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Herausgegeben von
Armin von Bogdandy · Rüdiger Wolfrum
Band 222
Stephan Bitter
(English Summary)
ISSN 0172-4770
ISBN 978-3-642-17353-0 e-ISBN 978-3-642-17354-7
DOI 10.1007/978-3-642-17354-7
Springer Heidelberg Dordrecht London New York
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; de-
taillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
mer hilfreiche Ratschläge gegeben. Vor allem aber danke ich ihr dafür,
dass sie immer da war und ist.
Meinen Eltern, Ingrid und Dr. Ulrich Bitter, ist diese Arbeit gewidmet.
Einleitung................................................................................................. 1
A. Problemstellung.................................................................................... 1
B. Gang der Untersuchung ...................................................................... 7
Einleitung
A. Problemstellung
Beiden Zitaten liegt die These zugrunde, dass Recht ohne Sanktion, also
ohne Zwang, nicht bestehen könne. Sie erscheint häufig und prominent
nicht nur im rechtstheoretischen Diskurs, sondern prägt auch die juris-
tische Praxis3 und stützt sich in der deutschsprachigen Tradition vor al-
lem auf Soziologen wie Weber, Geiger und Oppenheimer.4 In der fran-
zösischen Tradition findet sich dieser Gedanke prägend bei Durkheim.5
Letztlich sind die Wurzeln für ein solches Verständnis jedoch schon
früher in der Philosophie der Aufklärung gelegt worden, beispielweise
bei Hobbes, aber auch bei Kant.6 Das Verhältnis von Normativität und
1
Thomas Hobbes, zitiert nach Arendt, Macht und Gewalt, S. 9.
2
Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 59 [Hervorhebung dort].
3
Beispielsweise bei der Frage der Gleichheitswidrigkeit eines strukturellen
Durchsetzungsdefizits im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Besteue-
rung von Spekulationsgewinnen, BVerfG, Urt. vom 9.3.2004, 2 BvL 17/02,
BVerfGE 110, 94 (112 ff.).
4
Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, passim, v.a.
S. 163 ff.; Oppenheimer, System der Soziologie, Band I/1, S. 399 ff.; Op-
penheimer, System der Soziologie, Band I/2, S. 499 ff.; 511 f.; Weber, Wirtschaft
und Gesellschaft, passim, insbesondere S. 182 f. Siehe auch Luhmann, Rechts-
soziologie, S. 114 f.; 219 ff.
5
Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 116; Durkheim, Les Règles de
la Méthode Sociologique, S. 121.
6
Hobbes, Leviathan, Kapitel 13 bis 18; Kant, Metaphysik der Sitten, § E,
S. 339. Zu letzterem Strangas, Kritik der kantischen Rechtsphilosophie, S. 22 ff.
Siehe auch Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 271 ff.
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 1
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_0,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
2 Einleitung
Faktizität ist stets ein prekäres.7 Wie aus der Diskussion im Völkerrecht
bekannt,8 wird dies auch in der europarechtlichen Literatur aufgenom-
men, wobei damit teilweise unterschiedliche Ziele verfolgt und unter-
schiedliche Schlussfolgerungen gezogen werden.9
Thema der vorliegenden Arbeit sind die Sanktionen, die der Europäi-
schen Union (EU) zur Verfügung stehen, um ihrem Recht zur Geltung
zu verhelfen. Die Bedeutung dieses Themas hat Teske auf dem 15.
F.I.D.E.-Kongress in Lissabon verdeutlicht:
„Denn die Frage nach den Rechtsfolgen von Gemeinschaftsrechts-
verstößen berührt das Zusammenwirken der Mitgliedstaaten in und
mit der Gemeinschaft unter der Herrschaft gemeinsamen Rechts an
einer sensiblen Stelle und ist von zufriedenstellenden Antworten
noch weit entfernt.“10
In dieser Studie soll eine thematische Eingrenzung vorgenommen wer-
den, die ganz am Beginn einer Auseinandersetzung mit Fragen der
Sanktionierung von Unionsrechtsverstößen steht: Zweck dieser Arbeit
ist es, Konturen eines unionalen Begriffs der Sanktion herauszuarbeiten
und im Ergebnis eine präzise Definition zu finden. Dies geschieht nicht
allein aus dem wissenschaftlichen Interesse, zur Begriffsklärung beizu-
tragen. Vielmehr – dies darzulegen, ist Gegenstand des zweiten Kapitels
– verwenden der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das Gericht
erster Instanz (EuG) den Begriff der Sanktion mit einem spezifischen
Verständnis seiner Funktion. Die Feststellung, dass eine Sanktion vor-
7
Vgl. hierzu zunächst nur als allgemeine Hinweise Habermas, Faktizität
und Geltung, insbesondere das 1. Kapitel, S. 15 ff.; Kelsen, Der soziologische
und der juristische Staatsbegriff, S. 91 ff.; Kelsen, Reine Rechtslehre, passim,
insbesondere S. 55; Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 31 ff., 139 ff.;
Dreier, NJW 1986, S. 890; Hoerster, JuS 1987, S. 181 (182 ff.); Hoerster, Vertei-
digung des Rechtspositivismus, S. 21 f.; Verhoeven, European Union in Search
of a Democratic and Constitutional Theory, S. 46 ff.
8
Beispielsweise bei Amerasinghe, AVR 37 (1999), S. 1, passim; Arend, Legal
Rules and International Society, S. 28 ff.; Kelsen, Der soziologische und der ju-
ristische Staatsbegriff, S. 104 f.; Kelsen, ZaöRV 1958, S. 234; Solte, ARSP 89
(2003), S. 519 (523 ff.); W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 211 ff.;
Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (46 ff.).
9
Beispielsweise bei Dowrick, YEL 3 (1983), S. 169 (178 ff.); Pradel/
Corstens, Droit Pénal Européen, Rn. 389; W. Schroeder, Das Gemeinschafts-
rechtssystem, S. 213 ff.; vgl. auch Weiler, JCMSt 21 (1982), S. 39 (53 f.); von
Bogdandy, integration 1993, S. 210 (211 ff.).
10
Teske, EuR 1992, S. 265 (265 f.).
Einleitung 3
11
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 6; ähnlich Satzger, Die Europäisierung
des Strafrechts, S. 59; Moll, Europäisches Strafrecht durch nationale Blankett-
strafgesetzgebung?, S. 8.
12
So deutlich Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 66 f., dem zu-
zugeben ist, dass „Begriffsbildungen stets funktional sind“. Ähnlich Sieber, in:
FS Geerds, S. 113 (117 f.). Kritisch Zabel, KritV 86 (2003), S. 340 (345 ff.).
13
von Bogdandy, in: Villalón/Huber/von Bogdandy, Ius Publicum Euro-
paeum, Bd. II, S. 807, Rn. 20 ff.
4 Einleitung
14
Weiler/Haltern, Harvard International Law Journal 37 (1996), S. 411, pas-
sim, insbesondere 424 ff.; dagegen Schilling, Harvard International Law Journal
37 (1996), S. 389 (404 ff.). Es wird hier also der – recht weiten und deswegen
auch in der Kritik stehenden – Position des Gerichtshofs zu seinem Ausle-
gungsmonopol in seinen Gutachten zum Europäischen Wirtschaftsraum und
zum Übereinkommen über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen
Luftverkehrsraums gefolgt; EuGH, Gutachten 1/91, EWR I, Slg. 1991, S. I-
6079, Rn. 35; Gutachten 1/00, GELR, Slg. 2002, S. I-3493, Rn. 11 f.; jüngst
nachdrücklich bestätigt im MOX-Plant-Fall, Rs. C-459/03, Kommission/Irland,
Slg. 2006, S. I-4635, Rn. 123; dazu näher Lavranos, EuR 2007, S. 440 (449 f.,
458 f.).
15
Court of Appeal, Maxwell v. Department of Trade and Industry, [1974]
Q.B. 523 (539), per Lawton LJ: „From time to time […] lawyers and judges
have tried to define what constitutes fairness. Like defining an elephant, it is not
easy to do, although fairness in practice has the elephantine quality of being
easy to recognise.” Ähnlich auch schon die folgenden Ausführungen: „It is of-
ten easy to recognise a contract of service when you see it, but difficult to say
wherein the difference lies.”, Court of Appeal, Stevenson, Jordan and Harrison
v. Macdonald and Evans, [1952] 1 T.L.R. 101 (C.A.) (111), per Lord Denning.
16
Wie etwa die evolutionäre Nähe des Elefanten zum Klippschliefer, einem
äußerlich dem Murmeltier ähnlichen Säugetier vor allem des südlichen Afrikas,
Einleitung 5
sich die Staatshaftung prima facie als Sanktion darstellt, oder ob nicht
vielmehr für eine solche Qualifikation doch bestimmte Merkmale der
Sanktion als solcher zunächst herausgearbeitet werden müssen.
Im Recht der Europäischen Union gibt es vielerlei Mechanismen, die
dem ersten Anschein nach als Sanktionen zu qualifizieren sind. Die Eu-
ropäische Kommission verhängt gegen einzelne Unternehmen Geldbu-
ßen in Rekordhöhe, weil sie wettbewerbswidrig handeln.17 Mitglied-
staaten der Europäischen Union sehen sich auf dem Prüfstand, weil sie
die Kriterien des Stabilitätspaktes nicht einhalten, auch ihnen drohen
Geldbußen. Zwangsgelder werden gegen Mitgliedstaaten verhängt, die
ihren Verpflichtungen aus Urteilen des Europäischen Gerichtshofs
(EuGH) nicht nachkommen. Zugleich wird der Begriff der Sanktion in
der wissenschaftlichen Literatur teilweise für die Qualifizierung be-
stimmter gemeinschaftsrechtlicher Institute verwendet. Hierbei handelt
es sich um die Fragen, ob die unmittelbare Anwendbarkeit von Ge-
meinschaftsrecht oder die Staatshaftung für seine mangelhafte Umset-
zung als Sanktionen anzusehen sind. Der Begriff der Sanktion dient in
diesen Diskussionen (auch) dazu, aus der Qualifikation dieser Institute
als Sanktion bestimmte (kritische) rechtspolitische Folgerungen in Be-
zug auf den Herrschaftsverband der Europäischen Union ziehen zu
können.18
Schließlich wurden auch im Gefolge der Anschläge vom 11. September
2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika angesichts eines gesteiger-
ten Sicherheitsbedürfnisses die bis dahin nur mühsam voranschreiten-
den Bemühungen in der Union um eine intensivere Zusammenarbeit
auf dem Gebiet des Strafrechts verstärkt. Prominentes Beispiel ist die
Schaffung eines Europäischen Haftbefehls.19 Zu nennen sind auch die
Pläne zur Errichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft,20 nach de-
schen Staatsanwaltschaft, 11. Dezember 2001, KOM (2001) 715 endg.; sowie
Art. III-270 f. und III-274 des Vertrags über eine Verfassung für Europa
(VerfV), CIG 87/04 vom 6. August 2004, bzw. nun Art. 86 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).
21
Übereinkommen vom 26. Juli 1995 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags
über die Europäische Union über den Schutz der finanziellen Interessen der
Europäischen Gemeinschaften, ABl. 1995, C 316, S. 49.
22
Monar, in: Magiera/Sommermann, Verwaltung und Governance, S. 29
(44); ähnlich von Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149
(169); zu den Entwicklungen nach dem Verfassungsvertrag Bitter, in:
Dann/Rynkowski, Unity of the European Constitution, S. 255 (257 ff.).
23
So auch schon Teske, in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions, vol. 2,
S. 101 (102).
Einleitung 7
Gerechtigkeit. Dies gilt umso mehr bei der Verhängung von Sanktio-
nen, deren Auswirkungen für den Einzelnen wie für die Staaten von
großem Gewicht sein können. Das Anliegen dieser Studie ist demnach,
erste Schritte auf dem Weg zu einem einheitlichen unionalen Sanktio-
nensystem zu machen, indem zunächst dessen grundlegende Vorausset-
zung geklärt wird: Welches ist der im Recht der Europäischen Union
herrschende Begriff der Sanktion?
Aus der thematischen Eingrenzung auf die Bestimmung des Begriffs der
Sanktion folgt, dass den nur angedeuteten Entwicklungen auf dem Ge-
biet eines europäischen bzw. europäisierten Strafrechts im Rahmen die-
ser Arbeit im Einzelnen nicht nachgegangen wird. Dass das Strafrecht
„Sanktionen“ zur Verfolgung rechtswidrigen Verhaltens bereitstellt, ist
begrifflich eindeutig. Gegenstand dieser Untersuchung werden aller-
dings Maßnahmen sein, die einem Strafrecht im weiteren Sinne angehö-
ren, verstanden als nicht nur das Kriminalstrafrecht sondern auch das
Verwaltungsstrafrecht24 erfassend.
24
Verwaltungsstrafrecht umfasst z.B. das in Deutschland geltende Ord-
nungswidrigkeitenrecht, die französischen sanctions administratives oder die
spanischen sanciones administrativas; dazu Sieber, in: van Gerven/Zuleeg, Sank-
tionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 71 (72 f.).
8 Einleitung
Diese Bestimmung des Begriffs der Sanktion, wie ihn Hans Kelsen sei-
nen Arbeiten zugrunde gelegt hat, ist in der Rechtstheorie häufig anzu-
treffen. Kelsens Begriff ist einerseits eng, da er nur die negativen Sankti-
onen, das heißt Strafen in einem weiteren Sinne erfasst. Dagegen
schließt er positive Sanktionen, also Belohnungen, aus.26 Andererseits
ist sein Begriff weit, insofern er die Entziehung bestimmter Güter um-
fasst. Dabei bleibt der Zweck und Umfang dieser Entziehung unbeacht-
lich. Es sind also sowohl repressiv-punitive als auch restitutive sowie
präventive Maßnahmen erfasst.27
Zweck dieses Kapitels ist es, in den Grundlagenwissenschaften erste
Konturen eines Sanktionsbegriffs zu finden, der auch auf unionaler
Ebene genutzt werden kann. Den dort teilweise über die Jahrhunderte
entwickelten Erkenntnissen soll hier die nötige Reverenz erwiesen wer-
den, sind sie doch Ergebnis geistiger Anstrengung großer Denker und
manchmal gar erbitterter Kämpfe zwischen ihnen. Dabei wird sich zei-
gen, dass der Begriff nicht nur in einer wissenschaftlichen Tradition
25
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26.
26
Zu dieser Unterscheidung: K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 204 f.
27
Hierzu K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 206 f.; Heitzer, Punitive Sanktio-
nen, S. 38 f.
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 9
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_1,
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10 1. Kapitel
28
Was auch bei der Analyse des Art. 229 EG sichtbar wird, siehe unten, un-
ter 4. Kapitel B.I.1.
29
Eisler, Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Eintrag „Zwang“,
S. 675.
30
Mansbridge, in: Benhabib, Democracy and Difference, S. 46 (47), die für
die Zwecke ihres Aufsatzes „power“ und „coercion“ gleichsetzt.
31
Auch im Rahmen des EG-Vertrages können sich die beiden Begriffe ge-
genseitig ersetzen. Siehe hierzu Text bei Fn. 438.
32
Hierzu eingehend Fisahn, Rechtstheorie 2003, S. 269 (274 ff.).
Theoretische Grundlagen 11
Im Römischen Recht war die sanctio legis der Schlussparagraf eines Ge-
setzes, durch den das Gesetz dadurch verbindlich wurde, dass unter an-
derem – neben der Bestimmung über das Inkrafttreten – Regeln für den
Fall der Zuwiderhandlung getroffen wurden.35 Das Verb sancire bedeu-
tet weihen, unverbrüchlich machen, verordnen, strafen, verbieten.36 Im
18. Jahrhundert findet das Wort Sanktion über das französische sanction
Eingang in die deutsche (Rechts-)Sprache und erlangt auch dort die Be-
deutung der Erteilung der Gesetzeskraft.37 Im 19. Jahrhundert stand der
Begriff der Sanktion noch für ein Bündel gesetzgebungstechnischer
Funktionen: als förmlicher Akt der gesetzgebenden Autorität diente die
Sanktion der Feststellung der Authentizität des Gesetzeswortlauts, der
Bestätigung, dass das betreffende Gesetz das verfassungsmäßige Ge-
setzgebungsverfahren durchlaufen hatte, und der Erklärung des Geset-
33
Kokott/Doehring/ Buergenthal, Völkerrecht, Rn. 481 ff.
34
Zu dieser Konstellation bspw. EuGH, Rs. C-177/95, Ebony Maritime,
Slg. 1997, S. I-1111.
35
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 46 f. Stowasser u.a., Kleiner Stowasser,
Eintrag „sanctio“, S. 406, übersetzen die sanctio gar nur mit Strafbestimmung,
werden damit aber dem rechtskonstitutiven Charakter der sanctio legis nicht
ganz gerecht.
36
Oder auch heiligen, bekräftigen, festsetzen, bestimmen, Stowasser u.a.,
Kleiner Stowasser, Eintrag „sanctio“, S. 406.
37
Duden, Herkunftswörterbuch, Eintrag „Sanktion“, S. 697; Arndt, Verfas-
sung des Deutschen Reiches, Art. 5, Anm. 5; Bornhak, Preußisches Staatsrecht,
Erster Band, S. 528.
12 1. Kapitel
38
Mertens, Gesetzgebungskunst, S. 211 f. Dort auch zum Folgenden.
39
Laband, Staatsrecht, Bd. 2, S. 32 f.
40
Mertens, Gesetzgebungskunst, S. 213.
41
Köbler, Etymologisches Rechtswörterbuch, Eintrag „Sanktion“, S. 350;
Pähler, in: Bernsdorf, Wörterbuch der Soziologie, Eintrag „Sanktion“, S. 906.
42
Bast, Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, S. 157 ff., 164 ff.
43
Ausführlich unten, unter 3. Kapitel A.II.
Theoretische Grundlagen 13
Die Begriffe Zwang und Sanktion sind seit jeher ähnlich umstritten wie
der Begriff des Rechts selbst. Sie spielen vor allem in der Rechtstheorie
und -soziologie eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Geltung
und Wirksamkeit von Recht. Aber auch in der Rechtsphilosophie wur-
de und wird gestritten, wie Sanktion und Zwang zu verstehen sind, und
vor allem, welchen Zweck sie im System des Rechts erfüllen. In diesem
Abschnitt wird somit in der gebotenen Kürze und damit auch einher-
gehenden Verkürzung nach möglichen Definitionen in diesen Diszipli-
nen gesucht, um einen theoretisch fundierten Begriff der Sanktion für
die Zwecke der Arbeit zugrundelegen zu können.
Während die Rechtstheorie Sanktionen unter dem Blickwinkel der Gel-
tung des Rechts betrachtet, ist die rechtssoziologische Fragestellung auf
die soziale Wirksamkeit von Normen bezogen.45 In beiden Teildiszipli-
nen ist strittig, inwieweit Sanktionen notwendig für die Geltung bzw.
für die Wirksamkeit des Rechts sind. Das hat auch Konsequenzen für
den jeweils verwendeten Sanktionsbegriff.
44
Zu der konstativen und zugleich performativen Struktur der Inkraftset-
zung von Recht in Bezug auf den Gründungsakt einer Institution Derrida, in:
ders./Kittler, Politik des Eigennamens, S. 9 (10 ff.); siehe hierzu allgemein den
„grammatischen Satz“ bei Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Ab-
schnitt 458, S. 423: „Der Befehl befiehlt seine Befolgung“.
45
Allgemein zum unterschiedlichen Fokus der Wissenschaftszweige in-
struktiv aus rechtsrealistischer, steuerungsorientierter Sicht Weber-Grellet,
Rechtstheorie 2003, S. 157.
14 1. Kapitel
46
Parsons, Social System, S. 38.
47
Ausführlich K.F. Schumann, Zeichen der Unfreiheit, S. 40 ff.
48
K.F. Schumann, Zeichen der Unfreiheit, S. 61 [Hervorhebungen im Ori-
ginal]. Unter „Teilnahmeveränderung“ ist die Veränderung der Möglichkeiten
der Teilnahme des Sanktionierten an den sozialen Prozessen zu verstehen.
49
Spittler, Norm und Sanktion, S. 22 [Hervorhebung weggelassen].
50
K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 201.
Theoretische Grundlagen 15
bei Parsons eine Reaktion auf jegliches Verhalten eines anderen ist, ist
sie bei Schumann, Spittler und Röhl eine negative Reaktion auf eine
Verhaltensabweichung. Damit ziehen letztere den Rahmen für den Be-
griff enger.
Ähnlich bestimmt Luhmann die Sanktion, wenn er sie als nachträgliche
(oder vorsorgliche) Durchsetzung einer enttäuschten Erwartung, als ei-
ne Strategie kontrafaktischer Erwartungsstabilisierung, als Einrichtung
der Enttäuschungsabwicklung versteht.51 Die Enttäuschungserklärung
in Form eines Schuldvorwurfes oder die präventive Intention der Sank-
tionierung ist für Luhmann dabei erst von sekundärer Bedeutung.52
Auch Habermas sieht in Sanktionen Mittel zur Erreichung von Stabili-
tät von Verhaltenserwartungen.53 Damit korrespondiert seine grundle-
gende Definition des Rechts als „das moderne gesatzte Recht, das mit
dem Anspruch auf systematische Begründung sowie verbindliche In-
terpretation und Durchsetzung auftritt“.54
Grundlegend sieht auch Rawls im Zwang und der Strafe Mittel zur Sta-
bilisierung der gesellschaftlichen Zusammenarbeit und Verhältnisse in
einer „wohlgeordneten Gesellschaft“.55 Der Zweck des Strafrechts ist
für Rawls nicht die Verhaltenssteuerung, sondern die „Durchsetzung
der grundlegenden natürlichen Pflichten“.56
Zusammenfassend kann man in der Soziologie von einem relativ gesi-
cherten Begriff der Sanktion (bzw. des Zwangs) ausgehen, demzufolge
sie als Mittel der Erwartungssicherung dient. Die Sanktion ist eine stra-
tegische Reaktion auf eine Erwartungsenttäuschung, also einen Norm-
bruch.57 Ob sie darüber hinaus normkonformes Verhalten gerade bei
dem aktuell Abweichenden erzielen und dessen Abweichung unterbin-
den soll, ist für einen soziologischen Rechtsbegriff nicht unbedingt von
51
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 60 f., 100 f.; Luhmann, Soziale Systeme,
S. 453; Luhmann, in ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 113 (117).
52
K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 241.
53
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 41.
54
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 106 [Hervorhebung hinzugefügt];
dazu Ott/Mathis, ZSR 120 (2001), S. 399 (401).
55
Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 271 ff., 372, 625.
56
Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 349.
57
So auch Maihofer, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1
(1970), S. 11 (29).
16 1. Kapitel
58
Solte, ARSP 89 (2003), S. 519 (525).
59
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 58, 60.
60
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 107.
61
Baraldi/Corsi/Esposito, GLU, Eintrag „Macht”, S. 114.
62
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 219 [Hervorhebung im Original].
63
Luhmann, Macht, S. 9 bzw. 61.
64
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 108 [Hervorhebung im Original].
Theoretische Grundlagen 17
65
Bzw. solche, die letzten Endes durch eine direkt durch Zwang garantierte
Norm selbst garantiert werden, Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 183; da-
zu Zippelius, in: Badura/Deutsch/Roxin, Fischer Lexikon Recht, S. 10 (11).
66
Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 189 f.
67
Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 17 [Sperrung im Original].
68
Luhmann, Rechtssoziologie, S. 275 ff.; Luhmann, Macht, S. 9; Lamnek,
in: Endruweit/Trommsdorf, Wörterbuch der Soziologie, Eintrag „Sanktion“,
S. 555; zum Zusammenspiel der jeweiligen sozialen Selektivität von Normen,
Kontrolle und Erzwingungsstab R. König, in: Lüderssen/Sack, Abweichendes
Verhalten I, S. 186 (204 ff.).
18 1. Kapitel
69
Hobbes, Leviathan, 28. Kapitel, S. 258 [Hervorhebung weggelassen].
70
Kant, Metaphysik der Sitten, § D, S. 338 [Hervorhebung weggelassen].
71
Ebenso Höffe, in: ders., Metaphysische Anfangsgründe, S. 41 (56).
Theoretische Grundlagen 19
72
Kant, Metaphysik der Sitten, § E, S. 339; die allgemeinere, klassische De-
finition Kants, nach der Recht „der Inbegriff der Bedingungen [ist], unter denen
die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Ge-
setze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“, findet sich ebd., § B,
S. 337.
73
Kant, Metaphysik der Sitten, § D, S. 339. Darüber hinaus stellt der Zwang
keinen Gegensatz zur Freiheit dar, sondern ist vielmehr ihre Verwirklichung,
Vosgerau, Rechtstheorie 1999, S. 227 (234).
74
Habermas, Faktizität und Geltung, S. 45; Kantorowicz, Begriff des
Rechts, Anm. 11 zu S. 31; Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 198 f., 306; dem
entspricht auch die Interpretation der Stellen in Kant, Metaphysik der Sitten,
§ E, S. 339 f.; ebd., § 49, S. 436; Kant, Über den Gemeinspruch, S. 146 ff.
75
Kersting, in: Dreier, Rechtspositivismus und Wertbezug des Rechts, S. 62
(68). Insofern ungenau: Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 95, der
den subjektivrechtlichen Charakter des Zwanges nicht sieht. Ebenso nicht prä-
zise in dieser Hinsicht: Luhmann, in: ders., Ausdifferenzierung des Rechts,
S. 154 (160) (dazu näher sogleich, Fn. 78); und Höffe, in: ders., Metaphysische
Anfangsgründe, S. 41 (55), der zwar einerseits den Umstand umschreibt, dass
der Einzelne rechtlich befugt ist, eine eventuell vorhandene rechtliche Befugnis
20 1. Kapitel
zu erzwingen, dabei jedoch immer noch allgemein von der „Verknüpfung des
Rechts mit der Zwangsbefugnis“ [Hervorhebung hinzugefügt] spricht. Die
„rechtliche Befugnis“, die erzwungen werden darf, ist nichts anderes als das
subjektive Recht, was auch Höffe später schreibt, ohne dies jedoch zum Anlass
einer Präzisierung zu nehmen, ebd., S. 41 (57). Auffallend ist die irreführende
Umformulierung der Kantschen Definition bei Steinvorth, Logos n.F. 1 (1994),
S. 321, passim, der schon im Titel seines Beitrages von der „Befugnis des Rechts
zu zwingen“ schreibt (statt – wie Kant – von der mit dem Recht verknüpften
Befugnis zu zwingen) und sich damit der Möglichkeit begibt, die hier vertretene
Auffassung zumindest zu diskutieren; zur Kritik im Weiteren: Geismann, Lo-
gos n.F. 2 (1995), S. 187. Im Ergebnis wie hier: J.P. Müller, in: Höffe, Metaphy-
sische Anfangsgründe, S. 257 (269), der jedoch nicht den Unterschied zwischen
subjektivem Recht im Besonderen und (objektivem) Recht im Allgemeinen her-
ausarbeitet, sondern vielmehr auf das Zwingende des Rechts „kraft seiner inne-
ren Autorität als Vernunftrecht“ abstellt.
76
Kant, Über den Gemeinspruch, S. 146.
77
Kant, Über den Gemeinspruch, S. 148.
78
Luhmann, in: ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 154 (160 ff.), be-
schreibt dies überzeugend, geht jedoch weiter davon aus, dass Kant den
„Rechtszwang nach dem Satze des Widerspruchs als einen Bestandteil des
Rechtsbegriffs“ ansieht [Hervorhebung hinzugefügt].
79
Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 184. Dazu näher J. Schmidt, Jahr-
buch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), S. 299 (303 ff.).
Theoretische Grundlagen 21
Dieser Zwang kann bei Kant wiederum nicht nur – wie manchmal an-
genommen – ein rein durch die Vernunft wirkender ideeller Zwang
sein, wie wir ihm beim „Zwang“ des besseren Arguments in der Tradi-
tion der Diskurstheorie begegnen.80 Es muss sich um die nötigenfalls
gewaltsame Durchsetzung eines individuellen Freiheitsraumes gegen-
über anderen handeln, da sich sonst die Begriffe der „Zwangsrechte“,
welche dem Rechtsinhaber zustehen, und der „Befugnis, jeden anderen
zu zwingen“, in der Befugnis zu argumentieren erschöpften, um den
Anderen zur Einsicht in die individuelle Freiheit zu bewegen. Diese In-
terpretation würde eine Reaktion auf eine Rechtsverletzung durch ei-
nen anderen lediglich im Wege der Überzeugung zulassen.81 Das kann
jedoch nicht der Sinn der Aussage Kants sein, dass derjenige, der einem
Recht Abbruch tut, gezwungen werden darf, da „Zwang“ bei Kant ein
„Hindernis oder Widerstand, der der Freiheit geschieht“, ist.82 Ein Ar-
gument ist noch kein Hindernis für die Freiheit eines anderen.
Die mit dem Recht verbundene Befugnis zu zwingen ist somit die Lega-
lisierung des – nötigenfalls gewaltsamen – Zwangs gegen Unrechts-
handlungen, die „Erlaubnis zur Verteidigung des eigenen gesetzlichen
Freiheitsraumes“.83
Auf der anderen Seite stellt für Kant das oberste Sittengesetz des Men-
schen als Ausfluss der praktischen Vernunft ebenso einen Zwang für
den Willen des Einzelnen dar, insofern es als kategorischer Imperativ
der subjektiven Willkür im Wege der intellektuellen Nötigung Wider-
stand entgegensetzt.84 Hieraus könnte gefolgert werden, dass für Kant
Zwang als intellektuelle Beschränkung der Freiheit des Einzelnen in
Hinblick auf die Verwirklichung des Rechts objektiv und von außen
80
So aber J.P. Müller, in: Höffe, Metaphysische Anfangsgründe, S. 257
(260); noch weiter Rossi, in: Hüning/Tuschling, Recht, Staat und Völkerrecht
bei Kant, S. 13 (25 ff., 33). Zur „Zwanglosigkeit des zur Überzeugungskraft
sublimierten Zwangs einleuchtender Gründe“: Habermas, Faktizität und Gel-
tung, S. 41.
81
Darauf deutet auch hin J.P. Müller, in: Höffe, Metaphysische Anfangs-
gründe, S. 257 (268).
82
Kant, Metaphysik der Sitten, § D, S. 338.
83
Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 106.
84
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Anmerkung zu § 7, S. 143; diesen
zwangsmäßigen Aspekt scheint Rossi, in: Hüning/Tuschling, Recht, Staat und
Völkerrecht bei Kant, S. 13 (14, 17 ff.), zu übersehen, wenn er die Sittlichkeit,
Moralität („morality“), bei Kant auf die „non-coercive power“ der rationalen
Selbstgesetzgebung stützt.
22 1. Kapitel
85
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 8, S. 144.
86
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, § 7, S. 140.
87
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 202.
88
Kant, Kritik der reinen Vernunft, passim, insbesondere S. 27 ff.: „Dinge
an sich selbst“. Dem liegt die Unterscheidung zwischen den Erkenntnissen a
posteriori, der Erfahrung, und den von Sinneseindrücken unabhängigen Er-
kenntnissen a priori zugrunde, ebd., S. 45. Hierzu Gulyga, Immanuel Kant,
S. 142 ff.
89
Deggau, Aporien der Rechtslehre Kants, S. 58.
90
Gulyga, Immanuel Kant, S. 189. Zu Kants „Dritter Antinomie“, also zur
These der Freiheit des Menschen und ihrer Antithese der naturgesetzlichen
Notwendigkeit: Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff. Zur Synthese in der
Unterscheidung zwischen phänomenaler und noumenaler Welt: Kant, Kritik
der reinen Vernunft, S. 488 ff.; ebenso Kant, Kritik der praktischen Vernunft,
S. 155 ff. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 95 ff., unterscheidet entsprechend zwi-
schen der in der Natur herrschenden Notwendigkeit und der in der Gesell-
schaft herrschenden Freiheit des Menschen als sittliche Persönlichkeit. In erste-
rer gelte das Prinzip der Kausalität, in letzterer das der Zurechnung. Dem Prin-
zip der Zurechnung bei Kelsen entspricht weitgehend das Prinzip der Kausalität
durch Freiheit bei Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 428, der aber in seiner
Synthese auch schon von Zurechnung spricht, ebd., S. 503 f. Siehe zu den (ver-
meintlichen) Unterschieden jedoch die Anmerkung bei Kelsen, Reine Rechts-
lehre, S. 102 ff.
Theoretische Grundlagen 23
Das ist auch die Bedeutung der Worte, welche in der „Kritik der prakti-
schen Vernunft“ den Beschluss einleiten und auf der Gedenktafel in
Kants Grabmal in Königsberg zu finden sind:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmen-
den [sic!] Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich
das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir,
und das moralische Gesetz in mir.“91
Damit müssen wir bei Kant den inneren Zwang der moralischen Hand-
lung, welcher Ausdruck der selbstgesetzlichen Freiheit in der noumena-
len Welt ist, vom äußeren – gegebenenfalls gewaltsamen – Zwang unter-
scheiden, welcher durch hierzu Ermächtigte gegenüber dem Rechtsbre-
chenden als Teil der phänomenalen Welt ausgeübt wird.92 Gegenstand
dieser Arbeit ist nur der letztgenannte Zwang.
Dem entspricht auch die einzelne Verwendung des Begriffes der Sank-
tionen bei Kant, wo er diese als „willkürliche für sich selbst zufällige
Verordnungen, eines fremden Willens“ definiert in Abgrenzung zu den
aus der autonomen Gesetzgebung des Einzelnen fließenden Pflichten
des moralischen Gesetzes.93 Die Sanktionen sind die äußeren Zwänge,
die zu einer Verhaltensanpassung des Individuums an eine Norm füh-
ren sollen, wohingegen das moralische Gesetz des kategorischen Impe-
rativs den inneren Zwang hierzu ausübt. Jedoch ist aus dem Vorstehen-
den keine nähere Definition der Sanktion für die Zwecke der Arbeit
möglich, entspricht Kants Verwendung des Begriffes im vorliegenden
Zusammenhang doch dem im etymologischen Abschnitt dargestellten
Verständnis der Sanktion als Inkraftsetzung eines Rechtsakts durch ab-
schließende Bekräftigung.94
Dasselbe gilt – noch deutlicher – für die Erwähnung der pragmatischen
Sanktion in einer Anmerkung zu seiner Grundlegung.95 Kant scheint
sich hier vor allem auf die Pragmatische Sanktion Kaiser Karls VI. vom
19. April 1713 zu beziehen, in welcher dieser die Unteilbarkeit der
habsburgischen Länder und die weibliche Erbfolge im Hause Habsburg
91
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 300. Zur Ehrfurcht vor dem
moralischen Gesetz kritisch näher Jonas, Das Prinzip Verantwortung, S. 167 ff.
92
Deggau, Aporien der Rechtslehre Kants, S. 58 f.
93
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 261.
94
Siehe hierzu 1. Kapitel A.
95
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 46.
24 1. Kapitel
festlegte.96 Darauf deutet historisch der Umstand hin, dass Kant die ös-
terreichischen Erbfolgekriege unmittelbar miterleben konnte, und in-
haltlich sein Verständnis der pragmatischen Sanktion als „Vorsorge für
die allgemeine Wohlfahrt“.97
Ebenso betrifft die von Kant erwähnte „Sanktion eines öffentlichen Ge-
setzes“ die Inkraftsetzung einer Rechtsposition und nicht die Verhän-
gung eines Zwangsaktes gegen eine rechtswidrige Verhaltensweise, auch
wenn die Rechtsposition erst durch eine „dies Recht ausübende Gewalt
gesichert“ wird.98 Hier ist wieder die mit dem subjektiven Recht ver-
bundene Befugnis zu zwingen gemeint.
Weiterführend ist Kants Bestimmung der Strafe als physisches Übel,
welches der Glückseligkeit des Einzelnen Abbruch tut und bei Übertre-
tung des sittlichen Gesetzes zu verhängen ist.99 Da das sittliche Gesetz
des kategorischen Imperativs als Subjekt wie als Objekt neben dem
Einzelnen die Allgemeinheit betrifft, ist es die letztere, welche die Strafe
zu verhängen hat, wenn der Einzelne dem sittlichen Gesetz zuwider
handelt.100 Dies folgt aus der Pflicht, den Menschen und die Allgemein-
heit stets selbst als Zweck der Glückseligkeit und nicht bloß als Mittel
96
Siehe hierzu Becker, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschich-
te, Bd. 3, 24. Lieferung (1984), Eintrag „Pragmatische Sanktion“, Sp. 1864 ff.
Schon früher – wohl seit Justinians pragmatischer Sanktion von 554 – war die-
ses Mittel von Herrschern genutzt worden, um bestimmte Rechtsfragen, häufig
der Erbfolge oder des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche, eindeutig zu
klären, so z.B. in der pragmatischen Sanktion von Bourges durch König
Karl VII. vom 7. Juli 1438, in welcher er die Geltung päpstlicher Erlasse für
französische Kirchen von seiner Zustimmung abhängig machte.
97
Möglich ist auch, dass Kant sich auf die später im Jahre 1789 von den cor-
tes, der spanischen parlamentarischen Versammlung, geforderte pragmatische
Sanktion bezieht, nach welcher die Möglichkeit einer weiblichen Thronfolge für
Spanien vorgesehen werden sollte. Zum Zeitpunkt, als er die Grundlegung
schrieb (1785), wurde diese schon diskutiert und war damit aktuell, auch wenn
sie erst am 29. März 1830 von König Ferdinand VII. verkündet wurde. Inwie-
weit Kant in der Anmerkung mit einer doppeldeutigen Verwendung des Termi-
nus „Vorsorge für die allgemeine Wohlfahrt“ als Zweck der pragmatischen
Sanktion zum spanischen Erbfolgerecht politisch Stellung nehmen wollte, muss
hier der Spekulation überlassen bleiben.
98
Kant, Metaphysik der Sitten, § 44, S. 431.
99
Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Anmerkung II zu § 8, S. 150.
