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VO Architektur und Kunstgeschichte 19./20.Jhd.

– 2012

VIII. Vorlesung

International Style – Architektur des Faschismus und Nationalsozialismus –


Nachkriegsarchitektur ( 1930 - 1970 )

Seit 1919: In Deutschland (Weimarer Republik), sowie in Österreich die Demokratie von
innerpolitischen Feinden des linken wie rechten Spektrums (z.B. Kommunisten, Nazis). Zeit
teilweise schwerer Auseinandersetzungen bis zu Bürgerkriegen von Republikgegnern und
Befürwortern (Österreich Februarkämpfe 1934 –> Ständestaat, Dollfuß). Ab 1926 politische und
wirtschaftliche Stabilität.
1929: Weltwirtschaftskrise, 6 Millionen Arbeitslose in Deutschland. Beginnender Zulauf der
Nationalsozialistischen Partei -> 1933 Hitler als deutscher Reichskanzler, beginnende
Radikalisierung der Gesellschaft, Rassismus, Beseitigung von Gegnern.
1939-1945: Zweiter Weltkrieg: 1939: Angiriff auf Polen, 1941 Jugoslawien, Griechenland, Kriege
gegen die Sowjetunion, Großbritannien, Eintritt der USA gegen Japan, 1943 Verlust der Deutschen
Armee in Stalingrad, 1944 Beginnende Befreiung Europas durch die Alliierte, 1945 Kapitualtion.

I. International Style

 Als Manifest der Internationalen Moderne gilt u. a. der sog. „Barcelona Pavillon“, der 1929 für die
Weltausstellung in Barcelona von Mies van der Rohe gemeinsam mit der Innenarchitektin Lilly
Reich als temporäre Konstruktion geplant wurde.

 Im Vergleich mit der Architektur des Bauhauses und von Le Corbusier Weiterentwicklung der
architektonischen Mittel in Richtung radikaler Vereinfachung: Auflösung des geschlossenen Kubus
in ein offenes System aus Horizontalen und Vertikalen.
- Barcelona, Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung, Ludwig Mies van der Rohe und Lilly
Reich, 1929 (zerstört; 1986 rekonstruiert) [Bild 01-10]
Ästhetik; kühle Rechtwinkligkeit; Licht wird überall reflektiert – Gebäude spiegelt sich im Wasser;
Raumgrenze bildet Glaswand -> Wasserbecken; Alles ist relativ: Licht/Spiegelung/Wasser -> die
ganze Zeit überkommt es zu einer Reflexion – zu einem Ineinander -> Frage: Wo ist die
Raumgrenze/ Festigkeit /Materialität – ist nicht eindeutig festlegbar.
Freie Organisation des Grundrisses; offene, ineinander übergehende Räume – fließende
Raumfolgen die frei unterteilbar sind; Außenwände -> betonen die Asymmetrie; Reduktion der
Formen auf einfache Geometrien, Flachdach; Ästhetische Entmaterialisierung: Das Material hat
eine große Bedeutung; Transparenz: Innen-/Außenraum nicht mehr voneinander unterscheidbar.
Kennzeichnend für den Rationalismus dieser Zeit war der offene Grundriss – statt abgeschlossener,
viereckiger Zimmer – offene, ineinander übergehende Räume, fließende Raumfolgen, die durch
den Skelettbau frei unterteilbar waren, Wegfallen der Schauseite, Ästhetik aus verschiedenen
Blickwinkeln. Der Rationalismus setzte auf das radikal Neue, Nackte, kühle Eleganz: Es entspricht
der Stellung des modernen Menschen: Es gibt kein starres Weltbild mehr, kein Gesellschafts-
modell, in dem jeder ein fester Platz zugewiesen wird – Ausdruck von Pluralismus.

