine Menge
Pagen gewissermaßen Schwenkungen machen; sie drän
gen sich um fein Zelt her, und verschwinden rottenweise
in demselben Augenblicke wieder. Ein Einziger hat das
Recht, stets um seine Person zu bleiben; seine Beschäft
tigung besteht darin, die lästigen Infekten zu verscheu
chen, welche seine Ruhe stören könnten:
: Diese jungen, dem Scheine nach verweichlichten Pa
gen, deren elendes Daseyn man sich zu beklagen versucht
fühlt, schwingen, sich mit der größten Gewandheit auf
unbändige Pferde, die "fie mit Herculeskraft regieren,
Mit Blitzesschnelle reiten sie dahin und brennen vor Bes
gierde, das Ziel zu erreichen. Hierauf bewaffnen sie ihre
Arme mit einem Wurfspieße (Dscherid), und jagen einans
der; der Eine flieht vor dem Andern, der ihm auf dem
Fuße: nacheilt, seinen Spieß in der Luft schwingt, ihn
wirft und sich sogleich umwendet, während der Besiegte,
von Ehrgeiz getrieben, den Pfeil im Rennen aufhebt,
oder sich defelben auch im Fluge bemächtigt, seinen Gege
ner wieder einholt, ohne ihm Zeit zu laffen, sich feiner
Rache zu entziehen und ihn trotz den Krümmungen er
reicht, vermittelt, welcher er ihm zu entkommen sucht. -
- 34f --

Auf die Wettrennen zu Pferde folgen Wettrennen zu


Fuß; alsdann kommt das Bogenschießen; das Wetts
kämpfen krönt diese Uebungen und die Sieger erhalten
zur Belohnung für ihren Sieg einige gnädige Blicke von
dem Richter, der sie sich von nun an merkt.
Auf die Spiele folgt die Mahlzeit, welche dem Suls
tane von feinen Pagen auf einer zahllosen Menge von
Metallscheiben gereicht wird. Hier fieht man trotz der
Menge von Gerichten und den unendlichen Gestalten,
unter welchen sich dieselben Nahrungsmittel verbergen,
doch mit Vergnügen Frugalität und Mäßigung herra
schen. - -

Alle diese Gerichte zeigen fich gewissermaßen nur,


um sogleich wieder zu verschwinden. Die Einen werden
leicht mit dem Zeigefinger und den Daumen berührt oder
auch kaum mit dem Löffel gekostet; während die Andern
schon wieder weggewiesen werden, ehe sie noch gesehen
worden sind. Man trinkt Waffer; der Reis und die Paa
fteten, die mit Honig und Zucker gewürzt sind; der Bras
ten oder mit Gemüse vermischtes Fleisch machen bei den
Mahomedanern die Gegenstände der Kochkunft aus.
Der Gesandte einer großen Nation bei der Pforte,
der Eine dieser ländlichen Partien und die Vorrechte bes
nutzte, welche der Gebrauch geheiligt hat, ließ dem Suls
tan ein Deffert überreichen, das eben so reich als dem
Gegenstande angemessen war. Der Sultan nahm es mit
einer Art von Erstaunen an und ließ den Dragoman
mit einem Kaftane bekleiden, der es ihm zu überreichen
den Auftrag hatte; zugleich befahl er, ihm eine Börse zur .

schenken. Im Morgenlande sind Geschenke ein alter Ges . .


W , - 342 -

brauch; durch sie werden Verständniffe angeknüpft und


Freundschaften geschloffen und sie unterhalten auch beide;
allein was durch Menschenhände geht, das wird auch
verdorben. Jetzt sieht man die Großen in der Türkei
bloß geben, um destomehr zu erhalten und mit der schön
sten Tugend ein schändliches Gewerbe treiben.
In den übrigen Klaffen der Gesellschaft hat sich dies
fer Gebrauch reiner erhalten, und oft sind Gegenstände
von keinem inneren Werthe hinreichend, um die Freund
schaft zu unterhalten. Bei den Morgenländern haben
Geschenke nichts Herabwürdigendes, wenn sie auch in
Gelde bestehen. Sie find in allen Klaffen gewöhnlich,
besonders muß man dergleichen seinem Obern geben und
wäre es auch nur eine Blume, so reicht man sie ihm.
Dies thun die Sklaven und Diener gewöhnlich gegen ih
ren Herrn bei Veranlassungen, wo Glückwünsche erfoder
lich sind. - - - -

- - Nach dem Thale des Großherrn find die Gegenden,


welche der Sultan gern besucht, folgende: die süßen
Gewäffer von Europa und Asien, Fener-Bakt
fche, Scutari, der Fuß des Berges Bugurlu, die
Thäler und die Anhöhen von Befchik - Tafch, Sul
tanie und die Wiese von Bujuk - Dere. In der
schönen Jahreszeit endlich besucht er alle Ruhepunkte,
welche der Bosphorus gewährt, indem er gewöhnlich
in der Woche zwei Tage diesen ländlichen Partien widmet.
" Diese bekommen den Namen Benische, wenn sie
Bezug auf den Großherrn haben. Genießen Untertha
nen solche Zeitvertreibe, so heißen die Keif's. Dieses
Wort, das Eines der gewöhnlichsten der türkischen
W.

– 343 -
Sprache ist und das alle Augenblicke aus jedes Munde
kommt, trotz den zahllosen Feinden, die es verbannen
wollen, entspricht unsern Worten Freude, Zufries
denheit, Heiterkeit, die man bis auf den höchsten
Grad treibt, bei den Morgenländern aber drückt es
Seelenfriede, jene glückliche Gemüthsstimmung aus,
welche zu füßen Rührungen geneigt macht. -

Wenn der Großherr Einige von den ländlichen Oer


tern besuchen will, welche ihn nach der Reihe anziehen,
fo fährt eine große Menge Fahrzeuge voraus, wovon
Einige seine Beamten, seine Pagen und Wachen; Andere
feine Pferde, eine Lagerungsgeräthschaften u. f. w. füha
ren. Ein Kaik, mit einer rothen Decke verziert, die
man wie einen Baldachin über die Stelle gezogen hat,
welche er einnimmt, die Candgia Batsch (Vordertheil
mit Haken) heißt, bringt ihn nach feiner Bestimmung.
Ein Anderer, der auf dieselbe Art verziert ist, fich in
einer Vorderspitze endigt und Feluka heißt, führt ihn
ins Serail zurück. Diejenigen von feinen Beamten,
welche ihm unmittelbar vorausgehen müffen, setzen sich
aus Ehrfurcht so, daß sie ihm das Gesicht zukehren, d. h.
sie wählen eine Stellung, die gerade das Gegentheilvon
derjenigen ist, welche im Fahrzeuge bei jeder andern
Gelegenheit gewöhnlich ist. Diese Zurüstung, so wie die
Etikette, welche man bei den Benifchen beobachtet,
find von den morgenländischen Kaisern entlehnt, die, fo
wie die gegenwärtigen Beherrscher von Constantinoa
pel, eine Menge Lufthäuser an den Ufern des Bos
phorus besaßen und sich mit einem nicht weniger aufs
fallenden Pomp dahin verfügten, besonders als ihnen -
- 344 -

bloß noch die Eitelkeit übrig blieb, um sich wegen der


wirklichen Verluste zu trösten, die sie erlitten hatten.
Die Sultaninnen machen sich auch ländliche Ver
gnügungen und bringen alsdann sehr oft die ermüden
den Rangunterschiede der liebenswürdigen Freiheit zum
Opfer, welche das Incognito gewährt. In diesem
Falle fahren ihre Wagen unter den andern Kotschis,
die aüf der Wiese herumfahren; das Einzige, was fie
den Augen des Fremden verrathen kann, ist die Zurück
haltung, welche die Spaziergänger bei ihrer Annäherung
beobachten. Kommen sie aber als Sultaninnen, fo
begleiten fiel die Mauern des Harems dahin; nur begnügt
man sich, sie nicht so engdamitzu umgeben. Wenn sie
aus ihren Palästen kommen, so gehen sie zwischen zwei
Tapetenwänden hin, welche man an den Seiten des
Wegs errichtet hat, der sie nach dem Kaik führt; die
Schiffer werden vor ihrer Ankunft entfernt und kehren
erst zur Ruderbank zurück, wenn sie der Verschnittene,
unter defen Bewachung fiel ausgehen, in die Zelle eins
geschloffen hat, welche dazu bestimmt ist, sie den Augen
der Ungeweiheten zu entziehen. Sind sie am Lande an
gelangt, so stellt sich eine Compagnie Boftandgis in
Reihe und Glied um sie her und bildet einen Kreis, dem
fich kein Sterblicher nähern darf. .
Von Tokat kann man in weniger als einer Stunde
nach der Mündungdes Thaleskommen. Man geht eine zeit
lang an der Seite des Berges hin, das mit Buchsbaum, wil
den Pflaumenbäumen, Eichen und Kofitanienbäumen be
schattet ist; man nimmt feinen Weg durch Gemüsegärten,
welche den Hintergrund des Beckens einnehmen und läßt
- 345 -. --

sichnichtdurch die Hindernisse abschrecken,welche eineMen


ge Gefräuche in den Weg legen und langt endlich oben auf
der platten Erhöhung an. Von diesem Punkte aus hat
man noch einenFlintenschuß weit bis zum Riesenberge,
wohin ein breiter sanft abhängiger Weg führt. -

Gottfried von Bouillon und feine Kreuzfahrer


lagerten sich im Jahre 1097 im Thale des Groß- .
herrn, weil ihnen Alexis den Eintritt in die Haupt
stadt verboten hatte.
Wenn der Sultan das Thal des Großherrin
wählt, um Benifche zu machen, so gebietet die Eti
kette dem französischen Botschafter als Einwohner von
Terapia, ihm ein Deffert zu schicken, das aus meh
rern Scaalen mit Zuckerwerk besteht. Wählt er die
Wiese von Bujuk - Dere, so verrichten die Gesandten,
welche ihre Lusthäuser in diesem Dorfe haben, diese Ob
liegenheit, zu der alle verpflichtet sind, wenn der Groß
herr das Collegium von Galata - Serai besucht, das
in Pera liegt. In diesem letzten Falle beeifert sichjeder
Gesandte um die Wette, den Andern an Freigebigkeit zu
übertreffen. - -

Zwölfter Spaziergang.
Die Khans, Tschiartschis, Bazars und Befestins.
Erklärung dieser verfchiedenen Namen und
Beschreibung der Gebäude, die sie führen –
Mechanische Künste– Antheil, welchen jede
" – 346 –
der vier Nationen, nach ihren verschiedenen
Neigungen, daran nimmt – Die Osmanlis
zeichnen sich durch eine Rechtlich ke it
ohne Mißtrauen aus – Das Gewerbe des
Arztes und die Heilkunst in der Türkei –
Kleidungsstücke und die Toilette. *
W.

D. Khans find diffentliche Gebäude, deren Erbauung


man den Großen oder auch gemeinen Mahomedanern
zu verdanken hat; die Ersten laffen sich durch Eitelkeit,
die Andern durch Frömmigkeit dazu bewegen, und wids
men der Errichtung und Unterhaltung solcher Anstalten
Vermächtniffe, die mit ihrer Größe im Verhältniß fes
hen. In den Städten dienen sie den Kaufleutenzum Nie
derlagsorte, die sich da nebst ihren Waaren einquartieren
und dafür eine mäßige Abgabe bezahlen, welche die Auf
feher einnehmen, ohne zu besorgen zu haben, daß sie,
wie in unsern Wirthshäusern, eine Beute der Raubsucht
und der Unredlichkeit werden. Den Namen Khan giebt
nan auch andern Anstalten, welche Caravanerais
heißen, und an den Straßen in gewissen Entfernungen
zur Aufnahme der Caravanen erbauet sind. Diese letz
ten Gebäude, die meistens in sehr geräumigen Pferde
fällen bestehen, sind die einzigen Zufluchtsörter, welche
der Reisende in der europäischen Türkei antrifft, wenn
er zu der Klaffe der Ungläubigen gehört; ganz anders
aber ist es in Asien. -

In der Hauptstadt befindet sich eine große Menge


eigentlicher Khans; wir wählen den Valide Khan,
W

- 347 –

um eine Beschreibung von solchen Gebäuden zu geben,


welche in Ansehung ihrer Ansicht und Eintheilung, viel
Aehnliches mit den Wirthshäusern in Italien haben.
Es sind große Gebäude von einem oder zwei Stock
werken an den Seiten viereckigter oder rechtwinkligter
Höfe, die auf einander folgen; um das Erdgeschoß und
das unterste Stockwerk laufen inwendig steinerne Hallen,
welche in die Stuben führen, die von einander getrennt
und mit Kaminen versehen sind, allein fie unterscheiden
sich von den Gebäuden, mit denen wir sie verglichen ha
ben, darin, daß sie einen sichern Zufluchtsort gegen Feuers
- brünfte gewähren.
-

Bazars nennt man die Märkte, die an bestimme


ten Tagen auf den öffentlichen Plätzen und den Straßen
gehalten werden, wo man vorzüglich Lebensmittel und
Kleidungsfiücke findet. Die Pferdemärkte und die Sklas
vinnenmärkte führen auch den Namen Bazars. An
denselben Orten verkauft man auch meistbietend, und die
Käufer bilden da, wie anderwärts, Gesellschaften, wel
che die Gegenstände immer weit unter ihrem wahren
Werthe halten.

In Constantinopel sind die Befestins nach


den Moscheen die Gebäude, welche von den Neugierigen
am meisten besucht zu werden verdienen, die Freunde der
Wohlanständigkeit find. Diese geräumigen Gebäude, deren
Festigkeit der strenge Charakter verkündigt, zeichnen sich
in ihrer Bauart durch die offenbare Absicht aus, sie ge
gen Feuer zu sichern. Daher verwahrt man alles, was
Constantinopel an kostbaren Waaren besitzt, an dies
- 348 –

fen Oertern, die auch oft das Vermögen der Privatper


"fonen in Verwahrung nehmen. r

Die Befestins find ebenmäßig in gleiche Theile


eingetheilt, wovon jeder mit einer gewölbten Kuppel be
deckt ist, die eine eben so schöne als feste Form hat und
aufgroßen Pfeilern ruht, die dem Stande der Buden zu
Stützpunkten dienen. Diese glückliche Eintheilung vers
mehrt die für die Verkäufer bestimmten Stellen, macht
diese sichtbar und gewährt zugleich den Käufern Gelegens
heit, jedes Magazin genau zu besehen. Die schönsten
Befestins sind jene der Seidenwaaren, der indischen
Zeuche, der Waffen, der Juwelen und Materialwaaren
Ihre Aufsicht ist zwei Keayas anvertrauet, welche die
Regierung ernennt. Die meisten Waaren bleiben daselbst
Tag und Nacht unter der Bewachung dieser beiden Be
amten ausgestellt, die sich damit begnügen, die Thüren
zuzuschließen und einen Wächter da zu laffen. Die Mos
scheen beziehen den Miethzins der Einen; die Regierung
und die Gesellschaften besitzen die Andern. -
Wahrscheinlich fanden die Othomanen bei der
Einnahme von Confantinopel für diese Art von Ge
bäuden Muster, so wie für die Bäder und Tempel und
diese haben sie mit dem sklavischen Nachahmungsgeist
nachgemacht, der sie in allem auszeichnet, was schöne
Künste betrifft. Die Spuren des Alterthums zeigen
ueberreste von Gebäuden, die durch die Aehnlichkeit des
Plans die nämliche Bestimmung verkündigen, welche die
Befestins von Iftambol und das Lampfer um
von Constantinopel hatten. Die Ruinen von Pes
rynthos liefern ein Beispiel davon.
- 349 –

- Die Tschiartschis find in derselben Absicht er


bauet, wie die Befestins, aber sie sind größtentheils
weit weniger als sie gegen Feuersgefahren gesichert. Die
Einen gewähren dem Auge lange gewölbte Gaffen, die sich
durchkreuzen und sowohl wegen ihrer Menge als wegen
ihrer Krümmungen ein gewisses Studium erfodern, ehe
man sich darin zurechtfinden kann; Andere find nicht in
ihrer ganzen Breite bedeckt, sondern mit Hallen versehen
und laffen dazwischen einen sehr engen Raum; sie haben
daher für die Bequemlichkeit des Verkehrs allzuwenig
Breite. Diesen Fehler bemerkt man bei solchen Gebäu
den, wo der Käufer von allen müßigen Spaziergängern
mit dem Ellenbogen gestoßen wird, für welche die Bes
festins, die Tschiartschis und die Bazars Sam
melplätze find; die türkischen Frauenzimmer machen sie,
besonders an Dienst- und Freitagen, zu ihren Luftgängen.
Jede Art von Waaren findet man in einem beson
dern Bezirke des Tschiartfchi beisammen, so daß man
ohne beschwerliches Suchen die besten finden kann. Aufs
fer diesem Vortheile, welcher ganz zum Besten der Käu
fer ist, müffen diese noch bei dieser Einrichtung am
Preise gewinnen, der wegen der Concurrenz so niedrig
als möglich feyn muß. Auch trägt sie zur Verhinderung
der Betrügereien der griechischen Kaufleute bei, die sich
kein Gewissen daraus machen, ungeheuere Foderungen
zu thun, wenn sie einen dummen Tölpel zu finden
glauben, allein sie bestrafen sich selbst für diesen Natio
nalfehler, indem sie einander ihre Waare so viel als
möglich herabsetzen, um fich einander die Kunden weg
zunehmen. V
– 350 –

Die am meisten verzierten und zahlreichsten Buden


sind die der Obsthändler und Zuckerbäcker, wovon die
Letzten reichlich mit allen Arten von Zuckergebackenen ver
sehen sind. Darauf kommen die Kaffeebuden, wo die
einzige erlaubte Verschwendung darin besteht, daß man
den Trank von gestoßenem Moccakaffee trinkt, dessen
Bitterkeit man durchaus nicht durch Zucker mildert, und
daß man aus langen Pfeifen die von den Kennern am
meisten geschätzten Tabake raucht. Die Beliebtheit, in
welcher diese drei Verbrauchszweige stehen, ist ein uns
zweideutiger Beweiß von der Mäßigkeit der morgenlän
dischen Nationen. - - - - - -
. Jedoch findet man Schenken, wo man Wein und
Aquavit verkauft; sie haben aber vorzüglich den Christen
ihr Dasein zu verdanken. Die Turbane, die man darin
nen erblickt, find meistens Khamales (Lastträger) und
gemeine mahomedanische Soldaten, besonders Galionda
gis; wenn Leute von den höhern Klaffen diesen Artikel
des Gesetzes übertreten, fo brauchen sie gewöhnlich die
Vorsicht, sich den Augen des Publikums und selbst ihrer --

Familien zu entziehen, indem sie sich vor dem Aergerniß,


das sie gewiß veranlassen würden, und vor den Folgen
fürchten, die ein so gefährliches Beispiel haben könnte.
Uebrigens trifft man nie Betrunkene an, die schwanken
den Trittes einher gingen; denn eine so offenbare Ueber
tretung würde die Aufmerksamkeit der Polizei d. h.
Stockschläge, um die Sache mit ihrem wahren Namen zu
nennen, auf sich ziehen. . -

Häufig findet man in den verschiedenen Quartieren


Braten- und Pastetenbuden, weil die Türken große
- - -
– 351 – - - -

Liebhaber von den Leckerbissen sind, welche die Köche und


Pastetenbäcker verfertigen. Eine zahlreiche Klaffe von
Kaufleuten ist die der Sattler, welche in dieser Haupt
stadt mehrere Straßen einnehmen. Die Steinschneider,
die Goldschmidte und die Korallenverkäufer machen eben
falls zahlreiche Körperschaften aus. Die Bücherverkäu“
fer, deren Magazine dem Käufer Handschriften für einen
eft zu hohen Preis darbieten, befinden sich in einem
ziemlich geräumigen Tschiartschi beisammen, der auch
die Papierhändler enthält. -

Jedes Quartier hat seinen Schreiber, der seine Fes


der dem Publikum mit eben der Bereitwilligkeit leihet,
wie die zu Paris, allein er ist bei weiten nicht in so
vielen Briefarten geübt, als die Letzten. Er hat z. B.
keine Liebesbriefe zu schreiben. - '

Die Verkäufer von Räucherkerzen, Aloeholz, wohl


riechenden Sachen, Waffer zum Färben der Haare, der
Augenbraunen u. f. w. vertreten die Stelle unserer
Wohlgeruchshändler. Ihre Kunden sind keine Kleinmei
fer, sondern ernste Mahomedaner, die einen großen
Werth auf das Aloe legen, sowohl um es in der Pfeife
zu verbrennen als auch um ihren Bart durch feinen Rauch
weiß zu machen, wenn sie ihn nicht lieber mit einem ana
dern Mittel schwarz färben. Die Frauenzimmer bleiben
auch gern vor diesen Buden stehen, und trotz dem Bet
tuche, in welchem sie eingehüllt erscheinen, und wo man
also glauben sollte, sie fänden nicht das geringste Ver
gnügen an der Gefallsucht, sieht man doch leicht, daß
bei ihnen diese Schwäche nur eingeschläfert ist. -

Die Bernsteinhändler und Drechsler nehmen für sich


g-ma 352 - -

allein eine sehr lange Gaffe ein und liefern einen Artikel
ven einem sehr starken Verbrauche in den Handel. Die
Schwerdtfeger und die Waffenschmidte haben eine Andere
inne. Endlich hat jedes Gewerbe seine besondere Ab
theilung, mit Ausnahme der Kaufleute, die mit Lebens
mitteln handeln. - - -

Außer den feststehenden Buden trifft man beijedem


Schritte herumwandernde Kaufleute an, wovon Einige
Rosen- und Orangenscherbets, Andere Kaimak (abge
fechte Sahne), Yourt (geronnene Milch), zubereiteten
Reis, Kaffee und Pasteten verkaufen. Jeder hat einen
kleinen Tisch, den er auf den Kopfnimmt und fortträgt,
wenn er seinen Standort verändert und einen Dreifuß,
um ihn darauf zu setzen, wenn er wieder halt macht.
Bisweilen laffen solche Verkäufer ihre Bude unterm
Schutze der öffentlichen Rechtlichkeit allein fehen; der
Vorbeigehende, den die Pasteten anlocken, findet losge
schnittene Stücke, welche nach ihrer Größe ihren bestimm
ten Preis haben; er nimmt dasjenige, das ihm gefällt
und legt das Geld dafür hin. Der Kaufmann kommt
wieder zurück und braucht sich ein zu großes Zutrauen
nicht gereuen zu laffen. * -

Die Rechtlichkeit ist bei den Osmanlis eine fo


gewöhnliche Tugend, daß die Buden in den Befestins
und den Tschiartschis bei Tage häufig offen bleiben,
ob gleich ihre Eigenthümer nicht da sind und fie bewa
chen. Dies bemerkt man vorzüglich des Freitags zur
Gebetsstunde, wo die Gläubigen in die Moscheen gehen;
diejenigen, die am meisten mißtrauisch sind, machen
alsdann ihre Magazine mit einem Bande zu, das sie queer
- – 353 – -

über die Thür weg ziehen. Dies Hinderniß sichert ihr


Eigenthum hinlänglich; auch bekräftigt die Bauart der
Häuser und die elenden Schöffer hinlänglich diese Er
fahrung, welche außer allem Zweifel ist. Sehr felten
verlangt ein mahomedanischer Kaufmann einen höhern
Preis für seine Waare, und das Feilschen wird beinahe
unnütz, ja sogar ungewöhnlich. Diese Bemerkung gilt
jedoch mehr von den Provinzen als von der Hauptstadt,
wo der Handel der Franken den Nationalcharakter in
Hinsicht der Rechtlichkeit verdorben hat. - -

Die Handwerker find in Zünfte vereinigt, die uns


fer dem Namen Esnaf bekannt sind; über jede führt
ein Keaya die Aufsicht, der feinen Gehülfen hat; beide
werden von der Regierung ernannt. Diese Vorsteher
üben in ihren Abtheilungen die Polizei aus. Sie find
in dieser Hinsicht mit einer großen Gewalt bekleidet und
können die Bastionnade geben, und die ihrer Gerichtsbar
keit unterworfenen Personen einkerkern laffen, welche die
öffentliche Ruhe stören oder ihr Gewerbe nicht gewifen
haft betreiben. Sie bekommen eine tägliche Besoldung,
welche der Miri auszahlt und welche nach den Gewer
ben verschieden ist, indem sie sechzig bis hundert Aspern
beträgt. "Der Istambol-kadiffy hat die Oberauf
ficht über alle Zünfte.
- Die mechanischen Künfte sind überhaupt weit von
ihrer Vollkommenheit entfernt. Der Drechsler z. B. be
dient sich eines Bogens, um eine Maschine herumzudre
hen, wie bei uns die Uhrmacher; in der andern Hand
hält er den Meisel oder den Haken, der auf diese Art
fiets schlecht befestigt ist. Der Tischler hat zu Werkzea
- Q3
– 354 –
gen bloß eine Handsäge, ein kleines Beil und einen
Schlichthobel. Mit diesen drei Werkzeugen, die er mit
Gewandheit handhabt, arbeitet er sehr fleißig, ohne jedoch
seiner Arbeit viel Feinheit zu geben. Die Bildhauerar
beiter in Holz liefern ziemlich artige Sachen; die Arabes
kenmahler verrathen bei ihren Deckengemälden Zartheit
und Geschmack; die Maurer und Zimmerleute bauen ein
Haus in einigen Tagen auf. Die Kupferschmidte arbei
ten sehr gut in Kupfer; die Waffenschmidte faffen auf
eine schöne Art die trefflichen Klingen ein, welche von
Damask und aus Persien kommen; sie machen auch
auf die Feuergewehre reiche Beschläge, die entweder über
zogen, oder in erhöheter Arbeit sind, allein sie flehen trotz
ihrem Silber, ihrer Perlenmutter und ihrem Elfenbeine
den unserigen weit nach. - - - - - -- - -

Die Goldschmidtskunst und die Juwelenarbeiter ha


ben verhältnißmäßig keine solchen Fortschritte gemacht,
als die schon angeführten Künste und Handwerke. Die
- Uhrmacher nehmen in Hinsicht ihrer Geschicklichkeit den
niedrigsten und die Abschreiberden ersten Rang ein, welche
mit einer bewundernswürdigen Kunst mahlen, und bei
der Bildung der Buchstaben die auffallendsten Farben so
mit einander zu verbinden verstehen, daß sie aus jeder
Seite ein wahres Gemälde machen. "
Der Türke, der Grieche, der Armenier und
der Jude legen sich ein jeder ganz vorzüglich auf Einige
von den angeführten Gewerben. Der Letzte macht, wie
aller Orten den Bankier, Mäkler, Juwelenhändler, Lum
pensammler, Trödler, den Cenfallbeiden Bankiers; erläuft
stets herum und sinnt auf seinen Vorteil. Die Türken
– 355 –
und Armenier handeln gewöhnlich mit Pelzwaaren,
Porzellan und Rauchtabak, welches drei sehr wichtige und
einträgliche Gewerbezweige, vorzüglich fürdie Hauptstadt,
find; besonders ist dies mit den beiden ersten der Fall. "
Die Armenier machen auch die Bankiers, ver
walten die Einkünfte der vornehmen Mahomedaner
und daher auch des Staats, welche mit den Andern in
genauer Verbindung stehen; sie sind Manufakturisten und
zeigen viele Einsichten bei der Anwendung unserer Vers
fahrungsarten; auch find sie geschickte und fleißige Hand
werker und zeichnen sich vorzüglich als Maurer und Zim
merleute aus. Bei den Griechen findet man Kaufleute,
Goldschmidte, Steinschneider, Verkäufer von Rosenwas
fer, von Zeuchen und Lebensmitteln, Wirthe, Poffenspie
ler u. f. w. Die Türken treiben außer den schon oben
erwähnten Gewerben auch noch jene der Waffenschmidte,
der Drechsler, der Tapezierer, der Pfeifenhändler und
aller Geschäfte, die damit in Verbindung stehen. An den
Gewerben, welchen jede der vier Nationen vorzüglich be
treibt, kann man ihre Neigungen erkennen. In der That
läßt sich die Liebe des Armeniers zum Gelde und zu
den Spekulationen , die ihm daffelbe verschaffen, aus
dem Antheile errathen, den er zu erhalten gewußt hat
und die er dem vollen Zutrauen verdankt, das er sich
durch seinen Ruf von Rechtlichkeit erworben hat. Wer
sieht nicht ein, daß der Grieche den Handel, trotz den
Unglücksfällen, wegen seines entschiedenen Hangs zu glän»
zenden, besonders aber gewagten Unternehmungen ge
wählt hat? Die Gewerbe, die sich mit der Kunst be
fchäftigen, Gegenständen von einem eingebildeten Werthe
-
– 356 –
einen hohen Preis zu verschaffen, welche folglich Gelegen
heit geben, Andere zu hintergehen, zeigen deutlich ge
nug, daß er sich angelegen seyn läßt, der Aufrichtigkeit
Schlingen zu legen. Auch könnte man noch hinzusetzen,
daß er sich wenig aus der Ehre macht, wenn man ihn
nach den Mittel beurtheilt, deren er sich hierbei bedient.
Der Türke ist stolz, liebt die Ruhe und sucht diese bei
den Neigungen dadurch zu befriedigen, daß er sich die
Gewerbe vorbehält, die ihnen günstig sind. Dies will
jedoch nicht so viel sagen, daß er alle Handwerke ver
achtet, die Körperstärke erfodern, indem die Geschäfte
der Lastträger, der Zimmerleute, der Tischler, der Waf
ferträger, der Marmorarbeiter, der Ruderer auch zu ei
nem Antheile gehören , allein er betreibt sie zugleich mit
den übrigen Nationen; ausschließlich aber hat er für sich
die Gewerbe der Kaffeeschenken, der Köche, der Condi
tor, der Herumträger von Leckerbissen, der Obsthändler,
kurz alle Gewerbe behalten, welche am wenigsten Anstren
gung kosten. - -

Die Armenier, besonders aber die Griechen, be


treiben die Apothekerkunst, und man findet Buden mit
Arzneien in jedem Quartiere sehr nahe bei einander, weil
dieser Handel fast eben so gut geht als das Bäckerhand
werk. Man kann daraus leicht abnehmen, daß die An
zahl der Aerzte mit jener der Apotheker in gehörigem
Verhältniffe steht, ja sie ist noch größer. Die Grie
chen haben sich gleichsam von Rechtswegen dieses sehr
einträglichen Gewerbszweiges bemächtigt, indessen machen
die Juden auch Anspruch daraufund entziehen den Er
fien einen großen Theil ihrer Kunden.
– 357 – ,

Die Arzneikunst kann in der Türkei unter die


Handwerke gerechnet werden; die Quacksalber, welche die
betreiben, dürfen ungestraft alle Heilungen vornehmen,
sobald sie die Doktormütze aufgesetzt haben. Es ist dazu
hinreichend, auf einen Kopf jenes Zeichen zu setzen, das
man vermittelt eines Patents erkauft und das von dem
Hekim - baschi Vorsteher der Aerzte) unterzeichnet ist.
Man braucht bloß dem Namen nach die Pillen und das
Aderlaffen ohne Anstoß zu kennen; für die Kranken von
der wohlhabenden Klaffe ein Recept zu schreiben verstes
hen, das vermittelt Opiate, gestoßener Perlen u. f. w.
die man mit pomphaften Worten darein mischt, dem
Apotheker Gelegenheit verschafft, den Doctor für die
Auslagen einer Wiffenschaft schadlos zu halten. Zuletzt
muß ein morgenländischer Arzt noch darauf studieren,
zwei Stunden lang in der Bude eines bestellten Apo
thekers eine ernsthafte Miene anzunehmen. Hier hört er
die Kranken an, welche nicht so viel haben, daß sie ihm
feine Besuche bezahlen können. Wenn unser Doctor alle
diese Künste eines Gewerbes besitzt, so kann er mit ("NS
porgehobenen Kopfe einherschreiten, jedem, der kommt
die Blattern einimpfen, Aderlaffen, ein Fontanell setzen,
und ihn purgiren. Wenn er sie sich erwerben will, so
braucht er sich als Dragoman bloß ein Jahr lang in die
Dienste eines beliebten Arztes zu begeben, und ihn bei
seinen Besuchen begleiten, um sich recht in die Geheim
niffe seiner Rolle einweihen zu laffen. Hierin allein be
steht das Studium der Arzneikunde in der Türkei.
Dies Gewerbe steht trotz den Verheerungen, welche
es unter den Unterthanen des Sultans anrichtet, bei ihr
-- 358 –

nen in großer Achtung. Der Name eines Arztes ist ein


Freibrief, mit dem man sogar als Ungläubiger Gnade
findet, und wie viel giebt es nicht Franken, welche
unter diesem Namen ein großes Vermögen zusammen
häufen, wenigstens ein angenehmes Leben führen, ob sie
fchon nie ein Wort von Hippocrates gehört haben?“
Die Griechen, besonders aber die Armenier, bezah
len die Unterstützungen der Arzneikunde sehr gut; der
Türke ist nicht so freigebig, ob er schon eben so leicht
gläubig in Hinsicht der Wirkungen einer so verderdlichen
Kunst ist, wenn er in die Hände von Quacksalbern ge
räth. Der Kranke bezahlt seinen Arzt beijedem Besuche;
diese weise Vorsichtsmaßregel ergreift der Letzte mit Recht,
damit der Kranke nicht etwa nach einer andern Wekt ab
reise, ehe er ihn bezahlt hat. Doch erhält das Franken
quartier einige geschickte Aerzte. -

" . Die Arzneikunde wird hier gänzlich von der Wund


arzneikunde getrennt, und diese beiden Wiffenschaften
werden nie mit einander verbunden. Die zweite hat
eben so wenig Fortschritte gemacht und ihre Jünger find
eben so unwissend. Jedoch behandeln einige Personen,
welche unter dem allgemeinen Namen von Perfern
bekannt sind, Verrenkungen und Brüche mit glücklichem
Erfolge und bedienen sich bei den Letztern stark zusam
mengezogenen Binden ; Andere legen sich bloß auf die
Wiedereinrichtung der Brüche und finden dazu Gelegen
heit genug, da man diese Krankheit häufig bei den Tür
ken wegen des Reitens, besonders in der Klaffe der
Lastträger, antrifft. Die Hebammen nehmen auch eine
Stelle unter den morgenländischen Aerzten ein; denn sie
- -
– 359 -

behaupten nicht bloß daß Geheimnißzu besitzen, die Wei


ber fruchtbar zu machen, sondern unglücklicher Weise ist
es auch nur zu wahr, daß sie die Kunst verstehen, die
Keime der Fruchtbarkeit zu vernichten und die Unfrucht
barkeit zu begünstigen. Die türkischen Frauen nehmen
zu diesen Zerstörungsmitteln ihre Zuflucht, wenn sie eine
gewisse Anzahl von Kindern geboren haben, oder wenn
es der Vater haben will und fein Harem aus mehrern
rechtmäßigen Weibern und Sklavinnen besteht, deren Frucht
barkeit ihm zur Last fallen würde. Aus dieser Ursache
macht die Vevölkerung im Morgenlande keine mit der
Vielweiberei im Verhältniß stehenden Fortschritte. Diese
schreckliche Sitte ist jedoch daselbst schon sehr alt.
Wir wollen jetzt einem Arzte zu Constantinopel
auf seinen Wanderungen folgen. Um sich in den Augen
der Leichtgläubigen die Heiligkeit eines Charakters zu
erhalten, muß er selbst den verehrten Mantel derselben
entlehnen. Unter dieser Verkleidung kommt er nach der
Reihe in das Innere eines türkischen, griechischen, ar
menischen und jüdischen Hauses; ja im Nothfalle gelangt
er sogar bis in den Harem und kann mit entblößtem
Gesichte diejenige sehen, welche dieses Vorrecht nur ihren
genauesten Anverwandten einräumt. Er vernimmt, wie
der Dragoman (Dolmetscher), welcher der stete Beglei
ter eines Arztes ist, ihm das übersetzt, was ihm der
Kranke über feinen Zustand sagt und wie er darauf den
Ausspruch des Arztes wieder verdolmetscht. Alles macht
vor Verwunderung, wenn man das Orakel sprechen hört,
große Augen und der Verurtheilte faßt sich, ohne nur
zu wagen, die Absicht zu äußern, dagegen Einwendun
– 360 –

gen zu machen. Allenthalben reicht man dem Arzte


Confekt, Kaffee und Tabakspfeifen. -

. … Bei der Aufzählung der Gewerbe und Künste haben


wir die Modenhändler nicht erwähnt, weil es in der
Türkei wirklich keine Moden giebt und weil sich der
Schnitt der Kleider für beide Geschlechter und die Be
schaffenheit der Stoffe nur sehr wenig oder gar nicht
geändert hat, seit dem Othoman das Reich gegründet
hat. Wären die Frauenzimmer sich selbst überlaffen, so
würden sie freilich, wie allenthalben, ihrer angebornen
Neigung zur Veränderung Gehör geben und in kurzem
ihren Flitterstaat verändern, so daß man sie nicht mehr
erkennen würde, allein das Gesetz und der Ernst der
Nation sind stets aufmerksam auf fie, so daß sie nicht
einmal an eine Uebertretung denken können; auch haben
fie bei der strengen Polizei, welche diese beiden Wächter
ausüben, gar keine Hoffnung, sich jemals ihrer Aufsicht
entziehen zu können. Um sich einigermaßen über diesen
Zustand von Zwang, den man ihnen, so wie ihren Kin
dern, anthut, zu trösten, hat der Luxus viele Spielwerke
ersonnen, um ihrer Eitelkeit zu schmeicheln.
Die Mannspersonen dürfen ihren Anzug noch weit
weniger verändern als die Frauenzimmer; doch hat der
Kopfputz des Tscheleby d. h. des Weltmannes, mehrere
Veränderungen erleiden müssen, um den Grad von Voll
kommenheit zu erreichen, den er wirklich erlangt hat;
dies hat auch der Fall mit dem Benische und dem
Pelze seyn müffen, ehe er die paffende Weite erhielt,
welche Adel mit Schönheit verbindet.
… Auch habe ich die Perückenmacher und Haarkräußler
– 361 –
nicht erwähnt, weil ihre Kunst im Morgenlande unbe
kannt ist. Das einzige Geschäft, das mit ihnen einige
Aehnlichkeit hat, ist der Barbier, der die unserigen durch
feine Geschicklichkeit weit übertrifft. Jedoch muß man
mit Recht bemerken, daß ihm auch ein größerer Spiel
raum verstattet ist; alle Kopfhaare fallen ohne Barma
herzigkeit unter dem Scheermeffer, mit Ausnahme eines
kleinen Büschels oben aufdem Kopf. Der Bart steht
bei den Morgenländern in großem Ansehen.
Die verschiedenen Kleidungsstücke der Bewohner des
Orients find nach der Reihe folgende: zuerst ein seidenes
Hende; dann große Beinkleider von Sarsche, die mit ei
nem Riemen festgebunden sind; hieraufein Anteri oder
ein Rock von einem gestreiften seidenen oder baumwollenen
Zeuche, der von der Kniekehle biszumFußknöchel offen und
unter dem Kinne,fo wie an dem Handgelenke, zugeknöpftist;
an den Seiten hat er von oben nach unten Taschen; vorne
ist er über einander geschlagen und wird durcheinenShaw,
der zum Gürtel dient, festgehalten. Ueber dieses Kleid
zieht man einen kleinen Pelz, der die Gestalt einer Jacke
hat, dann einen Benisch d. h. einen Oberrock von Tuch,
der vorne offen ist und defen sehr weite Aermel über
-

die Enden der Finger hinausreichen; oder man zieht


auch einen Anteri von einem oder mehrern Pelzen dar
über, welche für den Winter mit Zobel und für den
Sommer mit Hermelin oder Grauwerk besetzt sind. Der
schwarze Fuchs ist bloß für den Sultan bestimmt.
- So wenig karg die Mannspersonen mit ihren Haa
ren sind, so sehr suchen dieselben die Frauenzimmer zu
erhalten, mit Recht sehen sie sie als den schönsten Schmuck
,
- 362 -
ihres Geschlechts an, aber sie errichten auf ihren Köpfen
durchaus nicht jene Gebäude, wo die Kunst ihre ganze
Geschicklichkeit erschöpft, sondern begnügen sich damit,
ihre Haare auf die Schultern herabhängen zu laffen.
Indeffen färben sie dieselben eben sowohl schwarz, als
die Augenbraunen, welche fiel da, wo die Nase anfängt,
mit einander vereinigen. Ihre Nägel bemahlen fie roth
und geben ihrem Gesichte die Farbe von erborgten Lilien .
und Rofen, wodurch sie oft die natürlichen zerfören.
Den Leib reiben sie sich mit einem Teige von Thon und
Rosenblättern und kauen einen Andern, den man von
dem Mastirbaume erhält und den man Mafir nennt.
Auf dem Kopfe tragen sie eine Einsetzrose von Sammet,
mit Brillianten bereichert, wenn ihr Vergmögen zu dies
fer Prachthinreicht; sie bringen dieselbe an der Seite ober
halb des Schlafes an. Ihr Hemde ist von Seide und
zwar von einem Gewebe, das so durchsichtig, wie Gaze,
ist. Das erste Kleidungsfiück, das darauf kommt, find
Unterhosen von Leinwandt, über die sie große rothe Bein
kleider von Seide oder Sarsche ziehen, die bisweilen mit
Stickereien von Gold, Silber und Perlen bedeckt sind.
Unten daran sind Socken von gelbem Marokin befestigt,
die man in Halbstiefeln oder Sandalen zieht, wenn man
spazieren gehen will; allein wenn sie Besuche im Ha
rem erwarten, oder wenn sie dergleichen abstatten, oder
auch wenn sie ins Bad gehen wollen, so macht ein sehr
kleiner artiger Schuh, der mit Goldflitterchen bedeckt ist,
nebst einem Paar hoher Schuhe, die auch gestickt sind,
die Fußtoilette aus. Zur Vollendung des Anzugs am
Leibe ziehen sie einen Anteri von ostindischem Zeuche
- 363 ’s
an, der an den Seiten offen ist, damit man die großen
Beinkleider fehen kann; vorne am Busen ist er so aus:
geschnitten, daß man diesen zum Theil gewahr wird.
Aus einem Cashemirshawle machen sie einen lockern Gür
tel, den sie unten am Leibe mit einer Schleife befestigen,
in die man zur Blumenzeit einen Strauß steckt. Hier
auf kommt zuletzt ein sehr ausgeschnittenes Kleid, das
vorne ganz locker und hinten so fest anliegt, daß die
Taille gut in die Augen fällt, die bisweilen mit reichem
Pelzwerke besetzt ist, welches der Jahreszeit angemeffen
ist. Am Ende find die Aermel fächerartig. Anstatt die
fes Kleides tragen sie auch eine Art von Spenzer. Alle
diese einzelnen Nachrichten von dem weiblichen Anzuge
beweisen unsere Behauptung d. h. daß der Wunsch, zu -
gefallen, sich wegen des Zwangs rächt, den man ihm auf
erlegt und insgeheim seinen Einfluß ausübt, so daß NQR
alles aufder einen Seite wieder erhält, was man auf der
andern dem Scheine nach einbüßt, um desto besser zu
hintergehen. Außerdem tragen die mahomedanischen Das
men, wenn sie einen Fuß aus dem Harem setzen wol
len, einen großen Oberrock und einen Schleier.
. Von Zeitungen weiß man in Confantinopel
und der Türkei nichts; auch trifft man keine Advokaten
an; jeder ist sein eigener Vertheidiger, was vielleicht auch
zur Verminderung der Prozeffe beiträgt. Endlich kennt
man eine Menge Gewerbe, die man bei uns für unent
behrlich hält, nicht einmal den Namen nach. So viele
Lücken führen den Leser vielleicht aufden Gedanken, daß
die Osmanlis in der Bildung noch sehr weit zurück
feyn, allein man muß mit dieser nicht die Vermehrung
- 364 –

der Bedürfniffe verwechseln. Freilich fehlt ihnen. Vieles,


aber wir haben auch viel Ueberflüssiges und sogar Schäd
liches.
Die vornehmsten Khane in Constantinopel
find Valide - khan, Vezir - khan, und Jeni
khan. Der Erste hat für die Beherbergung von 3000
Personen Raum; der zweite von 1800 und der Letzte ist
beinahe eben so geräumig. Eine Abtheilung von vier
bis fünf kleinen Stuben kostet monatlich 35 bis 40 Pias
fier, nach unserm Gelde jetzt 9 Thaler, Miethzins. Eis
nige kleine Khans gehören Privatpersonen. An solchen
Orten werden die wichtigsten Handelsgeschäfte betrieben;
denn die Sarafs (Bankiers) haben daselbst eben sowohl
ihre Comptoirs, als die Kaufleute reicher ostindischer
Stoffe. , -

Kein Frauenzimmer darf in einen Khan gehen,


nicht einmal bei Tage, es müßte denn von einem Alter
feyn, welches dasselbe außer jeden Verdacht fetzt, oder
der Aufseher müßte es dahin bringen, der in diesem Falle
immer auch denSittenaufseher macht. Er heißt Khand
gy und sein Gehülfe Oda -baschi.
Die Sitten und die Religion sind bei den Maho
medanern immer die beiden Hauptfachen, auf welche
sie bei ihrem Anzuge fehen; man hat dafür gesorgt, daß
der Anstand nicht öffentlich verletzt werde. Daher ge
währen die Khan s, die Nachbarschaft der Tfchiart
fchis und die verschiedenen Quartiere der Stadt häufige
auf Kosten der Regierung unterhaltene Zufluchtsörter,
wo er vom hellen Tage nichts zu besorgen hat.
-mm-
'- – 365 –

- Dreizehnter Spaziergang.
D e r F. l e ck e n E y u b. - -

Beschreibung des Gefieldes von Eyub – Ein


morgenländisches Lufthaus – Morgen län
dische Bäder – Beschreibung des Flecken
Eyubs – Turbes – Sultaninnen – Krö
nungsfeierlichkeit–Thronfolgeordnung–

Will man den Hafen von Constantinopel in fei


nem ganzen Umfange übersehen, und den Anblick der
beiden gebirgigten Ufer genießen, welche an diesem sich
krümmenden Fluffe hinlaufen, so muß man sich aufdie
Anhöhen von Eyub begeben. Hier hatdie Aussicht, so
zu sagen, gar keine Grenze, und es gibt anderwärts
schwerlich etwas, das ihr gleich kommt.
Will man dahin gehen, so muß man nach Einer
der Treppen des Fanals hinabsteigen; dann eilt man
durch dies Quartier und läßt den Flecken Eyub rechts
liegen, um über die Kette der Anhöhen hinwegzugehen,
die sich im Halbzirkel um den Vereinigungspunkt der
Thäler befinden, den er bei ihrer Verbindung einnimmt.-
Hier sind wir unter Cypreffen und Leichensteinen.
Wir wollen jenem gepflasterten Wege folgen, der sich
allmählig erhebt. Auf ihm gelangt man oben hinaufauf
die Anhöhe, wo die Gräber auf einander geschichtet sind.
Von diesem hohen Punkte aus, der gerade im Angesichte
des Thales der süßen Gewäffer liegt, verliert sich das
Auge tief ins Innere hinein und verweilt mit Vergnü
-
– 366 –

gen auf jenen Becken, das zwischen zwei stark in die


Augen springenden Bergketten eingeklammert liegt und
sich an einer Mündung in einen See verwandelt, wel
cher hier durch angeschwemmtes Land ausgezackt ist, auf
dem Wälder von Schilfrohr stehen. Jener Wafferstrom,
der im Hintergrunde des Thales alle Krümmungen die
fes nachbildet und dem die herrlichen Erlen einen schütz
zenden Schatten gewähren; jene Brücken, die in gewis
fen Entfernungen über sein Bette gehen; jene Caravane
von Kameelen, welche in diesem Augenblicke von einem
Ufer aufs Andere geht, geben der Landschaft ein mahle
risches Ansehen; jene andere Caravane, die an der Seite
des Bergs hinzieht, dessen Gipfel sie erreichen will, und
unter den grünen Eichen verweilt, welche die Quelle bei
jchatten, um sich daselbst zu erfrischen und auszuruhen;
jene im Hintergrunde zerstreuet liegenden Ziegelscheunen,
welche Constantinopel zum Theil mit Ziegeln zu fei
. nen Bauten versorgen; zuletzt der Flecken Eyub, der
hufeisenförmig um die Biegung her liegt, die der Hafen
an feinen Anfange bildet, und der sich durch seine mit
Blei gedeckten Kuppeln, feine vergoldeten Minarets und
feine breiten und hellen Straßen als einen Lieblingsort
der Monarchen zu erkennen gibt.
Wendet man das Auge rechts, so entdeckt man
durch die Cypreffen jene alten Mauern, die mit Thür
men versehen und mit Epheu bewachsen sind, die die
Ringmauern von der Landseite bilden und sich mit denen
vereinigen, von welchen das südliche Ufer des Hafens
umgeben ist. Wenn man diese mannichfaltige Aussicht
verfolgt, so entdeckt man alle einzelnen Erhöhungen,
-

= 367 –'

- die voller Häuser stehen; jene schattigen Thäler; jene


Gebäude, wovon Einige den Fuß der Anhöhen einneh
men, Andere in der Mitte dieser stehen oder die Gipfel
bekränzen: alles dieses giebt diesem Ufer den man nichfal
tigsten und reichsten Anblick. -

Wir wollen unsern Weg durch das Dorf Top


fchilar fortsetzen, welches vor uns liegt. Die Felder
sind ziemlich gut angebaut, allein die gewähren nicht -
den geringsten Schutz gegen die Sonnenhitze. Hier kreuzen
sich die Wege und laufen in der Gegend nach allen Rich
tungen hin; die Einen gehen in diesen Thälern nach
Eyub hinab; Andere nehmen ihre Richtungen nach den
verschiedenen Thoren der Hauptstadt oder führen auch
nach Aldianopel, Daud-Pascha, San - Stefano
und andern umliegenden Oertern hin.
Jetzt sind wir in dem mahomedanischen Dorfe Top
fchilar, das weiter kein Verdienst hat als eine hohe
Lage, wo man die ganze Breite der Landenge übersehen
kann. Wir wollen der Straße folgen, die von hier aus
geht und sich um das kleine Thal biegt, wo Eyub der
Hauptort ist; unvermerkt erreichen wir die Anhöhe von
Ramed - Pascha - Tschiflik, an welche sich der Fleks
ken lehnt und können auf halbem Wege unter den Pla
tanen ausruhen, die einer Quelle Schatten geben, de
ren Gemurmel zum Schöpfen aus ihrem hellen Waffer
einladet. - -

Der Bostandgi, der den Spaziergängern Kaffee


anbieten darf, welche auf dieser Station halt machen,
macht sogleich in seinem kleinen Ofen Feuer an und reicht
uns in einem Augenblicke jedem eine Taffe Kaffee, ohne
-

“ – 368 –

daß wir es ihm befehlen durften. Die Macht der Ge


wohnheit hat bei seiner Nation so viel Gewalt, daß sie
sich ohne Unterschied bei allen mit gleicher Stärke ohne
die geringste Veränderung äußert.
Aufder platten Erhöhung von Ramed - Tschif
lik, wo wir eben anlangen , hat man eine noch weitere
Aussicht als jene ist, welche wir vor einigen Augenblik
ken genoffen, allein der Genuß ist noch größer, wenn
man so glücklich ist, das Lufthaus geöffnet zu erhalten,
das, wie ein Belvedere, von da aus die anstoßenden
Thäler beherrscht. - -

