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Susanne Krieg

Bedeutung von Bewegung für den


Lebensalltag junger Mütter

Als Hausarbeit für die fachpraktische Prüfung im Wahlpflichtfach


Gesundheitspädagogik in der Ausrichtung „Bewegung“ eingereicht an der
Pädagogischen Hochschule Freiburg i. Br.

Themensteller: M. Pfender

Datum: 06.11.2009
Hausarbeit zur fachpraktischen Prüfung „Bewegung“ im Wahlpflichtfach Gesundheitspädagogik
Susanne Krieg: „Bedeutung von Bewegung für den Lebensalltag junger Mütter“
SS 2009, betreut von M. Pfender

Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung.......................................................................................................................... 2
2 Gesundheit....................................................................................................................... 3
2.1 Theoretischer Hintergrund......................................................................................... 3
2.2 Gesundheitsförderndes Bewegungsverhalten.......................................................... 4
2.3 Bedeutung des Gesundheitssports .......................................................................... 6
3 Mutterschaft als besonderer Lebenszusammenhang....................................................... 7
3.1 Lebensalltag von Müttern.......................................................................................... 7
3.2 Stellenwert von Sport für Mütter ............................................................................. 10
3.3 Körperliche Veränderungen durch Schwangerschaft und Geburt........................... 11
4 Untersuchung exemplarischer Alltagssituationen........................................................... 13
4.1 Stehende Tätigkeiten.............................................................................................. 13
4.2 Stillen...................................................................................................................... 15
4.3 Heben und Tragen.................................................................................................. 17
5 Integration von Bewegung im Alltag............................................................................... 19
6 Ausblick.......................................................................................................................... 20

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Hausarbeit zur fachpraktischen Prüfung „Bewegung“ im Wahlpflichtfach Gesundheitspädagogik
Susanne Krieg: „Bedeutung von Bewegung für den Lebensalltag junger Mütter“
SS 2009, betreut von M. Pfender

1 Einleitung
Ein Kind zur Welt zu bringen, verändert das Leben einer Frau in vielerlei Hinsicht. Quasi
von heute auf morgen findet sich die junge Mutter1 in einem vollständig ungewohnten
Lebensalltag wieder. In vielerlei Fällen wird die vorherige Berufstätigkeit zumindest
vorübergehend ausgesetzt. Neue Situationen stellen Anforderungen, die im bisherigen
Lebensumfeld vielleicht kaum auftraten. Dies umfasst auch körperliche Belastungen, die
oftmals nicht in dieser Form vor der Zeit der Schwangerschaft und der Geburt erfüllt
werden mussten.

Der Körper einer Frau muss sich im Laufe des Wochenbetts zunächst von den Strapazen
der Geburt erholen. Das durch die Schwangerschaft in kurzer Zeit vermehrte Gewicht führt
bereits in dieser Phase zu einer vermehrten Belastung des körperlichen Organismus. Mit
der Geburt eines Kindes verändert sich die Situation nochmals kurzfristig. Das
Neugeborene ist nun als separates Wesen in die Lebenswelt der Mutter getreten. Es ist
vollkommen von der Fürsorge seiner Bezugspersonen abhängig und wird daher viel
getragen, gehoben, umsorgt. In erster Linie werden die meisten jungen Mütter versuchen,
sich selbst den Gegebenheiten des Neugeborenen anzupassen. So wird eine unbequeme
Körperhaltung vermutlich oftmals in Kauf genommen werden, solange nur das Baby nicht
aufwacht oder beim Stillen nicht gestört wird.

Das Baby wächst langsam heran, gewinnt an Gewicht und an Selbstständigkeit, wird aber
noch für einige Jahre von der Mutter gehalten werden. Eine über Jahre hinweg
angewöhnte ungünstige Körperhaltung oder einseite Muskelbelastung bzw. -überlastung
kann sich negativ auf das Wohlbefinden eines Menschen auswirken, beispielsweise in
Form von Rückenschmerzen.

Nach Meinung des Müttergenesungswerks befinden sich Mütter in Deutschland heute


nach wie vor in einer körperlichen und psychischen Extremsituation, wobei bei ca. jeder 5.
Mutter das sogenannte Burn-out-Syndrom auftritt, welches aus vielerlei
Beschwerdenbilder zusammengesetzt wird.2
1 Eine „junge Mutter“ bezeichnet in diesem Zusammenhang nicht eine junge Frau, die zur Mutter wurde,
sondern eine Frau, die in jüngster Zeit zur Mutter wurde, also eine Frau beliebigen Alters mit jungen
Kindern.
2http://www.fh-kiel.de/fileadmin/Data/technologietransfer/institut_frauenforschung/pdfs/VortragMuetter.pdf

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„Sie [Mütter] leiden an Schlafstörungen, Herzrasen, Versagensängsten,


Nervosität, Übermüdung und depressiven Verstimmungen, gynäkologischen
Beschwerden sowie Erkrankungen der Atemwege, des Bauch- und
Stoffwechselsystems, der Haut und des Muskelskelettsystems,[...]“ (S.4)

In der vorliegenden Arbeit soll daher ein Blick in den Lebensalltag junger Mütter eröffnet
werden, um hier Ansatzpunkte für ein gesundheitsförderliches Verhalten zu finden. Dabei
wird insbesondere auf die Bedeutung von Bewegung eingegangen.

Zunächst soll auf den Begriff der Gesundheit und die Bedeutung von Bewegung für die
Gesundheitsförderung eingegangen werden.

Der Stellenwert von Sport im besonderen Lebenszusammenhang der Mutterschaft wird


beleuchtet, woraus Informationen über die mögliche Integration von Bewegung in den
Lebensalltag gewonnen werden können.

Im Anschluss werden gezielt drei Alltagssituationen junger Mütter untersucht und im


Hinblick auf ein möglichst körpergerechtes Verhalten analysiert.