100
Rossi, in: Hüning/Tuschling, Recht, Staat und Völkerrecht bei Kant, S. 13
(19 f.).
Theoretische Grundlagen 25
101
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 61; Kant, Kritik der
praktischen Vernunft, S. 263.
102
Kant, Metaphysik der Sitten, § 49, S. 436. Zur Idee der Gewaltenteilung
und der rechtlichen Verfasstheit des Staates bei Kant siehe Ludwig, in: Höffe,
Metaphysische Anfangsgründe, S. 173; zur Frage, wozu der Staat den Bürger
zwingen darf, siehe Merle, in: Höffe, Metaphysische Anfangsgründe, S. 195.
103
Kant, Metaphysik der Sitten, § 49, S. 435; hierzu Kersting, Wohlgeordnete
Freiheit, S. 403; J.P. Müller, in: Höffe, Metaphysische Anfangsgründe, S. 257
(269); Deggau, Aporien der Rechtslehre Kants, S. 254 f.
104
Hegel, Philosophie des Rechts, Anmerkung zu § 92/93, S. 179.
105
Dazu Hegel, Philosophie des Rechts, § 4, S. 46 ff.
26 1. Kapitel
106
Mohr, in: Siep, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 95 (101).
107
Hegel, Philosophie des Rechts, § 92, S. 179 [Hervorhebung im Original].
108
Hegel, Philosophie des Rechts, § 93, S. 179; dazu Peperzak, Modern
Freedom, S. 283, 287; Mohr, in: Siep, Grundlinien der Philosophie des Rechts,
S. 95 (102).
109
Hegel, Philosophie des Rechts, § 220, S. 374.
110
Mohr, in: Siep, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 95 (107).
111
Peperzak, Modern Freedom, S. 287.
112
Hegel, Philosophie des Rechts, § 99, S. 187 ff.; Peperzak, Modern Free-
dom, S. 293.
113
Hegel, Philosophie des Rechts, § 97, S. 185 f., § 101, S.192 ; dazu
Maihofer, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), S. 11
(29 f.); Mohr, in: Siep, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 95 (98).
114
Hegel, Philosophie des Rechts, § 29, S. 80 [Hervorhebung im Original];
dazu Buchwalter, in: Schomberg/Baynes, Discourse and Democracy, S. 129
(137), der die Unterschiede zu Kants – und Habermas’ – Begriff des Rechts her-
ausarbeitet.
115
Hegel, Philosophie des Rechts, § 94, S. 180 [Hervorhebung im Original].
Theoretische Grundlagen 27
ßigen Zwang richtet sich die zweite Negation in Form des „zweiten“,
rechtmäßigen Zwanges.116
Damit wird deutlich, dass der Zwang bei Hegel mit dem Recht verbun-
den, jedoch nicht analytisch zentrales Element des Rechts als solchem
ist. Vielmehr ist der Zwang bei Hegel Folge von Recht.117 Wie versucht
wurde zu zeigen, ist dieser Gedanke auch bei Kant anzutreffen.118 Im
Unterschied zu Kant wird er bei Hegel jedoch deutlicher formuliert.
Bedeutsam ist an dieser Stelle, dass die dialektische Auflösung des Un-
rechts durch berechtigten Zwang schon bei Kant zu finden ist, wenn
dieser vom Zwang als der „Verhinderung eines Hindernisses der Frei-
heit“ spricht.119
116
Peperzak, Modern Freedom, S. 284 f.
117
Hegel, Philosophie des Rechts, § 94, S. 180; Peperzak, Modern Freedom,
S. 283; Mohr, in: Siep, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 95 (103).
118
Text bei Fn. 74.
119
Hierzu Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S. 105 f., Lisser, Begriff des
Rechts bei Kant, S. 44, und oben, bei Fn. 70.
120
Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, 4. Buch.
28 1. Kapitel
lisieren.121 Die nachteilige Folge für das Individuum schließt die Aus-
übung physischen Zwangs ein.122
Das verdeutlicht, dass anders als in der Rechtssoziologie die Rechtsphi-
losophie keine Entscheidung darüber trifft, wer die Sanktion zu ver-
hängen hat, sondern nur, gegen wen sie verhängt wird und welche
Funktion sie hat. In der Beschreibung ihrer Funktion unterscheiden
sich Philosophie und Soziologie jedoch nicht.
121
Hierzu oben, 1. Kapitel B.I.1.
122
Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 141.
123
Siehe nur Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 36.
124
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 27.
125
Zum Folgenden Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 114.
Theoretische Grundlagen 29
126
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 115.
127
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26. Diese Güter sind bspw. „Leben, Ge-
sundheit, Freiheit, Ehre, wirtschaftliche Werte“, ebd.
128
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 34; hierzu auch Weinberger, in: Lenk, Nor-
menlogik, S. 89 (93).
129
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26: „Das Gesollt-sein der Sanktion schließt
das Verboten-sein des Verhaltens, das ihre spezifische Bedingung ist, das Gebo-
ten-sein seines Gegenteils in sich. Dabei ist zu beachten, dass mit „Geboten-“
oder „Verboten“-sein eines bestimmten Verhaltens nicht das Gesollt-sein dieses
Verhaltens oder seines Gegenteils, sondern das Gesollt-sein der Folge dieses
Verhaltens, das ist: der Sanktion, gemeint ist. Das gebotene Verhalten ist nicht
das gesollte Verhalten; gesollt ist die Sanktion. Das Geboten-sein eines Verhal-
tens bedeutet, dass das Gegenteil dieses Verhaltens Bedingung des Gesollt-seins
der Sanktion ist.“ Zu dem hier zugrunde liegenden Verständnis Kelsens vom
Staat als Willenssubjekt des Rechts und vom Willen als einer mit „e i n e r e i g e -
n e n A k t i v i t ä t d e s Wo l l e n d e n “ (Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechts-
lehre, S. 110, Sperrung im Original) verbundenen Vorstellung eines künftigen
Vorgangs oder Zustands, siehe kritisch Weinberger, in: Lenk, Normenlogik,
S. 89 (103 ff.).
30 1. Kapitel
130
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 42 f.
131
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 38.
132
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26.
133
Siehe nur Denninger, in: FS Lüderssen, S. 41 (47 f.).
134
Zwar ist dieser Anspruch vorrangig auf Schadensausgleich gerichtet. Er
hat jedoch auch die Funktion, für Genugtuung beim Geschädigten zu sorgen,
wenngleich der Sühnegedanke im Schadensersatzrecht des BGB nicht tragfähig
ist; BGHZ 18, 149 (Großer Zivilsenat); BGH, NJW 1995, S. 781; BGH, NJW
1993, S. 781; Palandt (55. Aufl., 1996)-Thomas, § 847, Rn. 4; bzw. nach Aufhe-
bung des § 847 BGB und Einfügung des neuen § 253 Abs. 2 BGB nun Palandt-
Heinrichs, § 253, Rn. 11; mit guten Gründen kritisch G. Wagner, JZ 2004, S. 319
(321). Hinzu tritt die reine – jedoch erwünschte – Nebenfolge der Prävention,
Palandt-Heinrichs, § 253, Rn. 10. Zu denken wäre auch an die Leistung von pu-
nitive damages, wie sie aus dem amerikanischen Rechtskreis bekannt ist. Zur
Unterscheidung zwischen restitutiven und repressiven/ punitiven Sanktionen
sogleich.
Theoretische Grundlagen 31
135
Näher unten, unter 4. Kapitel C.III., zu EuGH, Rs. 14/83, von Colson
und Kamann, Slg. 1984, S. 1891, Rn. 28.
136
Lamnek, in: Reinhold, Soziologie-Lexikon, Eintrag „Sanktion“, S. 545;
Luhmann, Macht, S 23 f.; Raiser, Das lebende Recht, S. 229 ff.
137
So beispielsweise die Überschrift des 28. Kapitels bei Hobbes, Leviathan,
S. 258: „Von Strafen und Belohnungen“; ebenso Wittgenstein, Tractatus logico-
philosophicus, Satz Nr. 6.422, S. 83 (zur Ethik); Kelsen, Reine Rechtslehre,
S. 26; Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Anmerkung II zu § 8, S. 151; bei
Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 65, – kritisch, weil nicht der
autonomen, aber allgemeinen Gesetzgebung des Einzelnen entspringend –:
„Reiz oder Zwang“. Normkonformes Verhalten aufgrund dieser Anreize ent-
spricht dementsprechend nach Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 191,
der Legalität, aber nicht der Moralität.
32 1. Kapitel
138
Spittler, Norm und Sanktion, S. 22; Lamnek, in: Reinhold, Soziologie-
Lexikon, Eintrag „Sanktion“, S. 545; aus der Sicht der ökonomischen Theorie
des Rechts: van Aaken, in: Bungenberg u.a., Recht und Ökonomik, S. 1 (4 ff.).
139
Luhmann, Macht, S. 24; kritisch K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 210 f.;
Raiser, Das lebende Recht, S. 230, die unter positiven Sanktionen nur solche
verstehen wollen, bei denen das gewünschte Verhalten als Pflicht eingefordert
wird. Wohl das einzige Beispiel für eine solche positive Sanktion im deutschen
Recht sei der Finderlohn gem. § 971 BGB (K.F. Röhl, Rechtssoziologie, S. 205).
In der Tat führte diese Bestimmung der positiven Sanktion dazu, dass kaum ei-
ne solche Sanktion zu finden sein wird. Der Finderlohn zeigt auch, dass eine
positive Sanktion in Röhls Sinne auch von einer negativen Sanktion begleitet
sein kann, da das entgegengesetzte Verhalten, also der Rechtspflicht nicht zu
entsprechen, indem die gefundene Sache nicht zurück gegeben wird, eine nega-
tive Sanktion auslösen könnte, nämlich eine Bestrafung wegen Unterschlagung
nach § 246 StGB.
140
Parsons, Social System, S. 40; K.F. Schumann, Zeichen der Unfreiheit,
S. 35.
141
Zuleeg, Bürgerlichrechtliche Schuldverhältnisse, S. 2 f.; entspricht Zuleeg,
Rechtsform der Subventionen, S. 5; Scheuner, VVDStRL 11 (1952), S. 1 (41).
Theoretische Grundlagen 33
2. Sanktionszwecke
Die negativen Sanktionen lassen sich im Anschluss an Durkheim auch
in repressive (punitive) und restitutive Sanktionen unterteilen.143 Man
kann sie ihrem Zweck nach unterscheiden. Im ersten Fall soll durch die
Sanktion ein unerwünschtes Verhalten geahndet werden, indem dem zu
Sanktionierenden ein Übel zugefügt wird, um zu zeigen, dass für die
Zukunft an der verletzten Norm festgehalten wird.144 Die repressive
Sanktion entspricht auch dem in Rechtstheorie, -soziologie und -philo-
sophie gefundenen Begriff, nach dem die Sanktion durch den Entzug
von Rechtsgütern der kontrafaktischen Erwartungsstabilisierung dienen
soll. Im zweiten Fall soll nur der Zustand wiederhergestellt werden, der
ohne die Zuwiderhandlung bestanden hätte, also auch ein eventueller
Schaden beseitigt werden.145 Ein Beispiel hierfür ist die Rückzahlungs-
pflicht einer zu Unrecht erhaltenen Beihilfe bei normaler Verzinsung.
Die Geldbuße ist wiederum ein Beispiel für eine repressive Sanktion.
Daneben kann man noch die präventive, also die abschreckende Sankti-
on nennen, welche einem künftigen Rechtsbruch vorbeugen soll. Ein
Beispiel für eine rein präventive Maßnahme ist die Sicherstellung eines
gefährlichen Gegenstands, wobei fraglich bleibt, ob es sich in diesem
Fall um eine Sanktion handelt. Die präventive Sanktion lässt sich zu-
142
Erler, Grundprobleme des Internationalen Wirtschaftsrechts, S. 37.
143
Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 118 ff., 162 ff.; zum Folgenden:
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 38; Luhmann, Rechtssoziologie, S. 16; Raiser,
Das lebende Recht, S. 87 f.
144
Damit scheidet eine Abgrenzung aufgrund des unscharfen Merkmals ei-
nes etwaigen sittlich-moralischen Unwerturteils aus; Kelsen, Reine Rechtslehre,
S. 115 f.; Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 38; Spittler, Norm und Sanktion,
S. 22.
145
Lamnek, in: Reinhold, Soziologie-Lexikon, Eintrag „Sanktion“, S. 545.
34 1. Kapitel
146
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 38.
147
EuGH, Rs. 67/74, Bonsignore, Slg. 1975, S. 297, Rn. 7; Rs. 340/97, Nazli,
Slg. 2000, S. I-957, R. 59; verb. Rs. C-482/01 und C-493/01, Orfanopoulos u.a.,
Slg. 2004, S. I-5257, Rn. 68.
148
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur
Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wett-
bewerbsregeln, ABl. 2003, L 1, S. 1; zuvor Verordnung (EWG) Nr. 17 des Rates
vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und
86 des Vertrags, „Kartellverordnung“, ABl. 13 vom 21.2.1962, S. 204/62.
149
Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004, L 24, S. 1, „EG-
Fusionskontrollverordnung“, zuvor Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates
vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammen-
schlüssen, ABl. 1989, L 395, S. 1.
Theoretische Grundlagen 35
ten. Im Falle der Staatshaftung für die fehlerhafte Umsetzung von Ge-
meinschaftsrecht ist es gerade strittig, ob darin eine repressive oder eine
restitutive Sanktion gegenüber dem Mitgliedstaat zu sehen ist oder ob
eben beide Zwecke verfolgt werden.150
150
Dazu unten, unter 5. Kapitel A.I.
36 1. Kapitel
Eine präzise Bestimmung des unionalen Begriffs der Sanktion ist, wie
angesprochen, nicht nur von systematisch-wissenschaftlichem Interesse,
sondern hat im Recht der Union vielmehr eine bedeutende Konse-
quenz: Nach einer mittlerweile gefestigten Rechtsprechungslinie des
Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz besteht
zwischen der Verhängung einer Sanktion und der Gewährleistung von
Rechtsschutz ein zwingender Zusammenhang.151 Dies betrifft den
Schutz der Verteidigungsrechte – sowohl natürlicher und juristischer
Personen als auch der Mitgliedstaaten –, die im Falle der Verhängung
einer Sanktion zu gelten haben. Eine Kopplung von Sanktion und Ver-
teidigungsrechten war zum Teil bereits auf primärrechtlicher Ebene
festgelegt. Art. 36 Abs. 1 KS sah vor, dass die Kommission vor „Fest-
setzung der nach diesem Vertrage vorgesehenen finanziellen Sanktionen
oder Zwangsgelder […] dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnah-
me zu geben“ habe. Es ist im Lichte der folgenden Ausführungen an-
zunehmen, dass der Gerichtshof Art. 36 Abs. 1 KS als Ausdruck eines
allgemeinen Rechtsgedankens gelesen hat, der darüber hinaus in ande-
ren Sektoren des Unionsrechts Anwendung findet.
Eine terminologische Vorbemerkung ist dabei angebracht: Während in
manchen Urteilen von den „Verteidigungsrechten“ oder den „Verfah-
rensrechten“ die Rede ist, wird in anderen vom „Anspruch auf rechtli-
ches Gehör“ oder vom „Recht auf ein faires Verfahren“ gesprochen.
Und wieder in anderen Entscheidungen wird das „Recht auf Anhö-
rung“ gewährt. Für die Zwecke der folgenden Ausführungen sollen die-
151
Als Vorstudie dazu bereits Bitter, in: Bodnar u.a., Emerging Constitu-
tional Law, S. 15 (25 ff.).
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 37
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_2,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
38 2. Kapitel
152
Am deutlichsten wird dies im Urteil des EuG, Rs. T-199/99, Sgaravatti
Mediterranea/Kommission, Slg. 2002, S. II-3731, Rn. 55, wo auf „die Beachtung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Verteidigungsrechte) in allen Verfahren“
verwiesen wird.
153
Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee,
Rn. 2/42 f.
154
Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee,
Rn. 6/59 [Hervorhebung im Original].
155
Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee,
Rn. 4/59 ff.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 39
156
EuGH, Rs. 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, S. 461,
Rn. 9. „Verwaltungsverfahren“ ist hier in Abgrenzung zu „strafrechtlichen Ver-
fahren“ zu verstehen.
157
Im Umkehrschluss könnte man sogar schließen, dass die Verteidigungs-
rechte nicht anwendbar wären, wenn keine Sanktion droht. Dazu näher gleich,
unter 2. Kapitel A.II.
158
EuGH, Rs. 121/76, Moli/Kommission, Slg. 1977, S. 1971, Rn. 19/21;
Rs. 75/77, Mollet/Kommission, Slg. 1978, S. 897, Rn. 20/23.
159
EuGH, Rs. 17/74, Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974,
S. 1063, Rn. 15; dazu Ehlermann/Oldekop, in: F.I.D.E., Due Process in the
Administrative Procedure, S. 11.1 (11.2).
160
EuGH, Rs. 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, S. 3461, Rn. 7;
verb. Rs. 46/87 und 227/88, Hoechst/Kommission, Slg. 1989, S. 2859, Rn. 15;
Rs. 85/87, Dow Benelux/Kommission, Slg. 1989, S. 3137, Rn. 26; verb. Rs.
97/87, 98/87 und 99/87, Dow Chemical Ibérica u.a./Kommission, Slg. 1989,
S. 3165, Rn. 12; Rs. 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, S. 3283, Rn. 33.
40 2. Kapitel
161
EuGH, verb. Rs. 100 bis 103/80, Musique Diffusion Française (Pio-
neer)/Kommission, Slg. 1983, S. 1825, Rn. 10; unter Verweis auf dieses Urteil
auch noch EuG, Rs. T-11/89, Shell International Chemical Company/Kommis-
sion, Slg. 1992, S. II-757, Rn. 39.
162
EuG, verb. Rs. T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR
u.a./Kommission, Slg. 1992, S. II-2667, Rn. 39.
163
EuG, Rs. T-17/93, Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, S. II-595,
Rn. 34.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 41
te“ oder vom „Grundsatz des rechtlichen Gehörs“ die Rede, die bei
drohenden Sanktionen zu beachten seien.164
Durch die letztgenannten Formulierungen wird – wie schon in der Sa-
che Hoffmann-La Roche – die Problematik des Rechtsschutzes bei
Sanktionen hochgestuft zu einer grundrechtlichen Fragestellung, da es
sich bei „Verteidigungsrechten“ bzw. dem „Grundsatz rechtlichen Ge-
hörs“ um Grundrechte handelt (vgl. nur Art. 47 Abs. 2 und 48 Abs. 2
Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Grundrechtecharta).
Dadurch sind von der Geltung des Grundsatzes potentiell nicht nur die
Verwaltungsverfahren vor der Kommission erfasst, sondern auch Ver-
fahren vor den mitgliedstaatlichen Behörden in unionsrechtlich deter-
minierten Fällen.165 Das ist die Konsequenz der Geltung der (europäi-
schen) Grundrechte auch dann, wenn die Mitgliedstaaten Unionsrecht
durchführen.166 Daneben kommt der Formulierung nach auch die An-
wendbarkeit der Verteidigungsrechte in Gesetzgebungsverfahren in Be-
tracht. Dies wurde jedoch von den europäischen Gerichten abge-
lehnt.167
Ebenso ist es durch die zitierten Formulierungen des Gerichtshofs in
Hoffmann-La Roche („in allen Verfahren, die zu Sanktionen […] füh-
ren können“) und des Gerichts erster Instanz im Fall Cimenteries („in
jedem Verfahren, das zu Sanktionen führen kann“) nicht ausgeschlos-
sen, dass auch die Mitgliedstaaten in den Genuss der Verteidigungsrech-
te kommen, wenn gegen sie Maßnahmen verhängt werden, die als Sank-
tionen anzusehen sind. Der Gerichtshof scheint in der Tat dieser Auf-
fassung zu sein, wenn man beispielsweise aus jüngerer Zeit die Ausfüh-
164
EuG, verb. Rs. T-39/92 und T-40/92, Groupement des cartes bancaires
„CB“ u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-49, Rn. 48; Rs. T-34/93, Société Géné-
rale/Kommission, Slg. 1995, S. II-545, Rn. 73; Rs. T-30/91, Solvay/Kommission,
Slg. 1995, S. II-1775, Rn. 59; Rs. T-36/91, Imperial Chemical Indust-
ries/Kommission, Slg. 1995, S. II-1847, Rn. 69; Rs. T-37/91, Imperial Chemical
Industries/Kommission, Slg. 1995, S. II-1901, Rn. 49.
165
Gundel, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 18,
S. 421, Rn. 33 ff.
166
EuGH, Rs. 5/88, Wachauf, Slg. 1989, S. 2609, Rn. 19; Rs. C-260/89, ERT,
Slg. 1991, S. I-2925, Rn. 42; Rs. C-368/95, Familiapress, Slg. 1997, S. I-3689,
Rn. 24; zu problematischen Implikationen von Bogdandy/Bitter, in: FS Zuleeg,
S. 309 (319 ff.).
167
EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, S. II-
1707, Rn. 70; EuGH, Rs. C-104/97 P, Atlanta u.a./Rat und Kommission,
Slg. 1999, S. I-6983, Rn. 35, 37.
42 2. Kapitel
168
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263,
Rn. 92 ff., insbes. Rn. 93.
169
Unten, unter 2. Kapitel A.III.2. und 4. Kapitel C.II. Siehe bereits näher
Gil Ibáñez, The Administrative Supervision and Enforcement of EC Law,
S. 97 ff.
170
Lenaerts/Vanhamme, CMLRev. 34 (1997), S.531 (535); auch Lenaerts,
EuR 1997, S. 17 (28).
171
Unten, unter 2. Kapitel A.IV.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 43
172
Lenaerts/Vanhamme, CMLRev. 34 (1997), S.531 (535); auch Lenaerts,
EuR 1997, S. 17 (28).
173
Ausführlich zu den diversen Konzepten der Sanktion und ihrer Funktion
in den Grundlagenwissenschaften oben, 1. Kapitel.
44 2. Kapitel
In der Rechtssache Nicolet aus dem Jahre 1986 war die Weigerung der
Kommission streitig, die Einfuhr bestimmter Gegenstände vom Zoll
des Gemeinsamen Zolltarifs zu befreien, da die Voraussetzungen hierfür
nicht erfüllt seien. Die Klägerin machte geltend, dass sie vor der Ent-
scheidung der Kommission nicht angehört worden sei. Der Gerichtshof
verwies darauf, dass die einschlägigen Verordnungen174 weder die Betei-
ligung des einführenden Unternehmens im Verfahren beim Ausschuss
für Zollbefreiungen noch einen Anspruch auf rechtliches Gehör vor der
Kommission vorsähen. Damit sei die Entscheidung der Kommission
nicht aufgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs ungültig.175 Tragen-
des Argument für die Ablehnung der Geltung des Anspruchs auf recht-
liches Gehör war demnach der Umstand, dass ein solcher Anspruch
nicht in den einschlägigen Rechtsakten vorgesehen war. Dies war je-
doch in den vorgehend geschilderten Fällen, in welchen ein Zusam-
menhang zwischen der Gewährleistung der Verteidigungsrechte und
der Verhängung von Sanktionen hergestellt wurde, auch nicht der Fall.
Vielmehr wurde dieses Prinzip als allgemeiner, „fundamentaler Grund-
satz“ des Gemeinschaftsrechts bezeichnet, der unabhängig von einer
sekundärrechtlichen Anordnung zu beachten ist.176 Die Geltung des
Grundsatzes im Fall Nicolet schied aber aufgrund seiner fehlenden ge-
setzlichen Fixierung aus. Somit scheint der Schluss zulässig, dass der
EuGH die eine Zollbefreiung ablehnende Entscheidung nicht als Sank-
tion ansah und deswegen die Anwendung des „fundamentalen Grund-
satzes“ der Geltung der Verteidigungsrechte nicht in Frage kam, solan-
ge er nicht im Sekundärrecht vorgesehen war.
Ganz ähnlich entschied der Gerichtshof in der Rechtssache Biedermann
aus dem Jahre 1988. Ein Beamter des Rechnungshofes hatte nach einem
Verkehrsunfall den ihm durch den Rechnungshof zuerkannten Grad
seiner Teilinvalidität als zu niedrig bemängelt. Insbesondere habe man
es ihm nicht ermöglicht, vom Ärzteausschuss, der seinen Invaliditäts-
174
Damals Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 des Rates vom 10. Juli 1975 über
die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegen-
ständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters,
ABl. 1975, L 184, S. 1; und Verordnung (EWG) Nr. 2784/79 der Kommission
vom 12. Dezember 1979 zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu der
Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 des Rates über die von den Zöllen des Ge-
meinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wis-
senschaftlichen oder kulturellen Charakters, ABl. 1979, L 318, S. 32.
175
EuGH, Rs. 203/85, Nicolet, Slg. 1986, S. 2049, Rn. 13 ff.
176
Dazu oben, unter 2. Kapitel A.I.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 45
grad zu begutachten hatte, gehört zu werden. Damit leide die auf dem
Gutachten des Ärzteausschusses beruhende Entscheidung des Rech-
nungshofes am Rechtsfehler, dass ihm kein rechtliches Gehör gewährt
worden sei. Der Gerichtshof stellte hierzu fest, dass weder das Beam-
tenstatut177 noch die Gemeinsame Regelung zur Sicherung der Beamten
der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten
eine solche Anhörung vor dem Ärzteausschuss vorschrieben. Daneben
sei eine Anhörung auch wegen der Art der Tätigkeit des Ärzteausschus-
ses nicht durch den Grundsatz des rechtlichen Gehörs geboten, da der
Ausschuss nicht in streitiger Auseinandersetzung entscheide, sondern
ärztliche Feststellungen treffe.178
Auch hier wird dem Kläger die Gewährung rechtlichen Gehörs aus
dem Grund versagt, dass ein dahingehender Anspruch in den einschlä-
gigen Vorschriften nicht vorgesehen sei. Dies legt nahe, dass der Ge-
richtshof auch in der Zuerkennung eines angeblich zu geringen Grades
an Arbeitsinvalidität keine Sanktion sieht, die eine Gewährung rechtli-
chen Gehörs erforderlich macht.
Mit dem Gedanken, dass auch die Art der Arbeiten des begutachtenden
Organs eine Rolle bei der Beurteilung der Frage spielt, ob die Verteidi-
gungsrechte gelten, könnte der Gerichtshof den Verteidigungsrechten
unter Umständen ein anderes Feld eröffnet haben. So scheinen seine
Ausführungen zu implizieren, dass der von einer Entscheidung Betrof-
fene nur angehört werden muss, wenn diese Entscheidung in einem
streitigen – also kontradiktorischen – Verfahren erlassen wird. Hierge-
gen spricht jedoch schon allein der Umstand, dass die Geltung der Ver-
teidigungsrechte nicht von einem solchen Verfahren abhängig gemacht
werden kann, da Entscheidungen der Kommission nicht notwendig in
streitigen Verfahren ergehen und dabei trotzdem den Einzelnen be-
lasten können. Der Rat oder auch die Kommission selbst – in den Fäl-
len, in denen sie die Durchführungsvorschriften selbst setzt, nach wel-
chen sie zu entscheiden hat – könnten die Entscheidungsprozesse der
177
Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Feb-
ruar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemein-
schaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten
dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vo-
rübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, ABl. 1968,
L 56, S. 1.
178
EuGH, Rs. 2/87, Biedermann/Rechnungshof der Europäischen Gemein-
schaften, Slg. 1988, S. 143, Rn. 16.
46 2. Kapitel
179
Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den
Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäi-
schen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. 1988, L 209, S. 1.
180
EuGH, Rs. C-170/89, Bureau Européen des Unions de Con-
sommateurs/Kommission, Slg. 1991, S. I-5709, Rn. 19 ff.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 47
Auch in diesem Fall macht der EuGH die Geltung der Verteidigungs-
rechte davon abhängig, dass ein Verfahren in Frage steht, welches zu
Maßnahmen führen kann, die den Betroffenen belasten. Hierbei formu-
liert der Gerichtshof abweichend von den oben dargestellten Fällen, in-
dem er nicht von „Sanktionen“ spricht, sondern von „beschwerenden
Maßnahmen“. Inwieweit dies einen Rechtsprechungswandel mit einer
Abweichung von der bisherigen Kopplung der Verteidigungsrechte an
Sanktionen bedeutet, wird anschließend diskutiert.181 Zunächst ist von
Bedeutung, dass überhaupt eine solche Maßnahme vorliegen muss, da-
mit das Recht auf ein faires Verfahren geltend gemacht werden kann.
Falls eine solche Maßnahme nicht gegeben ist bzw. im betreffenden
Verfahren droht, muss ein Akt abgeleiteten Rechts dieses Recht über-
tragen. Andernfalls ist der sich auf das Recht Berufende von dessen
Schutzbereich nicht erfasst.
Damit erfüllt die Qualifikation einer Maßnahme je nach ihrer Wirkung
für den durch sie Betroffenen die bedeutende Funktion, die Frage zu
klären, welche Rechte der Betroffene hat. In der bisher dargestellten
Rechtsprechung bezieht sich dies ausdrücklich auf Sanktionen. Mit dem
zuletzt genannten Urteil wird jedoch anscheinend eine neue Kategorie
von Maßnahmen eingeführt, bei deren möglicher Verhängung die Ver-
teidigungsrechte zu gelten haben: Es handelt sich um die „beschweren-
den Maßnahmen“.
181
Unten, unter 2. Kapitel A.III.
48 2. Kapitel
182
EuGH, Rs. C-49/88, Al-Jubail Fertilizer Company u.a./Rat, Slg. 1991,
S. I-3187, Rn. 15.
183
EuGH, verb. Rs. 46/87 und 227/88, Hoechst/Kommission, Slg. 1989,
S. 2859, Rn. 15; ebenso Rs. 85/87, Dow Benelux/Kommission, Slg. 1989, S. 3137,
Rn. 26; verb. Rs. 97/87, 98/87 und 99/87, Dow Chemical Ibérica
u.a./Kommission, Slg. 1989, S. 3165, Rn. 12; Rs. 374/87, Orkem/Kommission,
Slg. 1989, S. 3283, Rn. 33.
184
EuG, Rs. T-34/93, Société Générale/Kommission, Slg. 1995, S. II-545,
Rn. 73.
185
Siehe Fn. 182.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 49
186
Französisch: „conséquences défavorables“; Englisch: „adverse conse-
quences“.
187
Französisch: „acte faisant grief“ à quelqu’un; Englisch: „measure ad-
versely affecting“ someone.
188
Siehe Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 im Fall Bureau
Européen des Unions de Consommateurs, bzw. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung
(EWG) Nr. 2176/84 des Rates vom 23. Juli 1984 über den Schutz gegen ge-
dumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirt-
schaftsgemeinschaft gehörenden Ländern, ABl. 1984, L 201, S. 1, im Fall Al-
Jubail Fertilizer Company, welches die Vorgängerverordnung zur Verordnung
(EWG) Nr. 2423/88 war.
50 2. Kapitel
189
Siehe Text vor Fn. 178.
190
EuGH, Rs. 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2263, Rn. 26; eben-
so Rs. 40/85, Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2321, Rn. 26.
191
Fn. 156.
192
EuGH, Rs. 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2263, Rn. 27; eben-
so Rs. 40/85, Belgien/Kommission, Slg. 1986, S. 2321, Rn. 28.
193
Die „Aufhebung“ einer Beihilfe durch Rückforderung ist nämlich „die
logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit“: EuGH, Rs. 142/87,
Belgien/Kommission, Slg. 1990, S. I-959, Rn. 66; Rs. C-310/99, Italien/Kom-
mission, Slg. 2002, S. I-2289, Rn. 98. Näher Beljin, in: Schulze/Zuleeg, Europa-
recht, § 28, Rn. 176 f., 188 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1144; Sinnaeve,
Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Beihilfen, S. 98 ff.
194
EuGH, Rs. C-24/95, Alcan, Slg. 1997, S. I-1591, Rn. 25. Ausführlich
Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 470 ff.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 51
195
BVerwG, Urt. vom 23.4.1998, 3 C 15.97, BVerwGE 106, 328 (338); Beljin,
in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 28, Rn. 296; a.A. wohl Schmidt-Kötters, in:
Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, § 59, Rn. 6.
196
Soltész/Kühlmann, EWS 2001, S. 513 (515 f.).
197
Sinnaeve, Die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler
Beihilfen, S. 182 f. Zur hierbei bestehenden Interessenlage im Unterschied zu
derjenigen bei der Rückforderung einer zu Unrecht gewährten Gemeinschafts-
beihilfe Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 465.
198
Unter 2. Kapitel A.III.2. und 4. Kapitel C.II.
52 2. Kapitel
199
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263,
Rn. 92 ff.
200
EuGH, Rs. C-287/02, Spanien/Kommission, Slg. 2005, S. I-5093, Rn. 37;
unter Verweis auf Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a., Slg. 1996, S. I-5373,
Rn. 21; Rs. C-462/98 P, Mediocurso u.a./Kommission, Slg. 2000, S. I-7183,
Rn. 36.
201
Vgl. Fn. 160.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 53
202
EuGH, Rs. 259/85, Frankreich/Kommission, Slg. 1987, S. 4393, Rn. 12;
Rs. 301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, S. I-307, Rn. 29; verb. Rs. C-
48/90 und C-66/90, Niederlande u.a./Kommission, Slg. 1992, S. I-565, Rn. 44.
203
Die Rückforderung ist nach dem im Laufe dieser Studie entwickelten Ver-
ständnis keine Sanktion.
204
Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Gemeinschaft, S. 107; Tesauro, in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions,
vol. 2, S. 423 (432); Tesauro, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 17 (18).
54 2. Kapitel
205
Siehe Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Gemeinschaft, S. 116 f.
206
Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Rn. 26/3.
207
Timmermans, in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions, vol. 2, S. 15 (29);
ähnlich Zuleeg, Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Union, S. 117.
208
Verordnung (EWG) Nr. 3929/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 über
Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände für Schiffe
unter schwedischer Flagge (1991), ABl. 1990, L 378, S. 48.
209
Verordnung (EWG) Nr. 3885/91 des Rates vom 18. Dezember 1991 über
Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände für Schiffe
unter schwedischer Flagge (1992), ABl. 1992, L 367, S. 48. Die Bedingungen für
Die rechtsschutzspezifische Funktion 55
raum von zwölf Monaten nicht in Betracht käme. Das schwedische Un-
ternehmen Fiskano, welches Eigentümer des Schiffes war, wandte sich
gegen die Entscheidung der Kommission und brachte unter anderem
vor, dass es vor Erlass dieser Entscheidung nicht angehört worden sei.
Die Kommission rügte zunächst die Zulässigkeit der Klage, da ihr
Schreiben bezüglich der Fanglizenz für das betreffende Schiff lediglich
eine Notifikation an den Flaggenstaat Schweden bedeutete, während die
von Schweden zu verhängenden Sanktionen im Ermessen des Staates
stünden. Die Mitteilung, dass ein Schiff für die Erteilung einer Fische-
reilizenz für einen gewissen Zeitraum ausscheidet, sei keine Entschei-
dung im Sinne des Gemeinschaftsrechts und würde somit das Unter-
nehmen nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Art. 173 Abs. 4
EGV (jetzt Art. 230 Abs. 4 EG) betreffen.210
Der Gerichtshof verwarf dieses Vorbringen. Zwar sei das Schreiben der
Kommission an den Staat gerichtet. Bei der Nichtberücksichtigung für
die Erteilung einer Fischereilizenz handele es sich jedoch um eine Sank-
tion. Damit sei die Maßnahme als Entscheidung anzusehen, die – unab-
hängig von ihren Rechtswirkungen gegenüber dem Staat – das Unter-
nehmen unmittelbar und individuell betreffe; die Klage sei also zuläs-
sig.211
Diese Ausführungen sind einerseits von Interesse, da sie deutlich zei-
gen, dass der vorübergehende Ausschluss von der Möglichkeit, eine Li-
zenz zu erhalten, vom EuGH als Sanktion angesehen wird. Zum ande-
ren zeigen die Erwägungen des Gerichtshofs zur Zulässigkeit der Nich-
tigkeitsklage, dass er bereit ist, unabhängig von der Form, in welcher
die Sanktion auftritt, und unabhängig davon, wie und wem die Sanktion
bekannt gegeben wird, aus dem Umstand, dass eine Sanktion in Frage
steht, eine Klagebefugnis des Sanktionierten im Sinne des Art. 230
Abs. 4 EG herzuleiten. Der hieraus zulässige und auch überzeugende
Schluss lautet: Wenn eine Sanktion verhängt wurde, liegt eine unmittel-
bare und individuelle Betroffenheit vor, wobei es gleichgültig ist, an
wen die diesbezügliche Entscheidung ergangen ist. Hier wird eine wei-
tere rechtsschutzspezifische Funktion des Sanktionsbegriffs deutlich.
Nach dem Urteil in der Sache Fiskano kann kein Zweifel mehr beste-
hen, dass die Sanktion rechtswegeröffnend wirkt. Die Frage des Zu-
die Fischerei durch schwedische Schiffe wurden bis zum Beitritt Schwedens zur
Europäischen Union jedes Jahr durch eine Verordnung des Rates festgelegt.
210
EuGH, Rs. C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, S. I-2885, Rn. 21.
211
EuGH, Rs. C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, S. I-2885, Rn. 22 ff.
56 2. Kapitel
212
EuGH, Rs. C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, S. I-2885, Rn. 39 f.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 57
213
Die Entscheidungen in den Rechtssachen Al-Jubail Fertilizer Company
und Bureau Européen des Unions de Consommateurs zitiert der EuGH nicht,
ohne dass ein zwingender Grund ersichtlich wäre.
214
EuGH, Rs. C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, S. I-2885, Rn. 24.
58 2. Kapitel
215
Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur
Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen
Sozialfonds, ABl. 1983, L 289, S. 1. Nach Änderung des Systems der europäi-
schen Strukturfonds durch die Strukturreform 1999 wäre diese Kürzung erfolgt
nach Art. 39 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni
1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, ABl. 1999, L 161,
S. 1, i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 1784/1999 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 12. Juli 1999 betreffend den Europäischen Sozialfonds,
ABl. 1999, L 213, S. 5.
