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PFLEGE ALLTAG

Mobbing verhindern
Je früher, desto besser  Mobbing am Arbeitsplatz kann für Betroffene mit kör-
perlichen und psychischen Problemen einhergehen und ist ungünstig für das
gesamte Unternehmen. Wie genau entsteht Mobbing, wie lässt es sich verhin-
dern und was können Führungskräfte dagegen tun?

W
o Menschen zusammenarbeiten, kommt es auch zu Wie kann es soweit kommen? Wenn Mobbing über längere Zeit an-
Konflikten. Was aber unterscheidet einen Streit unter dauert, entwickelt sich eine Eigendynamik, bei der nur schwer zu
Kolleginnen und Kollegen von systematischem Mob- erkennen ist, wie es dazu kam. Die Entstehung ist dabei stets ähn-
bing? Wenn beispielsweise eine Kollegin bei wichtigen Besprechun- lich: Ausgangspunkt sind häufig ungelöste Konflikte. In Meinungs-
gen ständig außen vorgelassen wird – ist das Mobbing? Und was, verschiedenheiten unter Kolleginnen und Kollegen geht es meist
wenn eine Pflegeleitung deutlich zeigt, wen sie schätzt und wen um mehr als Fakten und Argumente. Es geht um Gefühle, wie bei-
nicht? Gefährlich wird es, wenn es in der Hauptsache darum geht, spielsweise Missachtung, fehlende Anerkennung oder Verletzun-
einer Person gezielt zu schaden. gen, die nie angesprochen wurden. Nehmen solche „Beziehungs-
fragen“ überhand und werden nicht geklärt, können sich daraus
Der Mobbing-Dominoeffekt Mobbingprozesse entwickeln.
Problematisch und auszehrend ist Mobbing nicht nur für den be- Daran beteiligt sind nicht nur die Betroffenen, gegen die sich
troffenen Menschen, sondern für das gesamte Unternehmen. Wird das Mobbing richtet und die Mobber und Mobberinnen. Eine drit-
eine Pflegekraft gemobbt, leidet sie darunter. Sie ist womöglich ner- te Gruppe wird häufig übersehen: Die Möglichmachenden, die den
vöser und unkonzentrierter, macht Fehler, die Stimmung im Team Mobbingprozess weiterlaufen lassen. Denn Mobbing ist nicht nur
ist angespannt. Ihre Arbeitsmotivation sinkt, es fällt ihr täglich aktives Tun, sondern auch aktives Unterlassen – wenn Kolleginnen
schwerer, in die Pflegeeinrichtung zu gehen. Bis sie sich am Ende und Kollegen oder auch Führungskräfte wegsehen und geschehen
krankschreiben lässt. Ihre Station kann den Krankheitsausfall lassen. Dadurch fühlt sich die oder der Betroffene zunehmend iso-
nicht auffangen. Die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewoh- liert. Zu einem späteren Zeitpunkt können aus den untätig Zu-
ner verschlechtert sich. Für die Einrichtung heißt das: Mobbing ge- schauenden auch aktiv Mitwirkende werden. Am Arbeitsplatz ent-
fährdet ihre Wirtschaftlichkeit. Schlechtes Betriebsklima, Perso- wickelt sich Mobbing in vier typischen Phasen:
nalausfall, Beschäftigte, die kündigen, sinkende Versorgungsqua-
lität, unzufriedene Betreute und Angehörige – die Wettbewerbsfä- Der ungelöste Konflikt: Ein Konflikt zwischen zwei Parteien – zwei
higkeit und das Image der Einrichtung sind ebenfalls gefährdet. Menschen oder einem Menschen und einer Gruppe – kann nicht
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gelöst werden, setzt sich bei mindestens einer Partei mit negativen Vorbeugen: mobbingfeste Strukturen verankern
Gefühlen und Gedanken fest. Diese Person oder Personen äußern Damit Konflikte im besten Fall gar nicht erst eskalieren, sollte sich
erste Schuldzuweisungen, starten erste persönliche Angriffe. das Führungspersonal kontinuierlich für die Prävention einsetzen.
Dafür muss es mit Hilfe der Gefährdungsbeurteilung psychischer
Gezielte Mobbinghandlungen: Der Ursprungskonflikt rückt mehr
und mehr in den Hintergrund, es geht nicht mehr um die Sache,
sondern um die Person. Sie wird systematisch gedemütigt und ver-
letzt und reagiert darauf mit Unsicherheit und Verzweiflung.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Nicht diejenigen, die mobben, ge-