Anfänglich zeigt es sich wie ein Kiosk, der als


Schildwache hingestellt ist, mit einer Menge von Fen
fern, aus denen man sich nach allen Gegenden umsehen
kann. An seiner Seite befindet sich eine Bergfläche, in
deren Mitte sich ein Platanus erhebt, defen gekrümmte
Aleste ihren Schatten weit umher verbreiten und den
Wanderer einladen, sich auf dem Rasen nieder zu laffen,
deffen Frische fiel unterhalten. Darauf kommen diejeni
gen Gebäude, die dazu gehören, die wir aber nicht be
fchreiben wollen; wir gehen lieber ohne Verzug zum
Hauptgebäude und zu den Nebengebäuden fort, welche
dieser Wohnung dem Charakter eines Landhauses geben.
Mitten in vernachlässigten Gärten, die jedoch einen
köstlichen Genuß gewähren könnten, erheben sich ein
Kiosk und das Hauptgebäude der Gebieter. Der Erste
befindet sich vor einem Andern und kündigt ihn an; er
besteht aus einer einzigen Stube, mit Marmor bedeckt
und in der Form des griechischen Kreuzes eingelegt,
oder er besteht vielmehr aus zwei Rechtecken, welche recht
– 369 -
winklich so eindringen, daß sie aufjeder Seite vorsprin
gende Theile bilden, welche mit Sofas und Fenstern ver
sehen sind. Eine Nische, die mit Mahlereien a la Fresko,
verschönert ist, nimmt das Mittelstück zwischen den
Thüren ein. Man setzt Blumen und Obst hinein, de
ren glückliche Mischung dies liebliche Cabinet noch mehr
belebt, das durch eine Marmorkufe von der anmuthig
fien Gestalt erfrischt wird, welche in der Mitte der Stube
steht und in welche mehrere Wafferstrahlen zurückfallen,
die mit Geschmack und Ebenmaaß angebracht sind. Wenn
man aus diesem Kiosk kommt, so findet man, indem
man sich nach dem Hauptgebäude wendet, eine Doppel
treppe, welche nach einer erhöheten Fläche führt, wo ein
großer viereckigter Ablauf angebracht ist, dessen Waffer
in Strahlen emporsteigt, oder in Cascaden herabfällt.
Dies Becken befindet sich in schönen Marmorgängen, die
nach der Wohnung führen, dessen Vorderseite es ver
-
schönert. -

Man gelangt in einen großen Saal, der durch das


Haus hindurch geht, das viereckig ist, und es in seiner
ganzen Breite einnimmt, aber bloß im Vordertheit,
welcher das Vordergebäude ausmacht, so daß dieser Saat
ein T bildet und von allen Seiten Licht erhält. Ver
mittelst rechts und links in zwei Drittheilen der Tiefe
angebrachter Absätze hat man aufjeder Seite zwei Stu
ben erhalten, wovon drei sowohl zu Gesellschaftssälen,
als zu Speisezimmern dienen; denn die Morgenländer
effen gern in ihren Besuchzimmern; das andere Zimmer
ist zu Liebeleien bestimmt, wie man leicht aus dem da,
selbst herrschenden geheimnisvollen Ansehen und aus sei
24
-

- 370 =

ner unmittelbaren Verbindung mit den Bädern errathen


kann, die man ihrer Schönheit nach für die Bäder der
Liebesgöttin halten könnte. - -

Diese Bäder bestehen aus zweikleinen Zimmern von


Marmor, mit zierlichen Säulen, welche kuppelfömige
Gewölbe tragen, durch die das Licht kommt. Meh
rere Hähne liefern nach Belieben kaltes und warmes
Waffer. Unter dem Fußboden ist ein Keffel von Mauer
arbeit, aus welchem das Waffer, das vermittelt eines
Ofens, den man von außen heizt, in Dünste verwan
delt wird, in Röhren steigt, welche durch die Mauern
gehen, in ihrer Decke herumlaufen, und die innere Luft
der Bäder zu ihrem Wärmegrade erheben und ihren Aus
gang nach oben hin nehmen. Zwei Behälter versorgen
den Keffel und das Innere des Bades vermittelt Häh
ne mit kaltem Waffer Hölzerne Erhöhungen laufen
um diese artigen Zimmer herum, wo man außerdem
noch Kufen von Marmor antrifft, um sich abzuwaschen
und Douschbäder zu nehmen. Endlich enden kleine Rina
nen, die nach Oeffnungen führen, in den Keffel das
Waffer, das durch die Hähne läuft, welche die Erhö
hungen bewäffern.
Zu Constantinopel haben die Bäder drei Zim
mer; Eines, wo man feine Kleider auszieht; die beiden
Andern baben einen verschiedenen Grad von Wärme.
Alle drei erhalten das Licht von oben d. h. ihre Einrich
tung und ihr Durchschnitt ist wie beiden Thermen. Die
Art, wie man von diesen Gebädern Gebrauch macht,
ist noch, wie bei den Alten. Die Badenden, mit einem
Paar hoher Schuhe versehen, um auf den heißen Pfla
- -

- – 371 -
fer gehen zu können, und nackt, mit Ausnahme der
Mitte des Leibes, die man in einem Gürtel gewickelt
hat, welchen man mehrmals herumschlingt, taugen sich
in diese Atmosphäre, wo sogleich die Ausdünstung bei
ginnt, sobald man einen Augenblick die warme Luft ein
geathmet hat. Leute von einer schwächlichen Körperbe
schaffenheit laufen Gefahr, in Ohnmacht zu fällen; für
Andere sind es köstliche Oerter; besonders halten sie die
Frauenzimmer dafür und haben bestimmte Tage, wo sie
dies Vergnügen in feinem ganzen Umfange genießen.
Für diese Bäder sind Bediente für das eine und
das andere Geschlecht bestimmt; in der Hand haben sie
einen Handschuh von Haaren oder Flanell, reiben den
Badenden, kneten ihn sogar, wenn er es haben will und
feifen ihn ein, um ihn rein zu machen. Wenn man
aus dem dritten Saale kommt, in den man nur allmählich
gelangt ist, so macht man einige Augenblicke im zweiten
halt, bis der Körper wieder einen mittlern Wärmegrad
erreicht hat. Hierauf kehrt man in den ersten zurück,
wo man Sofas, um sich niederzulegen, Pelze, um sich
einzuhüllen und Kaffee nebst Tabakspfeifen findet, um
sich zu erquicken.
Wir haben das Erdgeschoß des Hauses beschrieben,
das wir als Beispiel eines morgenländischen Landhauses
gewählt haben. Die erste Etage ist eine Wiederholung
deffen, was wir angeführt haben, und enthält das Frauen
gemach. Rechts und links der Kiosks befinden sich die
Wafferkünfte, welche das Waffer sowohl zu den hydrau
lischen Spielen als auch zu den häuslichen Bedürfniffen
liefern. Nicht alle Landhäuser sind so prächtig, allein
- 372 -

die Meisten haben doch Waffer und einen Kiosk, es müß- .


ten denn gewöhnliche Bauernhäuser feyn.
Trotz dem, was wir von Ramed - Tschiflick
in Hinsicht seiner schönen Aussicht gesagt haben, fo ist
diese doch noch nicht die reizendste, welche diese Gegend
gewährt. Der Weg nach Eyub hinab ist höchst mah
lerisch; er läuft an der Seite des Bergs durch Cypres
fen und Soklen hin, mit denen der Boden in einer
sehr großen Strecke übersäet ist. Schöne Platten von
einem weißlichen Kalksteine dienen ihm zum Pflaster.
Eyub, das man am Fuße der Anhöhe findet,
scheint eine Fortsetzung dieser bezaubernden Oerter zu
feyn, und kündigt sich als eine Stadt der Todten an.
Allenthalben sieht man nichts als Denkmäler innerhalb
Einfaffungen, wo der Lorbeer - und der Buchsbaum,
die Cypreffen, welche voller Epheu hängen, ganz unges
hindert wachsen. Man geht durch die einsamen Straßen,
an deren beiden Seiten in ihrer ganzen Länge hin sich
Todtenäcker befinden, während man in andern mit dem
Meisel den Marmor bearbeiten hört, um das Andenken
an diejenigen aufzubewahren, die heute morgen noch leb
ten und jetzt schon nicht mehr sind. Jeder Hammer
schlag erschallt in die Ohren, wie eine Ankündigung der
Gebrechlichkeit unserer Maschine. Als Contraft trifft man
an denselben Oertern eine ganze Straße mit Buden an,
wo man nichts als Spielereien und Tand verkauft.
Man bedauert, daß es den Ungläubigen verboten
ist, in die Moschee zu treten, wo die Krönungsfeierlich
keit stattfindet, da sie sich ihrem Aeußern nach sehr aus
zeichnet. Sie dürfen sie nur von außen besehen und
– 373 –
müffen ihre Neugierde in Ansehung des Grabes des mal
homedanischen Martyrers unterdrücken, der dem Flecken
feinen Namen gegeben hat und das der staatskluge Male
homed II. so zur rechten Zeit zu entdecken wußte, um
den Oertern das Siegel des Islamism aufzudrücken,
wo er Wurzeln schlagen sollte. -

Der heilige Eyub (sagen die Türken) kam bei


dem Angriffe auf Confantinopel bei der ersten Bes
lagerungum, welche die Sarazenen gegen diese Haupt
fadt unternahmen, und der Boden, wo man gegenwära
tig die Moschee sieht, empfing seine Asche, welche Mas
homed II. durch eine Eingebung wieder fand.
Das Hebdomon, das durch die Salbung der
morgenländischen Kaiser berühmt worden ist, kann keine
andere Stelle eingenommen haben, als jene von Eyub,
wenn man noch mehrern Stellen aus der byzantischen
Geschichte schließen darf, welche die Untersuchung auf
diesen Punkt leiten. Nimmt man das Gegentheil an,
so fragt es sich, warum sollte es eine Bestimmung ges
ändert und seine Vorrechte Eyub abgetreten haben, da
die h. Sophienkirche und der Hippodrom die ihr
rigen behalten haben? -

Es giebt keine Ceremonie, welche mehr den Charak


ter des Feierlichen an sich trägt, als jene der Krönung
bei den Osmanlis. Das Oberhaupt des Gesetzes uns
gürtet unter dem Beistande des Oberhauptes der Emire
und des Scheiks der Menvlewys von Iconium
den Sultan mit dem Schwerdte seiner erlauchten Vora
fahren und begleitet diese erhabene Handlung mit fol
genden religiösen Worten:„empfange es mit Vertrauen;
– 374 -

denn Gott schickt es dir.“ Man muß sich mit Recht


wundern, daß diese Worte, die sonst so viel ausrichteten,
ihren Einfluß haben verlieren können, und man fragt
sich, warum sie nicht noch die ganze Nation, besonders
aber ihr Oberhaupt in Bewegung setzen, das doch zu
glauben geneigt seyn sollte, daß sie eine prophetische Be
deutung enthalten, welche zu rechtfertigen es Zeit fey.
- Das Thronfolgerecht der Kalifen erstreckt sich auf
alle Mitglieder der osmanischen Familie und beruft den
jenigen zur Regierung, welcher die meisten Jahre zählt;
daher folgt der Bruder auf den Bruder, zum Nachtheile
des Sohns, der sogar alle seine Ansprüche verschwinden
sehen kann, wenn er ältere Vettern hat, als er ist.
- Der Zweck dieses Gesetzes ist sicherlich sehr weise,
allein wenn er erreicht werden sollte , so müßten die Sulz
tane andere Erfahrungen machen können als im Serail,
das sie nicht eher verlaffen, als in dem Augenblicke, wo
fiel auf den Thron steigen. Sie werden zwar immer ält
ter, aber die Jahre machen sie nur weichlicher und be
schränken den Kreis ihrer Ideen mehr als sie ihn erweis
tern sollten. Sie verstehen gar nichts von Menschen
und Geschäftskenntniß und werden alle Tage ungeschick
ter zum Regieren; daher geben die Unterthanen bei ihren
Regenten der Vormundschaft der Kindheit den Vorzug
vor der Unerfahrenheit des reifern Alters, indem die Er
ziehung doch noch Hoffnungen läßt, welche die Andere
nicht erfüllen kann. -

- Zu der Zeit, wo die Thronfolgeordnung auf diese


Art bestimmt wurde, hatten die othomanischen Prinzen
noch die Gewohnheit, dem Sultane ins Lager zu folgen
v,
-
- 375 –
und regierten die Provinzen. Damals war die Meinung
ganz natürlich, daß, wer am längsten gefochten und regiert
habe, auch in der Führung desSchwerdts undin derRegie
rung am geschicktesten fey. Da man aber jetzt so weise
Einrichtungen abgeschafft hat, so hat man das Staats
gebäude in seinen Grundlagen erschüttert, so daß es sich
bloß noch durch die Macht der Gewohnheit aufrecht
erhält. - -

Der othomanische Stamm kann sich nach einem mit


der göttlichen Genehmigung bekleideten Beschluffe bloß
auf dem Throne fortpflanzen. - Im Falle er erlöschte,
würde die Nation einen Beherrscher bei den Khans der
Krimm holen müffen, deren Haus, so wie jenes Othos
mans, ein Zweig von Gengis ist. Die tiefe Ehrfurcht,
von welcher die ganze Nation gegen dies Gesetz durcha
drungen ist, und die Furcht, in der sie lebt, die Familie
ihrer Sultane erlöschen zu sehen, sind eben so viele Urs
fachen, die nicht wenig zur Rettung des Reichs gegen
Unfälle beigetragen haben, deren Raub es schon längst
geworden wäre, da es gewöhnlich von treulosen Lehens
leuten zerrüttet wird, die sich um den Thron freiten
und ihn ganz unfehlbar vernichtet haben würden. Diese
Denkart trägt auch dazu bei, dem regierenden Sultan
Zuversicht oder Furchtsamkeit einzuflößen, je nachdem er
der Einzige seines Hauses ist, oder sich von Anverwand
ten umgeben fieht, welche man an seine Stelle setzen
kann. -

In den Tagen des Ruhms suchte der Sultan mit


den Waffen in der Hand denjenigen seiner Anverwandten
auf, welcher aus Ehrgeiz die Fahne der Abtrünnigkeit
A
– 376 -

aufgepflanzt hatte. Der Kampfbegann sogleich; der Bes


fegte, blieb gewöhnlich auf dem Schlachtfelde und der
Sieger herrschte von Rechtswegen über eine erobernde
Nation. . . . . . . -

- Diese innerlichen Kriege, die nie lange dauerten,


waren für die Fortschritte der othomanischen Waffen
durchaus nicht nachtheilig; sie unterstützten dieselben viel
mehr und machten die Ungerechtigkeiten des Erbfolge
rechts wieder gut, indem sie jederzeit den aufden Thron
erhoben, der ihn nach der Meinung der Nation zu be
sitzen am würdigten war. Dies ist Eine von den Ur
fachen, welche dies Reich auf den Gipfeldes Ruhms ge
hoben haben, den es erreicht hatte. -

- Heut zu Tage, wo die Sultane ihre Brüder und


ihre Kinder als Gefangene im Serail aufbewahren,
sind sie in die harte Nothwendigkeit versetzt, sich mit
ihnen einzusperren oder fich nicht so weit von ihnen zu
entfernen, daß sie dieselben aus dem Gesichte verlören;
denn oft reicht nicht einmal ihre Gegenwart hin, den
Wunschzuunterdrücken, welchen unruhige Unterthanenäus
fern, den Gebieter zu verändern, oder welcher sich auch bei
elenden Sklaven, die mit dem Fürsten unzufrieden sind,
zeigt, weil er ihnen nicht erlaubt, in feinem Namen zu
herrschen. Daher kommt die unglückselige Entsagungder
Sultane auf den Oberbefehl der Armee, die Aufsicht auf
ihre Provinzen und folglich die Verachtung, in welche
so oft die oberherrliche Macht in ihrer Person geräth.
Dies ist das Looß, das schwache Fürsten unvermeidlich
trifft: was für Festigkeit, was für moralische Stärke
muß nicht ein Sultan befitzen, um diese physische Ohn
- - w- 377 - –

macht zu verbessern, fo daß man den Befehlen, die aus


dem Innern des Serails kommen, an den Grenzen
feines Reichs gehorcht? Diese letzten Worte sind kürz
lich Mahmuds II. Geschichte. -

- Zu den Nebengebäuden der kaiserlichen Moschee ge


hört ein Tab'y - kane oder Hospital, defen Bauart
dem Lieblingsgeschmacke der Nation entspricht. Dies
sind unzähliche Kuppeln, welche dem Gebäude zum Dache
dienen. Von außen geht eine Mauer herum, die eine
Vorderseite bildet, welche eine schöne Fontaine, drei Ein
gänge und einen weit vorspringenden Karies zeigt, des
jen Decken mit Freskogemälden von einem guten Ge
schmack verschönert find, die sich besonders durch die Leb
haftigkeit der Farben auszeichnen. Man sieht den Kran
ken sich nach diesen Oertern hinschleppen und alle Unter
stützung erhalten, welche die Menschenliebe bei einer mild
thätigen Nation zu reichen vermag.
- Bei diesem Hospital befindet sich Huffe in Pa
fchas Grabmahl, der fich von bloßem Sklaven aus
Georgien zur zweiten Würde des Reichs emporschwang
und die erste Stelle in der Gunst seines Gebieters eine
nahm; übrigens rechtfertigte er diese Laune des Glücks
durch glänzende Eigenschaften. Sein Denkmal zeigt ein
rechtwinkliges Ganze von Marmor, defen weiße Farbe
die Vergoldungen vorzüglich heraushebt, welche verschie
dene Sinnbilder z. B. Blumen- und Obstkörbchen aus-
drücken. Oben auf dem Leichensteine befindet sich die
Mütze des Capudan Paschas; eine Aufschrift in gol
denen Buchstaben erwähnt die Tugenden des Todten,
welche übrigens nicht zu sehr durch diese Pracht erhoben
- 378 -

werden, und wohl verdienten, daß sie der berühmte


-

Waffif- Effendi erwähne. Ein Pavillon von Git


terwerk, den ich mit einem Vogelhause vergleichen würde,
wenn es die Würde des Gegenstandes erlaubte, steigt
in die Höhe und umgiebt das Denkmal, das der Buchs
baum und die Myrte mit einem Grün verzieren, welches
mit den Cypreffen, die es beschatten, im Einklange feht;
man wendet aber ein Auge von ihm weg, so wie auch
von denen, die innerhalb dieses Umfangs, Eines an dem
Andern, stehen, sobald man bemerkt, daß man sich in
der Nähe des Turbes der Valide - Sultanin,
Mutter Selims III. befindet, welcher das Gegenstück
von der Fontaine am andern Ende der Vorderseite ist.
Hier zeigt sich die Pracht in ihrem ganzen Glanze.
In der Mitte eines zirkelförmigen Gebäudes, das mit
einer Kuppel bekränzt und mit Marmor überzogen ist,
erblickt man einen Sarg, der mit einem reichen Tep
piche, und mit den kostbarsten Shawls bedeckt ist und
auf einem Vorplatze steht, der auch unter den köstlichen
Stoffen verborgen ist. Ein Geländer, das mit Perlen
mutter verziert ist und den Sarg umgiebt; eine große
Menge Lampen von Crystal, die oben am Gewölbe ebens
mäßig aufgehangen sind; ungeheuer große Wachskerzen,
die in den vier Winkeln stehen; Sitze für fromme Per
jonen, welche die Andacht nach solchen Oertern zieht, die
befiehlt, Gebete zum Andenken derjenigen herzusagen,
welche sie bewohnen; dies sind die innern Verzierungen
dieses Turbes, welche man bei allen kaiserlichen Denks
mälern antrifft, die dieselbe Bestimmung haben. Dieses
hier ist in den schönen Verhältnissen der guten Baukunft
erbaut. Die Andern, welche nach demselben Plane er
bauetfind, haben einen eben so eindrucksvollen Charak
ter, und gewinnen vielleicht an Adel, was sie an Ele
ganz verlieren. Brufa besitzt die ältesten Denkmäler
dieser Art; sie find das Sinnbild der Strenge der Sitten
der ersten Osmanen.
Der Flecken Eyub ist ein Spaziergang, der vor
züglich Frauenzimmer anlockt, die gern der mütterlichen
Schwäche nachgeben, indem sie die Einfälle ihrer Kinder
in dem Quartiern befriedigen, das ihnen zu Gefallen er
richtet ist. Um den Reiz zu verdoppeln, der bei ihnen
zu Gunsten Eyubs spricht, hat sich daselbst eine ziem
liche Anzahl Kaufleute mit Näschereien angesiedelt, so daß
dieses glückliche Alter keinen Wunsch äußert, den man
nicht daselbst befriedigen könnte. - - -

Wenn man Eyub verläßt und feinen Weg nach


dem Fanal hin nimmt, fo gelangt man zwischen den
Pallaftder Sultanin, Wittwe Huffein - Pafchas und
das Grabmahl, das diese Prinzessin erwartet; beide ste
hen einander gegenüber. Die Bauart dieses Denkmals
ist sehr rein; nicht ohne Vergnügen bemerkt man, daß
die Bogen der Halle völlig gewölbt find; aber da man
befürchtete, die Marmorsäulen, woraufdie Bogen ruhen
und die sehr dünn sind, möchten fich unter der Last -

beugen, so hat man sie mit eisernen Klammern befestigt;


diesen Fehler bemerkt man oft an den Gebäuden zu
Constantinopel. Der Turbe" hat zum Gegenstück
ein anderes völlig ebenmäßiges Gebäude, das auch mit
einer Halle verziert ist, welche sich dem ersten gegenüber
befindet. Diese beiden Gebäude fiehen mit einer Seiten
-
- 380 -

mauer in Verbindung, in deren Mitte sich der Haupt


eingang sich befindet. Gärten, in denen man noch hier
und da Grabmähler erblickt, nehmen den übrigen Theil
des Umfangs ein, der mit einem Andern in Verbindung
steht, der ebenfalls zu Leichendenkmälern bestimmt ist,
die aber älter und von einem strengern Style find und
ohne Mühe zu der andächtigsten Stimmung einladen.
Die Sultane, die gewöhnlich alles benutzen, um
die Maffe der unnützen Reichthümer zu vermehren, die
sie in ihren Privatschätzen aufhäufen, machen ihre Schwes
fern zu Gegenständen der Spekulation. Sie vermählen
sie deshalb mit den Großen des Reichs, welche ihnen
eine Ausfattung geben, die dem Blute entspricht, aus
welchem sie entsproffen sind und ein ansehnliches Vere
mögen hinterlaffen können; denn von nun an werden sie,
der Gemahlinnen wegen, ihre rechtmäßigen Erben, in
deren Namen sie als Brüder die Hinterlassenschaft in Be
schlag nehmen. Man hat gesehen, wie Sultane aus
Habsucht diese Unglücklichen die Witwentracht fast in
demselben Augenblicke anzuziehen veranlaßten, wo sie
heiratheten, und wie dies mehrmals hinter einander in
sehr kurzer Zeit der Fall war: dies geschah vermittelt der
gewaltsamen Maaßregeln, welche die Grausamkeit erfun
den und der Geiz unterstützt hat.
/
Jedoch erstreckt sich diese Bemerkung nicht auf alle
Sultane; es gibt vielmehr dergleichen, welche über das
strenge Gesetz zu feufzen scheinen, das ihren Schwestern
den Trost versagt, Mütter zu werden und welche es viel
leicht mildern würden, wenn es dem Beherrscher der
- 381 -

Türkei gestatten wäre, sich an den eingeführten Ge


bräuchen zu vergreifen." -

- Ein Großer, welcher die Hand einer Sultanin er


hält, ist nebst andern Verbindlichkeiten auch verpflichtet,
alle seine rechtmäßigen Frauen fortzuschicken; feine Rechte
als Gatte nur dann so weit zu brauchen, als man es
ihm gestatten will, sie geltend zu machen und ihn mit
einer zärtlichen Erwiederung zu beehren; feine Gemahe
lin in der Hauptstadtzurückzulaffen, wenn ihm sein Amt
feinen Aufenthalt in der Provinz bestimmt; besonders
dem Troste zu entsagen, fein Geschlecht fortzupflanzen,
und wenn er diese Hauptbedingung des Vertrags vergißt,
unerbittlich unter seinen Augen den unglücklichen Gegens
fand seiner unglücklichen Verbindung ermordet zu sehen.
Dies ist der Gewinn von der Verwandschaft, welche
noch gefährlicher wird, je reicher und je ungeduldiger
fein Schwager ist, in den Besitz seines Vermögens zu
kommen. Jedoch ist dies, wie schon gesagt, nicht allge
meine Regel, und es giebt häufige Ausnahmen davon;
dergleichen findet man selbst in den Jahrbüchern der Rea
gierungen Selims III. und Mahmuds II.
Die Valide"-Sultanin, (so heißt die Mutter
des Sultans) ist unter allen mahomedanischen Frauen
zimmern die Einzige, die mit bleßem Gesichte erscheinen
kann. Dies Vorrecht hat sie dem Umstande zu verdana
ken, daß sie als die Mutter der Nation betrachtet wird,
und daß nach dem Gesetze sich eine Mutter vor ihrem
Sohne ohne Schleier sehen laffen kann. Man hat gesehen,
wie Valide"-Sultaninnen die glänzendsten Vorrechte
genoffen und wie z. B. die Mutter Mahomeds IV,
- - 382 -

Selims III. den Staatsrath leiteten, oder wenigstens


wegen des Einfluffes, den ihnen ihre Söhne gestatteten,
darin Stimmen hatten. Da aber diese einzelnen Fälle
mit dem Geiste der Gesetzgebung im Widerspruche ste
hen, der stets dahin zielt, die Weiberzu gänzlicher Nich
tigkeit zu verdammen, weil man ihren politischen Ein
fluß fürchtet, so können sie nicht zum Gesetze dienen,
ob schon mehrere Schriftsteller diese unrichtige Folgerung
daraus gezogen haben. - . - -

Auch hat man behauptet und wiederholt es noch


immer, ein Sultan erhalte aus der Hand seiner Mutter,
die Frauen, die er mit seinen Gunstbezeugungen beehren
wolle. Dies hängt ebenfalls mehr oder weniger von den
Einfluffe der Valide" auf den Geist ihres Sohnes ab.
Doch geben die Sultane gemeiniglich das Beispiel von Ge
horsam und kindlichen Tugenden, sowohl durch Lehre als
durch Liebe. Folgendes diene zum Beweise: wenn den
Thron ein anderer Sultan besteigt und die neue Valide",
Eski - Serai verläßt, wo sie seit dem Tode ihres Ge
mahls eingesperrt gelebt hat, um sich in das Serail
zu verfügen, so ritt ihr ihr Sohn bis an die erste Pforte
entgegen; hier steigt er ab, und begleitet den Wagen,
indem er ehrfurchtsvoll neben dem Kutschenschlage her
geht. Diese Ehrfurchtsbeweise giebt er mehr deshalb,
um die Pflichten eines Sohnes als eines Sultans zu er
füllen; denn der Koran befiehlt als eine Hauptpflicht
Ehrfurcht gegen die Eltern; "daher ist diese Tugend bei
den Osmanlis auch eine Nationaltugend.
Hat die Valide" Einfluß auf ihren Sohn, so wird
ihr Hof so zahlreich als jener des Letzten. Die Schmei
- 383 –

chelei errichtet ihr Altäre, wo Tag und Nacht Weihrauch


dampft, allein dies dauert nur so lange, als ihr Sohn
lebt. Bei seinem Tode reißet man den Tempel der Göts
tin nieder und schickt sie wieder ohne Barmherzigkeit ins
alte Serail.
Hufein - Pascha verdankte ein glänzendes Glück
feinem Sklavenstande, der ihm den Eingang ins Se
rail öffnete und ihn zum Jugendgespielen des Sultans
Selim III. machte. Er wurde zuerst Bafch - Tfcht -
kadar und bald darauf Capudan Pascha, ob er
schon ganz und gar nichts vom Seewesen verfand.
Hierauf erhielt er den Befehl über die Armee gegen
Paswan - Oglu, und Selim III. würde nicht abge
fetzt worden seyn, wenn Hussein-Pascha länger ge
lebt hätte. Er starb während des Kriegs der Franz
zofen in Aegypten. Selim III. hatte ihm eine
Tochter Abdul-Hamidis zur Gemahlin gegeben,
welche also eine Schwester des gegenwärtigen Sultans
ist. Ihr Vetter Selim gewährte ihr den Genuß einer
großen Freiheit, wie allen andern Frauenzimmern, die
aus kaiserlichem Geblüte entsproffen waren; allein seitder
Thronbesteigung ihres Bruders Mahmud II. find alle -

wieder eng eingesperrt worden. -

Vierzehnter Spaziergang,
Die Vorstädte Galata und Pera.
Geographische Befchreibung von Galata und
Pera. – Moralisches Gemälde dieser bei
-/
-

- 384 –

den von den Franken bewohnten Vorstädte –


Todtenacker. . -

D, Vorstadt Galata läuft am nördlichen Ufer des


Hafens zwischen Top - Khane, dem Quartier des Ars

fenals (Terfane") und Pera hin, dem sie die Hand


reicht. Anfänglich war sie unter dem Namen Sika,
von den Feigenbäumen , bekannt, die damals auf der

Spitze der Anhöhe fanden, die sie einnimmt; hierauf


nahm sie den Namen Justinianopolis an, um die
Freigebigkeit Justinians in ihrer Hinsicht zu verewi
gen. Dieser Kaiser verschaffte, außer den Verschönerun
gen dieser Vorstadt, ihren Einwohnern noch eine unmit
telbare Verbindung mit Constantinopel vermittelt
einer kühnen Brücke, die er über den Hafen schlagen
ließ; allein trotz seinem heißen Wunsche, feinen Namen
durch Denkmäler aufdie entfernteste Nachweltzu bringen,
die ihn verewigen sollten, indem er ihn einer Menge
Städten gab, die er gründete, vergaß doch Justinia
nopolis als eine undankbare Tochter den Namen ihres
Wohlthäters nebst dem, der sie daran erinnerte, und ver
tauschte ihn mit jenem von Galata, den ihm die
genuesischen, pianischen und venetianischen Kaufleute
gaben. -

Man sieht leicht an den hohen Mauern, die mit


Thürmen flankiert sind und die noch jetzt Galata um
geben, daß sie die Vorhut von Constantinopel war;
daher war sie auch den ersten Angriffen ausgesetzt, die
so oft gegen diese Hauptstadt gerichtet waren, ehe noch

\
-

--
– 385 –

das morgenländische Reich ein Ende hatte. Jetzt ist diese


Ringmauer in keinem beffern Zustande als jene des
Hauptplatzes, auch ist die Lage von Galata nicht be
fonders dazu geeignet, dieses Ufer des Hafens zu ber
theidigen; die Vertheidigungswerke defelben müßte man
viel weiter vorwärts anlegen, wenn man den gewünsch
ten Erfolg erreichen wollte. -

G a la ta hat seine Bestimmung nicht verändert,


Es wird noch, wie in den letzten Zeiten des griechischen
Reichs von Kaufleuten fremden Ursprungs bewohnt, die
größtentheils nur so lange in diesen Ländern bleiben, bis
fie sich durch die Vorrechte, welche der Name Franke
verschafft, Vermögen erworben haben. Bloß Einige ent
schließen sich, sich da einheimisch zu machen; in diesem
Falle aber bestimmen sie Heirathsverbindungen oder an
dere eben so wichtige Betrachtungen dazu, -

Die Häuser, die zu Magazinen dienen, sind von


Stein und gewölbt, mit Thüren und eisernen Läden ver
fchloffen. Keine andern als solche Schutzmittel sind nö
thig, um die köstlichen Sachen, die sie enthalten, gegen
die verheerenden Feuersbrünste zu schützen und selbst das
durch werden sie nicht allemal gerettet. " Oben von Thurn
von Galata läßt sich das Geschrei vernehmen: „P) ane
guenvar“ d. i. es ist Feuer! das nur zu oft die nächt
liche Ruhe stört und in einem traurigen Tone von den
Schildwachen in jedem Quartiere wiederholt wird; mit
Schrecken erfüllt es die Unglücklichen, die bisweilen nur
zu spät erwachen. Diese Schildwachen machen die ganze
Nacht die Runde; sie sind mit eisernen Stöcken bewaff
- - 25
---
– 386 –
net, die sie absichtlich auf dem Pflaster nachschleppen,
um die Einwohner zum Feuerlöschen aufzufodern.
Von der Gallerie, die den Thurn von Galata
bekränzt, stößt das Auge, wohin man sich auch wenden
mag, auf Aussichten, die man zu betrachten gar nicht
müde werden würde, wenn nicht andere eben so bezau
bernde die Aufmerksamkeit auf sich zögen; man durch
wandert ohne Unterbrechung in herrlichen Genüffen alle
Theile dieses Gesichtskreises, der Einer der mannichfal
tigsten und ausgedehntesten ist. Und wo könnte man
ein vollständigeres und reicheres Gemälde finden? Zwei
Meere, die nach entgegengesetzten Ländern führen, welche
folglich so verschieden find; eine Hauptstadt, die in die
fer Entfernung die schönste von der Welt scheint; ein
Hafen, den das Auge trotz seinen Krümmungen ganz
überfieht; endlich eine Menge Gegenstände, die hier zwar
bloß Kleinigkeit sind, an jedem andern Orte aber eine
Hauptrolle spielen würden.
- Zu Galata bemerkt man eine ziemlich schöne Mos
schee (Arab Dgjamiffi) die in Hinsicht ihrer Form
von jenen der Hauptstadt abweicht. Sie ist ein rechts
eckiges sehr geräumiges Gebäude, das äußerlich unsern
Kirchen gleicht. Ihr Name, welcher Moschee des
Schwarzen bedeutet, hat zu einem Räthel Veranlass
fung gegeben, dessen Lösung das Glück desjenigen machte,
der dieses zu thun vermochte. Der Kislar - agaffi
(Oberhaupt der schwarzen Verschnittenen) fragte eines
Freitagszu Folge der Pflichten seines Amts Achmed III.
in welcher Moschee er sein Gebet verrichten wolle; der
Sultan gab hierauf zur Antwort: ,in der Eurigen.“
- 387 –

Da dieses Oberhaupt der Verschnittenen keine Stiftung -


dieser Art gemacht hatte, so begriff er den Sinn dieser
zweideutigen Worte nicht und verließ feinen Gebieter,
ganz ungewiß über das, was er thun solle. Zu seinem
Glücke begegnete er unterwegs. Einem seiner Leute, der
ihn aus seiner Verlegenheit rettete und ihm sagte, die
Moschee des Kislar - agaffi könne keine andere feyn,
als Arab-Dgjamiffi. Der Sultan, dem die Verles
genheit eines ersten Sklaven nicht entgangen war, sah
ein, daß er die Rettung aus derselben jemandem ans
ders als fich selbst zu verdanken habe. Er befahl ihm
also, ihm ohne Umschweife die Wahrheit zu gestehen
und wünschte den Erklärer zu fehen, von dem er des
halb eine so hohe Meinung faßte, daß dies verzogene
Glückskind solche Fortschritte in der Gunst des Beherr
fchers machte, daß er seinen Kopf in den Ränken des
Serails verlor. Dies ist in der Türkei gewöhnlich der
Anfang und das Ende der Günstlinge. -

Arab - Dgjamissi hat eine Fontaine, aus der


ein wunderbares Waffer läuft, das, wie man sagt, die
Niederkunft der Weiber erleichtert. Diese groben Vor
urtheile haben sicherlich ihr Daseyn nicht dem Gesetzge
ber Arabiens, sondern vielmehr der unwillkührlichen
Berührung des Islamism mit andern Glaubensarten
zu verdanken, -
In Galata fieht man auch zwei Klöster, ein Do
minikanerkloster, das nichts besonderes hat, und ein La
zaristenkloster, das in mehrern Hinsichten besucht zu wer
den verdient. Ein übrigens sehr schätzbarer Schriftstel
ler, der nebst Peter Gilles den Reisenden in Con
– 388 –

stantinopel zum Führer dient, hat, wie ich glaube,


einen Irrthum begangen, wenn er behauptet, es befinde
sich in dem Kloster der Lazaristen eine große Cisterne,
aus der man jetztdie Säulen weggenommen habe. - Diese
Cisterne konnte nie etwas anderes als ein sich unter
freiem Himmel befindlicher Behälter feyn, wie man an
ihren Wänden sieht, wo man keine Widerlage eines
Gewölbes bemerkt. Diese find, wie die Wafferlei
tung des Valens und die Mauern von Confian
tinopel, ein Ganzes von abwechselnden Lagen von Zie
geln und Bruchsteinen, die durch einen sehr festen Kitt
mit einander verbunden sind. Zwölf Fuß unter dem
Boden findet man die Mauer des Behälters, die aus
großen Ziegeln besteht, welche vermittelt Pozzolanerde
zusammengefügt sind. --

Die Kirche, ein Werk der Genuefer, ist eine


kleine Kuppel, die vermöge einer ganz besondern Erlaub
miß mit Bleigedeckt ist; denn die kaiserlichen Paläste und
die Moscheen sind die einzigen Gebäude, welche dies
Vorrecht haben. Das Erstaunenswürdigste oder wenige
fiens das Merkwürdigste bei dieser ganz besondern Gunst
besteht darin, daß man sie durch Vermittlung des Ober
hauptes des Gesetzes erhielt, das mit dem Superior des
Klosters in freundschaftlicher Verbindung lebte. Granit
fäulen tragen die Haupttreppe und sind ein neuer Bes
weiß von dem Wohlwollendeffelben Mufti. Der Glok
kenthurm ist von einer so sonderbaren Gestalt, daß man
neue Worte erfinden müßte, wenn man ihn beschreiben
wollte. Das Kloster enthält einige vortreffliche Anstalten
z. B. ein Hospital, ein Kosthaus, kleine Schulen u. f. w.;
– 389 –

auch hat es eine Bibliothek, die aber wenig Werth hat.


Es befindet sich in der Mitte zwischen mehrern armenischen
Familien von lateinischen Kirchengebrauche, deren Ge
wiffen es leitet und deren Kinder es unterrichtet. -

Durch Galata laufen enge Gaffen, die bisweilen


an einem feilen Abhange hingehen; Einige find sehr volf
reich, Andere dagegen so wenig besucht, daß man glau
ben sollte, sie hätten gar keine Einwohner. Die Ersten
machen die Quartiere der Weinschenken und Kramer aus;
die Andern werden von fremden Kaufleuten bewohnt.
Im Sommer ist es ein sehr trauriger Aufenthaltsort,
wegen der heißen Luft, die man da einathmet, und im
Winter wegen der Goffen, die es aufnimmt.
Verläßt man diese Vorstadt, um sich nach Pera
zu begeben, so geht man über den kleinen Todtenacker
und bleibt einige Augenblicke auf der Anhöhe stehen, wo
der Pallast Englands liegt, um die Ansicht zu genies
ßen, die dieser Bergrücken gewährt, den ein Wald grün
ner Bäume bedeckt, durch welchen mehrere Fußfeige laua
fen, sich kreuzen und diese schöne Einöde in ein Laby
rinth verwandeln. -

Der Blick verliert sich mit einer geheimen Wollust


in den verborgenen Einöden, welche Gruppen von Cy
preffen bald da, bald dort bilden, und entdeckt jene Leis
chensteine, die ein graues Mooß bedeckt, oder ver
folgt jene Reihe von Häusern, deren Eigenthümer sich
nicht scheuen, so nahe bei ihrer letzten Wohnung sich
aufzuhalten. Der Wanderer überläßt sich einem feilen
Abhange, der bloß durch einige Absätze unterbrochen wird,
die sich als eben so viele Ruhepunkte zeigen, welche jes
-
doch nicht im Stande sind, ihn länger als einen Augen
blick aufzuhalten. Von einem größern Intereffe ange
zogen, eilt er so schnell, als der Gedanke, über den Zwi
fchenraum hinweg, der ihn von dem Seearsenal trennt,
wo er lange verweilt, ehe er wieder andere Gegenstände
auffucht. Sieht er in die Ferne, um seine Genüffe zu
vermannichfaltigen, soziehet ihn die platte Erhöhung des
Of - Meidan, die lachenden Thäler, die nach dem
Hafen hinlaufen, die Anhöhe der füßen Gewäffer,
und besonders der erhabene Anblick von Constantino
pel nach der Reihe an sich. Die schöne Sonne bei ih
rem Niedergange gibt diesem Gemälde durch die Schat
tirung, welche die halb erloschenen Feuer darauf verbrei
ten, ein Colorit, das der Mahler so schwer auf seine
Leinwandt übertragen kann. Um aber diese Menge von
Schönheiten noch beffer zu genießen, verfüge sich der
Beobachter nach dem Belvedere, das den Palast von
England bekränzt; seine Aussicht erweitert sich alsdann
nach allen Seiten hin, und er kann bis zur Kette des
Bergs Olympus, an das andere Ufer des Bospho
rus und aufden großen Todtenacker von Pera fehen;
fein Auge umfaßt die Propontis, das Serail,
Scutari und jenseits Pera die prächtige Caserne, die
am Eingange eines Cypreffenwaldes emporsteigt.
Die Vorstadt Pera ist größtentheils von allen Na
tionen, freundlichen und feindlichen, bewohnt. Die Ei
nen leben gezwungen in gutem Einverständniffe, da sie
Handelsverhältniffe an einander ketten; die Andern suchen
oder vermeiden einander nach den politischen Verhältnis
fen, wenigstens öffentlich und müffen dergleichen Rollen
-
wegen ihrer Aemter spielen, die sie bei den verschiede
nen Gesandtschaften verwalten. Wer sich gestern nur ver
stohlen grüßte oder dies gar nicht that, der umarmt sich
heute, weil in der Nacht der Eilbote mit der Aussch
nungsakte zwischen ihren Mächten eingetroffen ist.
In Pera hört man alle europäischen Sprachen
sprechen. Aus dieser Vermischung der verschiedenen
Mundarten könnte man schließen, die menschliche Eitel
keit habe die Absicht, hier einen babylonischen Thurm
zu errichten, den man allenthalben aufbauen kann, wo
sich der Boden dazu eignet, ohne sich von den Grund
fälzen der critischen Geographie d. h. von den Absich
ten des Erfinders dieser finnreichen Dichtungzu entfernen.
Unter den Palästen der Gesandten, welche insge
fammt in Pera liegen, bemerkt man die von Frank
reich, England und Venedig, *) welche vermöge
ihrer Lage, Schönheit, Festigkeit und der großen fie umge
benden Gebäude die Vortheile des verfittlichen Europas
mit jenen der glücklichsten Lage und des merkwürdigsten
Landes verbinden, mit dem sie übrigens einen leicht zu
errathenden Contrast machen. Der Baron von Tott ist
der Erbauer des französischen Palastes gewesen, der
mehrere Aussichten angebracht hat, von deren Einer ich
in diesem Augenblicke, sobald ich die Augen aufhebe, den
Berg Olymp, die Prinzeninfeln, die Spitze des
Serails und die Spitze von Chalcedon erblicke, die
beide einander entgegen zu rücken scheinen, als ob Asien

*) Der Letzte gehört jetzt Oesterreich.


D. 1 ebf.
– 392 – "
Europa die Hand reichen wollte, oder auch als ob sich
diese beiden Erdtheile von einander trennen wollten.
Pera enthält vier Klöster, welche der römischen
Kirchenzucht unterworfen sind; ein Spitalfür Pestkranke,
das Frankreich angelegt hat; das Collegium von Ga
lata - Serai, wo die Pagen des Sultans ihren ersten
Unterricht erhalten, und aus dem sie ins Serail koms
men; die prächtige Caserne, welche mir schon erwähnt
haben; zuletzt einige Tekets oder Derwischklöfer.
Wenn man das Kloster der Mewle wis oder der
fich drehenden Derwische besucht, so sieht man aufden
Todtenacker das Grabmahl des berühmten Grafen von
Bonneval, der bei den Türken unter dem Namen
Achmet - Pascha bekannt ist und der bei ihnen die
Stelle eines Comparadgi - bafchi (Generals der
Bombardierer) erlangt hatte. Mit einer Art von Stolz
zeigte uns ein guter Muselmann dies Denkmal, das
man dem Andenken eines Mannes errichtet hat, den das
Schicksal und nicht der Glaube zur Veränderung feiner
Religion verleitete. Indeffen sah man doch leicht ein,
daß unser Unterredner einen Sieg des Mahome disn
zu feiern glaubte, indem er den Namen Bonnevals
in Vereinigung mit jenem Achmets aussprach.
Die Vorstadt Pera verdient vorzüglich wegen der
Sitten seiner Einwohner die Aufmerksamkeit, und ist
fast weiter nichts als eine fehr lange Straße mit Häus
fern, worunter Mehrere ein schönes Ansehenhaben, aber
im Ganzen hat man bei ihr im Baue alles der Absicht
zum Opfer gebracht, sich gegen Feuersgefahr zu schützen;
fie haben daher ein massives und unangenehmes Ansehen.
– 393 –
Das Erdgeschoß besteht aus Butiken, die voller Waaren
zum Gebrauche für die Europäer sind.
Von Petra geht man nach Top - Khane in dem
Thale hinab , welches zwischen diesen beiden Quartieren
die Scheidelinie macht, und an defen Ausgange man
die Artillerieanstalten, so wie die schöne Fontaine findet.
Von der Stelle, welche dies Denkmal verziert, kann man
sich nach Dolma - Baktfche in einer Straße hinbe
geben, die anfänglich ziemlich breit ist, am Ufer hinläuft
und durch das Quartier Fondu fli geht, das eben so
wie Top- Khane von Türken bewohnt wird. Die
übrigen Straßen laufen einen sehr steilen Abhang hinab
und führen auf die Anhöhen, deren Fuß vom Meere be,
spült wird. Pera steht in Hinsicht seines übrigens
Umfangs bloß mit den Todtenäckern in Verbindung, aus
genommen mit Galata, von dem es eigentlich die
Vorstadt ist. Ein großer Theil dieses fast neuen Quar
tiers zeigte vor einem Jahrhunderte bloß angebautete
Weinberge; daher datierten die Gesandten auch ihre Briefe:
, aus den Weinbergen von Pera.“
Die gute Gesellschaft gleicht hier vollkommen jener
in unsern europäischen Städten. Man findet da Frauen
zimmer, welche die ganze Liebenswürdigkeit ihres Ge
schlechts besitzen. Ich habe ihnen bisweilen ihre über
berechnete Vorliebe zur Landestracht zum Vorwurfe ge
macht, die ihre schöne Gestalt verdirbt. Auch würden
sie wohl thun, wenn sie das weiße Mützchen mit jedem
andern Kopfputze vertauschten, der besser zu ihrem anti
gen Gesichte paßt; allein nimmt man diese kleinen Verz
befferungen aus, so wünsche ich, daß sie dasjenige be
-

-
halten, was fie tragen; denn sie würden nur dabei ver
lieren, wenn sie sich an dem vergriffen, was bei ihnen
das Werk der Natur ist. Beim ersten Anblicke ist der
Fremde erstaunt, daß er in einem so sonderbaren Anzuge
unsere Sprache, unsere Gebräuche und die Annehmlichkei
ten findet, welche die Französinnen in ihre Unter
haltungzu mischen verstehen. Diese wenigen Worte ent
halten eine getreue moralische Schilderung dieser liebens
würdigen Gegenstände.
Die Einwohner von Pera haben eine ganz besons
dere Gesichtsbildung, welcher ihre politischen und geselli
gen Verhältniffe nothwendig ein ganz besonderes Siegel
aufdrücken mußten. Dies Quartier befizt allgemein un
terrichtete Männer, wovon Einige in Europa und fast
alle in der Levante gereiet find. Ihre Aemter find
jene von Kanzlern, Dragomans, und bisweilen von
Geschäftsführern bei den verschiedenen Gesandtschaften.
Mehrere haben meine Beobachtungen geleitet, meine Ur
theile berichtigt und mir Beispiele von dem geliefert,
was ich unmöglich selbst fehen konnte. Vorzüglich habe
ich vieles Herrn Ruffin zu verdanken, der zum fech
fienmal Geschäftsführer ist und defen Schüler zu seyn
ich mir zur Ehre rechne. Auch kann ich nicht die Herrn
Deval, Dantau, Franchini, den ersten Dolmet
fcher - Sekretär und die übrigen Dragomans der fran
zösischen Gesandtschaft; Ducauroy, Professor der mor
genländischen Sprachen und Obervorsteher der Anstalt,
wo junge Leute in diesen Sprachen unterrichtet werden;
Auban, Gesundheitsbeamten und Crepin, französi
fchen Kaufmann mit Stillschweigen übergehen, deren

/
– 395 –
Einsichten mir so behülflich gewesen sind und die sich in
meinem Buche oft wieder finden werden.