216
EuGH, verb. Rs. C-48/90 und C-66/90, Niederlande u.a./Kommission,
Slg. 1992, S. I-565, Rn. 44. Dazu siehe Text zu Fn. 202.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 59
217
EuG, Rs. T-450/93, Lisrestal u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-1177,
Rn. 42. Englisch: “Observance of the right to be heard is, in all proceedings ini-
tiated against a person which are liable to culminate in a measure adversely af-
fecting that person, a fundamental principle of Community law which must be
guaranteed even in the absence of any rules governing the proceedings in ques-
tion.” Französisch: “Il convient de rappeler que le respect des droits de la dé-
fense dans toute procédure ouverte à l’encontre d’une personne et susceptible
d’aboutir à un acte faisant grief constitue un principe fondamental de droit
communautaire qui doit être assuré même en l’absence de toute réglementation
concernant la procédure.” [Hervorhebung jeweils hinzugefügt].
218
EuG, Rs. T-450/93, Lisrestal u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-1177,
Rn. 13.
219
Siehe unten, unter 4. Kapitel C.I.1. und 4. Kapitel C.I.2.
220
Galetta, EuR 2007, S. 57 (65), die allerdings die Bedeutung der Rechtssa-
che Fiskano für diese Rechtsprechungsänderung verkennt.
221
EuGH, Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a., Slg. 1996, S. I-5373,
Rn. 21.
222
Englisch: „decisions which significantly affect their interests“, fran-
zösisch: „décisions, qui affectent de manière sensible leurs intérêts“. Ebenso
60 2. Kapitel
welchen sich neben dem Unternehmen noch ein Mitgliedstaat gegen ei-
ne Entscheidung der Kommission wendet,227 und solche, in denen
Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichts erster Instanz einge-
legt wurden.
Die umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts
erster Instanz ist dabei nicht auf bestimmte Anwendungsbereiche be-
schränkt. Neben den bereits erwähnten Urteilen zum Beihilfekontroll-
recht228 gibt es weitere Entscheidungen zu den Verteidigungsrechten
der Mitgliedstaaten,229 wie auch solche zu den Verteidigungsrechten von
natürlichen und juristischen Personen. Es sind Urteile zum Recht der
Strukturfonds zu finden,230 zum Recht anderer gemeinschaftlicher Bei-
hilfen,231 aus dem Abgabenrecht,232 Entscheidungen zum Beamten-
233
EuG, Rs. T-237/00, Reynolds/Parlament, Slg. ÖD 2002, S. I-A-5, II-163,
Rn. 100; Rs. T-283/03, Recalde Langarica/Kommission, Slg. ÖD 2005, S. I-A-
235, II-1075, Rn. 65.
234
EuGH, Rs. C-7/98, Krombach, Slg. 2000, S. I-1935, Rn. 42.
235
EuG, Rs. T-87/96, Assicurazioni Generali u.a./Kommission, Slg. 1999,
S. II-203, Rn. 88; Rs. T-102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, S. II-753,
Rn. 145; EuGH, verb. Rs. C-68/94 und C-30/95, Frankreich u.a./Kommission,
Slg. 1998, S. I-1375, Rn. 174.
236
EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, S. II-
1707, Rn. 70; Rs. T-199/96, Laboratoires pharmaceutiques Bergaderm
u.a./Kommission, Slg. 1998, S. II-2805, Rn. 58 f.; Rs. T-13/99, Pfizer Animal
Health/Rat, Slg. 2002, S. II-3305, Rn. 487; Rs. T-70/99, Alpharma/Rat,
Slg. 2002, S. II-3495, Rn. 388; EuGH, Rs. C-104/97 P, Atlanta u.a./Rat und
Kommission, Slg. 1999, S. I-6983, Rn. 35, 37. Der Erlass einer Anti-Dumping-
Verordnung, bei dem rechtliches Gehör zu gewähren ist, stellt insofern keine
Ausnahme dar, da es sich dabei nicht um einen Gesetzgebungsakt handelt. Sie
ist im Gegensatz zur Anti-Dumping-Grundverordnung, der Verordnung (EG)
Nr. 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte
Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern,
ABl. 1996, L 56, S. 1, Vollzugsakt in Verordnungsform: Bast, Grundbegriffe der
Handlungsformen der EU, S. 90 f.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 63
chen zu gewährleisten seien, bleibt jedoch bestehen. Sie betrifft mit der
Rechtsprechung zu den Verteidigungsrechten im Kartellrecht ein be-
deutendes Gebiet unionaler Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens.
Hier formulieren weder Gerichtshof noch Gericht erster Instanz mit
der „beschwerenden Maßnahme“, sondern auch nach Lisrestal und bis
heute ausschließlich mit der „Sanktion“.237 Das betrifft sowohl das Kar-
tellrecht unter dem EG-Vertrag238 als auch das Recht des EGKS-
Vertrags bis zu seinem Außerkrafttreten.239 Im letzteren Fall war dies –
wie oben schon angesprochen240 – bereits in Art. 36 Abs. 1 KS primär-
rechtlich angeordnet, da die Kommission ausdrücklich verpflichtet war,
vor Festsetzung einer Sanktion dem Betroffenen Gelegenheit zur Stel-
lungnahme zu geben. Im Bereich des EGKS-Vertrags war die Kopplung
zwischen Sanktion und Verteidigungsrechten damit auch über den Be-
reich des Kartellrechts hinaus festgelegt. Das hinderte die europäischen
Gerichte jedoch nicht daran, diesen Grundsatz verstärkend noch aus
der eigenen ständigen Rechtsprechung zur Sanktion unter dem EG-
Vertrag herzuleiten und ihn damit über Art. 36 Abs. 1 KS hinaus zu
verallgemeinern.241 In den Rechtsmittelurteilen in den Sachen ARBED
237
Darauf deutet auch EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommissi-
on, Slg. 1996, S. II-1707, Rn. 70, hin: Die Rechtsprechung zu den Sanktionen sei
„ständige Rechtsprechung im Bereich des Wettbewerbs“.
238
EuG, Rs. T-308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, S. II-925, Rn. 39;
verb. Rs. T-305/94, T-306/94, T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-
325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij
u.a./Kommission, Slg. 1999, S. II-931, Rn. 246, 446, 1011; Rs. T-5/97, Industrie
des poudres sphériques/Kommission, Slg. 2000, S. II-3755, Rn. 229; Rs. T-15/99,
Brugg Rohrsysteme/Kommission, Slg. 2002, S. II-1613, Rn. 109; Rs. T-17/99, KE
KELIT Kunststoffwerk/Kommission, Slg. 2002, S. II-1647, Rn. 63; Rs. T-23/99,
LR AF 1998, vormals Løgstør Rør/Kommission, Slg. 2002, S. II-1705, Rn. 189;
Rs. T-59/99, Ventouris Group Enterprises/Kommission, Slg. 2003, S. II-5257,
Rn. 118; Rs. T-66/99, Minoan Lines/Kommission, Slg. 2003, S. II-5515, Rn. 48;
EuGH, verb. Rs. C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P
bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij/Kommission,
Slg. 2002, S. I-8375, Rn. 85.
239
EuG, Rs. T-137/94, ARBED/Kommission, Slg. 1999, S. II-303, Rn. 25;
Rs. T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, S. II-347, Rn. 77; EuGH,
verb. Rs. C-65/02 P und C-73/02 P, ThyssenKrupp Stainless/Kommission,
Slg. 2005, S. I-6773, Rn. 92.
240
Oben, unter 2. Kapitel A.
241
EuG, verb. Rs. T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless
u.a./Kommission, Slg. 2001, S. II-3757, Rn. 55 f.
64 2. Kapitel
und Thyssen Stahl aus dem Jahr 2003 bezog sich der Gerichtshof sogar
ausschließlich auf seine diesbezügliche Rechtsprechung in der Sache
Hoffmann-La Roche, ohne Art. 36 Abs. 1 KS überhaupt zu erwäh-
nen.242
Demnach gibt es in der Rechtsprechung der europäischen Gerichte
nach wie vor zwei parallele Konstruktionen zum Anwendungsbereich
der Verteidigungsrechte. Während die eine Linie von der Eröffnung des
Anwendungsbereichs der Verteidigungsrechte in Verfahren ausgeht, die
zur Verhängung einer Sanktion führen können, nimmt die andere das
an, wenn eine beschwerende Maßnahme im Raum steht bzw. stehen
kann. Diese Parallelität ist schon in der Entwicklung der 1980er Jahre
angelegt, als neben der Hoffmann-La Roche-Linie noch die Rechtspre-
chung zu den Rechten der Mitgliedstaaten entstand. Durch die mit Lis-
restal einsetzende Rechtsprechung zu den beschwerenden Maßnahmen
wurde der Zusammenhang zur Sanktion zurückgedrängt. Lenaerts und
Vanhamme schließen daraus, dass diese Rechtsprechung nun diejenige
zu den Sanktionen ersetzte.243 Aufgrund der dargestellten Rechtspre-
chung zum Kartellrecht scheinen Zweifel daran jedoch berechtigt. Dar-
über hinaus gibt es weitere Urteile, die einen anderen Schluss nahe le-
gen.
Zunächst ist das Urteil des Gerichtshofs zu dem durch die Kommission
betriebenen Rechtsmittel in der Rechtssache Lisrestal selbst zu nennen.
Dort musste sich der EuGH mit dem Vorbringen der Kommission aus-
einandersetzen, dass durch deren Entscheidung zur Kürzung des Zu-
schusses „keinerlei Sanktion auferlegt werde“, da es „sich nur um die
administrative Folge der Entscheidung [handele], in der die Kommissi-
on den finanziellen Zuschuss bewilligt und die Bedingungen genannt
habe, denen er unterworfen sei“.244 Der Gerichtshof wies dieses Vor-
bringen mit der Erwägung zurück, dass die Rechtsmittelgegnerinnen
um Lisrestal unmittelbar die wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung
der Kommission tragen würden, da ihnen, wie das Gericht erster In-
stanz festgestellt habe, mit der streitigen Entscheidung der gesamte Zu-
schuss entzogen würde, der ihnen ursprünglich gewährt worden sei.
242
EuGH, Rs. C-176/99 P, ARBED/Kommission, Slg. 2003, S. I-10687,
Rn. 19; Rs. C-194/99 P, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 2003, S. I-10821,
Rn. 30.
243
Lenaerts/Vanhamme, CMLRev. 34 (1997), S.531 (535).
244
EuGH, Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a., Slg. 1996, S. I-5373,
Rn. 31.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 65
Damit seien ihre Interessen spürbar beeinträchtigt.245 Nun hat der Ge-
richtshof zwar fälschlicherweise angenommen, dass in der diskutierten
Sache der gesamte Zuschuss entzogen worden sei. Vielmehr hatte sich
auch das Gericht nur mit einer Kürzung befassen müssen.246 Das Urteil
des Gerichtshofs bleibt jedoch bedeutend, da es auf die Frage der
Kommission nach der Sanktion antwortet mit der „spürbaren Beein-
trächtigung der Interessen“, also mit der Bestimmung, was der EuGH
unter einer „beschwerenden Maßnahme“ versteht.247 Damit werden an
dieser Stelle Sanktion und beschwerende Maßnahme zusammen ge-
bracht. Dies erlaubt ein Verständnis, dass sich die beiden Kategorien
nicht gegenseitig ausschließen.
Allerdings könnte man aus dem Urteil in der Rechtssache Windpark
Groothusen aus dem Jahr 1998 sogar schließen, dass sich Sanktion und
beschwerende Maßnahme tatsächlich gegenseitig ausschließen. Hier hat
der Gerichtshof unter Verweis auf die Rechtssache Fiskano entschieden:
„Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom
29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92, Fiskano/Kommission,
Slg. 1994, I-2885, Randnrn. 39 und 40) ist die Gewährung rechtli-
chen Gehörs für die Betroffenen vor Erlaß des Rechtsakts, der sie
betrifft, nur dann erforderlich, wenn die Kommission beabsichtigt,
eine Sanktion zu verhängen oder eine Maßnahme zu treffen, die die
Rechtsstellung der Betroffenen beeinträchtigen kann [Hervorhe-
bung hinzugefügt]“.248
Das „oder“ könnte auf ein Alternativverhältnis schließen lassen. Der
Verweis auf die Rechtssache Fiskano zeigt aber, dass man diese Kon-
junktion anders verstehen muss. Schließlich ist dort in zwei aufeinander
folgenden Randnummern bezüglich derselben Maßnahme einmal von
der „beschwerenden Maßnahme“ und das andere Mal von der „Sankti-
on“ die Rede gewesen.249 Damit sind nach der Rechtssache Fiskano bei-
de Maßnahmen als gemeinsame Schlüsselkategorien für die Eröffnung
des Rechtsschutzes durch Verteidigungsrechte anzusehen. Die Rechts-
245
EuGH, Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a., Slg. 1996, S. I-5373,
Rn. 33 f.
246
Siehe nur EuG, Rs. T-450/93, Lisrestal u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-
1177, Rn. 44.
247
Siehe dazu Text bei Fn. 222.
248
EuGH, Rs. C-48/96 P, Windpark Groothusen/Kommission, Slg. 1998, S. I-
2873, Rn. 47.
249
Ausführlich dazu oben, unter 2. Kapitel A.III.3.
66 2. Kapitel
250
„A oder B (oder beides) trifft zu.“ Dies wird in der Logik als „unvoll-
ständige Disjunktion“ des „vel“ im Gegensatz zur vollständigen, der Alternati-
ve des „aut ... aut“ verstanden: Geldsetzer, Grundriss der pyramidalen Logik,
S. 63. Ebenso EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-
6263, Rn. 83, in Hinblick auf das „oder“ zwischen Pauschalbetrag und Zwangs-
geld in Art. 228 Abs. 2 UAbs. 3 EG. A.A. Grabitz/Hilf-P. Karpenstein/
U. Karpenstein, Art. 228, Rn. 39.
251
EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, S. II-
1707.
252
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über die
gemeinsame Marktorganisation für Bananen, ABl. 1993, L 47, S. 1.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 67
nen führen können.253 Das Gericht lehnte die Geltung der Verteidi-
gungsrechte im Gesetzgebungsverfahren, das zum Erlass allgemeiner
Maßnahmen führt, ab. Das von den Klägerinnen angeführte Urteil in
der Sache Groupement des cartes bancaires finde sich in einer Linie mit
der Rechtsprechung, nach welcher das rechtliche Gehör in Verfahren,
die zu Sanktionen führen, zu gewähren sei. Diese sei jedoch in ihrem
spezifischen Kontext zu betrachten und könne nicht auf das Gesetzge-
bungsverfahren erstreckt werden.254 Dies ist schon für sich genommen
eine wichtige Feststellung. Die Verteidigungsrechte sind also in Gesetz-
gebungsverfahren nicht gewährleistet, es sei denn, es ist ausdrücklich
gesetzlich angeordnet.255
Im vorliegenden Zusammenhang interessant ist die Aussage im Urteil
Atlanta, dass eine Anhörung der Betroffenen stattfinden müsse, „bevor
Maßnahmen, insbesondere Sanktionen, gegen sie verhängt werden“.256
Hier wird ein Verständnis zugrunde gelegt, demzufolge Sanktionen als
(Regel-)Beispiele von Maßnahmen angesehen werden, bei deren Ver-
hängung die Verteidigungsrechte zu beachten sind. Mit dem Wort „ins-
besondere“ zeigt das Gericht, dass dieser Grundsatz auf jeden Fall zu
wahren ist, wenn eine Sanktion in Frage steht. Das entspricht also dem
Verständnis, dass die Sanktion eine besondere beschwerende Maßnah-
me ist.
Weiterhin hat das Gericht erster Instanz in seinen bedeutenden Ent-
scheidungen in den Sachen Ahmed Ali Yusuf und Kadi aus dem Jahr
2005257 auf dem Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspoli-
tik unter Verweis auf die Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen
Fiskano, Mediocurso und Lisrestal wieder den Zusammenhang zwischen
beschwerender Maßnahme und Sanktion in der Weise angenommen,
wie es im Urteil Fiskano bereits der Fall gewesen war, während dieser
explizite Zusammenhang in den beiden anderen genannten Urteilen
253
EuG, verb. Rs. T-39/92 und T-40/92, Groupement des cartes bancaires
„CB“ u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-49, Rn. 48.
254
EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, S. II-
1707, Rn. 70.
255
Für weitere Urteile siehe Fn. 236.
256
EuG, Rs. T-521/93, Atlanta u.a./Rat und Kommission, Slg. 1996, S. II-
1707, Rn. 70.
257
EuG, Rs. T-306/01, Ahmed Ali Yusuf u.a./Rat und Kommission, Slg. 2005,
S. II-3533; Rs. T-315/01, Yassin Abdullah Kadi/Rat und Kommission, Slg. 2005,
S. II-3649.
68 2. Kapitel
eben nicht hergestellt worden war.258 Die Verfahren betrafen unter an-
derem die Frage, ob Individuen in ihrem Recht auf Verteidigung ver-
letzt würden, wenn sie ohne vorherige Anhörung in die Liste der Per-
sonen aufgenommen wurden, die vom Einfrieren ihrer Gelder nach den
Anti-Terrorismusverordnungen der EU zur Durchführung der diesbe-
züglichen UN-Sicherheitsratsresolutionen und der Festlegungen des
Sanktionsauschusses des UN-Sicherheitsrates betroffen sind.259
Das Gericht urteilte:
„Es ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die
Beachtung der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer
den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein
fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, der auch
dann sichergestellt werden muss, wenn eine Regelung für das betref-
fende Verfahren fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, dass jede mögli-
cherweise von einer Sanktion betroffene Person in zweckdienlicher
Weise ihre Auffassung zu den Gesichtspunkten darlegen kann, auf
die sich die Verhängung ihrer Sanktion stützt (Urteile des Gerichts-
hofes vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92, Fiska-
258
Siehe oben, unter 2. Kapitel A.III.4; vor allem Text bei Fn. 221.
259
Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates vom 6. März 2001 über das
Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan,
über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und an-
deren Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan und zur Aufhe-
bung der Verordnung (EG) Nr. 337/2000, ABl. 2001, L 67, S. 1. Die Kläger wa-
ren durch die Verordnung (EG) Nr. 2199/2001 der Kommission vom
12. November 2001 zur vierten Änderung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001
des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen
nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens
von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan
und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 337/2000, ABl. 2001, L 295,
S. 16, dem Anhang der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 hinzugefügt worden.
Die Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die An-
wendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte
Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-
Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter
Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flug-
verbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend
die Taliban von Afghanistan, ABl. 2002, L 139, S. 9, ersetzte die Verordnung
(EG) Nr. 467/2001, beließ die Kläger aber in der im Anhang wiedergegebenen
Liste der vom Einfrieren der Gelder betroffenen Personen.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 69
260
EuG, Rs. T-306/01, Ahmed Ali Yusuf u.a./Rat und Kommission, Slg. 2005,
S. II-3533, Rn. 325; beinahe wortgleich Rs. T-315/01, Yassin Abdullah Kadi/Rat
und Kommission, Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 255.
261
EuGH, Rs. C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, S. I-
5469, Rn. 14.
262
EuG, Rs. T-306/01, Ahmed Ali Yusuf u.a./Rat und Kommission, Slg. 2005,
S. II-3533, Rn. 327; Rs. T-315/01, Yassin Abdullah Kadi/Rat und Kommission,
Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 257.
263
EuG, Rs. T-306/01, Ahmed Ali Yusuf u.a./Rat und Kommission, Slg. 2005,
S. II-3533, Rn. 326 ff.; Rs. T-315/01, Yassin Abdullah Kadi/Rat und Kommissi-
on, Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 256 ff.
264
Siehe nunmehr GA Poiares Maduro vom 16.1.2008, in: Rs. C-402/05 P,
Yassin Abdullah Kadi/Rat und Kommission, Slg. 2008, S. I-0000, insbesondere
Rn. 44 ff. Die Beachtung der Verteidigungsrechte ist nach dem Urteil nur – aber
auch immerhin – besonders wichtig in Verfahren, wo weite Ermessensspielräu-
me vorliegen, EuGH, Rs. C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991,
S. I-5469, Rn. 14 („eine umso größere Bedeutung“). Das wird in der französi-
schen und der englischen Fassung des Urteils besonders deutlich: „une impor-
tance d’autant plus fondamentale“ bzw. „of even more fundamental importan-
70 2. Kapitel
sich das Gericht damit wieder den schon in der Rechtssache Fiskano
eingeführten Zusammenhang von beschwerender Maßnahme und Sank-
tion zu eigen machte und ihn durch die Bezugnahme auf die Urteile
weiterführte, in denen er gerade nicht übernommen worden war. Wie
schon in Fiskano lässt sich damit auf ein Verhältnis der Spezialität zwi-
schen Sanktion und beschwerender Maßnahme schließen.265
Schließlich sei das Urteil des Gerichtshofs in der Sache Distillerie Fra-
telli Cipriani aus dem Jahr 2002 angeführt. Die Distillerie Fratelli Cipri-
ani hatte im Verfahren der Aussetzung von Verbrauchssteuern Alko-
holprodukte aus Italien durch andere EU-Mitgliedstaaten befördert
zum Zwecke der Ausfuhr in Drittstaaten. Bei Kontrollen ergab sich,
dass die hierfür notwendigen Begleitdokumente gefälscht waren, was
den Tatbestand der Unregelmäßigkeit im Sinne von Art. 20 der
Richtlinie 92/12/EWG über das allgemeine System verbrauchssteuer-
pflichtiger Waren erfüllte.266 Damit trat die hierfür einschlägige
Verbrauchssteuerschuld ein, und die italienischen Finanzbehörden er-
hoben die Steuer. Distillerie Fratelli Cipriani wandte sich gegen die Er-
hebung dieser Steuerschuld und machte unter anderem geltend, dass ih-
re Verteidigungsrechte nicht gewahrt gewesen seien.
Der EuGH urteilte in seiner Vorabentscheidung:
„Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist die Beachtung
der Verteidigungsrechte in allen Verfahren, die zu einer den Betrof-
fenen beschwerenden Maßnahme, insbesondere zu einer Sanktion,
führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschafts-
rechts. Dieser Grundsatz gebietet es, dass die Adressaten von Ent-
scheidungen, durch die ihre Interessen spürbar beeinträchtigt wur-
den, in die Lage versetzt werden, ihren Standpunkt in sachdienlicher
Weise vorzutragen (Urteile vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssa-
che C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u. a., Slg. 1996, I-5373,
Randnr. 21, und vom 21. September 2000 in der Rechtssache C-
267
EuGH, Rs. C-395/00, Distillerie Fratelli Cipriani, Slg. 2002, S. I-11877,
Rn. 51.
72 2. Kapitel
Anders als die „beschwerende Maßnahme“ ist die „Sanktion“ ein tradi-
tionsreicher Begriff des juristischen Diskurses.268 Darüber hinaus
kommt sie im Vergleich zur beschwerenden Maßnahme sowohl in uni-
onalen Gesetzgebungstexten als auch im politischen Diskurs häufig vor.
Die Sanktion bietet sich mithin eher als rechtsschutzeröffnende Katego-
rie an als die beschwerende Maßnahme, da man bei letzterer ausschließ-
lich auf die Rechtsprechung rekurrieren kann, um festzustellen, ob die
Verteidigungsrechte anwendbar sind. Bei der Sanktion findet sich
reichhaltiges Rechtsaktmaterial269 und eine umfangreiche und fruchtba-
re theoretische Literatur, die sich mit den einzelnen Facetten dieses
Begriffes und seiner Funktion für das Rechtssystem beschäftigt.270 Klä-
ger haben somit mehr Argumentationsstützen für den Nachweis, von
einer Sanktion betroffen zu sein, als wenn sie versuchten zu belegen,
dass sie eine Maßnahme beschwert.
Es kann sich also ein Kläger sicher auf seine Verteidigungsrechte beru-
fen, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass gegen ihn (möglicherweise)
eine Sanktion verhängt wurde oder wird. Wenn hingegen dieser Nach-
weis nur schwer zu erbringen ist oder wenn offensichtlich keine Sank-
tion droht und wenn zugleich die Geltung der Verteidigungsrechte
nicht aufgrund Primär- oder abgeleiteten Rechts vorgesehen ist, bleibt
der Betroffene damit noch nicht ohne Verteidigungsrechte. Der Betrof-
fene muss nun jedoch weitere Aspekte darlegen, die belegen, dass ihn
die jeweilige Maßnahme hinreichend qualifiziert beschwert. Anhalts-
punkte für eine genaue Abgrenzung, ob, auf welche Weise und ab wel-
cher Schwelle eine Maßnahme eine beschwerende Wirkung hat, sind aus
der Rechtsprechung der europäischen Gerichte jedoch nur unter
Schwierigkeiten herzuleiten. In der Regel nehmen die Gerichte eine sol-
che Maßnahme einfach an oder lehnen ihr Vorliegen ab, ohne in eine
vertiefte Betrachtung ihrer Wirkung einzusteigen.
Ein Kriterium wird die spürbare Beeinträchtigung der klägerischen In-
teressen sein, wie es der EuGH in seiner Rechtsmittelentscheidung zur
Sache Lisrestal formuliert hat und in späteren Urteilen – zum Teil aller-
dings auch zur Sanktion – weiter verwendet hat.271 Der Kläger einer
268
Zur die Regel bestätigenden Ausnahme im Beamtenrecht sogleich, unter
2. Kapitel B.
269
Dazu unten, unter 4. Kapitel B.
270
Dazu oben, unter 1. Kapitel B.
271
EuGH, Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a., Slg. 1996, S. I-5373,
Rn. 21; ebenso Rs. C-462/98 P, Mediocurso u.a./Kommission, Slg. 2000, S. I-
Die rechtsschutzspezifische Funktion 73
Wenn zuvor die Ansicht vertreten wurde, dass der Begriff der „be-
schwerenden Maßnahme“ keine Tradition im gemeinschaftsrechtlichen
Diskurs habe, muss hier auf eine praktisch bedeutsame Ausnahme hin-
gewiesen werden: In Art. 90 Abs. 2 des Beamtenstatuts272 ist ausdrück-
lich ein Beschwerderecht für Beamte bei ihrer Anstellungsbehörde vor-
gesehen, wenn sie von einer „beschwerenden Maßnahme“ betroffen
sind.273 Die Durchführung dieses Vorverfahrens ist nach Art. 91 Abs. 2
des Statuts Sachentscheidungsvoraussetzung für eine Klage zum Ge-
richtshof zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der beschwerenden
Maßnahme nach Art. 236 EG i.V.m. Art. 91 Abs. 1 des Statuts.274
7183, Rn. 36; Rs. C-395/00, Distillerie Fratelli Cipriani, Slg. 2002, S. I-11877,
Rn. 51; EuG, Rs. T-102/00, Vlaams Fonds voor de Sociale Integratie van Perso-
nen met een Handicap/Kommission, Slg. 2003, S. II-2433, Rn. 59.
272
Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Feb-
ruar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemein-
schaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten
dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vor-
übergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind, ABl. 1968, L 56,
S. 1.
273
Ebenso ist in Art. 90a Satz 2 des Statuts ein Beschwerderecht des Betrof-
fenen zum Direktor von OLAF vorgesehen, sofern im Zusammenhang mit ei-
ner Untersuchung des Betrugsbekämpfungsamts eine „beschwerende Maßnah-
me“ ergangen ist.
274
St. Rspr., siehe EuGH, verb. Rs. 177/73 und 5/74, Reinarz/Kommission,
Slg. 1974, S. 819, Rn. 5/7; EuG, Rs. T-50/92, Fiorani/Parlament, Slg. 1993, S. II-
555, Rn. 29; Beschluss vom 22.3.2006, Rs. T-4/05, Strack/Kommission, Slg. ÖD
2006, S. II-0000, Rn. 35; EuGöD, Urt. vom 2.5.2007, Rs. F-23/05, Girau-
dy/Kommission, Slg. ÖD 2007, S. I-0000, Rn. 69. Dazu Grabitz/Hilf-
74 2. Kapitel
sein können (Urteile des Gerichts vom 19. Oktober 1995 in der
Rechtssache T-562/93, Obst/Kommission, Slg. ÖD 1995, I-A-247
und II-737, Randnr. 23, und Baiwir/Kommission, Randnr. 34).279
Mit dieser etwas umständlichen Formulierung hat das Gericht zur Be-
stimmung einer beschwerenden Maßnahme die Merkmale „verbindli-
che Rechtswirkungen“, „unmittelbare und sofortige Beeinträchtigung
individueller Interessen“ und „qualifizierte Änderung individueller
Rechtsstellung“ ausgemacht und damit die beiden zeitlich parallel ver-
wendeten Formulierungen zusammen geführt.
Der Gerichtshof hat – allerdings nur in einer Kammerbesetzung mit
drei Richtern – in seinem Beschluss über das Rechtsmittel zur Rechtssa-
che Strack im Jahr 2007 versucht, diese Rechtsprechung etwas klarer zu
strukturieren. Die einschlägigen Randnummern des Urteils lauten:
„62. Zunächst ist darauf zu hinzuweisen, dass nach ständiger Recht-
sprechung des Gerichtshofs nur solche Maßnahmen, die die Rechts-
stellung der Betroffenen unmittelbar und individuell betreffen, als
beschwerende Maßnahmen angesehen werden können (vgl. u.a. Ur-
teil vom 21. Januar 1987, Stroghili/Rechnungshof, 204/85, Slg. 1987,
389, Randnr. 6, sowie Beschlüsse vom 16. Juni 1988, Progou-
lis/Kommission, 372/87, Slg. 1988, 3091, Randnr. 10, und vom 3.
Dezember 1992, Moat/Kommission, C-32/92 P, Slg. 1992, I-6379,
Randnr. 9). Außerdem hat der Gerichtshof den Begriff der beschwe-
renden Maßnahme im Sinne von Art. 90 des Statuts wiederholt da-
hin ausgelegt, dass darunter alle Maßnahmen fallen, die geeignet
sind, unmittelbar eine bestimmte Rechtslage zu beeinträchtigen (vgl.
u.a. Urteile vom 10. Dezember 1969, Grasselli/Kommission, 32/68,
Slg. 1969, 505, Randnr. 4, vom 11. Juli 1974, Reinarz/Kommission,
177/73 und 5/74, Slg. 1974, 819, Randnr. 13, und vom 11. Juli 1985,
Hattet u.a./Kommission, 66/83 bis 68/83 und 136/83 bis 140/83,
Slg.1985, 2459, Randnr. 22).
63. Somit hat das Gericht erster Instanz im Hinblick auf den Begriff
der beschwerenden Maßnahme in seiner Auslegung durch die Ge-
meinschaftsgerichte zu Recht entschieden, dass die angefochtenen
Maßnahmen die Rechtsstellung des Rechtsmittelführers nicht un-
mittelbar und individuell betreffen und daher nicht als beschweren-
279
EuG, Beschluss vom 22.3.2006, Rs. T-4/05, Strack/Kommission, Slg. ÖD
2006, S. II-0000, Rn. 35.
76 2. Kapitel
280
EuGH, Beschluss vom 8.3.2007, Rs. C-237/06 P, Strack/Kommission,
Slg. 2007, S. I-33, Rn. 62 f.
281
Sogleich, unter 2. Kapitel B.II.
282
Das verdeutlicht auch der Umstand, dass Art. 91 Abs. 1 des Beamtensta-
tuts zum Hauptanwendungsbereich der compétence de pleine juridiction des
Art. 229 EG gehört, Herdegen/Richter, in: Frowein, Kontrolldichte bei der ge-
richtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung, S. 209 (235). Zu
Art. 229 EG näher unten, unter 4. Kapitel B.I.1.
283
EuGH, Rs. 32/68, Grasselli/Kommission, Slg. 1969, S. 505, Rn. 3/5;
verb. Rs. 177/73 und 5/74, Reinarz/Kommission, Slg. 1974, S. 819, Rn. 13;
verb. Rs. 66 bis 68 und 136 bis 140/83, Hattet u.a./Kommission, Slg. 1985,
S. 2459, Rn. 22.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 77
284
So vor allem die jüngste Entscheidung des EuGH, Beschluss vom
8.3.2007, Rs. C-237/06 P, Strack/Kommission, Slg. 2007, S. I-33, Rn. 62 f. Eben-
so bereits EuGH, Rs. 204/85, Stroghili/Rechnungshof der Europäischen Ge-
meinschaften, Slg. 1987, S. 389, Rn. 6; Rs. 372/87, Progoulis/Kommission,
Slg. 1988, S. 3091, Rn. 10; EuG, Rs. T-50/92, Fiorani/Parlament, Slg. 1993, S. II-
555, Rn. 29.; Rs. T-391/94, Baiwir/Kommission, Slg. ÖD 1996, S. I-A-269, II-
787, Rn. 34; Beschluss vom 22.3.2006, Rs. T-4/05, Strack/Kommission, Slg. ÖD
2006, S. II-0000, Rn. 35.
285
EuGH, Rs. C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, S. I-2885, Rn. 22 ff.
Siehe näher oben, Text bei Fn. 211.
78 2. Kapitel
286
EuGH, Rs. C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, S. I-1853, Rn. 20. Bast,
Grundbegriffe der Handlungsformen der EU, S. 92 f.
287
EuGH, Rs. 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, S. 213 (238).
288
Arnull, CMLRev. 38 (2001), S. 7 (25).
289
EuGH, verb. Rs. 41 bis 44/70, NV International Fruit Company
u.a./Kommission, Slg. 1971, S. 411, Rn. 23/29; Rs. C-386/96 P, Société Louis
Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, S. I-2309, Rn. 43.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 79
290
EuGH, Rs. 26/63, Pistoj/Kommission, Slg. 1964, S. 737 (759); Rs. 32/68,
Grasselli/Kommission, Slg. 1969, S. 505, Rn. 3/5; verb. Rs. 177/73 und 5/74,
Reinarz/Kommission, Slg. 1974, S. 819, Rn. 13; verb. Rs. 66 bis 68 und 136 bis
140/83, Hattet u.a./Kommission, Slg. 1985, S. 2459, Rn. 22; Beschluss vom
8.3.2007, Rs. C-237/06 P, Strack/Kommission, Slg. 2007, S. I-33, Rn. 62; EuG,
Beschluss vom 22.3.2006, Rs. T-4/05, Strack/Kommission, Slg. ÖD 2006, S. II-
0000, Rn. 35.
291
EuGH, verb. Rs. 106 und 107/63, Toepfer u.a./Kommission, Slg. 1965,
S. 548 (556); verb. Rs. 41 bis 44/70, NV International Fruit Company
u.a./Kommission, Slg. 1971, S. 411, Rn. 23/29; Rs. 92/78, Simmenthal/Kommis-
sion, Slg. 1979, S. 777, Rn. 23/26 f.; Rs. 123/77, UNICME u.a./Rat, Slg. 1978,
S. 845, Rn. 8/13; verb. Rs. 103-109/78, Société des Usines de Beauport u.a./Rat,
Slg. 1979, S. 17, Rn. 20/22; Rs. 222/83, Commune de Differdange
u.a./Kommission, Slg. 1984, S. 2889, Rn. 12; Rs. C-386/96 P, Société Louis
Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, S. I-2309, Rn. 43; EuG, Rs. T-189/97, Comité
d’entreprise de la Société française de production u.a./Kommission, Slg. 1998,
S. II-335, Ls. 3; verb. Rs. T-172/98, T-175/98 bis T-177/98, Salamander
u.a./Parlament und Rat, Slg. 2000, S. II-2487, Rn. 52.
292
EuGH, Rs. 11/82, Piraiki-Patraiki u.a./Kommission, Slg. 1985, S. 207,
Rn. 7 ff.; Rs. C-386/96 P, Société Louis Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, S. I-
2309, Rn. 44.
293
So aber Groussot, LIEI 30 (2003), S. 221 (224 f.) [Hervorhebung hinzuge-
fügt], unter Verweis auf EuGH, Rs. 294/83, Partie Écologiste „Les Verts”/Parla-
ment, Slg. 1986, S. 1339, Rn. 31. Dieser Verweis ist jedoch nur teilweise zutref-
fend, da auch dort das Hauptaugenmerk auf der Frage des Ermessens der natio-
nalen Behörde liegt. Deswegen formuliert Arnull, CMLRev. 38 (2001), S. 7 (25),
zu Recht differenzierter: „In order to establish direct concern, it must be shown
that, at the time the contested measure was adopted, it was substantially certain
that it would affect the applicant.“ [Hervorhebung hinzugefügt].
80 2. Kapitel
tung haben und beide mit „betreffen“ übersetzt werden können. Für
die Frage, wann eine unmittelbare Betroffenheit vorliegt, bringt diese
Definition also keinen Gewinn. Insoweit auf die „rechtliche Situation“
Bezug genommen wird, mag dies ein relevanter Aspekt der Betroffen-
heit im Sinne des Art. 230 Abs. 4 EG sein.294 Jedoch wird damit nur auf
die Frage geantwortet, worin eine Person durch eine Maßnahme betrof-
fen ist, nicht hingegen, auf welche Weise dies geschieht – und eben das
ist die Frage nach der Unmittelbarkeit.