2 Gesundheit

2.1 Theoretischer Hintergrund


Bereits 1948 erkannte die WHO, dass nicht nur körperliche, sondern auch psychische und
soziale Bereiche im Lebensalltag eines Menschen zu dessen Gesundheitszustand
beitragen:

„Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und


sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und
Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen, ist
eines der Grundrechte jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der
Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen
Stellung.“ (aus der Präambel der Verfassung der WHO von 1948, nach
Franzkowiak (2006), S. 53)

Stand: September 2009


Elly Heuss-Knapp-Stiftung Müttergenesungswerk: "Gesundheit von Müttern und Kindern"; Vortrag im
Thüringer Landtag zum Weltgesundheitstag am 07. April 2005 von Prof. Adelheid Bonnemann-Böhner

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Auch wird hier Gesundheit nicht als reine Abwesenheit von Krankheit definiert, wie es in
früheren Definitionen noch üblich war. Gesundheit ist vielmehr ein Konstrukt, das aus dem
Lebensalltag heraus immer wieder neu hergestellt werden muss, so dass sich Körper,
Geist und soziales Erleben zu einem als positiv erlebten Gesamtzustand zusammenfügen.
Entsprechend erscheint es als logische Schlussfolgerung, nicht mehr nur nach den
Bedingungen von Krankheit zu forschen, sondern Fragestellungen an Gesundheit selbst
auszurichten, so wie es Antonovsky als Begründer der salutogenetischen Perspektive
getan hat. (Vgl. Franzkowiak (2006), S. 198f) Gesundheit und Krankheit begrenzen hier
ein Kontinuum, innerhalb dessen sich Gesundheitszustände verorten lassen. Dabei
werden sowohl Risikofaktoren wie auch Protektivfaktoren einbezogen. Je mehr
Widerstandsressourcen einem Menschen zur Verfügung stehen, desto eher können
auftretende Spannungen und Belastungen bewältigt werden. „Gesundheitswissen und
präventive[...] Einstellungen“ (Franzkowiak, 2006, S. 198) zählen beispielsweise zu den
Widerstandsressourcen. Ein in diesem Sinne angewendetes Bewegungsverhalten als ein
Aspekt in einem Kanon von Faktoren kann sich positiv auf die menschliche Gesundheit
auswirken.

Auch Appel-Schiefer (2000, S. 9) sieht körperliche Fitness lediglich als einen Teil von
Gesundheit:

„Fit sein heißt, die individuellen Anforderungen bewältigen zu können, und das
nicht nur körperlich, sondern auch mental und emotional. Ernährung,
Bewegung, soziale Kontakte, und Regeneration sind wichtige Bausteine dieser
Fitness.“

2.2 Gesundheitsförderndes Bewegungsverhalten


Gemäß dem sogenannten Oszillationsmodell ist es für den Erhalt der Gesundheit
förderlich, innerhalb einer Gesundheitszone zu agieren, welche aus verschiedenen
Polaritäten aufgebaut wird. (Vgl. Pfender (2004), S. 83f)

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Abbildung 1: Oszillationsmodell (Quelle: Pfender, 2004, S. 83)

So kann nach diesem Modell beispielsweise eine Phase der Belastung nur dann zum
Erhalt der Gesundheit beitragen, wenn auch eine Phase der Erholung einbezogen wird.
Ein zu starkes Tendieren hin zu einem Pol, beispielsweise bei übermäßiger körperlicher
Belastung ohne ausreichende Ruhephasen, führt im Laufe der Zeit aus der
Gesundheitszone hinaus in die Signalzone. Die hier erfahrenen Signale wie beispielsweise
Verspannungsgefühle oder Krämpfe an der Muskulatur sollen dem menschlichen
Organismus helfen, den Weg zu einer ausgewogenen Lebensweise wiederzufinden.
Werden Signale aber unterdrückt, so führt dies langfristig in eine Krankheitszone, da eine
einseitige Belastung einer Polarität ohne entsprechender Beachtung des Antipols erfolgt
ist. Verspannungsgefühle können sich so beispielsweise zu chronischen
Rückenbeschwerden ausweiten.

Das Oszillationsmodell bezieht sich hier auf Körpererfahrung im Bereich der Bewegung.
Doch sicherlich kann der Grundgedanke auch auf alle anderen Lebensbereiche
ausgedehnt werden. Beispielsweise im kognitiven Raum ist eine entsprechende
Oszillation zwischen kognitiver Belastung und geistiger Entspannung denkbar, ebenso wie
im sozialen Raum beispielsweise eine Gesundheitszone zwischen Geselligkeit und

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Isolation definiert werden könnte. Diese Bereiche in einer Betrachtung des Lebensalltags
einzubeziehen ist vermutlich sinnvoll, da der Mensch nicht als mechanischer Körper
losgelöst von seiner sozialen Umwelt existieren kann und ebenso psychische Prozesse
nicht aus dem Gesamtorganismus ausgeblendet werden können. Bewegungsverhalten
kann die Gesundheit eines Menschen also beeinflussen, ist aber nur einer von vielen
Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel auf den Organismus wirken.

