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Betreuende Angehörige
in Graubünden
EIN WORT VORWEG ES KOMMT DER TAG
Wer die Betreuung eines Angehörigen nicht übernehmen
kann oder will, ist deshalb kein schlechter Mensch. Nein zu
sagen, kann auch verantwortungsvoll sein. Es bedeutet zum
Beispiel, dass einem die verwandtschaftliche (Beziehungs-)
Liebe Leserin, lieber Leser Wenn sich ankündigt, dass jemand aus der Familie auf Rolle wichtiger ist und man sie nicht aufgeben will.
Unterstützung angewiesen ist, sollten sich Angehörige Zeit Ganz Vater, Tochter, Ehefrau, Partner, Freundin zu sein
Veränderungen gehören zum Leben. nehmen, wichtige Fragen zu klären, bevor sie sich in das bedeutet, emotionale Stütze und liebevolle, vertraute Per-
Menschen stossen manche Verände- Abenteuer stürzen und Betreuungs- beziehungsweise Pflege- son zu bleiben. Das Fachpersonal in der Pflegeeinrichtung
rungen selber an und freuen sich rie- aufgaben übernehmen. schätzt diese Unterstützung sehr.
sig auf das, was sie erwartet; ein biss-
chen Respekt, vielleicht sogar Angst Genau hinzuschauen hilft, mögliche Wege und Abzweigun- Sich selber fragen: Könnte mir die Betreuung auch Freude
gen vor sich zu sehen. Es geht nicht nur um einen Wende- machen? Bin ich dafür motiviert? Finde ich dafür überhaupt
ALLES VERÄNDERT
vor dem Neuen schwingt immer mit.
Andere Veränderungen klopfen unge- punkt, es geht um einen Prozess, dessen Länge und Verände- die nötige Zeit? So denke ich von Anfang an daran, dass ich
fragt an unsere Tür. rungen unklar bleiben werden. Wichtig: Gefällte Entscheide ein Betreuungsnetz und Alternativen brauche für alles, was
dürfen stets neu überdacht werden. kommen könnte.
SICH. IMMER.
Eine Krankheit, ein Unfall, eine folgenschwere Diagnose –
sie erschüttern selbst das bestens organisierte Alltagsleben Wenn es darum geht, Pflege- und Betreuungsaufgaben in Fa-
einer Familie oder Partnerschaft. Es kann jede und jeden von
uns treffen. Mich selbst oder meine Liebsten. Wie umgehen
milie und Partnerschaft zu übernehmen, stellen Sie sich ganz
persönlich folgende Fragen: Könnte ich das? Will ich das
Was steht uns da ins Haus?
mit all den Fragen, die sich stellen, mit den Entscheidungen, überhaupt? Fühle ich mich dazu verpflichtet? Habe ich das Erst allmählich beschlich uns der Gedanke, dass mit unserem
Entdeckt man im Begriff «Betreuende» die Worte «treu»
die gefällt werden müssen? Eine Achterbahn der Gefühle be- versprochen? Sehe ich das als meine Pflicht an? Habe ich Kleinen etwas nicht stimmt. Seine älteren Geschwister ent-
und «Ende», könnte man gedanklich auf Abwege geraten.
ginnt – flankiert vom Wunsch und der Notwendigkeit sich dafür Zeit? Was bedeutet das finanziell? Wie weit würde ich wickelten sich doch anders. Viele Abklärungen später hat-
Treue leisten heisst nicht, ganz allein verantwortlich zu
zu informieren, zu organisieren und einzuordnen. gehen? Wer könnte, wenn ich nicht (mehr) kann? Welche ten wir die Gewissheit, dass wir niemals alle zusammen wie
sein, schon gar nicht bis zum Ende. Wer mit der Betreuung
Alternativen gibt es? andere Familien zum schönen Badesee in der Nähe unseres
WIR ergänzt das weiterhin aktuelle Heft «Du&Ich – Betreu- einer nahen Person betraut ist, wähnt sich vielleicht auf
Maiensässes wandern werden. Der Kleinste wird das Laufen
ende und Betreute in Graubünden», das der Verein Curvita einer vorgegebenen Bahn, sieht sich im Räderwerk des
nie lernen, nie mit Freunden draussen Fussball spielen, nie
im Jahr 2020 herausgegeben hat. Auch dient der «Kompass Unausweichlichen. Dabei ist das Gegenteil der Fall:
Der Einbezug der pflegebedürftigen Person, aber auch der eine Lehre machen können. Er wird dann, wenn andere sich
Graubünden» weiterhin als Orientierungshilfe für betreuen- Betreuende Angehörige können eine Menge planen und
weiteren Familienmitglieder ist zentral für alle folgenden zum ersten Mal verlieben, nicht mehr leben.
de Angehörige. Wer WIR zum «Tag der betreuenden An- beeinflussen. Und sie können, ja, sollten auf ständige
Entscheidungen. Denn die Nächsten und unmittelbar Be-
gehörigen» und darüber hinaus zum Lesen in die Hände Veränderungen möglichst flexibel reagieren. Genau Dass ein Kleinkind rund um die Uhr betreut und versorgt
troffenen haben alle auch eigene Ansprüche, Vorstellungen
bekommt, sollte beim Verein Curvita auch das kostenlose darum geht es in diesem Heft. Nichts ist einfach, aber werden muss, ist für alle Eltern selbstverständlich. Bei uns
und Wünsche.