Schließlich bringt eine Bestimmung der Unmittelbarkeit über das Verb
„to affect“ noch ein weiteres Problem mit sich. Die Urteile der europäi-
schen Gerichte, welche die Beachtung der Verteidigungsrechte an die
Verhängung einer „beschwerenden Maßnahme“ knüpfen, sprechen in
den englischen Sprachfassungen davon, dass die Verteidigungsrechte zu
respektieren seien „in all proceedings which are initiated against a per-
son and are liable to culminate in a measure adversely affecting that per-
son“.295 Zwar ist in diesem Fall „affect“ durch das Adverb „adversely“
modifiziert. Die Gefahr, den Anknüpfungspunkt für die Verteidigungs-
rechte mit dem für die Klagebefugnis zu verwechseln, wird durch eine
Verwendung des Verbs „affect“ in beiden Fällen nichtsdestotrotz er-
höht. Abgesehen davon kann auch eine gesetzgeberische Maßnahme
mit genereller Wirkung eine Person im Sinne des englischen „affect“
betreffen, obwohl noch weitere Akte der durchführenden nationalen
Stellen hinzutreten müssen. Aber genau hier soll ja das Merkmal der
Unmittelbarkeit für eine Beschränkung des möglichen Kreises an Kla-
gebefugten sorgen. Damit soll jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass
eine dahingehende Interpretation des Merkmals der individuellen Be-
troffenheit in der Zukunft de lege lata möglich ist.296 Mit der Unmittel-
barkeit dieses Betroffenseins hat das aber nichts zu tun. Die Gefahr der
Verwechslung von Fragen der Zulässigkeit einer Klage mit solchen nach
ihrer Begründetheit wird in der Literatur gerade in diesem Zusammen-
294
Ähnlich van den Broek, LIEI 30 (2003), S. 61 (63): Es müsse eine „direct
causality“ zwischen der angegriffenen Maßnahme und der rechtlichen Situation
des Klägers bestehen.
295
Siehe nur EuG, Rs. T-450/93, Lisrestal u.a./Kommission, Slg. 1994, S. II-
1177, Rn. 42 [Hervorhebung hinzugefügt]; Rs. T-260/94, Air Inter/Kommission,
Slg. 1997, S. II-997, Rn. 59; EuGH, Rs. C-32/95 P, Kommission/Lisrestal u.a.,
Slg. 1996, S. I-5373, Rn. 21; Rs. C-462/98 P, Mediocurso u.a./Kommission,
Slg. 2000, S. I-7183, Rn. 36.
296
So z.B. Arnull, CMLRev. 38 (2001), S. 7 (43); Gormley, Cambridge YELS
4 (2001), S. 167 (177).
Die rechtsschutzspezifische Funktion 81
hang auch gesehen, weswegen diese Bestimmung des Begriffs der indi-
viduellen Betroffenheit nur mit Vorsicht verwendet wird.297
Somit ist zu schließen, dass ein unmittelbares Betroffensein im Sinne
des Art. 230 Abs. 4 EG vorliegt, wenn ohne weiteren Ermessensakt der
mit der Durchführung befassten nationalen Stelle eine Beeinträchtigung
einer individuellen Rechtsstellung vorliegt.298 Diese Antwort auf die
Frage nach der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage zeigt gerade mit der
Formulierung des Eingriffs in eine Rechtsstellung, dass die Antwort auf
die Frage nach ihrer Begründetheit mit dem Zusammenhang zur Fest-
stellung, dass eine Sanktion vorliegt, häufig ähnlich ausfallen wird. Sie
macht jedoch zudem noch deutlicher, dass es konzeptionell wesentlich
leichter fällt, die Begründetheit einer Klage in Bezug auf eine Sanktion
von der Zulässigkeit der Klage in Bezug auf die Voraussetzungen des
Art. 230 Abs. 4 EG zu unterscheiden. Die Konstruktion der Verteidi-
gungsrechte über die beschwerende Maßnahme führt dagegen allzu
leicht zu einer Vermengung dieser voneinander zu trennenden Katego-
rien.
An dieser Stelle ist noch im Wege einer weiteren Abgrenzung auf ein
anderes klassisches Problem einzugehen, welches im Zusammenhang
mit der Sanktion im Recht der Europäischen Union diskutiert wird:
Die Frage der Kompetenz der Union zur Verhängung oder Festlegung
der Voraussetzungen einer Sanktion. Auch diesbezüglich käme es in Be-
tracht, dem Sanktionsbegriff eine spezifische Funktion zuzuordnen. So
könnte argumentiert werden, dass der Union nicht oder nur einge-
schränkt die Kompetenz zusteht, Sanktionen zu erlassen oder vorzu-
schreiben, während sie diese Kompetenz für reine Verwaltungsmaß-
nahmen oder für beschwerende Maßnahmen hat.
297
Arnull, CMLRev. 38 (2001), S. 7 (40 ff., insbes. 42).
298
So im Sinne der oben, Fn. 291, angegebenen Rechtsprechung die allge-
meine Ansicht, siehe nur Albors-Llorens, Cambridge LJ 62 (2003), S. 72 (75 f.);
Cremer, EuGRZ 2004, S. 577 (582); Kronenberger/Dejmek, ELF 2002, S. 257
(258); J. Schwarze, DVBl. 2002, S. 1297 (1301); Usher, ELRev. 28 (2003), S. 575
(577); Varju, EPL 2004, S. 43 (46); Ward, Cambridge YELS 4 (2001), S. 413
(422).
82 2. Kapitel
299
Prominentester Vertreter: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht,
Rn. 26/6. Ebenso Winkler, Die Rechtsnatur der Geldbuße, S. 23; Schweit-
zer/Hummer, Europarecht, Rn. 418.
300
Zuleeg, JZ 1992, S. 761 (763); Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Sub-
ventionsbetrugs, S. 170 (176). Allerdings deutet Art. 229 EG umgekehrt darauf
hin, dass es tatsächlich Sanktionsbefugnisse gibt, die über die in Art. 83 Abs. 2
lit. a) EG und Art. 110 Abs. 3 EG genannten Maßnahmen hinausgehen, Vogel,
ebd.; Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 100.
301
Ausführliche Überblicke über die Diskussion bieten Böse, Strafen und
Sanktionen, S. 61 ff.; Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 134 ff.; Satzger, Die Eu-
ropäisierung des Strafrechts, S. 92 ff.; Vervaele, in: ders., Administrative Law
Application and Enforcement of Community Law, S. 161 ff.; Vogel, in: Danne-
cker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170; Zuleeg, JZ 1992, S. 761
(762 ff.).
302
EuGH, Rs. 50/76, Amsterdam Bulb, Slg. 1977, S. 137, Rn. 33 [Hervorhe-
bung hinzugefügt].
303
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 56.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 83
und wie weit sie gehen kann.304 Diese Diskussion hat der EuGH in sei-
nem wegweisenden Urteil aus dem Jahr 1992 in der Rechtssache
Deutschland/Kommission dadurch weitestgehend beendet oder zumin-
dest entschärft, dass er der Gemeinschaft eine umfassende Sanktions-
kompetenz im Agrarbereich zugestand.305 Ausgehend hiervon besteht
im Grundsatz kein Zweifel mehr, dass der Union in bestimmten Sach-
bereichen die Befugnis zusteht, Sanktionen vorzusehen und/oder zu
verhängen. Dabei ist nach dem Urteil Deutschland/Kommission von ei-
ner weitgefassten Kompetenz auszugehen,306 die auch nicht auf das
Landwirtschaftsrecht beschränkt ist, sondern auf die Bereiche der sach-
lichen Kompetenz der Union.307 Demnach steht der Union grundsätz-
lich eine Sanktionsbefugnis zu, sofern sie eine materielle Befugnis zur
Rechtssetzung auf dem jeweiligen Rechtsgebiet hat, die über eine reine
Koordinierungstätigkeit hinausgeht.
Der Fokus der Diskussion hat sich seitdem verschoben von der Frage
nach der grundsätzlichen Sanktionsbefugnis der Union zur Frage nach
einer Strafrechtsetzungskompetenz im engeren Sinne.308 Die Bundesre-
304
Siehe beispielsweise P. Tiedemann, NJW 1983, S. 2727 (2729 f.);
K. Tiedemann, NJW 1990, S. 2226 (2231); GA Jacobs, in: Rs. C-240/90,
Deutschland/Kommission, Slg. 1992, S. I-5383, Rn. 8 ff. Überblicke bei Tesauro,
in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions, vol. 2, S. 423 (460 ff.); Zuleeg, JZ 1992,
S. 761 (762 ff.); Grasso, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs,
S. 127 (129 ff.); Vervaele, in: ders., Administrative Law Application and En-
forcement of Community Law, S. 161; Kadelbach, in: van Gerven/Zuleeg,
Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 81 (84);
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 61 ff., Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 134 ff.
305
EuGH, Rs. C-240/90, Deutschland/Kommission, Slg. 1992, S. I-5383,
Rn. 11 ff.
306
K. Tiedemann, NJW 1993, S. 49.
307
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 78; Grasso, in: Dannecker, Bekämpfung
des Subventionsbetrugs, S. 127 (131); Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 145 ff.,
166 f.; jeweils mit unterschiedlichen Differenzierungen. Restriktiver Vogel, in:
Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170.
308
Siehe ausführlich Cuerda, in: Schünemann/Suárez González, Bausteine
des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 367 ff.; Satzger, Die Europäisierung
des Strafrechts, S. 90 ff. (Kapitel 2, Abschnitt B.); Sieber, in: Schünemann/Suá-
rez González, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 349
(356 ff.); Sieber, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung
des Gemeinschaftsrechts, S. 71 ff.; Stiebig, EuR 2005, S. 2005; Zuleeg, in: Ver-
vaele, Compliance and Enforcement of European Community Law, S. 349
(351 ff.); Zuleeg, European Competition Law Annual 6 (2001), S. 451 ff.
84 2. Kapitel
309
EuGH, Rs. C-240/90, Deutschland/Kommission, Slg. 1992, S. I-5383,
Rn. 17.
310
EuGH, Rs. C-240/90, Deutschland/Kommission, Slg. 1992, S. I-5383,
Rn. 24 f. Dazu insbesondere K. Tiedemann, NJW 1993, S. 49. Die Ausführun-
gen des Gerichtshofs bezogen sich nur auf den Ausschluss von einer Subventi-
on, nicht jedoch auf den im selben Fall verhängten Zuschlag, deren strafähnli-
cheren Charakter man durchaus hätte diskutieren können, Satzger, Die Euro-
päisierung des Strafrechts, S. 97, Fn. 509. Das verkennt Stoffers, JA 1994, S. 131
(132).
311
Zur Diskussion um diese Vorschriften ausführlich: Satzger, Die Europäi-
sierung des Strafrechts, S. 138 ff.; Böse, GA 2006, S. 211 (214 f.); Fromm, ZIS
2007, S. 26 (28 ff.).
312
EuGH, Rs. C-176/03, Kommission/Rat, Slg. 2005, S. I-7879, Rn. 47 ff.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 85
313
Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat über
die Folgen des Urteils des Gerichtshofs vom 13. September 2005 (Rs. C-176/03,
Kommission gegen Rat), 24. November 2005, KOM (2005) 583 endg., Rn. 6, 8;
Spinellis, EuConstLRev. 2006, S. 293 (300); Fromm, ZIS 2007, S. 26 (27 f.);
Herlin-Karnell, EPL 2007, S. 69 (78, 81 f.). Vorsichtiger das Europäische Parla-
ment, Entschließung zu den Folgen des Urteils des Gerichtshofs vom
13. September 2005 (Rs. C-176/03, Kommission gegen Rat (2006/2007(INI)),
P6_TA(2006)0260, Buchstaben I. – L.; Assemblée Nationale, No 2829 Rapport
d’information déposé par la Délégation de l’Assemblée Nationale pour l’Union
Européenne sur les conséquences de l’arrêt de la Cour de Justice du 13 septem-
bre 2005 sur les compétences pénales de la Communauté européenne (COM
(2005) 583 final/no E 3022) et présenté par M. Christian Philip, S. 10 f. Instruk-
tiv der Bericht des House of Lords – EU Committee, 42nd Report – Criminal
Law Competence of the EC, Rn. 38 ff. A.A. der ehemalige Richter am EuGH
Jean-Pierre Puissochet bei der Anhörung im französischen Sénat, Réunion de la
délégation pour l’Union européenne du mercredi 22 février 2006, abrufbar un-
ter http://www.senat.fr/europe/r22022006_1.html, unter 3. Auch wegen der
Weite kritisch zum Urteil Hefendehl, ZIS 2006, S. 161 (164 f.); Kaiafa-Gbandi,
ZIS 2006, S. 521 (524 f.).
314
EuGH, Rs. C-440/05, Kommission/Rat, Slg. 2007, S. I-9097, Rn. 69;
Fromm, ZIS 2008, S. 168 (173 f.).
315
Siehe nur Wegener/Greenawalt, ZUR 2005, S. 585 (586); Fromm, ZIS
2007, S. 26; Kubiciel, NStZ 2007, S. 136.
86 2. Kapitel
316
Näher Kokott, Entsteht ein einheitliches europäisches Strafrecht?, S. 7;
Kokott, in: FS Kūris, unter III.A.2. Kritisch Wegener/Greenawalt, ZUR 2005,
S. 585 (588).
317
Dies übersieht Heger, JZ 2006, S. 310 (312), in seiner differenzierten An-
merkung.
318
EuGH, Rs. C-440/05, Kommission/Rat, Slg. 2007, S. I-9097, Rn. 70.
319
Kokott, Entsteht ein einheitliches europäisches Strafrecht?, S. 7; Kokott,
in: FS Kūris, unter III.A.2.
320
Zum Ausgangspunkt, dass Gemeinschaftsrecht ein qualifizierter Bestand-
teil des Unionsrechts ist: von Bogdandy, CMLRev. 36 (1999), S. 887.
321
Ein Beispiel hierfür bietet die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum
Kautionsverfall, dessen Strafcharakter er verneint, der aber eine strenge Beach-
tung des Legalitätsprinzips, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie der
Die rechtsschutzspezifische Funktion 87
und inwieweit eine strafrechtliche Sanktion in Rede steht, allein für die
Abgrenzung von unionsrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Bin-
nen-Kompetenz nach Art. 47 EU von Interesse.
Die Feststellung, ob eine Sanktion vorliegt, ist nach alledem kein Krite-
rium, anhand dessen man die Kompetenzen der Union und der Mit-
gliedstaaten voneinander abgrenzen könnte.
gen werden sollte, wenn das Vorliegen einer Sanktion verneint wird, die
Verteidigungsrechte aber dennoch gelten sollen. Daraus folgt, dass die
Sanktion bzw. ihr Begriff im unionalen Rechtsschutzsystem eine ent-
scheidende Bedeutung hat, indem sie eine rechtsschutzeröffnende
Funktion erfüllt. Insofern ist eine gewisse Parallele zu erkennen zur vor
allem ehemals rechtsschutzeröffnenden Funktion der Feststellung im
deutschen Verwaltungsprozessrecht, dass eine hoheitliche Maßnahme
als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist.322
Zugleich kann der Begriff der Sanktion auch als Referenzbegriff für ei-
ne beschwerende Maßnahme im Sinne eines Regelbeispiels dienen. Er
kann also herangezogen werden, um festzustellen, ob eine beschweren-
de Maßnahme vorliegt. Es ist danach möglich, von einer beschwerenden
Maßnahme auszugehen, wenn die Maßnahme den Einzelnen ebenso
schwer beeinträchtigt wie denjenigen, gegen den eine Sanktion verhängt
wird. In Anlehnung an die Plaumann-Formel kann man diesen Gedan-
ken auch so formulieren: Eine beschwerende Maßnahme liegt vor, wenn
sie das Rechtssubjekt in ähnlicher Weise betrifft wie einen Sanktionier-
ten. Darin wird das Potential eines (noch zu findenden) unionalen
Sanktionsbegriffs deutlich. Er hat nicht nur eine eigenständige Bedeu-
tung an einem Kernpunkt des unionalen Rechtsschutzsystems. Von ihm
ausgehend lässt sich zudem auch der an anderer Stelle verwendete, und
als nicht hinreichend bestimmt bewertete Begriff der „beschwerende
Maßnahme“ präzisieren.
Dagegen hat der Begriff der Sanktion keine Bedeutung für die Frage des
Bestehens einer gemeinschaftlichen bzw. unionalen Kompetenz. Erste
Klärungen der diesbezüglichen strittigen Rechtsfragen finden sich in
der Rechtsprechung. Lediglich bei strafrechtlichen Sanktionen besteht
hinsichtlich Art und Maß der Sanktion eine kompetenzielle Einschrän-
kung, die aber auch nicht die Abgrenzung der Kompetenzen der Union
bzw. Gemeinschaft von denen der Mitgliedstaaten betrifft, sondern al-
lein die unionsintern anhand von Art. 47 EU zu entscheidende Frage,
ob der Rechtsakt nach Gemeinschaftsrecht oder nach Unionsrecht er-
lassen werden kann. Bei einem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags
fällt diese Problematik fort, da die Bestimmungen des EU-Vertrags zur
polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen durch
vollständige Überführung in den dann neuen AEUV „vergemeinschaf-
tet“ werden sollen. Art. 47 EU wird als Art. 40 des Vertrags über die
Europäische Union nach dem Lissabonner Vertrag (EUV-Liss.) nur
322
Dazu Bumke, in: Schuppert/Pernice/Haltern, Europawissenschaft, § 19,
S. 643 (663) m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, Anh § 42, Rn. 1.
Die rechtsschutzspezifische Funktion 89
noch auf die Vorschriften über die Gemeinsame Außen- und Sicher-
heitspolitik angewendet werden.
Mit der Feststellung, dass dem Begriff der Sanktion bedeutende Funk-
tionen im unionalen Rechtsschutzsystem zukommen, ist zugleich die
Frage aufgeworfen, wie dieser Begriff denn bestimmt ist. Das zu beant-
worten, wird Aufgabe der folgenden Kapitel sein.
3. Kapitel
Der Begriff der Sanktion: Die Vorgehensweise in
der europarechtlichen Literatur
323
Zu den Positionen ausführlich oben, im 1. Kapitel.
324
Beispielsweise Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 6; Sieber, in: van Ger-
ven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts,
S. 71 (72); Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170
(171). Auch Böse, Strafen und Sanktionen, S. 47, geht von „Sanktionen im
rechtstheoretischen Sinne“ aus, verwendet aber für seine Arbeit einen engeren
Begriff, ebd., S. 53.
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 91
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_3,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
92 3. Kapitel
325
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 6-8.
326
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 46-53.
327
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law. Dazu unten, unter 3. Ka-
pitel C.
Der Begriff der Sanktion 93
zeichnet.328 Der Begriff der Sanktion ist – so wie der Begriff der
Norm329 – nicht allgemein und abschließend anerkannt definiert.
Des Weiteren ist Heitzers Ausgangspunkt eines rechtstheoretischen
Sanktionsbegriffs zwar vom Ansatz her zu begrüßen, da eine theore-
tisch begründete Begriffsbildung aus wissenschaftlicher Perspektive
wünschenswert ist. Jedoch fehlt die Anbindung an die europarechtliche
Dogmatik. Heitzer erkennt die Problematik wohl und nimmt deswegen
eine Unterscheidung der Sanktionen in solche mit punitivem, also straf-
ähnlichem Charakter und solche ohne diese Qualifizierung vor.330 Da-
für sucht sie im Gemeinschaftsrecht nach punitiven Sanktionen und
findet sie in den Geldbußen des Wettbewerbs- und Kartellrechts, des
Rechts der Montanunion und in den vielfältigen Sanktionen des ge-
meinschaftlichen Landwirtschaftsrechts.331 Auszeichnendes Merkmal
der punitiven Sanktion gegenüber den sonstigen Sanktionen sei ihr re-
pressiver Zweck. Sonstige Sanktionen hätten lediglich präventive oder
restitutive Funktion, wobei die punitive Sanktion neben dem repressi-
ven Zweck durchaus auch die anderen Zwecke verfolgen könne.332
Zwar stellt das ein plausibles Verständnis der punitiven Sanktion dar.
Jedoch ist fraglich, ob im Recht der Europäischen Union auch ein dem-
entsprechendes Verständnis besteht. Die sechs in der Datenbank EUR-
Lex zu findenden deutschsprachigen Dokumente, die das Wort „puniti-
ve“ enthalten,333 verwenden diesen Begriff ausschließlich als aus dem
Englischen entlehnt beim so genannten Strafschadensersatz, den „puni-
tive damages“.334 Wenn bei Generalanwalt Elmer dazu noch die Erläu-
328
Siehe zu den unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtssoziologie nur
Raiser, Das lebende Recht, S. 229, mit Fn. 2. Dazu und zum Folgenden ausführ-
lich oben, 1. Kapitel.
329
Dazu Spittler, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970),
S. 203 (205); Raiser, Das lebende Recht, S. 186 f.
330
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 9.
331
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 19 f., 27. Zu letzteren ausführlich unten,
unter 4. Kapitel B.II.2.
332
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 38 f.
333
Das Wort „punitiv“ im Nominativ Singular wird gar nicht verwendet.
334
EuG, verb. Rs. T-377/00, T-379/00, T-380/00, T-260/01 und T-272/01,
Philip Morris International u.a./Kommission, Slg. 2003, S. II-1, Rn. 61; Schluss-
anträge des GA Elmer, in: Rs. C-259/96 P, Rat/Lieve de Nil u.a., Slg. 1998, S. I-
2915, Rn. 48; Schlussanträge der GA Stix-Hackl, in: Rs. C-472/00 P, Kommis-
sion/Fresh Marine Company, Slg. 2003, S. I-7541, Rn. 125; Anhang IV der Ent-
94 3. Kapitel
scheidung 2000/520/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 gemäß der Richtli-
nie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Angemes-
senheit des von den Grundsätzen des „sicheren Hafens“ und der diesbezügli-
chen „Häufig gestellten Fragen“ (FAQ) gewährleisteten Schutzes, vorgelegt
vom Handelsministerium der USA, ABl. 2000, L 215, S. 7 (33 f.), zu „Daten-
schutz und Schadensersatz“; Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme
zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des
Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
(ROM II) (KOM (2003) 427 endg.), ABl. 2004, C 241, S. 1, Abs. 8.4; Kommis-
sion, Bericht über die Anwendung der Richtlinie 85/374 über die Haftung für
fehlerhafte Produkte, 31.1.2001, KOM (2000) 893 endg., S. 10.
335
Schlussanträge des GA Elmer, in: Rs. C-259/96 P, Rat/Lieve de Nil u.a.,
Slg. 1998, S. I-2915, Rn. 48.
336
Thompson, Concise Oxford Dictionary, Eintrag „punitive“, S. 1111.
337
Terrell/Schnorr/Morris/Breitsprecher, PONS Collins – Großwörterbuch,
Eintrag „punitive“, S. 1447; siehe auch ebd., Eintrag „strafend“, S. 645.
338
Stowasser u.a., Kleiner Stowasser, Eintrag „poena“, S. 345.
339
Vgl. auch die anderen romanischen Sprachen mit ihren entsprechenden
Übersetzungen.
340
Duden, Herkunftswörterbuch, Eintrag „Pein“, S. 596.
Der Begriff der Sanktion 95
341
Dazu Creifelds, Rechtswörterbuch, Eintrag „Constitutio Criminalis Ca-
rolina (CCC)“, S. 252.
342
Stowasser u.a., Kleiner Stowasser, Eintrag „punio“, S. 373.
343
Ebenso auch im Portugiesischen.
344
Schlussanträge des GA Tizzano, in: verb. Rs. C-189/02 P, C-202/02 P, C-
205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Dansk Rørindustri/Kommission,
Slg. 2005, S. I-5425, Rn. 130.
345
Schlussanträge des GA Ruiz-Jarabo Colomer, in: Rs. C-176/03, Kommis-
sion/Rat, Slg. 2005, S. I-7879, Rn. 48.
346
Schlussanträge des GA Ruiz-Jarabo Colomer, in: verb. Rs. C-204/00 P,
C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Aalborg
Portland u.a./Kommission, Slg. 2004, S. I-123, Rn. 97.
347
Ebd., Rn. 98.
96 3. Kapitel
348
Siehe das Vorbringen von dreizehn mitgliedstaatlichen Regierungen in:
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 79.
Der Begriff der Sanktion 97
349
EuGH, Rs. C-120/99, Italien/Rat, Slg. 2001, S. I-7997, Rn. 75.
350
So beispielsweise Spannowsky, JZ 1994, S. 326 (328): im Gegensatz zu ei-
ner „reinen Verwaltungssanktion“ habe die Zahlung eines abschreckenden Zu-
schlags „den punitiven Wesenszug einer Strafsanktion“.
351
Näher Baldwin, MLR 67 (2004), S. 351 (352), vor allem in Bezug auf
strafrechtliche Entwicklungen im Gesellschaftsrecht.
352
Siehe nur Albrecht/Braum, ELJ 5 (1999), S. 293 (294); Pradel/ Corstens,
th
Droit Pénal Européen, S. 3-5; House of Lords – EU Committee, 10 Report –
The Hague Programme, Rn. 10 f.
98 3. Kapitel
353
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 6.
354
Richtig daher Böse, Strafen und Sanktionen, S. 49 f.
355
Hedtmann, EuR 2002, S. 122 (123); näher Mögele, NJW 1987, S. 1118.
356
Dazu ausführlich unten, unter 4. Kapitel B.II.2.
357
Eine kombinierte Suche am 7.6.2008 in der Datenbank EUR-Lex über
den „Suchbegriff: Sanktionen“ und die „Art des Dokuments: Richtlinie“ er-
brachte 163 Treffer.
358
Näher Timmermans, in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions, vol. 2, S. 15
(37 f.).
359
Bsp. Art. 16 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9.
Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflan-
zenarten durch Überwachung des Handels, ABl. 1997, L 61, S. 1.
360
Richtlinie 93/86/EWG der Kommission vom 4. Oktober 1993 zur Anpas-
sung der Richtlinie 91/157/EWG des Rates über gefährliche Stoffe enthaltende
Batterien und Akkumulatoren an den technischen Fortschritt, ABl. 1993, L 264,
S. 51.
Der Begriff der Sanktion 99
361
Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordi-
nierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. 1989, L 334, S. 30.
362
Richtlinie 92/109/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 über die Her-
stellung und das Inverkehrbringen bestimmter Stoffe, die zur unerlaubten Her-
stellung von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen verwendet werden,
ABl. 1992, L 370, S. 76.
363
EuGH, Rs. 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, S. 2965, Rn. 24.
364
EuGH, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, S. 1891, Rn. 28.
365
Unten, unter 4. Kapitel B.II.1.
366
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 50 f. Ausführlich unten, unter 4. Kapitel
B.II.
100 3. Kapitel
367
Bast, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 479 (488).
368
Art. 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. De-
zember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags nie-
dergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003, L 1, S. 1; ebenso die zwei Art. 14
und 15 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über
die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004, L 24, S. 1.
369
Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur
Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte
gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992, L 355, S. 1; mittlerweile auf-
gehoben und ersetzt durch Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom
29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen
der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für
Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. 2003, L 270, S. 1.
370
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember
1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und
Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992,
Der Begriff der Sanktion 101
hingewiesen. Durch beide Rechtsakte wurde ein für eine immer weiter
steigende Anzahl von Beihilferegimen geltendes allgemeines Kontroll-
und Sanktionssystem eingeführt.371 Mit der Verordnung (EG, Euratom)
Nr. 2988/95 (im Folgenden kurz: Sanktionsverordnung) ist später eine
grundlegende Rahmenverordnung ergangen, welche allgemeine Rege-
lungen über Sanktionen zum Schutz der finanziellen Interessen der
Union über den Bereich des gemeinschaftlichen Agrarrechts hinaus ko-
difiziert.372
Diese Rechtsakte lassen Zweifel daran aufkommen, dass der Begriff der
Sanktion im Gemeinschaftsrecht nur vereinzelt im Sinne isoliert ste-
hender Erwähnung in Rechtsakten der Union vorkomme.
374
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 8.
375
Zur Frage, ob Art. 5 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 eine
Legaldefinition bietet, ausführlich unten, unter 4. Kapitel B.II.1.
376
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 127.
Der Begriff der Sanktion 103
Auch die Monographie von Martin Böse lässt hinsichtlich des Sankti-
onsbegriffs im Unionsrecht unbefriedigt. In seiner Dissertation „Strafen
und Sanktionen im Europäischen Gemeinschaftsrecht“ widmet er der
Bestimmung des Sanktionsbegriffs acht Seiten, wovon fünf auf einen
eventuellen europarechtlichen Begriff entfallen.377 Tatsächlich unter-
sucht Böse einschlägige Normtexte und Urteile danach, welcher Sankti-
onsbegriff ihnen zugrunde liegt. In den Blick geraten nur wenige Texte,
die zudem bezüglich der Frage nach dem Begriff auch nur oberflächlich
analysiert werden. Die Zwangsmaßnahmen des Art. 172 EGV (jetzt
Art. 229 EG) erfassen, so Böse, repressive und präventive Maßnahmen,
während die Sanktionen der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95
keine restitutiven Maßnahmen umfassten.378 Weitere mögliche Ansätze
für eine Begriffsbestimmung in Rechtsakten stellt er nicht dar. Die Be-
deutung der Sanktionsverordnung gerade für ein präziseres Begriffsver-
ständnis wird trotz des Hinweises auf die Definitionsversuche in den
betreffenden Vorarbeiten der Kommission und der Regelungen in der
Verordnung selbst nicht erkannt.379 Auch die Rechtsprechung des Eu-
ropäischen Gerichtshofs wird knapp abgehandelt, und Böse schließt mit
der Aussage, dass der EuGH einen weiten Sanktionsbegriff verwende,
der repressive, restitutive und präventive Maßnahmen umfasse.380 Da-
gegen sei die Verwendung des Begriffs der Sanktion in der europarecht-
lichen Literatur „alles andere als einheitlich“.381
Nach dieser Feststellung folgt Böse einem engen Begriffsverständnis,
welches nur die repressiven Sanktionen erfasst, die ihrer Zielsetzung
nach „den Strafen am nächsten stehen und diesen daher am ehesten ver-
gleichbar sind“.382 Seine Arbeit verfolgt demnach einen ähnlichen An-
satz wie die vorliegende Untersuchung. Jedoch wird das zu knapp um-
gesetzt. Trotz der Feststellung, dass zwischen den Normtexten und den
Urteilen des EuGH ein Unterschied im Sanktionsverständnis zu finden
sei, versucht Böse nicht, diese Begrifflichkeiten miteinander zu vereinen
– wobei die Berechtigung dieser Annahme noch dahingestellt bleiben
377
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 49-53.
378
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 50 f.
379
Dazu ausführlich unten, unter 4. Kapitel B.II.1.
380
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 52.
381
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 53.
382
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 53.
104 3. Kapitel
soll.383 Vielmehr schließt er sich einer Definition an und führt seine Ar-
beit auf dieser Grundlage weiter. Damit wird das Potential, welches in
der Arbeit mit dem reichhaltigen Textmaterial für einen einheitlichen
Begriff der Sanktion im Recht der EU steckt, vertan.
383
Dazu unten, unter 4. Kapitel D.
384
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 143.
385
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 144.
386
Kommission, Vorschlag für eine Verordnung (EG, Euratom) des Rates
über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften, 7.7.1994,
KOM (1994) 214 endg., ABl. 1994, C 216, S. 11.
387
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 148.
Der Begriff der Sanktion 105
388
Siehe beispielsweise Vervaele, in: ders., Administrative Law Application
and Enforcement of Community Law, S. 161 (186).
389
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 158 f.
106 3. Kapitel
390
Vgl. insofern beispielhaft, mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktset-
zung, Sevenster, CMLRev. 29 (1992), S. 29 (32); Cuerda, in: Schünemann/Suá-
rez González, Bausteine des europäischen Wirtschaftsstrafrechts, S. 367 (368 f.);
K. Tiedemann, in: FS Pfeiffer, S. 101 (114 f.); Spannowsky, JZ 1994, S. 326
(328 f.); Sieber, in: FS Geerds, S. 113 (115 ff.); Sieber, in: van Gerven/Zuleeg,
Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 71 (72 f.);
Schmidt-Aßmann/H.C. Röhl, EuR Beiheft 1/1997, S. 87 (93 f.); Harding, EL-
Rev. 25 (2000), S. 374 (378 f.); J. Schwarze, EuZW 2003, S. 261 (264 f.).
391
So Appel, DVBl. 1995, S. 280 (280), zur verwendeten Begrifflichkeit auf
dem Jahreskongress 1994 der Europäischen Rechtsakademie in Trier. Vgl. bei-
spielsweise Sieber, in: FS Geerds, S. 113 (115 ff.).
392
So beispielsweise Sevenster, CMLRev. 29 (1992), S. 29 (32 f.); Wurmnest,
RIW 2003, S. 896 (897).
393
So beispielsweise Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbe-
trugs, S. 170 (171); Sieber, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur
Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 71 (73); Herbots, in: van Ger-
ven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts,
S. 91 (91); näher dazu Steindorff, Jura 1992, S. 561.
Der Begriff der Sanktion 107
394
So in der Tat Bebr, in: Curtin/Heukels, Institutional Dynamics of Euro-
pean Integration, S. 303 (327); Magiera, DÖV 1998, S. 173 (181); van den Boss-
che, MJ 3 (1996), S. 371 (397 f.); von Danwitz, DVBl. 1997, S. 1 (4); von Dan-
witz, JZ 2004, S. 301 (303).
395
Siehe dazu ausführlich 5. Kapitel A.I. sowie 5. Kapitel A.II.
108 3. Kapitel
396
Lenaerts, EuR 1997, S. 17 (18).
397
Lenaerts, EuR 1997, S. 17 (18 f.); ihm folgend Hedtmann, EuR 2002,
S. 122 (129).
398
Zur hier verwendeten Methode näher unten, unter 4. Kapitel A.
Der Begriff der Sanktion 109
Etwas präziser scheint der Sanktionsbegriff bei Rideau zu sein, dem zu-
folge
„cette notion [sc. der Sanktion] doive être interprétée de manière
large en englobant les procédés par lesquels l’administration vise à
imposer le respect de la norme et donc en examinant, au-delà des in-
terventions purement répressives, les cas où l’administration com-
munautaire intervient pour empêcher qu’une infraction soit com-
mise ou poursuivie.“399
Hiernach scheiden zivilrechtliche Sanktionen aus, da es sich um hoheit-
liche Maßnahmen handelt. Die Sanktion soll den Respekt für die ver-
letzte Norm durchsetzen und wiederherstellen, also – soziologisch ge-
sprochen – der Erwartungsstabilisierung dienen.400 Die Maßnahmen
können aber auch über (solche) rein repressive Eingriffe hinausgehen,
sind „jenseits“ dieser repressiven Maßnahmen („au-delà des interventi-
ons purement répressives“), und sollen dann vielmehr abschreckend
wirken. Auch das ist eine weite Bestimmung des Begriffs, der neben re-
pressiven auch präventive Maßnahmen erfasst. Darüber hinaus kann die
Sicherung des „respect de la norme“ auch durch die reine Wiederher-
stellung des rechtmäßigen Zustands erlangt werden, beispielsweise
durch die Rückzahlungsverpflichtung bei einer gemeinschaftsrechts-
widrig erlangten Beihilfe zuzüglich der hierfür fälligen Zinsen. Hiermit
wären demnach auch restitutive Maßnahmen erfasst.
Deutlich präziser bestimmt Vogel den Begriff, wenn er in der Sanktion
einen rechtlichen Nachteil sieht, „der Folge einer begangenen Norm-
verletzung oder eines begangenen Institutionenmissbrauchs ist“.401 Die-
se Sanktion im „weitesten, rechtstheoretischen Sinne“ grenzt er im An-
schluss daran von den „supranationalen Sanktionen“ ab, die „in primä-
rem oder sekundärem Gemeinschaftsrecht mit unmittelbarer Rechts-
wirkung für die Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemein-
schaften angeordnet werden“.402 Die supranationalen Sanktionen unter-
teilt Vogel in die Geldbußen, Zwangsgelder und Verwaltungssanktio-
399
Rideau, Annuaire européen d’administration publique XVIII (1995),
S. 219 (220).
400
Dazu näher oben, unter 1. Kapitel B.I.1.
401
Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170 (171);
im Anschluss an Kindhäuser, in: Görres-Gesellschaft, Staatslexikon, Bd. 4, Ein-
trag „Sanktion“, Sp. 999.
402
Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170 (171 f.)
[Hervorhebung im Original].
110 3. Kapitel
403
Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170 (173).
In Ausnahmefällen gebe es daneben noch Kriminalstrafen.
404
Vogel, in: Dannecker, Bekämpfung des Subventionsbetrugs, S. 170
(174 f.).
405
Art. 4 Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über Kontrollen
und Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik,
21.5.1990, KOM (1990) 126 endg., ABl. 1990, C 137, S. 10, in der Fassung der
Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EWG) des Rates über Kontrol-
len und Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik,
25.10.1991, KOM (1991) 378 endg., ABl. 1991, C 294, S. 17.
406
Pernice/ Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100 (1112) [Zitat im Original].
407
Vgl. EuGH, Rs. 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, S. 661,
Rn. 172/176; Rs. 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, S. 733, Rn. 49.
Der Begriff der Sanktion 111
408
EuGH, Rs. 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, S. 661,
Rn. 170/171; siehe auch Rs. 44/69, Buchler/Kommission, Slg. 1970, S. 733,
Rn. 48.
409
EuGH, Rs. 50/76, Amsterdam Bulb, Slg. 1977, S. 137, Rn. 32.
410
EuGH, Rs. 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, S. 2965,
Rn. 23 ff.; Rs. C-326/88, Hansen, Slg. 1990, S. I-2911, Rn. 17 ff.; Zuleeg, JZ
1992, S. 761 (767); Zuleeg, in: Sieber, Europäische Einigung und Europäisches
Strafrecht, S. 41 (55 f.); näher Baker, Cambridge YELS 4 (2001), S. 25 (29 ff.);
Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 334 ff.
411
Näher oben, unter 2. Kapitel C.
112 3. Kapitel
412
Kadelbach, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchset-
zung des Gemeinschaftsrechts, S. 81.
413
Sieber, in: FS Geerds, S. 113 (115 ff.); Sieber, in: van Gerven/Zuleeg,
Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 71 (72 f.).
Der Begriff der Sanktion 113
414
So bei Jaag, in: FS Trechsel, S. 151 (152).
415
Zum wissenschaftlichen Streben nach Systematisierung speziell für das
Öffentliche Recht: Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als
Ordnungsidee, Rn. 1/1; Dann, German LJ 6 (2005), S. 1453 (1468).
4. Kapitel
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion?