2.3 Bedeutung des Gesundheitssports


Im Vergleich zum Leistungssport stehen beim Gesundheitssport gesundheitsförderliche
Effekte im Vordergrund. Durch entsprechende körperliche Aktivitäten sollen der

● „Gesundheitsstatus (Verbesserung von physischen und psychosozialen


Ressourcen, Reduzierung von Risikofaktoren sowie von Beschwerden und weiteren
Missbefindenszuständen),

● das Gesundheitsverhalten (vor allem Regelmäßigkeit sowie Einhaltung von


Belastungsnormativen und -umfängen),

● die Gesundheitsverhältnisse (z. B. Möglichkeit zur täglichen Radfahrt zur Arbeit)“


(Tiemann et al. (2005), S. 14)

positiv beeinflusst werden. Dies bedeutet, das Ziel des Gesundheitssports liegt nicht in
einer stetigen Leistungssteigerung oder in einer Maximierung von Muskelkraft. Es geht
vielmehr darum, dem evolutionär gewachsenen Bewegungsorganismus Mensch gerecht
zu werden, dessen Körper nicht auf die Komfortzonen der heutigen Lebensweise
ausgerichtet wurde. Durch Diskrepanzen zwischen genetisch und strukturell
determinierten Erfordernissen des Körpers und zivilisationsbedingt möglichem davon
abweichendem Verhalten kann die Fähigkeit zur eigenen Körperwahrnehmung verloren
gehen und dadurch auch die Fähigkeit, Signale zu erkennen, bevor es zu einem Eintritt in
eine Krankheitszone kommen kann. Beispielsweise Kopfschmerzen, die durch eine
ungünstige und starre Sitzhaltung auftreten könnten, sind in unserer Gesellschaft schnell
durch die Einnahme von Kopfschmerztabletten zu beseitigen. Was der Körper tatsächlich
bräuchte, vielleicht eine Bewegungspause, bleibt im Verborgenen, das Signal bleibt
unbeachtet. So kann auf Dauer möglicherweise der Gesundheitszustand des Organismus

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negativ beeinflusst werden.

Als eines der Kernziele des Gesundheitssports nennen Tiemann et al. (2005, S. 15) die
Stärkung psychosozialer Ressourcen. Hierunter findet sich auch die Wahrnehmung des
eigenen Körpers. Wechselwirkungen von Körperhaltung und Stimmung können hier
beispielsweise ebenso erfahren werden wie die eigenen Verhaltensweisen bei bestimmten
Abläufen, wie etwa beim Gehen der Fuß aufgesetzt wird und ähnliches. Aber auch die
Unterpunkte „Wissen“ und „soziale Kompetenz & Einbindung“ werden diesem Kernziel
zugeordnet. Als weitere Kernziele des Gesundheitssports werden benannt:

● „Stärkung von physischen Ressourcen (Ausdauer, Kraft, Dehn-, Koordinations-,


Entspannungsfähigkeit)“

● „Prävention von Risikofaktoren“

● „Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden“

● „Verbesserung der Bewegungsverhältnisse (z. B. Angebot an


Gesundheitssportprogrammen)“ und

● „Bindung an gesundheitssportliches Verhaltensweisen“

Wie aus diesem breiten Spektrum ersichtlich wird, kann Bewegung in vielfältiger Weise zur
Gesundheitsförderung beitragen. Nicht nur die Stärkung von Ausdauer oder Kraft alleine
sind relevant. Bewegung kann beispielsweise auch zur psychischen Entspannung
beitragen oder helfen, sich mit dem eigenen Körper überhaupt erst auseinanderzusetzen.

3 Mutterschaft als besonderer Lebenszusammenhang

3.1 Lebensalltag von Müttern


Wird eine Frau zur Mutter, so ändert sich ihr Lebensalltag grundlegend. Es werden schon
durch die Schwangerschaft vermehrte Anforderungen an den eigenen Körper gestellt. Ist
das Kind erst da, werden die eigenen Entfaltungsfreiräume schmaler, ein neuer
Lebensrhythmus muss gefunden werden und auch für die eigene Erholung müssen

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andere Nischen gefunden werden.

Die neue Rolle als Mutter bringt die Konfrontation mit gesellschaftlichen
Normvorstellungen mit sich. Hierzulande stellt die in Klischees herangezogende
Mutterrolle eher eigene Bedürfnisse zumindest für einen gewissen Zeitraum in den
Hintergrund, um sich in erster Linie dem Kindeswohl zuzuwenden. Ein Fenster für
(sportliche) Freizeitbetätigungen zu finden ohne in die soziale Rolle der „Rabenmutter“ zu
fallen, dürfte durchaus eine Herausforderung darstellen. Doch auch im Alltag gelten
gewisse Normen für die soziale Rolle der Mutter. Beispielsweise wird erwartet werden,
dass ein Kind, das sich wehgetan hat, auf den Arm genommen und getröstet wird. Dass in
diesem Moment vielleicht bereits mehrere schwere Einkaufstaschen die Hände der Mutter
belegen, ändert daran nichts. Entsprechend gibt es vermutlich unzählige Situationen, in
denen das Erfüllen der Mutterrolle in unserer Gesellschaft eine physiologisch ungünstige
Handlungsweise erfordert, beispielsweise durch kurzfristige Überanstrengung oder
einseitige Belastungen.

Nach Pfister (1999, S. 236-250) stehen Frauen heutzutage verschiedene Lebensentwürfe


zur Verfügung. Grob könnte man eine hauptsächliche Ausrichtung an der Familie von
einer Ausrichtung an der beruflichen Karriere abgrenzen. Viele Frauen versuchen aber
auch, Beruf und Familie zu vereinen. Obwohl zwar stark am Betreuungsangebot für
Kleinkinder gearbeitet wird, so ist es immer noch unzureichend, um die Nachfrage durch
(berufstätige) Mütter abzudecken. Betreuungsangebote für die eigenen Kinder müssen
also oft individuell organisiert werden, beispielsweise über Tagesmütter, um eine
berufliche Arbeit möglich zu machen. Aus diesem und anderen Gründen bleiben junge
Mütter nach der Geburt zunächst oft zumindest einen begrenzten Zeitraum zu Hause,
werden also zur Hausfrau auf Zeit.

„Nur-Hausfrauen“ haben, wie Pfister herausfand, mit einer mangelnden sozialen


Anerkennung zu kämpfen, da die „selbstverständliche Pflicht der Frau“ (ebenda, S. 239) in
unserer Gesellschaft nicht als Arbeit gewertet wird. Dies kann sich negativ auf das eigene
Selbstwertgefühl auswirken.