Der Aufenthalt in P e r a kann dem Fremden um


fo mehr Annehmlichkeiten gewähren, je zahlreicher und
häufiger daselbst Gesellschaften find; doch ist es noth
wendig, daß ein gutes Einverständniß zwischen den eu
ropäischen Mächten herrscht, weil, sobald nur die ge
ringste Unruhe in Europa ausbricht, zu Pera Kriegs
erklärungen erfolgen und Bündniffe geschloffen werden,
ehe die Feindseligkeiten noch anderwärts ihren Anfang
genommen haben. Sogleich verschwinden die Vergnü
gungen und an ihre Stelle tritt die Zurückhaltung, welche
die Politik beiden Parteien auferlegt.
Eine andere eben so belustigende Bemerkung, die
keinem Beobachter entgeht, so ungeübt er auch feyn mag,
ist die angenommene Ernsthaftigkeit, die folglich sehr
nahe ans Lächerliche grenzt und die man in Pera in
Hinsicht der Etikette selbst in vertraulicher Gesellschaft
beobachtet, und die Wachsamkeit eines jeden, feine An
sprüche zu behaupten und zu vertheidigen. Dies ist die
Frucht des kleinen Kriegs, welchen die verschiedenen Ge
fandschaften mit einander führen, um fich einander im
Vorrange auszustechen und bei der Pforte das meiste An
jehen zu erlangen. Dieser politische Streit erfreckt also
feinen Einfluß bis auf die einzelnen Personen, welche
von ihrer Seite dies Bestreben, ihren Rang zu behaup
ten, durch die Folgen hinlänglich gerechtfertigt wähnen,
an denen sie ihre Regierung Theil nehmen zu laffen
fürchten, die aber im Grunde bei weiten nicht so ernst
- 396 -

lich find, als sie sich einbilden oder Andern weiß machen
wollen. -

Hieraus sieht man, daß es keine Gesellschaft giebt,


wo es gefährlicher fey, als in Pera, sich in Hinsicht
feines Rangs etwas zu vergeben; denn ohne weitere Un
tersuchung verliert man in der öffentlichen Meinung,
wenn man aus Bescheidenheit oder Gleichgültigkeit einem
Niedern den Vortritt gestattet; auf immer wird man das
für gestraft. - -

Wenn die gute Gesellschaft zu Pera eben so ist,


wie in allen gebildeten Ländern, so hatdasgemeine Volk
keine Aehnlichkeit mit den unserigen: es ist ein Auswurf
der Menschheit. Hätte man für die Falschheit, die
Selbstsucht, die Begierde, sein Glück zu machen, einen
Preis, so würde ihn daffelbe ohnftreitig erhalten; denn
es besitzt diese Eigenschaften im höchsten Grade und läßt
sich durch das Ansehen des Botschafters nur schwach im
Zaume halten, den es noch allein fürchtet; das Ehrge
fühl kennt es nicht einmal dem Namen nach; noch we
niger hat die öffentliche Meinung irgend einen Einfluß
auf dasselbe. Pera ist, wasdiese Volksclaffe anbelangt,
eine Colonie, in der alle Tage Veränderungen statt fin
den, ohne daß man die Anlangenden fragt, woher fie
kommen, noch die Abreisenden, wohin sie gehen. Der
Grund, warum die Pera besuchen und warum sie es
wieder verlaffen, ist hinlänglich bekannt. Jeder weiß,
daß man durch die Hoffnung fein Glück zu machen,
dahin gelockt wird, und daß man wieder fortgeht, wenn
der Zweck dieser Reife erreicht ist; kurz, es ist das Land
der Abentheurer. Man muß sich aber vor der Lästerung
- 397 –
um so mehr in acht nehmen, da sie so nahe an Vers
läumdung grenzt und man leicht die Eine für die An
dere nimmt. Wir wollen daher den Pöbel von Pera
verlaffen, der nicht werth ist, daß man sich so lange mit
ihm beschäftigt und uns nach dem Todtenacker begeben,
wo die Pracht der Natur andere Gefühle in uns erwecken
wird. Seine Lage ist so entzückend und er gewährt dem
Auge einen so großen Gefichtskreis, daß man daselbst
die Schwächen des Menschengeschlechts ohne Mühe vergißt.
Ein anderes Verdienst des großen Todtenackers von
Pera befieht darin, daß er an Feiertagen einen eben so
mannichfaltigen als contrastierenden Anblick gewährt, der
um so mehr Eindruck macht, je weniger man an ihn
gewöhnt ist. Die armenischen Frauen feiern daselbst den
Jahrestag des Todes ihrer Gatten und foßen auf ihren
Gräbern Seufzer aus, welche durch häufige Thränen
unterbrochen werden. Neben diesem rührenden Gemälde
fieht man Griechen, bei denen der Wein die dieser
Nation angeborene Heiterkeit aufgeregt hat, tanzen und
hört sie ihre abgemeffenen Schritte mit Gesängen zu
Ehren des Bachus und des Amors begleiten. Weiter
hin erblickt man armenische Geistliche, die man an ihs
rem langen weißen Barte erkennt und die im Chor für
die Ruhe der Seele eines Verstorbenen fingen, dem man
seit kurzem ein Denkmal errichtet hat. Anderwärts sieht
man Hasardspiele, welche Griechen halten und von
welchen mit Stöcken bewaffnete Türken, die das Recht
der Sieger benutzen, eine willkührliche Abgabe erheben;
selbst auf den Gräbern sind Schaukeln, Kaffeebuden uns
ter Pavillons, Kämpfer, die an jene der Alten erinnern,

r
– 398 –
indem sie bis an den Gürtel nackt sind und den Leib
mit Oehl eingerieben haben; Fechter, die mit einem De
gen bewaffnet und mit einem Schilde bedeckt find. Auf
der Frankenebene bemerkt man Leute von allen Na»
tionen, die auf derselben hin und her auf Pferden rei
ten, deren Ungeduld fie immer über dieselbe hinaustreibt;
aufdem Wege erblickt man Arabas, in deren jeder
zwei Reihen von Frauenzimmer fitzen, welche hinter einan
der herfahren und zwischen welche fich bisweilen Leichen
begleitungen mischen, ohne daß der Anblick des Todes,
der sich hier unter allen Gestalten zeigt und an den als
les, was man vor sich sieht, erinnert, eine Veränderung
in der heiteren Stimmung der Personen hervorzubringen
vermöchte, welche kaum auf solche Umstände merken.
Jeder ist mit Leib und Seele mit dem beschäftigt, was
ihn herbeigeführt hat: die Seufzenden geben nicht auf
die muntern Gesänge acht, die in ihre Ohren tönen und
ändern ihre Klagetöne nicht. Die Freunde der Freude
vergeffen, daß sie fich unter Cypreffen lustig machen
und daß die Töne, die sie vernehmen, Trauergesänge
find. Allenthalben flößt man auf Contraste und wenn
man dies Schauspiel zum erstenmale sieht, fo, trauet
man kaum seinen Augen. -

Vor einigen Jahren hatte der Name Franke eine


große Ausdehnung und es war vielen Griechen- und
Armeniern vermittelt dieses Schutzmantels gelungen,
sich ihrem rechtmäßigen Herrn zu entziehen. Dieser
Mißbrauch rührte von dem Vortheile her, den man in
den Capitulationen den fremden Mächten zugestanden
hatte, Barats oder Urkunden auszustellen, die von
-
- 399 ---

dem Zustande der Rayas oder zinspflichtigen unterthanen


befreien, unter dem Vorwandte, die als Dragomans
bei den Gesandschaften zu brauchen. Jede von den Letzs
tern hatte daher eine gewisse Anzahl von solchen Ba 2
rats, welche beim Tode der Schützlinge wieder an den
Gesandten zurückfallen, der fiel wiederum an Andere
verheilt: dies war für ihn eine einträgliche Sache.
Rußland, das sein erlangtes Uebergewicht benutzte,
vermehrte auf eine für die Pforte und die übrigen Mächte
furchtbare Art die Anzahl dieser Schützlinge, so daß die
othomanische Regierung auf Frankreichs Ansuchen die
Barats vernichtet hat oder vielmehr sie benutzt sie selbst,
indem sie dieselben an ihre Unterthanen verkauft, welche
hierdurch die Handelsvorrechte erhalten, welche die
Franken haben, ohne deshalb von der Kopfsteuer be
freiet zu feyn.
Außer dem Vortheile der Freiheit von jeder unmit
telbaren und mittelbaren Steuer kann ein Franke für
einen sehr mäßigen Zoll ungehindert Handel treiben. Zu
feinen Vorrechten gehört auch noch, daß er bloß von eis
nem innländischen Gerichtshofe gerichtet werden kann,
wenn die Gegenpartei eine einheimische ist und wenn
den Erörterungen ein Dragoman beiwohnt. Besitzt aber
diese Partei auch den Frankenzustand, so ist der
Botschafter Richter und die Streitigkeiten zwischen den
Schützlingen von verschiedenen Nationen, werden von
Vergleichscommissionen entschieden, die man aus den
beiden Nationen wählt. Ein Nachtheil der Franken
besteht darin, daß sie freng genommen, kein sichtbares
Eigenthum haben können; indessen gesteht man ihnen
- 400 -

aus Nachsicht doch das Recht zu, in ihrem Namen Häu


fer in der Stadt und aufdem Lande zu besitzen. In
dieser Hinsicht genießen sie sogar weit mehr Freiheit als
die zinspflichtigen Unterthanen; denn diese wagen keine
so glänzenden Häuser zu bauen. Zuletzt besteht. Eines
von ihren Vorrechten, an welchem man sichtbar das
Recht der Befreiung oder die Nachsicht erkennt, welche
. die Regierung gegen sie hat, darin, daß sie alle Jahre
in ihrem Quartiere einen feierlichen Aufzug halten köns
nen. In einem solchen Falle ist nichts merkwürdiger als
der Anblick von Janitscharen, welche den Thron
himmel begleiten, und den Stock brauchen, um diejenigen
zum Niederknien zu nöthigen, welche diese Andachtsbe
zeugung nicht von selbst thun; sie sind weit eifriger und
schärfer als der furchtbarste Büttel.
- - -

Funfzehnter Spaziergang.
Das Serait und die Vorstellung der Botschafter,
Beschreibung des Serails – Befchaffenheit
des othomanischen Hofs– Aufnahmecere
moniell der Botschafter – Etikette des
othomanifchen Hofs.
-

D. Vorstellung der Botschafter beim Sultane und ihr


Besuch bei den ersten Minister der hohen Pforte scheinen
beide dazu bestimmt zu sein, den Stolz und die An
sprüche der osmanischen Regierung heraus zu heben, die
– 401 –
heut zu Tage weit lächerlicher sind als in den Zeiten,
wo sie ein glänzendes Glück entschuldigen konnte. An
der Duldung dieser grundlosen Eitelkeit ist bloß die so
auffallende Eifersucht der europäischen Mächte Schuld,
der hohen Pforte Gefälligkeiten zu erweisen, aber diese
würde bei nur etwas Scharfsicht die Schlinge erkennen,
die darunter verborgen liegt. Für die Völker Europas
ist es jedoch sehr kränkend, daß sich ihre Abgeordneten
die sklavischsten Demüthigungen gefallen laffen nüffen,
welche dem Stolze der Türken nur noch mehr Nah
rung geben. Wir sprechen als Augenzeuge. - -
Der Besuch beim Großvezier muß wenigstens eine
Woche vor der Vorstellung beim Sultane vorausgehen.
An dem bestimmten Tage stellt sich ein Capidgi
baschi als Meiman - dar (Reisemarschall) in Beglei
tung eines zahlreichen Gefolges ein und holt den Bot
schafter aus seinen Pallafie ab. Die Orta oder Janit
scharencompagnie, welche der Gesandtschaft als Schutz
wache beigegeben ist, versammelt sich, um ihm zur Be
deckung zu dienen. Er reitet von Pera ab und ver
fügt sich in Begleitung des Obersten der Orta zu Pferde
ans Ufer; alle diejenigen, welche das ausmachen, was
man die Nation nennt, sind an diesem Tage auf den
Beinen und vergrößern das Gefolge, so daß die Anzahl
der Personen, aus denen es besteht, gewöhnlich sehr
groß ist.
Wenn die Begleitung am Ufer anlangt, so findet
sie daselbst Fahrzeuge, welche die Pforte zusammenge
bracht hat und welche sie nach Con stantinopel über
führen. Hier nimmt jeder ein Pferd, das auch die
- 26
- 402 - -

Regierung liefert; der Tschiaufh-baschi empfängt


in Begleitung eines zahlreichen Gefolges den Botschafter
beim Aussteigen aus dem Kaik und bringt ihn in ei
nen benachbarten Kiosk, wo man ihm Kaffee reicht,
Bisher sind die Pflichten der Gastfreundschaft mit Auf
merksamkeit erfüllt worden und man findet mit Ver
gnügen sehr deutliche Spuren der patriarchalischen Sitten
wieder; wir werden aber sogleich sehen, wie trügerisch
dieser Anfang ist. --

Da der Abgeordnete des Großveziers Anspruch


macht, vor dem Botschafter oben an zu gehen und dieser
Letzte gewöhnlich keine Lust hat, ihm den Vortritt einzu
räumen, so begnügt sich, um diesen ersten Streit aus
zugleichen, der Tschiaufch-baschi damit, daß er
vorausgeht und der Gesandte, immer unter dem Schutze
seines getreuen Capidgi -baschi, nachfolgt.
Er reitet auf einem reich verzierten Pferde, das ihm
der Großvezier zum Geschenke schickt; der Gesandtschafts
sekretär reitet mit den Beglaubigungsschreiben voraus,
die sich in einen Beutel von Drapd'or, mit Franzen
besetzt, befinden; die Dragomans, Consuls u. f. w,
welche zur Gesandtschaft gehören, umgeben ihn; die
Kaufleute folgen ihm; der Ueberrest der Nation macht den
Beschluß und ein zahlreicher Hausstand in reichen Livreen
bildet zu Fuß zwei Reihen, welche zur Einfaffung dieses
Gemäldes dienen, wo man den auffallendsten Contrast
so wohl in den Anzügen als in den Gesichtsbildungen
bemerkt. Man sieht z. B. Boftandgis mit einer lan
gen rothen Mütze, welche die Gefalt einer Kanonenpa
trone hat, welche in der Mitte zerbrochen ist, neben mit
„“

-“
– 403 –

Treffen besetzten Hüten; Pelze , morgenländische Anzüge


neben Bedientenanzügen; asiatische Gestalten, welche
durch ihren edlen und ernsten Ausdruck einen schneidenden
Contrast mit den fröhlichen Mienen unser europäischen
Gesichter machen. -

Unterwegs trifft man Timarioten (Besitzer von


Kriegslehen) an, welche der Großvezier als Deputation
entgegen schickt, um die Bedeckung noch mehr zu ver
größern; einige andere Personen vom Militär und Civil,
auch zu Pferde, wie die Ersten, vereinigen sich mit
ihnen und in diesem Aufzugelangt man an der Pforte, -

font Pallast des ersten Ministers genannt, an, deren


Namen schon, mit dem erhabensten Beiworte begleitet,
welchen die Sprache besitzt, die Größe der Regierung
bezeichnet. Die Othomanen haben sicherlich das Wort
und die Bedeutung hohen Pfo rte von den Per
der

fern entlehnt; denn der Großkönig hat es zur Bezeich


nung des Ortes befimmt, wo sich die Gewalt befand,
- Der Palast des Großveziers, unter dessen Ruinen
sich vor einiger Zeit der muthige Mustapha - Bai
raktar begrub und der wieder aufgebauet ist, hat wei
ter kein Verdienst, als daß man im Innern die ganze
Reinheit der morgenländischen Bauart bemerkt. Zu sei
nem Bau hat man viel Marmor genommen und die
Decken, selbst jene der Vordächer, die einen sehr auffall
lenden Vorsprung haben, laffen in Hinsicht der Verzie
rungen nichts zu wünschen übrig. Auf einen erfien,ziem
lich geräumigen Hof folgt ein anderer sehr regelmäßiger.
Die Treppe, welche aus dem Letztern nach den großen
Gemächern führt, verräth viel Adel, welche Eigenschaft
– 404 –

man in der türkischen Bauart selten bemerkt. Aegyptische


Matten bedecken ihre Stufen und diese sind selbst wieder
mit Teppichen belegt. Gänge, geräumige Vorhäuser
empfangen die Menge der Personen, welche sich in Ge
schäften nach dem Ministerio begeben, aber in dem Aus
genblicke, wo ich eine Beschreibung davon liefere, ist er
vielleicht nicht mehr; denn nichts ist unsicherer als die
Dauer der Gebäude zu Constantinopel,die vermöge
ihrer Beschaffenheit häufigen Feuersbrünsten ausgesetzt
sind, welche sie in einem Augenblicke verzehren.
Während der Botschafter durch. Eine der Thüren in
den Audienzsaal tritt, kommt der Großvezier zu der An
dern herein, weil er fürchtet, die andere Partei möchte
ihn schon da finden und es möchte das Ansehen haben,
als ob er sie erwarte. Er setzt sich in eine Ecke auf
Einem der Sofas nieder, mit denen das Zimmer um
geben ist. Stehend und zu einer Rechten befinden sich
der Reis - Effendi, der Tschiaufch-baschi, und
die beiden Tesker edgi (Requetenmeister); zu seiner
Linken, ebenfalls stehend, ist der Kiaya - Bev (ein
Stellvertreter). Der Botschafter nimmt gerade vor dem
Großvezier Platz, ohne ihn zu grüßen; denn seine Höf
lichkeit würde nicht erwiedert werden; daher entsteht, als
eine Folge dieser Vorschrift, während des ganzen Besuchs
ein kleiner Krieg, der wegen des Ernstes, mit welchem
man ihn von Seiten der Mahomedaner führt und
wegen der Wichtigkeit ein anderes Beiwort verdient,
welches die europäischen Mächte darauf legen müffen,
um von ihrer Würde nicht allzuviel aufzuopfern.
Wir haben schon gesehen, wie der Tschiaufch
– 405 –

baschi als ein Herold ans Ufer kommt und diesen Krieg
erklärt. Im Audienzsaale dauert derselbe mit einer
Hartnäckigkeit fort, die immer zunimmt. Wenn man
es z. B. dem Großvezier überließe, so würde er den Bot
schafter auf einen bloßen Seffel niedersetzen laffen, aber
um dieser Schlinge zu entgehen, hat man oft einen
Stuhl ausdem Palaste der Botschafter hinschicken müffen.
Die Beglaubigungsschreiben werden dem Großvezier
überreicht, der fiel dem Reis - Effendi übergiebt;
man bringt Kaffee und schenkt die erste Taffe für den
othomanischen Minister ein. Dieser Gebrauch ist der
morgenländischen Höflichkeit angemeffen, vermöge wel
cher sich der Hausherr zuerst bedient. Darauf reicht
man Confekt, Scherbet und beobachtet dabei stets die
selbe Methode. Die Reinigungen mit Rosen- und Jass
minwaffer, die Wohlgerüche von Aloe, die man den bei- -

den Ministern einen Augenblick hinhält, folgen auf diese


leichte Mahlzeit. -

-- Kaum behalten diese beiden Minister die Ellnbogen


frei, so gedrängt werden fiel von Neugierigen, deren
Menge mit der Größe des Saals in keinem Verhältniffe
steht und die fich in den Palast stürzen, sobald der
Botschafter hineintritt und sich wie Wellen in den Vor
häusern, ja selbst im innersten Zimmer verbreiten. Bei
trachtet man diese scheinbare Popularität und sieht, wie
die Griechen, Juden und Armenier, mitden Mu
felmännern untermischt, welche bei weiten, nicht so
zahlreich find, ohne Hinderniß bis zum ersten Minister
dringen, sollte man es da wohl glauben, daß man sich
in dem Heiligthume der willkührlichen Gewalt befindet
- 406 -

und daß derjenige, den man mit einer so großen Leich


tigkeit sprechen zu können scheint, ihre Aussprüche dik
tirt? Aber diese lächerliche Vertraulichkeit, die man
vielmehr als einen Mangel von Polizei denn als ein
Zeichen von Popularität betrachten muß, ist ein ächtes
Bild von der Unordnung und Verwirrung, durch welche
sich die Regierung auszeichnet: -

Der Botschafter macht dem Großvezier sein Com


pliment, welches von dem Dragoman der Pforte in die
Landessprache übersetzt wird. Der erste Minister erwie
dert daffelbe durch ein anderes, wo man oft bemerkt,
daß die Kunstgriffe der Politik diesen stolzen Turcona
nen weder unbekannt sind noch auch von ihnen verach
tet werden, die sich nicht schämen, Schmeicheleien und
Liebkosungen zu brauchen, sobald sie sich fürchten.
Der Botschafter wird darauf mit dem Ehrenpelze
bekleidet; die übrigen Personen von der Gesandtschaft
werden ebenfalls mit einer Auszeichnung behandelt, die
mit ihren Range im Verhältniß steht. Nach einer all
gemeinen und nichtssagenden Unterhaltung steht der Bot
v fchafter auf und geht fort, indem er dem Großvezier die
Unhöflichkeit erwiedert, welche dieser bei seinem Eintritte
gegen ihn begangen hatte, und ihn auch nicht grüßt.
Dieser ergreift ebenfalls eine Maaßregeln, um in dem
selben Augenblicke aus dem Saale zu gehen; denn die
Ehre des Reichs würde ohnftreitig dabei leiden, wenn er
sich hierin zuvorkommen ließe. -

Man steigt wieder zu Pferde, jetzt über den Hafen


und kehrt in Pomp nach dem Palaste zurück; jeder ist
- mit dem Pelze oder Kaftane geputzt, den er bekommen
-

hat und dieser Triumpfzug beschließt die Feierlichkeit.


Nunmehro wollen wir zur Vorstellung des Botschafters
beim Sultane übergehen ; da die Bestandtheile des Ge- '

folges und der erste Theil des Ceremoniels derselbe ist,


so beginnen wir mit dem Augenblicke, wo der Botschaf
ter feinen Einzug ins Serail hält.
Wenn der Zug auf der Höhe des Palastes des
Großveziers angelangt ist, fo macht er halt, um diesen
Minister zu erwarten, der bisweilen diese Gefälligkeit
abfichtlich mißbraucht; gewöhnlich aber erscheint er nach
einigen Minuten im Gefolge einer Offiziere und setzt
sich an die Spitze des Zugs.
Man geht durch das kaiserliche Thor (Bab -hu
maiun) wie unter einem Triumpfbogen weg. Dieser
Eingang, welcher jedoch nichts edles hat, führt in einen
geräumigen, aber sehr unregelmäßigen Hof und kündigt
mehr den Aufenthalt eines Castellans als den Palast des
Königs der Könige an; er fehtjedermann offen, selbst
den Ungläubigen. Links sieht man die Kirche der heiligen
Irene, welche ein Zeughaus worden ist, worin man
alle Rüstungen aufbewahrt, welche bei den Türken in
Ehrfurcht stehen, da sie den ersten Othomanen ange
hört haben. Die Ungläubigen dürfen nicht hinein; sie
können also das Gebäude bloß äußerlich beurtheilen; je
doch fieht man, daß es nach dem Modelle der alten
Hauptkirchen erbauet ist. An der Seite steht die Münze,
wo die Armenier und einige Griechen die verschiede
nen Werkstätten einnehmen. Das beschwerliche Verfahren,
das diese Arbeiter beobachten, um jedem Stücke sein Ge
wicht zu geben; die grobe Art, wie das Gepräge darauf
gemacht wird; die Leichtigkeit, mit welcher die Juden
den Werth verschlechtern; alles dies dient zum Beweise,
daß diese Kunst bei den Türken eben so wenig Fort
schritte gemacht hat, als die Finanzverwaltung. Den
eben genannten Gebäuden gegenüber ist „das Kranken

haus, so wie andere abgesonderte Gebäude zum Gebrauche


für die Leute. Alle diese Gebäude scheinen wie durch
den Zufall hingeworfen zu seyn, und machen eine mehr
mahlerische, als harmonische Wirkung.
Das zweite Thor, das Orda-capuffi (Mittel
thor) heißt, wird von zwei Thürmen flankiert. Dieje
nigen, welche die ersten Aemter bekleiden, bleiben nie
ohne einen geheimen Schauder in seinem Vorhause stehen,
das mit Waffentrophäen und Freskomalereien verziert
ist; denn oft fallen hier ihre Köpfe unter dem schar
fen Schwerdte der Henker herab, deren Wohnung links
ist, so wie sich rechts die Wohnung des Wachthabenden
Capid gi-baschi befindet. - -

- Der zweite Hof enthält auf der einen Seite die Kü


chen, welche ein sehr langes Gebäude einnehmen und
auf der Andern den Kutbey - hat ne“, wo der Groß
vezier Divan hält. In der Mitte find zwei Alleen von
Cypreffenbäumen, welche von dem Thore aus nach ver
fchiedenen Richtungen laufen; die Eine führt nach dem
Kutbey, die Andere nach dem Thronsaale, welcher sich
innerhalb der dritten Einfaffung befindet.
Der Botschafter und sein ganzes Gefolge steigen am
zweiten Thore von den Pferden, über welches der Groß
herr allein hinaus reiten kann; man läßt die Begleitung
unter den Säulenhallen halt machen, die man am Ein
gange des zweiten Hofs findet. Auf der einen Seite er
blickt man einige hundert Jan it fch a r ein, die in
Schlachtordnung stehen; auf der andern Schüffeln mit
Pilav, die mehrere Mann hoch eine Fronte einnehmen,
welche der feindlichen gleich kommt. Nie würde man es
sich einfallen laffen, daß man hier deshalb aufgehalten
wird, um sich eine Idee von der Macht des Reichs zu
machen, die nach der jämmerlichen Schaustellung dieser
Soldaten berechnet wird, welche mehr Verachtung als
Furcht einzuflößen geeignet sind, und daß man da eine
ganze Stunde warten muß, um mit Muse die angeb
liche Tapferkeit dieser Soldateske oder vielmehr ihre Be
gierde zu plündern, zu betrachten. - -

Mit den Augen verzehrt sie die leichte Beute, die


man ihr anbietet und läßt schon aus ihrer Haltung die
Ungeduld errathen, mit welcher jedes ihrer Mitglieder
den Augenblick der Loosung erwartet. Kaum giebt man
diese, so stürzen diese gefräßigen Geier über die Pilav
schüffeln her, die in einem Augenblicke unter den Tau
senden von Händen verschwinden, welche sie sich einander
zu entreißen suchen und sogar zum Handgemenge kom
men. Statt das zu finden, was man sehen laffen will,
erhält man einen überzeugenden Beweiß von der Auf
merksamkeit der Regierung, diese Soldateske zu liebkosen,
und man beklagt sie insgeheim, daß sie ihre Sicherheit
den Händen so kläglicher Vertheidiger anvertrauet.
Ist die Zeit dieses zweiten Anhaltens vorbei, fo
zieht der Botschafter zwischen den Franken dritter Ord
nung hin, welche unter dem Schutze seiner Regierung
leben, zwei Reihen von dem Thore bis zum Kult bey
- 410 –

bilden und sonst alle Vorrechte der Gastfreundschaft ge


nießen.
Dieser Saal, wo der Großvezier an den Tagen
Divan hält, an welchen man den Janitscharen die Löh
nung auszahlt und wo man die Botschafter empfängt, ist
durch eine Marmorerhöhung in zwei Theile getheilt. Ei
ner von den Theilen, der mit einer Kuppel bekränzt ist,
dient zum Vorhause, und hier halten sich die Thürsteher
und andere geringe Beamte auf; der Andere, bogenför
mig gewölbt, ist äußerlich von einem Corridor oder ei
nem Portikus umgeben, der sich auch an der Vorderseite
des Vorhauses hinerstreckt; alle beide sind mit den selten
ften Marmorarten getäfelt; dies kann man jedoch kaum
erkennen, so sehr sind sie mit Vergoldungen überladen.
Uebrigens ist der Divanfaal zu wenig erleuchtet, als daß
das Licht, das er erhält, zu so vielen der Beleuchtung
bedürftigen Gegenständen. hinreichend wäre.
Unterhalb des für den Großvezier bestimmten Platzes
ist ein kleines vergittertes Fenster, das in Hinsicht des
Farbentons so vortrefflich mit dem Ueberreste der Decke
verschmolzen ist, daß man es kaum erkennen kann; we
nigstens ist es für das Auge unmöglich, durchzusehen.
Hier kann der Sultan, gleich einem Gotte, der alles,
bis aufdie Gedanken fieht, ohne gesehen zu werden, wie
er, den Amtsverrichtungen seines Ministers beiwohnen
und über seine Treue urtheilen, welche bisweilen in Hin
ficht einer oft verdächtigen Billigkeitzweifelhaft ist. Paßt
aber dieser geheimnißvolle Platz nicht vielmehr für den
Minister als für den Oberherrn, weil er, hinter dem
Willen seines Gebieters verschanzt, den er so oft nach
- 411 -

Belieben denken und handeln läßt, die wirklich unficht


bare Macht ist, durch welche die Regierung in Bewe
gung gesetzt wird? Dies kann man jedoch nicht von dem
Sultan Mahmud sagen, der seine Minister das thun
läßt, was er will, allein außer diesem durch seine könig
lichen Tugenden so ausgezeichneten Fürsten, rechtfertigen
fast alle, welche den Thron seit einer großen Reihe von
Jahren beseiffen haben, dies treue Gemälde des Oberherrn
und des Ministers. Unterhalb des Gitters liefert man
in arabischer Sprache das Glaubensbekenntniß und an
den beiden Seiten den Namenszug des Großherrn.
Der Eapudan Pascha, alle Minister, der Ni
-
fiandgi-effendi, die beiden Kadi- askers, der
Oberceremonienmeister gehören mitzum Divan, und je
der nimmt auf den Sofas, welche im Saale stehen, fei
nen bestimmten Platz ein. Der Großvezierfitzt der Thüre
gegenüber; der Capudan Pascha rechts und der Def
terdar und die beiden Kadi- askers zur Linken.
Der Nikiandgi befindet sich an der Seite und der
Reis - effendi hält sich in einem benachbarten Cabi
nette auf, wo er die Befehle des erften Ministers sogleich
erhalten kann, sobald sie ertheilt werden.
Den Gesandten und sein Gefolge führt man ein und
läßt ihn sich links auf einem einzeln stehenden Sitze nie
dersetzen, während die Personen, welche mit ihm zuge
laffen werden, stehen bleiben. Es ist nicht genug, daß
man die Janitscharen hat effen sehen, um durch ihr
Darüberherfallen über die Speisen, einen Beweiß von
ihrer Tapferkeit zu erhalten, sondern fiel müffen auch
vorbeiziehen und ihre Löhnung in Empfang nehmen, die
/ – 412 –
man ihnen an der Thür des Kutbey mit einem gee
waltigen Lerm auszahlt, woraus man den stolzen Bes
weggrund dieses lächerlichen Auftritts errathen soll. Je
der dieser Elenden, deren größte Anzahl schlecht gekleidet
geht, ob sie schon in Staatsuniform erscheinen, erhält
den Preis für seine Meuterei, ohne sich zu mehr Treue
und weniger Anmaßung verbindlich zu machen.
Hierauf sieht man Tschiausch (Thürsteher) in zwei
Reihen hereintreten, wovon jeder ein zusammengerolltes
Memorial hält, welches sie nach der Reihe, mit einem
Knie aufder Erde, dem Großvezier überreichen, indem
fie ihm den untern Theil seines Kleides küfen. Der erste
Minister durchläuft diese Bittschriften, macht Bemerkun
gen dazu, und überreicht sie dem Keaya - bey (dem
Obersten der Cabinetsekretäre), um nach seiner Entschei
dung zu verfahren.
Man fürchtet, daß dies noch nicht hinreichend fey,
die Ausländer von der Billigkeit des Sultansgegen seine
Unterthanen zu überzeugen; man will ihnen hiervon noch
färkere Beweise geben und ihnen zugleich zeigen, auf
welche Art man im Reiche Recht spricht; daher führt man
vor den Großvezier zwei Klagende herein, der sich von
ihrer Sache unterrichtet, die Parteien anhört, und die
Kadi - asfers zu Rathe zieht, welche den Ausspruch
thun, gegen den nicht appelliert werden kann, wenn der
erste Minister fein Vidit (er hats gesehen) darunter ge
fetzt hat. - - -

Bisher wird angenommen, als wife der Großherr


noch nichts von der Ankunft des Botschafters, ob er ihn
schon hinter seiner Jalousie fieht, wo er mehrere Stun
– 413 -

den lang geduldig seine Befreiung erwarten muß. Nun


mehro entschließt sich der Großvezier, eine Botschaft an
ihn zu schicken, um ihn davon zu benachrichtigen. Das
Sendschreiben wird mit allen gebräuchlichen Förmlichkei
ten begleitet und mit dem Reichssiegel unterzeichnet, das
der erste Minister stets in seinem Busen bei sich trägt.
Während der Ausfertigung des Schreibens verrichtet
der Nikiandgi- effendi (ein Großbeamter, der den
Namenszug des Großherrn aufdie Firmane setzt) sein
Amt, und giebt sich besondere Mühe, diese Art von Fe
der - oder Handzug (Tura) zu machen, welcher die
Stelle der Unterschrift auf den von der höchsten Gewalt
ausgehenden Befehlen vertritt.
- Die Antwort des Großherrn , auf welche man eine
bestimmte Zeit warten muß, wird durch ein großes Ge
töß an der Thür des Kutbey angekündigt. Der erste
Minister steht sogleich auf und nimmt sie außerhalb des
Saales in Empfang. Einen Augenblick nachher kommt
er wieder herein und trägt sie zum Zeichen der Ehrfurcht -

in der Höhe des Schlafes; vor ihm voraus geht der älteste
Capidgi - bafchi (Mir - alem) und der Großcere
monienmeister; beide haben lange Stöcke mit silbernen
Knöpfen, die viel Aehnliches mit denen unserer Regi
mentstamboure haben. Der Reis - effen di zieht das
Schreiben aus der Muslinkapsel, in der es sich befindet
und überreicht esdem Großvezier,der es eröffnet, mit ihm
nach dem Munde, dann nach der Stirne fährt und wenn
er es gelesen hat, es in seinen Busen neben das Reichs
fiegel steckt.
Sogleich setzt man mehrere Tische zurechte; denn
-

- 414 –
Fremde müffen, wenn sie auf eine anständige Weise vor
dem Sultane erscheinen sollen, von ihm beköstiget und ge
kleidet worden seyn; dies ist ein alter von der Gastfrei
heit eingeführter Gebrauch, welchen die Eitelkeit nach
ihrer Weise eingerichtet hat. Der Botschafter setzt sich
allein mit dem Großvezier am Tische in der Mitte nie
der; der Gesandtschaftsecretär nimmt an dem Tisch des
Capudan Pafcha und die vornehmsten Personen des
Gefolges an den Uebrigen Platz, wo der Defterdar
und Nikiandgi den Vorsitz führen; der Aga der Ja
mit scharen und feine Offiziere und die Capidgi-bas
fchis werden an der Thüre des Kutbey bedient
In einem Augenblicke ist der Saal voll Köche
(Atsch schi) wovon jeder eine Schüffel hat, die sie fast
eben so schnell wieder wegnehmen, als sie dieselbe hins
gesetzt haben; man "fieht daher innerhalb weniger Minus
ten vierzig verschiedene Gerichte zum Vorscheine kommen,
die, ob sie gleich in den Küchen des Serails zubereitet
worden sind, doch weder beffer noch leckerhafter sind.
Der Vorsitzer bei Tische kostet zuerst jede Speise, um
den Gästen zu zeigen, daß sie dieselben ohne Besorgniß
vor einer Vergiftung genießen können.
Nach dem Pilav, den Braten, und gefüllten
Fleischspeisen, eingemachten Früchten, Pasteten, Confek
ten, und Cremen reicht man ein Gefäß mit Khofch- ab
herum; dies Getränk ist von Rosinen, Pistazien, Aepfeln,
Kirschen und andern Früchten gemacht, worunter man
Zucker thut. Der Becher geht aus einer Hand in die
Andere und jeder trinkt nach der Reihe. Hierauf steht
man von Tische auf und die Bedienten reichen allen Gä
-
- – 415 –
",

ften Waffer und Seife, um das nach dem Ende der


Mahlzeit gebräuchliche Waschen zu verrichten.
Betrachtet man dies Gaftmahl genau, so ist es ei
gentlich nicht zum Genießen; denn die meisten Gerichte
sind flüssige Sachen, und man giebt wenige oder gar
keine Löffel mit herum; die festern Speisen ißt man bloß
mit den Fingern und man weiß, daß nur die Morgen
länder dies mit Anmuth zu thun verstehen. Auch im
Hofe theilt man Pilav an die Franken von der ge
meinen Klaffe aus, nicht sowohl aus Gaffreiheit, als
aus Eitelkeit, die sich allenthalben zeigt. Zuletzt trägt
man Wohlgerüche im Saale herum, um den Küchenge
fank zu vertreiben, und alles kehrt wieder zur gewöhn
lichen Ordnung zurück.
Wir haben den Botschafter schon mehrmals halt ma
ehen laffen, woraus man schließen sollte, daß er endlich
nach so langen und wiederholten Proben die Erlaubniß
erhalten werde, vor dem Sultane zu erscheinen, allein
man gelangt vor den Aufenthalt der Seligkeiten nur auf
einem Wege voller Hindernisse. Für uns hat also die ge
wünschte Stunde noch nicht geschlagen.
- Beim Austritte aus dem Kutbey schlägt alles den
Weg ein, welcher nach dem Thronsaale führt; der Bot
schafter muß von neuem halt machen und man reicht ihm
selbst im Hofe Kaffee, nachdem man ihn und sein Ge
folge ohne Anfand mit Pelzen bekleidet hat, welche nebst
feinen vorher erhaltenen Geschenken die Schuld der Gast
freiheit abtragen. Dies ist auch der Augenblick, wo man
den Personen die Waffen ablegen läßt, welche etwa
noch dergleichen bei sich haben. Dieser Zug ist ein Bes
– 416 –

weiß von dem Mißtrauen der Regierung, deren Denk


art sich noch mehr durch den folgenden Charakterzug
ausspricht.
Der Botschafter wird an der Stelle, wo wir ihn
gelaffen haben, so lange aufgehalten, bis der Großvezier
aus dem Divansaale tritt, um ihn bei dem Sultane an
zumelden. Man sieht diesen ersten Minister zu Fuße ge
hen, indem man ihm unter die Arme greift; vor ihm
trägt man die beiden erwähnten großen Stöcke her. Der
Capudan-Pafcha begleitet ihn.
Die Säulengänge, unter denen man halt macht,
laufen nach der rechten und linken Seite des dritten Tho
res hin, das Bab-Scadet (das Thor der Glückse
ligkeit) heißt, weil es nach dem Thronsaale führt. Es
ist für die Fremden das non plus ultra (nicht weiter),
welche nur bei der Gelegenheit, von welcher hier die Rede
ist, durch dasselbe kommen.
Der Botschafter und fein Gefolge, das mit ihm vor
dem Sultane zu erscheinen bestimmt ist, setzen sich in
Bewegung. In dem Vorhause findet man ein Peloton
Capidgis und weißer Verschnittenen, die sich zwei
und zwei an jeden der Auserwählten anklammern, ohne
selbst eine Ausnahme mit dem Botschafter zu machen.
Sie faffen ihren Mann oben bei den Armen, um sich,
ihrem Befehle gemäß, feiner Person zu versichern; sie
sollen dafür sorgen, daß sich der Ungläubige nicht
etwa am Leben des Sultans vergreife. „Mit dieser Be
gleitung erscheint man vor diesem. Alle erhaltenen Ge
schenke tragen die Verschnittenen aufden Armen, welche
– 417 –
vor den Capidgis in Reihe und Glied stehen, umso- -

gleich im Nothfalle bei der Hand zu sein. - -

Der Thronsaal ist ein viereckiges Gebäude, von


Säulengängen umgeben, welche von dem fchönften Mars
mor sind. Die Pagen, in Staatskleidern, bilden von,
dem Vorhause bis zum Eingange in dies Heiligthum
die Reihen. Die Gottheit, die man seit so langer Zeit
sucht, ruht da auf Haufen von Kiffen, welche mit den
reichsten Stoffen überzogen sind, unter einen Baldachin,
der von vier mit den kostbarsten Steinen bedeckten Säu
len getragen wird, und mit Pferdeschweifen, (Tugues,
Kriegszeichen der tartarischen Chane) verziert ist, die an
goldenen Kugeln hängen. Sein Säbel fällt in die Au
gen, indem er an den Kiffen lehnt; an der Seite befins
den sich seine Turbane. Der Erste vertritt die Stelle
des Scepters, die zwei Andern vertreten die Stelle von
Kronen und fielen Europa und Afia vor. Der
Großvezier steht auf der rechten Seite des Sultans in
der ehrfurchtsvollsten Stellung; darauf kommt der Ca
pudan Pafcha; alsdann der Mir - alem (der Aeltefe
der Capidgi-bafchis) und der Capu - a gaffi (das
Oberhaupt der weißen Verschnittenen). Der Saal zeigt
einen Haufen von, ohne Verstand und also ohne Geschmack,
auf einander gehäufter Reichthümer.“ An der Seite des
Thrones bemerkt man ein von Gold glänzendes Kamin.
Die Fenster, welche mit Kunft, wie in einem Tempel,
angebracht sind, gestatten dem Lichte bloß durch einige
gemahlte Scheiben in dies Heiligthum einzudringen, so
daß die Gegenstände ein geheimnißvolles und feierliches
Ansehen bekommen, welches den Zauber begünstigt. Das
- - 27 - -

-
– 418 ---

Murmeln einer Fontaine, welche im Saale selbst fließt,


vermehrt diese Wirkung noch mehr.
Die Beglaubigungsschreiben erhält der Großherr aus
den Händen des Botschafters, indem sie vorher durch die
Hände des Capu - agaffi's, des Mir - alem's, des
Capudan Paschas und des Großveziers gehen. Der
fremde Gesandte richtet sein Compliment an den Sultan,
welches der Pfortendolmetscher mit meckernder Stimme
übersetzt und aus Etikette diesen Ton nachmacht, so viel
dies aus Mangel an Selbstvertrauen möglich ist. Das
Götzenbild schweigt und bleibt unbeweglich; die Götter
dürfen weder sprechen noch sich bewegen; wenn sie fich
den Sterblichen unter Zügen zeigten, welche mit der
menschlichen Schwäche Aehnlichkeit hätten, so würde der
Zauber vernichtet sein. Der Großvezier aber, welcher
der Dolmetscher der Meinungen seines Gebieters, wie
der seines Willens ist, antwortet für ihn und spielt die
Rolle jener Wesen der zweiten Ordnung, welche fich
zwischen Himmel und Erde befinden, um den Menschen
die unwiderruflichen Beschlüsse der Gottheit zu über
bringen. -

Wenn man glaubt, der Botschafter habe lange ge


nug die Glückseligkeit der Seligen genoffen, so deutet
man ihm an, daß er Abschied nehmen soll. Er fügt sich
sogleich in diese Anzeige, verneigt sich von freien Stük
ken, aus Besorgniß, von seinen beiden Capidgi-Ba
schis dazu gezwungen zu werden, und entfernt sich rück
wärts gehend, bis er über die Thürschwelle hinweg ist;
hierauf ist es ihm erlaubt, sich umzukehren.
Die Othomanen, welche die Griechen der spät
– 419 –

tern Zeiten in vielen Stücken trotz der Verachtung nach


geahmt haben, welche sie heut zu Tage gegen sie anneh
"men, haben auch von ihren Kaisern einen großen Theil
des Ceremoniels, das bei Audienzen gewöhnlich ist, und
im Ganzen den Geist angenommen, welcher es vorgen
schrieben hat. Diese Lehrer der Eitelkeit und des Stol
zes, welche den Türken den ersten Unterricht darin gea
geben haben, verlangten sogar von den farazenischen Ab
gesandten, sie sollten sich, wenn sie sie anredeten, weit
tiefer verbeugen, als sie dies vor ihren eigenen Fürsten
zu thun verbunden waren. - -

Wenn man aus dem Thronsaale herauskommt, so


geht man durch den zweiten Hof und nimmt seine Pferde
im ersten wieder im Beschlag, wo man jedoch von neuem
einen langen Halt macht, ohne Rücksicht, ob es regnet
oder die Sonne brennt; alles geschieht in der Absicht,
um den Großvezier und alle Minister vorbeiziehen zu
fehen. Endlich kehrt der Zug wieder in derselben Orda
nung zurück, wie er angelangt ist und zieht in Pomp
durch Pera. -

Diese feierlichen Vorstellungen sind bloß ein Beweiß


von dem Stolze der hohen Pforte. Die Ernsthaftigkeit,
mit welcher die Schauspieler ihre Rolle bei dieser veral
teten Comedie spielen, zeigt, daß alle davon durchdruna
gen sind und daß die Zeit nichts an den Gebräuchen
dieser Nation ändert, welche die Ketten der Gewohnheit
trägt. Noch muß ich bemerken, daß die Neugierde die
Türken nicht beherrscht, wenigstens nicht bei dieser Ge
legenheit; denn sie laffen sich, fey es nun aus Verachs
tung gegen die Ungläubigen oder aus natürlicher Träge

-
- 420 -

heit nur in sehr geringer Anzahl auf dem Wege der


Botschafter sehen, welche sich nach der Pforte oder dem Se
railbegeben und diejenigen, welche man dazu Gesichte be
kommt, scheinen, nach der Gleichgültigkeitzu urtheilen, die
fie annehmen, bloß durchZufall dahin geführt worden zu
feyn. Die übrigen, dem türkischen Reiche unterworfenen
Nationen zeigen mehr Neugierde und die Griechen
nehmen darunter den ersten Rang ein; daher bemerkten
mir auch im Audienzsaale des Großveziers weniger Tur
bane als andere Kopfbedeckungen. Allein wenn man
nach Pera zurück kommt, so wird man erst den Con
traft des mahomedanischen Charakters mit dem europäi
fchen überhaupt gewahr. Hier sind alle Fenster in allen
Stockwerken voll Neugieriger; dies ist auch der Fall auf
den Straßen, die ganz damit angefüllt find; hier findet
man das Volk so wieder, wie es sich anderwärts an
allen Orten zeigt, so daß man aus der auffallenden Ver
schiedenheit zwischen den Geschöpfen, die man auf dem
einen Ufer verlaffen hat und die man auf dem andern
antrifft, schließen sollte, man fey in ein anderes Land
gekommen.
Um diesen Artikelzu vervollständigen, wollen wir
mit wenigen Worten die Beschreibung des Serails voll
enden, indem wir unsern Weg bis zum Ausgange aus
dem Thronsaale fortsetzen, wo wir stehen geblieben sind.
Von hier gelangt man in das Heiligthum dieser gehei
ligten Einfaffung, d. h. in den eigentlichen sogenannten
Pallast und in jenen der Prinzen, welcher der Käfig
heißt, um die Einsperrung seiner Bewohner anzudeuten.
Was aber vorzüglich mit dem undurchdringlichen Schleier
- -
– 421 –
verdeckt ist, welcher diese Oerter verbirgt, das ist der
Harem. Dieser ist ein großes Gebäude, welches um
einen viereckigen Hof herumgeht und wovon der eine
Theil die besondern Wohnungen der Khaffekis (Frauen
des Sultans) enthält; der Andere begreift die Wohnung
der Odaliks (Sklavinnen), welche im Dienste der Ers
fen stehen und welche die große Niederlage ausmachen,
aus welcher der Großherr die rechtmäßigen Frauen auswählt.
Der Grund, der den Sultan bei seinen Wahlen be
fimmt, ist nicht bloß die Laune oder ein Einfall; ist
Eine so glücklich, schwanger zu werden und einen Knaben
zur Welt zu bringen, so bekommt sie gewissermaßen von
Rechtswegen den Titel Khaffeki; aufjeden Fall wird
fie nicht länger mit den Odaliks vermischt. Der Sul
tan kann sieben rechtmäßige Frauen haben; indessen ha
ben doch Einige aus Sparsamkeit einem Theile dieses
kostspieligen Vorrechtes entsagt.
Den schwarzen Verschnittenen und den Kadinn
liegt es ob, an diesen Oertern Ordnungzu erhalten, wo
der Kislar - agoffi den Oberbefehl führt. Die Keaya
kadinn empfängt von diesem Beamten die Befehle des
Sultans in Hinsicht des Departements der Vergnügun
gen, worin die Etikette Gelegenheit gefunden hat, Ver
ordnungen einschlüpfen zu laffen, welche bisweilen selbst
die Neigungen des Gebieters stören; dieser Herr so vie
ler Geschicke ist also wiederum ein Sklave elender Ge
bräuche in einem Punkte, wo die Freiheit allein das
köstlichste Gut ausmacht. -

Wenn man in den Eingangshof auf einem andern


Wege zurück kommt, der sich nördlich von dem befindet,
- 422 –
den wir zuerst gegangen sind, so findet man die Woh
nungen der schwarzen Verschnittenen; Bäder, welche
Selim II. erbauet hat und welche aus 32 mit Mar
mor getäfelten Zimmern bestehen; liebliche Gärten, welche
in neuern Zeiten Europäer verschönert haben; die Ka
Pelle, in der der Sultan alle Tage ein Gebet verrichtet,
und an der zwei Imams den Dienst versehen, welche
einen hohen Rang in dem Corps der Ulemas haben;
die Bibliothek, welche alle gelehrten Reichthümer des
Morgenlandes enthält und welche besonders der Aufsicht
des Kodgja-molla (Lehrers des Sultans) anvertrauet
ist, der ein Mitglied des Corps der Ulemas und dessen
Einfluß oft sehr groß ist. Diese Einfaffung enthält auch
den Khazne (den kaiserlichen Schatz), der zugleich zur
Rüstkammer dient und alle Kostbarkeiten der Krone ent
hält, deren namentliches Verzeichniß den Ursprung und
den Geschmack der Nation zu erkennen giebt; man bei
kommt da z. B. prächtige Pferdegeschirre und sehr theuere
Waffen zu Gesichte; ferner Andere, welche das unschätz
bare Verdienst der Eroberung eines großen Reichs haben.
Hier bewahrt man auch den Sandgjac - scherif")
nebst den übrigen Schätzen des mahonedanischen Glau
bens auf. Wenn man diesen Rückweg fortsetzt, folge
langt man nach und nach zu den Wohnungen der weit
ßen Verschnittenen, denen die Bewachung des dritten
Thores obliegt; zu jenen der Itsch-aghaftsis (Pagen),
zu den Pferdeställen des Sultans, über welche der
-mme

*) Die heilige Fahne. D, Uebs


- , Ulf WM
- 423 -
L , Bujuk - emir - ahor (Oberstallmeister) die Aufsicht
welt
führt. Unter diesem Beamten stehen die Salahor's
t Me
(Stallmeister), welche mit den Capidgi- baschi's
mit
einerlei Ranghaben. Weiterhin findet man den Pavillon
di
der Baltadgi's (Holzmacher und Geschäftsausrichter)
tritt
und man kommt wieder in den ersten Hof durch ein
w
hält
Thor zurück, das sich links von den Mittelthore befin
det. Alle diese Gebäude sind von Gemüsegärten umge
mit
ben, die am Hafen und an der Propontis hinlaufen
Auft
und die die Bostandgis bearbeiten. -

er. -
Diese Letzten, welche ein Corps von drei bis vier
die
tausend Mann ausmachen, haben außer den schon oben
ält
erwähnten Verrichtungen noch die Bewachung der äußern
ich Thore des Serails und der Batterie am Kanal über sich;
nt
fie werden in den andern kaiserlichen Gebäuden als Cafel
g
lane gebraucht und liefern auch im Nothfalle Abtheilun
am
gen zur Armee. Ihr Daseyn haben sie der Nothwendig
stellt keitzu verdanken, in dem sich die Sultane befanden, sich
is gegen die Janitscharen Widerstandsmittel zu verschaffen.
er Die Baltadgis sind aus derselben Ursache errichtet
worden und beide haben sich gegen das Staatsoberhaupt
immer durch unerschütterliche Treue ausgezeichnet, welche
aber wegen der Ungleichheit der Zahl oft unnütz ge
wesen ist.
Der Bostandgi-baschi, der die Ersten befeh
ligt, hat große Vorrechte; unter Andern führt er das
Steuerruder auf der Felucke des Großherrn und ist ge
wiffermaßen der Vollzieher feiner Befehle, wie der Säbel
anzeigt, welchen er bei seiner Ernennung erhält. Auch
hat er die allgemeine Aufsicht über die Gewäffer und
– 424 –
Wälder, die Verwaltung der kaiserlichen Gärten und
läßt zum Vortheil des Schatzes das Ueberflüssige ver
kaufen, was zum Verbrauche des Hauses des Großherrn
geliefert wird. Unter allen Serailbeamten ist er der
Einzige, der seinen Bart behalten darf und da er wegen
diesesZugs von Aehnlichkeit mit dem Sultan Verwechs
lungen ausgesetzt sein könnte, so trägt er zum Unter
schiede orangenfarbige Halbstiefeln.
„ Die andern Offiziere der Bostandgis, welche den
Titel Khaffeki’s führen, versehen die Stelle der Leib
wache bei dem Großherrn und gehen vor ihm zu Fuße
poraus, wenn er sich in die Moschee begiebt. Aufden
ersten Befehl müffen sie sich bereit halten, sich des De
gens zu bedienen, den sie in einem großen Gürtel tra
gen. Der Boft andgi-baschi geht neben dem Sul
tane her und ist mit einem Stocke versehen, welcher
bei den Osmanlis das Befehlshaberzeichen ist. Diese
Auszeichnung theilt er mit den beiden ersten Stallmei
fern und mit den Kapidgilar - keayaffi's, welche
fo wie er den Sammelnamen Riki ab - aga la ri
(Steigbügelbeamte) führen. - -

An dem Hafen hin sind die Behältniffe für die


Fahrzeuge, die Ställe und Wohnungen für die Leute,
welche zum äußern Dienste gehören. In diese Klaffe
gehören auch die Devedgi's, welche die Kameele be
forgen, und die Klharmada's, die die Besorgung der
Maulesel auf sich haben; der Vorsteher von beiden ist
der Kutschiuk - emir - ahor (Unterfallmeister).
Dieser Beamte hat zu seinen Geschäften auch außer dem
Verkaufe des Ertrags der kaiserlichen Wiesen, worüber
-

- - -
--
- -
- - -

"NI
-----

Kw-w----

--------
-
er Rechnung an den Khazne ablegt, die Aufsicht
über die kleinen Ställe. Unter die zum äußern Dienste
gehörigen Leute muß man auch die Altfchtfchi's Köche,
die Khalvadgi's (Zuckerbäcker), die Ekmektfchi's
(Bäcker) und zuletzt die Ayem - oghlam's rechnen,
welche die Geschäfte verrichten, die für die Andern zu
gering find. -

Alle Gebäude, die wir durchgemustert haben, hän


gen nicht nach einem allgemeinen Plane zusammen, fon
dern da sie zu verschiedenen Zeiten erbauet worden sind,
fo stehen sie ohne Ordnung und ohne Ebenmaß unter
einander; im Ganzen machen sie jedoch eine Wirkung,
mit der sich nichts vergleichen läßt. -