Das folgende Kapitel versucht, durch eine Analyse der relevanten Texte
ein eventuelles Sanktionsverständnis der wichtigsten Akteure zu finden.
Das bezieht sich einerseits auf die Texte des europäischen Verfassungs-
gebers, also die in der Regierungskonferenz vertretenen Mitgliedstaaten
im Zusammenwirken mit den verfassten Unionsorganen, vgl. Art. 48
EU,416 und des Unionsgesetzgebers, also der in spezifischen Verfahren
im Gesetzgebungsprozess zusammenwirkenden Organe Parlament, Rat
und Kommission. Andererseits werden die Texte der Spitze der europä-
ischen Judikative untersucht: die Urteile des Europäischen Gerichtsho-
fes und des Gerichts erster Instanz. Die möglichen Begriffsverständnis-
se in den einzelnen Mitgliedstaaten sind somit ausdrücklich nicht von
der Analyse erfasst, da die vorliegende Arbeit kein rechtsvergleichendes
Anliegen hat.
Im Folgenden werden die Anwendungsdiskurse für Sanktionen im
Recht der Europäischen Union analysiert. Bei der Untersuchung des
primären und des abgeleiteten Rechts der Union wird die Akteursper-
spektive des europäischen Verfassungs- und des Gesetzgebers relevant.
Normtexte werden auf diese Weise zumindest auch als Ausdruck eines
Willens des Gesetzgebers als Akteur verstanden. Ein anspruchsvolles
demokratisches Gesetzgebungsverständnis hier außer acht lassend,417
bedeutet das für die in der folgenden Untersuchung vor allem relevan-
ten Verordnungen und Richtlinien (neben den einschlägigen Bestim-
mungen der Gründungsverträge), dass Regelungen abstrakt-genereller
416
Möllers, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 1 (28).
417
Siehe nur Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 502 ff.:
Gesetzgebung als im verfassungsrechtlich vorgesehenen demokratischen Ver-
fahren zustande gekommene Form politischer Willensbildung mit der grundle-
genden Bedeutung rechtsstaatlicher Freiheitsgewährleistung durch Rationalisie-
rung, Stabilisierung und Entlastung.
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 115
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_4,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
116 4. Kapitel
418
Zur Allgemeinheit der Gesetze siehe nur Eschenburg, Staat und Gesell-
schaft in Deutschland, S. 246 f.
419
Das soll nicht außer acht lassen, dass der Union auch andere Handlungs-
formen zur Verfügung stehen, die abstrakt-generelle Normen enthalten können,
wie z.B. die Entscheidung; vgl. von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002),
S. 77 (97 ff.). Ausführlich zu den Handlungsformen Bast, in: von Bogdandy,
Europäisches Verfassungsrecht, S. 479; Bast, Grundbegriffe der Handlungsfor-
men der EU, S. 42 ff.
420
Zum ersten Schritt in Richtung auf ein allgemeines Sanktionenrecht in
Bezug auf den Schutz der finanziellen Interessen der Union mit der Verord-
nung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den
Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
ABl. 1995, L 312, S. 1; unten ausführlich, unter 4. Kapitel B.II.1.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 117
421
Zu dieser Gleichzeitigkeit von Einzelfallentscheidung und rationaler All-
gemeinheit bei der Rechtsprechung F. Müller/Christensen, Juristische Methodik
I, S. 437 f.
422
Potacs, Auslegung im öffentlichen Recht, S. 78.
423
Zur rationalisierenden und stabilisierenden Funktion der Rechtsprechung
näher Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 549. Vorausseh-
barkeit ist eine Forderung des Rechtsstaatsprinzips, BVerfG, Beschluss vom
10.11.1998, 2 BvR 1057, 1226, 980/91, BVerfGE 99, 216 (243), zum Steuerrecht.
424
Zu diesem Gedanken vgl. E. Kaufmann, in: ders., Rechtsidee und Recht,
S. 246 (261 f.).
425
EuGH, Rs. 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, S. 4199, Rn. 18; näher F.C. May-
er, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 229 (238 ff.); Hen-
ze/Sobotta, EuGH-Verfahrensrecht, in: Beermann/Gosch, AO, FGO-Kom-
mentar, Rn. 32.
118 4. Kapitel
426
F. Müller/Christensen, Juristische Methodik I, S. 32; F. Müller/Christen-
sen, Juristische Methodik II, S. 160.
427
Zu Rechtsstaatlichkeit und Rationalität für das Verwaltungsverfahren nä-
her Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee,
Rn. 2/75 ff.
428
Die Schwierigkeiten, vollkommen zwischen grammatikalischer und sys-
tematischer Auslegung zu unterscheiden, und dabei zudem nicht die Grenze
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 119
430
Ausführlich zur „multilingual equality“, der „gleichrangigen Vielspra-
chigkeit“ in der EU und auch zu den weiterhin bestehenden praktischen
Schwierigkeiten ihrer Beachtung: F.C. Mayer, in: Bodnar u.a., Emerging
Constitutional Law, S. 359; F.C. Mayer, Der Staat 44 (2005), S. 367; F. Müller/
Christensen, Juristische Methodik II, S. 22 ff., 207 ff. Zum handlungsformen-
spezifischen Charakter dieser Anforderung Bast, Grundbegriffe der Hand-
lungsformen der EU, S. 110 f.
431
F. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, S. 25.
432
F. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, S.31 ff.; gestützt auf
Dederichs, Die Methodik des EuGH. Weiterführend bereits Krajewski, Geld-
bußen und Zwangsgelder im Recht der EG, S. 7-14, vgl. aber auch jetzt die neu-
ere Literatur, z.B. Anweiler, Die Auslegungsmethoden des EuGH; Dederichs,
EuR 2004, S. 345.
433
Schilling, EuGRZ 2000, S. 3 (25 f.).
434
Und zwar nur die Urteilstexte und gegebenenfalls das Vorabentschei-
dungsersuchen – die vollständige Verfahrensakte mit den Schriftsätzen wird le-
diglich in der Verfahrenssprache und Französisch geführt. Die vor allem für den
Verfahrensablauf gerichtshofsintern bedeutsamen rapports préalables der Be-
richterstatter nach Art. 44 § 1 VerfO-EuGH und die notes anderer Gerichts-
hofsmitglieder werden in der Regel sogar ausschließlich auf Französisch ver-
fasst; dazu näher Henze/Sobotta, EuGH-Verfahrensrecht, in: Beermann/Gosch,
AO, FGO-Kommentar, Rn. 56.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 121
435
F. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, S. 35, 221 ff.
436
F. Müller/Christensen, Juristische Methodik II, S. 39 ff., insbes. 44.
437
Dazu sogleich, unter 4. Kapitel B.I.1.
438
Bulgarisch „санкциите“ i.S.v. „Sanktionen“ (zit. nach Art. 261 der bulga-
rischen konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäi-
schen Union, ABl. 2008, C 115, S. 47); dänisch „sanktioner“; englisch „penal-
ties“; estnisch „karistuste“ i.S.v. „Strafen, Sanktionen“; finnisch „seuraamus“
i.S.v. „Strafen, Sanktionen“; französisch „sanctions“; gälisch „pionóis“ i.S.v.
122 4. Kapitel
also davon ausgehen, dass im Rahmen des Art. 229 EG der Begriff der
Sanktion mit dem der Zwangsmaßnahme austauschbar ist.439 Dieser Be-
fund wird durch die Analyse des einschlägigen Sekundärrechts zum
Wettbewerbsrecht bestärkt, worauf später noch näher einzugehen sein
wird.440
Jedoch ist der Begriff der Zwangsmaßnahme in Art. 229 EG nicht wei-
ter definiert. Ihn einfach mit Geldbußen gleichzusetzen und dabei den
Zwangsgeldern gegenüberzustellen,441 würde einerseits der Vielfalt der
Mechanismen zur Erzwingung gemeinschaftsrechtskonformen Verhal-
tens nicht gerecht. Andererseits führte diese Gegenüberstellung de lege
lata zum Ausschluss der Zwangsgelder aus dem Anwendungsbereich
des Art. 229 EG.442 Das ist jedoch nicht nur angesichts der Praxis der
Unionsorgane zweifelhaft, übertragen doch beispielsweise die Art. 31
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der Art. 81 und 82
EG443 und Art. 16 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 über die Kontrolle
von Unternehmenszusammenschlüssen444 dem EuGH ausdrücklich un-
chen Zwang verwirklicht werden.450 Art. 256 EG legt lediglich fest, dass
die Entscheidungen, die eine Zahlung auferlegen, im nationalen Zivil-
prozessrecht vollstreckbare Titel darstellen. Hiermit sind zwar auch
und vor allem Bußgeld- und Zwangsgeldentscheidungen vollstreckbar,
eine Aussage zum Begriff der Sanktion und der Zwangsmaßnahme ist
nicht getroffen.
450
Thomas/Putzo-Hüßtege, Vorbem § 704 ZPO, Rn. 1.
451
Zuleeg, EuR 1969, S. 97 (102); Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht,
Rn. 5/80, beide jedoch nicht in Bezug auf die für die Entstehung der Verträge
maßgeblichen Materialien, sondern in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Be-
gründungen im Ratifikationsverfahren.
452
R. Schulze/Hoeren, Dokumente zum europäischen Recht.
453
Noch zum Verfassungsvertrag: Dann, German LJ 6 (2005), S. 1453 (1463);
Dann, in: Dann/Rynkowski, Unity of the European Constitution, S. 37 (48).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 125
454
Auch im später aufgehobenen Art. 52 Abs. 1 EGKSV war das der Fall.
455
So aber Krajewski, Geldbußen und Zwangsgelder im Recht der EG, S. 35.
Die englische Fassung sprach von „pecuniary sanctions and periodic penalty
payments“.
456
Diese wurden allgemein als Sanktion angesehen, Winkler, Die Rechtsna-
tur der Geldbuße, S. 20, Fn. 91; Zimmermann, Die Preisdiskriminierung im
Recht der EGKS, S. 386, Fn. 141; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht,
Rn. 26/5; Krajewski, Geldbußen und Zwangsgelder im Recht der EG, S. 35.
457
Näher Jaenicke, ZaöRV 1951/52, S. 727 (746 ff.).
458
Osterheld, Die Vollstreckung von Entscheidungen der EGKS, S. 30;
Krajewski, Geldbußen und Zwangsgelder im Recht der EG, S. 35.
126 4. Kapitel
459
Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Rn. 26/7: „Zwangsgelder sind
Geldleistungen, durch deren Auferlegung ein vertragsgemäßes Verhalten er-
zwungen werden soll“ [Hervorhebung im Original].
460
Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 60 f.
461
Dazu oben näher, siehe Text zu Fn. 239.
462
EuG, Rs. T-137/94, ARBED/Kommission, Slg. 1999, S. II-303, Rn. 25;
Rs. T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, S. II-347, Rn. 77;
verb. Rs. T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless u.a./Kommission,
Slg. 2001, S. II-3757, Rn. 55; EuGH, Rs. C-176/99 P, ARBED/Kommission,
Slg. 2003, S. I-10687, Rn. 19; verb. Rs. C-65/02 P und C-73/02 P, ThyssenKrupp
Stainless/Kommission, Slg. 2005, S. I-6773, Rn. 92.
463
Hierzu Zuleeg, EuR 1969, S. 97 (102 f.); Kadelbach, in: von Bogdan-
dy/Ehlermann, Konsolidierung und Kohärenz des Primärrechts, EuR Beiheft
2/1998, S. 51.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 127
464
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 247. Art. 81 Abs. 3 EA sieht daneben
noch den Erlass eines sog. Gerichtsbefehls durch den Präsidenten des EuGH
vor, mit dem die Durchführung einer Überwachungsmaßnahme eines Sicher-
heitsinspektors der Kommission im Zwangswege sichergestellt werden soll.
465
Ballreich, ZaöRV 1958, S. 24 (39, 50), bezeichnet alle diese Maßnahmen
als Sanktionen.
466
Tsolka, Der allgemeine Teil des supranationalen Strafrechts, S. 37.
467
Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken
und der Europäischen Zentralbank, ABl. 1992, C 191, S. 68.
128 4. Kapitel
468
Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank in der geänderten Fas-
sung vom 22. April 1999, ABl. 1999, L 125, S. 34.
469
Hierzu Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 59.
470
Satzger, Die Europäisierung des Strafrechts, S. 61 f.
471
Siehe ausführlich Schorkopf, Die Maßnahmen der XIV EU-Mitgliedstaa-
ten gegen Österreich, S. 61 ff. Ebenso Hatje, Loyalität als Rechtsprinzip in der
Europäischen Union, S. 78 f.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 129
472
Siehe nur Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 19; Böse, Strafen und Sanktio-
nen, S. 50; Kadelbach, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durch-
setzung des Gemeinschaftsrechts, S. 81 (84 f.); alle jedoch in Bezug auf Sanktio-
nen gegen Einzelne, nicht – wie beim Defizitverfahren – gegen die Mitgliedstaa-
ten.
473
Ausführlich zu den Handlungsbefugnissen Europols und dem erforderli-
chen Rechtsschutz Frowein/Krisch, JZ 1998, S. 589.
474
Dazu näher Monar, integration 2003, S. 536 (542 f.).
130 4. Kapitel
bleibt. Ein einheitlicher Begriff für das Recht der Union lässt sich hier-
aus nicht ableiten.
Die übrigen Vorschriften des VerfV, welche die bisherigen Regelungen
über Zwangsmaßnahmen und Sanktionen des EG-Vertrages übernah-
men, führten – mit den geschilderten Ausnahmen des Art. III-197
Abs. 2 lit. b) und III-363 VerfV475 – keine neuen Aspekte zu der Frage
ein, ob es einen einheitlichen Begriff für Sanktion und Zwangsmaß-
nahme im Unionsrecht gibt. Der Lissabonner Vertrag wird von diesen
beiden Aspekten allein denjenigen der Zwangsmittel im Defizitverfah-
ren beibehalten.
475
Zu letztgenannter Ausnahme oben, unter 4. Kapitel B.I.1.
476
Ebenso Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 142.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 131
477
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember
1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemein-
schaften, ABl. 1995, L 312, S. 1.
478
Kommission, Vorschlag für eine Verordnung (EG, Euratom) des Rates
über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften, 7.7.1994,
KOM (1994) 214 endg., ABl. 1994, C 216, S. 11; siehe bereits den Vorschlag für
eine Verordnung (EWG) des Rates über Kontrollen und Sanktionen im Rah-
men der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik, 21.5.1990, KOM (1990)
126 endg., ABl. 1990, C 137, S. 10.
479
Dabei ist zu beachten, dass die als Betrug erfassten Verhaltensweisen im
Kommissionsvorschlag deutlich von denen im deutschen § 263 StGB abweichen
können. Insofern ähnelte der Vorschlag auch dem Betrugstatbestand im Corpus
Juris-Projekt, der deswegen scharfe Kritik erntete. Zum Corpus Juris vgl.
Delmas-Marty/Vervaele, Implementation of the Corpus Juris; House of Lords –
EC Committee, 9th Report – Prosecuting Fraud on the Communities’ Finances.
132 4. Kapitel
480
Feit, Schutz der finanziellen Interessen im Ausfuhrerstattungsrecht,
S. 123; Dannecker, ZStW 1996, S. 577 (604); Wolffgang, in: Ehlers/Wolffgang,
Rechtsfragen der Europäischen Marktordnungen, S. 209 (222); Wolffgang/Ul-
rich, EuR 1998, S. 616 (633).
481
Ähnlich Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 159.
482
Siehe nur EuGH, Rs. 29/69, Stauder, Slg. 1969, S. 419, Rn. 7; Pernice,
Grundrechtsgehalte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 27 ff.; Zuleeg,
DÖV 1992, S. 937 (940 f.).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 133
483
EuGH, Rs. T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, S. II-
1711, Rn. 53 f. Näher Tridimas, The General Principles of EC Law, S. 264;
Bitter, in: Bodnar u.a., Emerging Constitutional Law, S. 15 (23).
484
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 51; Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 127.
485
Die Formulierung strafrechtlicher Tatbestände wurde in dem auf Art. K.3
Abs. 2 lit. c) EUV (jetzt Art. 34 Abs. 2 lit. d) EU) gestützten Übereinkommen
vom 26. Juli 1995 aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische
Union über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemein-
schaften, ABl. 1995, C 315, S. 49, vorgenommen.
486
Prominentes Beispiel sind die Maßnahmen im Milchabgaberecht; dazu
ausführlich unten, unter 4. Kapitel B.II.2.d.
134 4. Kapitel
487
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 150. Ein Argument lie-
fert der Sanktionsbegriff der Haushaltsordnung und des Wettbewerbsrechts, wo
Zwangsgelder jeweils als Sanktionen verstanden werden; siehe ausführlich un-
ten, unter 4. Kapitel B.II.3.a) zum Finanzverfassungsrecht und 4. Kapitel
B.II.4.a) zum Wettbewerbsrecht.
488
Harding, European Community Investigations and Sanctions, S. 93;
Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, Vorbem. Art. 23 ff. Kartellver-
fahrensordnung, Rn. 28; sowie dies., Art. 24 Kartellverfahrensordnung, Rn. 6.
489
A.A. Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 157 f., der davon
ausgeht, dass Art. 5 Abs. 1 lit. g) der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95
eine Untergrenze möglicher Sanktionen vorsieht, um diese besser von den ver-
waltungsrechtlichen Maßnahmen abgrenzen zu können, während eine Ober-
grenze nicht feststellbar sein soll.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 135
490
Wolffgang/Ulrich, EuR 1998, S. 616 (629 f.).
491
Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend
Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge
im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik sowie die Einrich-
tung eines einschlägigen Informationssystems und zur Aufhebung der Verord-
nung (EWG) Nr. 283/72, ABl. 1991, L 67, S. 11.
492
EuGH, Rs. 54/81, Fromme, Slg. 1982, S. 1449, Rn. 5.
493
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 7.
494
Bitter, in: Bodnar u.a., Emerging Constitutional Law, S. 15 (17).
136 4. Kapitel
495
Verordnung (EG) Nr. 1469/95 des Rates vom 22. Juni 1995 über Vorkeh-
rungen gegenüber bestimmten Begünstigten der vom EAGFL, Abteilung Ga-
rantie, finanzierten Maßnahmen, ABl. 1995, L 145, S. 1.
496
Art. 4 Verordnung (EG) Nr. 745/96 der Kommission vom 24. April 1996
zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1469/95 des Rates über Vorkeh-
rungen gegenüber bestimmten Begünstigten der vom EAGFL, Abteilung Ga-
rantie, finanzierten Maßnahmen, ABl. 1996, L 102, S. 15.
497
Heitzer, Punitive Sanktionen, S. 6.
498
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 329.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 137
499
Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 148.
500
Ähnlich geht Hækkerup, Controls and Sanctions in EU Law, S. 27 f., vor,
wenn er den in der Verordnung festgelegten Begriff der Unregelmäßigkeit als
für seine Studie maßgeblich anerkennt.
501
Vgl. dazu die Erwägungen bei EuGH, C-295/02, Gerken, Slg. 2004, S. I-
6369, Rn. 55 ff., wo der EuGH prüft, ob die neue Verordnung (EG)
Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 mit Durchführungsbe-
stimmungen zum mit der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführ-
ten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaft-
138 4. Kapitel
liche Beihilferegelungen, ABl. 2001, L 327, S. 11, vom Gebot der rückwirken-
den Anwendung der milderen Sanktionierung in Art. 2 Abs. 2 S. 2 der
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 abweichen will; näher dazu, Text bei
Fn. 556.
502
Agrarrecht und Landwirtschaftsrecht werden in dieser Arbeit als Syn-
onyme verwendet. Nachweise zum Streit darüber, ob hier eine Differenzierung,
beispielsweise zwischen öffentlich-rechtlichem Agrarrecht und privatrechtli-
chem Landwirtschaftsrecht, vorgenommen werden müsste, finden sich bei
Busse, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 2.
503
Busse, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 36. Zum grundsätzlich
exemplarischen Charakter des europäischen Agrarverwaltungsrechts:
Ehlermann, AgrarR 1989, Beilage II, S. 3; Barents, Agricultural Law of the EC,
S. 13, 366.
504
Näher Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ord-
nungsidee, Rn. 1/60; 6/143 ff.
505
Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zu-
gang zu Informationen über die Umwelt, ABl. 1990, L 158, S. 56; jetzt
Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Ja-
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 139
510
Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur
Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte
gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992, L 355, S. 1.
511
Ausführlich Mögele, EWS 1993, S. 305.
512
Beispielsweise in Berggebieten. Eine nähere Begriffsbestimmung bietet
für die aktuelle Rechtslage Art. 50 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Ra-
tes vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen
Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des
ländlichen Raums (ELER), ABl. 2005, L 277, S. 1, der an die Stelle der
Art. 17 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999
über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäi-
schen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und
zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen, ABl. 1999, L 160,
S. 80, getreten ist.
513
Näher Hedtmann, EuR 2002, S. 122 (125).
514
Mögele, EWS 1993, S. 305 (306); Busse, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht,
§ 25, Rn. 40. Ausführlich zur Agrarreform 1992 Scherer, DVBl. 1993, S. 281.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 141
515
Z.B. bei Angerer, AgrarR 1992, S. 288 (290); Ehlermann, AgrarR 1989,
Beilage II, S. 3 (6).
516
Mögele, EWS 1993, S. 305 (307).
517
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember
1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und
Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992,
L 391, S. 36.
142 4. Kapitel
518
Im Englischen „penalties“, im Französischen „sanctions“.
519
Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmun-
gen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemein-
schaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1998, L 212, S. 23.
520
So beispielsweise auch BVerwG, Beschluss vom 29.3.2005, 3 B 117.04,
RdL 2005, S. 224.
521
Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember
2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG)
Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsys-
tem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 2001, L 327,
S. 11.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 143
522
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit
gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Ag-
rarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaft-
licher Betriebe, ABl. 2003, L 270, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EG)
Nr. 293/2008 der Kommission vom 1. April 2008 zur Änderung von Anhang II
der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates hinsichtlich der in demselben
Anhang festgesetzten nationalen Obergrenzen, ABl. 2008, L 90, S. 5. Dazu
sogleich unter 4. Kapitel B.II.2.c). Zur GAP-Reform 2003 ausführlich Busse, in:
Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 107 ff. Hauptmerkmal der Reform ist
eine mit der Abkopplung der Beihilfen von der Produktion bestimmter Er-
zeugnisse einhergehende Hinwendung zu einer entkoppelten Einkommensstüt-
zung in Form einer Betriebsprämie, Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Landwirtschaft und Ernährung, Meilensteine der Agrarpolitik, S. 13 f.;
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Die
EU-Agrarreform, S. 11 f.; Busse, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 41,
127 ff.; Borchardt, in: FS Zuleeg, S. 473 (478).
144 4. Kapitel
523
Sowie gemäß Art. 153 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 bis
zum 31.5.2005 auch für die Direktzahlungen nach Art. 2a der im Übrigen durch
die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aufgehobenen Verordnung (EG)
Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Festlegung von Gemeinschafts-
regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik,
ABl. 1999, L 160, S. 113.
524
Beispielsweise nach den gemeinsamen Marktorganisationen für Trocken-
futter oder für Wein. Der Anhang V wurde zuletzt geändert und dabei stark ge-
kürzt durch Verordnung (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom 26. September
2007 mit besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor zur Ände-
rung der Richtlinien 2001/112/EG und 2001/113/EG sowie der Verordnungen
(EWG) Nr. 827/68, (EG) Nr. 2200/96, (EG) Nr. 2201/96, (EG) Nr. 2826/2000,
(EG) Nr. 1782/2003 und (EG) Nr. 318/2006 und zur Aufhebung der Verord-
nung (EG) Nr. 2202/96, ABl. 2007, L 273, S. 1.
525
Busse, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 116.
526
Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit
Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen,
zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach
der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Di-
rektzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten
Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. 2004,
L 141, S. 18; diverse Änderungen, die letzte durch Verordnung (EG)
Nr. 145/2008 der Kommission vom 19. Februar 2008 zur Änderung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 796/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung
anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwal-
tungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates
mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 145
aus. Nimmt man Art. 51 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 als
Beispiel, so wird die für die Berechnung einer flächenbezogenen Beihil-
fe relevante Fläche gekürzt – und damit die betreffende Beihilfe –, wenn
die angemeldete Flächengröße über der tatsächlich ermittelten liegt.
Dabei ist ein abgestuftes, von der Größe der Flächendifferenz abhängi-
ges System vorgesehen: Die Kürzung beträgt das Doppelte der festge-
stellten Differenz, wenn diese über 3 % oder 2 Hektar und nicht mehr
als 20 % beträgt, Art. 51 Abs. 1 UAbs. 1. Beträgt die Differenz mehr als
20 %, wird für die betreffende Kulturgruppe keine Beihilfe gewährt,
Art. 51 Abs. 1 UAbs. 2.
Nach Art. 51 Abs. 2 UAbs. 1 der Verordnung wird im Falle eines Sam-
melantrags528 bei mehreren Flächen für das Kalenderjahr überhaupt
keine Beihilfe gewährt, wenn die vom Antragssteller angegebene Fläche
um 30 % über der tatsächlich ermittelten Fläche liegt. Beträgt diese Dif-
ferenz mehr als 50 %, wird der Betriebsinhaber nach Art. 51 Abs. 2
UAbs. 2 der Verordnung ein weiteres Mal von der Beihilfegewährung
ausgeschlossen, wobei der Betrag mit Beihilfezahlungen für die drei
Folgejahre verrechnet wird.
Falls die sog. „Übererklärung“ vorsätzlich erfolgte, wird dem Betriebs-
inhaber bereits bei einer Differenz von mehr als 0,5 % der ermittelten
Fläche oder einem Hektar im Rahmen der betreffenden Beihilferege-
lung keine Beihilfe gewährt, Art. 53 Abs. 1 der Verordnung (EG)
Nr. 796/2004. Beträgt diese vorsätzlich herbeigeführte Differenz mehr
als 20 %, wird der Betriebsinhaber ein weiteres Mal von der Beihilfe-
gewährung ausgeschlossen, Art. 53 Abs. 2 der Verordnung.
Entsprechende Regelungen sehen die folgenden Bestimmungen bei-
spielsweise für besondere Kulturen oder für Tierprämien vor, wobei für
Kürzungen und Ausschlüsse dann jeweils spezifische Unregelmäßigkei-
ten vorausgesetzt sind. In allen Fällen bleibt festzuhalten, dass diese
Kürzungen und Ausschlüsse keine bloße Anpassung an den tatsächlich
zu gewährenden Beihilfebetrag bedeuten, sondern darüber hinausge-
hen. Die bloße Anpassung an den korrekten Betrag findet über die
Art. 73 und 73a der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 durch Rückforde-
rung zu Unrecht gezahlter Beiträge oder Wiedereinziehung zu Unrecht
zugewiesener Ansprüche statt. Die als Sanktion verstandenen Kürzun-
gen und Ausschlüsse wollen den rechtswidrig erlangten Vorteil dagegen
jedoch nicht abschöpfen, sondern darüber hinausgehend den gegen das
Gemeinschaftsrecht verstoßenden Landwirt auch „bestrafen“, indem sie
528
Definiert in Art. 2 Abs. 11 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 147
529
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit
gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Ag-
rarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaft-
licher Betriebe, ABl. 2003, L 270, S. 1; zuletzt geändert durch Verordnung (EG)
Nr. 293/2008 der Kommission vom 1. April 2008 zur Änderung von Anhang II
der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates hinsichtlich der in demselben
Anhang festgesetzten nationalen Obergrenzen, ABl. 2008, L 90, S. 5.
530
Zum grundsätzlich exemplarischen Charakter des europäischen Agrar-
verwaltungsrechts: Ehlermann, AgrarR 1989, Beilage II, S. 3; Barents, Agricul-
tural Law of the EC, S. 13, 366.
148 4. Kapitel
531
Beispielsweise von Borchardt, in: FS Zuleeg, S. 473 (480, 483). Dort auch
näher zum Zusammenhang der Sanktionen mit der sog. Cross Compliance, nach
welcher nicht nur die spezifischen Regeln des Agrarrechts eingehalten werden
sollen, sondern darüber hinaus auch die sonstigen, im Unionsrecht festgelegten
Belange des Gemeinwohls durch Sanktionen geschützt sind.
532
Dazu soeben ausführlich unter 4. Kapitel B.II.2.b.
533
Unten, unter 4. Kapitel C.I.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 149
534
So zumindest der 2. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr.
1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe
im Milchsektor, ABl. 2003, L 270, S. 123.
535
Art. 201 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom
22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit
Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (Verordnung
über die einheitliche GMO), ABl. 2007, L 299, S. 1.
536
Vgl. den 36. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007.
537
Mit der neuen Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni
2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. 2005, L 209,
S. 1, wurde der EAGFL ab dem 1. Januar 2007 ersetzt durch zwei Fonds, näm-
lich den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und den
Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
(ELER).
150 4. Kapitel
538
Nach Art. 65 lit. f) der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 ist Lieferung „je-
de Lieferung von Milch – unter Ausschluss aller anderen Milcherzeugnisse –
von einem Erzeuger an einen Käufer, gleichgültig ob die Beförderung vom Er-
zeuger, vom Käufer, vom behandelnden oder verarbeitenden Unternehmen
oder von einem Dritten übernommen wird“. Nach Art. 65 lit. g) ist Direktver-
kauf „jeder Verkauf bzw. jede Abgabe von Milch von einem Erzeuger direkt an
Verbraucher sowie jeder Verkauf bzw. jede Abgabe anderer Milcherzeugnisse
durch einen Erzeuger“.
539
Zu den unterschiedlichen Methoden der – auch zwangsweisen – Durch-
setzung des Unionsrechts Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit
und des Rechts, S. 9 (13 ff.).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 151
zeuger oder durch den Käufer entrichtet wird, der sie zuvor beim Er-
zeuger erhoben hat.
Falls der Käufer bei einer Lieferung von Milch seiner Pflicht zur Erhe-
bung des Abgabebeitrags beim Erzeuger nicht nachkommt, legt Art. 84
Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 fest, dass der Mitgliedstaat
die nichtgezahlten Beiträge direkt beim Erzeuger erheben darf. Das gilt
„unbeschadet etwaiger Sanktionen gegen den säumigen Käufer“. Die
Verordnung führt zu den Sanktionen allerdings nichts Näheres aus. Das
geschieht erst in der Durchführungsverordnung der Kommission zur
Verordnung (EG) Nr. 1788/2003. Diese Verordnung (EG) Nr. 595/2004
mit Durchführungsbestimmungen über die Erhebung einer Abgabe im
Milchsektor540 wird durch die Aufhebung ihrer Grundverordnung
nicht berührt, Art. 201 Abs. 3 lit. a) der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007. Bezugnahmen der Durchführungsverordnung auf die
Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 gelten als Bezugnahmen auf die Ver-
ordnung (EG) Nr. 1234/2007.541
Nach Art. 8, 11 und 23 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 mit Durch-
führungsbestimmungen über die Erhebung einer Abgabe im Milchsek-
tor müssen die Mitgliedstaaten bestimmte Sanktionen gegen die Erzeu-
ger und die Käufer verhängen, die gegen die Vorschriften der Verord-
nung (EG) Nr. 1234/2007 verstoßen.
540
Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom 30. März 2004 mit
Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates
über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, ABl. 2004, L 94, S. 22.
541
Vgl. Art. 202 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007.
152 4. Kapitel
spricht, wenn eine letzte Frist für die Erteilung der erforderlichen In-
formationen verstrichen lassen wird (Abs. 4).
Die Zahlung des Betrags bis zur Erfüllung der Informationspflichten
durch den Käufer nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 595/2004 hat den Charakter eines Zwangsgeldes, wird er doch nur
je Tag Fristüberschreitung fällig und bietet einen negativen Anreiz für
den betreffenden Käufer, dass dieser seinen Pflichten nachkommt. Die
Zahlungspflicht hat einen Beugecharakter, wie er auch einem Zwangs-
geld zukommt.
Anders verhält es sich mit dem Betrag, der bei Ablauf der letzten Frist
nach Art. 8 Abs. 4 der Verordnung zu zahlen ist. Hier handelt es sich
um eine Maßnahme mit punitiver Wirkung, welche die Zuwiderhand-
lung nicht mehr abstellen, sondern nur noch negativ auf die unterlasse-
ne Information reagieren will. Damit hat sie den Charakter eines Buß-
geldes. Diese Qualifikation wird auch durch dem Umstand gestützt,
dass Art. 8 Abs. 4 für die Berechnung der Höhe der zu zahlenden
Summe Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte aufstellt, vor allem in Be-
zug auf die Schwere des Verstoßes. Zwar sieht der EuGH in Bezug auf
das Verfahren des Art. 228 Abs. 2 EG auch für die Berechnung des
Zwangsgelds vor, dass Schweregesichtspunkte eine Rolle spielen.542 Je-
doch ist die Ausrichtung an einem solchen Kriterium eher typisch für
Maßnahmen mit repressiv-punitivem Charakter als für solche mit resti-
tutivem oder beugendem.
Die zweite Maßnahme des Abs. 4, der Entzug der Zulassung des Käu-
fers, trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Verstoß gegen die Infor-
mationspflicht durch den betreffenden Käufer angesichts der Angewie-
senheit der Kommission auf die Informationen zur Kontrolle der Ein-
haltung der Regeln des Milchabgabesektors schwerwiegend ist und die
Gefahr einer Wiederholung vermieden werden muss. Der Entzug der
Zulassung des Käufers hat neben der strafenden Wirkung des Aus-
schlusses von der Tätigkeit, die in dem wirtschaftlichen Verlust liegt,
auch zugleich eine spezial-präventive Wirkung in Bezug auf künftige
Verstöße.
542
EuGH, Rs. C-387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, S. I-5047,
Rn. 92; Rs. C-278/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, S. I-14141, Rn. 52; aus-
führlich dazu unten, unter 4. Kapitel C.II.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 153
(iii) Sanktionen gegen die Erzeuger bei Direktverkäufen von Milch und
Milcherzeugnissen
Ähnliche Sanktionen wie gegen die Käufer sieht Art. 11 der Verord-
nung (EG) Nr. 595/2004 gegen die Erzeuger von Milch und Milcher-
zeugnissen vor, sofern es sich um Direktverkäufe handelt. Art. 11
Abs. 5 der Verordnung bezeichnet folgende Maßnahmen der Absätze 3
und 4 desselben Artikels als Sanktionen:
Art. 11 Abs. 3 UAbs. 1 sieht für die Erzeuger eine ähnliche regelmäßige
Zahlungspflicht je Kalendertag vor wie für die Käufer, wenn und bis sie
ihre Erklärung über die Erzeugnisse nicht innerhalb einer bestimmten
Frist abgeben. Daneben steht in Art. 11 Abs. 3 UAbs. 3 der Verordnung
noch eine der Sanktion des Art. 8 Abs. 4, 2. Alt. der Verordnung ver-
gleichbare Pflicht zur Zahlung einer Summe, die der betreffenden Men-
ge Milch und der Schwere des Verstoßes entspricht, wenn der Erzeuger
unrichtige Angaben macht. Man findet also sowohl das Zwangsgeld als
auch das Bußgeld bei Verstößen der Erzeuger wieder.
Darüber hinaus legt Art. 11 Abs. 3 UAbs. 2 fest, dass der Erzeuger, der
seine einzelbetriebliche Quote überschritten und damit gleichzeitig zur
Überschreitung einer einzelstaatlichen Quote beigetragen hat, die Ab-
gabe für die gesamte Überschreitung seiner eigenen Quote zahlen muss,
ohne dass zu seinen Gunsten die an sich nach Art. 83 Abs. 1 der
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 mögliche Neuzuweisung seiner ein-
zelbetrieblichen Quote stattfindet, wenn ein Anteil an der einzelstaatli-
chen Quote ungenutzt geblieben sein sollte. Wenn also ein anderer Er-
zeuger seinen betrieblichen Anteil an der einzelstaatlichen Quote nicht
genutzt haben sollte, kommt dem Erzeuger, der seine eigene Quote
überschritten hat, bei der Berechnung dieser Menge nicht zugute, dass
er nach Art. 83 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 unter Um-
ständen eine größere Quote erhalten hätte können, wenn die einzel-
staatliche Quote insgesamt überschritten wurde. Das entspricht letzt-
lich dem Entzug eines möglichen wirtschaftlichen Vorteils, da der
betreffende Erzeuger durch die etwaige Neuzuweisung seines Anteils
möglicherweise innerhalb seiner Quote geblieben wäre und damit keine
Abgabe zu leisten gehabt hätte. Damit wirkt diese Maßnahme wie eine
Geldbuße, da sie demjenigen einen finanziellen Nachteil auferlegt, der
gegen seine Pflichten nach dem einschlägigen Recht im Milchabgabe-
sektor verstoßen hat.
Eine weitere Sanktion gegen Erzeuger, die auch bis zum Ablauf einer
letzten Frist nicht die erforderlichen Informationen beigebracht haben,
stellt Art. 11 Abs. 4 dar. Ihre Quote für Direktverkäufe fällt wieder in
154 4. Kapitel
die einzelstaatliche Reserve zurück, mit der Folge, dass sie für die voll-
ständige Menge an Direktverkäufen nach Art. 79 der Verordnung (EG)
Nr. 1234/2007 die Abgabe zu zahlen haben (sofern diese Verkäufe trotz
mangelnder Information nachgewiesen werden können). Das bedeutet,
dass ein Erzeuger bei fehlender Information so gestellt wird, als ob er
Milch oder/und Milcherzeugnisse ohne Quote verkauft hätte. Hieraus
folgt mit der umfänglichen Zahlungspflicht der Abgabe ein beträchtli-
cher finanzieller Nachteil für den Erzeuger.