Vor allem die Betreuung und Erziehung der Kinder ist in Deutschland Frauensache, was
auch mit der sozialen Rolle einer Mutter in der Öffentlichkeit zusammenhängt. Gleichzeitig

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werden steigende Erwartungen an die Erziehung geknüpft und eine wachsende


Unsicherheit bei Eltern durch zahlreiche Ratgeber geschürt. Insofern könnte man
vermuten, dass auch hier wenig Hilfe zum Aufbau eines stabilen Selbstwertgefühls
geboten wird, weil eine „richtige“ Erziehungsvorgabe so nicht mehr existiert.

Vor dem Hintergrund dieses Lebensalltags, in dem Zeit eine knappe Ressource geworden
ist, stellt sich die Frage, wie Mütter sich ihr Freizeitbudget organisieren beziehungsweise
ob für ein solches überhaupt noch Platz ist. Nach Pfister haben Hausfrauen, im Gegensatz
zu berufstätigen Frauen, vor allem an den Wochentagen die Möglichkeit, Nischen für
eigene Beschäftigungen einzurichten. Wenn die Familienzeit beginnt, also mehrere
Haushaltsmitglieder zu versorgen sind, können Mütter dagegen eigene Bedürfnisse kaum
mehr erfüllen, weil sie primär für die Erfüllung der Freizeitbedürfnisse der anderen
Familienmitglieder verantwortlich sind, also die Kinder zum Fussballtraining fahren, den
Besuch bewirten oder ähnliches.

Doch auch die „Zwischendurchfreizeit“ (ebenda, S. 242) der Mütter ist begrenzt, vor allem
wenn sie sich um Kleinkinder oder Babys kümmern müssen. Planungen sind hier kaum
möglich, weil es schlecht vorhersehbar ist, wann eine Zeitnische zur Verfügung stehen
wird. Auch müssen die gewählten Freizeitaktivitäten sich an die vorhandenen
Gegebenheiten anpassen; beispielsweise kann, während das Kind schläft, zwar
Gymnastik im Haus durchgeführt, aber kein geleiteter Kurs außer Haus besucht werden.

Neben der Zeit als knapper Ressource erlebt eine Familie auch finanzielle Einschnitte,
sobald ein Einkommen wegfällt, dafür aber für ein weiteres Lebewesen gesorgt werden
muss. Insofern können hochflexible aber teure Alternativen wie beispielsweise ein
Personal Trainer, der auf Abruf nach Hause kommt, nicht als Alternative in Betracht
gezogen werden.

Bei „Nur“-Hausfrauen ebenso wie bei berufstätigen Müttern steht die Frage der
Kinderbetreuung an oberster Stelle. Wird das Kind bereits fremdbetreut um eine berufliche
Arbeit zu ermöglichen, so wird sich die Mutter intensiv Gedanken darum machen, ob eine
weitere Fremdbetreuung nicht die ohnehin beschnittene Familienzeit zu stark
einschränken würde. Viele Kinder hängen in den ersten Jahren auch sehr an der Mutter,
können also nicht ohne weiteres abgegeben werden.

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3.2 Stellenwert von Sport für Mütter


Pfister (1999, S. 236-250) untersucht Chancen und Barrieren für Mütter im Sport.
Frauensport ist historisch gesehen erst nach dem ersten Weltkrieg in unserer Gesellschaft
zunehmend üblich geworden. Zum Zeitpunkt der Studie nahmen ca. 40% der weiblichen
Bevölkerung an sportlichen Aktivitäten teil. Pfister befasst sich mit der Frage, wie der
Umstand der Mutterschaft sich auf die sportliche Betätigung von Frauen auswirkt,
insbesondere weil das Aufziehen von Kindern als körperlich und psychisch besonders
belastende Lebensphase angesehen wird, in der sportliche Aktivitäten einen Beitrag zur
Gesundheitsförderung leisten könnten.

„Auch wenn sportliche Aktivitäten den Alltag von Müttern nicht grundlegend
verändern, so können sie doch das körperliche Selbstvertrauen und das
Wohlbefinden verbessern, Aufbau und Pflege sozialer Beziehungen
unterstützen, Ablenkung und Entspannung ermöglichen, kurz die Gesundheit
fördern.“ (Pfister, 1999, S. 237)

Pfister führt Interviews mit Frauen durch, die in ihrem bisherigen Leben bereits eine enge
Bindung an Sport aufgebaut hatten. Durch Schwangerschaft und Geburt wurden diese
Frauen erstmals dem Sport entfremdet, nach einem Jahr waren die Interviewpartnerinnen
aber alle wieder sportlich aktiv. „Spaß, Ausgleich, Geselligkeit, Schlankheit, Fitneß und
Gesundheit“ (S. 244) wurden als Motive dafür genannt. Insbesondere das Ausbrechen aus
dem Familienalltag und die eigene Entspannung wurden als wichtige Funktion des Sports
genannt. Aber auch eine Annäherung an das in unsere Gesellschaft favorisierte
Frauenbild sollte der Sport leisten.

Obwohl die befragten Frauen dem Sport sehr positiv gegenüber standen und auch sehr
motiviert waren, mussten sportliche Aktivitäten aus Zeitgründen reduziert werden.
Trotzdem führte die Betätigung zur Beschneidung anderer Verpflichtungen, beispielsweise
der Haushaltsführung oder der Freundschaftspflege, was bei vielen Müttern auch
Schuldgefühle hervorrief, die wiederum die sportliche Aktivität mit einem schlechten
Gewissen belegten.