raten in den Fokus der Vorgesetzten, sondern die gemobbte Person: BUCHTIPP
Sie macht die Fehler, scheint die schlechte Stimmung zu verursa-
Konflikte lösen
chen, wird zum Problem. Arbeitsrechtliche Sanktionen wie Ab-
– Mobbing verhindern
mahnung, Versetzung bis zur Kündigung können die Folgen sein.
Die neue BGW-Broschüre zeigt, wie Mob-
bing abläuft und wie es sich vermeiden
Der Ausschluss: Die betroffene Person kündigt oder wird gekündigt.
lässt. Neben vielen praxisnahen Hinweisen und Materialien für Be­
Die mobbenden Personen haben ihr Ziel erreicht. triebe und Führungskräfte werden Unterstützungsangebote der BGW
vorgestellt. Unter anderem können sich Betriebe beraten lassen und
Konfliktmanagement: früh einschreiten es gibt umfangreiche Hilfen zur Gefährdungsbeurteilung der psychi-
Mobbing funktioniert über Ausgrenzung und Isolation. Diese gilt schen Belastung. Die Broschüre gibt es zum kostenlosen Download.
es zu überwinden, um Konflikte zu lösen. Gezieltes Konfliktma-
  bgw-online.de/mobbingverhindern
nagement kann helfen, Mobbingprozesse im Keim zu ersticken.
Dies ist eine Aufgabe für die Führungskraft, sie muss einschreiten,
sobald ein Konflikt zu eskalieren droht – je früher, desto besser.
Dabei sollte sich die Führungskraft Zeit nehmen, den Konfliktpar- ANZEIGE
teien zuhören und strategisch vorgehen. Ein Vorgehen, an dem sich
Vorgesetzte orientieren können, ist das 6-Schritte-Modell.
1. Schweigen durchbrechen: Suchen Sie möglichst schnell und
persönlich das Gespräch mit der betroffenen Person. Ein
weiteres vertrauliches Gespräch mit der anderen Konflikt­
partei ist ebenfalls hilfreich, um sich ein gutes Bild zu ver-
schaffen
2. Gemeinsames Konfliktgespräch vereinbaren: Wiederholen Sie
das Gespräch spätestens nach vier Wochen. Zeigt sich keine
Besserung, sollte mit beiden Parteien ein gemeinsames Kon-
fliktgespräch vereinbart werden.
3. Konfliktgespräch: Beim Konfliktgespräch moderieren Sie und
nehmen die Rolle einer neutralen dritten Person ein. Ziel ist es,
eine gemeinsame Lösung zu finden. Sind die Fronten zu sehr
verhärtet, ist es empfehlenswert, erneut mit beiden Parteien
einzeln zu sprechen.
4. Externe Moderation hinzuziehen: Wenn sich die Situation
nicht innerhalb von weiteren vier Wochen spürbar bessert,
sollte der Konfliktfall an andere betriebsinterne oder auch
-externe Institutionen abgeben werden, beispielsweise an die
Personalabteilung, die Konfliktberatungsstelle oder die
Sozialberatung.
5. Externe Mediation beauftragen: Können auch Dritte nicht
helfen, sollte zur professionellen Schlichtung eine externe
Mediation eingeschaltet werden.
6. Arbeitsrechtliche Sanktionen: Führen die vorhergehenden
Schritte nicht innerhalb einer angemessenen Zeit – maximal
vier Wochen zwischen jedem Schritt – zur Lösung des Kon-
flikts, sind in letzter Instanz arbeitsrechtliche Konsequenzen zu
ziehen: die Versetzung, Abmahnung oder Kündigung der
verursachenden Person.