Für den Rationalismus kam außerdem der Begriff Internationaler Stil, da er sich innerhalb kurzer
Zeit über große Teile der Welt verbreitete und eine Vereinheitlichung der Architektur wie Kultur
bezeichnet (Enstehung durch moderne, immer schneller werdende Kommunikationswege) und
somit von den regionalen/örtlichen Gegebenheiten abgetrennt sei.
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Die 20er, 30er Jahre jedoch auch als Zeit der Unsicherheit – viele Menschen wollten wenigstens
Zuhause eine vertraute „Gemütlichkeit“ haben, aber keine Wohnmaschine wie zu Zeiten des als
kalt angesehenen Rationalismus oft üblich. Auch in den 20er Jahren baute man daher, neben den
Entwicklungen der Moderne, weiterhin in traditioneller Art und Weise oder überzog mit moderner
Technik erstellte Bauten mit einem historisierenden Äußeren. Z.B. Heimatstil – Orientierung an
Formen der Volkskunst, ländlicher Architektur und regionalen Besonderheiten.

II. Kunst und Architektur zur Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus

Die künstlerische Entwicklung dieser (der modernen) Ansätze wurde durch die politischen Ereignisse
der 1930–40er Jahre und den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. In Deutschland, Italien und der
Sowjetunion waren mit Hitler, Mussolini und Stalin Diktatoren an die Macht gekommen, für die
Architektur zu einem Propagandamittel wurde. Dies führte zu einem abrupten Bruch mit der Moderne.

1. Deutschland
 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt, was neben verheerenden weltpolitischen
Folgen einen kulturellen Niedergang mit sich brachte (u. a. Schließung aller Lehrstätten der
modernen Kunst und Architektur, wie z. B. das Bauhaus).
- Hitler beim Reichsparteitag in Nürnberg, 1934 [Bild 11]
- Hitler beim Einzug in Wien (Heldentor), 1938 [Bild 12]
- Weimar, Wandmalereien im Treppenhaus des Bauhauses, Oskar Schlemmer, 1923 (wurden weiß
überstrichen) [Bild 13,14]

 Es kam zu einem regelrechten Kampf gegen die Moderne. Es erfolgte eine zentral gesteuerte
Konfiszierung aller modernen Gemälde in deutschen Museen (Expressionisten, Dadaisten,
Veristen, Konstruktivisten u. a.), die von Paul Schultze-Naumburg als „entartete Kunst“ bezeichnet
wurden (auch zu Entlassung von Museumsdirektoren usw).
- Paul Schultze-Naumburg, Buchseite aus „Kunst und Rasse“, 1928 [Bild 15]
„Kranke-, Neger-, Entartete“ Kunst.; Säuberungsaktionen

 Auf der 1937 in München eröffneten Wanderausstellung „Entartete Kunst“ [Bild 16,17] wurden
herausragende Werke der europäischen Malerei gezeigt (Schüler, Universitäten wurden dazu
gedrängt), die nicht einem von den Nationalsozialisten propagierten pseudonaturalistischen Vorbild
folgten (Van Gogh, Picasso, Matisse, Munch, Chagall, Nolde, Kandinsky, Kokoschka, Klee,
Beckmann, Grosz, Corinth u. a.); nach der Ausstellung wurden diese Werke ins Ausland verkauft,
versteigert oder zerstört.
- Lovis Corinth, Ecce Homo, 1925 [Bild 18]
- George Grosz, Die Stützen der Gesellschaft, 1926 [Bild 19]

 Ebenso erfolgte die Neuordnung im Bereich der Architektur; moderne Architektur galt als
fremdländisch, ohne kulturellen Wert, von avantgardistischen Randgruppen ohne handwerkliche
und nationale Tradition geschaffen. Anfänglich versuchten einige renommierte Architekten über
Wettbewerbsteilnahmen an Aufträge der neuen Machthaber zu gelangen, z. B.:
- Hans Poelzig und Ludwig Mies van der Rohe, Entwürfe für Reichsbank Berlin, 1933 [Bild 20,21]