Insgesamt mussten die sportaktiven Mütter ihren Alltag sehr stark organisieren und sich

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Zeiträume einteilen, um ihren Aktivitäten nachgehen zu können. Dies führt auch dazu,
dass gemeinsamer Sport mit Freunden oft nicht möglich ist, weil diesen andere Zeitfenster
zur Verfügung stehen. Mit dem Mangel an gemeinschaftlicher Betätigung geht ein
wichtiger Motivationsfaktor für körperliche Aktivität verloren. Auch sollte der Aufwand, den
eine Fremdbetreuung der Kinder mit sich bringt, nicht unterschätzt werden. Schließlich
müssen die Kinder entsprechend vorbereitet, die benötigten Utensilien gepackt und die
Kinder zum Bestimmungsort gebracht und dort auch wieder abgeholt werden. Ein kurzer
Sprung ins Fitness-Studio kann so zu einem mehrstündigen Projekt ausarten.

Wenn sich also bereits für Frauen, die vor ihrer Schwangerschaft aktiv Sport betrieben
haben und generell in ihrem Leben nicht auf Sport verzichten wollen, Hürden solcher Art
stellen, dass sie zumindest vorübergehend auf sportliche Aktivitäten verzichten, so dürfte
dies umso mehr auf Frauen wirken, die bisher weniger sportliche Aktivitäten verrichtet
haben. Für Frauen, die bislang weder dem Profi- noch dem Freizeitsport zugetan waren,
akkumulieren sich die verzeichneten Hürden, die eine Mutterschaft mit sich bringt, mit den
Anfangsschwierigkeiten, denen jeder Mensch sich gegenübersieht, wenn er mehr
Bewegung in sein Leben bringen möchte. Umso wichtiger erscheint vor diesem
Hintergrund, einen Blick in den Alltag zu werfen, damit zumindest besonders risikoreiche
Situationen entschärft werden können. Zuvor soll jedoch auf die besonderen körperlichen
Gegebenheiten von Schwangeren und jungen Müttern eingegangen werden.

3.3 Körperliche Veränderungen durch Schwangerschaft und


Geburt
Selbst wenn zeitliche Fenster und Motivation für körperliche Betätigung gefunden werden,
müssen junge Mütter die Veränderungen, die ihr Körper durch die Belastungen der
Schwangerschaft und der Geburt erfahren hat, berücksichtigen. Ein zu belastendes
Sportprogramm kann sich ebenso schädlich auf den Organismus auswirken wie das
Unterlassen jeglicher Bewegung.

Appel-Schiefer (2000, S. 14-25) führt einige Entwicklungen an, die bei der
Wiederaufnahme von Aktivitäten zu berücksichtigen sind.

Während des Wochenbetts, das die ersten vier bis sechs Wochen nach der Geburt

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umfasst, finden verschiedene Rückbildungsprozesse parallel statt. Während dieser Zeit


empfiehlt sich eine behutsame und wohldosierte körperliche Bewegung, so dass die
Regenerationsprozesse unterstützt werden, der Körper aber nicht während der
Wundheilung überfordert wird.

Die in der Schwangerschaft bereits angewachsenen Brüste vergrößern sich bei stillenden
Frauen durch den Milcheinschuß nochmals. Das für den Körper ungewohnte Gewicht
kann sich ungünstig auf die Körperhaltung der Mutter auswirken, insbesondere wenn dies
durch einseitige Belastungen, z.B. beim Stillen oder Tragen unterstützt wird. Dies kann auf
Dauer zu Verspannungen und Schmerzen im Rückenbereich führen.

Durch die Ausschüttung des Hormons Relaxin während der Schwangerschaft wird das
Gewebe der werdenden Mutter in Vorbereitung auf die Geburt gelockert. Bänder, Sehnen
und Muskelapparat werden elastischer, wodurch auch die Gelenke an Stabilität verlieren.
Nach der Geburt wird zwar kein Relaxin mehr produziert, dennoch dauert es ca. fünf
Monate, bis das Hormon vollständig abgebaut ist.

Durch Schwangerschaft und Geburt erfährt der Beckenboden eine besonders starke
Belastung. Erschlafft diese Muskulatur, so können neben vielen anderen Beschwerden
auch Schmerzen im unteren Rücken eintreten. Die Beckenbodenmuskulatur dient der
Haltung und Stütze des Körpers. Insofern empfiehlt sich dringend der Besuch eines
Rückbildungskurses, dessen Ziel eine Stabilisierung der Beckenbodenmuskulatur ist.

Die Bauchmuskulatur, die als Gegenspieler der Rückenmuskulatur dient, verändert sich
während der Schwangerschaft ebenfalls stark. Die gesamte Muskulatur wird mit Hilfe des
Relaxin extrem gedehnt. Oftmals weichen die geraden Bauchmuskeln der wachsenden
Gebärmutter seitlich aus (Rektusdiastase). Nach der Geburt dauert es mehrere Wochen,
bis die gerade Bauchmuskulatur sich an ihren ursprünglichen Platz zurück verschoben
hat. Entsprechend sollte diese Muskulatur in der ersten Zeit nach der Geburt nicht trainiert
werden.

Durch die höhere Elasizität von Bändern und Bandscheiben wird auch die Stabilität der
Wirbelsäule beeinträchtigt. Durch den Babybauch und den damit veränderten
Körperschwerpunkt kann es bereits während der Schwangerschaft zu einer
Beckenfehlhaltung kommen, so dass die Lendenwirbelsäule einer übermäßig starken

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Lordose ausgesetzt ist. Die gegenwirkende Bauchmuskulatur kann während einer


Schwangerschaft aufgrund der starken Dehnung ihren stabilisierenden Einfluss auf die
Wirbelsäule nicht ausüben. Oft wird die durch den Babybauch verursachte Fehlhaltung
auch nach der Geburt noch beibehalten.

4 Untersuchung exemplarischer Alltagssituationen


Sind nun, wie aus dem bisherigen Verlauf der Arbeit ersichtlich, Mütter eine
Bevölkerungsgruppe, die erheblichen gesundheitlichen Risiken unterliegt, so findet gerade
diese Gruppe im Alltag oft wenig Zeit für präventives Verhalten in Form von körperlicher
Aktivität. Daher sollen im folgenden drei Alltagssituationen junger Mütter untersucht
werden, um Fehlhaltungen bereits im Vorfeld entgegenwirken zu können. So kann
exemplarisch gezeigt werden, dass bereits im Alltagsverhalten zur körperlichen
Gesundheit beigetragen werden kann, auch wenn Fenster für weitere Aktivitäten vorerst
noch nicht geöffnet sein sollten.