Zum Haufe des Sultans gehören auch außer den


erwähnten Beamten und Corps die Stummen, die
Zwerge, die Luftigmacher, welche insgesammt bloß der
Etikette wegen da sind. Die Stummen haben indessen
keine Schnur als Waffe, wie man so oft behauptet, und
spielen daher keine so ernste Rolle, als man ihnen ohne
Grund beigelegt hat. Sie sind daselbst bloß das Sinn
bild des unverletzlichen Stillschweigens, das man an die
fen Oertern beobachten muß, welche voll Widerhalle
sind, die sogar die Gedanken wiederholen und um un
aufhörlich daran zu erinnern, daß ein undurchdringliches
Geheimniß für die erste Tugend gehalten wird.
– Das Corps der Capidgi's (Thürhüter) ist sehr
zahlreich und seine Offiziere sind angesehene Personen.
Wir haben anderwärts die Verrichtungen dieser angeges
ben; die Andern haben wir am ersten und zweiten Thore
gefunden, in deren Besitz sie sind. Ihr Oberhaupt ist
- 426 –
der Capidgikar - Keay affi; ihr Aeltester hat den
Titel Miri - alem. Dies Corps, so wie jene der
Solak's und Peik's, welche bei feierlichen Gelegen
heiten die Wache des Großherrn ausmachen, sind sicher
lich aus dem oben bei dem Artikel der Bostand schis
angeführten Grunde errichtet oder wenigstens verstärkt
worden. Die Itfch-ag.affi's oder Itsch- oghlam's,
welche wegen ihrer Anzahl und der Wichtigkeit ihrer
Verrichtungen die erste Stelle im Serail einnehmen,
find in vier Kammern abgetheilt; jede bildet einen Grad,
den man erstiegen haben muß, wenn man zum höchsten
(Has - oda) gelangen will. In den untern Klaffen
lernen sie lesen und schreiben, legen sich aufLeibesübun
gen, machen Zuckerwerk zu rechte, falten die Turbane
des Sultans, waschen sein Linnenzeug, ficken aufLeder,
verfertigen Bogen und Pfeile; auch liegt ihnen die Bewahs
rung der kostbaren Gegenstände ob, welche der Schatz
enthält, für den sie verantwortlich sind. Sind sie end
lich in die Kammer der vierzig gelangt, so bekommen
sie die Stellen des Degengehenges, welche unter allen
die Erste ist, des Kammerdieners, des Barbiers, des
Secretärs, des Gießkannenträgers, und mehrerer An
derer, welche auf diese kommen, und erhalten auf diese
Art die höchsten Grade der Gunst. - -

- Wollte ich mich in eine Schilderung des Hausstan


des einlaffen, so würde ich eben so kleinliche Gegen
fände berühren müffen, wie man in dem hier ange
führten Gemälde findet, das eine Haushälterin
entworfen hat. - - -

Die Gesandten richten sich bei ihrer großen oder


-
-
– 427 -
geringern. Unterwürfigkeit unter das demütigende Ceres
moniel beider Vorstellung nach den politischen Umständen.
Hat die hohe Pforte den Beistand oder die Freundschaft
einer Macht nöthig, so kann ihr Stellvertreter sich über
diese Feffeln hinwegsetzen. Man hat dies z. B. einige
französische Botschafter thun sehen und es ist alles gut
abgelaufen; allein es kommen. Andere, denen höhere In
tereffen ein anderes Benehmen zur Pflicht machen und
dann gewinnt die Pforte alles wieder, was sie verloren
hatte. Man kann daraus die verschiedene Lage der
europäischen Mächte in ihrem Verhältniffe zur Pforte
beurtheilen. A -

Der Botschafter wartet bisweilen eine Viertelstunde


auf die Ankunft des Großveziers. Während dieser Zeit
leistet ihm der Pfortendolmetscher und der Tefchif
factgy - effendi (Oberceremonienmeister) Gesellschaft.
Wenn ein Abgesandter (Envoyé) vorgefellt wird, so
tritt der Großvezier kurz nachher in den Saal und der
Erste bleibt aufrecht vor seinem Seffel stehen, um nicht
bei der Ankunft des ersten Ministers wieder aufstehen
zu. müffen. Wenn der Gesandte von einem noch nie
drigern Range ist, so empfängt ihn der Großvezier
sitzend und begnügt sich damit zu ihm zu sagen: ,feyn
Sie "willkommen!“ Wenn der erste Minister in
den Saal tritt, so wird er von dem Reis - effendi
und dem Tschiäusch - baschi unterstützt; er grüßt und
der Ceremonienmeister ruft: „Gott erhalte ihn fei
nem Herrn!“ worauf alle Zuhörer durch einen allge
meinen Glückwunsch antworten. Nachder Mahlzeit steckt
ein Beamter, zwei Schnupftücher dem Gesandten in den
- 428 –

Bußen, wovon das Eine von Muslin und mit Seide


und Gold gestickt und das Andere von bunter Gaze mit
einem großen filbernen Rande ist. Außer dem theilt
man noch ein Dutzend Tücher an die ausgezeichnetesten
Personen des Gefolges aus. Ist es ein bloßer Resident,
der dem Großvezier seinen Besuch abstattet, so bewirthet
man ihn wie den Botschafter mit Kaffee, Confekt u.f. w.
aber mit dem Unterschiede, daß der Großvezier nichts
anrührt. - - - - -

Die Botschafter erhalten den Titel Elezi; und die


Abgesandten jenen Orta - elezi die Residenten wer
den Kapi - felaya und die außerordentlichen Botschaf
ter Vekil genannt. Sobald ein fremder Gesandter bei
der Pforte angemeldet ist, so schickt sie zu einem Em
pfange einen Capidgi - bafchi mit dem Tittel eines
Meimandars (Reisemarschals) an die Grenze, welcher
die Etapenörter und die Reise anordnet, fo daß alle drei
Tage ein Ruhetag eintritt, wenn dies dem Gesandten
so beliebt, aber dieser kann sich nicht länger als diese
bestimmten Tage an einem Orte aufhalten oder der
Tain wird ihm die Tage, welche drüber sind, ent
zogen. Unter dem Tain versteht man die Verpflegung.
Sonst empfingen die Botschafter dieselbe fechs Monate
lang und zwar jeden Tag 90 Piafter; dies konnte also
damals 300 Livrestournois betragen. „Heut zu Tage
werden sie blos auf der Reise innerhalb des Reichs frei
gehalten, um sich nach ihrer Bestimmung zu begeben.
. . . Wenn der Gesandte zu Ponte - Piccolo d. h.
sechs Stunden von der Hauptstadt eintrifft, so läßt er
sich bei der Pforte anmelden, welche ihm in das Dorf
W amazan 429 a- -, - - -

Daud - Pascha eine Begleitung entgegenschickt, die zu ..


seiner Bedeckung bestimmt ist. Er kommt zu dem Thore
von Adrianopel herein; von da nimmt er seinen Weg
nach Eyub und darauf nach Pera. Ist er ein außer
ordentlicher Gesandter, so besteht seine Bedeckung aus,
einer Orta Janitscharen, einer bestimmten Anzahl von
Tfchiaufch, einem zweiten Meiman dar, (vorausge
hen Pferde für ihn und sein Gefolge) dem Dragoman
der Pforte, den Seliktar, dem Sipahilar-agassi,
und dem Tschiaufch-baschi. -

Selbst noch am Tage seines Einzugs muß ein frem


der Gesandter feine Ankunft, so wie den Titel, mit wel
chem er bekleidet ist, der hohen Pforte anzeigen laffen.
Dies geschieht durch den ersten Sekretär und einen Dra
goman, vor welchen zwei Janitscharen vorausgehen und
welchen vier Bedienten in Livree folgen. Diese Depus.
tation begiebt sich zuerst zum Großvezier, dann zum
Keaya - bey, hierauf zum Reis- effendi. Den
Tag darauf schickt der Großvezier den Pfortendolmetscher
zum Gesandten, um ihm zu seiner Ankunft Glück zu
wünschen, und läßt ihm 14 bis 30 Schaalen mit Körb
chen voll Früchte und Vasen mit Blumen überreichen.
Ein Botschafter hat beim Großherrn bloß bei seiner An
kunft Audienz; ehe er aber abreiset, nimmt er nur vom
ersten Minister Abschied. - -

Gesandtschaftssachen werden bloß durch Dolmetscher


verhandelt. Wird jedoch eine Unterredungnothwendig, so
verfügt sich der Großvezier oder Reis - effendi auf ein
Lufthaus, wo sich der fremde Gesandte einfindet. Nach
den Verträgen müffen die Geschenke von beiden Seiten
- = 430 -

gleich feyn, allein das, was die Pforte gibt, ist stets
weniger werth, als was sie erhält. -
-

- Bei der Audienz, von welcher wir Augenzeuge was


ren, ließ der Reis - effendi die Reichssiegel fallen,
indem er sie dem Großvezier überreichte. Er hob sie so
gleich wieder auf und küßte die ehrfurchtsvoll; indessen
wurde diese Unachtsamkeit trotz der so feierlichen Genug
ehuungvon der Versammlung für eine unglückliche Vor
bedeutung angesehen, deren Gesichter sich augenblicklich
veränderten; besonders verlor der Großvezier alle Faffung.
Ohnstreitig glaubte er, daß dies ein Vorzeichen fey, daß
ihm in kurzem die Reichssiegel abgenommen werden
würden. -

Formular, oben an dem Befehle, welcher


die Vorrechte enthält, die Mahmud II. den
Genuefern zu Galata unter dem Namen von
Vergleichspunkten zugestand. * -

Ich schwöre bei Gott, der Himmel und Erde ge


schaffen hat, bei unferm großen Propheten Mahomed,
bei den sieben Gesetzbüchern, welche wir anerkennen, bei
den Seelen der 180.000 Propheten, bei der Wahrheit
der Religion, welche ich bekenne, bei dem Geiste des fe
ligen Kaisers, meines Vaters und bei meinem eigenen,
keinem Genuefer- und Galatioten, etwas zu Leide
zu thun noch mich an den ihnen unterwürfigen Oertern,
ihren Fürsten, Herrn und Vornehmen zu vergreifen.
Folgende Anordnung soll von beiden Seiten beobachtet
werden, u. f. w. . . . . z
. .-
- -
– 431 –
Unter der Regierung des Sultans Selim III. hat
ten die Franken sehr leicht Zutritt ins Serail, welches
damals. Einige sehr genau untersuchen konnten. Die
Nachsicht in einem so wichtigen Punkte mußte natürlich
die Nation beleidigen, welche die Sache der Gebräuche
mit jener der Religion verbindet und fich selbst für ges
kränkt ansieht, wenn man sich durch einige Verletzungen
an den Ersten vergreift. Indeffen kann man nicht leug
nen, daß Selim in seiner Vorliebe zu den Euro
päern viel zu weit ging und daß er hier in eben dem
Grade fehlte, als seine Unterthanen wegen des andern
Extrems Tadel verdienen. Diese Neigung hatte bei
diesem Fürsten eine blinde Leichtgläubigkeit zur Folge,
so daß er ohne Unterschied alles annahm, was von
uns kam.

-
Sechzehnter Spaziergang.
Scutari und der Berg Bugurlu. - -
Das alte und neue Scutari - Das Getra iden
monopol – Erhebung der Abgaben; ihre
Beschaffenheit und ihre Verwaltung –
Skitze, aufgenommen vom Berge Bugurlu
Rückkehr über den Todtenacker von Scus
tari - Moschee Selims III. – Buchdrucken
rei– Heirathsfeierlichkeit bei den Osman
lis– Erbfolge recht und Eigenthumsrecht–
Die Empfindsamkeit bei den Türken – Was
-
-
- 432 -

den Moscheen vorzüglich Würde und Anfe


hen verschafft. - * . - -

D. Aussichten, wo die belebte Natur eine immer neue


Pracht entwickelt und von denen aus sich dieselben Ge
genstände unter stets neuen Gesichtspunkten zeigen, sind
für den Reisenden, den sowohl der Himmelstrich als
die Wißbegierde nach Constantinopel zieht, eine
Quelle von unaussprechlichen Genüffen, welche nie ver
siegt, so eifrig er auch daraus schöpfen mag.
Unter der Anzahl der unaussprechlichen Genüffe,
welche ihr Daseyn der großen und schönen Natur zu vers
danken haben, muß man der unermeßlichen Aussicht ei
nen ausgezeichneten Platz einräumen, welche man oben
aufdem Berge Bugurlu, auf dem Gefielde von Scu
tari, hat. Dies Gemälde ist ein Gegenstück zu dem,
welches der Gipfel des Riesenberges gewährt,
Ich schiffte mich im Hafen zu Top-Khane" ein
und im Vorbeigehn warf ich einen Blick von Wohlgefala
len auf die schöne Fontaine, deren Dach, wie ein großer
Sonnenschirm gestaltet, die Originalität des Gebäudes
vermehrt, welches sich als ein vollkommenes Muster der
indischen Bauart zeigt. Meine Schiffer benutzten den
Wafferwirbel, welcher durch die Ausleerung der Waffer
entsteht, die der Strom in den Häfen mit fortreißet,
welchen die Serailspitze daselbst veranlaßt, und fuhren
anderthalbe Meile (mille) im Kanale hinauf, um fich
alsdann seinem Laufe zu überlaffen und ihren Zweck um
so leichter zu erreichen: Diese Gegenfahrt verschaffte mir
-
– 433 – -

1.
das Vergnügen, die mir schon bekannten Gegenstände
--

noch einmal durch zu mustern, welche man nicht zu bea


trachten müde wird.
Hierauf fuhren wir an dem Palaste von Dolma
Baktfche hin, wo sich der Sultan in der schönen Jahr
reszeit aufhält und der sich mit dem Porzellankiosk en
digt. Dieser hat seinen Namen von den Platten von
Fayence, womit er äußerlich bekleidet ist. Weiter hin
zeigte man uns einen Teket (Derwischkloster), der in die
Gebäude des Palastes von Betschik - Tafch so einge
schoben ist, daß er ihre Verbindung unterbricht, aber
nichtgegen ihre Frische und Eleganz verstößt. Wir er
fuhren bei dieser Gelegenheit, der Sultan habe an diesem
Orte ein Lufthaus bauen laffen wollen, da aber der Tel.
ket feinen Absichten im Wege gestanden, so habe er die
Absicht gehabt, ihn anders wohin zu versetzen, allein die
Religion, die man sogleich sprechen ließ, setzte sich dagegen,
und elende Derwische d. h. fchamlose Bettler, siegten
über den Besitzer eines großen Reichs; es blieb also den
Fürsten nichts anders übrig, als ein elendes Kloster in
einen schönen Palast zu verwandeln.
Auf der Höhe von Betschik - Tafch fuhren wir
kühn den Kanal hinüber und langten am Hafen des
Getraidemagazins an. Dieses Gebäude verräth durch
seinen strengen Charakter seine Bestimmung ganz deutlich.
Es besteht aus, fünf rechtwinklichen Häusern, welche an
einander hängen, und deren Giebel die Vorderseite aus
machen. Fast alles Getraide, das die Hauptstadt ver
braucht, kommt aus diesem Magazine; dasjenige, was
anderwärts herkommt, wird als Contrebande angesehen.
28
– 434 –
Die Regierung sollte sich dies gehässigen Alleinhandels
fchämen, allein sie schämt sich über nichts.
Man kauft das Getraide sehr wohlfeil ein und ver»
kauft es noch einmal so theuer. Diejenigen, welche die
Aufsicht über diese Magazine haben, wollen auch dabei
gewinnen; denn das schlechte Beispiel der Regierung
steckt alles an; ihre Agenten nehmen daher Mischungen
vor, verfälschen das Maaß, und der Becker, der sich auf
Kosten des Publikums für die Betrügerei schadlos hal
ten will, deren erstes Opfer er ist, wird mit den Ohren
an die Thür feines Ladens genagelt, wenn man findet,
daß feine-Waare nicht das gehörige Gewicht hat. Man
glaubt vielleicht, die Regierung habe,einen ungeheuern -
Gewinn von dieser entehrenden Speculation, allein man
- irrt sich. So oft man Andere zur Ausführung wider
rechtlicher Handlungen brauchen muß, muß man auch ers
warten, solche Dienste theuer zu bezahlen; diese Hand
langer ziehen daher den meisten Gewinn davon. Die
Regierung hat weiter nichts davon, als daß sie einen
Mißbrauch eingeführt und ein den Staat selbst arm ma
chendes Amt geschaffen hat.
Die Othomanen fanden bei der Eroberung Con
fantinopels diese Abgabe eingeführt. Seit langer
Zeit hatten die morgenländischen Kaiser zu diesem Mittel
ihre Zuflucht genommen, um den elenden Zustand ihrer
Finanzen zu verbergen. Statt den Luxus ihres asiatischen
Hofs einzuschränken, machten sie lieber die Getraidehänd
ler, wobei sie stets einen sichern Absatz fanden.
Scutari gewährt in der Nähe und in der Ferne
einen verführerischen Anblick, besonders wenn man, ehe
- 435 -

man ihn genießet, durch die schmutzigen und engen Gas


fen von Top - Chance geht, um sich darauf vorzubes
reiten. Seine Lage würde als die glücklichste anerkannt
werden, die man hat auswählen können, wenn man
nicht jene Halbinsel, welche voll imposanter Gebäude
steht; jenen Hafen, der sich nur mit sich selbst verglei
chen läßt; jene Spitze des Serails, auf die man alle -

Augenblicke zurückzieht, wenn man sie verlaffen hat und


zuletzt jenes einzige Ganze vor Augen hätte, das man
anderwärts vergebens sucht. - - -

Wir gingen in den Höfen und über die Todtenäcker


einer Moschee hin, die sich nicht durch Pracht auszeich
net, aber wegen der Lorbeer - und Eibenbäume gefällt,
welche fich mit ihrer Bauart vermischen. Das Grüne
hebt gewisse Gebäude außerordentlich hervor und erhält
wiederum von diesen ein ausgezeichnetes Verdienst. Die
fer schönen Zuthat verdanken die mahomedanischen Ten,
pel zum Theil den Anblick, der sogleich vom Anfange an
bezaubert. Waffer und Schatten sind die ausgefuchtesten
Reitze, welche sie anwenden, und so unschuldig sie auch
find, so tragen sie doch mehr als alles andere zur Be
zauberung der Augen bei. /

Ich habe hier Eine der bescheidensten Moscheen Scu


taris erwähnt; bei unserer Rückkehr wollen wir Andere
besehen, welche sicherlich unsere Aufmerksamkeit mehr
verdienen; jetzt aber wollen wir diese Denkmäler unserer
Zeit bei Seite laffen und uns an Erinnerungen weiden,
weil sich hier diese liebenswürdigen Kinder der Einbildungs
kraft dem Gedächtniffe in Schaaren darbieten. Man darf
diese Oerter nur bei den Namen nennen, welche sie in
s
– 436 - - -

vergangenen Zeiten führten und sogleich hält man sich für


die materiellen Spuren des Alterthums schadlos, welche
fie nicht haben erhalten können.
Das Vorgebirge, aufdem man heutzu Tage Scu
tari sieht und das diese Stadt in den entferntesten Zeis
ten unserer Geschichte unter dem Namen Chryfopolis
einnahm, hieß damals Bosporus oder Damallis.
Wollten wir die Geschichte noch weiter zu Rathe ziehen,
so würden wir viele berühmte Namen finden, welche sich
an Chryfopolis anreihen. -

- Beim Heraustritte aus Scutari befand ich mich


auf dem armenischen Todtenacker. Hier sind alle Gräber
mit einem Denkmale von Marmor in Gestalt des Gra
hes bekränzt, auf welchem eine Leichenschrift in der Na
tionalsprache und die Werkzeuge des Gewerbes eingegra
ben, find, das der Verstorbene trieb. Auf dem Todten
acker von Pera habe ich Denkmäler gesehen, wo der
Todte einen Kopf in den Händen hatte; Andere, wo
ihn ein Strick um den Hals geschlungen war, um da
durch anzudeuten, daß hier Unglückliche ruhen, welche
eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Die Türkei
ist, wie ich glaube, das einzige Land, wo man zum
Wappen einen Galgen zu nehmen wagt; aber dies ist
auch Eine von den verderblichen Folgen der willkührlichen
Gewalt. Sie vernichtet die Schande, welche anderwärts
mit der Todesstrafe verknüpft ist, so daß die Furcht die
einzige Waffe ist, die ihr bleibt, um fich Ansehen zu
verschaffen. «, -

Indem ich an diesen der Wehmuhgeweiheten Oertern


herumwanderte, erblickte ich zwei Frauenzimmer, welche
v
-

– 437 –

sich auf eine andächtige Weise auf einem Grabe niederge


worfen hatten, das noch mit keinem Marmor bedeckt
war. Das Eine schien mir nach ihrem Alter die Mutter
des Andern zu seyn, und aus seinem tiefen Schmerze
fchloß ich, daß es die Witwe desjenigen war, den das
Grab enthielt. Diesen rührenden Auftritt betrachtete ich
mit der größten Theilnahme, als ich gewahr ward, daß
ich entdeckt sey, und daß meine Gegenwart die beiden
Unglücklichen störe. :, f, --

Ich setzte meinen Weg nur ungern fort, und be


trachtete begierigdie Lorbeerbäume und Steineichen, welche
am Wege hinfanden, den ich ging; den Epheu, der
durch sein immergrünes Laub, womit er die Bäume ver
schönert, an welche er sich anschlingt, die Zerstörungen
des Winters wieder gut machen zu wollen scheint, und
dies gelingt ihm an diesen Oertern vortrefflich. Man
genießet die Reize des Frühlings unter dem gemäßigten
Himmelsfiriche, den selten ein Nebel trübt. In langen
Zügen athmete ich die Wohlgerüche der Pflanzen ein,
welche ihnen eine gemäßigte Sonnenwärme entlockt. Bis
weilen verweilten meine Blicke am Fuße der Hügel, wo
„Wohnungen und Schatten sich mit einander vermischten;
ein andermal betrachtete ich mit Vergnügen die schlanken
Gestalten derFichten,deren sichneigende Stellung, krumme
Aefe und Laubwerkpon einer so ausgesuchten und so
einförmig verheilten Farbe in dem Ganzen einer großen
Landschaft so viel Wirkung hervorhringen, oder ich zählte
auch mit Vergnügen einzelne Cypreffen, welche hier und
da auf dem nackten Rücken eines Berges stehen und mit
Kunst das Azurblau des Himmels benutzen, um die ganze

- 438 -

Anmuth einer schlanken Gestalt zu zeigen ; aber verdie


nen alle diese Genüffe der zweiten Ordnung mit denen
verglichen zu werden, welche mich oben auf dem Berge
erwarteten, den ich erstieg, indem ich seit meinem Aus
tritte aus Scutari einem fast unmerklichen Abhange
folgte? - -
r - -

Ich ging durch ein Dörfchen, das diesem Berge


feinen Namen gegeben oder den feinigen von ihm erhal
ten hat und an defen Eingange man ein kaiserliches
Haus erblickt, das für die Mutter des Sultans bestimmt
war. Beim Fortgehen traf ich weiter hin eine Heerde
Schaafe, die ein Boftandgi trieb, woraus ich fah,
. daß sie für das Serail bestimmt war. Da ich begie
rig war zu erfahren, wo er herkäme, so fragte ich ihn, wie
ein Schüler, ob der Großherr diese Heerde gekauft und
wie viel er dafür gegeben habe? Bei meiner Frage ver
goß der firenge Führer seinen mufelmännischen Ernst,
fing sogar an zu lachen und erwiederte spöttisch: „feie
wann haben unfere Gebieter die Sitte, etwas zu kaus
fen?“ Sie, hätte er hinzusetzen können, die bisweilen
die Gunst verkaufen, welche man von ihrer Gerechtigkeit
verlangt. Nachdem ich von meiner Verwirrung zurück
"gekommen war, sah ich wohl, daß diese Heerde eine Mi
"schung von den erhobenen Tributen fey; dies geschieht
nach dem Gebrauche, den man in den ersten Zeiten bei
folgte und den die Osmanen noch immer beibehal
ºten, bei welchen die Ländereien ihre Abgaben in natura
bezahlen. . .. . . - -

" In dieser Absicht verbreiten sich Gesellschaften von


Steuereinnehmern zur Zeit der Erndte in den verschie
-,

- - 439 -

benen Bezirken, zählen die Garben, schätzen den Ertrag


der Weinerndte, welcher sich noch am Stocke befindet,
schlagen alles sehr hoch an und erheben die Abgaben,
welche jede Art von Erzeugniffen zu geben hat, so daß
der Ackerbauer, besonders wenn er ein Rayah ist, oft
in Verzweiflung geräth. Wegen dieses verderblichen und
drückenden Systemes ist der Weinstock in vielen Bezir
ken verschwunden und eine Menge Dörfer in Romea
lien haben unvermerkt so an Einwohnern abgenommen,
daß sie jetzt gar keine mehr haben. Indeffen find diese
Abgaben, wenn man sich an den Ausspruch des Gesetzes
hält, insgesammt sehr mäßig; z. B. die Grundsteuer
beschränkt sich bei den Getraidearten auf den Zehnten;
in Hinsicht der Weine ist sie lästiger, welche man in der
Türkei als einen Gegenstand des Luxus betrachten kann,
weil man annimmt, bloß die Rayas genöffen fie und
weil die Türken in Hinsicht, dieses Artikels im Zaume
gehalten, werden müffen. Die Seide bezahlt auch eine
Abgabe, so wie die Wolle, das Ziegenhaar und die
Baumwolle, die man, so wie die Abgabe vom Wein,
in klingender Münze erhebt, welche jedoch den Fremde
größtentheils bezahlt. Die Häuser haben nur einengt.
ringen Bodenzins zu geben, welchen die Moscheen erhes
ben, wenn sie Wakufs sind; die Uebrigen machen und
zwar drei zusammen, einen Hane aus, welcher jährlich
die mäßige Abgabe von ungefähr zehn Franken bezahlt,
die man für Rechnung des Staats unter dem Namen
Avaritz erhebt: alles ist hierbei dahin berechnet, die
Unterthanen glücklich zu machen und doch unternimmt
man nichts, was nicht ihr Unglück zur Absicht habe.
-

* -
Dies rührt größtentheils von der Art und Weise
her, wie man bei der Erhebung der Staatsabgaben ver
fährt. Alle gehen durch die Hand von habgierigen Pach
tern, ebe sie in den Staatsschatz kommen, und diese
Leute, die mit den Paschas und Ministern wegen des
Vortheils in Verbindung stehen, indem sie sogar mit
ihnen die Hälfte bekommen, haben bei ihren Bedrückum
gen eine uneingeschränkte Gewalt. Das Volk ist daher
ein Gegenfand der Speculation für die Regierenden, die
es ohne Barmherzigkeit den Erpressungen preisgeben. - -
Aus dieser Ursache müffen bloß die Unterthanen die
Zölle an den Durchgangsörtern bezahlen; denn der Pa
fcha oder Bey, der seinen Theil von dem Ertrage dieser
unrechtmäßigen Abgabe erhält, muntert am ersten den
Pachter auf, sie einzufodern. Es giebt sogar viele Pro
vinzen, wo die Paschas für ihre Rechnung die Abga
3ben, welche Malikiane heißen, für eine Summe er
heben, welche sie an jeden- besondern Pachter bezablen.
Diese Einrichtung ist die allerschlimmste, weil sich als
dann das Gesetz und die Macht in der Hand des Steuer
einnehmers befindet. Die Rayas fühlen die Härte und
die Fehlerdieser Verwaltungsart ohne die geringste Schad
sloshaltung, die die Muselmänner allein die Erhe
bung der Abgaben meistbietend pachten können. - -
- Zu dem Miri gehört auch noch: der Kalemie
d. h. die Federabgabe bei der Erneuerung des Beirats,
welche, die Beylerbeys die Timarioten und die
Zaims bezahlen; das, was die Provinzen der Mol
dau und Walachei abzugeben haben, welches für beide
Provinzen 4500 Beutel beträgt. Diese Abgabe wurde
– 441 -
bei der Einführung des Nizam-D gedid eingeführt und
besteht noch fortdauernd, wie Andere aus derselben Zeit,
ob schon der Grund, warum dies geschehen, gar nicht
mehr vorhanden ist; der Ertragder Kopfsteuer; der Theil
von dem Getraidemonopal, welchen der Staat einnimmt;
die Verpachtung der Münze, der Bearbeitung der Berg
werke und der Abgaben auf Tabak, Salz und getrock
nete Früchte; das, was die Richter von den Arpaliks
bezahlen, welche sie inne haben; die Abgaben, welche
man bei den Veränderungen der Malikiane's bekommt.
Jetzt erhält man von dieser ganzen Summe, die man
für ungeheuer ansehen sollte, wenn man das abrechnet,
was in den Händen der Verschleuderer bleibt, zuletzt un
gefähr 140.000 Beutel (70000000 Fr.), welche wirk
lich in den Miri kommen. - - - - -- - - -
… Bei einer,fd mäßigen Summe fragt man sich ohn- ,
streitig, wie man mit solchen Einkünften alle Ausgaben
eines so großen Reichs bestreiten kann. Hierauf erwie
dern wir: 1) alle Stellen des Ministeriums, von den
Ersten an bis zu den Letzten find: fehr schlecht bezahlt;
übrigens haben sie unter dem Namen, von Amtsvorthei
len dazu bestimmte Leibgedinge und es gibt sogar Aem
ter von der zweiten und dritten Ordnung, wovon Einige
Zaimets und Timare, Andere Janitscharenlöhnung
sind. Auf diese Art kommt das Civile in Besitz der Gel
der, welche für das Kriegsdepartement bestimmt sind.
2) Die Statthalter der Provinzen und alle Militärbeamte
erhalten nichts von den Geldern, welche der Miri ein
nimmt; sie machen sich vielmehr vermittelt anderer Ein
künfte bezahlt, welche ihnen angewiesen find und schicken
-– 442 –
noch in den Schatz des Sultans einen jährlichen Tribut.
uebrigens kostet die Armee dem Miri wenig, da sich
ihre Ausgaben aufdas beschränken, was den Janitscha
ren, Spahis, den regelmäßigen Corps und der See
macht ausgezahlt wird, welche, wie wir gesehen haben,
- ihre besondern Einkünfte hat, die einen Theil ihres Bud
gets befreiten. 3) Die obrigkeitlichen Personen und der
Priesterstand bezahlen an den Schatz, statt ihm zur Last
zu fällen. 4) Giebt es keine Verwaltungskosten, weil
die Staatseinkünfte von dem Staate nicht selbst verwal
„ werden. 5) Die Ausgaben des Ministeriums des
innern, d. h. für die Unterhaltung der Wege und öffent
lichen Anstalten u. s. w. werden durch die frommen Vers
„ächtniffe oder im Falle, es keine Ausstattungen gibt,
durch die Provinzen gedeckt. 6) Die Ausgaben für die
Festungen fallenden Provinzen zur Last, welche sie ver
heidigen, oder der Großherr erläßt auch, um sie in Stand
zu setzen, Befehle an einige neue Glückspilze, die fich
noch glücklich schätzen, einen Theil von dem Raube, den
fiezusammengescharrt haben , dadurch retten zu können,
daß sie den Andern zurückgeben;nie fällt es diesen ein,
Vorstellungen"dagegen zu machen, oder das Perlangte
gar abzuschlagen. 7) Die Ausgaben für das Serail
„erden zum Theil von der Kaffe des Sultans bestritten.
8) Die außerordentlichen Ausgaben für das Kriegsdepar
ement fallen im Ganzenfast der Provinz zur Last, welche
der Schauplatz ist, mit dem Vorbehalt, daß die ver
schiedenen Provinzen dazu beitragen. -

Man sieht, daß auf diese Art das türkische Reich


große Aehnlichkeit mit einem trägen Eigentümer hat,
– 443 – -

der den Gebrauch feiner Güter Andern überläßt, so jedoch,


daß man für feine nothwendigsten Bedürfniffe sorgt und
ihm außerdem noch einen kleinen Jahrgehalt bezahlt,
um noch die Andern befreiten zu können, der aber fei
uen Vertrag mit treulosen Menschen abgeschloffen hat, die
ihn, statt zu bezahlen, Noth leiden laffen und ihn um
das Wenige bringen, was er noch hat. - -

Die besondere Caffe des Sultans, welche verhält


mißmäßig weit reichlicher ausgestattet ist, als die Staats
caffe, bezieht ihre Einkünfte: 1) von der Verleihung der
Paschaliks; 2) von dem Erbfolgerechte, von welchen der
Großherr gegen alle seine Beamte Gebrauch machen
kann; 3) von dem, was ihm die Moldau und Wa
lachei bezahlen; 4) von dem ungeheuern Ertrage der
Geschenke, welche er bei der Geburt und Beschneidung
eines jeden feiner zahlreichen Sprößlinge, so wie an den
beiden Bairams u. f. w. bekommt. Wir müffen es aber
hierbei bewenden laffen; denn dieser Artikel ist der dun
kelste unter allen denen, über welche man seit langer
Zeit vergebens ein bestimmtes Resultat zu erhalten ge
fucht hat. Was nun die Ausgaben des Serails anbe
langt, so fallen fie, ob schon die Anzahl seiner Beam
- ten und anderer Angestellten fehr ansehnlich ist, dem
Khaz ne“ eben nicht sehr zur Last, weil alle diejeni
gen, welche wichtige Stellen haben, mit Malikiane’s,
Zaimlets und Tinars bezahlt werden und ein Theil
von den Uebrigen feinen Sold aus dem Miri unter dem
Namen von Janitscharen erhält, ohne daß er für den
Letztern noch eine besondere Last wäre, und weil diese
Einfüffung, obschon durch unübersteigliche Mauern ver
– 444 –

schloffen, des nie verstohlne Ausgänge hat, welche


immer offen stehen, um den Eingang zu begünstigen,
aber schwerlich das wieder herauslassen, was sie einmal
verfehlungen haben. -- - :
Um eine Idee von den verschiedenen Verwaltungs
„zweigen zu geben, wollen wir hier das Verzeichniß der
Büreaur der Tefterdari (Schatzverwaltung) beifügen:
dies ist der Mittelpunkt, wo alles zusammenläuft, was
dahin gehört, und wo sich noch das Wenige von der Ver
waltung zeigt, welches sich der Staat, vorbehalten hat.
Die Anzahl dieser Büreaur beläuft sich auf vier und
zwanzig und kann aufdreizehn Hauptbüreaur,beschränkt
werden, weil die Andern bloß Hülfshüreaur von den
Letzten find. Jedes hat einen besondern Vorsteher, den
man unter den Kodgia-guiu Geuten von der Feder)
auswählt; auch ist es oft ein ehemaliger Minister, d. h.
ein abgesetzter Keaya - bey, ein Reis - effendi oder
Defterdar. Die übrigen Angestellten werden unter
einander geordnet; die Aeltesten führenden Titelvon Kal
fas. Zu jeder Abtheilung gehört ein Archivar (Keffedar).
-, . . . Das erste Büreaux ist das Basch-mukh as-febe,
wo sich alle Rechnungsgeschäfte, in einem Mittelpunkte
vereinigen. Das zweite ist das Buyuk - rusname,
welches die Eintreibung der Staatseinkünfte zu besorgen
hat und darüber guittiert. Von dem Dumalie, welches
das dritte ist, gehen die Firmgys in Hinsicht alles defen
aus, was zur Finanzverwaltung gehört; die Berate
der Malikians", der Zölle, des Karatsch d. h. die
- Bcfugniffe der Pächter; die Berater der griechischen Me
tropoleone und der lateinischen Bischöfe, von denen man
auch eine Abgabe erhebt. Das vierte ist das Büreau
der Malikiane's, das in mehrere Zweige abgeheilt
ist. Hier werden genaue Verzeichnisse von allen Domäa
nengütern und von den Mukatas gehalten, und hier
findet auch die Verpachtung statt. Dasfünfteist das Mer
cufat, das die Posten und die Versorgung der Haupt
stadt mit Getraide unter sich hat. Das sechste ist unter
dem Namen Buyuk - evkaf bekannt und hat die Rech
nungssachen der kaiserlichen Wakufs zu besorgen.
Die Bergwerke gehören zu dem Maden - callem i.
Brussa - calemi hat die Stadt Bruffa und ihren
Bezirk unter sich. Buyuk - caleni hat die Unterhal
tung der Festungen zu besorgen. Kutschiuk - ev.kaf
hat es mit den Rechnungen der kleinen kaiserlichen Wal
kufs zu thun. Das Kutschuck - cale - calemi hat
die Festungen der zweiten Ordnung. Die beiden heiligen
Städte machen das Departement des Karem ein aus.
Der Mulhfalefat ist mit der Einziehung der Hin
terlaffenschaften derer beauftragt, welche in die Strafe
der Confiscation verfallen oder die keine Erben hinter
. laffen. Aus dem großen Büreaur, das zuerst genant ist,
- gehen alle Anweisungen auf den Schatz für die verschie
denen Dienstzweige aus. Der Defterdar, welchem
besonders die Besorgung dieser Abtheilung obliegt, schickt
alle Tage an den Großvezier eine Uebersicht der Ein
nahme- und Ausgabe der Caffen, welche innerhalb 24
Stunden statt gefunden haben, nebst dem Finanzzustande.
Im Ganzen herrscht in den Büreaur vollkommene Ord
nung, und die Einheilung und Erhaltung der Papiere
, läßt nichts zu wünschen übrig. Von der andern Seite
– 446 –

unterbrechen und hemmen die häufigen Veränderungen,


die sich im Ministerio ereignen, nie die Geschäfte; denn
da der Gang immer derselbe ist und die Beamten auch
stets dieselben bleiben, was für Revolutionen sich auch
im Ministerio zutragen mögen, sogehen die Arbeiten ihr
ren gewöhnlichen Gang fort.
Die Posten werden für Rechnung der Regierung in
einem Umfange verwaltet, der sich bis nach Adriano
pel erstreckt und wovon Constantinopel der Mittel
punkt ist. In den Provinzen fallen sie diesen zur Last
und dienen oft zum Vortheile der Paschas.
Die Erhaltung der Forsten ist, wie man annimmt,
dem Corps der Kurudgi anvertrauet, welches in dieser
Absicht errichtet worden ist, aber heut zu Tage ist es
weiter nichts als ein Ehrenposten; denn es erfüllt die
ihm aufgelegten Pflichten nur auf eine mittelmäßige
Weise. Zu Folge der Verordnungen Suleiunans er
halten die Janitscharen - Veteranen (Oturak's) vor
züglich solche Stellen. -

Die Wafferwerke, welche zur Versorgung der Haupt


fitadt bestimmt sind, find in Hinsicht ihrer Unterhaltung
einen Corps von Brunnenleuten anvertrauet, dessen Mits
glieder aus Albanien abstammen.
Die Hauptstadt hat mehrere Zollstätten, nämlich:
4) das Zollamt für den Tabak, das für eine gewisse Ab
gabe die Ein- und Ausfuhr des Blättertabaks erlaubt;
da aber die Schnupftabake verpachtet sind, so ist ihre
Einfuhr streng verboten und zwar für die Uebertreter bei
Galeerenstrafe; 2) das Salzzollamt, das eine sehr mäßige
Abgabe erhebt; 3) das Holzzollamt, sowohl für Bau
– 447 -

als Brennholz, welches zum Vortheit der Moschee Ach


- met errichtet ist; die Abgabe ist wenig lästig; 4) das
Fischzollamt, bei dem die Abgabe zwanzig Prozent be
trägt, welche zum Vortheile des Boftandgi - bafchi
erhoben wird. In den übrigen Städten des Reichs,
welche Zollstätten haben, gibt es bloß zwei Büreaux:
das Eine für die Waaren überhaupt; das Andere für
die Tabake. . -

Die Regierung erhob aus scheinbarer Achtung für


den Artikel der Capitulationen, welche diejenigen Abgas ---

ben, die die Franken zu bezahlen haben, auf bloße


Zölle beschränkte , zugleich aber auch um die Zurückfode
rung der Theilhaber in Hinsicht der Abgabe auf Seide,
Baumwolle, Wolle und Wein zur Ausfuhr auszuweichen,
diese Abgabe vom Verkäufer d. h. fie warf sie indirekt
auf den Käufer, der sich nichtdarüber beschweren konnte,
ob der Handelsvertrag schon verletzt war. Von einer
andern Seite veranlaßte diese Erhebungsart oft Hinder
niffe in den Operationen der fremden Kaufleute, wegen
der Schwierigkeit, von ihrer Seite die Quittung bei- .
zubringen, so daß sie sich von freien Stücken der Bezah
lung der Abgaben unterworfen haben. Dies ist ein neuer
Beweis von der Schlauheit der osmanischen Regierung,
sobald sie sich Mühe geben will.
Streng verboten ist die Ausfuhr des Getraides, des
sReis, des Oels, der Seife, des Kaffees überhaupt, be
sonders aber des Kaffees aus Pemen, des Kupfers und
der Kriegsmunition, sobald diese nicht mit Certificaten
begleitet ist, welche ihren fremden Ursprung bescheinigen.
Im Falle eines Betrugs gegen die Zollämter erfolgt
– 448 –
die Confiscation, ausgenommen in Hinsicht der oben er
wähnten Artikel; in Ansehung Anderer beschränkt man
sich aufdas Doppelte der gewöhnlichen Abgabe. Dies ist
dasjenige, was wir uns über die Finanzen und die
Verwaltung des osmanischen Reichs haben verschaffen
können.
Man denke ich den Berg Olympus in einem
Dunste, der jedoch nicht so dicht ist, daß man nicht die
Gegenstände erkennen könnte; ein gebirgigtes Ufer, dessen
Waffer, wenn es vom Lichte erleuchtet ist, alle Krüm
mungen ausdrückt; den Golf von Nicäa, der zur Be
stimmung der Lage dieser alten Stadt dient, die so vie
len Schicksalswechseln ausgesetzt gewesen ist; die majestä
tische Kette des Arganthon, den der Golf von Ni
comedia bespült; die hervorragenden Inseln, die aus
dem Schoße des Waffers hervorkommen und auf eine so
angenehme Weise die Einförmigkeit feiner Oberfläche un
terbrechen; die Spitze von Chalcedon, die mit Schat
ten bekränzt ist; die Wege, wovon die Einen am Ufer
hinlaufen, und nach Oberafien führen, die Andern ins
Innere des Landes gehen, fich dem schwarzen Meere
nähern und nach Sinope oder Trapezunt führen;
den Cypreffenwald, den der Schmerz gepflanzt hat und
den man hier für getragene Schatten halten sollte; die
Berge, die Hügel und die Thäler voller Wohnungen;
die prächtigen Tempel auf den hohen Spitzen; das Se
rail, das, von hieraus gesehen, sich durch die Neugierde
besiegt findet und ihr das Recht einräumen muß, in seine
- verborgensten Geheimniffe einzudringen; den Hafen, ein
Bild der Bewegung und des Ueberfluffes, defen Sinn
- - K

--- 449 –

bild übrigens seine Gestalt ist; die Gebäude, welche um


die Wette ihre majestätische Anmuth an den Ufern dieses
gekrümmten Fluffes ausbreiten, der in einem Meere
entsteht und in ein anderes fällt; die Gefielde, welche
die glücklichste Mischung von allem dem gewähren, was
das Wachsthum hervorzubringen vermag; die zahlrei
chen Dörfer, die alle damit beschäftigt sind, für die Er
nährung der ungeheuern Hauptstadt zu arbeiten,die
Europa, Asien und Afrika dadurch in Contribution
fetzt, daß sie ihre köstlichen Erzeugniffe an sich zieht; die
Ströme eines belebenden Lichtes, das das Gemälde er
leuchtet und beseelt und das sogar einen wohlthätigen
Einfluß bis in die Eingeweide der Erde zeigt, wo es die
farren Keime entwickelt und in einigen Augenblicken zum
Leben ruft; die kräftige und fark ausgeprägte Natur,
die anderwärts, nicht ihres Gleichen hat und Resultate
-,

von ihrer größten Anstrengung liefert; man stelle sich


dies alles, fage ich, vor, man biete alle feine Geistes
kräfte dazu auf, und man hat immer nur eine geringe
Vorstellung von dem, was ich noch zu sehen glaube.
Der Berg Bugurlu, defen unermeßliche Aussicht -

ich so eben beschrieben habe, ist eine wahre Wafferkunft


wegen der zahllosen Fontainen, die an feinen Seiten, ja
von seinem Gipfel herablaufen und größtentheils in das
chalcedonische Flüßchen fallen, das auf der Ebene fließt,
welche zwischen dem Fuße des Berges und der Propon
tis hingeht; unter diesen Fontainen ist. Eine, deren Waf
fer von vorzüglicher Güte ist, welches sie für den Sul
-tan liefert und diese Auszeichnung mit Grund recht
fertigt, ,
-

29
- 450 –

: . Alle Denkmäler, welche diese ländlichen Brunnen


zieren, sind von einfacher Arbeit d. h..fie beschränken fich
auf eine Marmorkufe, die unter einem Hahne steht, wel
cher in einer kleinen Stützmauer oder auch in einem
bloßen Steine angebracht ist, der in Gestalt eines Eck
steins behauen ist, und wenn man die morgenländischen
Sprachen versteht, so kann man diese hier auf eine an
genehme Art gebrauchen, indem man ihre Aufschriften
durchliefet, die bisweilen in Versen, gewöhnlich aber finn
reich abgefaßt sind, wie gemeiniglich alles, was aus
asiatischen Federn kommt. In ihrer Nähe ist sehr häufig
eine Platform, welche von ihnen beschattet wird und die
dem frommen Mufelnannte zur Kapelle dient, der
hier eine religiösen Pflichten verrichten will. Ein Stein,
in der Richtung der heiligen Stadt aufgestellt, hilft ihm
beim Orientieren und er hat das Glaubensbekenntniß in
goldenen Buchstaben vor Augen. “ : "
-
“ :" . . . . . . . . . . . . .. . .