 Von Herbst 1933 bis Kriegsende 1945 wachte die vom Reichspropaganda-Minister Goebbels
geleitete „Reichskulturkammer“ als nationalsozialistische Kontrollinstanz über die gesamte Kultur
im deutschen Reich (bildende Kunst, Architektur, Musik, Literatur, Film, Theater). Als Folge setzte
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eine Massenflucht deutscher Künstler ins Ausland ein (z. B.: Kandinsky, Klee, Beckmann, Grosz,
Gropius, Mies van der Rohe, Breuer u. a.). Jeder Künstler musste der Reichskulturkammer
angehören, Sonstige bekamen ein Arbeitsverbot oder es kam zu einer „Gleichschaltung“ – man
durfte nur z.B. fotographischen Realismus oder Kriegsszenen, nationale Themen malen.
 Im Bereich der Malerei trat an die Stelle der Moderne Trivialkunst
- Adolf Ziegler, Die Elemente, 1936/37 [Bild 22]
- Franz Eichhorst, Polenkämpfer, um 1940 [Bild 23]

 Im Bereich Architektur traten an die Stelle der Moderne monumentale Repräsentationsbauten.


Hitlers architektonischer Berater war zunächst Paul Ludwig Troost [Bild 24], der einen
vereinfachten, an Friedrich Schinkel orientierten Klassizismus vertrat. Troost: Der Klassizismus ist
eine monumentale, geniereiche Architektur, symbolisiert Disziplin, Stärke, Einheit des neuen
Staates.
- München, Haus der deutschen Kunst, Paul Ludwig Troost, 1934–1936 [Bild 25]; vgl. Berlin,
Altes Museum, Karl Friedrich Schinkel, 1823–1830 [Bild 26]
Gemeinsamkeiten: Hohe Sockelzone; endlose Abfolge von Säule; Blockhafte? Form; Glatte
Materialbearbeitung; Monumental
Die Architektur orientierte sich an der Antike, und trieb die seit der Jahrundertwende bestehende
Tendenz zu einem immer weiter vergröberten Neoklassizismus auf die Spitze. Riesige in die Länge
gezogene Bauten, meist mit Kalkstein verkleidet und streng symmetrisch, mit rustizierenden
Erdgeschoßen und riesigen Risaliten, sowie endlose Reihungen hoher Pfeiler und Fenster sollten
eine kühle Pracht ausstrahlen und den Betrachter einschüchtern. Nicht Dynamik und
Vergänglichkeit (Moderne) sondern Statik und Dauerhaftigkeit waren von Bedeutung.

 Nach dem Tod von Troost (1934) wurde die nationalsozialistische Architekturkonzeption von
Albert Speer [Bild 27] weiterentwickelt. Er wird der „Hauptbühnenbildner“ der Aufmärsche.
- Nürnberg, Zeppelinfeld und Reichsparteitagsgebäude, Albert Speer, 1934 [Bild 28-32]
Aufmarschplatz; Strenge Hierarchisierung; Dominanter Mittelteil; Kolosale Dimensionen; - Alles
anders als beim International Style; sehr oft eine Lichtinszenierung
- Paris, Deutscher Pavillon auf der Weltausstellung, Albert Speer, 1937 [Bild 33-35]
Vergleich mit Ausstellung in Barcelona -> Komplette Veränderung des künstlerischen Auftritts
- Berlin, Reichskanzlei, Albert Speer, 1938–1939 [Bild 36,37]
Blockbau; klassische Formen; Lange Korridore führen in ein Zentrum -> Arbeitszimmer Hitlers.
- Umgestaltungsprojekt für Berlin, Albert Speer, 1937–1943 (Prachtstraße mit Führer-Palast und
„großer Halle“) [Bild 38-41]
Das sind Projekte die nie realisiert wurden: Nord/Süd Achse; Führepalast: 20x größere Kuppel als
beim Petersdom geplant. Vorbild waren die Utopiearchitektur der 1780er Jahre die nicht gebaut
wurden. Jedoch hat man hier auch getestet (nicht nur Spinnereien). Eine riesige Prachtstraße
sollte vom größten Bahnhof der Welt, über einen von Hitler entworfenen Triumphbogen bis zum
Führerpalast führen, wofür ganze Straßenzüge hätten abgerissen werden sollen –Beispiel für
Größenwahn der Nazis.

 Ähnliche Umgestaltungsprojekte wurden auch für München und Linz entwickelt.