(iv) Entzug der Zulassung der Käufer und Geldbuße als allgemeine
Sanktionen im Milchabgaberecht
Als letzte Sanktion, gleichsam mit einer allgemeinen Auffangwirkung
versehen, legt Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 fest,
dass einem Käufer die für die Ausübung seiner Käuferfunktion erfor-
derliche Zulassung entzogen wird, wenn er unrichtige Erklärungen ab-
gibt, die Bestandsbuchhaltung, Register und sonstigen relevanten Un-
terlagen nicht auf dem laufenden Stand hält, oder wenn er wiederholt
andere Verpflichtungen der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007, der
Verordnung (EG) Nr. 595/2004 oder des einschlägigen mitgliedstaatli-
chen Rechts nicht einhält. Ebenso kann ihm die Zahlung einer Summe
auferlegt werden, die der betreffenden Menge Milch und der Schwere
des Verstoßes entspricht. Diese Maßnahmen werden in Art. 23 Abs. 4
UAbs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 595/2004 als Sanktionen bezeichnet.
Das Verhältnis dieser Sanktionen zu denen des Art. 8 derselben Verord-
nung ist nicht ausdrücklich geregelt. Es steht jedoch zu erwarten, dass
die präziser in ihrem Anwendungsbereich ausgestaltete Vorschrift des
Art. 8 derjenigen des Art. 23 in Bezug auf die Aufstellung der Abrech-
nungen durch die Käufer als spezieller vorgeht. Damit bietet Art. 23 der
Verordnung einen Auffangtatbestand für die darüber hinaus gehenden
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Milchabgaberechts.
543
Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über
gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirt-
schaftlichen Erzeugnissen, ABl. 1999, L 102, S. 11. Die Verordnung hob die
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November 1987
über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei
landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. 1987, L 351, S. 1, auf und ersetzte sie.
156 4. Kapitel
544
Die Art. 8a und 51 Abs. 1a der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 wurden
durch die Verordnung (EG) Nr. 159/2008 der Kommission vom 21. Februar
2008 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 800/1999 und (EG)
Nr. 2090/2002 hinsichtlich der Warenkontrolle bei der Ausfuhr landwirtschaft-
licher Erzeugnisse, für die eine Erstattung gewährt wird, ABl. 2008, L 48, S. 19,
eingefügt.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 157
Abs. 1 lit. a) der Verordnung vor. Er erhält danach den tatsächlichen Er-
stattungsbetrag abzüglich der halben Differenz zwischen tatsächlichem
und beantragten Betrag, also 1.000,00 Euro minus 500,00 Euro, insge-
samt 500,00 Euro. Wenn er fälschlicherweise 3.001,00 Euro beantragt,
wird der tatsächliche Erstattungsbetrag um 1.000,50 Euro (3.001 minus
1.000, das Ergebnis geteilt durch zwei) gekürzt, sodass ein negativer Be-
trag in Höhe von 0,50 Euro besteht, der vom Ausführer zu zahlen wäre
– sofern dem nicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegenstünde.
Falls der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, liegt ein
Fall des Art. 51 Abs. 1 lit. b) der Verordnung vor. Danach wäre der tat-
sächliche Erstattungsbetrag um den doppelten Unterschied zwischen
tatsächlichem und beantragtem zu kürzen. Der Ausführer müsste dem-
nach, wenn er vorsätzlich statt 1.000,00 Euro fälschlicherweise 1.501,00
Euro beantragt hätte, 2,00 Euro zahlen (1.501 minus 1.000, das Ergebnis
multipliziert mit zwei und von den tatsächlich zu leistenden 1.000 sub-
trahiert).
Die Verpflichtung, den Negativbetrag zu zahlen, ist eine Sanktion im
Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. b) Verordnung (EG, Euratom)
Nr. 2988/95,545 da hier die Zahlung eines Betrages gefordert wird, der
den rechtswidrig erhaltenen übersteigt. Es handelt sich nicht lediglich
um eine Abschöpfung des rechtswidrig erhaltenen Betrages. Bei der
Minderung bzw. bloßen Streichung einer Ausfuhrerstattung scheint
dies jedoch nicht der Fall zu sein. In den Fällen, in denen die Differenz-
beträge nicht erreicht werden oder ein Fall des Art. 51 Abs. 1a der Ver-
ordnung vorliegt, wird lediglich keine oder eine verminderte Ausfuhr-
erstattung geleistet. Der Wirtschaftsteilnehmer ist dadurch unter Um-
ständen nicht negativ in einer bereits bestehenden Rechtsposition be-
troffen. Damit wären diese Minderungen als „verwaltungsrechtliche
Maßnahmen“ i.S.v. Art. 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95
anzusehen und nicht als „Sanktionen“, wie es die Verordnung (EG)
Nr. 800/1999 vorsieht.
Allerdings ist festzuhalten, dass der Ausführer nach Art. 3 der Verord-
nung (EG) Nr. 800/1999 bei einer Ausfuhr einen Anspruch auf Erstat-
tung hat, mithin ein Recht. Dieser tatsächlich bestehende Anspruch
wird nach den Art. 51 Abs. 1 und Abs. 1 der Verordnung im Falle fal-
scher Angaben gekürzt. Das bedeutet, der Ausführer erhält in diesen
Fällen nicht den Erstattungsbetrag, auf den er einen Anspruch hätte.
Dadurch wird er in seinen Rechten betroffen, sodass auch die bloße
545
Dazu näher oben, unter 4. Kapitel B.II.1.
158 4. Kapitel
546
Bast, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 479 (503 f.).
547
Dann, in: von Bogdandy/Bast, Principles of European Constitutional
Law, S. 229 (242); D. König, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 2, Rn. 68; aus-
führlich von Bogdandy/Bast/Arndt, ZaöRV 62 (2002), S. 77 (139 ff.).
548
Vgl. ablehnend zur Frage des Vorrangs des „demokratischeren“ Entschei-
dungsverfahrens Bast, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 479
(506 f.).
549
Bumke, in: Schuppert/Pernice/Haltern, Europawissenschaft, § 19, S. 643
(649 f.).
160 4. Kapitel
Ein Beispiel aus jüngerer Zeit stellt die Entscheidung des EuGH zu der
Frage dar, ob der Rat nach Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 EG insoweit von ei-
ner Entscheidung der Kommission abweichen kann, dass eine nationale
Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen ist, ob-
wohl die Kommission bereits anders entschieden hatte.550 Der Ge-
richtshof argumentiert dahingehend, dass die vertraglich zugewiesenen
Funktionen der betreffenden Organe von den anderen Organen zu be-
achten sind. Der Rat dürfe keine Entscheidung erlassen, die im Wider-
spruch zur Entscheidung der Kommission steht. Zu diesem Zweck ha-
be Art. 88 Abs. 2 EG ein Verfahren vorgesehen, nach welchem der
Kommission die fortlaufende Überprüfung nationaler Beihilfen obliege.
Die Regeln des Vertrages verliehen ihr „damit eine zentrale Rolle bei
der Feststellung der etwaigen Unvereinbarkeit einer Beihilfe“.551 Dage-
gen käme einer Ratsentscheidung lediglich Ausnahmecharakter zu. Eine
Ratsentscheidung sei dabei nach Art. 88 Abs. 2 UAbs. 3 nur dann mög-
lich, wenn der betroffene Mitgliedstaat vor Abschluss eines eventuellen
Überprüfungsverfahrens der Kommission einen diesbezüglichen An-
trag an den Rat gestellt hätte, welches dann bis zur Entscheidung des
Rates ruhe. Wenn die Kommission jedoch ihr Überprüfungsverfahren
abgeschlossen hätte, dürfe der Rat keine anderslautende Entscheidung
mehr erlassen, was auch der Rechtssicherheit diene.552
Dieses Urteil verdeutlicht, dass es für die Beurteilung des Rangverhält-
nisses zwischen zwei Rechtsakten nicht darauf ankommt, von welchem
Organ die Rechtsakte erlassen wurden. Vielmehr ist das Verhältnis der
Akte zueinander im betreffenden Fall anhand des sachlichen Zusam-
menhangs zu beurteilen, in welchem sie im konkreten Anwendungsfall
stehen.
Bedeutender ist das zweite Argument, dass die rahmengebende Grund-
verordnung der Durchführungsverordnung vorgehe, auch wenn beide
normhierarchisch grundsätzlich auf gleicher Stufe stehen. Wenn die
betreffenden Rechtsakte in einem gegenseitigen Ableitungszusammen-
hang stehen, geht der Rechtsakt vor, aus dem sich der andere ableitet.
Ein solches Ableitungsverhältnis findet sich typischerweise zwischen
einer Grundverordnung und ihrer Durchführungsverordnung, die auf-
grund einer Ermächtigungsnorm in der Grundverordnung ergangen ist.
Hier kann man das Phänomen „partieller Hierarchisierung“ beobach-
550
EuGH, Rs. C-110/02, Kommission/Rat, Slg. 2004, S. I-6333, Rn. 29 ff.
551
EuGH, Rs. C-110/02, Kommission/Rat, Slg. 2004, S. I-6333, Rn. 29.
552
EuGH, Rs. C-110/02, Kommission/Rat, Slg. 2004, S. I-6333, Rn. 32 f., 35.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 161
553
Ausführlich zum Konzept partieller Hierarchisierung Bast, in: von Bog-
dandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 479 (510 ff.).
554
So ausdrücklich die Schlussanträge des GA Léger, in: C-295/02, Gerken,
Slg. 2004, S. I-6369, Rn. 39 f.
162 4. Kapitel
555
Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember
2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG)
Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsys-
tem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 2001, L 327,
S. 11.
556
EuGH, C-295/02, Gerken, Slg. 2004, S. I-6369, Rn. 55 ff.
557
Dazu oben, unter 4. Kapitel B.II.2.e)(i).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 163
558
EuGH, Rs. 262/87, Niederlande/Kommission, Slg. 1989, S. 225, Ls. 1.
559
Berg, Implementing European Fisheries Law, S. 90.
560
Verordnung (EG) Nr. 1198/2006 des Rates vom 27. Juli 2006 über den
Europäischen Fischereifonds, ABl. 2006, L 223, S. 1.
561
Verordnung (EG) Nr. 1263/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über das
Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei, ABl. 1999, L 161, S. 54.
562
Verordnung (EG) Nr. 2792/1999 des Rates vom 17. Dezember 1999 zur
Festlegung der Modalitäten und Bedingungen für die gemeinschaftlichen Struk-
turmaßnahmen im Fischereisektor, ABl. 1999, L 337, S. 10.
563
Die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit all-
gemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, ABl. 1999, L 161, S. 1, welche
auch für das FIAF allgemeine Regelungen schuf, wurde durch die Verordnung
164 4. Kapitel
(EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen
über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen
Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG)
Nr. 1260/1999, ABl. 2006, L 210, S. 25, aufgehoben.
564
Zum spezifischen Zusammenhang zwischen Common – oder Public –
Good und effektiver Durchsetzung der das Common Good schützenden Regeln
näher Rawls, Theorie der Gerechtigkeit, S. 300 ff. Aus dem deutschen Schrift-
tum zu den Kollektivgütern, siehe nur Willke, Supervision des Staates, S. 145 ff.
565
Näher Oppermann, Europarecht, Rn. 1402.
566
Schlussanträge des GA Geelhoed vom 29.4.2004, in: Rs. C-304/02, Kom-
mission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 31 ff.; Wiedereröffnung des Verfah-
rens durch EuGH, Beschluss vom 16.6.2004, Rs. C-304/02, Kommissi-
on/Frankreich; zweite Schlussanträge des GA Geelhoed von 18.11.2004, in:
Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263. Zum Sanktionsver-
ständnis des Urteils ausführlich unten, unter 4. Kapitel C.II.
567
Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002 über
die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereiressourcen im Rahmen
der Gemeinsamen Fischereipolitik, ABl. 2002, L 358, S. 59.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 165
568
EuGH, verb. Rs. C-418/00 und C-419/00, Kommission/Frankreich,
Slg. 2002, S. I-3969, Rn. 65.
569
Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur
Einführung einer Kontrollregelung für die gemeinsame Fischereipolitik,
ABl. 1993, L 261, S. 1.
166 4. Kapitel
570
Hervorhebungen hinzugefügt.
571
Hervorhebungen hinzugefügt.
572
Siehe Text zu Fn. 568.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 167
sung des Art. 31 Abs. 2 der alten Verordnung in dieser Hinsicht anders
gefasst. Im Französischen heißt es, dass die nationalen Verfahren „doi-
vent être de nature […] à produire des effets proportionnés à la gravité
de l’infraction de façon à décourager efficacement d’autres infractions
de même nature“,573 während sie nach der englischen Fassung „shall be
capable […] of producing results proportionate to the seriousness of
such infringements, effectively discouraging further offences of the sa-
me kind“. In beiden Sprachfassungen ist die Angemessenheit der natio-
nalen Maßnahme in Hinblick auf ihre abschreckende Wirkung zu mes-
sen.
Noch deutlicher wird der neue Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EG)
Nr. 2371/2002, indem er auch in der deutschen Fassung ein finales Ver-
hältnis zwischen der der Schwere des Verstoßes gerecht werdenden An-
gemessenheit und der abschreckenden Wirkung einer Maßnahme her-
stellt. Das könnte dahingehend gedeutet werden, dass die Angemessen-
heit einer Reaktion auf einen Normverstoß nicht von ihrer Abschre-
ckungswirkung getrennt betrachtet werden könnte. Dies hätte analy-
tisch zur Folge, dass die Sanktionen der Verordnung dahingehend kon-
zeptualisiert wären, dass sie nicht allein repressive Wirkung entfalten
dürften, ihre Legitimation also nur aus ihrer abschreckenden Wirkung
folgte. Weiter gehend könnte man auch vertreten, dass der Sanktion im
Fischereirecht gar keine repressive Wirkung zukommen dürfte, sondern
lediglich eine präventive. Jedoch wird man dem europäischen Gesetz-
geber an dieser Stelle keine begriffsanalytischen Spitzfindigkeiten un-
terstellen dürfen. Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass Art. 25
Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 eine bereits erwähnte theo-
retische Schwierigkeit in realistischer Weise hinnimmt und verarbeitet:
Es ist praktisch in der Regel kaum möglich, zwischen der repressiven
und der präventiven Wirkung bzw. der repressiven und der präventiven
Zielsetzung einer Maßnahme zu unterscheiden, wobei anerkannt bleibt,
dass die beiden Funktionen analytisch zu trennen sind, was der Ge-
573
Hervorhebung hinzugefügt. Übersetzung d. Verf.: „sollen so beschaffen
sein […], dass sie der Schwere des Verstoßes angemessene Folgen der Art zeiti-
gen, von weiteren Verstößen derselben Art wirksam abzuhalten“ oder „ange-
messene Folgen zeitigen und auf diese Weise von weiteren Verstößen derselben
Art wirksam abhalten“. Gleichermaßen lautet die Übersetzung der englischen
Sprachfassung mit dem Partizip Präsens Aktiv „discouraging“.
168 4. Kapitel
richtshof mit seinem Urteil aus dem Jahr 2002 im Ergebnis auch akzep-
tiert.574
Damit bietet Art. 25 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 ein
ausgezeichnetes Beispiel für die praktischen Schwierigkeiten, klar zwi-
schen repressiven und präventiven Maßnahmen zu unterscheiden.575
Die Herstellung eines finalen Zusammenhangs zwischen der abschre-
ckenden Wirkung und der Angemessenheit einer Reaktion auf die
Schwere eines Normverstoßes in den Kontroll- und Sanktionsnormen
des Fischereirechts hat nicht zur Folge, dass die Sanktionen eine repres-
sive Wirkung nur entfalten dürften, wenn sie zugleich präventiv wirken.
Es ist davon auszugehen, dass der Sanktionsbegriff der Kontroll- und
Sanktionsvorschriften im Fischereisektor präventive wie auch repressi-
ve Maßnahmen erfasst. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Kom-
mission/Frankreich aus dem Jahr 2002 trägt diesem Schluss Rechnung
und könnte mit demselben Inhalt zu Art. 25 Abs. 2 der Verordnung
(EG) Nr. 2371/2002 ergehen.
Es bleibt jedoch weiterhin fraglich, ob auch restitutive Maßnahmen von
diesem Sanktionsbegriff erfasst sind. Hier wird nun der erstgenannte
bedeutendere Unterschied zwischen den beiden Vorschriften relevant,
nämlich die Frage, ob Restitution und Repression/Prävention in einem
Alternativverhältnis stehen, also nicht zwingend nebeneinander eintre-
ten müssen (so Art. 31 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93),
oder ob sie vielmehr kumulativ vorliegen müssen (so Art. 25 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 2371/2002). In Bezug auf Art. 31 Abs. 2 der älte-
ren Verordnung ist in diesem Zusammenhang auch vertreten worden, er
würde „reparatory penalties“ vorsehen.576 Die Abschreckungswirkung
solle sogar nur ein „ancillary objective“ darstellen.577
Es lässt sich jedenfalls feststellen, dass sich sowohl Art. 25 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 als auch Art. 31 Abs. 2 der
Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 auf die nach ihrem jeweiligen Absatz 1
eingeleiteten Verfahren beziehen. Dort wiederum ist die Rede von ge-
eigneten „Maßnahmen einschließlich der im nationalen Recht vorgese-
henen Verwaltungs- und Strafverfahren“. Man kann daran anschließend
574
EuGH, verb. Rs. C-418/00 und C-419/00, Kommission/Frankreich,
Slg. 2002, S. I-3969.
575
Zu den theoretischen Grundlagen oben, unter 1. Kapitel B.II.2.
576
Berg, Implementing European Fisheries Law, S. 89, die die Frage jedoch
letztlich offen lässt.
577
Long/Curran, Enforcing the Common Fisheries Policy, S. 205.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 169
578
Dazu oben, unter 1. Kapitel B.II.2.
170 4. Kapitel
Es sind also Maßnahmen, die auf nachteilige Weise das Vermögen des-
jenigen belasten, der gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Das
gilt auch für die Entziehung verbotener Fanggeräte in Art. 25 Abs. 3
lit. b) der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002, womöglich jedoch weniger
für die ebenda zu findende Einziehung von Fängen. Wenn sie sich näm-
lich lediglich auf die Einziehung der Fänge bezöge, die entgegen den
Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 getätigt wurden,
würde die Einziehung nur einen rechtswidrig erlangten Vorteil entzie-
hen. Genau dafür spricht die Lektüre der französischen Fassung des
Art. 25 Abs. 3 lit. b): Hier ist die Rede von „la saisie des engins et cap-
tures prohibés“; das „prohibés“ bezieht sich demnach sowohl auf die
Geräte als auch auf die Fänge. Es ist davon auszugehen, dass sich auch
in der deutschen Fassung das Wort „verbotenen“ auf die Fänge bezieht.
Demnach dürfen nur die Fänge eingezogen werden, die unter Verstoß
gegen die Fischereivorschriften erfischt wurden. Das ist die Abschöp-
fung eines aus dem rechtswidrigen Verhalten folgenden Vorteils. Eine
echte Restitution wäre dabei allerdings nicht möglich, da der Schaden
für die Erhaltung der Fischressourcen durch die rechtswidrige Befi-
schung bereits entstanden ist und nicht mehr rückgängig gemacht wer-
den könnte. Somit ist fraglich, ob die Einziehung der Fänge als eine
restitutive Maßnahme anzusehen ist. Das hätte zur Folge, dass zumin-
dest auch die restitutiven Maßnahmen, die den unrechtmäßigen Gewinn
abschöpfen, unter den Sanktionsbegriff der Verordnung (EG) Nr.
2371/2002 fielen.
Man könnte mit guten Gründen vertreten, dass eine Restitution nicht
angenommen werden kann, wenn eine tatsächliche Wiederherstellung
des Zustands, wie er vor der rechtswidrigen Handlung bestanden hatte,
nicht mehr möglich ist. Genau das ist bei der rechtswidrigen Befischung
der Fall. Der den Fischbeständen entstandene Schaden kann durch den
Entzug von Fängen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Neben
den direkten Verlust im Fischbestand tritt durch die Entziehung der
betreffenden Menge Fisch der indirekte Verlust durch den Entzug der
reproduzierenden Ressource. Damit wird langfristig der Fischbestand
geschädigt. Eine echte Restitution wäre demnach nur durch Hinzufü-
gung neuer Fische zum jeweiligen Bestand möglich.
Mit einer Beschränkung der restitutiven Wirkung einer Maßnahme auf
die Wiederherstellung des vorhergehenden Zustands wird man der Wir-
kung des Entzugs eines rechtswidrig erlangten Vorteils jedoch nicht ge-
recht. Typisches Beispiel für eine restitutive Maßnahme ist die Rück-
forderung einer Beihilfe. Hier wird der ursprünglich rechtmäßige Zu-
stand dadurch wieder hergestellt, dass der finanzielle Vorteil beim Bei-
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 171
579
Siehe Fn. 477.
172 4. Kapitel
580
Dazu oben, unter 4. Kapitel B.II.1.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 173
581
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002
über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen
Gemeinschaften, ABl. 2002, L 248, S. 1; ersetzt die alte Haushaltsordnung vom
21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemein-
schaften, ABl. 1977, L 356, S. 1.
582
„bøder, tvangsbøder og sanktioner“.
583
„ammende, penali e sanzioni”.
584
„boeten, dwangsommen en sancties“.
585
„multas, multas coercitivas y sanciones“.
586
„böter, avtalsviten och sanktioner skall“.
174 4. Kapitel
b) Sanktionen im Vergaberecht
Ein Beispiel hierfür bieten die Sanktionen im Vergaberecht. Art. 96 der
Haushaltsordnung sieht vor, dass im Rahmen der öffentlichen Auf-
tragsvergabe „verwaltungsrechtliche oder finanzielle Sanktionen“ gegen
Bewerber oder Bieter verhängt werden können, die bestimmte Voraus-
setzungen bei der Auftragsvergabe nicht erfüllen. Nach Art. 96 Abs. 2
lit. a) der Haushaltsordnung kann ein Bieter für einen Zeitraum von bis
zu zehn Jahren589 von Aufträgen und Finanzhilfen aus dem Haushalt
ausgeschlossen werden. Das ist eine der möglichen „verwaltungsrechtli-
chen Sanktionen“, da nach Art. 96 Abs. 2 lit. b) der Haushaltsordnung
einem Bieter eine ihrer Qualität nach nicht näher bestimmte „finanzielle
Sanktion“ bis zur Höhe des Auftragswerts auferlegt werden kann,
wenn er im Rahmen eines anderen Auftrags eine schwere Vertragsver-
letzung durch Nichterfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen be-
gangen oder auf schwerwiegende Weise falsche Erklärungen im Rah-
men des Bewerbungsverfahrens abgegeben hat. Eine finanzielle Sankti-
on, die bis zur Höhe eines Auftragswerts verhängt werden kann, muss
das Auferlegen einer Zahlungspflicht für den betreffenden Bieter be-
587
Hervorhebungen jeweils hinzugefügt.
588
Dazu näher oben, unter 4. Kapitel B.I.1.
589
Der mögliche Zeitraum wurde von fünf auf zehn Jahre erhöht durch die
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1995/2006 des Rates vom 13. Dezember 2006
zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 über die Haus-
haltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften,
ABl. 2006, L 390, S. 1.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 175
590
EuG, Rs. T-201/04, Microsoft/Kommission, Slg. 2007, S. II-3601; bezüg-
lich Entscheidung 2007/53/EG der Kommission vom 24. Mai 2004 in einem
Verfahren gemäß Artikel 82 EG-Vertrag und Artikel 54 EWR-Abkommen ge-
gen die Microsoft Corporation in der Sache COMP/C-3/37.792 – Microsoft
(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2004) 900), ABl. 2007, L 32, S. 23.
591
Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur
Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wett-
bewerbsregeln, ABl. 2003, L 1, S. 1.
176 4. Kapitel
592
Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004, L 24, S. 1, „EG-
Fusionskontrollverordnung“.
593
Verordnung (EWG) Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durch-
führungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrags, „Kartellverord-
nung“, ABl. 13 vom 21.2.1962, S. 204.
594
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über
die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 1989, L 395, S. 1.
595
Oben, unter 4. Kapitel B.I.
596
Bsp.: französisch „sanctions“, italienisch: „sanzioni“, niederländisch:
„sancties“; jedoch englisch: „penalties“.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 177
597
Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968 über die
Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen-
und Binnenschiffsverkehrs, ABl. 1968, L 175, S. 1. Die Verordnung blieb im
Übrigen gültig.
598
Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über
die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den
Seeverkehr, ABl. 1986, L 378, S. 4. Anders als Verordnung (EWG) Nr. 1017/68
ist die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 durch die Verordnung (EG)
Nr. 1419/2006 des Rates vom 25. September 2006 zur Aufhebung der Verord-
nung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85
und 86 des Vertrags auf den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungs-
bereichs der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationale
Trampdienste (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. 2006, L 269, S. 1, nun-
mehr vollständig aufgehoben.
599
Näher hierzu oben, unter 4. Kapitel B.I.
178 4. Kapitel
600
Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates vom 14. Dezember 1987 über
die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunter-
nehmen, ABl. 1987, L 374, S. 1; aufgehoben durch Verordnung (EG)
Nr. 411/2004 des Rates vom 26. Februar 2004 zur Aufhebung der Verordnung
(EWG) Nr. 3975/87 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87
sowie der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 hinsichtlich des Luftverkehrs zwischen
der Gemeinschaft und Drittländern, ABl. 2004, L 68, S. 1.
601
Siehe Fn. 600.
602
Hierzu näher oben, unter 4. Kapitel B.II.1.
603
Ausführlich oben, unter 4. Kapitel B.II.1.
604
Dazu oben, unter 4. Kapitel B.II.3.a).
605
Siehe Fn. 581.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 179
606
Scholz/ Haus, EuZW 2002, S. 682 (683).
607
EuGH, verb. Rs. 100 bis 103/80, Musique Diffusion Française (Pio-
neer)/Kommission, Slg. 1983, S. 1825, Rn. 105.
608
EuGH, verb. Rs. 100 bis 103/80, Musique Diffusion Française (Pio-
neer)/Kommission, Slg. 1983, S. 1825, Rn. 108.
609
Nr. 31 der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen
gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003,
ABl. 2006, C 210, S. 2; vormals Nr. 2, 5. Spiegelstrich (erschwerende Umstände)
der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Ar-
tikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5
EGKS-Vertrag festgesetzt werden, ABl. 1998, C 9, S. 3.
610
Näher Scholz/ Haus, EuZW 2002, S. 682 (683 f.).
180 4. Kapitel
611
Hervorhebung hinzugefügt.
612
Für ein solches Verständnis Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Si-
cherheit und des Rechts, S. 9 (10).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 181
613
Verordnung (EWG) Nr. 11 des Rates vom 27. Juni 1960 über die Beseiti-
gung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungs-
bedingungen gemäß Artikel 79 Absatz (3) des Vertrages zur Gründung der Eu-
ropäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 52 vom 16.8.1960, S. 1121.
614
Nunmehr 500 Euro. Siehe zur Europäischen Rechnungseinheit (ERE)
zunächst Art. 5 Abs. 1 der Satzung des Europäischen Fonds für währungspoli-
tische Zusammenarbeit, Anhang zur Verordnung (EWG) Nr. 907/73 des Rates
vom 3. April 1973 zur Errichtung eines Europäischen Fonds für währungspoli-
tische Zusammenarbeit, ABl. 1973, L 89, S. 2, der den Wert einer Rechnungs-
einheit auf eine bestimmte Masse Feingolds festlegte. Der Beschluss
75/250/EWG des Rates vom 21. April 1975 über die Definition und Umrech-
nung der Europäischen Rechnungseinheit, in der die in Artikel 42 des AKP-
EWG-Abkommens von Lomé genannten Beträge der Hilfe ausgedrückt sind,
ABl. 1975, L 104, S. 35, legte die ERE in der Form eines flexiblen Währungs-
korbes der nationalen Währungen fest. Dem folgte die allgemeine Anwendung
dieses Grundsatzes nach Art. 10 Abs. 1 der Haushaltsordnung vom 21. Dezem-
ber 1977. Durch Verordnung (EWG) Nr. 3180/78 des Rates vom 18. Dezember
1978 zur Änderung des Wertes der vom Europäischen Fonds für währungspoli-
tische Zusammenarbeit verwendeten Rechnungseinheit, ABl. 1978, L 379, S. 1,
übernahm diese Funktion die Europäische Währungseinheit ECU, welche wie-
derum durch Art. 118 EG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 3320/94 des Rates
vom 22. Dezember 1994 zur Kodifizierung der geltenden Rechtsvorschriften
der Gemeinschaft zur Definition der ECU nach Inkrafttreten des Vertrages
über die Europäische Union, ABl. 1994, L 350, S. 27, auf feste Wechselkursbe-
träge fixiert wurde. Die ECU wurde dann eins zu eins durch den Euro ersetzt,
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997
über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro,
ABl. 1997, L 162, S. 1. Dementsprechend wird der Haushaltsplan nun nach
Art. 277 EG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 der Verordnung (EG, Euratom)
Nr. 1605/2002, der neuen Haushaltsordnung, in Euro aufgestellt. Näher Op-
permann, Europarecht, Rn. 992 ff.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 183
weiterhin bestehen bleibt, kann sie nach Art. 18 Abs. 2 der Verordnung
(EWG) Nr. 11 den verantwortlichen Verkehrsunternehmer mit einer
Sanktion bis zur Höhe von 10.000 Rechnungseinheiten belegen.
Die Maßnahmen sind in der Verordnung ausdrücklich als Sanktionen
bezeichnet. Unschwer zu erkennen ist ihre Natur als Geldbuße, da dem
verantwortlichen Verkehrsunternehmer als Folge einer Zuwiderhand-
lung gegen Vorschriften des europäischen Verkehrsrechts die Pflicht zur
Zahlung eines finanziellen Betrages auferlegt wird.615 Eine solche Zah-
lungsverpflichtung ist typisch für die Geldbuße. Unterstützt wird diese
Annahme auch durch Art. 19 der Verordnung (EWG) Nr. 11, wo be-
stimmt wird, dass die Sanktionen nicht strafrechtlicher Art sind. Damit
wird zugleich gesagt, dass ihre Qualifikation als Geldstrafe ausscheidet.
Der Verordnung (EWG) Nr. 11 liegt mithin ein sehr beschränkter Sank-
tionsbegriff zugrunde, nach welchem lediglich Geldbußen als Sanktio-
nen anzusehen wären. Dies wäre jedoch nur schwerlich mit Art. 16 der
Verordnung in Einklang zu bringen, nach welchem die Mitgliedstaaten
die geeigneten Sanktionsvorschriften für die Unternehmer erlassen sol-
len, welche sich den vorgesehenen Kontrollen durch die mitgliedstaatli-
chen Behörden entzogen haben sowie die erforderlichen Angaben nicht
oder unwahr erteilt haben. Zwar spricht die Wahl des Präteritums dafür,
dass mit diesen Maßnahmen rechtswidriges Verhalten „abgestraft“ wer-
den soll. Das hindert die Mitgliedstaaten jedoch nicht, andere Maßnah-
men als Geldbußen zur Erreichung der Ziele der Verordnung zu ergrei-
fen, die ebenso dafür geeignet sind.616
Es ist festzustellen, dass die Sanktion im europäischen Verkehrsrecht
nicht abschließend bestimmt ist. Geldbußen zählen jedenfalls dazu.
615
Pinay, Annuaire Français de Droit International 1960, S. 828 (851);
Krajewski, Geldbußen und Zwangsgelder im Recht der EG, S. 39.
616
Zu den anderen Voraussetzungen für die Maßnahmen, welche Mitglied-
staaten zur Durchsetzung des Unionsrechts zu ergreifen haben, siehe unten, un-
ter 4. Kapitel B.II.8.
184 4. Kapitel
617
Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über
die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbe-
werbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. 1974, L 319, S. 1.
618
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002, siehe Fn. 581.
619
Siehe oben, unter 4. Kapitel B.II.3.a).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 185
620
Hierzu ausführlich EuG, verb. Rs. T-22/02 und T-23/02, Sumitomo Che-
mical u.a./Kommission, Slg. 2005, S. II-4065, Rn. 42 ff.
186 4. Kapitel
auf einen Betrag macht nur einen Sinn, wenn es sich in jedem Fall um
eine finanzielle Sanktion handeln muss.621
Somit lässt sich schließen, dass trotz der Abweichungen im Wortlaut –
auch zwischen den einzelnen Sprachfassungen – Geldbußen und
Zwangsgelder nach der Verordnung über die Verjährungsregelungen in
diesen Bereichen als Sanktionen verstanden werden. Daneben erkennt
die Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 noch die Möglichkeit weiterer
Sanktionen an, die sie nicht näher bestimmt. Einziges Merkmal dieser
„anderen Sanktion“ ist dabei, dass es sich um finanzielle Sanktionen
handeln muss.
621
In diesem Sinne EuG, verb. Rs. T-22/02 und T-23/02, Sumitomo Chemi-
cal u.a./Kommission, Slg. 2005, S. II-4065, Rn. 60.
622
Rahmenbeschluss 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 über den
Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, ABl. 2003, L 29, S. 55.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 187
Kompetenz der Gemeinschaft nach Art. 175 EG.623 Mittlerweile hat der
EuGH seine Rechtsprechung im Urteil zum Rahmenbeschluss
2005/667/JI über die strafrechtliche Bekämpfung der Verschmutzung
durch Schiffe624 dahingehend ausdifferenziert, dass zwar eine Harmoni-
sierung strafrechtlicher Vorschriften auf die gemeinschaftsrechtliche
Ermächtigungsgrundlage gestützt werden kann. Dabei dürfen aber
nicht Art und Maß der strafrechtlichen Sanktion bestimmt werden.625
Die kompetenzielle Problematik verdeckt die für den vorliegenden Zu-
sammenhang interessante Bestimmung des Art. 7 des Rahmenbeschlus-
ses zum Schutz der Umwelt mit den Sanktionen gegen juristische Per-
sonen. Dieser lautete:
„Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, um si-
cherzustellen, dass gegen eine im Sinne des Artikels 6 verantwortli-
che juristische Person wirksame, angemessene und abschreckende
Sanktionen verhängt werden können, zu denen strafrechtliche oder
nichtstrafrechtliche Geldsanktionen gehören und andere Sanktionen
gehören können, beispielsweise:
a) Maßnahmen des Ausschlusses von öffentlichen Zuwendungen
und Hilfen;
b) Maßnahmen des vorübergehenden oder ständigen Verbots der
Ausübung einer Gewerbe- oder Handelstätigkeit;
c) richterliche Aufsicht;
d) richterlich angeordnete Auflösung;
e) Verpflichtung zum Ergreifen spezieller Maßnahmen, um die Fol-
gen der die strafrechtliche Verantwortlichkeit begründenden Hand-
lung zu beseitigen.“
Nach dem Rahmenbeschluss wurden zum einen die Maßnahmen des
Strafrechts als Sanktionen verstanden. Das ist ein naheliegendes, da evi-
dentes Verständnis. Mit dem Verweis auf bestimmte Betätigungsverbote
zeigt der Rahmenbeschluss zum anderen auch, welche Maßnahmen als
Sanktionen zu verstehen sind, die nicht dem Strafrecht im engeren Sin-
ne zugeordnet werden können. Da der Rahmenbeschluss aufgehoben
623
EuGH, Rs. C-176/03, Kommission/Rat, Slg. 2005, S. I-7879, Rn. 53; hier-
zu bereits Mansdörfer, Jura 2004, S. 297 (298).
624
Rahmenbeschluss 2005/667/JI des Rates vom 12. Juli 2005 zur Verstär-
kung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Verschmutzung durch
Schiffe, ABl. 2005, L 255, S. 164.
625
EuGH, Rs. C-440/05, Kommission/Rat, Slg. 2007, S. I-9097, Rn. 70.
188 4. Kapitel
626
So jedenfalls hoffend Heger, JZ 2006, S. 310 (311); Hefendehl, ZIS 2006,
S. 161 (166).
627
Aus der reichhaltigen Literatur siehe nur Zuleeg, VVDStRL 53 (1994),
S. 154 (158); Rengeling, VVDStRL 53 (1994), S. 202 (205); Kadelbach, Allge-
meines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 18 f. Zum besonderen
Fall der zwangsweisen Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts ausführlich
Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, S. 9 (13 ff.).
628
Beispiele aus jüngerer Zeit sind Art. 68 Verordnung (EG) Nr. 216/2008
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Festle-
gung gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer
Europäischen Agentur für Flugsicherheit, zur Aufhebung der Richtlinie
91/670/EWG des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 und der Richtli-
nie 2004/36/EG, ABl. 2008, L 79, S. 1; oder Art. 23 der Richtlinie 2008/48/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbrau-
cherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates,
ABl. 2008, L 133, S. 66.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 189
ist.629 In jüngerer Zeit erscheinen auch konkretere Hinweise auf die Art
der Sanktionen, wenn „Sanktionen, einschließlich verwaltungsrechtli-
cher und strafrechtlicher“ gefordert werden.630
Geleitet wird diese Praxis von dem in der Strategie der Kommission für
die Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum in Drittländern
geäußerten Schlüsselgedanken: „Ohne die Möglichkeit von Sanktionen
ist keine Regel wirklich durchsetzbar.“631 Das bezieht sich im konkre-
ten Zitat zwar auf die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigen-
tums in Drittstaaten über die dazu vorgesehenen Mechanismen der
Streitbeilegung vor allem im Rahmen der Welthandelsorganisation
WTO und dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der
Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). Das ändert jedoch nichts an
der grundlegenden Einschätzung der Kommission, dass Sanktionen zu
Rechtsdurchsetzung unerlässlich sind und demnach auch innerhalb der
Union als notwendig angesehen werden.
Es kann aber festgehalten werden, dass die typische Formulierung in
europäischen Rechtsakten, die Mitgliedstaaten müssten wirksame, ver-
hältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen, zwar zeigt, dass
die betreffende Maßnahme diese Qualifikationen haben muss. Der Be-
griff der Sanktion ist damit jedoch nicht bestimmt. Die Rechtsprechung
ist aufgerufen, die Einhaltung der Merkmale zu überprüfen und dabei
möglicherweise zur Begriffsklärung beizutragen. Das wird Gegenstand
späterer Ausführungen sein.632
629
Ausführlich dazu oben, unter 3. Kapitel A.II.1.