2. Zur Rückreise nach Scutari schlage ich einen an


dern Weg ein, als denjenigen, der mich oben hinauf
nach der Aussicht auf dem Bugurlu gebracht hatte.
Indem ich um den benachbarten Hügelgehe, komme ich
wiederum unterdie Lorbeerbäume und in den Waldvon wohl
riechenden Gesträuchenzurück, die sogar die Felsen verschö
nern, welche auf diesem fruchtbaren Boden dünn zer
freuet sind. Die Mandelbäume blühen und verbreiten
ebenfalls ihre Pracht in der Nachbarschaft der Wohnun
gen, an denen man die Weinstöcke Schirmdächer bilden
fieht, wohin sich die Kühlung während der heißen Som
unertage flüchtet. Auf dem Felde erblickte ich allenthal
*- -
– 451 –

ben Arbeiter, die in stillen Trupps das Feld zum Säen


zurechte zu machen beschäftigt waren; den Saunen ver
trauen sie ihn mit vollkommener Sicherheit an, indem
fie überzeugt sind, daß sie denselben mit Wucher zurück
bekommen. Vergleicht man diesen sorgfältigen Anbau
mit den so vernachlässigten Umgebungen der Hauptstadt,
sollte man da nicht entschuldigt feyn, wenn man glaubt,
die Türken sehen Europa wirklich als ein fremdes.
Land, in welchem fie bloß Wanderer seyn; dagegen
Afien, das ihre Altvordern geboren werden gesehen hat,
als eine Mutter an, welche sie zurückruft und in deren
Schooß sie zurückzukehren erwarten? Diese letzte Ver
muthung erlangt noch mehr Wahrscheinlichkeit, wenn
man die Vorliebe bemerkt, welche die Einwohner Con
stantinopels für Asien haben, indem sie sich daselbst
begraben laffen. -- -

Ich gehe unter einem schönen Kiosk weg, wo der


Sultan oft den herrlichen Anblick der Fluren genießt.
Nach einem trefflichen Spaziergange unter Weinreben, und
zwischen frisch bearbeiteten Feldern, überAndere, wo man
ein zartes Grün hervorkommen sieht, gelange ich in den
großen Trauerwald, der mich so lange eingeladen hat.
Er bedeckt ganz einen länglichen Hügel, erstreckt sich noch
auf der Ebene hin und flößt Besorgniß ein, indem er
alle Tage größer wird. In der Ferne gewährt er den
Anblick von dichten Gehölzen von einem düstern Grün,
die durch einige leere Plätze von einander getrennt sind:
Nähert man sich ihnen, so spürt man einen geheimen
Schauder, und wenn man tiefer hinneinkommt, so sieht
man neben sich die aufrecht stehenden Gedächtnißsteine,
- - 452 -

als ob die Neugierde die Todten aus ihren Wohnungen


hervorgelockt hätte, um den Wanderer zu empfangen,
indem sie glauben, er wolle sich unter ihnen niederlaffen,
oder auch, als ob sie ihm ankündigten, daß dieser Tag
kommen müffe; wenn man sich in diesem geheimnißvollen
Dunkel verhüllt findet, durch welches das Auge kaum
die Gegenstände erkennen kann; wenn man die Cypreffen
betrachtet, wovon Eine an der Andern steht und die
sich wie Leichenpyramiden in die Höhe heben; die düstere
Stille, das Bild des Todes, die nur durch ein leises
Gerausch gestört wird, das das Grausen noch vermehrt,
welches fiel eingeflößt; die zahllosen Gänge, die sich ins
Unendliche durchkreuzen, die insgesammt zum Grabe
führen, und über die Menge der Wege, die dahin ge
hen zum Nachdenken einladen; die Denkmäler, an denen
schon Jahrhunderte vorbeigegangen find, und die andern
frischen, welche neben ihnen stehen; die Wesen von allen
Geschlechtern und von allen Altern, die da warten, daß
ein allmächtiger Ruf sie erwecke, und die vielleicht da
noch Jahrtausende fchlafen müffen, bis er sich vermeha
men läßt; wenn man, sage ich, alle diese Sinnbilder
der Traurigkeit erblickt und sich den trüben Gedanken
überläßt, die sie einflößen, so setzt man seinen Fuß nur
zitternd auf diese Erde, weil man fürchtet, sie könne
sich jeden Augenblick öffnen, um uns zu verschlingen.
" Allein wenn man über diesen friedlichen Schlaf nach
denkt und sich an die Ruhe und den Frieden erin
nert, den man an diesen Oertern gegen den zerstörenden
Hauch der Leidenschaften genießt, so nehmen diese beim
ersten Anblicke traurigen Gegenstände sogleich eine andere
( "

- 453 -

Gestalt an und man verläßt sie nicht, ohne von ihnen


mit einer Art von Bedauern Abschied zu nehmen, und
ohne mit neidischen Auge diejenigen zu betrachten, die
endlich auf dem dornigten Lebenspfade das Ziel ihrer
Leiden erreicht haben. -

Jenseits dieses düstern Waldes wird man bei der


Ankunft am Rande nach der Propontis hin auf ein
mal von einem Lichtstrahle ergriffen, dessen Glanz den
Wanderer im ersten Augenblicke blendet, ihn aber in dem
Glauben bestätigt, daß er aus der Nacht des Grabes
herverkomme. Dieser Rand scheint in der That die
Scheidungslinie zwischen dem Reiche des Todes und des
Lebens zu seyn. Das Frühlingsgrün der Gefielde er
scheint mit einem neuen Reitze wieder; man findet die
Furchen des Ackerpflugs wieder und so unglücklich man
auch feyn mag, so sieht man doch da die Hoffnung wie
derum aufkeimen, welche man für verloren hielt.
Die prächtige Moschee des Sultans Selim III.
die man auf einer Anhöhe entdeckt, wovon man die Aussicht
nachBelieben erweitern kann, wird das Ziel, nach welchem
man firebt. Mitten in einem geräumigen und regelmäßi
gen Hofe stehend, der mit einerMauer umgeben ist, welche
so hoch ist, daß man sich darauf lehnen und wo man
folglich alle Vortheile ihrer Lage übersehen kann, zeigt fie
ein Viereck, das mit einer schönen Kuppel bekränzt ist
und dessen Seiten sich in zirkelförmigen Abtheilungen
endigen, die der Kuppel zur Stütze dienen. Ein großer
Säulengang, der mit zwei Minarets versehen ist und
sich in zwei Pavillons endigt, deren Erdgeschoß Gänge,
das Stockwerk und Wohnungen für die Imams ge
- 454 -

währt, befindet sich an der Vorderseite. An den Seiten


sind die Wafferbehälter zu den Abwaschungen, und rund
herum Anpflanzungen von jungen Fichten, die eines
Tags einen gewünschten Schatten zu geben versprechen.
Außer dem Anblicke von Constantinopel, dem Meere
und den Gefielden von Asien, hat man noch das schöne
Quartier vor Augen, das Selim ebenfalls angelegt hat,
mit geraden breiten Straßen, rechtwinklich durchschnitten,
welche insgesammt zu herrlichen Aussichten führen.
Wenn man durch dasselbe geht, so findet man die
Buchdruckerei, welche Achmet III. angelegt hat, nach
dem er dazu durch einen förmlichen Fetwa des Mufti
berechtigt war. Das Corps der Ulemas hatte dazu
feine Einwilligung gegeben, nur mit der Einschränkung,
daß man nichts über die Religion drucken sollte. Diese
Anfalt, die mit so vieler Mühe angelegt worden ist,
verfiel gänzlich nach dem Tode des berühmten Ibra
him - Effendi und fand sogar auf dem Punkte,
gänzlich aufzuhören, wenn ihr nicht der Sultan Se
lim III. wieder aufgeholfen hätte. Sie erhielt durch
diese Aufmunterung eine neue Erweiterung und war im
Begriff, Aufklärung bei einer Nation zu verbreiten, der
man fiel nur mit großer Schonung zeigen darf, damit fie
nicht ein gefährliches Licht auf den Glauben werfe, in
welchem ihre Tugend hefteht. Allein während die Ja
nitscharen die Casernen in Brand steckten, deren Trüm
mern man noch bei der Moschee erblickt, kämpften die
Abschreiber, welche eben so sehr über die Fortschritte der
Buchdruckerei beunruhigt waren, als jene beidem bloßen
Gedanken von Mannszucht, mit ihrem Feinde, um ihn
– 455 – -

wieder in einen so elenden Zustand zu stürzen, daß er


ihnen jetzt keine Besorgniß mehr einzuflößen vermag.
Said - Effendi, der Sohn Muhameds Efe
fendis, Gesandtens am französischen Hofe, war der Ur
heber dieser glücklichen Neuerung, deren Vortheile er fei
nem Oberherrn, dem Beschützer und Freunde der Wiffen
fchaften, schilderte. Ibrahim-Effendi, ein wegen seis
ner Kenntniffe fehk schätzenswerther Regenat, dessen Namen
die Osmanlis nur mit Dank aussprechen sollten, goß
die Matrizenund die Buchstaben. Herausgeber undzugleich
Schriftsteller, kamen aus seinenPreifen mehreregeschichtli
che,grammatische und politische Werke; Stern-Land- und
Seecharten. Seit ihm hat man unter der Regierung Ses
lims einige wissenschaftliche Bücher gedruckt z. B. los
garithmische Tabellen, Abhandlungen über Arithmetik,
Geometrie, Algeber und den Nizzam - Dge did, der
seinem Urheber das Leben gekostet hat. Es ist möglich,
daß Mahmud II, der sich Selim zum Muster ges
nommen hat, aber bei der Nachahmung desselben in fei
nem vollkommen abgemeffenen Verfahren mehr Festig
keit und Klugheit zeigt, diese mit dem Tode kämpfende
Anstalt wieder ins Leben rufe. -

Indem ich nach dem Einschiffungsplatze zurückkehre,


wohin ich mein Fahrzeug bestellt habe, gehe ich vor an
dern Moscheen vorbei, die zwar nicht so schön und ele
gant sind, als die Moschee Selims, doch aber verdic
nen sie, daß man bei ihrem Anblicke verweile. Vor
allem führe ich Jeni-Dgjami (die neue Moschee) an,
die mit einem geheimnisvollen Lustwäldchen umgeben ist,
unter dem man Turbes erblickt, die mit durchbroche
-
---

- 456 -

nen Kuppeln bedeckt sind, welche sich durch ihre Leich


tigkeit auszeichnen und nicht wenig zu dem verführeri
fchen Anblicke des Gebäudes beitragen.
Während ich ihre Halle betrachte, werde ich aus
meiner Entzückung durch Freudengesänge geweckt, die
mich um so mehr überraschen, je seltener man dergleichen
bei den Mahomedanern vernimmt. Ich drehe mich
um und erblicke einen Trupp Menschen, wovon jeder
drei bis vier schöne Pelze trägt; an ihrer Spitze zieht ein
Poffenreier her, der eine große spitzige Mütze von Luchs
felle auf dem Kopfe trägt und auf eine kleine Pauke
schlägt. Ich erkundige mich, woher dieser Zusammen
lauf, besonders aber dieser Verstoß gegen den National
charakter, rühre, und erfahre, es fey eine Hochzeit und die
Menge von Menschen feyn Anverwandte und Freunde
des Bräutigams. -

Die Türken in der Hauptstadt feiern den Hoch


zeittag auf eine verschiedene und nicht so geräuschvolle
Art, als in den Provinzen. Zu Confantinopel hei
rathen die Großen ohne solche äußerliche Freudensbezeu
gungen, welche folglich mehr bei der gewöhnlichen Klaffe
anzutreffen find. Diese führt die Veheirathete im feier
lichen Pompe zu ihrem Gatten; Mannspersonen zu Pferde
und zu Fuß folgen dem Kotfchi, worinnen fie fitzt;
voraus fahren andere Kotschis oder Arabas, welche
ebenfalls voll Frauenzimmer find. -
Der Gatte bietet ihr nicht die Hand, um fiel beim
Aussteigen aus dem Wagen ins Hochzeithaus zu führen,
sondern er nimmt sie in die Arme und trägt sie als eine
Beute weg, voll Besorgniß, es möchten neidische Blicke
- 457 --

auf ihr verweilen. Den Tag vorher hat man die Aus
fattung in Pomp nach einem Hause geschafft und man
giebt dem Publikum alle Gelegenheit, sie zu bewundern.
Man wird sehen, daß dieser Gebrauch, wo sich die Prah
lerei ohne alle Schaam zeigt, von der griechischen Nation
herrührt, die sie von ihren Vorfahren geerbt hat.
In den Provinzen machen es die Großen, wie die
gewöhnliche Claffe zu Confantinopel; fie begehen
diese Feierlichkeit mit einem Luxus und einem Glanze,
der mit den Vermögen beider Theile und ihrem Range
im Verhältniß steht. Wenn sich z. B. ein Bey, ein
Ayan, noch mehr aber ein Pascha vermählt, so ziehen
alle diejenigen von den Landeseinwohnern, welche ein
Pferd halten können, an diesem Tage ihren größten
Staat an und machen eine Art von Hof für den Ver
lobten aus. Die Braut fährt, wie gesagt, in einer Kutsche
vor der zahlreichen Bedeckung von Mannspersonen vor
aus. Diese gewähren den jungen Eheleuten das Schau
jpiel des Dge rid, des Pferderennens, und endlich aller
Arten von Leibesübungen, welche bei der Nation ge
bräuchlich find und erhalten unter dem Namen von Be
lohnungen Geschenke. - -
- Die Eltern des Bräutigams, besonders aber feine
Mutter, leiten seine Wahl, und befimmen fiel sogar, ohne
daß es dem jungen Manne erlaubt fey, feine künftige
Gattin anders als mitgeborgten Augen zu fehen. Sind
beide Familien einig, fo- schickt der Bräutigam seiner
Fünftigen Gattin zum Pfande einen Ring und zwar zwei
bis drei Monate vor der Hochzeit. Am Tage der uns
terzeichnung des Heirathsvertrags versammeln sich die
-
– 458 –

Anverwandten und Freunde von beiden Seiten in den


Hause des Mädchens, so wie auch die Vekills, (die
Bevollmächtigten der beiden Vertrag schließenden Theile),
um der Abfaffungdes Vertrags beizuwohnen, welchen der
Imam - effendi aufsetzt. Jeder von den Vekills fragt
den Theil, den er vorstellt, ob er sich mit dem Andern
vereinigen wolle. Auf die bejahenden Antworten, welche
die Braut für sich aus dem Innern des Harems giebt,
deffen Thür man bloß so weit öffnet, um ihrem Ja den
Durchgangzu gestatten, unterzeichnet man den Vertrag.
Zehn Tage darauf tritt der Hochzeitstag ein. Die Braut
begibt sich den Tag zuvor mit ihren Anverwandtinnen
und Freundinnen ins Bad, denen sie ein Fest gegeben
hat. Diese haben fiel dagegen auf morgen angeputzt,
indem sie ihr auf die Wangen, den Mund, die Augen
und die Gestalt, aus Goldpapier geschnitzelte Blumen, kle
ben; auf den Kopf machen sie ihr eine Menge sehr klei
ner Streifen von demselben Metall. Wenn endlich fieben
Tage seit der Einführung in das Hochzeitshaus vorbei
find, vertauscht die Verheirathete ihre Kleider mit An
dern, die sie von ihrem Gatten erhält und ladet ihre
Anverwandtinnen und Freundinnen zum zweitenmale ins
Bad ein. Dies Fest heißt Jedi - ham am (Bad des
siebenten Tags) und endigt die Hochzeit, die übrigens
dem Harem die geräuschvollsten Freuden gewährt, die
er kennt, weil Musik und Tanz dazu gehören, d. h. Sklas
ven und Tänzer von Gewerbe, welche er nur, hinter sei
nen Jalousien verfteckt, sehen darf, durch wollüstige
Tänze, die Neuverheirathete vorbereitet haben, ihren
Gatten zu empfangen und ihn in ihre Arme zu drücken,
– 459 –
Die Civilurkunde, welche in den oben beschriebenen -

Formen ausgefertigt wird, ist zur Bestätigung der Bande.


der Ehe hinreichend , die von dem Gatten bis zweimal
gebrochen und wieder angeknüpft werden können; läßt
er sich aber zum drittenmale scheiden, so darf er dieselbe
Frau erst dann wieder heirathen, wenn sie vorher in den
Armen eines Andern, doch unter dem Namen der Gattin,
gewesen ist. Man erräth leicht, daß der Gesetzgeber durch
diese Beschränkung einem nur schon zu ungerechten Vor
rechte hat einen Zügel anlegen und beide Geschlechter im
Zaume halten wollen, wovon das Eine nach dem Gesetz
große Vortheile vor dem Andern hat. -

Die Türken verheirathen fich in den ersten Jahr


ren der Jugend, was den guten Sitten nicht wenig zu
träglich ist. Eine geschiedene Frau nimmt ihre Mitgift
aus dem Haufe ihres Gatten, wieder mit und ihre Fa
milie fetzt ihre Eigenliebe darein, fiel nicht in diesem Witt
wenzustande schmachten zu laffen; dieser Ehrenpunkt er
hält auch die Sitten in ihrer Reinheit. - -

Das Gesetz erlaubt dem Mahomedaner vier recht


mäßige Weiber zu nehmen, ohne die Zahl der Sklavin
nen zu beschränken; allein er begnügt sich sehr häufig mit
einer einzigen Frau, weil vier, ja schon zwei, vielen
Aufwandt erfodern, indem jede auf ein abgesondertes
Gemach, einen besondern Hausfand, vorzüglich aber auf
einen gleichen Antheil an den ehelichen Pflichten, Anspruch
macht; so daß das Gesetz durch eine übertriebenen Be
dingungen die Unordnungen mildert, zu denen es Verans
laffung zu geben scheint.
Personen aus der höhern Claffe haben größtentheils
- 460 –

bloß Sklavinnen und entgehen dadurch allen Verdrüße


lichkeiten, denen ein Haus ausgesetzt ist, wo es mehrere
Frauen giebt, die in gleichem Grade Gebieterinnen find.
Dies kann als ein Zug der Sittenverderbniß bei den
Mahomedanern angesehen werden, allein er hat keine
verderblichen Folgen, weil der Stand der Gattin und der
Lieblingssklavin einer und derselbe ist; noch mehr, die
Kinder beider find in gleichem Grade rechtmäßig.
Das Gesetz macht auch in Rücksicht des Verkehrs
des Herrn mit feinen Sklavinnen eine Einschränkung.
Seine Beiwohnung kann nur als rechtmäßig angesehen
werden, wenn sie ihm persönlich angehören; sobald fie
aber zur Mitgift seiner Frau gehören oder er dieser das
Eigenthumsrecht über dieselben abgetreten hat, hat er kein
Recht, Gebrauch von ihnen zu machen, er müßte denn
deren Einwilligung erhalten. Dies find die türkischen
Frauen zu thun im Stande, wenn sie wünschen, daß ihr
Gatte ihre Jahre vergeffe oder auch wenn ihnen die Na
tur die Empfängniß versagt. Ein andermal aber erhitzt
auch die Eifersucht ihr Blut und kann sie zu den größ
ten Verbrechen verleiten, besonders wenn sie Einfluß
genug bei dem Gebieter befitzen, um auf Ungestraftheit
rechnen zu können. Das Gift wird alsdann die Waffe,
deren sie sich bedienen, um sich von dem verhaßten An
blicke ihrer Nebenbuhlerinnen zu befreien.
Die Rayas, selbst die Franken, machen von der
türkischen Ehe Gebrauch, welche unter dem Namen Ka
pin bekannt ist. Personen von, diesen beiden Claffen,
welche sich zu dieser Ehe entschließen, entweder um das
Vorrecht der Scheidungzu bewahren und einen vorüber
– 461 – ,
gehenden Geschmack zu befriedigen oder ihre lockere Le
bensweise mit einem stets durchsichtigen Schleier zu be
decken, finden sich auf dem Mekabe" (Rathhause) bei
dem Richter ein, wo sie den Vertrag aufsetzen laffen,
und sich bloß auf die Eivilstandsverhandlung beschränken,
vermöge welcher sie sich nur dazu verbindlich machen,
dem andern Theile die im Falle der Scheidung festgesetzte
Mitgiftzu überlaffen. Jedoch entdeckt die Pforte biswei
len den wahren Grund solcher ärgerlichen Verbindungen
und schickt die Rayas vor ihre Patriarchen. -

Was die Erbfolge anbelangt, so enthält das Gesetz


in dieser Hinsicht zwei in Ansehung des Ursprungs ver
schiedene Theile, welche im Betreffdes Geistes, der sie
vorgeschrieben hat, einander ähnlich sind. Der Erste
dieser Theile befindet sich in dem Koran und in der
Sumna und ist folglich das eigentliche göttliche Recht,
nach dem Sprachgebrauche der Mahomedaner, welche
diese beiden Bücher der himmlischen Eingebung zuschrei
ben. Der Andere, welcher von dem Ersten abgeleitet
wird, gründet sich auf die Entscheidung der rechtgläu
bigen Lehrer, die das Unzulängliche der von dem Prophe
ken hinterlaffenen Verordnungen eingesehen und es für
Pflicht gehalten haben, feine Gesetzsammlung durch zahl
reiche Zusätze zu vervollständigen. Dieser Theil wird
wegen seiner Urheber bloß zum canonischen Rechte ge
rechnet, jedoch macht er die Folge von dem Andern aus
und gehört zum allgemeinen Systeme der mahomedani
fchen Gesetzgebung, deren moralischer Zweck die Aufrecht
haltung der patriarchalischen Sitten vermittelt des auf
recht erhaltenen Gleichgewichts sowohl in den Ständen
- 462 –
als in dem Vermögen, und der den männlichen Ge
schlechte eingeräumte Vorzug vor dem weiblichen ist, das
mit dieses immer in einer unbedingten Abhängigkeit von
dem Andern lebe. Diese beiden Zwecke hat Mahomed
ununterbrochen vor Augen, fobald er den Menschen in
Hinsicht der gesellschaftlichen Ordnung betrachtet.
Heut zu Tage scheint das politische Gesetzbuch bei
den O thom an e n im Widerspruche mit dem bür
gerlichen zu feben, wenn man nach den Ansprüchen
urtheilt, welche der Sultan auf die Erbschaft aller
derer, welche große Aemter verwalten, d. h. um mich
seiner Ausdrücke zu bedienen, der Unterthanen macht,
welche sein Brod effen. Allein in Hinsicht der Pri
vatpersonen macht er dies, Recht durchaus nicht geltend,
das ihm die Veruntreuungen und die Verletzung der Le
henstreue seiner Abgeordneten verschafft haben. Dieser
Verstoß gegen die Absichten des Gesetzgebers wird jedoch
vom Gesetze nicht anerkannt, das sich nicht geändert hat,
seitdem es gegeben worden ist. Und doch bestärken alle
diejenigen, welche bisher über das osmanische Reich ge
schrieben haben, das Publikum in diesem Irrthume.
Wenn der Sultan. Einen seiner Unterthanen aus der
niedrigsten Claffe z. B. zu seinem ersten Minister erhebt,
so vernichtet er von diesem Augenblicke an in der Per
son, auf welche eine Wahl fällt, alle Fähigkeiten eines
politisch und bürgerlich freien Mannes, so daß dieser
in den Stand eines Sklaven herabsinkt, welchem fein
Herr das Recht zugestanden, feinen Gewerbfleiß zu be
nutzen; für den Herrn arbeitet er, weil dieser Letzte zu
Folge des Gesetzbuches der Alten und der Mahomedaner
- 463 –

über die Sklaverei ein Erbe ist. Ein türkisches Sprich:


wort, das der Gebrauch geheiligt hat, fagt daher von
einem neuen Großvezier: „er hat keinen Kopf und
kein Vermögen mehr.“ Vor seiner Ernennung ge
hörten ihm beide noch und diese Worte zeigen deutlich,
daß der Sultan außerdem an ihn noch Ansprüche er
wirbt, welche der Herr über feinen Sklaven hat, defen
Leben nach allen Gesetzgebungen von dem Gesetze gesichert
ist; jedoch findet dabei der Unterschied fatt, daß der
Andere seine Freiheit selbst verkauft. Die Sklaven des
Sultans sind es also von freien Stücken , und ihr Ver
hältniß gleicht in nichts jenem des Unterthanen, der das
Privatleben der Größe und dem Glücke vorzieht. Der
Letzte ist bloß ein Sklave des Gesetzes, und nur diesen
gemäß, kann der Sultan gegen ihn verfahren. Das Gen
fetz ist also für ihn eine Schutzwehr, hinter welcher er
Sicherheit gegen die Angriffe der willkührlichen Gewalt
findet, die sich übrigens auch nicht um ihn bekümmert,
so zerstreuet ist, fiel durch eine Menge anderer Sorgen.
Eltern - und Kindesliebe find bei den Türken sehr
stark ausgeprägt, aber weit weniger bekannt ist unter
ihnen die Freundschaft; jeder lebt in seiner Familie ein
geschränkt und die Erziehung trägt auch nichts zur Ent
wicklung dieses Gefühles bei, auf welches sie sonst einen
so großen Einfluß hat. . .

Ehe ich mich in den Ka ik setze, der mich nach


Top - Khane bringen soll, verweile ich noch bei der
Betrachtung einer Fontaine am Ufer, das ich eben ver
taffen will. Sie ist wie die Andern von weißem Mar
mor und bleibt in Hinsicht ihrer Pracht wenig hinter
– 464 –
denen zurück, die bisher unsere Blicke mit der größten
Theilnahme auf sich gezogen haben. Aehnliche Denkmä
ler und so viele Andere, die zu heiligen oder weltlichen
Zwecken bestimmt sind, widerlegen auf eine siegreiche
Weiße die Beschuldigungen, welche man den Otho
manen über ihren vorgeblichen Mangel an Gefühl fürs
Schöne gemacht hat. … … . .

Nach den Verordnungen des Sultans Suleiman


müffen die Beyler - bey’s jährlich funfzehn hundert
Aspers Kal emie (Feder - oder Schreibegebüren für die
Beratserneuerung) bezahlen; die Zaime's acht hundert
und der Timariote hundert und zwanzig, wenn sie
3000 Asper Einkünfte haben; doch ist es nicht möglich,
eine bestimmte Grundlage in dieser Hinsicht festzusetzen,
fo wohl wegen der Veränderungen, welche die Münzen
erlitten, als wegen der Unordnungen, die sich seit dem
erwähnten Gesetzgeber in die Verwaltung eingeschlichen
haben. - --

. Die Abgabe von den Getränken ist für die Weine


ohne Unterschied zweiParas; vier für Aquavit und führt
den Namen Rezm -zegrye" (Beschränkungsrecht d. h.
welches die Ankunft dieser Artikel zu verhindern sucht,
die durch das Gesetz verboten find). Der Sultan Se
lim III, dem man ungerechter Weiße den Vorwurf
machte, er liebe den Wein, ersann, um fich zu rechtfer»
eigen oder sich zu rächen, auf eine sehr kluge Art diese
Abgabe. -- -

- Die Abgabe von den Tabaken, welche nach dem


Vertrage sechsProzent betragen sollte, ist größer. Die
Zollabgaben von geschätzten Waaren betragen für die
…- -
– 465 –
Franken drei, für die Mahomedaner vier und für
die Ray als fünf Prozent. Die Letztern bezahlen außer
dem den dritten Theil von dieser ersten Abgabe von den
Waaren, welche in die obige Categorie gehören; die
Hälfte von gewogenen Waaren. Beide ändern sich in
Hinsicht der beiden andern Klaffen nicht, während diese
zweite Abgabe, welche Mefetri heißt, in Rücksicht der
Rayas, noch die beiden Punkte überschreitet, welche
ihr das Gesetz vorschreibt und nicht einmal Grenzen an.
erkennt, weil sie nicht blos einmal eingefodert werden
kann. - - -
Das Kopfgeld (Karatsch), das alle zinspflichtigen
Unterthanen bezahlen müffen, beträgt drei bis dreizehn
Piafter und richtet sich nach den Vermögensumständen
der Steuerpflichtigen, welche in drei Klaffen abgetheilt
find. Die Bettler sind davon ausgenommen, so wie
auch die Frauenzimmer und die Mannspersonen bis zu
den Jahren der Mannbarkeit. Veranlaffung zu Bedrük
kungen bei dieser Abgabe giebt die Klaffeneintheilung,
welche der Pachter für sich vorheilhaft zu machen sucht,
indem er so viele Steuerpflichtige als möglich auf den
Beitrag von dreizehn Piafer anschlägt. - -

- Die Kriegssteuer führt den Namen Saliane" und


wird von dem Großherrn für jede Provinz besonders
bestimmt. Der Sultan schickt von ihm gewählte Be
amte, besonders Capidgi - bafchi's an Ort und
Stelle, die, wenn sie dieselbe vertheilt haben, zur Ver
pachtung nach Bezirken schreiten, um das Eingehen dersel
ben zu beschleunigen; hierdurch wird die Abgabe verdoppelt.
Die Abgabe von Seide, Baumwolle, Wolle und
30
– 466 –
Ziegenhaar heißt Bedeat die neue Abgabe); fie bee
trägt für die Seide zwei Piafter funfzehn Paras; der
Teffe von der Baumwolle bezahlt die Ocka einen Para -
und von den zuletzt angeführten Artikeln ist ein Para
für den Kopf eines Thieres bestimmt.
Außer den Zollabgaben ist auch der Kaffee dem
Bedeat unterworfen, der für die Ocka acht Paras be
trägt; Getraide und Reis werden zollfrei eingefüht.– -

Die Wirthshäuser find einer besondern Abgabe unterwor


fen. Die Summen, welche man aufgerichtlichem Wege
und vermittelt Zwangsmitteln erhält, tragen den Mit
gliedern der vollziehenden Gewalt, welche sie eintreiben,
zehn Prozent Abzugsgeld ein. Die Franken bezahlen
in solchen Fällen bloß zwei Prozent. Der erste Satz ist
ziemlich der gewöhnliche Preis aller Gerichtshöfe in der
Türkei. Die Paschas erheben hierauf zu ihrem Vor
heile eine Abgabe von jeder Person und haben zahllose
Mittel in Händen, um jeden Tag neue Avanien zu
erinnen, welche man wegen ihrer Unregelmäßigkeit un
möglich genau angeben kann. - -

- Unter Selim III. ist die Buchdruckerei nach Seu


tari geschafft worden. Aus ihren Preisen find bis jetzt
34Werke gekommen, nämlich; neun mathematische; acht
Wörterbücher; fünf Abhandlungen von der arabischen
Grammatik und dem arabischen Syntare; vier Werke
über die Religion; ein Band als Folge der Jahrbücher
des osmanischen Reichs von Wassif- Effendi; ein
großer türkischer Atlas in 24Blättern mit Erläuterun
gen; sechs Seecharten und drei französische Werke, wor
unter auch die neue Verordnung gehört.

Es
-
E

--
– 467 –
Siebenzehnter Spaziergang.
C. o n ist a n t i n op e l.
Die jüdische Nation bildet im osmanischen,
Reiche eine Republik– Ihre Gesetze, Sit
ten und ihr Gewerbfleiß – Moschee Se-
lims I. – Derwisch – Moschee Mahomeds–
Der Platz El-Meidan – Cisternen unter
freiem Himmel – Bettelei – Harmonie
und Ausdruck der türkischen Sprache –
Quartier der Blakernen – Pallast des Con
fantinus – Kirche der schismatischen Ar
menier – Stadtpolizei, welche in der Tür-
kei mit der peinlichen Gerichtsbarkeit ver.
wechfelt wird – Allgemeine Polizei –
Quartier von Balata – Quartier des Fa.
nal – Rosenmoschee
– Die Sitten in Hin
ficht der Reinheit beider Geschlechter –
Bei den Osmanlis haben die Mannsperfo
nen das Verdienst der Erhaltung derfel
ben – Die Großen werden in ihrer Berüh,
rung mit uns verdorben, statt sich zu ver
fittlichen – Magnetiseurs, Zauberer, Gei
ferfeher u. f. w.

Es bleibt mir noch das Quartier der Moschee Maho,


med, das Quartier der Blakernen und der Fanal
zu besuchen übrig, woraufich den ganzen nördlichen Theil
von Constantinopel durchwandert bin. Ich werde
- 468 -

da einige Denkmäler antreffen, zwar nicht in so großer


Menge, wie auf den beiden ersten Spaziergängen; allein
wo meine Aufmerksamkeit nicht die schönen Künste fes
feln, da werden sie leicht moralische Beobachtungen
ersetzen. - -

Ich schiffe mich am Einschiffungsplatze des Capu


dan Pascha ein und fahre nach jenem von I e n i
Kap uffi, d. h. dem Eingange des Fanal hinab.
Da finde ich, wie fast an allen Ein-und Aussteigeplätzen
des Hafens, dienstwillige Juden, die in ihrem verdor
benen Spanisch sich zu meinem Führer anbieten. Ich
mehne die Dienste desjenigen an, der am dringendsten
bittet und habe keine Ursache, mich dies gereuenzu laffen;
denn er verrichtet sein Amt als Führer mit vieler Thä
tigkeit und Einsicht, welches bei den stolzen Musel
männern die Janitscharen allein, die zu den Gesandt
chaften gehören, nicht ausschlagen.
- Ich schlage den Weg nach der Moschee Selim ein
und denke unterwegs über den Schicksalswechsel nach,
welcher den nämlichen Ifraeliten an den Ufern von
Byzanz hat geboren werden lassen, dessen Voreltern
in Castilien wohnten, die Ferdinand der Catho
lische aus Spanien vertrieb und die die Muselmän
ner aufnahmen. Die Juden haben in dies fremde Land
die Schmach mitgebracht, die sie allenfhalben verfolgt.
Will ein Grieche den höchsten Grad des himmlischen
Zorns ausdrücken, so sagt er: ,Gott verhüte, daß
dies Unglück niemandem, selbst nicht einmal einem Ju
den, begegne!“ Den Charfreitag wagt sich keiner von
diesen Unglücklichen in den von den Christen bewohn
den Quartieren sehen zu laffen; denn er würde sich in
Bildniffe verbrannt sehen und Gefahr laufen, zu Tode
gesteinigt zu werden. Man mag daher dem Juden,
trotz seiner angebornen Geldbegierde, noch fo viel bieten,
an diesen Tage durch die Vorstadt Pera zu gehen, er
thut es doch nicht. Die Türken begünstigen zwar nicht
solche Mißhandlungen, aber fiel dulden sie doch und fe
hen sie als eine rechtmäßige Rache an; sie laffen nicht
weniger Unwillen als die Christen gegen die jüdische
Nation wegen ihrer an Jesu verübten Frevelthat blicken;
daher leben unter allen Rayas die Kinder Ifraels
in dem härtesten Drucke und werden nicht bloß von den
Gebietern, sondern auch von den Sklaven mißhandelt.
Mahmud, der gegen die gewöhnliche Sitte der
Sultane, den Luxus bei den Andern liebte, wiederholte
oft folgende Worte: „ich will, daß die Geschichte sage,
die Juden fuhren auf dem Bosphorus mit vier Paar
Rudern herum.“ Zum Verständniffe dieses Ausspruchs
muß man wissen, daß nach den Aufwandsgesetzen die
Rayas, die Franken, ja die Türken selbst ihre
Kaik's höchstens bloß mit dreiPaar Rudern versehen
dürfen. ,

Die jüdische Nation hat im osmanischen Reiche bloß


eine sehr schwache Existenz, besonders seit dem ihnen die
Armenier ihre Reichthümer abgenommen, indem sie
dieselben bei dem Saraffesgeschäfte ausgestochen
haben. Die Armenier, besonders aber die Griechen,
stehen mit der Regierung in Verbindung; die Ersten
durch ihr großes Vermögen, das sie noch alle Tage ver
mehren und das sie so wohl dem Staate als einen vor
– 470 –

nehmsten Mitgliedern nebst ihrer Verwaltungsgeschicklich


keit anbieten; die Zweiten durch den Besitz großer Stellen,
welche ihnen Gelegenheit verschaffen, in den Geschäften
einen ausgezeichneten Einfluß zu erlangen. Die Juden
dagegen haben kaum einige Personen ihrer Sekte, welche
in die Nähe der Großwürden kommen; am meisten Ein
fluß hat darunter der Baziriam - bafchi oder das
Oberhaupt der Kaufleute. *) -

Dieser Bevorrechtete, dessen Zustand eben so glück


lich zu feyn scheint, als der feiner Mitbrüder traurig ist,
spielt bei dem Janitscharenaga die Rolle des Intendan
ten. Er führt den schwarzen Streitkolben dieses Corps,
bestreitet alle Ausgaben, mit Ausnahme der Löhnung
und der Lebensmittel, welche dem Miri zur Last fallen;
besorgt die Kleidung, so wie die besondern Ausgaben
des Oberhauptes, und führt auch nebst dem Jenityeri
effendy, die Löhnungsverzeichnisse; eine Caffe füllt sich
vorzüglich von dem Ueberschuffe dieser Verzeichnisse über
den wirklichen Betrag. Auch thut er den Sold seines
Gönners und alle Einkünfte hinein, welche dem Janit
scharenaga zukommen. Reichen die Einnahmen zur Def
kung der Ausgaben nicht zu, so darf er bei den Bankiers
seiner Nation gezwungene Anleihen machen, welche stets
sehr langsam wieder bezahlt werden. Dieser angebliche
Beschützer ist also auch ein Feind für die Juden, weil
- -

*) Vor einigen Jahren beging die Pforte die größten Grau


famkeiten gegen die reichen Armenier, um ihnen ihre
Schätze abzunehmen und seit dem haben sie bedeutend an
Einfluß verloren.
- - , -
-- - - - - - -
D. Uebs.
– 471 – -
-

er mit ihrem Gelde die Gunst bezahlt, die er erkauft,


um sich derselben gegen seine Nation zu bedienen. Ein
Anderes von seinen Vorrechten besteht darin,daß er für alle
Stellen des Janitscharencorps Caution stellt, welche eine
Bürgschaft erfodern; daher machen ihm eine große Menge
Menschen ihren Hof, die sich um seine Gunst bewerben.
, . Diese glänzenden Vortheile aber werden durch trau
rigen Glückswechsel aufgewogen. Er ist z. B. gar nicht
wegen seines Kopfs gesichert, der fällt, sobald man eine
Untreue entdeckt oder wenn man sich eines Raubs be
mächtigen will. Nimmt man ihn und eine kleine An
zahl anderer Bankiers aus, welche große Reichthümer
besitzen, so kann man von der jüdischen Nation behaupten,
fie befinde sich in der größten Armuth wie man schon
aus den niedrigen Beschäftigungen ersieht, welche sie treibt.
Im osmanischen Reiche leben die Juden mehr als
anderwärts von der übrigen Gemeinde abgesondert und
bilden im Staate eine besondere Gesellschaft, welche von
einer Regierung beherrscht wird, die eine Mischung von
Oligarchie und Theocratie ist, worin jedoch die Letztere
am meisten in die Augen fällt. Man erkennt daher sehr
deutlich eine gut eingerichtete Republik mitten im Schooße
der willkührlichen Gewalt und Gesetzlosigkeit.
- Der Oberrabiner und zwei Andere, welche in der
hierarchischen Ordnung des Priesterthums unmittelbar
aufjene obrigkeitliche Person folgen, sind die Bewahrer
der drei Gewalten, die sich, wie wir weiter unten sehen
werden, das Gleichgewicht halten. Auf Lebenszeit er
nannt, sind die Beschlüsse dieser Dreimänner ohne Apple
lation, sobald sie sich auf Punkte beziehen, wobei die

V
– 472 –
Religion interessiert feyn kann. Die Nation entsagt als
dann allen ihren Vorrechten und gehorcht blindlings der
Stimme des Himmels.
Ein Rath von sieben Mitgliedern, die auch auf Le
benszeit ernannt sind und dessen Errichtung sehr alt ist,
bewahrt einen Theil der gesetzgebenden Gewalt, vermöge
welches die Gewalt der geistlichen Dreimänner in rein
weltlichen Angelegenheiten gemäßigt wird. Dieser Rath
der Sieben hat das Recht, die Nationalversammlung
zusammen zu berufen, wenn es das Beste der Gemein
heit erfodert und seine gesetzgebende Gewalt beruhet auch
in der Wahl der Mitglieder dieser Versammlung, welche
er immer unter den angesehnten Personen d. h. unter
den Reichsten und den Rabinern auswählt.
- Alle Gegenstände, welche man der Nationalversamm
lung vorlegt, werden vorher von den Dreimännern und
dem Rathe der Sieben erörtert und bestimmt, so daß
der Nation bloß ihre Annahme oder ihre Verwerfung
übrig bleibt und sie die Sorge für Verbesserungen und
neue Einrichtungen denen überläßt, welchen fiel ihr Ver
trauen geschenkt hat. - -

- Die Verheilung der gesetzgebenden Gewalt kann


nicht genug gelobt werden, weil sich hieraus ergiebt, daß
die Nation ohne Besorgniß seyn kann, indem sie weiß,
daß man für sie wacht. Dies paßt ganz zu ihrer Un
wiffenheit und zu ihren Vorurtheilen; von der andern
Seite, weil sie das Recht behält, ihre Willensmeinung
nach der Anwendung zu äußern, welche sie davon machen
kann; ein Recht, das sich darauf beschränken muß, daß
es nicht verletzt werden kann; 3) weil man außer ihrem
--
- 473 =

Charakter auch ihre Lage in Hinsicht der Regierung, und


ter der sie lebt, und den Geist dieser Letztern berücksich
tigt hat, welche nur die Oberhäupter anzuerkennen ges
wohnt ist; 4) weit fiel jedoch in ihrem Innern die Mit
tel finden würde, über die wichtigen Gegenstände der
öffentlichen Freiheit Anordnungen zu treffen, wenn ihr
die Erörterung über dieselben gestattet wäre. Untersucht
man aber eine so weiße Einrichtung genau, so bedauert
man, daß man so viele Bürgschaften ausfindig gemacht
und eine so große Anzahl Vorsichtsmaaßregeln gegen die
Eingriffe oder die Anmaßungen getroffen hat, für wen?
für eine Gesellschaft, welche wie eine belagerte Festung
vom Despotismus eingeschloffen ist. -
Stirbt der Oberrabiner, so wird er durch den zwei
ten und dieser durch den dritten u. f. w. ersetzt. Die
Nationalversammlung wird zusammen berufen, ernennt
zu der erledigten Stelle und wählt unter den von dem
Rathe der Sieben vorgeschlagenen Candidaten in Verbins
dung mit den beiden übrigen Mitgliedern der Dreimän
ner. Es versteht sich jedoch, daß der Gewählte immer
aus dem Priesterstande genommen feyn nuß.
Wird im Rathe der Sieben eine Stelle erledigt, so
schreitet man aufdieselbe Weiße zur Wiederbesetzung und
wählt ohne Unterschied aus der Klaffe der Laien und der
Rabiner; ob schon diese Letzte im Besitze der ausgezeichs
netesten Stellen ist. Hier findet man den theocratischen
Geist wieder; dies würde für jede andere Nation ein
Grundfehler seyn. - - -- -

- Die Gerechtigkeit wird von zwei Gerichtshöfen ver


waltet, wovon sich der Eine zu Kaffe - Keuiu, der
– 474 –

Andere zu Balata befindet; jeder besteht aus vier Ra


binern, welche durch die Nationalversammlung auf Le
benszeit ernannt sind. Alle streitigen Sachen werden vor
diese Richterstühle gebracht. Wenn eine Sache Zweifel
oder Theilung der Meinungen veranlaßt, so wird sie
dem Ausspruche des Oberrabiners unterworfen, defen
Meinung Gesetzeskraft erhält. Die Prozeßkofen beschrän
ken sich auf die Büreaukosten und auf eine mäßige Be
lohnung für den Gerichtsschreiber d. h. die Gerechtigkeit
wird also umsonst verwaltet. -- -

. . Die Verbrechen mögen sein , welche sie wollen, so


ziehen sie nie Lebensstrafe nach sich; denn die Regierung,
welche befiehlt, hat sich in einem solchen Falle den Aus
Spruch vorbehalten. Die zuerkannten Strafen sind daher
entweder Gefängniß oder Bagno. Die Verurtheilten wer
den auf bloßes Ansuchen des Oberrabiners entweder in
die öffentlichen Kerker abgeliefert oder auf die Galeeren
geschickt, wo sie die ihnen zuerkannte Strafzeit über
bleiben. - - - - -

Die Unterwürfigkeit der Juden in Hinsicht ihrer


Gerichtshöfe ist bei den andern zinspflichtigen Nationen
bei weiten nicht so unbedingt und blind, ob schon die
geistlichen Oberhäupter beider dieselben Vorrechte haben;
bei Streitsachen, wo der Eigennutz in Anspruch genom
unen wird, nimmt der verurteilte Theil oft seine Zu
flucht zu den mahomedanischen Obrigkeiten, bei den Ju
den aber trägt die Macht der Religion, vielleicht auch
die Nationalliebe über das Recht den Sieg davon, an
sie zu appellieren; alle gehorchen ohne Murren ihren
Häuptlingen und derjenige, der es wagte, zu den Lan
desgerichtshöfen seine Zuflucht zu nehmen, würde von
den Seinigen höchlich getadelt werden und unter der Last
des Bannfluchs umkommen.
Die öffentlichen und Verwaltungskosten betreffen die
Einkünfte des Oberrabiners und feiner beiden Collegen;
die Besoldungen der Richter; die Jahrgehalte, welche
etwa hundert Rabiner bekommen, deren Verrichtungen
im Gesetzesstudium, im öffentlichen Unterrichte und Got
tesdienste bestehen, und aus denen man auch die Mit
glieder der Dreimänner und der Gerichtshöfe wählt. Aus
der dffentlichen Caffe nimmt man auch Gelder zur Unter
stützung der Nothleidenden und man richtet diese Almo
fen so ein, daß man die Bettelei gänzlich verbannt.
Man nimmt daraus auch jährlich 17,00o Piaster, welche
in die Admiralitätscaffe fließen; durch diese Summe
kauft sich die jüdische Nation von dem Seedienste los
und sichert sich gegen die Gewaltthätigkeiten, welche man
gegen die Rayas verübt, wenn die Flotte unter Segel
gehen soll. Zuletzt bezahlt der Schatz auch jährlich noch
sechs bis zehntausend Piafter, um die Ausgaben derer
zu bestreiten, welche aus Frömmigkeit nach dem heili
gen Lande reisen, um daselbst zu sterben. -

Die Verwaltung der öffentlichen Einkünfte ist einem


Ausschusse von fünf Mitgliedern anvertrauet, welche die
Nationalversammlung wählt und welche alle zwei Jahre
erneuert werden. Das Abgabenverzeichniß richtet sie nach
den Budgets ein, und jeder Familienvater trägt nach
seinem Vermögen dazu bei. - - -

Die Nation besteht in dieser Hinsicht aus drei Claf


en: 1) aus der Clane der Steuerbaren 2) aus der Claffe
– 476 –

der Armen, die, stattzu geben, bekommen und 3) aus der


Claffe derer, die nicht Vermögen genug haben, um Ab
gaben zu geben, die aber auch ohne Unterstützung An
derer leben können. Man nimmt an, daß die Erfien
kaum den fünften Theil der Nation ausmachen.
Man muß in der That viel Zutrauen haben, das bloß
aus einer großer Rechtschaffenheit entspringen kann, wenn
sich eine Gesellschaft mit so vieler Hingebung fünf Abge
ordneten überläßt, die alle Arten von Veruntreuungen
begehen können, aber man weiß auch, daß die Juden
gegen einander in diesem Stücke so gewissenhaft find,
als sie sich gewissenlos in ihren Geschäften gegen Per
fonen von den andern Glaubensarten benehmen.
Die Municipalpolizei und das Strafamt werden
von Obrigkeiten verwaltet, welche den Titel Regidor
führen. Sie wachen zur Aufrechthaltung der Sitten für
die öffentliche und häusliche Ruhe, und haben sogar das
Recht, Erkundigungen einzuziehen, ob die Personen,
welche ihrer Aufsicht anvertrauet find, zu der bestimmten
Stunde nach Hause gekommen sind. Jedes Quartier hat
feinen,besondern Censor, den es beliebig erwählt. Diese
Leute können den Miffethätern ohne weitere Prozeßform
die Bastionnade geben laffen, oder sie zum Gefängniffe
verurtheilen; die Militärzucht ist, wie man sieht, nicht
fo streng. - - - -- - -

Jedes Quartier hat außerdem noch einen Rabiner,


der für die Beobachtung der Religionspflichten sorgen
muß; dies ist eine andere Art von Knechtschaft, welcher
die Juden mit der äußersten Strenge unterworfen sind.
Auch hat es eine Synagoge, für deren Unterhaltung es
– 477 – - A

vermittelt der Abgaben sorgt, welche es von seinen Be


wohnern erhebt. Diese Beiträge sind jedoch fehr mäßig
In osmanischen Reiche wohnen die Juden, wie
allenthalben, so viel als möglich abgesondert von den ans
dern Nationen. Es kostet Mühe, bestimmte Nachrichten
üder ihre Anzahl zu erhalten weil ihnen das Gesetz ge
naue Zählungen untersagt; jedoch nimmt man an, daß
sich die jüdischen Familien der Hauptstadt aufzehntausend
belaufen, was also 60.000 Personen geben würde, da
diese Nation sehr fruchtbar ist. - -

Bei den Juden ist die Religion der einzige Zweck


aller ihrer Einrichtungen; daher beschränkt sich die Ers
ziehung auf das Lesen des Talmud und auf die Kennt
niß der Grundlehren und kirchlichen Gebräuche. Die
Gelehrtesten unter ihnen sind diejenigen, die mit der he
bräischen Sprache vertrauet find, in die Kenntniß der
heiligen Schrift und ihrer Erklärer als eingeweihet anges
nommen werden und beffer als die Andern die Jahre
bücher ihrer Nation.kennen. In den Wiffenschaften find
sie fremd, wenn man Einige ausnimmt, die von der
Sternfunde so viel verstehen, als zur Verfertigung eines
Kalenders nöthig ist, aber von der andern Seite sich
oft dem Hirngespinnfie, der Cabala, überlassen.
Die Bank, der Handel, besonders Schacherei und
andere niedrige Beschäftigungen, wobei leicht Betrügerei
fatt finden kann, find die Gewerbe der jüdischen Nation.
Sie treibt weder schöne Künste, noch ein Handwerk, das
„zu den ersten Claffen gehört, als z. B. Uhrmacher-Jouwe
lierkunst u. f. w.; in dieser Hinsicht steht sie den andern
zinspflichtigen Nationen weit nach. Diese Unwissenheit,
"- 478 -

die trotz den Riesenschritten, welche die Wissenschaften


gemacht haben, seit so vielen Jahrhunderten fortgedauert
hat, ist eine natürliche Folge der Entfernung dieses
Volks von allem, was nicht zu den Kindern Israels
gehört. - -

Aus Neigung und dem Gesetze angemeffen entfernen


die Juden den Lurus von ihren Personen und aus ih
- ren Wohnungen. Gegen den in der Türkei eingeführ
ten Gebrauch ist ihr Hausstand nicht zahlreich und wenn
sie bisweilen die Lehren der Mäßigung aus den Augen
fetzen, welche sie sich zum Gesetz gemacht. haben, so ge
fchieht dies bloß zur Zeit ihrer Feste; diese Uebertretung
ist daher das Werk der Religion und nicht des Geschmacks
an Aufwand.
- Ein Ausschuß von vier Mitgliedern hat den Auf
trag, die vorhandenen Verbindungen zwischen den Ju
den in der Hauptstadt und jenen im heiligen Lande zu
unterhalten. Man weiß, daß alle wünschen, sich einige
Zeit zu Jerufallem aufzuhalten, wenn sie nicht daselbst
ihre Laufbahn beschließen können, und ihren letzten Hel
der zur Aufrechthaltung der Anstalten hergeben, welche sie
deshalb daselbst haben. Alle Jahre segelt aus dem Ha
fen von Constantinopel ein Schiff mit 150 bis 200
Personen von beiden Geschlechtern nach dieser Wallfahrt
ab. Die Reichen bezahlen die Fahrt für die Armen.
Oft tritt der Fall ein, daß zu Folge von Kriegen oder
Avanien die Juden des heiligen Landes über ihre Kräfte
mit Abgaben belastet werden; in einem solchen Falle dient
ihnen die ganze Nation zur Zuflucht und sie verlangen
Unterstützung, die man ihnen nie verweigert. Die Ge
– 479 –

neralversammlung bestimmt die Größe derselben und der


Ausschuß der Vier führt die Verwaltung darüber.
So wie die Griechen und Armenier, bezahlen
auch die Juden die Kopfsteuer und zu Kriegszeiten ge
ben sie ihren Beitrag zu der außerordentlichen Steuer,
welche sie unter fich verheilen, so daß die hohe Pforte
den Oberrabiner bloß von ihrem Entschluffe zu unterrich
ten braucht. Diese bloße Kundmachung erspart den Os
manen die Mühe des Einsammeln. Man kann daher
behaupten, daß die jüdische Nation in jeder Hinsicht die
jenige ist, welche ihnen die Mühe erspart, die die Re
gierung in ihren geringsten Verzweigungen in ihrem Ge
folge hat.
Während dieser Darstellung wird man mehr als
einmal über die Aehnlichkeit erstaunt feyn, welche die
Juden in mehrern Hinsichten mit den Osmanen ha
ben. Zuerst bemerkt man bei diesen die nämliche Abson
derung, welche jene in einem gleichen Grade zeigen und
welche den Fortschritten beider Nationen auf eine so auf
fallende Art schadet. 2) Man wird auch die brüderliche
Liebe, die Wohlthätigkeit gewahr, welche sie gegen ihre
Glaubensgenoffen zum Nachtheile der Menschenliebe über
haupt äußern. 3) Die Gesetze der Juden sind, wie
bei den Mahomedanern, theocratisch und ihre Obrig
keiten aus den Priesterstande genommen, allein wie sehr
unterscheiden sie sich nicht in allen andern Stücken von
denen, mit denen wir sie nicht verglichen haben würden,
wenn wir nicht die Absicht gehabt hätten, die Verände
rungen zu zeigen, welche in dem Charakter vermittelt
der Modificationen in den politischen Einrichtungen her,
– 480 –
vorgebracht worden, find? Bei den Juden bewirkt die
Religion gerade das Gegentheil von dem, was man als
ihr Werk in dem Charakter der Mahomedaner an
erkennt. Die Juden sind eben so feig, als die Letzten
muthig, eben so demüthig, als die Andern stolz und
fcheinen fich bloß deshalb in der Gesellschaft zu verschan
zen, weil diese sie ausstößt und die Menschheit nicht an
erkennt; die Anhänger. Mahomeds dagegen halten fie
in einer ehrfurchtsvollen Entfernung, weil sie die andern
Menschen sich an Verdienst nachstehend ansehen und man
ist nicht abgeneigt, ihnen dies zu verzeihen, wenn man
sich des glänzenden Zeitpunktes ihrer Geschichte erinnert,
welcher die Welt noch in Erstaunen fetzt. Auch muß man
es zu ihrem Lobe sagen, daß sie nicht, wie die Juden, im
Staube kriechen, besonders aber, daß der Glaubensun
terschied, bei ihnen kein Grund ist, mit der Rechtschaffen
heit zu halbieren, der sie sogar sklavisch gehorchen. Die
jüdische Nation trägt durch ihre Existenz im osmanischen
Reiche das doppelte Joch; jenes ihrer eigenen Gesetze
und das der Regierung, aber dies wird sogar dadurch
erleichtert, daß der Herr nie so aufmerksam ist, wenn
sich der Sklave demüthig zeigt. -

Wenn man nach der Moschee gehen will, welche


Selim I. gestiftet hat, so muß man einen fehr steilen
Abhang hinauf steigen, aber ihre herrliche Lage entschä
digt den Wanderer für die Anstrengung durch die uner
meßliche Aussicht, welche sie ihm auf den Außenseiten
-“

von Constantinopel und aufden Anhöhen von Eyub


gewährt. Die Bauart hat nicht die Eleganz und den
Charakter der Leichtigkeit, die wir an den andern Tem
- 481 –
peln bemerkt haben, indem die halben Bogen, welche
rund herum um die Kuppel waren, die Wirkung dieser
vernichten, welche überdies zu eingebogen ist; übrigens
bemerkt man in den Gängen schöne Marmorsäulen. Ge
gen Westen und am Fuße der Terraffe, worauf die Mo
schee steht, sieht man Eine von den großen Cisternen
unter freiem Himmel, welche Constantinopel besaß
und welche jetzt insgesammt Gemüsegärten sind. -

Indem ich auf dem Wege fortgehe, der mich nach


der Moschee Mahomed bringen soll, und der mich
durch ein von Franken wenig besuchtes Quartier führt,
sehe ich einen Derwisch, der die Gläubigen zur Mild
thätigkeit durch ein Hörnchen aufzufodern fucht, defen er
sich als einer Trompete bedient und der durch diese Aus
flucht feinen Ordensregeln ausweicht, welche ihm verbie
ten, um Almosen zu bitten. Seine Mühe ist nicht um
sonst; denn man gibt ihm gern, und in dem Kaffee
haufe, in das er sich verfügt, bringt man ihm eine Tasse
Kaffe, die er unter der fillschweigenden Bedingung an
nimmt, dem Himmel die Sorge für die Bezahlung Zu
überlaffen. . . . - -