- Umgestaltungsprojekt für München, Hermann Giesler, 1934–1938 [Bild 43]
- Umgestaltungsprojekt für Linz, Roderich Fick, 1937–1943 [Bild 44,45]
In Linz plante Hitler ein monumentales „Führermuseum“ zur europäischen Malerei vom Mittelalter
bis um 1800. Herausragende Werke alter Meister wurden – bevorzugt aus jüdischen Sammlungen –
beschlagnahmt und im Salzbergwerk von Altaussee deponiert.

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- Tafeln mit Werken Rembrandts und französischen Werken des 18. Jhdts. [Bild 47,48]
 Stilistisch sind die Bauten gekennzeichnet durch Monumentalität, Symmetrie und Hierarchisierung,
übersteigerter Härte, übersteigerter Kantigkeit der Formen, mächtige Pfeiler, Blöcke und
propagandistischer Bauplastik; bevorzugte Materialien sind Granit (widerstandsfähig) und rauhe
Steinsorten wie Muschelkalk oder Nagelfluh sowie zementgrauer Rauhputz, die schiere Größe der
Bauten (z.B. 2km große Vorplätze); aggressive Symbol-Propaganda (z.B. Adler am Dach usw.).
- Chiemsee, Modell für die „Hohe Schule“, Hermann Giesler, um 1939 [Bild 49,50]
Soziale Gesichtspunkte spielten bei dieser Architektur keine Rolle – es ging um gigantische
architektonische Machtdemonstration. 1.Reich: Karl der Große Kaiser Römisches Reich deutscher
Nation; 2. Reich: Deutsches Kaiserreich 1871; 3. Reich: Reich Hitlers.

2. Italien
 Im Gegensatz zu Deutschland bekannte sich in Italien der faschistische Führer Mussolini (von
1922–1943 Regierungschef) klar zur Moderne und forciert sie, forderte jedoch eine Bezugnahme
auf die Antike bzw. Geschichte. Italien seit der Vereinigung 1861 (Risorgimento) Königreich (H.S.
Rom).

 Seit 1925 plante Mussolini die Umgestaltung des antiken Rom als „drittes Rom“:
- Rom, Projekt zur „Via dei Fori imperiali“, 1932 eröffnet [Bild 53]
- Rom, Colosseo quadrato / Palazzo della Civiltà Italiana, Giovanni Guerrini, Ernesto la Padula
und Mario Romano, 1937–1942 (im Zusammenhang mit der für 1942 in Rom geplanten
Weltausstellung – der „Esposizione universale di Roma“ – entstanden) [Bild 54,55]
Bezug aufs Kolloseum [Bild 56](Titus, Vespasian 1.Jhd.n.Chr.); Hoher? Kubus, streng
eingeschnittene Fenster; aber Monumentlosigkeit (Moderne, Loos) -> Kombination von Tradition
und Moderne

 Das bedeutendste Bauwerk der Mussolini-Ära ist die Casa del Fascio in Como, das Haus der
faschistischen Partei, das als prominenter Teil einer nicht vollständig realisierten Platzanlage
entstand.
- Como, Casa del Fascio, Giuseppe Terragni, 1932–1936 [Bild 57-65]
Glaube an die reine Form und Technik (Le Corbusier) + Werte der Vergangenheit; Gebäude in
Italien stehen in der Tradition des Palastbaus:strenge, lineare Fassade ohne Ornamente –
Konstruktion erkennbar; Synthese von Tradition un dem Formenapparat von Moderne + Technik –
Bsp. Weiße Fläche (jedoch zu Propagandazwecken).

Zusammenfassung 1,2. Teil: Hitchcock/Johnson Ausstellung in New York -> International Style ->
durch NS-Entwicklung geht es radikal zu Ende

III. Nachkriegszeit

In der Nachkriegszeit, die geprägt war vom wirtschaftlichen Ruin, zerstörten Städten und einer
eliminierten kulturellen Elite, treten diverse Ansätze auf, die monumentale Architektursprache der
Kriegszeit zu überwinden. Münchens Innenstadt z.B. war zu 96% zerstört. Viel Aufräumarbeiten. Es
stellt sich die Frage wie die Architekten mit der Situation umgehen sollen: Abriss und Neubau oder
eine Rekonstruktion bzw. 1. Versuch an die Moderne der 20er Jahre anzuschließen; 2. Neue Konzepte
(z.B. Le Corbusier); + gab es auch das Konzept bei der NS-Architektur zu bleiben.