630
So beispielsweise Art. 13 Abs. 2 der umstrittenen Richtlinie 2006/24/EG
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vor-
ratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher
elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnet-
ze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie
2002/58/EG, ABl. 2006, L 105, S. 45. Gegen diese Richtlinie ist derzeit die Kla-
ge Irlands anhängig, Klage vom 6.7.2006, Rs. C-301/06, Irland/Rat und Parla-
ment, ABl. 2006, C 237, S. 5; vgl. hierzu GA Kokott vom 18.7.2007, in: Rs. C-
275/06, Promusicae, Slg. 2008, S. I-271, Rn. 82.
631
Kommission, Strategie für die Durchsetzung der Rechte an geistigem Ei-
gentum in Drittländern, ABl. 2005, C 129, S. 3 (9). Siehe die Art. 3 und 16 der
Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.
April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl. 2004,
L 157, S. 45, berichtigt durch ABl. 2004, L 195, S. 16; dazu Frey/Rudolph, ZUM
2004, S. 522.
632
Unten, unter 4. Kapitel C.III.
190 4. Kapitel
richte in Einklang gebracht werden kann. Dies ist Gegenstand der fol-
genden Ausführungen.
Auch in der Rechtsprechung von EuGH und EuG findet sich keine ex-
plizite Definition der Begriffe Sanktion, Zwang oder Strafe. Jedoch ist
es unter Umständen möglich, den Urteilen Hinweise zu entnehmen,
welches Verständnis der Begriffe die Gerichte ihren Urteilen unterle-
gen. Das bedeutet, dass die Rechtsprechung zu den einzelnen mögli-
chen Sanktionstypen des geschriebenen Rechts, wie sie im vorherge-
henden Abschnitt herausgearbeitet wurden, daraufhin untersucht wer-
den kann, ob sie Elemente einer Definition der Begriffe beinhaltet.
Dabei wird deutlich werden, dass die Gerichte – der Natur der Recht-
sprechungstätigkeit gemäß – die relevanten Begriffe nicht abstrakt be-
stimmen, sondern anlassbezogen diskutieren. Solche Anlässe sind in der
Regel – wiederum nicht überraschend – vor allem Fragen des Rechts-
schutzes. Das hat zur Folge, dass eine eventuell vorgenommene Be-
stimmung des Begriffs der Sanktion in den Urteilen anhand der spezifi-
schen Fragestellung vorgenommen wird, welche Maßstabsnormen bei
der Verhängung einer Sanktion anwendbar sein sollen und inwieweit
sich diese von den bei der Verhängung von reinen verwaltungsrechtli-
chen Maßnahmen anwendbaren Rechtsgrundsätzen unterscheiden. Erst
dann wird für die Rechtsprechung die Frage relevant, wie sich Sanktion
und bloße verwaltungsrechtliche Maßnahme unterscheiden.
Das bedeutet für die folgende Untersuchung, dass die Versuche der
Begriffsbestimmung aus den Hinweisen in der Rechtsprechung zu den
sanktionsrelevanten Tätigkeiten im Recht der Europäischen Union
zugleich ein Bild von den Rechtsgrundsätzen ergeben wird, die bei der
Verhängung von Sanktionen anwendbar sind. Damit schafft die Suche
nach einem Begriffsverständnis der europäischen Gerichte zugleich
grundlegende Voraussetzungen für die Bestimmung des rechtlichen
Rahmens, in welchem sich die Sanktionen im Europarecht bewegen.
Wie auch bei der Analyse des Sekundärrechts ist die Rechtsprechung
des EuGH zu den Sanktionen im Agrarrecht von besonderer Bedeu-
tung angesichts der Relevanz dieses Rechtsgebietes für die gesamte eu-
192 4. Kapitel
ropäische Integration seit Gründung der EWG.633 Hinzu tritt noch der
Umstand, dass der EuGH vor allem auf dem Gebiet des europäischen
Landwirtschaftsrechts die Möglichkeit hatte, seine umfangreiche Recht-
sprechung zu entwickeln.
Im Folgenden werden demnach vor allem Sanktionen aus dem Agrar-
recht Gegenstand der Untersuchung sein. Das betrifft mögliche Sankti-
onen gegen die Agrarmarktteilnehmer (I). Daneben wird die Rechtspre-
chung des Gerichtshofs zu den Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen
gegen Mitgliedstaaten nach Art. 228 Abs. 2 EG analysiert werden (II).
Schließlich werden Urteile der europäischen Gerichte zur Pflicht der
Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsrechtsverstöße zu sanktionieren, auf ei-
nen bestimmten Sanktionsbegriff hin untersucht werden (III).
633
Bast, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., i.E., Ab-
schnitt II.2.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 193
634
Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Fi-
nanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. 2005, L 209, S. 1. Diese Ver-
ordnung setzt den Vorschlag der Kommission für eine solche Änderung um,
siehe Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Finanzie-
rung der Gemeinsamen Agrarpolitik, 14. Juli 2004, KOM (2004) 489 endg.
635
Verordnung (EG) Nr. 1198/2006 des Rates vom 27. Juli 2006 über den
Europäischen Fischereifonds, ABl. 2006, L 223, S. 1.
636
Hierzu Schoof, Reform der EU-Strukturfonds von 1999, S. 64; Bleck-
mann, Europarecht, R. 2769 ff.
637
Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates vom 16. Mai 1994 zur Errich-
tung des Kohäsionsfonds, ABl. 1994, L 130, S. 1; wichtige Änderungen im
Rahmen der Strukturfondsreform 1999 durch Verordnung (EG) Nr. 1264/1999
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 195
des Rates vom 21. Juni 1999 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1164/94
zur Errichtung des Kohäsionsfonds, ABl. 1999, L 161, S. 57; sowie durch
Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 zur Änderung
von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 zur Errichtung des Kohäsi-
onsfonds, ABl. 1999, L 161, S. 62.
638
Zu den letzteren allgemein die Verordnung (EG) Nr. 1266/1999 des Rates
vom 21. Juni 1999 zur Koordinierung der Hilfe für die beitrittswilligen Länder
im Rahmen der Heranführungsstrategie und zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nr. 3906/89, ABl. 1999, L 161, S. 68.
639
Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über ein
strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt, ABl. 1999,
L 161, S. 73.
640
Oppermann, Europarecht, Rn. 977.
641
Verordnung (EG) Nr. 1268/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über eine
gemeinschaftliche Förderung für Maßnahmen in den Bereichen Landwirtschaft
und Entwicklung des ländlichen Raumes zur Vorbereitung des Beitritts der
Bewerberländer in Mittel- und Osteuropa während des Heranführungszeit-
raums, ABl. 1999, L 161, S. 87.
642
Verordnung (EWG) Nr. 3906/89 des Rates vom 18. Dezember 1989 über
Wirtschaftshilfe für die Republik Ungarn und die Volksrepublik Polen,
ABl. 1989, L 375, S. 11.
643
Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates vom 17. Juli 2006 zur Schaf-
fung eines Instruments für Heranführungshilfe (IPA), ABl. 2006, L 210, S. 82,
mit der Verordnung (EG) Nr. 718/2007 der Kommission vom 12. Juni 2007 zur
Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates zur Schaffung ei-
nes Instruments für Heranführungshilfe (IPA), ABl. 2007, L 170, S. 1.
196 4. Kapitel
644
Das Sechste Rahmenprogramm wurde geschaffen durch den Beschluss
Nr. 1513/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni
2002 über das Sechste Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im
Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als
Beitrag zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums und zur Inno-
vation (2002–2006), ABl. 2002, L 232, S. 1. Die allgemeinen Durchführungsre-
geln finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 2321/2002 des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über Regeln für die Beteiligung
von Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen an der Durchführung
des Sechsten Rahmenprogramms der Europäischen Gemeinschaft (2002–2006)
sowie für die Verbreitung der Forschungsergebnisse, ABl. 2002, L 355, S. 23.
645
Vgl. Art. 8 und 28 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom
21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, ABl.
1999, L 161, S. 1; bzw. nach deren Aufhebung Art. 9 und 53 der Verordnung
(EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen
über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen
Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG)
Nr. 1260/1999, ABl. 2006, L 210, S. 25. Zur Kofinanzierung vgl. Busse, in:
Schulze/Zuleeg, Europarecht, § 25, Rn. 74 f.
646
Vgl. beispielsweise Art. 54 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006
über EFRE, ESF und Kohäsionsfonds, wo beide Begriffe austauschbar verwen-
det werden.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 197
647
Verordnung (EWG) Nr. 355/77 des Rates vom 15. Februar 1977 über eine
gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermark-
tungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 1977, L 51, S. 1.
648
Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Auf-
gaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Inter-
ventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank
und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente, ABl. 1988, L 185, S. 9.
649
Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinie-
rung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwi-
198 4. Kapitel
die spezifisch den EAGFL betraf.650 Gemäß Art. 10 Abs. 2 der letztge-
nannten Verordnung wurde die Verordnung (EWG) Nr. 355/77 aufge-
hoben. Damit traten an deren Stelle die Vorschriften der neuen Verord-
nung über die Aufgaben der Strukturfonds und ihrer beiden Durchfüh-
rungsverordnungen.651 Die erste dieser Durchführungsverordnungen,
also die Verordnung (EWG) Nr. 4253/88, sah in Art. 24 Abs. 2 unter
der Überschrift „Kürzung, Aussetzung und Streichung der Beteili-
gung“ vor, dass die Kommission eine „finanzielle Beteiligung an der
betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen [konnte],
wenn durch die Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit“
vorlag oder eine erhebliche Veränderung der Durchführung des Vorha-
bens ohne Zustimmung der Kommission vorgenommen wurde.
Diese Konstellation liegt der Entscheidung des Gerichts erster Instanz
in der Rechtssache Conserve Italia zugrunde.652 Ein italienischer Zu-
sammenschluss landwirtschaftlicher Genossenschaften hatte einen Zu-
schuss nach der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 beantragt, mit dem ein
Vorhaben zur Entwicklung, Rationalisierung und technischen Moderni-
653
Zur gemeinsamen Ausübung von Zwang durch europäische und nationale
Institutionen näher Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts, S. 9.
654
Verordnung (EWG) Nr. 2515/85 der Kommission vom 23. Juli 1985 über
die Anträge auf Zuschüsse des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds
für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrichtung, für Vorhaben zur Verbesserung
der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Er-
zeugnisse und für Erzeugnisse der Fischerei, ABl. 1985, L 243, S. 1.
655
EuG, Rs. T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, S. II-3139,
Rn. 71.
200 4. Kapitel
bei der Kommission getätigt wurden. Das der Kommission hierbei für
Ausnahmefälle eingeräumte Ermessen könne das betreffende Unter-
nehmen ohne Vertrauensschutz nicht zu seinen Gunsten reduzieren. Im
vorliegenden Fall hätte Conserve Italia (bzw. ihre Rechtsvorgängerin)
die Kommission nicht über die vor Zugang des Antrags getätigten Ar-
beiten informiert und genieße demnach keinen Vertrauensschutz, der
die Ausnahme rechtfertige.
In der Übersendung der nicht originalgetreuen Kopie des Kaufvertrages
über die Verpackungsmaschine sah das Gericht erster Instanz eine „of-
fensichtliche und schwerwiegende Unregelmäßigkeit […], die, wenn
nicht vorsätzlich, so doch zumindest grob fahrlässig war“.656 Rechts-
grundlage für die Streichung der finanziellen Beteiligung als Reaktion
auf diese Unregelmäßigkeiten sei nicht nur Art. 19 Abs. 2 der Verord-
nung (EWG) Nr. 355/77,657 sondern auch Art. 24 Abs. 2 der Verord-
nung (EWG) Nr. 4253/88, obwohl dieser seinem Wortlaut nach die
Streichung eines Zuschusses nicht vorsehe, sondern nur die Kürzung
oder das Aussetzen. Angesichts der Überschrift zu Art. 24 („Kürzung,
Aussetzung und Streichung der Beteiligung“) müsse man jedoch diesen
Widerspruch zwischen Wortlaut und Überschrift einer Norm dadurch
auflösen, dass alle Worte einen Sinn ergäben. Diese Auslegungsregel
und der Umstand, dass mit Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EWG)
Nr. 355/77 eine weitere Vorschrift existiere, welche die völlige Einstel-
lung einer Beteiligung vorsehe, führten das Gericht erster Instanz zu
dem Schluss, dass Art. 24 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88
dahingehend ausgelegt werden müsste, dass er der Kommission im Falle
von Unregelmäßigkeiten erlaube, einen EAGFL-Zuschuss gänzlich zu
streichen.658
656
EuG, Rs. T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, S. II-3139,
Rn. 76.
657
Dagegen hat der Gerichtshof in seinem Rechtsmittelurteil entschieden,
dass Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 im vorliegenden Fall
keine geeignete Rechtsgrundlage für die Streichung des Zuschusses darstelle, da
er zum Zeitpunkt der Streichungsentscheidung durch die Kommission nicht
mehr in Kraft gewesen sei, EuGH, Rs. C-500/99 P, Conserve Italia/Kommis-
sion, Slg. 2002, S. I-867, Rn. 82 f.
658
EuG, Rs. T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, S. II-3139,
Rn. 92; dieser Punkt ist vom Gerichtshof ausdrücklich bestätigt worden:
EuGH, Rs. C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002, S. I-867,
Rn. 88.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 201
659
EuGH, Rs. C-104/94, Cereol Italia, Slg. 1995, S. I-2983, Rn. 24; vgl. ins-
besondere Rs. 122/78, Buitoni, Slg. 1979, S. 677, Rn. 19/20; Rs. 21/85, Maas,
Slg. 1986, S. 3537, Rn. 15; bestätigt auch in der Rechtsmittelentscheidung:
Rs. C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002, S. I-867, Rn. 100 ff.
660
Dieses Argument hat der Gerichtshof in seiner Rechtsmittelentscheidung
übernommen: EuGH, Rs. C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002,
S. I-867, Rn. 89, 101.
661
EuG, Rs. T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, S. II-3139,
Rn. 108. Zu diesem Verständnis des ne bis in idem-Grundsatzes als Aspekt der
Verhältnismäßigkeit siehe bereits EuGH, Rs. 14/68, Walt Wilhelm, Slg. 1969,
S. 1, Rn. 11; Bitter, in: Bodnar u.a., Emerging Constitutional Law, S. 15 (23).
662
Der Gerichtshof hat sich in seiner Rechtsmittelentscheidung zu der Frage,
ob und inwieweit die Streichung eines Zuschusses eine Sanktion darstellt, nicht
geäußert.
202 4. Kapitel
663
EuG, verb. Rs. T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94,
Industrias Pesqueras Campos u.a./Kommission, Slg. 1996, S. II-247, Rn. 163.
664
Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom 18. Dezember 1986 über
Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Strukturen im
Bereich der Fischerei und der Aquakultur, ABl. 1986, L 376, S. 7.
665
Verordnung (EWG) Nr. 2080/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur Durch-
führung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich des Finanzinstru-
ments für die Ausrichtung der Fischerei, ABl. 1993, L 193, S. 1; diese Verord-
nung wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1263/1999 des Rates vom 21. Juni
1999 über das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei, ABl. 1999,
L 161, S. 54, aufgehoben, welche wiederum durch die Verordnung (EG)
Nr. 1198/2006 des Rates vom 27. Juli 2006 über den Europäischen Fischerei-
fonds, ABl. 2006, L 223, S. 1, aufgehoben wurde.
666
Verordnung (EWG) Nr. 2081/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur Ände-
rung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 über Aufgaben und Effizienz der
Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander
sowie mit denen der Europäischen Investitionsbank und der anderen vorhan-
denen Finanzinstrumente, ABl. 1993, L 193, S. 5.
667
Wie die Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 über die Strukturfonds (siehe
dazu Fn. 651) wurde auch die Verordnung (EWG) Nr. 2080/93 über das FIAF
204 4. Kapitel
im Jahre 1999 durch die Verordnung (EG) Nr. 1263/1999 des Rates vom
21. Juni 1999 über das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei,
ABl. 1999, L 161, S. 54, aufgehoben. Seitdem stand das FIAF im Rahmen der
allgemeinen Regeln über die Strukturfonds nach der Verordnung (EG)
Nr. 1260/1999. Nach deren Aufhebung ist mit der Verordnung (EG)
Nr. 1198/2006 des Rates vom 27. Juli 2006 über den Europäischen Fischerei-
fonds, ABl. 2006, L 223, S. 1, ein Europäischer Fischereifonds (EFF) an die Stel-
le des FIAF getreten. Ausführlich zur Strukturfondsrevision von 1993: Tau-
sendpfund, Europäische Regionalpolitik im kooperativen Bundesstaat,
S. 155 ff.; Schoof, Reform der EU-Strukturfonds von 1999, S. 61 ff.
668
EuG, verb. Rs. T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94,
Industrias Pesqueras Campos u.a./Kommission, Slg. 1996, S. II-247, Rn. 159.
669
EuG, verb. Rs. T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94,
Industrias Pesqueras Campos u.a./Kommission, Slg. 1996, S. II-247, Rn. 163.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 205
670
EuG, verb. Rs. T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94,
Industrias Pesqueras Campos u.a./Kommission, Slg. 1996, S. II-247, Rn. 158.
671
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865.
672
In der Fassung nach Änderung durch die Verordnung (EWG)
Nr. 3944/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nr. 4028/86 über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und
Anpassung der Strukturen im Bereich der Fischerei und der Aquakultur,
ABl. 1990, L 380, S. 1.
206 4. Kapitel
673
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 52; im An-
schluss an Rs. T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, S. II-3139,
Rn. 71; sowie EuGH, Rs. C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002,
S. I-867, Rn. 100.
674
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 79.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 207
675
EuGH, Rs. C-226/03 P, Peix/Kommission, Slg. 2004, S. I-11421, Rn. 25 ff.
676
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 126.
208 4. Kapitel
guments, dass etwas anderes als die vollständige Streichung einem An-
reiz zum Betrug gleichkäme, verwundert die Entscheidung der Kom-
mission. Anscheinend war auch das Gericht erster Instanz nicht gänz-
lich überzeugt, worauf seine Erwägungen im Rahmen der Verhältnis-
mäßigkeit der Kürzung schließen lassen. Das Gericht weist dort darauf
hin, dass „nur durch die Befugnis, eine Unregelmäßigkeit nicht nur mit
der Kürzung des Zuschusses in Höhe des dieser Unregelmäßigkeit ent-
sprechenden Betrages, sondern mit der vollständigen Streichung des
Zuschusses zu ahnden, die für die ordnungsgemäße Verwaltung der
Mittel des betroffenen Strukturfonds erforderliche abschreckende Wir-
kung erzielt werden“ könne.677 Hieraus folgt für das Gericht im Sinne
eines Erst-Recht-Schlusses, dass die proratarische Kürzung verhältnis-
mäßig war. Diese Erwägungen sind für sich genommen auch überzeu-
gend, erklären die zurückhaltende Entscheidung der Kommission je-
doch nicht.
Eine solche Erklärung lässt sich womöglich in den zeitlichen Abständen
finden, die zwischen Antragstellung, Beihilfegewährung und Rückfor-
derung liegen. Unter Umständen fühlte sich die Kommission in ihrem
Auswahlermessen bezüglich der Frage, ob sie den gewährten Zuschuss
streichen oder nur kürzen wollte, im Fall Peix dadurch beschränkt, dass
hier zwischen der Gewährungs- und der Rückforderungsentscheidung
ein zu großer zeitlicher Abstand lag, der einen gewissen Vertrauens-
schutz beim Empfänger begründete. Aus diesem berechtigten Vertrauen
könnte eine Pflicht der Kommission folgen, von der vollständigen
Streichung trotz der Unregelmäßigkeiten Abstand zu nehmen zuguns-
ten einer bloßen Kürzung.
Die Klägerin im Fall Peix hatte den Gemeinschaftszuschuss durch Ver-
mittlung Spaniens im Oktober 1991 beantragt, den die Kommission im
Dezember 1991 bewilligte. Im Mai 1993 stellte die Klägerin den Antrag
auf Auszahlung der ersten Rate, dem die Kommission einen Monat spä-
ter folgte. Im Mai 1994 beantragte die Klägerin die Zahlung des Restbe-
trages bei den spanischen Behörden. Dieser Antrag ging bei der Kom-
mission im September 1994 ein, die den Restbetrag noch im selben Mo-
nat auszahlte. Nach Schwierigkeiten mit der Erstellung der erforderli-
chen Tätigkeitsberichte durch die Klägerin, erging die fragliche Kür-
zungsentscheidung im Juli 1999, also etwas mehr als sechs Jahre nach
Auszahlung der ersten Rate oder fast acht Jahre nach Antragstellung.
677
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 132.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 209
678
Die gleichen Zeitabstände lagen im Fall Industrias Pesqueras Campos vor.
679
Zu den folgenden Ausführungen vgl. die betreffenden Randnummern des
Urteils, EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 12, 28 ff.
210 4. Kapitel
680
Auch das EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865,
Rn. 121, unterscheidet zwischen der Streichung des Zuschusses bezüglich des
untergegangenen Schiffs und der Kürzung des Zuschusses hinsichtlich der bei-
den anderen Schiffe.
681
Die angefochtene Rückforderungsentscheidung des Kommission erging
am 8. Juni 2001, also nach Einführung des Euro.
682
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 126.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 211
683
EuG, Rs. T-125/01, Peix/Kommission, Slg. 2003, S. II-865, Rn. 132.
212 4. Kapitel
2. InVeKoS und die Kürzung oder Streichung einer Beihilfe als Sanktion
Der vollständige oder teilweise Verlust einer Beihilfe kann nach dem zu
den Gemeinschaftszuschüssen Festgestellten als Sanktion angesehen
werden. Im Folgenden soll das weiter untersucht werden anhand der
Beihilfen, für die das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem für
bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen gilt.
684
Oben, unter 4. Kapitel B.II.2.b).
685
Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur
Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte
gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992, L 355, S. 1.
686
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember
1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und
Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992,
L 391, S. 36.
687
Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember
2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung (EWG)
Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwaltungs- und Kontrollsys-
tem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 2001, L 327,
S. 11.
688
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit
gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Ag-
rarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaft-
licher Betriebe, ABl. 2003, L 270, S. 1. Dazu näher oben, unter 4. Kapitel
B.II.2.c).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 213
noch auf der Grundlage der alten Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 er-
lassene neuere Durchführungsverordnung (EG) Nr. 2419/2001 weiter-
hin gültig. Mittlerweile wurde die Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 al-
lerdings gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 durch die
Verordnung (EG) Nr. 796/2004 aufgehoben und ersetzt.689 Das ist der
normative Rahmen, innerhalb dessen sich die Rechtsprechung der eu-
ropäischen Gerichte zu den Sanktionen im integrierten Verwaltungs-
und Kontrollsystem für die Beihilferegelungen im gemeinschaftlichen
Agrarrecht bewegt.
689
Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit
Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen,
zur Modulation und zum Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem nach
der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Di-
rektzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten
Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. 2004,
L 141, S. 18; diverse Änderungen, die jüngste durch Verordnung (EG)
Nr. 145/2008 der Kommission vom 19. Februar 2008 zur Änderung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 796/2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Einhaltung
anderweitiger Verpflichtungen, zur Modulation und zum Integrierten Verwal-
tungs- und Kontrollsystem nach der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates
mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen
Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirt-
schaftlicher Betriebe, ABl. 2008, L 44, S. 9.
690
EuGH, Rs. C-354/95, National Farmers’ Union, Slg. 1997, S. I-4559.
214 4. Kapitel
691
Verordnung (EG) Nr. 1648/95 der Kommission vom 6. Juli 1995 zur Än-
derung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen
zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemein-
schaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1995, L 156, S. 27.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 215
Nr. 2988/95 dar.692 Die vor dessen Inkrafttreten erlassene Änderung der
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 durch die Verordnung (EG)
Nr. 1648/95 könne demnach auch selbst rückwirkend gelten. Die mil-
dere Sanktionsregelung der letztgenannten Verordnung sei also auch im
vorliegenden Fall anwendbar, sodass die Berechnung der beihilfefähigen
Höchstfläche auf der Grundlage der tatsächlich ermittelten Fläche er-
folgen müsse.693 Mit diesen Erwägungen hat der EuGH für die hier in-
teressierende Frage lediglich die Sanktionsqualität der Versagung einer
Beihilfe anerkannt, wie sie bereits in Art. 11 der Verordnung (EWG)
Nr. 3887/92 (bzw. später noch deutlicher in Art. 11a der Verordnung in
der Fassung der späteren Verordnung (EG) Nr. 1678/98, siehe oben)
zum Ausdruck kommt.694 Darüber hinaus gehend ist die begriffliche
Zuordnung dieser Maßnahme zu den „verwaltungsrechtlichen Sanktio-
nen“ der Sanktionsverordnung Nr. 2988/95 jedoch bedeutsam, da sie
die Bereitschaft des Gerichtshofs zeigt, die letztgenannte Verordnung
als maßstabsbildend für die Sanktionierung gemeinschaftsrechtswidri-
gen Verhaltens beim Schutz der finanziellen Interessen der Union zu
verwenden. Damit ist implizit anerkannt, dass die Sanktionsverordnung
nicht nur den rechtlichen Rahmen für eine solche sanktionierende Tä-
tigkeit hergibt, sondern auch darüber hinaus begriffsprägend ist. Um als
Sanktion angesehen zu werden, muss sich eine Maßnahme von den blo-
ßen „verwaltungsrechtlichen Maßnahmen“ unterscheiden und die zu-
sätzlichen Qualitäten der verwaltungsrechtlichen Sanktion im Sinne der
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 erfüllen. Wenn das der Fall ist,
liegt eine Sanktion vor. Dies führt dann zu der Anwendbarkeit der
rechtlichen Garantien, welche bei der Verhängung von Sanktionen gel-
ten,695 wie im vorliegenden Fall die rückwirkende Anwendbarkeit der
milderen Sanktionsvorschrift.696
Auch die Ausführungen des Gerichtshofes zur Verhältnismäßigkeit des
pauschalen Verlusts des Beihilfeanspruchs für Futterflächen trotz Gut-
692
EuGH, Rs. C-354/95, National Farmers’ Union, Slg. 1997, S. I-4559,
Rn. 40.
693
EuGH, Rs. C-354/95, National Farmers’ Union, Slg. 1997, S. I-4559,
Rn. 39 ff.
694
Hierzu ausführlich oben, unter 4. Kapitel B.II.2.b).
695
Zu dieser Konstruktion der rechtsschutzeröffnenden Funktion der Quali-
fikation einer Maßnahme als Sanktion, oben ausführlich, unter 2. Kapitel A.
696
Zu diesem Grundsatz ausführlich EuGH, verb. Rs. C-387/02, C-391/02
und C-403/02, Berlusconi u.a., Slg. 2005, S. I-3565, Rn. 66 ff.
216 4. Kapitel
697
Dazu oben, unter 4. Kapitel C.I.1.
698
EuGH, Rs. C-354/95, National Farmers’ Union, Slg. 1997, S. I-4559,
Rn. 50 ff.
699
EuGH, Rs. C-354/95, National Farmers’ Union, Slg. 1997, S. I-4559,
Rn. 54.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 217
700
EuGH, Rs. C-63/00, Schilling und Nehring, Slg. 2002, S. I-4483,
Rn. 38 ff., in Bezug auf Sanktionen bei Tierbeihilfen nach Art. 10 der Verord-
nung (EWG) Nr. 3887/92. Siehe dazu auch das Folgeurteil des BVerwG,
Urt. vom 24.2.2005, 3 C 26.04, RdL 2005, S. 188.
701
EuGH, Rs. C-369/98, Fisher and Fisher, Slg. 2000, S. I-6751, Rn. 43 ff.
218 4. Kapitel
702
EuGH, Rs. C-304/00, Strawson and Gagg, Slg. 2002, S. I-10737, Rn. 59 ff.
703
EuGH, Rs. C-304/00, Strawson and Gagg, Slg. 2002, S. I-10737, Rn. 56.
704
Vgl. den Titel des Beitrags von P. Tiedemann, NJW 1983, S. 2727.
705
Kautionen fanden sich ursprünglich auf dem Gebiet des Stahlmarkts und
nunmehr neben dem Agrarrecht auch im Zoll- oder Verkehrsrecht, Kadelbach,
Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 341.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 219
„eine Leistung, die Gewähr dafür bietet, daß im Falle der Nichterfül-
lung einer bestimmten Verpflichtung ein Geldbetrag an eine zuständige
Stelle gezahlt oder von dieser einbehalten wird“.706
Dabei ist zwischen zwei Arten von Kautionsregelungen zu unterschei-
den: Zum einen gibt es die Restitutionskaution, die (lediglich) einen Er-
stattungsanspruch der Verwaltung sichert.707 Zum anderen gibt es Si-
cherheiten, die unabhängig von einem eventuellen Rückgewähran-
spruch der Verwaltung verfallen, wenn bestimmte Verhaltenspflichten
verletzt wurden. Entsprechend kann man zwischen Erstattungs- und
Wohlverhaltenssicherheiten unterscheiden.708
Inwieweit der Verfall solcher Kautionen als Sanktion anzusehen ist, ist
in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet worden.
Vom hier verfolgten Ansatz ausgehend, werden die einschlägigen Urtei-
le des EuGH in den Blick genommen, die sich mit den Sicherheiten be-
schäftigen. Dabei ging es vor allem um solche, die Ein- und Ausfuhrli-
zenzen und die damit einhergehenden Ausfuhr- und Lieferpflichten be-
trafen. Daneben gibt es auch Urteile zu Kautionen, die bestimmte Bei-
hilfeprogramme, beispielsweise Lagerungsbeihilfen, absichern.
706
Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 der Kommission vom 22. Juli 1985 mit
gemeinsamen Durchführungsbestimmungen zur Regelung der Sicherheiten für
landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 1985, L 205, S. 5; zuletzt geändert durch
Verordnung (EG) Nr. 1713/2006 der Kommission vom 20. November 2006 zur
Aufhebung der Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftli-
che Erzeugnisse, ABl. 2006, L 321, S. 11.
707
Jäger, Kautionen im Agrarrecht der EWG, S. 50 ff.; P. Tiedemann, NJW
1983, S. 2727 (2728).
708
Böse, Strafen und Sanktionen, S. 307 ff., 310 ff.
709
Verordnung (EWG) Nr. 120/67 des Rates vom 13. Juni 1967 über die ge-
meinsame Marktorganisation für Getreide, ABl. 117 vom 19.6.1967, S. 2269;
mittlerweile aufgehoben.
220 4. Kapitel
710
Verordnung (EWG) Nr. 473/67 der Kommission vom 21. August 1967
über die Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen für Getreide und Getreideverarbei-
tungserzeugnisse, Reis, Bruchreis und Reisverarbeitungserzeugnisse, ABl. 204
vom 24.8.1967, S. 16; mittlerweile aufgehoben.
711
EuGH, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125,
Rn. 6 f.
712
EuGH, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125,
Rn. 9 ff.
713
EuGH, Rs. 11/70, Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125,
Rn. 18; französisch: „sanction pénale“, englisch: „penal sanction“. Ebenso das
Urteil vom selben Tage EuGH, Rs. 25/70, Köster, Slg. 1970, S. 1161, Rn. 34.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 221
sich das am Beispiel des § 266 StGB, wo mit dem Untreuetatbestand ei-
ne freiwillig übernommene Verpflichtung strafrechtlich bewehrt wird.
Normlogisch folgt aus der Aussage „freiwillig übernommene Verpflich-
tung“ nicht zwingend, dass ihre Verletzung strafrechtlich nicht von Be-
deutung sein kann. Der Gerichtshof hat jedoch trotz Kritik an dieser
Argumentation714 an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung festgehal-
ten.715
Dass die Argumentation des Gerichtshofs an dieser Stelle nicht über-
zeugt, kann jedoch nichts an der Bedeutung seiner Ausführungen zur
Frage des Begriffs der Sanktion ändern. Die wegen der aufgeworfenen
Frage der Kompetenz gebotenen Erwägungen in seinem Urteil sollten
aber nicht dahingehend fehlgedeutet werden, dass es sich beim Kauti-
onsverfall in den Augen des EuGH nicht um eine Sanktion handle. In
einem späteren Urteil bezeichnete der Gerichtshof den Verfall der Ein-
fuhr- und Ausfuhrlizenzen sichernden Kaution nach Art. 3 der
Verordnung (EWG) Nr. 499/76716 ausdrücklich als Sanktion.717 Da der
vollständige Verfall bereits bei Überschreiten einer Frist zur Vorlage be-
stimmter Nachweise eintreten sollte, erklärte der Gerichtshof die Rege-
lung für unverhältnismäßig und damit ungültig.
Ebenso entschied der Gerichtshof hinsichtlich des Verfalls einer Kauti-
on, die eine Lagerungsbeihilfe für Schweinefleisch absichern sollte. Der
gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1889/76718 vorgesehe-
ne Verfall sei eine Sanktion, die unverhältnismäßig sei, da er unabhängig
vom Ausmaß des Vertragsverstoßes oder seiner Schwere vorgesehen
sei.719
In seinem späteren Urteil in der Rechtssache Könecke zum selben The-
menkomplex nutzte der EuGH die Gelegenheit, seine Rechtsprechung
714
Kadelbach, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchset-
zung des Gemeinschaftsrechts, S. 81 (86), Fn. 45.
715
Beispielsweise in EuGH, Rs. 137/85, Maizena, Slg. 1987, S. 4587, Rn. 10.
716
Verordnung (EWG) Nr. 499/76 der Kommission vom 5. März 1976 zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 193/75 über gemeinsame Durchfüh-
rungsvorschriften für Einfuhr- und Ausfuhrlizenzen sowie Vorausfestsetzungs-
bescheinigungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 1976, L 59, S. 18.
717
EuGH, Rs. 122/78, Buitoni, Slg. 1979, S. 677, Rn. 16/18.
718
Verordnung (EWG) Nr. 1889/76 der Kommission vom 29. Juli 1976 über
Durchführungsbestimmungen für die Gewährung von Beihilfen für die private
Lagerhaltung auf dem Sektor Schweinefleisch, ABl. 1976, L 206, S. 82.
719
EuGH, Rs. 240/78, Atalanta Amsterdam, Slg. 1979, S. 2137, Rn. 15.
222 4. Kapitel
zur Frage der Qualifikation der Sanktion als strafrechtlich oder nicht-
strafrechtlich zu präzisieren. Im Fall ging es um Lagerungsbeihilfen für
Rindfleisch. Die zu stellende Kaution verfiel nach Art. 4 Abs. 3 der
Verordnung (EWG) Nr. 1071/68,720 wenn der Beihilfeempfänger die
Pflichten aus dem Lagerungsvertrag nicht einhielt. Wie schon im Fall
Internationale Handelsgesellschaft legte das Frankfurter Verwaltungs-
gericht erneut die Frage vor, ob ein solcher Verfall mangels Ermächti-
gungsgrundlage in einem Gemeinschaftsrechtsakt nicht vorgesehen
werden dürfe, da es sich dabei letztlich um eine Geldstrafe handle. Die
Besonderheit im Fall war, dass die Sicherheit von der damals zuständi-
gen Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung (BALM)721
bereits freigegeben worden war, sich aber im nachhinein herausstellte,
dass die Voraussetzungen für die Lagerungsbeihilfe nicht vorgelegen
hatten. Die BALM hob daraufhin die Beihilfegewährung sowie die
Freigabe der Kaution auf. In Höhe des Kautionsbetrags erklärte die
BALM gegen eine Forderung der Klägerin die Aufrechnung. Eine aus-
drückliche Rechtsgrundlage für eine solche Aufrechnung sah das Ge-
meinschaftsrecht nicht vor. Der Gerichtshof entschied, dass aufgrund
des Fehlens einer klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage für die
Verhängung einer Sanktion weder eine bereits freigegebene Kaution
wieder eingezogen noch eine finanzielle Sanktion verhängt werden
könne, die der Höhe des Kautionsbetrags entspreche.722 Da die Rege-
lungen im Gemeinschaftsrecht insoweit auch abschließend seien, sei ei-
720
Verordnung (EWG) Nr. 1071/68 der Kommission vom 25. Juli 1968 über
Durchführungsbestimmungen für die Gewährung von Beihilfen für die private
Lagerhaltung auf dem Sektor Rindfleisch, ABl. 1968, L 180, S. 19.
721
Die BALM ging zum 1.1.1995 gemeinsam mit dem Bundesamt für Ernäh-
rung und Forstwirtschaft (BEF) in der Bundesanstalt für Landwirtschaft und
Ernährung (BLE) auf. Die BALM hatte bis 2005 ihren Sitz in Frankfurt am
Main, was die örtliche Zuständigkeit des dortigen Verwaltungsgerichts nach
§ 52 Nr. 2 Satz 1 VwGO begründete. Nunmehr sitzt die BLE in Bonn.
722
EuGH, Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291, Rn. 16 f.; bestätigt in
Rs. C-172/89, Vandermoortele/Kommission, Slg. 1990, S. I-4677, Rn. 9. Inso-
weit unterscheidet sich der Fall von Rs. 288/85, Plange Kraftfutterwerke,
Slg. 1987, S. 611, Rn. 10, wo der Gerichtshof in Hinblick auf eine durch eine
Kaution gesicherte Ausfuhrerstattung in Art. 6 Abs. 5 der Verordnung (EWG)
Nr. 1957/69 der Kommission vom 30. September 1969 mit zusätzlichen Durch-
führungsbestimmungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen bei den
Erzeugnissen, für die ein System gemeinsamer Preise besteht, ABl. 1969, L 150,
S. 1, eine Ermächtigungsgrundlage für die Rückzahlung auch bei bereits freige-
gebener Kaution bejahte.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 223
723
EuGH, Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291, Rn. 23.
724
EuGH, Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291, Rn. 14.
725
EuGH, Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291, Rn. 15.
726
GA VerLoren van Themaat, in: Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291,
Rn. 4.1.
727
GA VerLoren van Themaat, in: Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291,
Rn. 4.2; kritisch zum für den vorliegenden Abschnitt titelgebenden Aufsatz von
P. Tiedemann, NJW 1983, S. 2727.
224 4. Kapitel
728
GA VerLoren van Themaat, in: Rs. 117/83, Könecke, Slg. 1984, S. 3291,
Rn. 4.3.