Die Derwische spielen bei den Mahomedanern


die Rolle der Mönche des zwölften Jahrhundert. Sie
hun wie diese das Gelübde der Armuth und führen größe
tentheils das bequemste Leben: dies rührt von ihrem
- Vorrechte her, allenthalben ohne Umstände in die Häu
fer gehen und fich. sogar vertraulich an der Tafel der
Großen niederlaffen zu können. Ihr Ruf der Armuth,
deffen sie sich geschicktzu bedienen wissen, um den Be
trug darunter zu verbergen, der ihr Hauptstudium aus
- 31
- 482 -

macht, heißt alle ihre Handlungen gut, welche ihnen die


Narrheit oder die Heuchelei eingiebt. Die Einen heilen
kranke Kinder durch bloße Berührung mit dem Fuße
auf der kranken Stelle; die Andern öffnen bei unfrucht
baren Weibern die Quelle der Fruchtbarkeit, indem sie,
wie sie vorgeben und wie der andere Theilglaubt, ihren
Auswurf in ihren Mund thun. Alles, was wunderbar
ist, gehört zu ihren Geschäften. Sie haben oft, wie die
Mönche, bei gekrönten Häuptern Einfluß gehabt. Sie
sind jetzt nicht mehr auszurotten, wie dies das Beispiel
des Kiuperli gelehrt hat.
Die Derwische sind in zwei und dreißig Orden ab
geheilt, die sich in Ansehung der Regel und des Gebrauchs
von einander unterscheiden. Jeder Orden hat einen Stif
ter, von dem er seinen Namen entlehnt und defen An
denken er durch Lieder in persischer Sprache preiset. Die
Einen führen eine fitzende, die Andern eine herumschwei
fende Lebensart und können wegen ihrer Räubereien mehr
als eine Last für die Gesellschaft angesehen werden. Die
Sitzenden leben in Klöstern (Teke's), welche eine übel
verstandene Frömmigkeit gestiftet hat und deren Ein
künfte die Leichtgläubigkeit noch alle Tage vermehrt. An
diesen geweiheten Oertern überlaffen sie fich der Aus
übung ihrer verschiedenen Regeln und damit sie selbst
für ihren Unterhalt sorgen können, besitzen sie die Ge
schicklichkeit, ein Gewerbe zu treiben; für ihre Kost sorgt
das Kloster. Sie können auch heirathen; diese beiden
letzten Punkte geben ihren Anstalten einen Vorzug vor
jener der Mönche.
Jeder Teke hat seinen Superior (Sheik), der im
- 483 -

Rufe der Heiligkeit steht, weshalb er bei allen Claffen


die tiefste Ehrfurcht genießet. Jede Regel, welche in
deffen stets durch den Geist der Kasteiung eingegeben ist,
zeichnet sich durch Sonderbarkeiten aus. Die Einen,
welche man Ruffai nennt, machen sich mit glühenden
Eifen Mahlzeichen, die der Sheik mit etwas Speichel
wieder heilt, oder thun, als ob sie dies thäten; Andere,
welche Bedevi heißen, wiederholen so lange den Namen
und die Eigenschaften der Gottheit, bis sie in Zuckun
gen gerathen; die Mewlevis, die nicht so weit in ihren
Ausschweifungen gehen, drehen sich ohne Unterbrechung
mehrere Minuten lang im Kreise umher; die Arme, bald
wie Balanzirfangen ausgestreckt, bald auf der Brust
zusammenschlagen; durch diese allegorische Bewegung
wollen sie andeuten, daß die Gegenwart des höchsten
Wesens das Weltall erfülle, und daß man es allenthals
ben antreffe, wo man einen Blick hinwendet. Ihre
Uebungssäle haben sogar Zufchauer, wie unsere Theater:
denn die Ungläubigen erkaufen sich den Eintritt in die
selben, den sie nach ihrem Vermögen oder nach ihrem
Eifer bezahlen müffen, - - - -

Die Moschee Mahomed steht nach ziemlich gegrün


deten Vermuthungen auf der Stelle der prachtvollen
Kirche der heiligen Apostel, welche Constantinus zum
Begräbniß der Kaiser erbauet hatte und deren mehrmals
wieder aufgerichtete Ruinen bis zum Untergange des mors
genländischen Reichs ihren Namen behielten, obgleich die
Form des Gebäudes alle nach und nach folgenden Vers
schlechterungen ausgestanden hat. Der Tempel, den man
heut zu Tage, da erblickt, scheint kein Bedauern in Hin
- 484 -

ficht dessen hinterlaffen zu dürfen, welcher verschwunden


ist, um ihm Platz zu machen. Der Grieche Christo
dulos war sein Erbauer und erhielt zur Belohnung vom
Sultane eine ganze Gaffe, deren Schenkungsbrief dem
Fürsten Cantemir zum Grunde diente, die Rechte der
Christen, welche dies Quartier bewohnen, gegen die
strengen Maaßregeln Achmet's III. zu vertheidigen,
der sie daraus verjagen wollte. -,

Das Gebäude, wovon wir soeben gesprochen haben,


entspricht in Hinsicht des Plans den übrigen kaiserlichen
Moscheen; feine Erhöhung zeigt eine Kuppel, welche auf
mehrern Theilen von Domen ruht; fein Hofist von Hal
len umgeben, die mit Säulen von Verde antico und
morgenländischem Granit verziert sind. Es verräth eben
fo viel Adel als Eleganz; indeffen bedauert man doch,
„daß man da noch die Vermischung des gothischen Ge
schmacks mit der weniger ausgearteten Bauart des spätern
griechischen Reichs findet, aber an die Griechen muß
man sich halten, weil sie den Türken dies Beispiel der
Veränderung in den Formen gegeben haben. Die Er
bauung aller heiligen Gebäude, auf welche die Haupt
stadt der Osmanen stolz seyn kann, hat man dieser
Nation zu verdanken. - -

Ein charakteristischer Zug, der kaiserlichen Moscheen


ist also die Verbindung des maurischen Geschmacks mit
dem römischen, so wie man ihn im Pantheon zu Rom
erblickt. Alle mahomedanischen Tempel, die wir bisher
besehen haben und die nebst jenem von Eyub das Ver
zeichniß der kaiserlichen Moscheen ausmachen, haben an
der Seite dieser Kuppeln von lateinischer Erfindung,
",
-

– 485 –
welche die Griechen der spätern Zeiten über Gewölben
angebracht haben, dreieckige Schwibbogen, Capitäler, die
durch einen närrischen, aus dem Morgenlande herrühren
den, Geschmack entstellt sind, Haupteingänge, wie die an
unsern alten Hauptkirchen, Verzierungen auf maurische
- Art, zuletzt schlanke Säulen, die auf Capitälen ruhen
und an die Mauern anstoßen.
Wenn den neuen Sultanen zu Eyub das Schwerdt
umgegürtet worden ist, so wird die Krönungsfeierlichkeit
durch ein Gebet auf dem Grabe des Zerstörers des mor
genländischen Reichs geendigt. Unter den zahlreichen Zus
behörden, welche eine Moscheen umgeben, bemerkt man
die Bäder, welche mit Recht als die schönsten von Con
stantinopel angesehen werden. Sie zeichnen sich durch,
durchbrochene Kuppeln aus. Solche Gebäude find in der
Türkei, besonders in der Hauptstadt, fehr zahlreich.
Der Himmelsstrich und die Religionsgebräuche tragen
viel zu ihrer Vermehrung bei; übrigens vertreten sie im
Morgenlande die Stelle der Bälle und Schauspiele des
christlichen Europas.
Bei der Moschee Mohamed ist der Pferdemarkt,
der Tschartfchi der Sattler, der Gürtler und anderer
Handwerker, welche in Leder arbeiten. In diesen Mas
gazinen bekommt man Arbeiten zu Gesichte, wo sich Lurus
und Eleganz mit einander vereinigt haben, um Meister
stücke hervorzubringen. Hieraus sieht man, daß die
Türken nicht weniger finnreich in der Vervollkomm
nung der Künste sind, wenn sie ihrem Geschmacke schmei
cheln, als andere Völker. - -

Jetzt bin ich auf dem Platze Est: Meidan anges


– 486 –
langt, wo man nach den Verordnungen des Sulei
man den Janitscharen das Fleisch austheilt. Auf diesem
nämlichen Platze wurde auch das Blutgericht gehalten,
das aus Oturack's (Janitscharenveteranen) befand,
welche das Todesurtheil auf den Vorwurfder bloßen An
hänglichkeit an Selims Sache aussprachen. Die An
geklagten erschienen vor diesen Henkern, die erst das
Schwerdt weglegten, als sie die dem Sultane theuersten
Häupter abgeschlagen hatten."
Indeffen ließen sie doch sich durch Tscheleby
Effendi entwaffnen, der Einer ihrer beliebtesten Mi
nister war und unter die tugendhaftesten Männer feiner
Nation gehörte. Als dieser ehrwürdige Greis Nachricht
erhielt, daß die Rachsucht ihn auffuche, stellte er fich
freiwillig mit seinen zahlreichen Nachkommen vor diesem
schändlichen Richterstuhle ein und bot den Richtern seinen
Kopf dar. Diese erschraken, schienen. Gewissensbisse zu
fühlen und verschonten sein Leben. Dies dem Henker
- meffer entgangene Schlachtopfer verwaltet noch jetzt trotz
feinem hohen Alter. Eine der ersten Stellen, und hat
noch nichts von seinem Eifer verloren, der guten Sache
zu dienen. -

* . Nunmehro wollen wir den nur zu berühmten Palast


des Constantinus oder Belisarius, besuchen, wie
man ihn zu nennen beliebt,dem man aber aufkeinen Fall
- den Namen gibt, den er wirklich geführt hat. Um dahin
zu kommen, gehe ich durch. Eine von den Gaffen von
Confantinopel, die am meisten zusammenhängt und
sich am Thore von Adrianopel endigt. Dies Quar
tier enthält niedrige sehr schlechtgebaute Häuser, die zum
- 487 =

Theil vom niedrigsten Pöbel bewohnt werden. Die Bus


den werden zahlreicher, je näher ich an die Ringmauern
komme. In diesem Augenblicke gehe ich an einer
großen Cisterne hin, wo Gemüse die Waffermaffe er
fetzen, welche fiel sonst enthielt. Ich könnte, ohne ihre
Nachbarschaft zu verlaffen, noch Andere besehen, welche
mit Bogen überzogen sind, aber sie verdienen nicht ge
fehen zu werden. Die offenen Cisternen sind gewöhnlich
25 bis 30 Fuß tief, wozu man noch die Düngererde
rechnen muß, die man auf ihren Boden gethan hat;
man kann daraus abnehmen, wie groß diese Behälter sind.
Eine mit Lumpen bedeckte Bettlerin fällt über mich
her und wird mich wahrscheinlich nicht eher los laffen,
bis ich ihr die Paras gegeben habe, die sie verlangt.
Wie viele Andere habe ich nicht schon angetroffen? Die
Bettelei ist in der Türkei ein sehr fleißig betriebenes
Gewerbe. Weiber und einige Personen vom andern Ge
schlechte, welche fich wegen Krankheiten nicht ernähren
können, find freilich die Einzigen, welche es dffentlich
treiben, aber es giebt auch viele, die sich nicht öffentlich
darauf legen, jedoch unter die Bettler gerechnet werden
können, weil sie sich beinahe gar nicht schämen, etwas
zu fodern und anzunehmen. --

Die Unglückliche, der ich etwas gegeben habe, wünscht


mir voll. Dank dafür eine Gefährtin, die mir die Seelig
keiten des Paradieses der Huris kennen lehre und mir
Kinder schenke, die liebenswürdig wie ihre Mutter sein.
Die türkischen Frauenzimmer besitzen überhaupt eine Be
redsamkeit und eine besondere Art von Vortrag, die man
bloß ihrem Zustande von Abhängigkeit zuschreiben kann.

3.
Die europäischen Frauenzimmer, die fie besuchen, ver
sichern, es sei schwer, eine lebhaftere Einbildungskraft,
und in ihrem Benehmen mehr Zartgefühl zu finden, dem
ein gewiffer vertraulicher Ton und eine liebenswürdige
Offenherzigkeit noch eine kindliche Anmuth verleihet,
welche sie noch verführerischer und bezaubernder macht.
Die Art, wie sie hier die Nationalsprache wohlklingender
machen; jene häufigen Hauchlaute, wodurch sich diese
auszeichnet; jene Biegungen, vermittelf deren ihre Flö
tenstimmen die Rede so zu verändern verstehen, daß
fie dieselbe denen verständlich machen, welche aus Man
gel an Wortkenntniß sich den Sinn durch die wohlklin
genden Uebergänge zu erklären suchen; alles dieses zeit
fammen zeigt, daß diese Sprache einen sehr auffallenden
- Wohlklang hat, welcher sich vortrefflich zur Dichtkunst
eignen würde. -

Die Mannspersonen verändern selten ihre gewöhnli


che Ernsthaftigkeit, so daß sie in die Rede Geberden oder
das Steigen der Stimme mischen. Ihr Organ behält
fiets den ernsten Ton, aufden es gestimmt ist und der
sich so trefflich zu dem ausdrucksvollen Ansehen ihrer
Gestalt schickt. Ihre Unterredungen sind nie geräuschvoll;
der Vortrag ist so, daß man glaubt, jeder von ihren
Ausdrücken, den ihre Lippen auszusprechen die Erlaub
niß erhalten, fey zuerst abgewogen und abgemeffen wor
den und fey bloß Sache des Nachdenkens. Wer eine
Frage aufwirft, drehet fich halb nach feinen Zuhörern hin
und wartet einige Augenblicke, ehe er Antwort bekommt;
nie bemerkt man an seiner Gestalt etwas von dem Aus
drucke, was er sagen will, bloß ein Kopf äußert ein
--
– 489 –

Streben, die Unbeweglichkeit zu verlaffen, welche eine


ganze übrige Gestalt behält. Die Griechen dagegen
find große Gebehrdenmacher und sagen gewissermaßen
mit ihren Armen, die in feter Bewegung sind, eben fo -

viel als mit dem Mund.


Das Quartier, in welchem ich mich befinde, ist
Eines der am wenigsten schönen von Constantinopel;
wahrscheinlich verdankt diese Hauptstadt ihm den üblen
übertriebenen Ruf, in welchen sie die Reisenden gesetzt
haben. Man erblickt daselbst Juden und der Leser wird
nichts mehr zu wissen brauchen, um sich eine Unrein
lichkeit zu erklären. Und doch ist dies das Quartier der
Blakernen, das durch seine Kirche der h. Jungfrau
und durch den Palast der Magna ura so berühmt war,
welchen heut zu Tage bloß noch die Andacht bei der Ver
wandlung ausfindig zu machen vermag, welche er er
litten hat, indem sie sich dabei auf die tiefe Ehrfurcht
fützt, welche die Griechen einem Ajasma erweisen,
das er besitzt und das ihrer Sage nach, die Stelle der
Kirche der h. Jungfrau anzeigt.
Wir wollen durch dies in Trümmern liegende Ge
bäude gehen, dessen Mauern noch aufrecht stehenden und
das ich an Einem der drei äußersten Enden Confian -
tinopels aufgesucht habe. Es ist von rechtwinklicher
Gefalt, ungefähr 18 Toien lang und halb so breit. Es
bestehtaus einem Erdgefchoffe, das noch heut zu Tage
bewohnt ist und aus zwei Stockwerken, die ganz offen
sind. Seine Lage macht sein Hauptverdienst aus und
zwar wegen der weiten Aussicht, die man daselbst hat,
aber sie rechtfertigt doch nicht die vorheilhafte Meinung,
die man von ihm hat. Wir wollen uns nicht länger
bei einem Denkmale aus den letzten Zeiten des griechi
fchen Reichs aufhalten, und wollen die Kirche besuchen,
welche den schismatischen Armeniern gehört.
Sie ist nach dem Plane der neuern griechischen
Tempel angelegt d. h. fie befeht aus drei Schiffen, die
bescheiden mit einem hölzernen Dache versehen find und
eine einfache Decke haben. Die innere Verzierung dieser
Kirche besteht in einer großen Menge Kronleuchter und
Lampen von Crystal, welche sich im Hauptschiffe befin
den. Ich sehe, wie sich alle diejenigen, welche diesen
- verehrten Ort besuchen, nach Art der Mahomedaner
niederwerfen; auch ist der Vorhof mit Matten und Tep
pichen belegt, wie in den Moscheen.
Was bedeutet jener Menschenhaufen zu Fuße, der,
in zwei Reihen gestellt, die Begleitung eines Reiters auf
einem reich verzierten Pferde, ausmacht? Ach! es ist der
Istambol - kadiffy oder Polizeimeister in Begleitung
seiner Agenten; ich erkenne ihn an den Wagen, die man
vor ihm her trägt. Wir wollen ihm nachgehen und man
wird sehen, wie die Polizei in der Türkei verfährt.
Bei seiner Erscheinung verändern sich alle Gesichter
dieser Bakale's (Leute, die mit Lebensmitteln handeln)
und Einige verliehren sogar alle Faffung. Aus diesem
Eindrucke, welchen die Gegenwart einer obrigkeitlichen
Person macht, fieht man leicht, daß man aufder einen
- Seite kein gutes Gewissen hat und daß aufder Andern
die Parteilichkeit mehr als einen Ausspruch thut.
Die Begleitung macht vor einem griechischen Bäcker
halt, von defen Stirn schon ein kalter Schweiß herab
- - -

– 491 –
läuft. Sein Brod wird auf die unselige Wage gethan
um es zu wiegen; vergebens flehet der Angeschuldigte
mit dem Auge die Unruhe an, wenigstens im Gleich
gewichte zu bleiben, allein die Wagschale, welche seine
Verurtheilung enthält, steigt in die Höhe und das Ur
theil ist schon ausgesprochen. Der Schuldige erhält eine
Lehre, die, wenn sie ihn im Grunde auch nicht beffert,
ihn doch wenigstens aufmuntert, den Schein der Ehr
lichkeit zu bewahren; dies muß für seine Kunden hina
reichend feyn. Daher werfen ihn zwei Tschiausch auf
den Rücken; zwei Andere heben ihm die Beine in die
Höhe, die sie zusammen binden und vermittelt eines
Stocks in gehöriger Höhe halten; zuletzt kommen zwei
Andere, mit geschmeidigen, aber starken Gerten versehen;
diese theilen sich in seine Fußsohlen und jeder zählt ihm
eine gewisse Anzahl Schläge auf, die man gravitätisch
nachzählt. Der Richter behält während dieser Bestrafung
eine ganz unerschütterliche Kaltblütigkeit; der Schuldige
schreiet, klagtzu Gott, aber es fällt ihm nicht ein, seine
Henker um Schonungzu bitten, weil er weiß, daß selbst
die Hölle mehr Mitleid hat. Wenn ihm seine hundert
Schläge aufgezählt sind und man ihm sagt, er solle sich
daran spiegeln, so schleppt er sich hinkend in seinen Laa
den und bezahlt außerdem noch unter dem Namen einer
Geldbuße die Mühe, welche man sich, ihn zu beffern,
gegeben hat. Nunmehro nimmt er wieder feinen Rang in
der Gesellschaft ein, als ob ihm nichts wiederfahren wäre;
er verliehrt weder einen Freund noch einen Grad von
der Achtung, die er vorher genoffen hat. -

Der wandernde Gerichtshof setzt nunmehro seinen


,
-

- Weg fort, wirft ein forschendes Auge auf alle Gegen


-
fände, die vor ein Forum gehören und sucht furchtsame
Gewiffen auf. Jener Bakale, wiederum ein Grieche,
zieht jetzt die Aufmerksamkeit des furchtbaren Richters auf
fich. Er hat behaupten gehört, dieser Kaufmann benutze
den Mangel und verkaufe seine Lebensmittel über die fest,
gesetzte Tare. Dies ist ein Hauptverbrechen und mehr
als hinreichend, fich vor einer Bude, mit einem Stricke
um den Hals, aufgehangen zu fehen; auch drohet man
ihm hiermit, indem man feinen Prozeß beginnt, der
bald ein Ende hat. Ich kann mich nicht enthalten,
Mitleiden mit seinem künftigen Geschick zu haben; ich
wende die Augen weg und gehe einige Schritte weiter,
um den traurigen Auftritt nicht mit anzusehen, zu dem
man Anstalten trift; allein er findet nicht statt. Der
Ausspruch ändert sich. Allem Anscheine nach hat sich
der Schuldige vom Tode durch einige Beutel loß gekauft;
hierdurch hat er es von einem mitleidigen Richter erhal"
ten, daß seine Strafe in eine andere nicht so schreckliche
verwandelt wird. Man legt die Werkzeuge zur Vollzie
hung derselben zurechte, welche in einem Nagel und in
einem Hammer bestehen.
Man packt ihn, oder vielmehr er überliefert sich selbst,
indem er das Loos, das ihn erwartet, in Vergleich mit
tem, das ihn bedrohete, für ein Glück ansieht; man
nähert ihn mit dem Kopfe seiner Hausthür, an welche
man ihn mit einem Ohre annagelt. Die Leiden, welche
er aussteht, find, wie ich glaube, nicht so heftig, daß
man nicht über feine comische Stellung lachen sollte;
man wird also nicht auf mich zürnen, wenn ich mich ein
- - - -

wenig auf Kosten eines Schurken lustig mache, der schon


mehr als einmalmitfeinen Gewissen halbiert und das öffent
liche Vertrauen gemißbraucht hat. Eine große Menschen
menge versammelt sich um ihn, aber zerstreuet fich auch
bald wieder; jeder fieht ihn an, denkt an sich und geht
wieder fort. Betrachtet man die abgespannten Augen
des Schuldigen, fo follte man ihn für Einen von den
neugierigen Menschen halten, welche an den Thüren
horchen.
Die Strafen find in der Türkei nicht immer so
gelinde; der Tod ist, wie schon erwähnt, bei den Kriegs
richtern der gewöhnliche Ausspruch, die ihre Urtheile auf
den Urf oder den Willen des Sultans gründen. Dies
fer hat also den ganzen Ruhm von diesen Handlungen der
Gewaltthätigkeit, die fast immer ohne sein Wissen voll
zogen werden, ob sie schon feinen Namen führen. Es
ist daher ganz natürlich, daß die Strafe selten dem Ver
brechen angemeffen ist. Diese übertriebene Strenge ist
ebenfalls das Werk der Lehenstreulosigkeit; ohne sie würde
die oberherrliche Macht duldsamer feyn und sich nicht von
dem väterlichen Verfahren der ersten Kalifen entfernen;
von der andern Seite kann sie unglücklicher Weise von
keinem gewaltsamen Mittel Gebrauch machen, das nicht
fogleich diejenigen auch anwenden, gegen welche fie es
hat gebrauchen wollen, fo daß ihre Schwäche das von
der Strenge begonnene Uebel vollendet, welche ihr die
Verzweiflung oder das Mißtrauen eingegeben hat. Die
Hauptursache aller dieser Unordnungen liegt jedoch in der
Weichlichkeit des Serails. . .."

Die gute Ordnung wird in der Hauptstadt von Ja


-

- 494 –
mitscharen aufrecht erhalten , deren Waffen in großen
Stöcken bestehen, welche in einem Bündel vereinigt vor
der Thüre des Wachtpostens fehen und die vom Eintritte
der Nacht an in ihren verschiedenen Quartieren ununter
brochen Patrouillen machen. Verschiedene Militäroffiziere
heilen sich in die hohe Polizei: der Janitscharenaga ver
waltet sie in Confantinopel; der Boft andfchi
baschi im Kanal und der Capudan Pascha und der
Topdgi-baschi aufdem nördlichen Ufer des Hafens.
Der Großvezier vereinigt alle diese verschiedenen Abthei
lungen in seiner Eigenschaft als oberster Chef in einer
einzigen
Was die geheime Polizei anbelangt, so giebt es
sicher. Eine zu Confantinopel; denn selten eutkommt
ein Schuldiger der Strafe, wenn der Großvezier seinen
Agenten die Weisung gegeben hat, ihn vor seinem Rich
-terstuhl zu bringen. In einem folchen Falle müffen ge
wöhnlich ihre Köpfe für den feinigen haften; sie geben
sich daher alle mögliche Mühe, ihn zu entdecken. Das
Spionenhandwerk ist den Mitgliedern der hohen Pforte
sehr gut bekannt, die auch zu gute Lehrer hierin, sowohl
beiden Griechen als unter den Franken, bei derHand
haben, als daß sie sich nicht mit dieser elenden Kuust
abgegeben haben sollten. Um sich von dieser Wahrheit
zu überzeugen, darf man nur aufdie Vorsicht aller de
zer, die öffentlich auftreten, und aufdas Stillschweigen -
acht gegeben, das fielbeobachten, wenn von der Regierung
die Rede ist. Die Hauptschule ist im Serail. Hier
werden alle Geschäfte unter versteckten Namen verhan
delt, und es wird so gefährlich davon zu sprechen, daß
diejenigen, die es bewohnen, sich sehrhäufig in derZeichens
sprache ausdrücken. Jeder übt sich in dem vom Gebie
ter am meisten geschätzten Geschäfte, und spähet selbst
gleichgültige Schritte von allem dem aus, was ihn um
giebt. Die Geschicktesten werden die treulosen Werkzeuge,
welche Andern das Leben rauben; Mehrere kommen unter
das Corps der Capidgi - bafchis, das vorzüglich zu.
dieser Artvon Dienst bestimmt ist; Andere werden unter
weniger bekannten Namen, welche aber mit jenem der
geheimen Agenten der hohen Polizeigleichbedeutend sind,
bei den Ministern, Paschas und allen denen angestellt,
welchen der Sultan mit Recht nicht trauert, und merken
fich Tag vor Tag die Geberden, und stellen Betracha
tungen des Gegenstandes ihrer unausgesetzten Beobacha
tungen an. Dagegen haben die Letztern wiederum an
der Pforte, ja selbst im Serail und neben dem Throne
Spione, die sie beständig von allem dem unterrichten,
was entschieden worden ist und was man zur Absicht
hat, und die um soforgfältiger für die Erhaltung ihres
Kopfs wachen, je mehr sie bei ihrem Benehmen Gefahr
laufen, ihn zu verlieren. Das osmanische Reich ist
also unter allen Staaten derjenige, wo diegeheime Poli
zei am meisten vervollkommnet ist; wo sie die meisten
Geschäftsführer braucht, und der Einzige, wo sie ihre
Macht in zwei Corps theilt, welche sie beständig um
einander manoeuvriren läßt. Dies ist eine natürliche
Folge von dem Zustande des Mißtrauens, in welchem
man vom Sultan an bis zu einem geringsten Abgeord
neten lebt. Von der andern Seite aber ist dies Cabinet
selten genau von dem unterrichtet, was in den andern
- 496 -
Staaten vorgeht, weil es nur untergeordnete Agenten,
um ihm Nachrichten zu geben oder Botschafter hat, die
bloß zur Schau da sind. Von den griechischen Fürsten,
die nie die Wahrheit sagen oder von den fremden Cabi
netten, welche oft ein Intereffe haben, es zu hinterge
hen, erhält es bloß Bemerkungen; es weiß daher nie
ganz genau, was in Europa vorgeht. Wie kann dies
auch anders bei einer Nation feyn, die von allen fiel um
gebenden abgesondert lebt?
„“ Unter den Gegenständen, welche die Aufmerksam
keit des Strafamtes auf sich ziehen, ist der Punkt, der
Sitten derjenigen, bei dem es sich am unerbittlichsten
zeigt. Eine Ehebrecherin kann von ihrem Manne hin
geopfert werden und auf jeden Fall büßt fiel ihr Ver
brechen mit dem Tode. Die Schwächen, dieses Geschlechts
werden noch weit härter bestraft, wenn der schuldige
Theilvon einer andern Religion ist. Das einzige Mittel,
wie dieser sein Leben retten kann, besteht darin, daß er
den Turban nimmt, wenn feine Geliebte noch frei ist;
im andern Falle wird die Ehebrecherin in einen Sack
mit Katzen gesteckt und ins Meer geworfen, und der Gee
liebte enthauptet, gehangen oder gespielet. . .
Zu Con fantinopel werden die öffentlichen
Frauenzimmer zwar geduldet, ohne jedoch die Erlaubniß
zu ihrer Lebensweise zu haben, aber wegen der Menge
Soldaten, welche diese Hauptstadt enthält, muß man
von dieser Nachgiebigkeit Gebrauch machen, so sehr man
auch dagegen ist. -

Von dem Zustande dieser Unglücklichen kann man


fich eine Vorstellung nach denen, die sie besuchen und
A

A
-
– 497 –

den Oertern machen, die sie bewohnen. Am häufigsten


finden sie sich "auf den Todtenäckern ein und überlaffen
sich da der abscheulichsten Ausschweifung. Ob es schon
die Regierung weiß, daß es eine Claffe liederlicher Frauen
zimmer giebt, so verfahren diese doch nicht klug, wenn
fie fich mit zu viel Keckheit zeigen und der Stock rächt
oft die beleidigte Asche der Todten. Hundert Stockschläge,
welche jeder von beiden Theilen erhält, ist die Strafe,
die man für diese Art von die Sitten verletzenden Vera
brechen austheilt. - -

Fragt man mich, ob die tugendhaften Frauenzimmer


dies aus Grundsätzen oder aus Nothwendigkeit seyn, fo
gestehe ich, daß dies eine schwer zu beantwortende Frage
ist, weil man nur nach Hörensagen davon sprechen kann.
Jedoch kann man annehmen, daß sie die Letzte von dies
fen beiden Triebfedern leitet; denn die moralische Erzies
hung hat bei ihnen wenig zu bedeuten, wie man aus
dem Zwange errathen kann, in welchem man sie hält;
daher hat die Schaam bei ihnen auch nicht den Einfluß,
welchen eine liebenswürdige Röthe: verräth. Bei den
Osmanlis halten mehr die Sitten der Mannspersonen
jene des weiblichen Geschlechts aufrecht. - „.
. Da die türkischen Frauenzimmer die Keuschheit nicht
aus Grundsatz kennen gelernt haben und da ihnen die
Erziehung nicht gelehrt hat, Unterschiede zwischen den
Mannspersonen zu machen, so sehen sie bei unserm Ge
schlechte bloß auf die körperlichen Eigenschaften. Sie
überlaffen sich daher bisweilen elenden Schiffern und
machen ihre Sklavinnen zu Vertraueten dieser Ausschwei
fungen, welche man vorzüglich in der höhern Claffe ans
32
- – 498 – -

trifft; dies hat einen Grund in dem Verlaffenen,


dem ein zahlreicher Harem jede von denen, die dazu
gehört, besonders aussetzt. Die Mehrheit der Frauen,
welche man nur in der reichen oder wenigstens wohlha
benden Claffe antrifft, veranlaßt auch einen auffallenden
Unterschied in Hinsicht der physischen Organisation zwi
fchen den Mannspersonen, welche in dieser Claffe gebo
ren sind und zwischen denen von der zweiten Ordnung,
Bei den Letzten bemerkt man alle deutlichen Kennzeichen ein
ner starken körperlichen Beschaffenheit, bei deren Entwicke
fung die häußliche Erziehung die Absichten der Natur
- unterstützt hat; bei den Andern entdeckt man die Folgen
zu frühzeitig genoffener Vergnügungen und ihren Miß
brauch bei einem stets stark ausgedrückten Gepräge trotz
den Ausschweifungen, die an einer Austigung gearbei
tet haben. So wie das Kreuzen der Stämme und die
- Vermischung des georgischen, mingrelischen u. f. w.
Blutes mit dem osmanischen, mit Hülfe dieser steten Ers
neuerung des Einen der Geschlechter, die Verluste des
Andern ersetzt, so haben auch die Menschen, welche aus
dieser Mischung entspringen, felten körperliche Unvoll
kommenheiten und sind nie auf eine merkliche Art miß
gestaltet. Gewöhnlich sind alle wohl beleibt, allein die
Muskeln bleiben immer fichtbar und behalten fogar in
der gestörten Organisation ihre Kräfte.
Das Quartier Balata, in dem ich angelangt bin,
ist von Juden bewohnt, die ich so wohl aus Furcht
vor dem Ausfaze als vor der Pest so viel als möglich
vermeide. Sie pflanzen vorzüglich die Letzte von diesen
beiden Geißeln fort, indem sie alle Arten von alten
-

- -- 499 –
Kleidern herumtragen und sie verkaufen, ohne sich darum
zu bekümmern, wem sie angehört haben. Man sieht sie -

sich daher so gar um die Hinterlaffenschaft der an der


Pest Gestorbenen selbst in den Zufluchtsärtern streiten,
welche zur Aufnahme dieser Unglücklichen befimmt sind.
Daher hängen sich die Krankheit verbreitenden Miasmen
mehr an diese Nation als an jede andere und richten
unter ihr Verheerungen an, welche jedoch ihrer unersätt
lichen Gewinngier keinen Einhalt thun können. --
Jetzt bin ich aus diesem Cloacke heraus und in ein
nem andern Quartiere angelangt, das mit ihm einen gest
waltigen Contrast, sowohl in Hinsicht seiner Gebäude als
seiner Bewohner, macht. Durch den Fanal läuft, in
feiner ganzen Länge eine breite sehr lichte Straße und er
wird jetzt fast ganz von griechischen Kaufleuten und ein
nigen. Vornehmen dieser Nation, aber in sehr kleiner
Anzahl bewohnt. … Hier find die Jalousien, welche die
Fenster verbergen, nicht so eng und würden sogar her
abfallen, wenn die Regierung nicht über ihre Erhaltung
wachte. Dies Quartier enthält mehreregriechische Kirchen,
die aber nicht viel Merkwürdiges enthalten; doch wollen
wir ein Paar Worte von der Patriarchalkirche jagen,
welche die aller unbedeutendste ist. . . :
Sie ist in drei Schiffe abgetheilt, deren Decken ges,
täfelt und von einander durch Säulen getrennt sind,
welche den Verde antico nachahmen. Man sieht da
die Kanzel des h. Johannes Chrysostomus, den
Leichnam der h. Euphemia, den Leichnam der Mutter
der Makkabäer, die Säule, an welche Jesus Chris
fus geschlagen worden sein soll und neben diesen Gegen
- -

A - - -
fänden der Andacht die eben so verehrten Sitze der Für
fien der Moldau und Wallachei. Hierauf kommt
die Kirche des Patriarchen von Jerusalem, welche
nichts merkwürdiges enthält; alsdann folgen die Kirchen
Metoki und Potiros, die eben so unbedeutend sind.
Unter den Privatgebäuden bemerkt man Iftak Serai,
welches der für die Fürsten der beiden zinspflichtigen Pro
vinzen bestimmte Palast ist. -

Als sich Mohamed II. Constantinopels be


meisterte, behielten die Griechen vermöge der Capitu
lation den größten Theil ihrer Kirchen nebst dem Rechte,
fie wieder aufzubauen, allein Selim I, der sie ihnen
anfänglich ohne Einschränkung abnehmen wollte, änderte
diesen Ausspruch, nahm ihnen alle die, welche die besa
ffen, um sie in Moscheen zu verwandeln und gestand
ihnen dafür das Recht zu, sie durch hölzerneGebäude zu
ersetzen. Es war der Mufti, der bei dieser Gelegen
heit den Fanatismus des Sultans mäßigte und Duldung
predigte. - -

, Indem ich vor einer unansehnlichen Bude vorbei


gehe, deren Bescheidenheitjedoch trügt, sehe ich auf ei
nem Stuhle einen Mahomedaner filzen, der, wenn
man nach einem bleichen Aussehen urtheilt, krank feyn
muß; ihm gegenüber erblicke ich den Kaufmann, der
sich Mühe zu geben scheint, ihn zu heilen, wenn ich eine
Geberden und feinen mehr als morgenländischen Ernst
betrachte. -

Der Letzte, der außer dem Gewerbe eines Arztes


und Tabackshändlers auch noch Imam der benachbarten
Moschee ist, braucht zur Bewirkung dieser Heilung bloß
- 501
g
-

geistige Mittel, wobei er sich auch des Magnetismus


bedient. Eine so unschuldige Behandlung macht mir Lust,
auch krank zu feyn oder vielmehr mich fo zu fellen,
um in die Geheimniffe dieser neuen Kunst einzudringen
wenn sie überhaupt dergleichen hat. -

Die Operation ist zu Ende, so viel ich nach den


Paras urtheilen kann, die ohne zu starkes Geräusch in
die Caffe fallen, wo sie mit denen von dem Tabacks
pachte und mit andern zusammen kommen, welche Be
erdigungen und Heirathen einbringen. Ich paffe den
Augenblick ab, wo man die im Besitze des heiligen Drei
fußes befindliche Kunde entläßt. Endlich geht sie und
nimmt ihre Waffersucht wieder mit, ist jedoch überzeugt,
daß sie sich beffer befinde. Ich nehme sehr schnell ihren
Sitz ein; denn sonst würde mir ihn ein anderer Maho
„medaner mit hohler Wange sicherlich weggenommen
haben, der begierig darnach sieht und vielleicht zwischen
den Zähnen den Namen Paur (Ungläubiger) herbrummt.
Ein angebliches Kopfweh dient mir beidem Imam,
Budenhalter und Arzte zum Vorwandte; er sieht mir
einige Augenblicke in die Augen; wahrscheinlich um da
rin den Beweiß meiner Aussage zu suchen. Ohnstreitig
muß er sie gefunden haben; denn er legt sogleich Hand
ans Werk und fängt die Heilung an. -

Zuerst nimmt er seine Zuflucht zu feinem Koran,


der ihm ein unter andern ausgewähltes Papier liefert,
welche insgesammt auf gleiche Art geschnitten sind. Er
legt es auf eine geheimnißvolle Art zusammen und nach
vielen Drehungen und Wendungen wird das Papier end
zlich dreieckig. Der Arzt überreichte mir es mit der
- 502 –

Miene, welche die Wichtigkeit des Gegenstandes erklärte


und empfahl mir, es in meinem Hutfutter zu tragen,
d, h. es mit dem leidenden Theile in Berührung zu
bringen. Vermittelt dieses Heilmittels allein fand er
mir für die Heilung; da er aber alle Hülfsmittel seiner
Kunst aufbieten wollte, damit ein Name darunter nicht
leide, den er unaufhörlich herausstrich, so benetzte er
feine Finger mit Speichel und that sie auf die Stirn,
und sagte mit leiser Stimme Gebete her, die er zu drei
verschiedenen malen unterbrach, um den leidenden Theil
anzuhauchen.
Ich verlaffe ihn ganz gesund, aber Scherz bei Seite!
Es ist möglich, daß seine Kunst Einfluß auf gewisse
Einbildungen hat und die Gehirnkrankheiten heilt. Uebri
gens ist das gemeine Volk unter den Osmanlis fast
die einzige Claffe, welche an diesen Aberglauben glaubt.
Die Griechen, die Armenier, bei denen er auch
in Ansehen feht, treiben dieselbe Lächerlichkeit noch wei
ter; denn bei ihnen ist es nicht selten der Fall, daß
man magnetisierende Aerzte kommen läßt, ob fiel schon
in einem solchen Falle nichts in ihrer Heilart ändern,
indem sie ohne Unterschied Mahomedaner, Christen
und Juden durch den Koran behandeln, dazu die
Salbung nehmen und also zwei ganz verschiedene Glau
bensarten mit einander verbinden.
Die Derwische sind nebst den Imams im Besitz
des Gewerbes der Magnetiseurs, welches bei der Armuth
der Kunden und der großen Menge der Aerzte fehr we
nig einträglich ist. Der Speichel und der Hauch, deren
sie sich vorzüglich, besonders bei schwehren Krankheiten
– 503 -
bedienen, brauchen sie nach ihrer eigenen Behauptung
als Nachahmung dessen, was der Prophet Jea (Jefus
Christus) gethan hat, als er ein Mädchen durch feis
nen Hauch auferweckte und einem Tauben." Gehör
wieder gab, indem er ihn an dem leidenden Theile mit
feinem Speichel bestrich- -

Bei den Mahomedanern gibt es auch noch


Zauberer, die mit den Magnetiseurs aus einer Schule
kommen und die den Titel Meffien annehm" wel
ehen sie nach ihrer Aeußerung von den Namen des
Messias herleiten, den sie als Oberhaupt ihrer Sekte
betrachten. Die Araber in Afrika behaupten, sie be
fäßen das Geheimniß, das Gift bei den kriechenden
Thieren, bei den Scorpionen und andern Thieren dieser
Art unwirksam zu machen; man sieht, wie sie alle diese
Thiere, vor welchen wir einen Abscheu haben, unter
Anrufung des Propheten auf eine kecke Art behandeln,
Kreise ziehen, in welche sie dieselben rufen, und wie es
ihnen bisweilen gelingt, sie hinein zu locken. " auf
Eingewei
den religiösen Glauben zu sehen , nehmen sie
hete als Schüler des Messias an. Eine "b" Ein
weihungsproben besteht darin, daß sie den Aufzuneh
nenden in den Mund speien; alles zu Folge" Glau
bens von der Wirksamkeit des Speichels. " "
Derwischen findet man eine Menge Geistersch" wel
ehe sich für begeistert ausgeben und deren Träume als
Glaubensartikel aufgenommen werden. Die Derwische
sind die starken Geister des Islamism und bekümmer"
sich sehr wenig um die Formen, wenig oder auch gar
nicht um die Lehrsätze. -
– 504 –
" Ich setzte meinen Weg nach dem Einsteigeplatze
Diubali Kapuffi fort, wo ich mich einschiffen wollte.
Unterwegs fand ich die Rofenmoschee (Gul-Dgja
miff i), welche eine ehemalige griechische Kirche und
unter den Namen des Rosenkranzes bekannt ist. Ihr

Schiff ist noch gut erhalten; sie hat noch Ueberbleibsel


von ihrer ursprünglichen Verzierung und enthält geräu
mige unterirdische Gänge. --

Der Imam öffnete mir ohne Schwierigkeit die


Thüren und flößte mir fo viel Zutrauen ein, daß ich
mit ihm ein Gespräch anzuknüpfen wagte. Gewöhnlich
muß man die Osmanlis durch wiederholte Fragen zum
Sprechen zu bewegen suchen. Dieser aber sprach gegen
die gewöhnliche Regel, ohne etwa viele Auffoderungen
dazu erhalten zu haben und ich benutzte einen guten
Willen, um ein Gespräch über den dogmatischen Theil
der mahomedanischen Religion herbeizuführen. Aus fei
nen Reden, die er in einem abgemeffenen und religiösen
Tone führte, erkenne ich, freilich unter veränderten Zü
gen, die Genefis in der Weltschöpfung. Das Glaubens
bekenntniß der Mahomedaner lautet folgendermaßen:
, ich glaube, daß Gott allein Gott und Maho
med fein Prophet ist.“
Der gute I m am klagte, daß die Religion bei
einigen Großen und selbst bei den Gesetzesgelehrten von
ihrem Einfluffe verlohren habe, wovon er Voltaire'n
die Ursache zuschrieb, dessen Name, ich weiß nicht wie,
bis zu ihm gelangt war.
– 505 –
Achtzehnter Spaziergang.
Süße Gewäffer von Asien(Guiok-Suyu).
Der erste Mai bei den Griechen – Das Dorf
Kandeli– Anadoli Hiffar–Die Beschnei
dungsfeierlichkeit bei den Mahomedanern–
Die beiden Thäler der süßen Gewässer von
Asien – Die Wechabiten.-

", - - -

Ich fahre vor Arnaut - Keuiu vorbei; das festliche


Ansehen, das ich an den Wohnungen und auf den grie
chischen Gesichtern bemerke, die noch lustiger aussehen
als gewöhnlich, veranlaßt mich ans Land zu feigen.
Die Blumenguirlanden, die man in den Harem trägt,
die Bouquets und die Kränze, womit der Eingang der
Häuser verziert ist; die Reihen junger Mädchen, die
vom Berge mit Armen voll jungen Grüns herabkom
men, erinnern mich daran, daß dieser Tag der erste
Mai der Griechen ist. -

Mit der Morgendämmerung versammeln fich diese


schüchternen Grazien, so daß sie noch vor der Morgens
röthe aufs Feld kommen und noch vom Thaue befeuchtete
Tuberosen und Narcifen pflücken. Während sie sich ein
Vergnügen daraus machen, auf dem zarten Grün der
Wiesen herumzulaufen, oder auch in der Schäferei Milch
zu trinken, hängen freundliche Hände diese Blumen an
ihre Häuser. Das junge Mädchen lächelt, wenn sie dies
neue Pfand der Zärtlichkeit erblickt und vergilt diese Bes
mühungen ebenfalls mit Florens Geschenken.
- 506 -
Eine ländliche Musik ruft diesen lustigen Trupp zum
Tanze und schon in alten Zeiten wurde der erste Mai
mit folchen Festlichkeiten begrüßt, die hier mit einer dem
griechischen Charakter eigenthümlichen Auszeichnung ge
feiert werden. So drückend auch das Joch ist, unter
welchem die griechische Nation seufzt, so wird man es
doch nie dahin bringen, daß sie nicht tanze.
Ich habe Europa und Asien vor Augen; die
Küste jenes ist steiler, aber die fortgesetzte Bergkette, die
sie bekränzt, spiegelt sich nicht so deutlich am Azurblau
des Himmels ab, als jene einzeln stehende Piks an der
asiatischen Küste. Die Wohnungen sind da zahlreicher
und die Thäler durch Menschenhände mehr entstellt, Das
Dorf Kandeli, das dem Dorfe Bebek gegenüber liegt,
welches sich auf der europäischen Küste längs dem alten
Hafen des Mercurius hin erstreckt, den zuletzt Ar
naut - Keuiu einnimmt, wird von Türken und Ars
meniern bewohnt, steht beinahe auf der Stelle von
Nie opolis und steigt an dem Gipfel der Anhöhen
hinauf.
Ich gehe nach Anadoli - Hiffar hin, und als ich
ins Dorf komme, erregt ein neuer Anblick meine Auf
merksamkeit. Es sind mahomedanische Kinder, die nach
dem Geschmacke der Nation herausgeputzt sind und die
man in Pomp auf Pferden herumführt oder die mit
jungen Widdern spielen, deren Hörner vergoldet und der
ren. Wolle mit Bändern geschmückt ist. Diese Kinder
und ihre Spielgefährten find beide Opfer, für welche
man das Meffer schärft. Die Letztern unterliegen dem
feben, aber die Andern werden bloß der durch den Is
-
– 507 –
lamism anbefohlnen Probe unterworfen, d. h. es wird
-
ihnen das Gepräge des Propheten aufgedrückt.
- Bei den Mahomedanern wartet man mit der
Beschneidung so lange, bis der Körper die nöthige Stärke
erlangt hat; man unterwirft sie also erst im sechsten oder
siebenten Jahre dieser Operation, und läßt deshalb die
Beschneider kommen, welche die große Uebung gewöhn
lich sehr geschickt macht. Während sie die Beschneidung /
verrichten, beten die Geistlichen zum Himmel für die
neuen Eingeweiheten. Mahlzeiten, Feste und Besuche
geben diesem großen Tage und den folgenden, acht
Tage lang, die ganze Wichtigkeit, welche die Religion
damit verknüpft. Besonders verschafft man dem Bes
schnittenen Zerstreuungen, damit er die ausgestandenen
Leiden vergißt. - - - -

Die Osmanlis kennen nur Familienfeste, die sich


nicht von dem Zwecke ihrer Errichtung entfernen; man
feiert sie daher bei ihnen mit einer einfachen und edlen
Feierlichkeit, welche ihren Zweck nicht verfehlt, Der
Geitz, der alles, was er berührt, herabwürdigt, hat
aus der Beschneidung Einen seiner ergiebigsten Kanäle
gemacht. Bei Privatpersonen ist es bei dieser Gelegen
heit Sitte, Geschenke zu machen, die mehr zur Unter
haltung als zur Erregung des Geizes geeignet sind, allein
am Hofe muß man sich felbst ausplündern, um die Ka- -
sten des Sultans zu füllen. Hat dieser einen Sohn,
der in den Jahren ist, daß er beschnitten werden kann,
so erheilt er Nachricht davon bis in die entferntesten
Provinzen und ladet in Form von Befehlen die höhern
Beamten ein, der Feierlichkeit beizuwohnen oder sich durch
-
- 508 -

Geschenke loszukaufen, die dem Range angemeffen sind,


den sie einnehmen. Selbst die fremden Mächte werden
zu Folge einer alten Gewohnheit in Contribution gesetzt,
welche noch aus den schönen Tagen der Osmanlis her
rührt, als sie im politischen Gleichgewichte eine vorzüge
liche Stelle einnahmen. Hieraus sieht man, daß die
Sultane aus ihrem eigenen Blute einen Handelsgegens
fand machen, weil wir sie vermittelt ihrer männlichen
Kinder speculiren sehen; schon vorher ist erwähnt wor
den, daß sie ihre Töchter und Schwestern verkaufen.
Die Beschneidung ist kein göttliches Gebot, sondern
bloß ein nachahmender Gebrauch, ohne deshalb weniger
nothwendig zu seyn; denn das Zeugniß eines unbeschnit
tenen Mahomedaners hat vor Gerichte keine Gültig
keit; auch würde er kein Begräbniß erhalten, wenn er uns
vermuthet stürbe, wie es zum Beispiele auf dem Schlacht
felde feyn könnte. - -

Ich verlaffe diesen nur zu geräuschvollen Auftritt


und der Gesang der Nachtigal und der Grasmücke ladet
mich auf den Berg ein, der alles das beherrscht, was
ihn umgibt, und erblicke oben auf einem Gipfel blü
hende Lilien und Geißblätter. Auf meinem Wege steht
es voll Seefengel, Camillen, Wolfsmilch, Ringelblumen
und ich habe mich ganz in Lorbeergebüschen und Büscheln
von Steineichen und Hagapfelbäumen verloren. Die
Feigen und Mandelbäume gedeihen üppig in diesem röth
lichen Boden, der besonders dem Weinstocke das ihm
hier eigenthümliche kräftige Ansehen giebt. Auf der plat
ten Erhöhung, welche den Abhang des Bosphorus
von jenem des schwarzen Meeres scheidet, finde ich einige
einzelnstehende Meiereien, welche die Türken Tschift
lik nennen. - - -

Auf dem Rückwege hörte ich den Kanonendonner von


der Serailspitze, welche den andern Batterien, am gan
zen Bosphorus hin, die Loosung gibt. Ich erfahre,
daß die Nachricht angelangt ist, die Osmanen haben
die heiligen Städte wieder erobert. Der Pascha von
Aegypten hatte seinen Sohn mit dieser Nachricht ab
geschickt, der mit allen Ehrenbezeugungen aufgenommen
wurde. Der Keaya -bey und der Mektuptschi (det
Geheimschreiber des Großveziers) begaben sich, nachdemi
fie zu Daud Pascha die Schlüffel von Mekka in
Empfang genommen hatten, nach dem Flecken Eyub,
wo der Großvezier sehr frühzeitig in Begleitung aller Mi
nifer und des Großmufti's an der Spitze der vor
nehmsten Ulemas eingetroffen war. Der Zusammen
fluß von Menschen unterwegs bei dieser imposanten Bes
gleitung ward bald ungeheuer groß. -

Die Feierlichkeit begann mit Dankgebeten zu Gott,


für den ausgezeichneten Schutz zu Gunsten der ächten
Kinder Mahom eds; die Schlüffel wurden in den Mih
rab (oder die Nische, die zum Altare dient) gelegt; -

Gegenstände nach dem


hierauf wurden diese verehrten
Serail gebracht. Als die Begleitung hier anlangte,
wurden die Schlüffel dem Sultan überreicht, der fi, auf
dem Throne sitzend, erwartete. Er übergab sie dem
Kislar - Agaffi als Aufseher (Nazir) der heiligen
Städte, und dieser that sie sogleich in den Schatz. Die
Enthauptung eines Wechabiten endigte die Feierlichkeit,
und ein Leichnam, der im Kothe liegt, erinnert seit drei
-

-- 510 -

- Tagen die Hauptstadt an den Sieg, den man noch in


mer mit Kanonendonner feiert h

- Der Golf der süßen Gewäffer von Asien führte


bei den Alten den Namen Napli, das von Nicopo
lis hergekommen zu sein scheint; diese Stadt lag nach
Plinius da, wo man heut zu Tage Kandeli sieht
Der Bach, der das erste Thal bewäffert, hatte seinen
Namen von dem Golf; der Andere hieß Arete und
beide sind heut zu Tage unter dem gemeinschaftlichen Na
men Guiok-Suyu (Wafergrün) bekannt.
" Die Sekte der Wechabiten verdankt ihren ur
sprung Muhamed – Ibni– Rabdil – Wah
hab – Ibni–Suleiman, von dem Stamme der
Medjidi's, welcher zum Stamme Tamim gehört
Dieser Sektenstifter, der bloß den Entwurfzu der Ver
befferung des Mahon edism von seinen Vorfahren ge
erbt hatte, wanderte lange in Aften umher, predigte
feine neue Lehre ohne Erfolg und kehrte endlich wieder
nach Arabien zurück, wo sich ihm der Fürst von De
teieh, Ibni- Suud, zur Unterstützung anbot; Mu
hamed behielt also die Rolle des Apostels und Suud
übernahm die Rolle des Eroberers oder des zeitlichen
Oberhauptes, welchem im Jahre 1805 Medina seine
Thore eröffnete. Zu Ende des Jahres 1812 eroberte der
Pascha von Aegypte n die beiden heiligen Städte wieder,
– 511 ---

Neunzehnter Spaziergang.
Der große Todtenacker.
Denkmäler und Grabschriften – Die Pest –
Ehrfurcht der Türken gegen die Asche der
Todten.
Y
-

-
-

M. welchem Vergnügen verweilt mein Auge aufdem


Walde von Gedächtnißfeinen, um noch auf dieser Erde
die Stelle derer zu vertreten, die einst mit Stolz auf ihr.
herumgingen! Welchen Reiz empfinde ich, wenn ich die
Leichenschriften anblicke, welche der Schmerz eingegraben
hat! Diejenige, welche ich in diesem Augenblicke auf
diesem bescheidenen Steine lese, ist das rührende Denk
mal kindlicher Liebe; jene Andere, die auf einem platten, -

oben spitzigen Steine eingehauen ist, zählt die Tugenden


einer Gattin, oder einer Mutter her; hier sind. Andere,
welche die hervorsprofenden Tugenden der Jugend rüh
men, deren Entwickelung ein frühzeitiger Tod nicht ge
stattet hat. Der grüne Turban, einige Schritte von mir,
deutet das Grab eines Mahomedaners an, der zur
Klaffe der Emirs, d. h. der Abkömmlinge Maho
meds durch Fatima, eine Tochter und Alis Gattin,
gehörte. Ich sehe andere stolzere Leichenfeine, deren
Turban hier die Wirkung eines Capitals macht und die
alle diejenigen, beherrschen, welche fie umgeben. Aus
den goldenen Buchstaben, die man mit kühner Hand ein
gegraben hatte, schließe ich, daß sie an den Heldenfinn
eines tapfern Mannes erinnern; die Märtyrerpalme be
färkt mich in meiner Vermuthung und ich sehe, daß
derjenige, der hier ruht, unter Mahomeds heiligen
Fahnen eines glorreichen Todes gestorben ist. -

Jenes Grab, das noch prächtiger ist und aus einem


Sarcophage von weißem Marmor besteht, der jedoch
oben immer offen ist, enthält sicher eine obrigkeitliche
Person, welche wegen ihrer Einsichten in der verehrten
- Körperschaft der Ulemas bis zu den ersten Stellen em
por gestiegen ist. Rund um ihre prächtige Wohnung fehe
ich eine Menge Gräber, welche denen, die über sie in
dieser Welt hervorragten, auch noch hier den Rang vor
sich einräumen. - -
Jene in ihrer Gestalt und Sprache niedrigen Steine
lehren mich an den Turbanen, die sie bekränzen, die ver
fchiedenen Handwerker kennen, die zu ihren Füßen schla
fen. In der Ferne aber sehe ich sich ein prächtiges Denk
mal erheben, das nur das des Stolzes feyn kann. Eine
schöne Kuppel, die auf schlanken und leichten Säulen
ruht, bedeckt das Grab, das unter wohlriechenden Ge
fräuchen und Pflanzen halb versteckt ist, die durch ihre
lieblichen Düfte den Vorbeigehenden einladen, sich zu
nähern, um für den Todten ein Gebet zu verrichten.
Trauerweiden, deren melancholische Stellung so schön den
Schmerz mit zerstreueten Haaren nachahmt, laffen auf
diese Kuppel ihre beweglichen Zweige fallen und fodern
die Cypreffen und die Eibischbäume heraus, die sich mit
ihnen durchkreuzen, das rührende Gefühl mit mehr Aus
druck darzustellen. -

/ -- Diese Erde, die so kalt ist, wie die, welche die nie
-

drigen Gräber an den Seiten dieses Denkmals bedeckt,


um seine Pracht um so mehr herauszuheben, verschlingt
– 513 –
sicherlich einen Großen, der in diesem Leben eine Beute
VON düsterm Gram, unversöhnlichen Besorgniffen und na
genden Gewissensbissen war. Vielleicht war er ein Groß
vezier, defen sträfliches Haupt unter dem Racheneffer der
Gesetze gefallen ist, oder ein Pascha, der sich mit dem
Blute der Provinzen gemästet hatte und defen Denkmal
fein gehässiges Andenken verewigt. - - " .. .