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1. Fortführung und Weiterentwicklung des „International Style“ in den USA und Deutschland
 Eine Tendenz ist die Fortführung und Weiterentwicklung des International Style. Hier kam den
USA eine besondere Rolle zu, da es dort keine so abrupte Zäsur durch den Krieg gab und da die
USA seit den 1920er Jahren zum Ziel vieler Europäer wurde, wie z. B. Ludwig Mies van der Rohe,
Walter Gropius und Marcel Breuer oder Rudolf Schindler und Richard Neutra (beide Schüler der
TU Wien). Davor knüpfte man in den USA immer an den europäischen Stlfundus an. Seit 1925
wurde vor allem der Art Déco poulär, eine Weiterentwicklung des Jugendstils (auch in Europa für
Inneinrichtungen populär) mischte die Eleganz des Rationalismus und die reinen, edlen Materialien
Mies van der Rohes mit einen an De Stijl erinnernden Spiel mit rechteckigen Flächen.
Ab den 1930er Jahren Verbreitung des International Style in den USA. Merkmale: Architektur als
Definieren und Gestalten begrenzten Raumes, nicht als Bildung einer Tektonik; regelmäßige,
modulare Architektur; Im Gegensatz zum vorangegangenen Rationalismus, dessen verputzten
Oberflächen sie für ungeeignet hielten, da das Gebäude visuell zu sehr an Gewicht zunähme
(ähnlich Backsteinfassaden), bevorzugte man mit der Fassadenvorderkante bündige Verglasungen
– Gewinnung an Leichtigkeit.
- Palm Springs (California), Haus Kaufmann, Richard Neutra, 1946–1947 [Bild 66,67]
Erweiter die Bauafgabe des Pavillons; klare hochasugreifende? Baukörper; Licht usw.; keine
große Architektur-Geste; Eingänge sehr zurückhaltend.Neutra arbeitete bei Frank Lloyd Wright.
- Old Westbury (New York), Haus Weinstein, Richard Meier, 1969–1971 [Bild 68-70]
Philip Johnson war es, der mit einem Gebäude die gesamte Entwicklung der modernen Architektur
bis ins äußerste Extrem und damit praktisch zum Endpunkt trieb. Er reduzierte Farbe und Form auf
Äußerste – Glass House, 1949 – Abkehr von allem was in Jahrtausenden Architekturgeschichte
üblich war: Komplett gläserne Außenwände, nur Kontur durch dürres Stahlskelett – größtmögliche
Transparenz; Grundriss ohne Innenwände – nur Installationskern.

 Auch in Deutschland wird – nach ersten Jahren des Wiederaufbaus – der Anschluss an den
International Style der Vorkriegszeit gesucht. Bedeutende Vertreter dieser Richtung sind z. B.
Egon Eiermann und Ludwig Mies van der Rohe. In Deutschland war es schwieriger an den
International Style anzuschließen.
- München, Büro- und Laborgebäude für Siemens, Richard Meier, 1984–1989
- Blumberg (Schwarzwald), Taschentuchweberei, Egon Eiermann, 1949–1951 [Bild 71]
- Frankfurt am Main, Neckermann-Versandhaus, Egon Eiermann, 1958–1961 [Bild 72,73]
Betonung der Funktionalität -> Gänge für die Wartung der Fenster und für Fluchtwege
- Berlin, Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, Egon Eiermann, 1957–1963 [Bild 74,75]
Der Bau steht neben der Ruine einer Kirche; bezieht sich auf die Expressionisten
- Berlin, Neue Nationalgalerie, Ludwig Mies van der Rohe, 1962–1968 [Bild 76,77]
Politischer Kontext: 1 Jahr nach dem Bau der Mauer -> weiter stärkere Trennung zwischen Ost
und West -> Westdeutschland: steht für Freiheit, Transparenz; hat Gemeinsamkeiten mit seinem
Barecelona-Pavillon; Ikone einer deutschen Nachkriegsmoderne.
Abstrahierte Form eines Tempels; Ästhetisch überzeugend – hier gute Leistung erbracht – aber die
Funktion ist fragwürdig: für eine Ausstellung braucht man eigene Wände; klimatisch gibt es große
Probleme (Kunstwerke) -> das geht nur im Untergeschoß.