«Du&Ich» dazubestellen. vieles machbar. aber wird das Windelnwechseln niemals aufhören. Der Kin-
Auch Kinder bzw. Minderjährige einbeziehen.
derwagen wird zum Rollstuhl und das Babybettchen zum
Wir, das sind Menschen, die tagtäglich Angehörigenbetreu- Früh Kontakt mit allen möglichen Dienstleistern und Bera- Pflegebett. Statt modische Jeans wird der Junge allenfalls
ung leisten. Wir, das sind aber auch alle Institutionen und tungsstellen suchen. Das bedeutet: aufgleisen und strukturie- Haus- und Trainerhosen tragen. Der Pürierstab wird bleiben
Gruppen, die betreuende Angehörige mit ihren Angeboten ren, bevor es zu viel wird. und das Skateboard niemals kommen.
unterstützen. Für betreuende Angehörige ist es wichtig, die Involvierte Ärzte und Ärztinnen nicht vergessen.
eigene psychische und physische Gesundheit zu erhalten und Das Gewicht unseres Sohnes wird zunehmen. Unsere ver-
zu stärken, damit sie nicht selber krank werden. «WIR» bie- Den Kontakt zu anderen Betroffenen suchen. Diese findet winkelte Wohnung im Hochparterre muss nicht erst auf
tet Einblick in sehr unterschiedliche Situationen und Phasen man in Selbsthilfegruppen, Austauschforen, spezifischen Or- unser Alter hin rollstuhlgängig werden. Haben wir das Geld
der Angehörigenbetreuung. Unser neustes Heft soll nach- ganisationen. Das heisst: hinhören und lernen, was alles auf für ein grösseres Auto?
denklich machen, inspirieren und immer wieder Möglich- mich zukommen kann.
Wird der träumende Blick des Kleinen seine Weichheit be-
keiten aufzeigen, wie es betreuenden Angehörigen gelingen Darauf achten, dass auch in der Selbsthilfe das Geben
halten? Kann er überhaupt glücklich werden, obwohl er nie-
und Nehmen in der Balance bleibt.
Zeig Herz!
kann, all die Veränderungen mit Umsicht zu bewältigen. mals selbstständig sein wird?
Margrit Dobler
Präsidentin
Curvita – Verein für betreuende Angehörige
Denken Sie an jemanden, der einen Angehörigen pflegt und be-
treut. Gehen Sie auf ihn oder sie zu, bereiten Sie eine kleine Freu-
de und schenken Sie etwas Zeit. Zeigen Sie Ihre Wertschätzung
für jemanden, dessen Alltag beschwerlicher ist als Ihrer.
Verein für betreuende Angehörige Tag der pflegenden und
Mit Unterstützung von: betreuenden Angehörigen,
Gesundheitsamt Graubünden jährlich am 30. Oktober
IMPRESSUM: Herausgeberin: Curvita, Verein für betreuende Angehörige, Tulpenweg 8, 7000 Chur, 079 130 26 99, info@curvita.ch, www.curvita.ch
Redaktion: Doris Deflorin, Carsten Michels Konzeption, Gestaltung und Produktion: Reto Sommerau, Agentur Aufwind, Chur Druck: Tipografia Menghini,
Poschiavo Auflage: 5000 Expl. Erscheinungsdatum: 30. Oktober 2021 Folgende Institutionen haben uns finanziell unterstützt: Gesundheitsamt
Graubünden; Maurer Hausmann-Stiftung; Wilhelm Doerenkamp-Stiftung; GKB Beitragsfonds; Pro Senectute Graubünden; Ria und Arthur Dietschweiler-Stiftung;
Stiftung Jacques Bischofberger; Katholische Kirchgemeinde Chur
Familie als Pflegeteam? gebote zurückgreifen, bevor die Last zu gross wird. Es gibt
beispielsweise Spitex speziell für Kinder, Entlastungsdiens- «Pflege kann nur gut gehen, wenn es
der Arbeit, meine Freundinnen und Freunde zu vernachlässi-
gen, zu wenig Zeit und Geduld mit meinen Eltern zu haben.
Nachbarn, Freundinnen, Verwandte bieten gerne ihre Hilfe te für Familien, Kostenübernahmen für Hilfsmittel, spezifi- den Pflegenden selbst gut geht. Um ihre Was mache ich überhaupt richtig?
an. Kurzfristig ist das kein Problem, zum Beispiel nach einer sche Beratungen und Finanzierungshilfen je nach Situation.
eigene Lebensqualität zu erhalten, brauchen
Unfallverletzung, die irgendwann wieder heilt. Auch wenn
bei langfristiger Betreuung helfende Hände aus dem Um-
feld zur Verfügung stehen, braucht es unbedingt zusätzlich
und
Wir
unter