4.1 Stehende Tätigkeiten


Je nachdem, welche Tätigkeit vor der Schwangerschaft hauptsächlich ausgeübt wurde,
sind die körperlichen Anforderungen an eine Hausfrau – und zu dieser Gruppe gehören
viele junge Mütter zumindest vorübergehend – möglicherweise in vielem oder in Teilen
neu. Sitzende Tätigkeiten bestimmen den Alltag einer Hausfrau eher weniger, viele
Aufgaben müssen dagegen im Stehen verrichtet werden, wie beispielsweise Kochen,
Putzen, Spülen, Wäsche zusammenlegen, Staubsaugen u.v.m. Aber auch das Wickeln
des Neugeborenen, das in den ersten Monaten vermutlich sehr viel Zeit beanspruchen
wird, wird in unserer Gesellschaft üblicherweise im Stehen verrichtet.

Kempf (2008, S. 371-375) betont die Wichtigkeit der richtigen Arbeitshöhe , um


rückengerechte Verhältnisse schaffen zu können. Bei fünf bis zehn Zentimetern unter der
eigenen Ellenbogenhöhe liegt in der Regel die günstigste Höhe für eine Arbeitsfläche. Je
nach Art der Arbeit kann dieser Wert noch verändert werden. Bei schwereren Arbeiten
sollte die Arbeitshöhe beispielsweise auf bis zu 30cm unter den Ellenbogen absinken,
damit auch die Kraft des Oberkörpers eingesetzt werden kann. Das Wickeln eines Babys

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ist mit Sicherheit nicht als leichte Feinarbeit zu bezeichnen, weshalb die Arbeitsfläche hier
ruhig etwas abgesenkt werden kann. Idealerweise solllte ein höhenverstellbarer
Wickeltisch angeschafft werden, so dass eine Anpassung an die eigene Körpergröße
möglich ist. Auch bei der Küchenarbeit sollte eine rückengerechte Arbeitshöhe möglich
sein. Beispielsweise bei einer Körperhöhe von 165cm emfiehlt Kempf eine Arbeitshöhe
von 80-100cm. Ist der Arbeitsplatz auffällig zu nieder oder zu hoch, sollte über den Einsatz
von Hilfsmitteln (z.B. Hocker oder aufgelegte Holzbalken) nachgedacht werden.

Neben der Arbeitshöhe ist die Körperhaltung im Stehen ein Faktor, der sich der eigenen
Aufmerksamkeit entziehen kann. Längeres Stehen sollte nach Kempf dynamisch
ausgerichtet sein, also Positionswechsel aufweisen. Ist die Haltemuskulatur des Körpers
ungenügend oder fehlerhaft trainiert, so können fehlerhafte Körperhaltungen auftreten.
Um einer Kippung des Beckens in eine verstärkte Lordose („Hohlkreuz“)
entgegenzuwirken, ist eine Stärkung von Bauch- und Gesäßmuskulatur sinnvoll. (ebenda,
S. 153f) Dies bedeutet für die Arbeit im Stehen, dass Bauch und Gesäß leicht angepannt
werden sollten, damit das Becken in einer aufrechten Position verbleiben kann. Wird die
korrekte Haltung im Bereich der Lendenwirbelsäule auf Dauer vernachlässigt, so kann es
durch Verkürzungen im Bereich der Rückenstrecker und der Hüftbeugemuskulatur zu
dauerhaften Fehlstellungen, einem Hohlrücken, kommen. Diese Fehlstellung zieht in der
Regel chronische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit sich. Folgende
Abbildung nach Tiemann et al. (2005) verdeutlicht nochmals das hier beschriebene
Zusammenspiel der Körpermuskulatur.

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Abbildung 2: Ungleichgewicht der Muskeln bei einem Hohlrücken


(Quelle: Tiemann et al. (2005), S. 173)

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4.2 Stillen
Erst mit der Geburt eines Babys stehen Frauen der vollkommen neuen Aufgabe des
Stillens gegenüber. Stillen erfährt in unserer Gesellschaft wachsende Anerkennung, da
von vielen positiven Auswirkungen auf den Säugling ausgegangen wird. Daher wird ein
Großteil der jungen Mütter zumindest für einen kurzen Zeitraum ihr Neugeborenes
vermutlich stillen. Da es sich hierbei um eine Aufgabe handelt, die nicht aus dem
bisherigen Erfahrungsschatz einer Frau abgeleitet werden kann, ist das Stillen prinzipiell
von Unsicherheit geprägt. Oft werden junge Mütter jede nur erdenkliche Körperhaltung
erdulden, solange nur der Stillvorgang selbst zufriedenstellend abläuft, das Baby also
trinkt und auch satt wird. Wenn man davon ausgeht, dass ein Stillvorgang sich bis zu einer
Stunde hinziehen kann und viele Babys in eher kurzen Abständen nach der mütterlichen
Brust verlangen, kann eine ungünstige Körperhaltung schnell zu Verspannungen und im
Sinne des Oszillationsmodells zum Eintritt in die Krankheitszone führen.

Oft stillen Mütter ihre Kinder im Sitzen. Die sitzende Körperhaltung an sich ist aber die
ungesündeste aller Dauerhaltungen, insbesondere wenn sie starr eingehalten wird.
Idealerweise sollte eine aufrechte Sitzhaltung eingenommen werden, die einem
regelmäßigen Wechsel unterliegt und von Bewegungspausen unterbrochen ist. (Vgl.
Pfender, 03/04, S. 31) Beim Stillen dagegen wird die Körperhaltung der Mutter eher nach
vorn gebeugt sein, um dem Baby das Erreichen der Brustwarze zu erleichtern. Auch wird
eine Haltung, bei der das Stillen erfolgreich ist, eher nicht durch dynamisches Sitzen
verändert werden.