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MOBBING ERKENNEN, URSACHEN VERSTEHEN, KONFLIKTE LÖSEN


Das ist Mobbing: _ Mögliche emotionale Konsequenzen bei Entscheidungen
_ Das systematische Vorgehen einer oder mehrerer und Veränderungen von vornherein mit bedenken, anspre-
Personen gegen jemanden chen und wenn möglich Rücksicht nehmen
_ Regelmäßige Angriffe, mindestens einmal pro Woche, _ Stimmungen und Veränderungen im Betriebsklima wahr-
über ein halbes Jahr oder länger nehmen und ansprechen
_ Mehr oder weniger versteckte Handlungen wie Schikanen, _ Eine offene, wertschätzende und konstruktive Dialog- und
Demütigungen, Intrigen oder Kränkungen Fehlerkultur mittragen und vorleben
_ Beeinträchtigungen des psychischen Befindens und der Darüber hinaus sollte eine Führungskraft aktiv zum Thema in-
Gesundheit formieren und kommunizieren:
_ Kaum bis keine Chancen auf eine für beide Parteien zu­ _ Wege bei Beschwerden und Problemen aufzeigen, zum
friedenstellende Lösung Beispiel Ansprechperson benennen
_ Klare Regelung treffen und vorleben, wie mit Konflikten
Das begünstigt Mobbing umgegangen werden soll
_ Hohe Arbeitsbelastung _ Betroffenen Personen Hilfsangebote nennen: Seelsorge,
_ Geringer Handlungsspielraum Selbsthilfegruppen, Beratung usw.
_ Geringer Zeitspielraum bei hohen Kooperations­ _ Sich regelmäßig zu Führungsthemen fortbilden
erfordernissen Außerdem brauchen Führungskräfte ein offenes Ohr für die
_ Intransparenz von Entscheidungen Mitarbeitenden und deren – möglicherweise auch unausge-
sprochene – Konflikte. Dafür bietet es sich an, gezielt Ge­
_ Schlechte Arbeitsorganisation
spräche zu führen sowie Feedback zu geben und einzuholen:
_ Unzureichendes Führungsverhalten
_ Mitarbeitende regelmäßig zu Mitarbeitergesprächen einla-
den und das Thema dort aufgreifen
Das verhindert Mobbing
_ Regelmäßig für Absprachen, Rückfragen und als Unterstüt-
So kann die Führungskraft Prävention von Mobbing vorleben
zung zur Verfügung stehen
und wahrnehmen:
_ Sich nach dem Befinden der Mitarbeitenden erkundigen
_ Eine deutliche Haltung gegenüber Mobbing vertreten
_ Gerüchten auf den Grund gehen
_ Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen durch-
führen _ Mögliche Betroffene direkt ansprechen

Belastungen am Betriebsklima und den Arbeitsbedingungen an- zen Mobber und Mobberinnen zu erwarten haben. Das macht al-
setzen. Unternehmen können sich vor Mobbing schützen, wenn sie len unmissverständlich klar: Hier hat Mobbing nichts zu suchen.
ihm die Basis entziehen. Das gelingt, wenn auf allen betrieblichen Eine offene Konflikt- und Kommunikationskultur lädt dazu ein,
Ebenen förderliche Strukturen etabliert werden und eine Anti- sich frühzeitig an dafür ausgewählte Kolleg*innen als neutrale
Mobbing-Kultur entsteht – doch das benötigt Zeit und Geduld. Der Schlichtungsinstanz zu wenden – oder an die Vorgesetzten. Für den
Führungskraft kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie hat Einfluss Fall, dass diese in den Mobbingprozess involviert sind, sollten al-
auf die Ursachen von Mobbing und sie kann mit gutem Beispiel vo- ternative Beschwerdewege zur Verfügung stehen, etwa die Interes-
rangehen: eine offene Konfliktkultur leben, präventiv und interve- senvertretung oder eine interne Konfliktberatungsstelle. Informa-
nierend tätig werden. Doch auch Führungskräften können die Prä- tionen über Ansprechpersonen und Beschwerdewege müssen allen
vention von psychischen Belastungen und Mobbing nicht alleine Beschäftigten zur Verfügung stehen. Letztlich geht es darum, ein
stemmen. Alle sind gefragt, die Anti-Mobbing-Kultur voranzutrei- gerechtes, leicht zugängliches Verfahren zu etablieren.
ben: betriebliche Funktionsträger*innen wie Fachkräfte für Ar-
beitssicherheit, Mitglieder von betrieblichen Interessenvertretun-
gen, Gleichstellungsbeauftragte, Betriebsärzt*innen sowie interes- Mareike Berger
sierte Mitarbeiter*innen. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und
Um eine konstruktive Konfliktkultur aufzubauen, sollten Un- Wohlfahrtspflege (BGW)
ternehmen das Thema Mobbing und die dagegen getroffenen Maß- Pappelallee 33/35/37
nahmen sichtbar machen. Eine Betriebsvereinbarung ist dafür ein 22089 Hamburg
wichtiger Schritt. Darin wird definiert, was unter Mobbing zu ver- mareike.berger@bgw-online.de
stehen ist, welche Handlungen dazu zählen und welche Konsequen-

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