Die Pest hatte seit langer Zeit keine so schrecklichen


Verheerungen im osmanischen Reiche angerichtet, als die
jenigen waren, welche seine Hauptstadt zu der Zeit ver
wüsteten, auf welche ich mich beziehe, nämlich auf 1812.
Ihre Opfer fielen zu Tausenden und sie schien alle Ein
wohner dieser unglücklichen Länder zu verschlingen. Bis
weilen schien es, als ob sie nachlaffen wolle, aber diese
Hoffnung war um so trüglicher; denn sie brach wieder
mit neuer Wuth aus; sie hatte es vorzüglich auf die
Franken angesehen, die ihre gewöhnlichen Geschäfte
wieder begannen. Die Türken verließen sich auf ihre
Vorherbestimmung und waren eine nothwendige Beute
des Todes. Ganze Familien starben aus. Die Grie
chen, die Armenier und die Juden waren nicht das
von ausgenommen. Die Franken waren mehr als alle
andere auf ihrer Hut. Der Sohn sprach mit seinem
Vater nur zitternd. Alles entfernte sich von einander.
Die Freunde und die Anverwandten flohen vor dem Kran
kein, der vielleicht nur wenige Tage früher ins Grab eilte.
Hungersnoth, Erdbeben, Ueberschwemmung und
schlechte Nahrung erzeugen nach der vernünftigsten Mei
nung die Pest. Der Mangel der Vorsichtsmaßregeln
unterhält sie und pflanzt sie fort. Sie kommt aus Ae
- - 33
- 514 – \

gypten, von Smyrna und Trapezunt nach Cons


stantinopel. Vorzüglich bösartig ist sie, wenn sie
aus dem ersten Lande kommt. Große Hitze und große
Kälte vermindern dies Uebel; bisweilen hört sie dabei
gänzlich auf. Die verschiedenen Mondsveränderungen
haben auch auf fiel Einfluß. Nie kommt sie mit andern
ansteckenden Krankheiten zusammen; ist dies der Fall, so
hört sie auf. Den Genuß starker Getränke zählt man
unter ihre Heilmittel, ohne daß man jedoch vollkommen
von ihrer Wirksamkeit überzeugt ist. Im Vorbeigehen
bemerke ich, daß die Schutzblattern in der Türkei
große Fortschritte machen. Seit der Pest von 1812 zie
hen die Franken zu Constantinopel mit Gummi
bestrichene Taffetkleider an, womit sie sich vom Kopfe
bis zu den Füßen bedecken. Dies Vorbeugungsmittel,
das man vielfältig erprobt hat, hat sich seit den drei Jah
ren, wo man es anwendet, noch nie verleugnet. Dies
scheint anzudeuten, daß die Pest in Hinsicht der gerin
gern oder größern Empfänglichkeit, wie ein magnetisches
oder elektrisches Fluidum wirkt. Eine andere Bemerkung
besteht darin, daß vorzüglich die Katzen und Pelzwerk die
Pest fortpflanzen. Die Mahomedaner sorgen außer
ordentlich fleißig für die Erhaltung der Leichensteine und
nähern sich dieser letzten Wohnung mit dem größten
Vertrauen. Hätte ich mich von diesem Todtenacker auf
den armenischen oder griechischen begeben, so würde ich
Seufzer vernommen und Thränen fließen gesehen haben,
aber beiden Mahomedanern ist die Traurigkeit ruhig
und fill.
Grüne Bäume sind den türkischen Todtenäckern ge
– 515 –
weihet. Jeder der Letztern hat ein Häuschen mit einem
Brunnen, die beide zu den Leichenreinigungen bestimmt
find. Unter der Menge Todtenäcker, die man aus
ßer - und innerhalb der Hauptstadt zu sehen bekommt,
ist ohnstreitig der von Pera der sehenswürdigste, sowohl
wegen feiner Lage, wo man einen Theil des Bospho
rus und die Propontis übersieht, als wegen seines
dichten Schattens, welchen die Menge von Cypreffen
gewährt. - . . .
Die Türken haben sehr viel Ehrfurcht gegen
die Gräber, und dies gereicht ihnen zu keiner geringen
Ehre. -

Zwanzigster Spaziergang.
D ie P r i n z e n i n | e l n. -

Proti – Antigone – Platys – Oxia – Kal


ki – Prinkipos – Caloyers – Die griechia
fche Kirche.

In den ersten Tagen des Mais oder Septembers muß


man diesen kleinen Archipelagus besuchen, der unter
dem Namen der Prinzeninseln bekannt ist, wenn man
die Reize des Frühlings oder Herbstes in ihrer ganzen
Fülle genießen will. Alle Arten von Blumen trifft man
daselbst an und der Herbst zeigt eine unvergleichliche Ver
schwendung. Alle diese Inseln haben einen gebirgigen
Anblick, und fie steigen mit Vortheil aus dem Schoße
– 516 –
der Gewäffer empor, deren Oberfläche ihr unruhiges
Bild wiederholt. - -

Die Prinzeninseln liegen im Halbzirkel, defen


hohler Theil nach Constantinopel hingeht; sie sind
bloß durchFahrstraßen von einer Breite von höchstenszwei
Meilen (milles) von einander, und von dem festen Lande
von Afien durch einen eine Stunde breiten Kanal ges
trennt und haben bloß acht bis sechzig Stadien im Um
fange. In der Entfernung erscheinen sie nackt, indem
sie bloß mit Sträuchen bedeckt sind, zwischen denen man
sich einige weiße Fichten auf der Spitze der Berge, Ei
bischbäume und Cypreffen erheben sieht, die in den Zu
gängen zu den Umgebungen der griechischen Klöster ge
pflanzt sind, welche die Spitzen der Anhöhen oder den
Seestrand einnehmen. Wenn man an ihren Ufer an
langt, so entdeckt man eine Menge einzelner Schönheiten,
die man nicht erwartet hätte. , . . . . .
Auf denjenigen von diesen Inseln, die bewohnt find,
stehen die Dörfer an der Küste, vorzüglich um die An
kerplätze her. Ihre Einwohner sind Griechen, welche
vor dem Turbane nicht erschrecken; denn man bekommt
keinen zu Gesichte; auch bringt eine Menge griechischer
Kaufleute die schöne Jahreszeit an den Ufern des Kana
les zu. Die Eingebornen sind Gärtner, Winzer, Fischer
und Schiffer, und führen vermittelt dieser verschiedenen
Gewerbszweige ein ziemlich angenehmes Leben. Auch
tragen die Besuche der Fremden zu ihrem Wohlstande bei.
Freilich ziehen die Caloyers den größten Theil des
Gewinnes von diesem Verkehr, indem ihre Klöster wahre
Wirthshäuser sind, wo man unter dem Scheine von Gast
– 517 –

freiheit aufgenommen wird, die man aber nicht anders


verlaffen darf, als wenn man bezahlt, sobald man nicht
den Reiz gänzlich zerstören will. Sie setzen gute Mahl
zeiten vor, und verdienen deshalb, so wie wegen ihrer
Unwissenheit, Entschuldigigung. Die griechische Geistlich
keit kennt nur eine Sache, den Vorzug des Patriarchats
von Constantinopel vor dem päbstlichen Stuhle zu
Rom und die ausgezeichnete Vorzüglichkeit des griechi
fchen Gottesdienstes vor dem lateinischen.
Von Constantin op e l her ist die erste Insel
Proti, die der Brücke des Bostand schi - baschi ge
genüber liegt, welche man in der Ferne auf der asiati
fchen Küste entdeckt. Zu Peter Gilles Zeiten hatte sie
ein Dorf und zwei Klöster. In jedem andern Lande
würden mit der Zunahme der Bevölkerung durch die Nähe
einer Hauptstadt sich auch die Wohnungen vermehrt ha
ben, aber im türkischen Reiche hat der Einfluß der Städte
die gerade entgegengesetzte Wirkung; daher kommt es,
daß das Dorf und Eines der Klöster von Proti bloß
noch in Ruinen vorhanden sind, unter denen man zwei
schöne Cisternen entdeckt. Das Kloster liegt in einer
kleinen Schlucht und ist von einigen angebauten Feldern
umgeben. -

Von Proti kommt man nach Antigone, das


nach Zonaras Panor mus (sicherer Hafen) hieß; ge
gen Süden find feine Küsten sehr feil; aber nach den
andern Richtungen hin, gewähren sie einen sanften Ab
hang, endigen fich gegen Norden hin in einer Zunge und
dienen einer Anhöhe zur Grundlage, welche die ganze
Umgebung beherrscht. Sie hat in ihrem östlichen Theile
- 518 -

ein artiges Dorf, ein Kloster gegen Norden, Ruinen ei


nes Andern, so wie einen Thurm, den man oben auf
der Anhöhe sieht und hier und da Spuren von Anbau.
Der Lorbeerbaum, der Rosmarin und der Strauch, wel
eher das Laudanum liefert, kommen vortrefflich auf ih
rem schiefer - und kalkartigen Boden fort, den die Sonne
ohne dieses Grün verbrennen würde. -

Einige Meilen südwestlich von Proti find zwei


kleine Inseln, Namens Platys und Oria. Die Erste
hat einen niedrigen Strand, die Andere einen spitzigen
Flfen und beide ziehen in die Nähe ihrer Küsten vor
treffliche Aufern. Oria hat noch Spuren von Gebäu
den, aus deren Formen-Peter Gilles schloß, daß diese
Ueberreste zu Festungen gehört haben. Nach der Mei
nung der Inselbewohner haben sie die G e n u e fer
erbauet. - -

Eine Fuhrt von ungefähr einer halben Meile Breite


fcheidet Antigone von Kalki. Wenn man von der
Einen nach der Andern will, so fährt man an der klei
nen Infel Pyta hin, die sich da wie ein Ueberreft von
der Verbindung zeigt, welche sonst diese beiden Inseln
mit einander vereinigte, die jetzt von einander abgefon
dert sind. Kalki führte bei den Alten den Namen
Kalkos von den Kupfergruben, welche ihm Menip
pus, Arifoteles und Dionysius von Byzanz
beilegen. Vielleicht könnte man auch die Goldader wie
der finden, welche Aristoteles erwähnt.
Außer dem Dorfe, das um einen fichern Ankerplatz
herum liegt, welcher St. Maria heißt, hat Kalki
noch drei Klöster, die in Hinsicht ihrer Lage und ihresUm
– 519 –
fangs miteinander wetteifern. Das Eine heißt St. Ma -
ria, das Andere St. Nicolas und das Dritte die h.
Dreieinigkeit, das wie eine Citatelle oben auf einer
Anhöhe nach Norden hin steht.

Kalki und Prinkipos find durch eine Meerenge


von sechs Stadien von einander getrennt. Die letzte In
fel wetteifert mit der Ersten in Hinsicht des Anbaues
und der Bevölkerung, ist aber größer. An der Nordküste
hat sie ein ansehnliches Dorf und drei Klöster, wovon
zwei oben auf Hügeln stehen; das dritte liegt am östli
chen Ende des Thales. Der Boden ist sorgfältig ange
bauet und in den Gärten stehen eine Menge Granatäpfel
und Oelbäume und Weinstöcke. Wenn man sich an der
Ostküste auf dem Wege nach St. Nicolas hin begiebt
und einige hundert Schritte vor dem Dorfe vorbei ist, so
sieht man Ueberreste von alten Gebäuden, wovon sich
Einige als Magazine ankündigen; die Andern haben wahr
scheinlich Thürmen zu Grundlagen gedient. Nicht weit
vom Kloster St. Georg befindet sich die kleine Insel
Andi - Rovito; viel weiter hin das Inselchen Nians
dro. Die Aussicht, welche man auf den Anhöhen von
Prin kipos genießt, ist eben so reich und ausgedehnt
als jene auf Kalki. Im Frühlinge wird Prin kipos
der Lieblingsaufenthalt der Franken, die dahin ihre
Heiterkeit und ihre Gebräuche mitbringen. Hier ist auch
die Schule der jungen Sklavinnen, welche für den Ha
rem bestimmt sind. Die Kunst zu gefallen, die man
ihnen lehrt, besteht darin, daß die türkische Lieder fingen
und fiel dabei mit der Trommel begleiten; wollüstige
- -
– 520 –

Tänze lernen und sichauf alles legen, was den Reiz


des Vergnügens erhöhen kann. - - --

Wenn man sich von den Prinzeninseln nach dem


Dorfe Metepe" auf der asiatischen Küste übersetzen läßt
und von da seine Richtung nach Confantinopel hin
nimmt, so geht man über schöne sorgfältig angebautete
Felder hinweg, wo Gärten mit Gemüsen, Kirsch - und
Quittenbäumen und Weinstöcken mit einander abwechseln.
Das Intereffe wird noch durch die Spuren alter Ge
bäude, die man bei jedem Schritte am Ufer findet und
Trümmern von Ziegeln erhöhet, die den Boden fast
allenthalben bedecken. Die europäische Küste gewährt,
besonders in der Gegend von St. Stefano, denselben
Anblick, wo man sehr schöne Ruinen zu Gesichte be
kommt. - -

- - Von Metepe" bis nach Chalcedon geht man


über zwei große Wafferströme auf steinernen Brücken,
die von der großen Gebirgskette herabkommen, um die
schönen Thäler zu bewäffern.
Die Prinzeninseln sind die einzigen Oerter in
der Gegend von Constantinopel, wo man griechische
Klöster findet. Will man Mehrere sehen, so muß man
aufden Berg Athos, nach dem Archipelagus u.fw.
reisen. Es gibt zwei Claffen von Caloyers, Welt
priester und solche, welche die priesterliche Ordination
erhalten haben. Ihre Ordensregel ist für alle dieselbe,
nämlich jene des h. B a filius. Diese Klöster
find der Aufenthaltsort von Landstreichern, liederlichen
Leuten, ja sogar Missethätern, die sich dahin begeben,
um unter dem Deckmantel der Scheinheiligkeit neue Un
– 521 –
ordnungen zu begehen. Doch ist dies nicht allgemein
und an diesen Oertern findet man auch Mönche, die mit
den für ihren Stand erfoderlichen Eigenschaften noch
vielen Fleiß verbinden.
Sonst hatten die Caloyers, besonders jene vom
Berge Athos, einen großen Einfluß aufdie Gemüther,
allein jetzt ist dies nicht mehr der Fall, weil die Nation
seit kurzer Zeit an Aufklärung sehr gewonnen hat. Die
Caloyers bringen ihre Zeit mit Andachtsübungen und
dem Landbau zu. Mehrere, besonders jene vom Berge
Athos, verbinden damit einige andere Gewerbszweige;
sie verfertigenz. B. Rosenkränze, Kreuze, Uhren u.f. w.
Ihre Einkünfte bestehen in dem Ertrage einiger Capita
lien, den Einkünften von den Klöstern der zinspflichtigen
Provinzen, dem Verkaufe ihrer kleinen Arbeiten und den
Collekten, die für sie sehr einträglich find. Bei dieser
Gelegenheit müffen wir die Bemerkung machen, daß die
Griechen, nicht bloß in Hinsicht der Ausgaben, wel
che die Religion erfodert, sondern auch in Absicht derer
fehr freigebig sind, welche das allgemeine Beste zur Ab
ficht haben; daher erschrecken sie nie vor den Anschlägen
für ihre Kirchen, Spitäler, Schulen, Druckerei u. . w.,
fo hoch sie sich auch belaufen mögen. Die Armenier,
die viel reicher als die Griechen find, find bei weiten

nicht so freigebig. Die Caloyers thun das Gelübde


der Keuschheit; die Nonnenklöster befolgen dieselben Re
geln, aber auf eine weit erbaulichere Art; diese Nonnen
sollten zwar auch in Klöstern leben, aber dies geschieht
nur an einigen Orten. Die Griechen sind noch höchst
abergläubisch. Die Kirchensatzungen enthalten die Ver
– 522 –
faffung, die Freiheiten und die innere Regierung der
griechischen Nation. -

Die morgenländische Kirche legt ihren Anhängern


sehr schwehre Pflichten auf. Sie schreibt ihnen vier
Faften vor: 1) das große Fastenvor dem Osterfeste, das
40 Tage dauert, während welcher man zur Zubereitung
der Speisen Oel bloß an den Sonnabenden und Sonn
tagen nehmen kann; die übrige Woche hindurch darf man
bloß Kaviar, Oliven und Fische mit kaltem Blute effen.
2) Dasjenige, welches das Christfest ankündigt, und
welches auch 40 Tage dauert, nur mitdem Unterschiede,
daß man Fisch effen kann; 3) das Fasten der Himmel
fahrt Mariä, das 14 Tage dauert und eben so freng
als das erste ist; 4) das Apostelfalten, das so streng
als das zweite und 8 bis 42 Tage dauern kann, je
nachdem das Apostelfest, wo es sich endigt, mehr oder
weniger dem Feste aller Heiligen nahe ist, wo es be
ginnt. Noch giebt es nichtgebotene Fasten für die, de
ren Andacht noch nicht mit einem so langen Fasten zu
frieden ist, sondern beinahe das ganze Jahr in Fasttage
verwandelt, vermittelt verschiedener Feste, zu deren
Ehre die neue Casteiungen veranstalten.
Die morgenländische Kirche hat vier Patriarchen,
nämlich jenen von Constantinopel, welcher den Ti
tel allgemeiner Patriarch führt, den von Alexan
drien, welcher einen noch pomphaftern Titel annimmt,
ob er jenem schon an Range nachsteht und die Patriar
chen von Antiochia und Jerusalem, von welchen
man daffelbe sagen kann.
Der Patriarchvon Constantinopel hat seit Con
A – 523 –
-
stantin dem Großen die Obergewalt, und Maho
ned II., der den Charakter und die Sitten der Griea
chen kannte, ließ ihm alle seine Vorrechte, mit einigen
geringen Ausnahmen, welche die herrschende Religion
erfoderte; er gab ihm die weltliche Gewalt, damit er
die eroberten Griechen im Zaume halte und die Re
gierung von allen Besorgniffen befreie. Die Reichsge
setze üben auf diese Art bloß die höhere Polizei über die
Rayas aus. Der Sultan ließ den Patriarchen, der
die Flucht ergriffen hatte, zurückbringen und führte ihn
in die h. Apostelkirche (Felife - Djgamiffi) ein,
welche sogleich nach der h. Sophienkirche den Rang
einnimmt. Wenn der Patriarchenfitz erledigt ist, ver
sammeln sich die Bischöffe; der Logothete in seiner
Eigenschaft als kirchlicher Stellvertreter; der Dragoman
der Pforte als bürgerlicher Stellvertreter; die Familien
häupter des Fanal und die Vorsteher der Handwerks
zünfte wählen im Patriarchenpalafe einen Patriar
chen aus den Bischöffen und nehmen ein Protocoll über
ihren Entschluß auf, das sie durch den ersten Minister
dem Sultane einhändigen laffen. Wenn der Großherr
die Wahl der Nation bestätigt hat, so führt man den
Neugewählten im großen Pompe in Begleitung aller
Wahlherrn nach der hohen Pforte. Hier bekleidet man
ihn, so wie alle Mitglieder des Collegiums, mit dem Eh
renkaftane, den er stehend empfängt. Hierauf übergiebt
ihm der Großvezier die Waffe des Hazer an, einen
Stock mit einem elfenbeinern Knopfe, welcher das Zeia
chen der weltlichen Macht ist, und ermahnt ihn, den
Intereffen des Oberherrn getreuzu seyn und seine Heerde
- 524 -

weise zu leiten, ohne fiel zu unterdrücken. Hierauf be


giebt sich der Patriarch zum Keaya - bey, dann zum
Reis-effendi und endlich zum Tschiaufch-baschi,
wo er die Ehre des Sofas erhält, so wie alle diejenigen,
welche vermöge des Ceremoniels für ausgezeichnete Per
fonen bestimmt sind.

Nach diesen Besuche wird er in die Patriarchial


kirche geführt, wo ihn der Oberlogethet, Einer der vor
nehmsten Erzbischöffe, die Geistlichen und die Sänger
im Vorhofe in Empfang nehmen. Darauf verfügt er
sich in den Chor, wo er fich aufdem bischöflichen Stuhle
niederläßt, und der zweite Lagothet hält eine Rede an
ihn, um ihn von den Wünschen, die ihn zu dem Pa
triarchat berufen haben und den Hoffnungen zu unter
richten, welche er der ganzen Nation einflößt, u.f.w.
Die Papas find gewöhnlich so unwissend, daß sie
nicht einmal lesen können; doch giebt es auch rühmliche
Ausnahmen. In der griechischen Kirche lebt die niedere
Geistlichkeit in dem größten Elend; die Papas vertre
ten beiden Bischöffen die Stelle von Bedienten, deren
Verrichtungen sie nicht blos gegen ihre Obern, sondern
sogar gegen Fremde erfüllen, welchen sie die Tabaks
pfeife reichen. Bei den Griechen verschwinden, wie
bei den Türken, vor den Vornehmen die Niedern
gänzlich. -
– 525 – -

Ein und zwanzigster Spaziergang,


'-
Fontaine von Karakula. -

Beschreibung des Thales Zeke -Dere" – Gafi


freie Denkart der Osmanlis in Asien –
. Moralischer Unterschied zwischen den Tür
ken in Europa und Asien– Sitten einfalt,
die man selbst vor den Thoren der Haupt
fitadt antrift – der Einfluß der Lehre von
der Vorherbestimmung auf die Meinungen
und auf die Lebensweise der Osmanlis –
die Osmanlis der Hauptstadt find keine
Liebhaber von Vergnügungen, welche die
.. Ruhe verscheuchen – nicht die Mahomeda
- ner machen die Wege in Europa unsicher –
Thal und Dorf Beikos. . . . - -
"
- :. . . - -- - - - - --- - -

Das Thal Tokat ist höchst angenehm, wir befinden


uns in den ersten Tagen des Juli, und unter Wegs ist
die Luft von Lindenblüthen, Holunderbäumen und wil
dem Jasmin gewürzt. Im Hintergrunde fehen Nuß
bäume, Linden, Platanen, weiße Pappeln u. f. w. Bei
der Fontaine, die uns einen Augenblick in unserm Spa
ziergange aufhält, verweilt ein vornehmer Mahomea
daner in Gesellschaft zweier Derwische. Alle drei schei
ven vom Himmel nichts zu bitten zu haben, als das,
was sie schon besitzen und ihm dafür zu danken, daß er
aufdieser Erde so viele Seeligkeiten ausgetheilt hat. Und
warum sollten sie auch mehr wünschen? Sie athmen
– 526 –
die reine Luft der Gefielde ein, trinken Kaffee und raus
chen Tabak. Jetzt fehen fiel auf, um ihre Reise fort
zusetzen, aber nicht zu Pferde, wie das Nationalfitte ist,
sondern in langsamen Arabas. Wahrscheinlich müffen
fie dies der Gesundheit wegen thun. Die Derwische neh
men den ersten Platz ein; ohnftreitig haben sie diesen
Vorzug der Heiligkeit ihres Charakters zu verdanken.
Die Osmanlis, die einen Widerwillen gegen jede
Versetzung haben, reisen gewöhnlich nur, wenn sie dazu
gezwungen werden, und nie, um sich zu zerstreuen.
Sie sind von Natur wenig neugierig und das Verlangen
zu sehen, wird bei ihnen nicht durch den einförmigen
Anblick geweckt, den die Gegenden gewähren. Alle
türkischen Städte und Gefielde gleichen einander; ihre
Einwohner haben allenthalben dieselben Gesichtszüge und
die schönen Künste und die Vergnügungen laffen niemals
ihre Reize auf der Erdstrecke spüren, welche dies Volk
einnimmt. Rechnet man zu diesem Mangel an Reizen
noch den Mangel an Bequemlichkeiten und bisweilen die
geringe Sicherheit unterwegs, so erklärt man es sich
ohne Mühe, warum die Straßen bloß von Handelscara
vanen und einigen öffentlichen Beamten besucht werden,
welche ihre Geschäfte in die Hauptstadt oder in die Refi
denz des Statthalters rufen. -

- Alle Reifen werden zu Pferde gemacht und man legt


täglich acht bis zehn Stunden Wegs zurück. Das Ge
päck,z. B.Zelte, Küchengeräthe, Teppiche, Kiffen u.f.w.
fiehen mit den Vermögen des Reisenden im Verhältniß,
der jeder Zeit in Begleitung feines Hauses reift, wenn
er ein angesehener Mann ist. In diesem Falle folgen
- 527 –

ihm seine Weiber in Sänften oder in Kotschis, jedoch -

reisen sie auch wie er zu Pferde, wenn er von einem


Range ist, der ihm bloß ein mittelmäßiges Einkommen
verschafft. Bei der Ankunft am Ruheplatze schlägt man
das Zelt auf, wenn es die Jahreszeit erlaubt, im Freien
zu schlafen; im Winter nimmt der Khan die Reisenden
auf, oder die Einwohner erfüllen auch gegen sie die
Pflichten der Gastfreundschaft;dies istziemlichgewöhnlich.
Die Osmanlis haben gemeiniglich eben so wenig
Geschmack an der Jagd als an Reifen. Dies ist auch
mit dem Sultane der Fall. Die einzigen Jäger, welche
man unter den Mahonedanern zu Constantino
pel bemerkt, sind Leute, welche dies Gewerbe aus Noth
treiben. Die Großen verachten es und vertreiben sich lies
ber die Zeit mitdem Bogen-oder Carabinerschießen. In
deffen gilt dies nicht von der ganzen Nation; denn in
Afien rechnen die Ayans oder Bezirkshäuptlinge die
Jagd, besondersdes Rothwildes, unter ihre Vergnügungen.
Unterwegs treffen wir oft Caravanen an, welche aus --
dem Gebirge Kohlen nach der Küste schaffen; Andere
haben Waffer aus dem Brunnen von Karakula geholt,
das sie nach dem großen Aufbewahrungsorte zu Beikos
schaffen.
Die Lehrer von der Vorherbestimmung ist sicher für
die osmanische Nation im Ganzen höchst nachtheilig.
Das Unglück wird von dem Mahomedaner als ein
Beschluß des Himmels angesehen, an dem der Mensch
nichts ändern kann; hat er es fich auch durch seine Feh
ler zugezogen, so verliert er doch nicht die Hoffnung, -,

daß der höchste Richter mit ihm Erbarmen haben werde,


- 528 -

Um seine Gnade zu erwerben, beugt er ehrfurchtsvoll


sein Haupt unter die Last des Ungemachs und läßt sich
nie durch dasselbe niederschlagen. Daher sind Handlun
gen der Verzweiflung unter den Mahomedanern
unbekannt. Vom Selbstmorde wissen sie nichts, und sie
glauben nicht, daß sie dem Schmerze entgehen, wenn sie
fich das Leben rauben. Vielmehr sind sie überzeugt, daß
uns ein anderes Leben erwartet, wo wir nach Verdienst
belohnt und bestraft werden.

Der Mahomedaner, den das Unglück aufdie


Probe stellt erregt also bei dem europäischen Beobachter
im höchsten Grade Bewunderung und Ehrfurcht wegen
der Ruhe ohne Ziererei und Gewaltsamkeit, welche er be
hält. Hiervon will ich nur ein Beispiel anführen. Ein
Tapezierer hatte sich verbindlich gemacht, im Hause eines
Franken zu arbeiten, und daher den Tag mit ihm ver
abredet. In derselben Nacht war eine Bude, ja ein gan
zes Vermögen ein Raub der Flammen worden; dies thut
nichts; er stellt sich zur bestimmten Stunde ein und be
ginnt ruhig seine Arbeit. Der Hausherr, der diese Kalt
blütigkeit nicht begreift, fragt ihn mit Erstaunen, ob er
nicht mehr in dem abgebrannten Quartiere wohne, oder
ob die Flammen sein Haus verschont haben. „Nein!
gab der Muselmann kaltblütig zur Antwort; es ist -
mit abgebrannt, aber Gott hat mir es gegeben; er konnte
mir es also auch wieder nehmen; übrigens ist er groß.“
Diese wenigen Worte enthalten die theoretische und praf
tische Philosophie der Mahomedaner, und die Ant
wort, die wir hier anführen, war von einem bloßen
- – 529 –
Handwerker. Jeder Andere hätte mit demselben Helden
inne geantwortet.
Jetzt sind wir zu Zeke" - dere", das von Baum
gärten umgeben und von Mahomedanern bewohnt
ist. Ohne den Minaret, der uns es zeigt, hatten wir
es an dem einsamen Anblicke errathen, durch welchen
sich diese Oerter auszeichnen , ob sie schon bewohnt sind.
- An diesem untrüglichen Kennzeichen erkennt man alle
mahomedanischen Dörfer. Schöne Platanen geben dem
Brunnen Schatten, aber man geht weiter und hat
nur einige Schritte zu der bezauberten Einsamkeit, welche
die Najade von Karakula durch ihr süßes Gemurmel
belebt. Der Weg dahin vom Dorfe ist krumm und
hügelich. Die Kaftanienbäume sind da zahlreicher und
an dem Rücken der Berge stehen auch Eichen.
Zwei Plattformen, die durch ein marmornes Becken,
von einander abgesondert sind, das Ganze mit einem
platten Dache bedeckt, das vorne aufvier hölzernen Säu
len und hinten auf einer Mauer ruht, die sich an einen
Berg lehnt; Linden, welche Schatten verbreiten; ein
helles Waffer, das in eine Marmorkufe fällt und dar
- auf weiter fließt oder an den Seiten des bescheidenen
Gebäudes durchsickert; dies sind die Gegenstände, welche
das Gemälde von Karakula ausmachen, wozu noch zur
Belebung Mahomedaner, die in Gruppen in der
Nachbarschaft der Fontaine sitzen; bisweilen auch Frauen
zimmer, welche in der Kufe die Kühlung genießen; zu
letzt Karavanenanführer kommen, die ihre Fäffer mit
Waffer füllen.
Kaum haben wir uns niedergesetzt und unsere Vors
34
– 530 -

Käthe herausgelangt, so tritt ein gefälliger Türke heran


und thut uns den Vorschlag, an einem ländlichen Mahle
Theil zu nehmen. Wir nehmen seinen Antrag an; denn
man würde einen Osmanli beleidigen, wenn man
dies nicht thäte, besonders wenn er zu denen gehört,
welche unser Verkehr noch nicht an Verstellunggewöhnt hat.
Wir ließen uns durch unsern gütigen Wirth mit Gefälle
ligkeiten überhäufen, der jeden Augenblick einen neuen
Beweiß von Herzlichkeitzu denen hinzu fügte, die er uns
schon erwiesen hatte; er ließ uns bloß unter der Bedins
gung fortgehen, uns bald wieder zu sehen, und bat uns
um so dringender, je mehr er befürchtete, ein anderer
Mahomedaner, der Eine von den fark ausgeprägten
afiatischen Gestalten hatte, durch welche deutlich ein An
sehen von Höflichkeit durchblickte, das einen häufigen
Umgang mit der großen Welt verrieth, möchte uns ihm
rauben. Dieser Letzte kam auf uns zu, beklagte sich
darüber, daß er uns nicht zu Gästen gehabt habe und
erfuchte uns auf die gefälligste Art, das ihm angethane
Unrecht wieder gut zu machen. Wir waren über die
Wahl verlegen und versprachen beiden, ihr Anerbieten
anzunehmen, zumal da wir von der andern Seite nicht
wußten, wie wir das wilde Ansehen und den düstern
und mißtrauischen Blicke des europäischen Türken mit
dem gastfreien Tugenden, und dem liebevollen und edlen
Benehmen desjenigen vereinigen sollten, der noch den
Boden feiner Väter bewohnt. Diese Beobachtung fällt
noch mehr auf, je tiefer man ins Land kommt und man
überzeugt sich zuletzt vollkommen, daß der asiatische Ma
homedaner eben so duldsam und gefällig ist als der
– 531 – ,
andere argwöhnisch, raubsüchtig und ein unversöhnlicher
Feind des Europäers ist.
Aber woher rührt diese unerklärbare Sonderbarkeit?
Der Widerwille des Türken in Europa gegen alles,
was mit uns im Verhältniß steht, rührt von der Furcht,
welche ihm unsere Nachbarschaft und Ueberlegenheit an
Hülfsmitteln einflößt und von seiner unsichern Lage her,
weshalb man ihn mit einer Schildwache vergleichen kann,
welche die Bewegungen des Feindes beobachten soll , UN
bei einem Anrücken zum Rückzuge zu blaßen. Der afia
tische Türke dagegen befindet sich in Rücksicht auf uns
in keiner solchen Lage; er kann sich diese dringende Ges
fahr nicht erklären, weil sie ihn nicht bedrohet; auch
nimmt er nur ein geringes Intereffe an Europa, das
er vielmehr als das Vaterland der Ungläubigen denn
als jenes des Islamism ansieht und er entschließt sich
nur, ihm zu Hülfe zu kommen, wenn er durch die ge
bieterische Stimme der Gewalt dazu gezwungen wird.
Man kann also behaupten, der unwissende Türke könne
nur ungeschlachteter werden, wenn er fich uns nähert und
er weitet mit einer um so größern Hartnäckigkeit, die
Bildung zurück, jemehr diese, in Berührung mit ihm,
Anstrengung zu feiner Unterjochung macht.
Das Waffer von Karakula - Suyu steht bei
den Eingebornen in großem Rufe und spielt sogar in
ihrer bäuslichen Arzneikunde eine ausgezeichnete Rolle;
es muß feifenartig feyn, wenn man nach feiner auflösen
den Eigenschaft und seinem Schaume urtheilt.
Der Türke macht selten den Straßenräuber. Die
Räubereien dieser Art, welche in der europäischen Tür
– 532 –

kei so häufig vorfallen, werden von Bulgaren, die


bisweilen die Landstraßen in Romelien unsicher machen
oder von Griechen, welche im Peloponnes die
engen Päffe besetzen und sich sehr häufigdamit begnügen,
dem Reisenden das Seinige abzunehmen oder von mai
nonitischen Seeräubern begangen, welche die Fahrt im
Archipelagus sogefährlich machen, daß Frankreich
und England daselbst kreuzen müffen, um ihren Hans
del zu beschützen. Der Osmanli kann sich zwar zum
Morde verleiten laffen, wenn man einen Zorn reizt,
aber er nimmt stets sogleich im ersten Anfalle seine Zu
flucht zu feinen Waffen und läßt seine Rache nicht bis
Morgen schlafen.
Wir schlugen die Richtung nach den Theilungspunkt
ten der beiden Thäler ein, sagten den von Zeke -der
Lebewohl und stiegen den Rücken hinauf, der es vom
Thale von Beikos trennt. Wir gingen am andern
Abhange hinab, wo wir sogleich auf einen Todtenacker
kamen, der mit Eichen beschattet war, welche so hoch
wie die Pappeln waren und welche ein dicker Epheu bis
zum Gipfel umschlang. Das Thal von Beikos ist sehr
schön und hat eine amphitheatralische Gestalt. Allenthal
ben erblickt man Maffen verschieden schattierten Grüns
man sieht den Feigenbaum mit breiten Blättern, den
Brustbeer - den Quitten - und den Dattelbaum von
Trapezunt, der in Hinsicht der Gestalt eines Laubes
dem Pfirsichbaume gleicht, von dem er sich jedoch wieder
durch eine dunklere Farbe und durch eine leimigte Frucht
unterscheidet; die Linde, der schattige Nußbaum, der
Maulbeerbaum, die Eiche und die italienische Pappel
-
stehen beisammen und bilden einzelne Gruppen, welche
Anpflanzungen von grünen Baumalleen mit einander
verbinden. - -

Die Einwohner des Dorfes Beikos bestehen in


Mahomedanern und Armeniern; es hat eine
Menge Baumgärten, in denen sich alle Arten von Obst
befinden. Die Wohnungen verkünden Wohlstand; übri
gens find es meistensLufthäuser, die den armenischen Sas
raffes oder auch Türken von der vornehmern Claffe
gehören, ob schon im allgemeinen, sowohl in den Städa
ten als auf dem Lande, die Privatgebäude das Gepräge
der Einfachheit tragen, so daß es schwehr wird, diejeni
gen zu unterscheiden, die von den ersten Würdenträgern
bewohnt werden. - - -

Je näher wir dem Meere kommen,desto mehr ist das


Quartier besucht und bei dem Brunnen, der von Kaffee
häusern umgeben ist, ist die Menschenmenge so zahlreich,
als einige Schritte weiter hinaufdie Einsamkeitgroß war.

Zwei und zwanzigster Spaziergang.


Constant in op e .
Quartier Kondoscale – Aia - Sophia (kleine
* Sophienkirche) – die Thiere, felbst die
Vögel, leben vertraulich mit den Bewoh
nern der mahomedanischen Städte – auf
fallender Unterschied zwischen der Nation
und der Regierung, dem Charakter der
- 534 -

Herrscher und Beherrschten – Moschee Mu


hamed Pascha – Cift erne Budrun – Dgja -
miffi – die armenische Nation, ihr Ge
werbfleiß, ihre Rolle im türkischen Reiche,
ihr Grad von Bildung, ihre Sitten, ihre
Gebräuche, ihre religiösen Ceremonien u.
f, w. – Säule des Arcadius - Mofchee von
Daud - Pascha – Verehrung der Mahome
daner gegen gewiffe Bäume – ihr Ge
schmack an Blumen und die Rolle, welche
fie bei ihnen spielen – Tavernen – Pof
fenreifer – Ausfchweifungen der Osman -
lis – worin in der That die Gewalt des
Sultans besteht. Die Osmanlis zeigen
mehr Geistesfreiheit als man gewöhnlich
glaubt – die Regierung ist bald ohnmäch -
tig, bald gebietet sie wieder unbeschränkt–
die Militärbeamten sind der Sitz des Des
potismus, und nicht der Sultan – Be
trachtungen über den Himmels strich – al
tes Kloster Studius – Cisterne – Mofchee
des Stallmeisters - an welchen Zeichen
man im Morgen lande den Rang erkennt –
Cisterne Modifia – die Mahomedaner ha
ben den Gebrauch der Alten angenommen,
daß sie Stiftungen für die Frömmigkeit
oder auch zum allgemeinen Besten machen–
die Weiber, ihre Erziehung und ihre Le
bensweise. Sie haben weit mehr Freiheit
,,gls man in Europa glaubt – Quartier von
– 535 –
Jeni – Baktfche – Medab's oder Rhapso
den – Thor von Adrianopel.
- "

Jah mache mich heute sehr frühzeitig auf den Weg, weit
mein Spaziergang sehr lange dauern wird, da ich die
zahlreichen Quartiere der Propontis d. h. alle die be
suchen will, die man auf dem siebenten Hügel und in
dem geräumigen Thale zerfreuet findet, das diesen
von jenem Queerrücken trennt, der durch sechs Erhöhun
gen bemerklich ist, welche von einander durch mehr oder
weniger sichtbare Vertiefungen abgesondert sind.
Ich fchiffe mich zu Top - Khane ein, fahre um
die Spitze des Serails herum, an dessen Mauern ich
bis zu ihrem füdlichen Ende hinfegle und laffe mich nach
dem Aussteigeplatze von Tschatladi-Kapuffi brin
gen. Jeder Augenblick dieser Fahrt gewährt ein großes
Vergnügen. Ich feige aus und gehe nach der kleinen
St. Sophienkirche hin, welche griechische Kirche in
eine Moschee verwandelt worden ist. Sie ist die älteste
Basilika nach der h. Irene, unter denen, welche
Constantinopel behalten hat und deren Erbauer Ju
stinianus ist. Sicherlich war sie bloß ein Versuch in
der Baukunft, und wenn man sie mit dem prächtigen
Gebäude vergleicht, das er in der Folge, so wie die
Aia - Sophia, der göttlichen Weisheit errichtete und
weihete, so fragt man sich, warum er nach so vieler
Bescheidenheit zuletzt so viel Ehrgeiz und Eitelkeit zeigte?
Der Name h. Sophia, der fo oft vorkommt, zeigt
an, daß die Lieblingsanbetung der morgenländischen
– 536 –

Kaiser die göttliche Weisheit gewesen ist, ob schon ihr


Betragen nur zu häufig das Gegentheil verrieth.
Aia - Sophia liegt unterhalb des Alt - meidan
im Quartier Kondoscale und ist ein kleines zirkeltdr
miges Gebäude, das mit einer Kuppel mit Ribben oder
hellen Fischgräten bekränzt ist. In ihrem Innern läuft
eine Galerie von Säulen von Verde antico und von
jonischer Ordnung mit einem sehr schönen Karnies her
um. Die Osmanlis haben ein Perifyl nach ihrer Art
daran gemacht.
Hier wohnen die Störche, welche gewöhnlich den
Moscheen den Vorzug geben, ob schon in der Türkei
die Thiere überhaupt, besonders aber die Vögel, nicht
nöthig.haben, sich in den Schutz der Götter zu flüchten,
um den Schlingen der Menschen zu entgehen, mit voll
kommner Sicherheit auf dem höchsten Punkte der Kuppel,
während Holztauben, Turteltauben, Sperlinge vertrau
lich von den benachbarten Bäumen herabkommen, wo sie
ihren Aufenthalt haben und gewissermaßen unter den
Füßen der Vorbeigehenden herumspringen. Diese liebens
würdigen Bewohner der Luft tragen nicht wenig zur Ver
breitung von Annehmlichkeiten in den mabomedanischen
Städten bei, wohin der Schatten sie lockt und wo fie
vollkommen sicher sind. Niemand thut ihnen etwas zu
Leide, und sie machen unter allen Geschöpfen, die sie
bewohnen, den meisten Lerm.
So lieblich das Bild ist, das man auf diese Art
von den Osmanen erhält, so entspricht doch ihr übri
ges Betragen nicht demselben. Die Türken sind treu
lose Vormünder und werden die Tyrannen der Waisen,
– 537 -

- die man ihrer Sorgfalt anvertrauet hat; ihre Raubfucht


und ihre Bedrückungen richten sich nach der Ungestraft
heit, welche fiel von Seiten des Oberhauptes haben.
Daher bemerkt man bei dieser Nation auch einen fo
großen Unterschied zwischen den Herrschern und Beherrsche
ten. In diesem Reiche erstickt die Gewalt selbst die ster
benden Seufzer der Rechtschaffenheit und Tugend, und
gebietet den Mitleiden Stillschweigen, damit sich die
Habgier um so ungescheuter zeigen kann. Was in der
Türkei noch so viel zur Aufrechthaltung der willführt
lichen Gewalt beiträgt, das ist die Verschiedenheit der
zinspflichtigen Nationen, auf welchen sie beinahe ganz
lastet; denn die Mahomedaner merken im Vergleich
mit dem Andern nichts davon. Durch Intereffe und Re
ligion einander entgegengesetzt, verschieden an Abkunft und
Sprache, laffen sie sich nie mit einander in Verbindun
gen ein, und die Kämpfe, in denen diese Nationen mit
einander leben, oder wenigstens der Mangel an Ein
tracht, der sie von einander entfernt hält, begünftigen
den Druck des Joches, das fiel zu Boden drückt, und
das auch das Werk der Schwäche des rechtmäßigen Ober
herrn und der Unterdrückungsmittel ist, welche jene taus
sende von Tyrannen in Händen haben, die ihm selbst
hefehlen.
Ich entferne mich etwas rechts, um die Moschee
Muhamed-Pafcha zu besuchen, und begegne einen
Leichenzuge, der nach dem Todtenacker hingeht. Der
ganze Aufzug ist einfach. Einige Anverwandte folgen dem
Sarge, der mit dem Turbane des Verstorbenen geziert
ist und den vier Mahomedaner tragen, welche von
- 538 –

Andern in gewissen Entfernungen abgelöst werden. Ich


fehe Vorbeigehende, welche nicht mit zum Zuge gehören,
die aber aus Andacht sich an die Baare stellen, einige
Schritte mitgehen und dann wieder ihren Weg fortsetzen.
Kein Seufzer unterbricht die Stille, welche deutlich ge
nug sagt, daß das Leben nicht bedauert zu werden
verdient. - -
Muhamed - Pascha - Dgjamiffi, welche der
berühmte Kiuperli, der Erste dieses Namens, erbauet
hat, gewährt Einen der lachendsten Anblicke. Ihr Hof
ist von Säulengängen umgeben, aus denen man zu den
Wohnungen der Imams kommt; ein Perifyl von wei
ßem Marmor bezeichnet die Vorderseite; die Zubehör find
ein Imareth, Schulen und besonders eine schöne Bi
bliothek.
Ich komme wieder in die große Straße, welche
durch das Quartier von Kondoscale geht und lange
zwischen dem neuen Thore und Budrun - Dgjamiffi,
einer alten griechischen Kirche an, die man in eine Mb
schee verwandelt hat und bei der man eine Cisterne mit
Säulen erblickt. Bei der Unregelmäßigkeit dieses Ge
bäudes undden fehlerhaften Formen einer Stützpunkte,die
mit Capitälern bekränzt sind, wo sich alle Ordnungen
verstümmelt und fo.unter einander vermischt zeigen, daß
sie bisweilen unkenntlich find, bedauere ich die Mühe,
die ich mir gegeben habe, um ein Denkmal der verdor
benen Zeiten zu besuchen. Wir wollen uns nunmehro
der Propontis nähern, deren lachende und lebendige
Quartiere mich einladen.
Dasjenige, wo ich mich befinde, ist von Armes
niern bewohnt, deren zwei Stockwerk hohe Häuser die
türkischen Wohnungen fehr in Schatten stellen, ob sie
schon ein düsteres Aussehen haben müffen. - Das Staats
vermögen scheint ganz in die Hände der Armenier
kommen zu müffen, und unglücklicher Weise kann man
fie nicht mehr entfernen, weil sie einmal Antheil daran
haben. Jetzt, wo ich dies schreibe, werden alle etwas
bedeutenden Fabriken, die sich an den Ufern des Bos
phorus erheben, von Armeniern erbauet; dies ist
auch der Fall mit denen zu Pera, wie auch fast alle
Käufe in ihrem Namen und auf Kosten der griechischen
Nation geschehen. Die Anzahl der Armenier ist zu
groß und ihre Rolle zu wichtig, als daß wir hier nicht
Einiges über sie sagen sollten.
- Die Armenier verbinden mit einem speculativen,
gründlichen und seltenen Verfande eine bei ihrer Nation
allgemein verbreitete „Grundlage von Rechtschaffenheit.
Auch findet man bei ihnen die gastfreundlichen Tugen
den; eine unerschütterliche Anhänglichkeit an die Religion
und eine Frömmigkeit, die fich nicht bloß auf die Aus
übung von Ceremonien beschränkt, sondern sich auch auf
ihren moralischen Theil bezieht. Besonders haben sie ei
nen großen Widerwillen gegen Ränke, so wichtig oder
kleinlich sie auch feyn mögen. Daher unterscheidet sich
ihre politische Einrichtung von jener der Griechen, auf
welche die türkische Regierung unaufhörlich aufmerksam
feyn muß. Sie besitzen durchaus nicht das Glänzende
und Verführerische der Griechen und denken nicht im

geringsten an ihre verlorne Freiheit. Bei der Begierde


nach Gewinn, an welcher fiel nur zu sehr hängen, ver
- 540 -

geffen sie dieselbe leicht, und wenn man die Faffung bei
trachtet, mit der fiel ihr Joch ertragen, so sollte man
glauben, sie feyn nie frei gewesen oder nie dazu geboren.
Man kann sie daher als die getreuesten Sklaven der
ottomanischen Pforte ansehen, die ihnen deshalb erlaubt,
ohne Feffeln herum zu gehen, ob sie schon eifrig dafür
forgt, daß die Ketten der Griechen nicht im geringsten
erleichtert werden. -

In Hinsicht des religiösen Glaubens unterscheiden


sich die Armenier in zwei verschiedene Sekten, welche
jedoch in gutem Einverständniffe mit einander leben. Die
Eine besteht aus Armeniern, welche der römischen
Kirche unterworfen find - und daher für Catholiken aner
kannt werden; die Andere begreift die Anhänger des Eu
tyches, welche nur eine Natur in Christo annehmen.
Catholische Armenier findet man zu Constantino
pel, Erzerun, Trapezunt und überhaupt in ganz
Asien. Man schlägt die Anzahl der Personen von dieser
Nation, welche in der Hauptstadt leben, auf 100,000 an,
worunter der dritte Theil catholisch ist.
Die Armenierinnen find allgemein aus Grund
fatz, vielleicht aber auch aus Temperament tugendhaft."
Hierin unterscheiden sie sich von den türkischen Frauen
zimmern, mit denen man sie verwechseln könnte, wenn
man sie bloß in Hinsicht ihrer blinden Unterwürfigkeit,
der Erziehung und äußern Formen betrachtete. Der auf
fallendste charakteristische Zug ist eine bis zum Uebermaße
getriebene Andacht. Wegen dieser Leidenschaft, verbun
den mit Ruhe, Mangel an Bildung und einem von
Natur trägen Verstande, ergreift eine große Menge das
– 541 –
Klosterleben. Und diese bringen ebenfalls ihre Tage im
Schooße ihrer Familien zu, ziehen eine schwarze Tracht
an und beobachten alle Ordensregeln, welche sie gewählt
haben. - -

Die Sitten der armenischen Nation find ganz rein.