Durch ein häufiges, starres, zusammengesunkenes Sitzen, kann sich auf Dauer ein
Rundrücken ausbilden. (Vgl. Pfender, 03/04, S. 31) Dabei wird die Muskulatur zwischen
den Schulterblättern zu stark gedehnt, der Schultergürtel verlagert sich nach vorn und
gleichzeitig verkürzt sich die Muskulatur im Bereich des Brustkorbs. Diese
zusammengesunkene Haltung kann sich wiederum negativ auf die Psyche eines
Menschen auswirken, da sie den äußerlichen Spiegel einer „niedergedrückten“ Stimmung
darstellt.

Junge Mütter sollten, um dieser möglichen Entwicklung entgegenzuwirken, unbedingt


verschiedene Stillhaltungen ausprobieren, auch wenn im ersten Moment eventuelle

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Anpassungsschwierigkeiten auftreten mögen. Es empfiehlt sich hier insbesondere,


individuellen Rat bei der betreuenden Hebamme einzuholen oder eine Stillgruppe zu
besuchen. Für das Stillen im Sitzen empfiehlt sich das Unterlegen eines Stillkissens, so
dass die Distanz zur Brust nicht durch ein Vorbeugen der Schulterpartie ausgeglichen
werden muss, sondern das Baby näher an die Brust gehoben wird. Aber auch komplett
andere Körperhaltungen sind für das Stillen denkbar, beispielsweise kann ein Baby auch
im Stehen, Gehen oder Liegen trinken. Idealerweise sollte die junge Mutter dynamisch
zwischen den verschiedenen möglichen Haltungen abwechseln.

Zusätzlich empfiehlt sich eine regelmäßige Dehnung der Brustmuskulatur, insbesondere


wenn doch desöfteren eine zusammengesunkene Haltung auftritt.

4.3 Heben und Tragen


Kempf (2008, S. 190-200) bezeichnet das „Heben, Absetzen, Tragen“ als eine „vermehrte
mechanische Belastung für die Wirbelsäule und einen Risikofaktor für Rückenschmerzen“.

Abbildung 3: Kranmodell (Quelle: Kempf, 2008, S. 195)

Entsprechend dem oben abgebildeten Kranmodell empfiehlt Kempf eine möglichst

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senkrechte und nahe Haltung zum aufzuhebenden Gegenstand. Bei vorgeneigtem


Oberkörper wirken um ein Vielfaches mehr Kräfte auf die Wirbelsäule belastend ein als bei
einer aufrechten Haltung, aus der die Last vorwiegend durch Belastung der
Beinmuskulatur angehoben wird. Überlastungsschäden durch falsches Heben oder
Tragen treten „vorwiegend im Bereich der Wirbelsäule und bei Frauen im Bereich des
Beckenbodens“ auf. Generell gilt für Frauen zwischen 19 und 45 Jahren, die sicherlich den
Großteil der jungen Mütter abdecken, eine zumutbare Last von 15kg für gelegentliches
und 10kg (entspricht einem durchschnittlichen Kleinkind) für häufiges Tragen. Für
Schwangere jedoch liegen die empfohlenen Grenzwerte bei 10kg (gelegentlich) bzw. 5kg
(häufig), was insbesondere für Frauen, die bereits ein Kleinkind versorgen müssen,
vermutlich relativ schwer einzuhalten sein wird.

Entsprechend empfiehlt es sich für Mütter, ihre Kinder gemäß folgender Skizze nach
Pfender, 03/04, hochzuheben.

Abbildung 4: Das rückenfreundliche Heben eines Kindes (Quelle: Pfender, 03/04, S.


61)

Einhändiges Heben beschreibt Kempf (2008, S. 205) als „hohes Risiko für die
Lendenwirbelsäule“. Daher wäre es für junge Mütter besser, sperrige Lasten, wie
beispielsweise den Babysafe, beidhändig nahe vor dem Körper zu tragen. Sollen
gleichzeitig noch Einkaufstaschen transportiert werden, kann das Gewicht eventuell

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gleichmäßig auf beide Seiten verteilt werden. Vielleicht hilft es auch, den schweren
Babysafe im Auto zu lassen und nur das Baby selbst zu tragen, um Überlastungsschäden
zu vermeiden.

Vor einer weiteren kritische Situation stehen Mütter, die ihr Kleinkind in einem
Gitterbettchen zum Schlafen niederlegen wollen. Eine den obigen Beschreibungen
entsprechende rückenfreundliche Vorgehensweise wird dadurch erschwert, dass das
Gitterbettchen selbst der Mutter im Weg steht, also ein körpernahes Arbeiten unter
Umständen nicht möglich ist. Hilfreich kann hier ein höhenverstellbares Bett sein, so dass
eine zu starke Beugung des Rückens nicht nötig wird. Kleinkinder können sich, im tiefer
gestellten Bettchen, bereits selbst hinlegen, wenn sie stehend auf der Matratze abgestellt
werden. Auch diese Vorgehensweise erlaubt eine relativ gerade Körperhaltung.
Letztendlich sollte bei der Wahl des Bettchens darauf geachtet werden, dass einzelne
Gitterstäbe herausgenommen werden können. So können Kleinkinder schon früh selbst in
das Bett klettern beziehungsweise nach dem Schlaf heraussteigen.

5 Integration von Bewegung im Alltag


Wie im Verlauf der Arbeit beschrieben, sind die Nischen, die Müttern vor allem kleinerer
Kinder für ihre eigene Freizeit erhalten bleiben, relativ schmal. Daher empfiehlt es sich,
Bewegungsangebote zunächst im Alltag wahrzunehmen.