Die moderne Architektur, der Rationalismus, war mit seinen reduzierten Farben und Formen,
seiner Leichtigkeit und Transparenz, Dynamik und Assymetrie zum Symbol von Fortschritt,
Freiheit und Demokratie geworden. Vor allem beginnend mit den Bauten von Mies van der Rrohe
kommt dieses zum Ausdruck (z.B. Lake Shore Drive Apartments 1951, Chicago; Seagram

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Building, New York). Bei beiden Projekten wurden die Körper auf hochkant gestellte Kuben
reduziert, die unten von Stützen getragen werden – Erdgeschoß als freie Eingangszone; die Fassade
besitzt keine tragende Funktion mehr und ist komplett in Glas aufgelöst, durch das vorgefertigte
Tragskelett der Fassade wird diese in ein gleichmäßiges Raster geteilt. Monochrome, Monolitische,
kühle, elegante Wirkung der Baukörper. „Less is more“ – Weniger ist mehr (Mies van der Rohe).
Leitbild dessen wurde im Laufe der Zeit, vor allem nach dem 2. Weltkrieg, das prismatische
Hochhaus mit gläserner Vorhangfassade (Curtain Wall) -> beginnender Wettstreit von Großstädten
um die höchsten Wolkenkratzer (lange Sears Tower, Chicago).

2. Gegenkonzept zum „International Style“


 Neben der Weiterführung des International Style gab es seit den 1950er Jahren den Versuch einer
grundsätzlichen Neudefinition der Moderne.

 Ein Markstein innerhalb dieser Entwicklung ist die Wallfahrtskirche in Ronchamp von Le
Corbusier, einem Begründer des International Style, der sich hier entschieden gegen die Prinzipien
dieses Stils (Technisierung und Rationalisierung) wendet. Neu sind die plastische Körperlichkeit,
die individuelle Formgebung (unter Vermeidung des rechten Winkels), die Dynamisierung des
Grund- und Aufrisses, die Bezugnahme auf die Landschaft sowie die Verbergung der technischen
und konstruktiven Details.
- Ronchamp, Notre-Dame-du-Haut, Le Corbusier, 1950–1954 [Bild 78-87]
Versammlung in der Natur; dynamisch gekurvte, hervorgehobende pilzartige Dachkonstruktion
über gekurvten Wänden; eingehölte, unregelmäßig verteilte kleine Fenster; Geheimnis und
Intimität bestimmen die Atmosphäre – Geborgenheit
Was ist das Neue?: Wand/Dach/Geometrie zueinander entwickelt. Die Kurve nimmt Bezug auf die
Landschaft. Südwand: Innenwand/Außenwand – Konnotation.Die Schale hat keine statische
Funktion – nur Verblendung (Vgl. Int. Style); Individualisierung einzelner Formenteile: 3 Kapellen
– das Licht sickert nach unten; Fenster sind irregulär und beliebig – sollten nicht an Tradition des
Kirchenfensters erinnern
?Neu Reiche Chorwand zu halbhohen Außenwand?; Versuch eine Architypus eines Sakralbaus ->
jedoch mit deutlicher Absetzung von der Tradition.

 Charakteristisch für diese Tendenz der Nachkriegsarchitektur ist die Dynamisierung bzw.
Neukonturierung der Dachform: Während bis zu den 1950er Jahren die klassischen Dachformen
(Satteldach, Walmdach, Pultdach, Flachdach usw.) dominieren, werden ab den 1950/60er Jahren
die Dächer als dynamische Schalenformen gestaltet, die zusammen mit den Wänden neue
kohärente Strukturen bilden.
- New York, Trans World Airlines Flughafen Terminal, Eero Saarinen, 1956–1962
- München,Olympia-Gelände, Günther Behnisch und Frei Otto, 1972 („High-Tech“-Architektur;
Gegenkonzept zur Olympiade der Nationalsozialisten 1936 in Berlin)

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