Doch haben sie, seitdem das Gold ihr Hauptbestreben ist,
besonders unter den Mannspersonen, einige Veränderung
erlitten. Die Armenier besitzen wenigGefühl. Die Wei
berfindthätig, sparsam und wissen alles zubenutzen. Dies
ist auchbei den Mannspersonen der Fall, welche durch ihr
Beispiel Sparsamkeit und Einfachheit lehren. Das Aeu
ßere des Armeniers ist so bescheiden als dasdes Hol
länders.

Die seit einiger Zeit bemerkte Veränderung in den


armenischen Sitten erstreckt sich bloß auf eine kleine An
zahl von Familien, welche grenzenlose Reichthümer ver
leitet haben, etwas von den Nationalmarimen abzuwei
chen, und welche das verderbliche Beispiel der Griechen
verführt hat. Der mit den Seinigen sparsam lebende
Armenier versteht sich jedoch darauf, in den Augen
des Fremden zu glänzen, aber er weiß diese Ausgaben
wieder in der Folge durch Einschränkungen gut zu ma
chen, welche er seinem ganzen Haufe auferlegt. Noch ein
charakteristischer Zug des Armeniers ist eine große
Unreinlichkeit, die so weit geht, daß sie sich gar nicht
beschreiben läßt. So ist der ausgeartete und verdorbene
Armenier beschaffen, wie man jenen zu Constan
tinopel nennen muß.
Der Armenier läßt sich durch nichts von dem
– 542 –

Handel abbringen, der seine Hauptbeschäftigung aUs

macht. Er vergißt beinahe seine Familie, wenn er sich


hinter seinem Comptoir befindet; bloß an Festtagen theilt
er seine Aufmerksamkeit zwischen diesen beiden Gegen
fänden seines Geistes. Mit den Wissenschaften und Kün
fen ist er nicht einmal dem Namen nach bekannt; feine
Erziehung ist daher sehr beschränkt. In seiner Jugend
lehrt man ihn armenisch lesen und schreiben; von dem
Rechnen lernt er so viel, als er zum Buchhalten braucht;
auch lernt er das Türkische, weil er mit der Nation ver
kehren muß, welche es spricht. Aus dem, was zur Re
ligion gehört, macht er jedoch ein besonderes Studium,
aber dies ist bloß Ceremoniendienst.
Man hat nur Elementarschulen. Unter ihnen giebt
es bloß zwei, welche auf Kosten der Reichen für die Ar
men unterhalten werden. Die Armenier haben auch
eine Druckerei, welche aber nichts als Andachtsbücher
druckt. Die Nation ist daher höchst unwissend und bloß
in einigen Familien findet man etwas Bildung. Seit
wenigen Jahren haben die Armenier Spitäler angelegt,
wozu ihnen die Griechen seit langer Zeit das Beispiel
gegeben hatten. -

Der Gewerbfleiß ist das Eigenthum der armenischen


Nation, und besteht aus vier Hauptzweigen: 1) in Geld
geschäften, so wie in der Regie der Staats- und Pri
vatdomainen für Rechnung der Türken; 2) in der Prä
gung der Münzen; 3) in der Verfertigung gedruckter
Muslime und Leinwand, und 4) in Goldschmidts - und
Schmuckarbeiten, so wie in den meisten mechanischen
Künften. - -
– 543 –

Die Personen, welche den ersten Gewerbszweig treis


ben, sind unter dem Namen von Saraffe’n bekannt;
sie können als die Generalpächter des Reichs, so wie als
die Intendanten oder Geschäftsmänner der Großen und
vorzüglich aller derer angesehen werden, welche ein Amt
haben. An sie wenden sich der Kharadgi-bafchi, der
Oberzolleinnehmer, die Bewerber um die Malikiane's
und alle diejenigen, welche die Staatseinkünfte pachten
oder sie leiten, um die erfoderliche Caution zu erhalten.
Der Großvezier, jeder der Minister, die ersten bürger
lichen und Militärbeamten haben ihre Saraffes. Diese
Geschäftsführer treiben die Einkünfte von den Fonds ein,
welche ihre Patrone zu fodern das Recht haben, und
kommen ihnen bei allen Ausgaben für ihre Häuser zu
Hülfe, so daß sich die Gläubiger und Schuldner an sie
wenden. Ihre Verfahrungsart ist so einfach als möglich
und ihre Rechtschaffenheit muß entweder außer allem
Zweifel oder das Zutrauen der Osmanlis ganz blind
feyn; denn sie haben das ganze Vermögen dieser im Bes
fitz, ohne je eine Urkunde darüber auszustellen, ja die
Türken verlangen nicht einmal Rechnung von ihnen.
Hieraus kann man sehen, wie viele Gelegenheiten
die Armenier haben, sich zu bereichern. Es läßt sich
daraus das ungeheuere Vermögen erklären, das man
nach den letzten Revolutionen und den Verheerungen der
Pest unter ihnen erblickte, weil ein unerwarteter Tod,
der einen Großen der Pforte betrifft, den Saraffe zu
feinem Erben machen kann, wenn dieser nicht ehrlich
genug ist. Dieser Verdacht ist auch ziemlich allge
mein, aber er kann auch von einer andern Nation ver
– 544 –

anlaßt worden seyn, welche der Neid zu –Feinden der


Armenier macht, ob sie fchon dieselben liebkoset, wenn
fie aus Noth ihre Zuflucht zu ihnen nehmen muß.
Die Stelle von Saraffes bei den Beamten der
Pforte verschaft den Personen, die damit bekleidet sind,
einen großen Credit, den sie bloß zur Anhäufung von
Reichthümern brauchen; -fie verachten alle andere Vor
theile, die ihnen dies verschaffen könnte und die bloß
der Eitelkeit schmeicheln. An sie wenden sich auch die
Mahomedaner, wenn sie von ihren Gönnern eine
Gnade erhalten wollen, die ihnen selten abgeschlagen wird
und die man stets nach ihrem Werthe bezahlt; denn im
osmanischen Reiche giebt es einen fehr ausführlichen Ta
riffür diesen ergiebigen Nationalgewerbzweig. Wer von
den Osmanen Geld braucht, der wendet sich an die
Armenier, welche auf diese Art außerordentlich ge
winnen.
- So viel Handelsgeschäfte auch die Armenier
machen, so halten sie doch nur wenige Leute. Sie füh
ren gewöhnlich allein Buch und Rechnung."
Das glänzendste Vorrecht der Armenier besteht
darin, daß sie seit länger als einem Jahrhunderte in
Besitz der Münze sind, wo sie bloß einen einzigen ma
homedanischen Aufseher haben, der den TitelZarpane
emini führt. Seit dieser Zeit hat eine und dieselbe Fa
milie das Geldmünzen in Pacht und für 65o Beutel,
welche sie alle Monate in den Miri liefert, kann sie so
viel Geld schlagen, als sie will; jedoch muß es vollges
haltig sein. Um sich den ersten Stoff dazu zu verschaf
fen, ist diese Gesellschaft berechtigt, in allen Caffen der
– 545 –
Saraffen die fremden Goldstücke unter dem Curse
anzunehmen; hierauf ziehet sie wieder von diesen ver
mittelst der Alliage eine Anzahl Rubiers ab, wodurch
sie gegenwärtig mehr als die Hälfte gewinnt. Ich ge
stehe, daß ich von den Armeniern als Fabrikanten
lieber spreche, als von ihnen als Saraffe n; denn ihr
Gewerbfleiß verdient in dieser Hinsicht viel Lob.
- Das armenische Blut ist im allgemeinen schön und
erhält sich ohne Mischungvollkommen rein. Die Manns
personen erkennt man an dem stark ausgeprägten asiati
fchen Profil, aber sie haben durchaus nicht den edlen
Ausdruck, der den Mahomedanern so gut steht, ob
sie sich ihnen schon in Hinsicht der Züge nähern. Ihre
Statur ist groß und sie find wohlbeleibt.
Der Patriarch von Constantinopel ist das Ober
haupt der armenischen Nation überhaupt und an ihn
wendet sich die Regierung in Hinsicht aller ihrer Verhält
niffe mit seiner Heerde. Die schismatischen Armenier
haben außerdem noch vier andere Patriarchen, deren
Sitze Jerusalem, Etfchmi - Azin, Cafarea in
Cappadocien und Aktamar sind. Die Katholiken
haben zwei Bischöfe zu Constantinopel, welche jedoch
bloß apostolische Vicarien der mit den Patriarchaten bes:
kleideten Cardinäle sind.
Die armenische Geistlichkeit hat sehr strenge Sitten,
welche auffallend mit denen der Griechen contrastieren.
Die Gebräuche der Armenier sind sonderbarer als ihre
Sitten.
Die Osmanlis haben einen Nationalgeschmack an
grünen Früchten.
– 546 –
Die Quartiere, durch welche ich gehe, haben die
längsten Straßen der Hauptstadt; jedoch bemerkt mani
darin weit weniger Bewegung als in denen zwischen der
St. Sophienkirche und der Suleimanie, welche
im Besitze des Handels sind. Ich frage nach dem Quar
tier Alvret Bazar, wo die berühmte Säule des Air
cadius ist. Peter Gilles will sie noch aufrecht stehend
gesehen haben, aber wer kann jetzt in einem Blocke, den
Feuersbrünste aufgelöst und so unförmlich gemacht ha
ben, daß man ihn für einen Felsen ansieht, dies präch
tige Denkmal wieder erkennen? Und doch ist dieser ver
fümmelte Block das Fußgestelle der berühmten Säule. Ein
A und E liefet man noch sehr deutlich darauf, welches die
Anfangsbuchstaben von Arcadius und Eudoria find.
Ein Tartare hat sein Zelt oder feinen Bivouak an dic
fer Säule aufgeschlagen, deren Inneres noch allein er
halten ist. W -

Dies Fußgestelle ist ungefähr 18 Fuß hoch und der


" Säulenschaft hat an der Basis zwölf Fuß im Durchmes
fer. Dies stimmt mit der ganzen Höhe von 120 Fuß
sehr gut überein. Sie ist von dorischer Ordnung und
ihre Spuren werden bald gänzlich verschwinden, wenn
man nach dem Verfalle urtheilen darf, welchen sie feitder
Zeit erlitten, wo sie Herr Chevalier gesehen hat. In
der Nachbarschaft liegt die kleine Moschee von Daud
Pascha, die bloß dadurch merkwürdig ist, daß sie an
die Demüthigung erinnert, zu welcher Bajazet I. Pa -
läe logus verurtheilte, indem er ihn nöthigte, in feiner
Hauptstadt eine Moschee errichten zu laffen und bei To
desstrafe einen Kadi anzunehmen. Die Moschee von
– 547 -

Daud Pafcha hat einen doppelten Säulengang von


Marmor von einer sehr angenehmen Gestalt.
Die Mahomedaner haben für einige Bäume,
worunter die Platane den ersten Rang einnimmt, die
nämliche Ehrfurcht, wie die Alten gegen die Eiche. Sie
beschattet vorzüglich ihre Brunnen, und man bekommt
dergleichen in der Hauptstadt zu Gesichte, um welche
man eine Capelle angelegt hat, fo daß der Baum aus
dem Giebel des Gebäudes herauskommt. Auch haben sie
eine besondere Vorliebe zu Blumen. -

Ich befinde mich auf dem Boden der Griechen


und Armenier, wie die beiden schönen Kirchen von
Stein, die man unter der Regierung des duldsamen
Selims angelegt hat, und jene Menge von Tavernen
unterwegs zeigen, die vorzüglich von Griechen besucht
werden. Ich fehe auch Mahomedaner hineingehen,
welche nicht zur niedrigsten Klaffe zu gehören scheinen.
In allen Tavernen sieht man junge Griechen, die wie
Frauenzimmer gekleidet gehen; und an ihren lasciven
Tänzen erkennt man das abscheuliche Gewerbe, das sie
treiben. ---

- Die Tavernen sind gewöhnlich große Säle oder viel


mehr Höfe, die oben verdeckt sind, mit zwei Stockwerken
von Galerien mit Verzierungen, welche in die verschiede
nen Zimmer führen, die in ihrer ganzen Länge hinliegen.
Ich nehme meinen Weg nach den alten Kloster
Studius, das in der Nachbarschaft der fieben
Thürme liegt; als ich aber um die Ecke einer Straße
herumging, wäre ich bald auf einen Leichnam getreten,
dem man den Kopf abgeschlagen und ihn unter den rech
– 548 –
ten Arm gegeben hatte. Der Caf idgi, in defen Bude
man nicht gehen kann, ohne aufden Leichnam zu treten,
sagte mir, dies Blut fey ein Beispiel von der Strenge
des Großveziers. Der Großherr hatte durch einen Fir
man verboten, nicht öffentlich Tabak zu rauchen. Der
Hingerichtete hatte sich demohngeachtet mit feiner Pfeife
im Munde vor ein Kaffeehaus gesetzt; der Großvezier
ging in dem Augenblicke auf Einer feiner Runden, welche
er Teptil (incognito) macht, vorbei, wandte sich an den
Menschen, der seinen Blick auf sich zog und fragte ihn,
ob er nicht den Firman kenne. Der Unglückliche glaubte
nicht, daß er mit dem Stellvertreter des Großherrn spreche
und antwortete mit dem bei den Osmanlis gewöhn
lichen Sprichworte: „,die Firmane gelten bloß
drei Tage.“ Der Großvezier gerieth über diese Ant
wort in Zorn, und ließ ihn durch die Dgeladids pak
ken, von denen er immer begleitet ist. Jetzt bemerkte
der Verwegene feinen Irrthum, berief sich auf feinen
Bruder den Seliktar (Schwerdträger) des ersten Mini
fers, allein dieser letzte Umstand beschleunigte nur ein
Todesurtheil, das auf der Stelle vollzogen ward. ,,Er
hat sein Geschick vollendet, setzte der fromme Maho
medaner hinzu; übrigens zeigt sich Gott, der groß ist,
barmherziger als der Sohn der Sklavin.“ So
nennt man den Sultan, wenn man ihm Mißbräuche seiner
Gewalt vorwerfen zu dürfen glaubt.
Doch macht dem Großherrn niemand sein Recht über
das Leben und den Tod feiner Unterthanen freitig, weil
man glaubt, er verfahre aus göttlicher Eingebung. Zu
Folge dieser Meinung muß ein zur Köpfung Verurtheil
– 549 –
ter, wenn er als guter Muselmann sterben will, ehr
furchtsvoll den Katti-cherif oder den geheiligten Buch
faben küfen, der sein Urtheil bestätigt. Die einzige
Gnade, die er in einem solchen Falle verlangt, besteht -
darin, daß man ihm erlaubt, das Abdeth oder das
Gebet zu verrichten. Jetzt hat diese blinde Ehrfurcht je
doch sehr abgenommen und jeder sucht sich fo viel als
möglich zu retten. Allein dies Recht des unbedingten Ei
genthums erstreckt sich der That nach bloß auf die Per
fonen, welche mit der vollziehenden Gewalt bekleidet sind;
diese kann der Sultan ohne Umstände hinrichten laffen;
der Pöbel freuet sich, wenn ihre Köpfe in den Staub
rollen, ja er tritt sie sogar mit Füßen, allein er würde
murren, wenn man unter feinen Augen ohne Grund
oder aus geringen Ursachen Privatpersonen hinrichtete,
weil er sich als keinen Sklaven betrachtet, wie die, welche
er den Pöbel des Serails nennt. Der Name Koul
(Sklaven), welchen die Unterthanen in Hinsicht des Ober
herrn annehmen, ist bloß eine Redensart und die Re
gierung ist also in Hinsicht der Nation überhaupt be
fchränkter als man glaubt; sie ist sogar furchtsamer als
irgend eine Andere und folglich schwächer. Sie zeigt fich
nur gegen die, welche sie beleidigen, auf eine kräftige
Art, wenn sie es ungestraft thun kann; dann ist bei
ihr keine Hoffnungzur Verzeihung, und der Angeklagte,
den sie verdammen kann, büßt für die Fehler derer, die
fie hat freisprechen müffen.
Der Sultan Mahmud mußte jedoch fehr viel
Vertrauen auf seine Macht besitzen, daß er einen so
strengen Befehl gegen die Tabaksraucher bekannt machte;
-
– 550 -

wahrscheinlich hat er es absichtlich, um einen Versuch


damit zu machen und zu sehen, wie weit er gehen könne.
Indeffen macht die Meinung allein feine Macht aus und
vergebens suche ich die Bayonnette, die ihm so viel Zus
verficht einflößen könnten. Das Vorurtheil ist eine ein
zige Stütze; ohne sie würde eine ganze Macht zusam
men stürzen. Auch darf man nicht glauben, daß der
Sultan alle drei Gewalten ohne Einschränkung in sich
begreift; dies ist ein Irrthum. Seine Macht hat hierin
Grenzen; aber dies ist nicht der Fall mit den Statthal
tern; hier unterstützt die Macht den Willen, rechtfertigt
alle feine Einfälle, und der Pascha thut nur zu oft, was
er will.
Die Witterung ist zu Constantinopel fehr unber
fändig; dies rührt von den beiden für fie, sowohl nach
heiligen als günstigen, Nachbarschaften her. Der Früh
ling ist im ganzen sehr veränderlich, besonders in der
Nachbarschaft des Kanals des schwarzen Meeres. Erst
im Monat Juni stellen sich die schönen Tage ein; dann
reinigt der Nordwind die Atmosphäre und mehrere Mo
nate lang genießt man alle Zauber eines ununterbrochen
nen Frühlings; mit Ausnahme der Tage, wo der Süd
wind wehet, welcher glühend heiß ist. Der Herbst, der
immer schön ist, verleugnet fich bloß zur Zeitdes Aequi
noximus, wo er oft mit starken Stürmen begleitet ist,
die aber von kurzer Dauer find. Die Herrschaft des
Südwindes beginnt zu Ende des Oktobers wieder, und
unterhält gewöhnlich eine heitere Witterung bis in den
Januar; bisweilen hält diese auch bis in die Mitte des
Februars an, Der Nordwind bringt alsdann Schnee,der
bisweilen sehr reichlich fällt und eine strenge Kälte ver
ursacht, gegen die man sich bloß durch Pelze, die man
anzieht, und ein Kohlenbecken schützt, dessen Wärme man
unter einem Tische vermittelt einer wattierten Decke eon
centrirt, unter die man sich bis ans Kinn steckt. Dieser
Wärmer, der Tandur heißt, ist bei den Franken,
Griechen, in den Harems, kurz allenthalben gewöhnt
lich, ob er schon viele Feuersbrünste und Unfälle verur“
acht, da er die Luft verdirbt.
Der Winter ist also in dieser Hinsicht eine sehr unº
angenehme Zeit zu Constantinopel, wenn er Frost
in seinem Gefolge hat und dies um so mehr, da der
Bau der Privathäuser bloß aufdie schöne Jahreszeit be
rechnet ist, welche für die Opfer der Erwartung entschi
digen muß.
Das Kloster Studius hat Leo der Große an
gelegt und ist jetzt eine Moschee, welche Emir - Abo“
Dgjamissi (Moschee des Bereiters) heißt. Die ums
liegende Gegend ist in einem großen Umfange mit Stüf
ken von Säulen, Kapitälern, Trümmern von Karnie“
von Marmor, ja sogar Bruchstücken von Verde antica
bedeckt. -

unter dem Boden, auf den man tritt, ist eine sehr
schöne Cisterne, die 32 Schritte lang und 23 breit ist
und deren Gewölbe aus kleinen Kuppeln besteht, welche
auf 23 Säulen von weißem Marmor, und Granit mit
corinthischen Kapitälern ruhen. Ein Vorhaus, das zur
Cisterne gehörte, und das vielleicht ihr Senklochanzeigte,
sieht man in dem Garten eines Türken; es ist ebenfalls
mit kleinen Kuppeln bedeckt, denen zwei Granitsäulen
- 552 -

mit ionischen Capitälern nach der Mitte hin Stützpunkte


gewähren.
Jetzt haben wir das Ziel der Alterthümer erreicht,
welche Confantinopel enthält; wir haben sie alle be
fehen, ohne ein Einziges auszulaffen.
Indem wir den Weg nach Pera einschlagen, neh
men wir unsere Richtung nach Ederne - Capuffi
hin, das sonst das Thor von Adrianopel hieß. Ich
befinde mich auf der geräumigen platten Erhöhung, die
mir breite und helle Straßen, schöne Häuser, große
Gemüsegärten und oft leere Plätze zeigt, von denen das
Feuer die Einwohner verscheucht hat.
Schon mehrmals bin ich angesehenen Mahomeda
nern begegnet, die zu Pferde von der Pforte oder dem
Serail in Begleitung ihrer Tschokadars zurückkeh
ren, die ihnen in zwei Reihen zu Fuße folgen. Das
Pferd ist bei den tartarischen Nationen das Zeichen des
Rangs; je höher dieser ist, destomehr giebt er das Vor
recht, eine gewisse Anzahl angeschirrter Handpferde vor
ausgehen zu laffen. Langt eine angesehene Person in ei
ner Stadt an, und will man ihr eine Ehre erzeigen, so
schickt ihr der Pafcha oder der Bey Pferde entgegen,
die sogleich bestiegen werden können. Wegen dieses Vor
urtheils würde kein Raya es wagen, in Constan
tinopel auf den Straßen herum zu reiten, besonders
wenn das Pferd schön und mit reichem Geschirr bedeckt
wäre. Bloß die Aerzte haben wegen ihres in den Au
gen der Türken ehrwürdigen Charakters dieses Vor
recht; doch ist daffelbe auch hefchränkt; denn wenn der
- 553 - W

Arzt einem Großwürden des Reichs begegnet, so muß


er absteigen. -

Ich gehe an der Einfaffungsnuer einer großen


Cisterne vorbei, welche jetzt ein Gemüsegarten ist und
welche Herr Chevalier für die Cisterne Mocifia hält.
Die Osmanlis errichten, wie die Alten, gern fromm
und nützliche Stiftungen. -

In diesen einsamen Quartieren begegne ich oft Frau


enzimmern, die mit einander herum gehen; aber nie
begleitet sie jemand, der das Alter der Mannbarkeit er
reicht hat, oder hält sie nur auf, ja er grüßt sie nicht
einmal. Jedes Geschlecht geht fillschweigend und ohne
sich anzusehen vor einander vorbei. /

Dies Frauenzimmer, das dahin geht und an der


Hand ein kleines Kind führt, auf defen Stirn ich eine
goldene Medaille sehe und um defen Hals ein Band von
Zechinen hängt, legt seinen Schleier bloß in Gegenwart
seines Vaters, feines Gatten, feines Bruders oder Soh
mes oder derjenigen ab, mit denen es sich wegen Ver
wandtschaft nicht verheirathen darf. Hat es die Jahre
erreicht, die nicht mehr zur Verführung geeignet sind,
dann braucht es nicht mehr so streng in der Beobachtung
dieses Gesetzes zu seyn, das der Gesetzgeber gegeben hat,
welcher mehr als irgend jemand den gefährlichen Ein
flußdes schönen Geschlechts kannte. Mit diesem Schleier,
besonders von Tuch und in Gesellschaft feiner Gefähr-"
tinnen kann dies Frauenzimmer hingehen, wohin es will,
auf das Feld und in die Stadt, ohne gegen den Anstand
zu sündigen oder die Freiheit zu übertreten, die ihm ge
stattet ist, Es ist also bei weiten nicht so sehr Sklave,
- – 554 – -

als man noch alle Tage behauptet. Nur muß es in fei


nem Benehmen sehr zurückhaltend feyn, denn seine Ge
fährtinnen sind fehr aufmerksam aufdasselbe. Seine Er
ziehung ist nach der bescheidenen Rolle berechnet, die es
in dieser Welt zu spielen bestimmt ist. Musik, Tanz
und alle angehmen. Künfte find ihm fremd. Vielleicht
hat man ihm lesen, ja sogar einige Buchstaben schreiben
gelehrt, aber dies ist mehr als es zur Erfüllung seiner
Pflichten braucht, die darin bestehen, den Befehl über
die Frauenzimmer zu führen und für sich selbst einen ge
ringen Antheil an den häuslichen Geschäften zu nehmen;
alles Andere fällt den Männern zur Last. Bei ihm fin
det man keine Verschnittenen; diese Luxusgegenstände find
bloß für die Großen, die zu sehr mit ihrem Range oder
ihrem Vermögen heschäftigt sind, als daß sie für ihre
Ehre sorgen könnten. Wenn in einem Hause ein ge
wiffer Wohlstand herrscht, so hat der Gatte und die
Frau ihren Tisch für sich; die männlichen Kinder haben
Einen zusammen und die Bedienung jedes Geschlechts
ißt abgesondert. Wenn daffelbe nicht die einzige Gattin
ist," so haben ihre Gefährtinnen oder Nebenbuhlerinnen,
wie man sie nennen will, auch ihren Tisch für sich.
Es sieht seinen Gebieter nach dem Gebete und nach
der Abendmahlzeit, in den Harem treten; er trinkt da
des Morgens seinen Kaffee und raucht eine Pfeife; er
entfernt sich früher oder später wieder, je nachdem er Ge
schäfte außerhalb hat; steht man in Verbindungen mit
ihm, so fragt man ihn, so vertraulich diese auch feyn
mögen, doch nie nach Nachrichten von seiner Gattin,
wenn diese auch im Wochenbette läge; man würde gar
– 555 –
sehr gegen den morgenländischen Anstand fehlen, wie man
schon aus seinem Stillschweigen sehen könnte. -

Seine Vergnügungen findet er bloß in seinem Ha


rem, wenn man nicht auch die Augenblicke, die er auf
dem Kaffeehause verliehrt und die Stunden so nennen
will, welche er im Freien unter einer Platane zubringt,
Seine Gattin ist in Hinsicht seiner ehelichen Treue ohne
Besorgniß; eben so wenig hat sie zu befürchten, daß er
das Vermögen seiner Kinder verspiele, weil er sich kaum
einige Schachpartien erlaubt. Die Sitten sind von bei
den Seiten gleich streng, und die Lebensweise ist regel
mäßig, ob schon aus verschiedenen Ursachen. Alles bis
her. Angeführte vernichtet einen Theil der Ungleichheit,
welche die Meinung zwischen dem Zustande beider Ge
schlechter bei den nahomedanischen Nationen macht, wo
der größte Vorzug, den die Mannspersonen vor den
Frauenzimmern haben, in dem Vorrechte besteht, über
die Aufrechthaltung der Gesetze zu wachen, welche jedoch
beide Geschlechter gewissenhaft halten müffen.
Das Thal Jeni- Baktsche (neue Gärten) ist sehr
angenehm; man findet darin fruchtbare Gärten, mit
Erndten bedeckte Felder und Wiesen; in der Mitte fließet
ein kleiner Strom. Endlich komme ich an dem Thore
von Adrianopel an. Hier verweilen meine Augen
auf einer alten Kirche, die sonst den heiligen Aposteln
(Felife - Dgjamiffi) geweihet war und auf einer
Moschee, die ihren Namen von dem Thore hat, wel
ches selbst einige Aufmerksamkeit verdient. Ich gehe durch
daffelbe, nehme meinen Weg nach dem nächsten Ein
feigeplatze hin und schiffe mich zu Pfamatia - ka
– 556 ---

puffi ein, das in mäßiger Entfernung von Emir -


Ahor - D.gjamiffi liegt.
* Auf meinem Wege von dem Thore von Adriano
pel nach dem Einsteigeplatze gehe ich vor einem Kaffee
hause vorbei, das einige Schritte von Egri - kapuffi
liegt und worin ein Erzähler (Medab) eine zahlreiche
Gesellschaft um sich her versammelt hat. Jeder hört sehr
aufmerksam zu und der Erzähler spricht aus dem Steg
reife über Gegenstände, welche eine Fortsetzung von
Taufend und einer Nacht sind. Seine Einleitung
ist gewöhnlich eine Schutzrede für den regierenden Sul
tan, die er mit Wünschen für eine Erhaltung beglei:
tet. Von da geht er zu dem Gegenstande über, den
ihm die Liebe und die Kalifen von Bagd ad an
die Hand geben und den er mit allen Schätzen der mor
genländischen Einbildungskraft bereichert. Alle feine Zu
hörer beobachten das tiefste Stillschweigen und hören
diesen Liebesabentheuern mit einer Art von Gier zu. Der
Medab, den ich anhöre, ist, wie Homer, blind,

Drei und zwanzigster Spaziergang,


T h e r a p i a. -

Gefieldie von Therapia – Charakter, Sit


- ten und Gebräuche der griechischen Nation
überhaupt und der Griechen des Fanals
insbesondere.

T h er a pia war bei den Alten unter dem Namen


Pharmasias bekannt und feine Gefielde find höchst
- 557 -

angenehm und reizend. Zu Therapia und Kurut


tsches me, einem andern Dorfe des Bosphorus hal
ten sich die ersten Familien der griechischen Nation auf,
welche die Freiheit hierher lockt, die ihnen in dem Quar
tier des Fanals versagt ist, wo sie vor einem halben
Jahrhunderte wohnten. Der Hafen von Therapia ist
gegen die Winde durch eine Reihe schattiger Berge gesichert,
an deren Fuße lachende Wohnungen stehen und die sich
gegen die Mitte hin auf eine angenehme Art öffnen, um
zwei Thälern den Durchgang zu öffnen. An den Ufern
des Bosphorus, der voller Fische ist, stehen eine
Menge Kiosks, immer an Stellen, wo man die
schönste Aussicht hat.
Der Grieche hat trotz dem Joche, unter welchem
er seit beinahe vier Jahrhunderten seufzt, noch die Gei
fesunabhängigkeit behalten. Vergleichen wir die griechi
fche Nation mit der türkischen und armenischen, so fin
den wir bei diesen letztern einen asiatischen Ernst, der
sich bei dem griechischen listigen Wesen empört fühlen
muß; das Gefühl der moralischen Ruhe, welche mitdies
fem unruhigen und beweglichen Geiste contrastiert, der
die Andere auszeichnet; eine ruhige,ja man kann sagen,
eiskalte Einbildungskraft, die fich niemals die vulkani
- fchen Ausbrüche erklären kann, welche die Leidenschaften
bei der ersten veranlassen; die Liebe zur Dunkelheit, den
Geist der Ordnung, den wir bei den Armeniern in
Filzigkeit haben ausarten sehen, dagegen bei den Grie
chen den Geschmack an Aufwand und Pracht, der bis
zur thörigsten Verschwendung geht. Zu diesem Haupt
zügen kommen noch die Wankelmüthigkeit, der Leichtsinn,
- 558 -

die Inconsequenz, die Eigenliebe, welche die Eitelkeit


und der Ehrgeiz beständig in Athen erhalten und welche
das unschuldigste Wort, oder die geringste Unachtsamkeit
beleidigen kann; ein unglaublicher Scharffinn, woraus
eine seltene Leichtigkeit entsteht, sowohl seine Gedanken
darzustellen, als jene Anderer zu errathen; ein großer
Hang zu Spöttereien, mit der Furcht vor dem Lächer
lichen; eine Ränkesucht, die sich aus Gewohnheit bis
auf die geringsten Gegenstände erstreckt; der Neid, der
alles wagt, selbst ohne Ehrfurcht gegen die Bande des
Bluts, welche er nur zu oft mit einem einer beffern
Sache würdigen Heldenfinne zerreißet: dies ist das treue
Gemälde dieser Nation, das von den Griechen des
Fan als entlehnt ist, die sie vermöge ihres Ranges dar
fielen und ein Recht haben, sich als die Aufbewahrer
des Nationalurbildes anzusehen.
Um eine so unruhige Nation im Zaume zu halten,
ist nicht weniger erfoderlich als das eiserne Joch der
osmanischen Regierung und doch würde sie es abschütteln
können, wenn Eintracht unter ihr herrschte; allein ver
möge ihres neidischen Charakters und ihres entschiedenen
Hangs zur Angeberei schmiedet sie ihre Ketten immer
fester und führt über sich selbst eine strenge Polizei, wel
che die entworfenen Anschläge angiebt, ja sogar denen,
wenn es feyn muß, dergleichen unterschiebt, die sie zu
Grunde richten will; daher können die Osmanen ih
nen die Sorge, sich selbst zu bewachen, so lange über
laffen, als sie uneinig sind. Dies ist der einzige Vor
theit, welchen die Pforte von den Besitze der Moldau
und der Wallachei hat, der von der andern Seite für
– 559 –

sie so verderblich ist; dies wird man bald deutlicher fe


hen. Vorher noch ein Wort von der politischen Ein
richtung; welche sich bloß auf das Vorurtheil und das
stillschweigende Uebereinkommen gründet.
Die Griechen theilen fich in zwei ganz verschie
dene Claffen, wovon die Erste aus solchen besteht, die
Aemter in den zinspflichtigen Provinzen verwaltet haben;
die Zweite begreift den Ueberrest der Nation in sich, wel
chen man noch von der Ersten durch eine Andere abgefon
dert betrachten kann, welche die der Kaufleute ist. Diese
Mittelklaffe steht in der öffentlichen Meinung weit unter
der höchsten, welche oft fehr ausgezeichnete Rollen spielt,
fo daß man behaupten kann, ihr Zustand fey der beste,
den man im osmanischen Reiche erlangen könne, wenn
man auf die politischen Vortheile, die sie von Rechts
wegen genießt und auf die sieht, welche sie sich durch
ihre ausgezeichnete Ueberlegenheit über die Nation an
maßt, welche zu herrschen glaubt.
Die Griechen verwalten stets die Dragomanstel
len bei der Pforte und find dadurch Meister der wichtig
ften Staatsgeheimniffe. Wegen dieser Vorzüge wächst
ihre Eitelkeit noch mehr. Jeder findet sich unter dem
Panier einer wichtigen Person ein, die für das Beneh
men aller Mitglieder ihres Hofs steht. Die Vornehmen
führen jederzeit einen geheimen Krieg unter einander,
um die Stellen der Hospodars der Moldau oder
Wallachei an sich zu reißen. Die Sieger krönt eine
glänzende Krone. Alsdann werden fie, wie die Paschas
von drei Roßschweifen, mit dem Ehrenpelze bekleidet,
welchen ihnen der Großherr in seiner Gegenwart anzie
– 560 –

hen läßt und fiel reisen in Begleitung eines zahlreichen


Hofs nach ihren Fürstenthümern ab. Mit der ganzen
Macht versehen, können sie nach Belieben tausende von
den Unterthanen, welche ihnen der Sultan überläßt,
glücklich oder unglücklich machen. „Die Justiz und die
Finanzen verwalten fie, wie sie es verstehen; diese gren
zenlose Macht aber ist für sie eine verborgene Schlinge,
in welche sie nicht selten vor dem Ablaufe der sieben zu
ihrer Regierung bestimmten Jahren fallen. Wenn sie
sich am sichersten glauben, werden sie abgesetzt und müss
fen wieder in den Privatfand zurückkehren.
Die in Ungnade gefallenen Fürsten laffen sich nicht
lange öffentlich sehen und die Pforte untersagt es ihnen, sich
im Fanal aufzuhalten, wo sie zu viel Gelegenheit ha
ben würden, die Minister der Pforte zu bestechen. Aber
so unterdrückt auch die Griechen in der Türkei sind,
so sind sie doch bei ihrem Einfluß die Schiedsrichter des
Geschicks eines Reichs, das sie unsichtbarer Weise regie
ren. Die griechische Nation würde in der That keine
Vorwürfe zu befürchten haben, wenn sie sich von den
Fehlern befreiete, welche der Ehrgeiz in feinem Gefolge
hat. Wie liebenswürdig würde sie dann feyn, und welche
Annehmlichkeiten würde man genießen, wenn man sich
dem Antriebe, derzu ihr hinzieht, ohne Mißtrauen über
laffen könnte!
Die Griechen des Fanals verbergen ihr Vermö
gen eben so sorgfältig als die Paschas und andere Be
amte, welche die Aufmerksamkeit des Sultans auf sich
ziehen können. Ein abgesetzter Hospodar schreiet über Air
muth, noch ehe er.des Purpurs beraubt ist. Unter dem
– 561 –
bescheidendsten Aeußern kommt er zurück, borgt und fos
dert die ungestümen Gläubiger auf, auf Bezahlung zu
dringen, damit sie aller Welt seine vorgebliche Armuth
bekannt machen und ihn von den tausendmal furchtbarern
Harpien befreien, die ihn beobachten. Zugleich sorgt er
dafür, eine erworbenen Schätze in ausländische Banken
zu thun. - - " - -

Die Opfer, welche der griechische Adel machen


muß, um sich mit der Regierung in gutem Einverständ
niffe zu erhalten und der Krieg auf. Tod und Leben,
welche Personen von dieser Claffe selbst mit einander
führen, find'Hindernisse, welche stets dem Aufschwunge
entgegen stehen, den die Freiheit beidieser Nation macht,
um sich zu befreien und der sich ohne Rückhalt bei der
Volksclaffe zeigt, welche nichts zu verlieren hat und alles
bei einer Veränderungihrer politischenLagegewinnen kann.
Die Griechen haben von Natur eine große Neis
gung zu den mechanischen Künsten, die sie mit mehr
Einsicht betreiben als irgend Eine von den andern Nas
tionen des Reichs; zum Handel, defen sämmtliche Ges
heimniffe fie durchschauen und in dem sie bisweilen kühne
Speculationen machen; zu den Wissenschaften und schön
nen. Künften trotz dem persönlichen und politischen Drucke,
der fogleich jene Funken zu unterdrücken sucht, sobald
ihr Glanz die Unwissenheit, die treue Gefährtin des Fas
natismus, in Schatten stellt. Es ergiebt sich hieraus,
daß die geschicktesten Handwerker und die fleißigsten
Ackerbauer von der griechischen Nation find und daß fast
alle Kaufleute, welche den Küstenhandel und den Hans
del im Innern betreiben, ebenfalls zu ihr gehören; daß
Z6
– 562 –

die Baukunft, die Einzige unter den freien Künsten, die


in osmanischen Reiche in Ehren steht, fast allein von
ihr betrieben wird und daß die Kenntniß der verschiede
nen Sprachen, die man in Morgenlande spricht, ver
bunden mit einem gebildeten Verstande, der vorzüglich
auch in der, Ränkekunft geübt ist, der ausgezeichneten
Claffe das Vorrecht verschaft, sich in die wichtigsten po
litischen Angelegenheiten als Dragomans bei der Pforte,
bei der Admiralität, und bei den Gesandten an den
fremden Höfen, zu mischen und sich folglich einen großen
Einfluß, beim Großvezier, beim Capudan Pascha
und bei den Stellvertretern des Sultans bei andern
Monarchen zu verschaffen.
Das weibliche Geschlecht verdient beiden Griechen
ebenfalls eine große Aufmerksamkeit und dies um fo
mehr, da es in der Gesellschaft einen politischen Rang
hat. Die griechischen Frauen machen mit den Arme
nierinnen und Türkinnen einen eben so auffallen
den Contrast als die griechischen Mannspersonen mit den
beiden andern Notionen. Sie haben eine schlanke und
zarte Taille und besitzen nichts von der Wohlbeleibheit,
welche dem Verfande nachtheilig ist. Ihr Schritt ent
lehnt von der morgenländischen Weichligkeit das, was
erfoderlich ist, um den Grazien das wohllüstige und
vnachlässige Ansehen zu geben, unter welchem die Liebe
ihre gewifenften Schlingen verbirgt. Die Griechinnen
haben einen schön gebildeten Fuß, ein Paar große
schwarze oder himmelblaue Augen, aus denen Funken
sprühen, wovon ein Einziger fast immer hinreichend ist,
einen Brand anzuzünden, den man schwehrlich wieder
– 563 –

löschen kann. So find auch alle übrigen Theile des


Körpers fehr schön gebildet und das Ganze stellt noch -
immer alle Umriffe der reinsten Antiken vor. Auch be
günftigen die Haare diese Täuschung, wovon ein Theil
, wogend auf die Schultern herabfällt und fehr häufig bis
auf die Lenden reicht, während der andere, mit Blumen
durchflochten, eine Krone um das Haupt bildet, so wie
man die Priesterinnen der Diana vorstellt. Der übrige
Anzug ist wegen seiner Eleganz ein Beweis von dem
Geschmacke derer, die ihn tragen und er macht ihre
Taille geltend.
Das Moralische der Griechinnen eontrastiert noch
mehr mit jenen der Türkinnen und Armenierin
nen. Sie besitzen eine lebhafte und glänzende Einbil
dungskraft, die man in dem Blicke und in dem Mie
nenspiele entdeckt; außerordentlich viel Scharfsicht; ge
fällige und leichte Manieren; eine Vorsicht, eine Artig
keit, die man nur in guter Gesellschaft findet. So viele
Urbanität und so viel Ausgezeichnetes in ihrem Beneh
men kann bloß das Werk des Umgangs beider Ge
fchlechter unter einander feyn, wobei beide gleich vielge
winnen und wodurch sich der Unterschied zwischen den
Griechen und den morgenländischen Nationen in Hin
ficht der Sitten, Vorurtheile und Gebräuche hinlänglich
erklären läßt. Indeffen find die - Griechinnen doch
bisweilen gewaltig eitel und ehrgeizig. „Man gebe mir
den Titel Prinzessin und ich sterbe zufrieden,“ ist ihr
Denkspruch. „Hätten Sie es wohl lieber gesehen, daß
er feinen Geist, wie ein Baccale (Kaufmann, der mit
Lebensmitteln handelt) aufgegeben hätte?“ gab. Eine zur
Antwort, die man wegen des Todes ihres Gatten be
klagte, der so eben sein Leben auf eine traurige Art
zwischen den beiden Thoren des Serails geendigt hatte.
Hierin haben sie einige Aehnlichkeit mit den alten Spar
tanerinnen, allein wie sehr unterscheiden sie sich wie
der in Hinsicht des Beweggrundes, der bei ihnen einen
solchen Heldenfinn erzeugt!

Auf einigen Inseln des Archipelagus, besonders


zu Chios, haben die Mädchen sehr viel Freiheit, die sie
aber verliehren, sobald sie heirathen. Die Griechen
des Fan als erhalten eine fehr sorgfältige Erziehung und
die Frauenzimmer von dieser Claffe bekommen eine wenig
gewöhnliche Geistesbildung. Sie verstehen mehrere Spra
chen, besonders das Französische und das Altgriechische;
sie kennen die strengen Wiffenschaften, die sie mit ange
nehmen Talenten zu verbinden wifen. Seit einiger
Zeit will auch die Claffe der Kaufleute an der Aufklä
rung Theil nehmen; sie ward dazu durch die Aufmunte
rungen eingeladen, welche der öffentliche Unterricht wäh
rend Selims Regierung erhielt, der freivon den Vorur
theilen und Besorgniffen feiner Vorgänger es mit Wohl
gefallen sah, daß diese Nation ihrem natürlichen Genius
Gehör gab, Damals blüheten die Schulen zu Kurut
fches me, Smyrna, Pathmos und einige Andere
in Morea; eine Druckerei wurde durch die Bemühun
gen der Griechen des Fan als "angelegt, welche die
Classiker der europäischen Nationen in ihre Sprache über
fetzen ließen. Nach Selims Tode geriethen diese Schu
len in Verfall, aber jetzt (1815) scheinen sie sich wieder
– 565 –
erheben zu wollen, so wie auch die Buchdruckerei, die
neue Lebensfunken von sich giebt. -

Im vertraulichen Gespräche mißbrauchen die Grie


chem, besonders die Frauenzimmer, die Figuren und
Eide gar sehr. Die Herrschaft der Religion verfährt bei
den Griechen überhaupt tyrannischer als bei irgend
einer andern christlichen Sekte. - Die Griechinnen find
in allen weiblichen Arbeiten sehr geschickt. In jeder aus
gezeichneten Familie, ja selbst bei denen, welche einen
gewiffen Wohlstande genießen, befindet sich eine junge
Person, die man vertrauetes Mädchen (Para
mori) heißt. Man wählt sie aus der armen Claff,
giebt sie von Kindheit an den Töchtern des Gebieters
zur Gesellschafterin und stattet sie aus, wenn sie heira
then will; außerdem sorgt man für alle ihre Bedürfe
niffe und sie theilt mit ihren Gebieterinnen alle Annehm
lichkeiten des Lebens, besonders ist sie auch in ihre ge
heimsten Gedanken eingeweihet. Die Griechen haben
noch, wie ihre Vorältern, Frauenzimmer zu ihrer häus
lichen Bedienung. Uebrigens stimmt bei den Griechen
des Fan als das häusliche Leben ziemlich mit dem uns
serigen überein, einige Ausnahmen abgerechnet. Der ges
wöhnlichem Claffe laffen sie die morgenländischen Ge
bräuche in Hinsicht auf die Mahlzeiten und behalten das
von nur das bei, was Bezug auf die Reinlichkeit hat
z. B. das Waschen an allen Theilen, womit man Nah
rungsmittel anrührt. Die alte Tugend der Gastfreiheit
ist noch immer gewöhnlich.
Ob schon die häusliche Regierung durch die That
nicht streng ist, so ist sie es doch aus Grundsatz, als
– 566 –

eine Folge des Einfluffes der politischen Regierung.


Außer der Ehrfurcht, welche die Kinder gegen ihre El
tern haben, haben sie auch nach dem Rechte der Erstge
burt noch Vorzüge unter sich; so küßt ein Bruder oder
eine Schwester die Hand des Aeltern an seinem Geburts
tage und spricht mit ihm stets mit einer gewissen Zurück
haltung, welche sein Alter gebietet.
Der Unterschied, welchen die Kopfbedeckung bei den
Mahomedanern macht, gilt auch bei der griechischen
Nation. Der gemeine Mann trägt einen blauen Tur
ban, der Kaufmann hat einen schwarzen Kalpak auf,
der die Gestalt eines Ballons hat, während man an
dem afracanischen Grauwerke den Boyaren erkennt.
Die Knaben tragen bis zum Alter der Mannbarkeit eine
rothes Tuch um den Kopf. Die Vornehmen, welche
Alemter verwaltet haben, haben das Vorrecht, den Bart
zu behalten und alle find von der Kopfsteuer frei, welche
die übrigen Rayas bezahlen müffen; dies macht sie ganz
den Türken gleich, vor denen sie auf der andern Seite
viele Vortheile haben.
Die gemeinen Griechen und die Frauenzimmer
überhaupt find äußerst abergläubisch und bestimmen sich
bei allen ihren Handlungen nach Vorbedeutungen, wozu
Umstände Veranlassung geben, die mit dem Intereffe
gar nichts zu thun haben, das sie beschäftigt.
E. n d e.
s
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EmpfehlungswertheBücher des Industrie-Comptoirs
- und der Baumgärtnerschen Buchhandlung
in Leipzig.
Reise durch Armenien und Persien
von P. Amadeus Jaubert, Ritter der Ehrenlegion, kö
niglicher Dolmetscher der orientalischen Sprachen, Pro
fessor der türkischen Sprache bei der königlichen Bi
bliothek u. . w. übersetzt aus dem Französischen durch
Dr.G., W. Becker. Mit 8 Abbil. in 8. 1 Thlr. 12 Gr.
T. R. Joliffe’s,
Reife i n P. a l ä ft in a,
Syrien und Aegypten im Jahre 1817. Mit vielen Zu
sätzen aus neuen ausländischen Reisebeschreibungen
übersetzt. Zum Behufe für Bibelleser. Nebst einer
Vorrede von Dr. E. F. K. Rosenmüller. Mit einer
Abbildung der Aufschrift auf der Pompejusäule.
gr. 8. 2 Thlr.
Feldzug des Generals Bonaparte
- in Italien,
während des 4ten und 5ten Jahres der französischen
Republik, von einem General der italienischen Armee;
. aus dem Französischen übersetzt von Julius
Paris, im 6ten Jahre der Republik. Mit der Karte
des Kriegsschauplatzes in Italien, illum., ingleichen
; mit dem wohlgetroffenen Portrait des Generals in
punktierter Manier, und mit der Metaille der Cisalpini
fchen Republik. gr. 8. 1 Thlr. 12 Gr. -

Colquhounºs Polizei von London,


besonders in Bezug auf Verbefferung und Verhütungs
mittel der Verbrechen. Aus dem Englischen nach der
5ten Auflage übersetzt. tr 1 Thlr. 20 Gr. 2r 1 Thlr.
18 Gr. 2 Bde. in 8. 3. Thlr. 14 Gr.

Anhang zu Colquhouns, Esqu.


Polizei von London.
Auch unter dem Titel: Auszug der Schrift: Einfache
Thatsachen in fünf Briefen an einen Freund über den
jetzigen Zustand c. von London. gr. 8. 4 Gr.
Dr. C. D. Er h a rd,
Handbuch des Preußisch-Brandenburg
Civil- Rechts,
enthaltend die Gesetze über die wichtigsten Vorträge des
bürgerlichen Lebens, so weit solche von den gemeinen
deutschen Rechten abweichen. Mit einer Vorrede ver
sehen, und mit dem Portrait Friedrich Wilhelm des
Zweiten, gr. 8. Schreibp. 1 Thlr. - -

Fenelons (Salignac de la Mott)


Lebensbefchreibungen
der berühmtesten Philosophen Griechenlands, nach der
neuesten Pariser Ausgabe von 1795, übersetzt und bei
arbeitet von Dr. Gruber. 8. 12 Gr.
Der blaue Schleier, romantische
Archivkunde
von Aug. Bergner. Mit Kpfrn. ebendas. 1 Thlr. 12 Gr.
macht auch den zweiten Theil der: „,heiligen Rot
fen, romantische Sagen aus dem Mittel
alter“ aus:
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- Österreichische Nationalbibliothek
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