Bereits Neugeborene können im Kinderwagen auf längere Spaziergänge mitgenommen


werden. Es empfiehlt sich auch, kleinere Einkäufe, beispielsweise zum Bäcker, zu Fuß zu
erledigen. Ist es draußen sehr kalt oder fühlt sich das Baby im Wagen unwohl, werden im
Handel verschiedene Tragevorrichtungen angeboten, die dennoch ausgedehnte
Spaziergänge ermöglichen.

Bei längeren Distanzen können Mütter, sobald eventuelle Geburtsverletzungen verheilt


sind, ihr Fahrrad einsetzen. Bequem und sicher können schon kleinste Kinder mitfahren,
wenn in einen Fahrradanhänger investiert wird, in den spezielle Babyschalen eingebaut
werden können. Ein Anhänger bietet auch die Möglichkeit, Gepäckstücke oder Einkäufe
komfortabel zu verstauen.

Ist die Rückbildungsphase abgeschlossen und der Beckenboden wieder stabilisiert, so

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können junge Mütter anfangen, die Spaziergänge zu sportlichen Aktivitäten auszubauen.


Mit gut gefederten Kinderwägen ist eine Walking-Tour durchs Feld gut möglich. Je nach
Modell kann der Wagen auch zum Joggen mitgenommen werden.

Ausdauertraining kann aber auch in den gemeinsamen Familienausflug integriert werden.


Beispielsweise könnten sich die Mutter und der Vater bei einem gemeinsamen
Schwimmbadausflug bei der Aufsicht der Kinder abwechseln, so dass jeder seine
Ausdauer beim Schwimmen trainieren kann.

Aber auch andere Alltagssituationen bieten die Möglichkeit, Übungen einzubauen.


Beispielsweise könnten während des Zähneputzens Kniebeugen gemacht werden o.ä.

Gemeinsame Bewegung mit ihren Kindern können Müttern viel Spass bringen. Es gibt
beispielsweise Mutter-und-Kind-Gruppen, in denen Bewegung unter Anleitung stattfindet.
Genauso gut können Bewegungsspiele mit dem eigenen Kind aber auch zu Hause
gespielt werden. Die einfachste Variante wäre dabei das altbekannte Fangspiel, aber es
gibt auch Bewegungslieder, nach denen gemeinsam getanzt werden kann.3

6 Ausblick
Nicht nur Bewegung alleine ist zum Erhalt der Gesundheit von Müttern wichtig. Wie alle
Menschen sind auch Mütter biopsychosozial eingebundene Lebewesen. Appel-Schiefer
(2000) nennt als wichtigste Energiequellen für das Bewältigen der neuen Alltagssituation
als Mutter „Bewusste Wahrnehmung“, „Entspannung/Regeneration“, „Soziale Kontakte“,
„Ernährung“ und „Bewegung“.

Es ist also auch wichtig, sich zunächst seiner selbst bewusst zu werden. Mutter zu sein
bringt jeder Frau Facetten des Lebens näher, die so vorher nicht zu finden waren. Sich
selbst damit auseinanderzusetzen, seinen Platz zu finden und sich darüber bewusst zu
sein, wo man steht, ist in dieser wie in jeder anderen neuen Situation ein wichtiger Schritt,
um sich der neuen Herausforderung stellen zu können.

Insbesondere die Entspannungsphasen von Müttern können oft sehr kurz ausfallen. Hier
kann wiederum Bewegung unterstützend wirken. Oftmals gelingt es bei einem langen
Spaziergang, den Kopf endlich frei zu bekommen oder eine sportliche Aktivität erfordert

3 Beispielsweise von Detlef Jöcker „1-2-3 im Sauseschritt“

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eine ausschließliche Konzentration, so dass der Alltagsstress für eine Stunde komplett
ausgeblendet werden kann. Aber auch andere Vorgehensweisen können zur Entspannung
führen. Jede Mutter muss hier wiederum die eigenen Bedürfnisse bewusst wahrnehmen
und herausfinden, ob es der Kinoabend oder die wöchentliche Massage ist, die der
eigenen Regeneration am dienlichsten ist.

Doch auch wenn Bewegung nicht zum Zwecke der Entspannung eingesetzt wird, so ist
der menschliche Körper evolutionär doch auf sie ausgerichtet. Ohne Bewegung
verkümmern Muskulatur und mit der Zeit auch Organe. Sowohl das Herz-Kreislauf-System
als auch einzelne Muskelgruppen sollten wohldosiert belastet werden.

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Literaturliste

Appel-Schiefer, Marion; Lichte, Horst (2000): Wieder fit nach der Geburt. Rückbildung und
Aufbautraining für eine gute Figur /. Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-
Verl.
Franzkowiak, Peter; Kaba-Schönstein, Lotte; Lehmann, Manfred; Sabo, Peter (2006): Leitbegriffe
der Gesundheitsförderung. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden der
Gesundheitsförderung /. 4. erw. und überarb. Aufl. Schwabenheim a. d. Selz: Fachverlag Peter
Sabo
Kempf, Hans D.; Fischer, Jürgen (2008): Die Rückenschule. Das ganzheitliche Programm für
einen gesunden Rücken /. Vollständig überarb. und erw. Neuausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt
Taschenbuch Verl.
Pfister, Gertrud (1999): Sport im Lebenszusammenhang von Frauen. Ausgewählte Themen /. 1.
Aufl. Schorndorf: Hofmann.
Pfender, Manfred (2004): Reader „Ganzheitliche Gesundheitsförderung durch sinnvolles Sich-
Bewegen“, SS2004, PH FR
Pfender, Manfred (03/04): Reader „Ganzheitliche Rückenschule, Gesunde Bewegung im täglichen
Leben“, WS03/04, PH FR
Tiemann, Michael; Buskies, Wolfgang; Brehm, Walter (2008): Rückentraining - sanft und effektiv.
Kursmanual /. 2. Aufl. Aachen: Meyer & Meyer.

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