729
EuGH, Rs. 21/85, Maas, Slg. 1986, S. 3537, Rn. 28; Rs. C-155/89, Philipp
Brothers, Slg. 1990, S. I-3265, Rn. 40; Rs. C-199/90, Italtrade, Slg. 1991, S. I-
5545, Rn. 10.
730
EuGH, Rs. 137/85, Maizena, Slg. 1987, S. 4587, Rn. 12 [Hervorhebung
hinzugefügt].
731
Text nach Fn. 713.
732
EuGH, Rs. 137/85, Maizena, Slg. 1987, S. 4587, Rn. 10; nach Rs. 11/70,
Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, S. 1125, Rn. 18.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 225
733
EuGH, Rs. 137/85, Maizena, Slg. 1987, S. 4587, Rn. 12.
734
So deutlich Generalanwalt Léger, in: Rs. C-346/96, Prolacto, Slg. 1998,
S. I-345, Rn. 48 f.
735
Ähnlich Generalanwalt Léger, in: Rs. C-346/96, Prolacto, Slg. 1998, S. I-
345, Rn. 51 mit Fn. 23.
736
Möller, Sicherheiten im Recht der EG, S. 175; Böse, Strafen und Sanktio-
nen, S. 314; zu EuGH, Rs. 147/81, Merkur Fleisch-Import, Slg. 1982, S. 1389,
Rn. 12 und Ls. 2; Rs. 124/83, Nikolas Corman, Slg. 1985, S. 3777, Rn. 20.
226 4. Kapitel
737
EuGH, Rs. C-87/92, Hoche, Slg. 1993, S. I-4623, Rn. 23 ff.
738
Barents, Agricultural Law of the EC, S. 289 f.
739
In EuGH, Rs. C-87/92, Hoche, Slg. 1993, S. I-4623, war nach Art. 23
Abs. 2, 2. Spiegelstrich der Verordnung (EWG) Nr. 262/79 der Kommission
vom 12. Februar 1979 über den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen
für die Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmitteln,
ABl. 1979, L 41, S. 1, mindestens grobe Fahrlässigkeit für den vollständigen
Kautionsverfall erforderlich.
740
Fischer, StGB, vor § 13, Rn. 28 f.; Böse, Strafen und Sanktionen, S. 149.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 227
741
EuGH, Rs. C-326/88, Hansen, Slg. 1990, S. I-2911, Rn. 16 ff.; Rs. C-7/90,
Vandevenne, Slg. 1991, S. I-4371, Rn. 18; Pradel/ Corstens, Droit Pénal Euro-
péen, Rn. 419.
742
Verordnung (EWG) Nr. 572/78 der Kommission vom 21. März 1978 mit
Durchführungsbestimmungen zur Sonderregelung für die Einfuhr von zur Ver-
arbeitung bestimmtem gefrorenem Rindfleisch sowie zur Aufhebung der Ver-
ordnung (EWG) Nr. 597/77, ABl. 1978, L 78, S. 17.
743
Zum bis 1995 bestehenden, seitdem durch im Rahmen des GATT 1994
konsolidierte Zölle ersetzten System der Abschöpfung immer noch konzise und
treffend: Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Rn. 47/24.
744
EuGH, Rs. 147/81, Merkur Fleisch-Import, Slg. 1982, S. 1389, Rn. 3.
745
Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Rn. 47/24.
228 4. Kapitel
746
Verordnung (EWG) Nr. 232/75 der Kommission vom 30. Januar 1975
über den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen für die Herstellung von
Backwaren und Speiseeis, ABl. 1975, L 24, S. 45.
747
Die von der nach Art. 7 Abs. 4 lit. c), Art. 8 der Verordnung (EWG)
Nr. 232/75 zu stellenden Ausschreibungskaution zu unterscheiden ist.
748
EuGH, Rs. 124/83, Nikolas Corman, Slg. 1985, S. 3777, Rn. 19.
749
EuGH, Rs. 124/83, Nikolas Corman, Slg. 1985, S. 3777, Rn. 20.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 229
tion bei einem Fehlverhalten eines späteren Käufers für den Erstkäufer
mehr als nur die Abschöpfung seines Vorteils durch den günstigen An-
kauf bedeutete. Der Erstkäufer trug nunmehr auch das Insolvenzrisiko
jedes Endabnehmers und das sogar in Fällen wie dem vorliegenden, wo
keine direkte vertragliche Beziehung zwischen ihnen vorlag.750
Hierin ist eine größere Belastung zu sehen, die über die Abschöpfung
des rechtswidrig erlangten Vorteils hinausgeht. Nur für diesen konkre-
ten Fall muss damit die als reine Erstattungskaution konzipierte Sicher-
heit nach Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 232/75 als Wohlverhal-
tenssicherheit qualifiziert werden. Nur diesen konkreten Fall hatte der
Gerichtshof zu entscheiden. Mithin bezog sich seine Feststellung, dass
der Verfall der Kaution eine Sanktion sei, auch nur auf den betreffenden
Fall.
Angesichts des Umstands, dass der Gerichtshof in späteren Fällen den
Verfall einer Erstattungssicherheit nicht als Sanktion qualifizierte, ist al-
so davon auszugehen, dass er auch im Fall Corman nur den Verfall ei-
ner Wohlverhaltenskaution als Sanktion ansah.
750
Ähnlich Barents, ELRev. 10 (1985), S. 239 (241), der in Fn. 17 noch auf
den weiteren Belastungseffekt der unterschiedlichen Preiskalkulation hinweist
und auch daraus auf einen punitiven und nicht lediglich restitutiven Effekt des
Verfalls schließt.
751
Hervorhebung hinzugefügt.
230 4. Kapitel
752
Kadelbach, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchset-
zung des Gemeinschaftsrechts, S. 81 (85 f.). Im Ergebnis auch P. Tiedemann,
NJW 1983, S. 2727 (2728); Barents, ELRev. 10 (1985), S. 239 (242).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 231
753
Calliess/Ruffert-Cremer, Art. 228, Rn. 8 f.
754
Näher Zuleeg, Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Union,
S. 85 f. Siehe dazu eindrücklich EuGH, Rs. 39/72, Kommission/Italien,
Slg. 1973, S. 101, Rn. 24 f.; Rs. 128/78, Kommission/Vereinigtes Königreich,
Slg. 1979, S. 419, Rn. 12.
755
Bisher sind in folgenden Fällen Maßnahmen nach Art. 228 Abs. 2 EG er-
griffen worden: EuGH, Rs. C-387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000,
S. I-5047; Rs. C-278/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, S. I-14141 (entgegen
den Schlussanträgen des GA Mischo); Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich,
Slg. 2005, S. I-6263; Rs. C-177/04, Kommission/Frankreich, Slg. 2006, S. I-2461;
Urt. vom 10.1.2008, Rs. C-70/06, Kommission/Portugal, Slg. 2008, S. I-1. In
Rs. C-119/04, Kommission/Italien, Slg. 2006, S. I-6885, hat der Gerichtshof
232 4. Kapitel
recht deutliches Bild davon ab, was der Gerichtshof unter einer Sankti-
on versteht. Das ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass es
sich bei den Maßnahmen des Art. 228 Abs. 2 EG um solche gegen Mit-
gliedstaaten handelt. Dabei zeigt sich, dass der Gerichtshof einen zu
den Sanktionen im Agrarrecht kohärenten Sanktionsbegriff verwendet.
In seinem ersten Urteil nach Art. 228 Abs. 2 EG gegen Griechenland
aus dem Jahr 2000 und in dem Urteil gegen Spanien aus dem Jahr 2003
sprach der Gerichtshof ohne weitere Umstände bei seinen Ausführun-
gen zur Festsetzung des jeweiligen Zwangsgelds von einer „Sankti-
entgegen GA Poiares Maduro keine Maßnahmen nach Art. 228 Abs. 2 EG er-
griffen. In Rs. C-503/04, Kommission/Deutschland, Slg. 2007, S. I-6153, hat der
Gerichtshof zwar festgestellt, dass die Bundesrepublik gegen Art. 228 Abs. 1
EG verstoßen hatte. In Übereinstimmung mit GA Trstenjak verhängte er aber
kein Zwangsgeld, da die Kommission diesen Antrag zurückgezogen hatte. Ge-
mäß den Schlussanträgen des GA Mazák vom 5.6.2008, in: Rs. C-121/07,
Kommission/Frankreich, Slg. 2008, S. I-0000, Rn. 82, soll Frankreich zu einem
Zwangsgeld, aber nicht zu einem Pauschalbetrag verurteilt werden. Nach den
Schlussanträgen des GA Fennelly vom 9.12.1999, in: Rs. C-197/98, Kommissi-
on/Griechenland, Slg. 2000, S. I-8609, ist die Rechtssache mit Kostentragungs-
pflicht für Griechenland gestrichen worden: Beschluss des Präsidenten vom
6.10.2000, Rs. C-197/98, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, S. I-8609. In fol-
genden Fällen wurde die Rechtssache jeweils vor der mündlichen Verhandlung
gestrichen: Beschluss des Präsidenten vom 23.11.2001, Rs. C-41/01, Kommissi-
on/Italien, ABl. 2002, C 109, S. 40; Beschluss des Präsidenten vom 10.7.2002,
Rs. C-121/02, Kommission/Luxemburg, ABl. 2002, C 233, S. 21; Beschluss des
Präsidenten vom 5.12.2002, Rs. C-274/02, Kommission/Frankreich, ABl. 2003,
C 55, S. 23; Beschluss des Präsidenten vom 21.10.2003, Rs. C-57/03, Kommissi-
on/Italien, ABl. 2004, C 47, S. 27; Beschluss des Präsidenten vom 1.12.2005,
Rs. C-294/03, Kommission/Irland, ABl. 2006, C 143, S. 28; Beschluss des Präsi-
denten vom 2.3.2005, Rs. C-165/04, Kommission/Irland, ABl. 2005, C 143, S. 30
(mit Kostentragungspflicht für Irland); Beschluss des Präsidenten vom
7.12.2005, Rs. C-136/05, Kommission/Luxemburg, ABl. 2006, C 60, S. 33;
Beschluss des Präsidenten vom 14.7.2006, Rs. C-416/05, Kommissi-
on/Luxemburg, ABl. 2006, C 281, S. 27 (mit Kostentragungspflicht für Luxem-
burg); Beschluss des Präsidenten vom 7.12.2006, Rs. C-219/06, Kommissi-
on/Luxemburg, ABl. 2007, C 42, S. 21 (mit Kostentragungspflicht für Luxem-
burg). Derzeit (Stand 31. Mai 2008) anhängig sind die Verfahren Klage vom
3.8.2007, Rs. C-369/07, Kommission/Griechenland, ABl. 2007, C 269, S. 22;
Klage vom 9.10.2007, Rs. C-457/07, Kommission/Portugal, ABl. 2007, C 297,
S. 29; Klage vom 21.12.2007, Rs. C-568/07, Kommission/Griechenland,
ABl. 2008, C 64, S. 25; Klage vom 10.3.2008, Rs. C-109/08, Kommission/Grie-
chenland, ABl. 2008, C 116, S. 15.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 233
756
EuGH, Rs. C-387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, S. I-5047,
Rn. 79, 85; Rs. C-278/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, S. I-14141, Rn. 49.
757
EuGH, Rs. C-140/00, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2002, S. I-
10379, Rn. 41.
758
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263,
Rn. 81 f.
759
von der Groeben/Schwarze-Gaitanides, Art. 228, Rn. 18.
760
GA Geelhoed, Schlussanträge vom 29.4.2004, in: Rs. C-304/02, Kommis-
sion/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 87.
761
GA Geelhoed, Schlussanträge vom 29.4.2004, in: Rs. C-304/02, Kommis-
sion/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 95.
234 4. Kapitel
staats geahndet wird.762 Allerdings zeichnet auch ihn eine zum gemein-
schaftsrechtskonformen Verhalten anhaltende Wirkung aus, sodass es –
neben möglichen politischen Erwägungen763 – überzeugend erscheint,
ihn nicht als Bußgeld zu bezeichnen.764
Umgekehrt zeichnet auch das Zwangsgeld eine punitive und abschre-
ckende Wirkung aus. Zwar soll es auf den Mitgliedstaat „wirtschaftli-
chen Zwang ausüben, der ihn dazu veranlasst, die festgestellte Vertrags-
verletzung abzustellen“.765 Die Berechnung des Zwangsgelds nach den
Mitteilungen der Kommission,766 die vom Gerichtshof als Anhaltspunkt
für sein eigenes Urteil gebilligt wurden,767 macht jedoch den auch puni-
tiven Charakter deutlich: Danach wird das Zwangsgeld auf der Grund-
lage eines festen, vom Bruttoinlandsprodukt und dem Stimmengewicht
im Rat abhängigen Koeffizienten (ein Wert von 0,36 für Malta bis 25,40
für Deutschland) sowie eines Grundbetrags in Höhe von 600,00 Euro
pro Tag berechnet. Diese werden mit einem Koeffizienten multipliziert,
der der Schwere des Gemeinschaftsrechtsverstoßes – über den ohnehin
schweren Verstoß gegen das Urteil nach Art. 228 Abs. 1 EG hinaus –
entspricht (ein Wert zwischen 1 und 20), und einem, der die Dauer die-
ses Verstoßes bewertet (ein Wert zwischen 1 und 3).768 Der Gerichtshof
762
GA Mazák vom 5.6.2008, in: Rs. C-121/07, Kommission/Frankreich, Slg.
2008, S. I-0000, Rn. 80; von der Groeben/Schwarze-Gaitanides, Art. 228,
Rn. 17; Grabitz/Hilf-P. Karpenstein/ U. Karpenstein, Art. 228, Rn. 35.
763
Dazu A. Geiger, EuZW 2004, S. 417.
764
In der portugiesischen Fassung des Art. 228 Abs. 2 UAbs. 3 EG ist die
Formulierung etwas offener und bringt zugleich den Sanktionsbegriff ins Spiel:
„uma quantia fixa ou progressiva correspondente a uma sanção pecuniária“.
765
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263,
Rn. 92.
766
Kommission, Mitteilung über die Anwendung von Artikel 171 EG-
Vertrag (96/C 242/07), ABl. 1996, C 242, S. 6; Mitteilung – Verfahren für die
Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 171 EG-Verfahren (97/C 63/02),
ABl. 1997, C 63, S. 2. Beide Mitteilungen wurden mittlerweile durch Kommis-
sion, Mitteilung – Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag, SEK (2005) 1658,
ersetzt.
767
EuGH, Rs. C-387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, S. I-5047,
Rn. 84, 89.
768
Kommission, Mitteilung – Anwendung von Artikel 228 EG-Vertrag, SEK
(2005) 1658, Ziff. 14 ff.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 235
folgt dem Grundsatz, dass das Zwangsgeld nach Dauer, Schwere und
Zahlungsfähigkeit zu berechnen ist.769
Mit der Schwere und Dauer des Verstoßes werden Gesichtspunkte be-
rücksichtigt, die bei der Abschätzung, ob eine Maßnahme effektiv zur
Einhaltung des Gemeinschaftsrechts anhalten kann, nicht zwingend be-
rücksichtigt werden müssten, da sie in der Vergangenheit liegen.
Zweckentsprechend wäre es auch gewesen, das Zwangsgeld allein von
vorher bestimmten Faktoren ausgehend zu berechnen, wobei eine den
Zwang effektuierende Wirkung des Produkts angestrebt werden müss-
te. Die Berechnungsmethode ist allerdings aufgrund der für Rechtssi-
cherheit und Verhältnismäßigkeit erforderlichen differenzierten Vorher-
sehbarkeit so akzeptiert770 – trotz Kritik in der Literatur.771
Jedenfalls zeigt die Berücksichtigung der Faktoren Dauer und Schwere,
dass es nicht nur um die Herstellung des rechtmäßigen Zustands geht.
Hinzu tritt ein Sühneelement, welches die Faktoren in das Zwangsgeld
einführen.772 Damit wird im Ergebnis klar, was der Gerichtshof in die-
sem Zusammenhang unter einer Sanktion versteht: Zwangsgelder und
Pauschalbeträge sind Sanktionen. Ihnen kommen sowohl eine Beuge-
als auch eine Sühnefunktion zu. Sie sollen zudem abschrecken. Das
Zwangsgeld hat vor allem den Charakter „als Druckmittel im Hinblick
auf die einheitliche und wirksame Anwendung des Gemeinschafts-
rechts“.773 Wenn der Vertragsverstoß vor der Entscheidung eingestellt
wurde, fällt
769
EuGH, Rs. C-387/97, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, S. I-5047,
Rn. 92; Rs. C-278/01, Kommission/Spanien, Slg. 2003, S. I-14141, Rn. 52.
770
Hölscheidt, BayVBl. 1997, S. 459 (461); Grabitz/Hilf-P. Karpenstein/
U. Karpenstein, Art. 228, Rn. 44.
771
Calliess/Ruffert-Cremer, Art. 228, Rn. 12. Kritik findet sich ansonsten
vor allem in Bezug auf die Einbeziehung des Stimmengewichts in den Länder-
koeffizienten: Heidig, Verhängung von Zwangsgeldern und Pauschalbeträgen,
S. 148 ff.
772
Calliess/Ruffert-Cremer, Art. 228, Rn. 12.
773
EuGH, Rs. C-177/04, Kommission/Frankreich, Slg. 2006, S. I-2461,
Rn. 62; Urt. vom 10.1.2008, Rs. C-70/06, Kommission/Portugal, Slg. 2008, S. I-
1, Rn. 39.
236 4. Kapitel
wurde, fällt die Rechtfertigung für ein Zwangsgeld fort.774 Das schließt
jedoch eine Verhängung eines Pauschalbetrags nicht zwingend aus.775
Die erstmals anerkannte Zulässigkeit einer kumulativen Verhängung
von Pauschalbetrag und Zwangsgeld hatte im Fall Kommission/Frank-
reich aus dem Jahr 2005 eine weitere – für die Zwecke dieser Studie in-
teressante – prozessuale Folge. Der Generalanwalt Geelhoed hatte in
seinen ersten Schlussanträgen neben der Verhängung eines Zwangsgelds
auch die eines Pauschalbetrags angeregt, obwohl die Kommission das
nicht beantragt hatte.776 Da die Parteien zu dieser Frage in der mündli-
chen Verhandlung nicht hatten Stellung nehmen können, eröffnete der
Gerichtshof das Verfahren wieder.777 In seinen zweiten Schlussanträgen
bejahte der Generalanwalt sowohl die Möglichkeit, einen Pauschalbe-
trag neben einem Zwangsgeld zu verhängen, als auch, dies ohne Antrag
der Kommission zu tun.778 Wenn der Gerichtshof erwäge, „eine schwe-
rere Sanktion als die von der Kommission vorgeschlagene zu verhän-
gen, gebieten es die Verteidigungsrechte, dass die Parteien zu der von
ihm ins Auge gefassten Sanktion gehört werden“.779 Ebenso erkannte
der Gerichtshof in seinem Urteil die Notwendigkeit an, dem Mitglied-
staat für eine Stellungnahme zu den möglichen finanziellen Sanktionen
Gelegenheit zu geben. Das folge aus den Verteidigungsrechten, „die
dem säumigen Mitgliedstaat in Bezug auf die in Betracht gezogenen fi-
nanziellen Sanktionen zuzuerkennen sind“.780 Es zeigt sich also auch
hier: die Feststellung, dass eine Sanktion vorliegt, eröffnet den Anwen-
dungsbereich der Verteidigungsrechte. Das gilt demnach nicht nur für
774
EuGH, Rs. C-503/04, Kommission/Deutschland, Slg. 2007, S. I-6153,
Rn. 40.
775
So ist EuGH, Rs. C-503/04, Kommission/Deutschland, Slg. 2007, S. I-
6153, Rn. 41, zu lesen.
776
GA Geelhoed, Schlussanträge vom 29.4.2004, Rs. C-304/02, Kommissi-
on/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 99 f.
777
EuGH, Beschluss vom 16.6.2004, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich,
Rn. 4.
778
GA Geelhoed, Schlussanträge vom 18.11.2004, Rs. C-304/02, Kommissi-
on/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 37, 48.
779
GA Geelhoed, Schlussanträge vom 18.11.2004, Rs. C-304/02, Kommissi-
on/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263, Rn. 37.
780
EuGH, Rs. C-304/02, Kommission/Frankreich, Slg. 2005, S. I-6263,
Rn. 93.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 237
Individuen, sondern auch für die Mitgliedstaaten als Subjekte des Ge-
meinschaftsrechts.
Es lässt sich schließen, dass der Gerichtshof auch Maßnahmen gegen-
über den Mitgliedstaaten als Sanktion bezeichnet, sofern sie – wie der
Pauschalbetrag – sühnende Wirkung zeitigen sollen. Dasselbe gilt für
das Zwangsgeld, dem zentral eine Beugefunktion zukommt, das aber
aufgrund der Berücksichtigung der Schwere eines Verstoßes auch puni-
tiven Charakter hat. In beiden Fällen tritt noch eine präventive Funkti-
on hinzu. Das steht im Einklang mit den bisher gefundenen Ergebnis-
sen, denen zufolge die Sanktion als repressiv-punitiv zu verstehen ist.
Im Übrigen ist es auch vom von der Sanktionsverordnung ausgehenden
Begriffsverständnis gedeckt.
781
Oben, unter 3. Kapitel A.II.1.
782
EuGH, Rs. 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, S. 2965, Rn. 24;
siehe auch Rs. C-326/88, Hansen, Slg. 1990, S. I-2911, Rn. 17; Rs. C-217/88,
Kommission/Deutschland, Slg. 1990, S. I-2879, Rn. 17 ff.
783
Grabitz/Hilf-von Bogdandy, Art. 10, Rn. 44 ff.
784
EuGH, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, S. 1891, Rn. 23, 28;
näher Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, S. 9
(17).
238 4. Kapitel
785
EuGH, Rs. C-177/95, Ebony Maritime, Slg. 1997, S. I-1111, Rn. 37.
786
Vgl. z.B. EuGH, Rs. C-5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, S. I-2553,
Rn. 19 ff.
787
Tut es grundsätzlich nicht: EuGH, Rs. C-326/88, Hansen, Slg. 1990, S. I-
2911, Rn. 19; Rs. C-177/95, Ebony Maritime, Slg. 1997, S. I-1111, Rn. 36.
788
Tut es grundsätzlich auch nicht: EuGH, Rs. C-7/90, Vandevenne,
Slg. 1991, S. I-4371, Rn. 17.
789
EuGH, Rs. C-217/88, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, S. I-2879,
Rn. 19, 34.
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 239
790
EuGH, Rs. 14/83, von Colson und Kamann, Slg. 1984, S. 1891, Rn. 28.
791
EuGH, Rs. 177/88, Dekker, Slg. 1990, S. I-3941, Rn. 23 ff.; ebenso Rs. C-
180/95, Draempaehl, Slg. 1997, S. I-2195, Rn. 19 ff.
792
EuGH, Rs. C-383/92, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1994, S. I-
2479, Rn. 42.
793
EuGH, Rs. C-167/01, Inspire Art, Slg. 2003, S. I-10155, Rn. 63, 73, 141.
240 4. Kapitel
zeigt sich ihr repressiv-punitiver Gehalt. Daraus folgt, dass auch das
Urteil in der Rechtssache Inspire Art von einem solchen Sanktionsver-
ständnis ausgeht und dass die repressiv-punitiven Sanktionen auch zi-
vilrechtlicher Natur sein können.
Der Gerichtshof hat reine Schadensersatzansprüche in gleichgearteten
Fällen wie beispielsweise Marshall II später nicht mehr als Sanktionen
bezeichnet. Vielmehr verwendet er – auch unter Zitierung seines Urteils
in von Colson und Kamann – nur noch den Begriff der „Maßnahme“.794
Eine plausible Deutung ist es, dass der Gerichtshof seinem im Vorher-
gehenden festgestellten Verständnis der Sanktion als repressiv-punitiv
folgt, auch wenn sein Urteil in der Rechtssache von Colson und Ka-
mann zunächst darauf hindeutete, dass er auch restitutive Maßnahmen
darunter fasst. Allerdings verdeutlicht das Urteil, dass eine Sanktion im
Sinne des Gemeinschaftsrechts nicht zwangsläufig auf hoheitliche Maß-
nahmen beschränkt ist – also verwaltungsrechtliche und strafrechtliche
Sanktionen. Vielmehr kommen auch zivilrechtliche Sanktionen in Be-
tracht,795 sofern sie nicht nur Vorteile abschöpfen. Beispiele dafür fin-
den sich im EU-Eigenverwaltungsrecht zwar nicht. Den Mitgliedstaa-
ten will der EuGH entsprechende Ausgestaltungsspielräume jedoch
nicht von vorne herein abschneiden. Der Umstand, dass sich hierfür im
Eigenverwaltungsrecht der Union kein Beispiel finden lässt, ist aller-
dings in Hinblick auf die im 2. Kapitel dargestellte Rechtsschutzfunkti-
on des Begriffs der Sanktion von Bedeutung. Wenn die Verteidigungs-
rechte gelten, sofern eine Sanktion verhängt wurde, ist es nicht sinnvoll,
auch bei Vorliegen eines zivilrechtlichen Anspruchs – sei er auch mit
punitiver Wirkung versehen – die Verteidigungsrechte für anwendbar
zu erklären. Das wäre im grundsätzlich gleichrangigen Verhältnis des
anspruchsstellenden Bürgers gegenüber dem Anspruchsgegner nicht
angemessen. Es zeigt sich, dass sich die Verwendung des unionalen
Sanktionsbegriffs praktisch auf rein hoheitliche Maßnahmen beziehen
muss.
Damit soll jedoch nicht ausgeschlossen sein, zivilrechtliche Haftung
auch als Mittel der Durchsetzung des Unionsrechts anzusehen.796 Dies
trifft insbesondere auf die voranschreitenden Bemühungen zu, dem
794
EuGH, Rs. C-271/91, Marshall II, Slg. 1993, S. I-4367, Rn. 23, 26; Rs. C-
460/06, Paquay, Slg. 2007, S. I-8511, Rn. 44 ff.
795
So auch EuGH, Rs. C-186/98, Nunes, Slg. 1999, S. I-4883, Rn. 14.
796
Für eine Typologie Mortelmans, in: Vervaele, Compliance and Enforce-
ment of European Community Law, S. 51 (53 ff.).
Ein unionsrechtlicher Begriff der Sanktion? 241
797
Kommission, Weißbuch Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-
Wettbewerbsrechts, 2.4.2008, KOM (2008) 165 endg.
798
EuGH, Rs. C-453/99, Courage, Slg. 2001, S. I-6297, Rn. 26 ff.; verb.
Rs. C-295/04 bis C-298/04, Manfredi u.a., Slg. 2006, S. I-6619, Rn. 60 f.; ein
Beispiel der Anwendung dieser Grundsätze im deutschen Recht ohne Rückgriff
auf den Sanktionsbegriff bietet LG Düsseldorf, Urt. vom 1.4.2004, 13 O 55/02,
EWS 2004, S. 434.
799
EuGH, verb. Rs. C-295/04 bis C-298/04, Manfredi u.a., Slg. 2006, S. I-
6619, Rn. 89 ff.
242 4. Kapitel
D. Ergebnis
800
Oben, unter 4. Kapitel B.II.2.f).
801
Dazu oben, 2. Kapitel.
244 4. Kapitel
802
Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts,
passim.
803
Daher die Kritik bei von Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungs-
recht, S. 149 (167).
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 245
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_5,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
246 5. Kapitel
804
EuGH, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90, Francovich u.a., Slg. 1991, S. I-
5357; verb. Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame,
Slg. 1996, S. I-1029.
805
Siehe z.B. J. Schwarze, DVBl. 2002, S. 1297 (1304); J. Steiner, ELRev. 18
(1993), S. 3; van den Bossche, MJ 3 (1996), S. 371 (397 f.); Harlow, ELJ 2 (1996),
S. 199 (204 ff.); von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische
Integration, S. 314; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchset-
zung des Rechts, S. 48 f.
806
Daher zu Recht kritisch Gilsdorf, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als
Mittel zur Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, S. 125 (125); Zuleeg, in: Ver-
vaele, Compliance and Enforcement of European Community Law, S. 349
(350).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 247
807
Dazu von Bogdandy, in: ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149
(167). Siehe aber auch emphatisch zur Etablierung des Individuums als defensor
legis: Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (150).
808
So auch noch J. Steiner, Collected Courses of the Academy of European
Law, Vol. III, Book 1 (1992), S. 241 (266), entgegen ihrer später deutlicher auf
den Sanktionscharakter abstellenden Position.
809
EuGH, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90, Francovich u.a., Slg. 1991, S. I-
5357, Rn. 32-34 [Hervorhebungen hinzugefügt].
248 5. Kapitel
810
Caranta, CMLRev. 32 (1995), S. 703 (710); Säuberlich, Die außervertrag-
liche Haftung im Gemeinschaftsrecht, S. 51; Streinz, VVDStRL 61 (2002),
S. 300 (341 ff.); Streinz, ZEuS 2004, S. 387 (411): „Mehrdimensionalität“ der
Begründung des Haftungsanspruchs. So auch in Bezug auf die parallel laufende
Argumentation bei der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien nach Ab-
lauf der Umsetzungsfrist Everling, in: FS Carstens, S. 95 (107 f.); Kadelbach,
Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 74.
811
So beispielsweise E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und
Wirkung von Europäischem Gemeinschaftsrecht, S. 23 mit Fn. 85, für die un-
mittelbare Anwendbarkeit.
812
Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 76 f. Siehe auch bereits Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften
im innerstaatlichen Bereich, S. 181, 301 f.
813
Zuleeg, Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Union, S. 138 f.
Kritisch zu dieser an der individuellen Berechtigung orientierten Begründung
der Staatshaftung Harlow, ELJ 2 (1996), S. 199 (210 ff.).
814
Snyder, MLR 56 (1993), S. 19 (19).
815
Snyder, MLR 56 (1993), S. 19 (19), Fn. 3.
816
Gil Ibáñez, The Administrative Supervision and Enforcement of EC Law,
S. 12.
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 249
817
Siehe nur Habermas, Faktizität und Geltung, S. 91 ff., 146 ff., 154; Luh-
mann, Legitimation durch Verfahren, passim, insbesondere S. 27 ff.; Luhmann,
Das Recht der Gesellschaft, S. 585.
818
Dazu ausführlich Krawietz, in: Weinberger/Krawietz, Reine Rechtslehre
im Spiegel ihrer Fortsetzer und Kritiker, S. 315.
819
Durkheim, Über soziale Arbeitsteilung, S. 118 ff.; 162 ff.
820
Bieber, in: von Bogdandy/Kadelbach, Solidarität und Europäische Inte-
gration, S. 41 (45 f.).
821
Zuleeg, in: FS Rodríguez Iglesias, S. 221 (222).
822
Säuberlich, Die außervertragliche Haftung im Gemeinschaftsrecht, S.
64 ff.: „Vorrang des Individualrechtsschutzes“.
823
In den Fällen von Colson und Kamann, Dekker und Marshall II; dazu
ausführlich oben, unter 4. Kapitel C.III.
824
van Gerven, CMLRev. 37 (2000). S. 501 (530).
250 5. Kapitel
825
E. Klein, Unmittelbare Geltung, Anwendbarkeit und Wirkung von Euro-
päischem Gemeinschaftsrecht, S. 21, 23; Timmermans, in: F.I.D.E., La Sanction
des Infractions, vol. 2, S. 15 (20 ff.); J. Geiger, in: von Danwitz, Auf dem Wege
zu einer europäischen Staatlichkeit, S. 109 (117); Curtin/Mortelmans, in: Cur-
tin/Heukels, Institutional Dynamics of European Integration, S. 423 (443);
Tesauro, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung des
Gemeinschaftsrechts, S. 17 (23 f.); Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für
die Durchsetzung des Rechts, S. 46 f.; Magiera, DÖV 1998, S. 173 (180).
826
BVerfG, Beschluss vom 8.4.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (241 f.).
827
Tesauro, in: van Gerven/Zuleeg, Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung
des Gemeinschaftsrechts, S. 17 (17) [Hervorhebung hinzugefügt]. Ebenso Tim-
mermans, in: F.I.D.E., La Sanction des Infractions, vol. 2, S. 15 (20).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 251
die betreffende Norm steht. Das ist zwar nicht logisch zwingend,828
aber für eine rationale und zweckmäßige Rechtsordnung unerlässlich,
da sich sonst die normsetzende Instanz die Fähigkeit anmaßen könnte,
selbst festzulegen, welche Rechtswirkungen ihren Rechtsakten zu-
kommen soll.829 Öhlinger schreibt:
„Therefore, the specific justifications given to the features of direct
effect and supremacy in Van Gend En Loos, Costa v. ENEL, and
other famous decisions of the European Court of Justice are to be
placed at the very top of the legal order of an integrated Europe.“830
Das hindert nicht, dass die unmittelbare Anwendbarkeit von Primär-
recht, hier verstanden als Verfassungsrecht, durch den Verfassungsgeber
angeordnet oder verhindert bzw. aufgehoben wird. Genau das ist im
Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsa-
chen geschehen, wo Art. 34 Abs. 2 lit. b) Satz 3 EU die unmittelbare
Anwendbarkeit der Rahmenbeschlüsse primärrechtlich ausschließt.
Ebenso könnte theoretisch die durch den Gerichtshof im Fall van Gend
en Loos auf verfassungsrechtlicher Ebene festgestellte unmittelbare
Anwendbarkeit von Art. 12 EWGV (jetzt Art. 25 EG) durch dahinge-
hende Vertragsänderung ausgeschlossen werden. Somit besteht eine
Ausnahme zum zuvor Festgestellten darin, dass der Wirkungsmodus
von spezifischen Bestimmungen der Verfassung auch „nur“ auf verfas-
sungsrechtlicher Ebene festgelegt werden kann. Das schließt die Mög-
lichkeit ein, dass – wie in Art. 220 EG für den Europäischen Gerichts-
hof geschehen – ein Verfassungsgericht allgemein mit der Aufgabe be-
traut wird, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwen-
dung“ der Verfassung (im Wortlaut „des Vertrags“) zu sichern und da-
bei einzelnen Verfassungsbestimmungen (Vertragsbestimmungen) be-
stimmte Wirkungen (verfassungs-)richterrechtlich zuzuerkennen. Der
unionale Verfassungsgeber ist nicht gehindert, solche richterrechtlichen
Entwicklungen zurück zu nehmen oder zu verhindern,831 wobei jedoch
einschränkend anzuerkennen ist, dass eine solche Änderung nur ein-
stimmig erfolgen kann, Art. 48 EU.
828
Anders von Arnauld, EuR 2003, S. 191 (201).
829
Eckhoff/Sundby, Rechtssysteme, S. 164, in Bezug auf das Verhältnis zwi-
schen Kompetenznormen und Normen, die von diesen abgeleitet sind.
830
Öhlinger, in: Jyränki, National Constitutions in the Era of Integration,
S. 163 (170).
831
von Arnauld, EuR 2003, S. 191 (203).
252 5. Kapitel
832
Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 75 f.
833
Weiler, Yale LJ 100 (1991), S. 2403 (2413).
834
Deontik wird hier verstanden als Logik normativer Aussagen wie bei-
spielsweise von Rechtssätzen, Kunzmann/Burkard/Wiedmann, dtv-Atlas zur
Philosophie, S. 211; Kuhn, in: Honderich, Oxford Companion to Philosophy,
Eintrag „deontic logic“, S. 186 f. Anders Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 45.
835
Das Folgende fußt auf den Ausführungen zur Aussagen- und Prädikaten-
logik von Rüßmann, Deduktive Gültigkeit. Allerdings werden hier für ein bes-
seres Verständnis andere Konstanten und Prädikate gewählt. Hauptunterschied
zur klassischen deontischen Logik ist, dass tiefgestellte Buchstaben oder Ziffern
hier nicht eigene Prädikate oder Konstanten bezeichnen, sondern lediglich be-
stimmte Prädikate oder Konstanten spezifizieren. Insbesondere werden die fol-
genden Funktoren der Deontik nicht verwendet: Op (Es ist geboten (bzw. ge-
sollt), dass p); Pp (Es ist erlaubt, dass p); Fp (Es ist verboten, dass p).
836
Öhlinger, in: Jyränki, National Constitutions in the Era of Integration,
S. 163 (168).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 253
Eigenschaft C, wenn c1, c2, c3, …, cn erfüllt sind. Als Formel: (c1 ^ c2 ^ c3
^ … ^ cn) → C(N).
Die Bedingungen für die unmittelbare Anwendbarkeit unionsrechtli-
cher Individualberechtigungen, die der EuGH im Fall van Gend en
Loos aufgestellt hat, sind die folgenden:837
1. Die Rechtssubjektivität des Einzelnen muss vom Unionsrecht prin-
zipiell anerkannt sein, sodass die betreffende unionale Rechtsnorm
von ihrer Rechtsnatur her fähig ist, Rechte und/oder Pflichten des
Einzelnen zu begründen (c1).
2. Die betreffende Rechtsnorm muss von ihrem Inhalt her geeignet
sein, Rechte des Einzelnen zu begründen (c2).
Die Bedingung c1 ist für das Unionsrecht stets erfüllt.838 Die Bedingung
c2 ist allgemein erfüllt, wenn die betreffende Bestimmung inhaltlich hin-
reichend genau, also „vollständig und rechtlich vollkommen“ (c2a) und
unbedingt ist (c2b) sowie keines weiteren Aktes zu ihrer Aktualisierung
bedarf (c2c).839 Im Falle der Individualberechtigung muss noch der Um-
stand hinzutreten, dass die betreffende Norm die Verleihung eines sub-
jektiven Rechts bezweckt. Im folgenden wird die allgemeine Frage der
unmittelbaren Anwendbarkeit von Unionsrecht behandelt, unabhängig
davon, ob die betreffende Norm ein subjektives Recht zu verleihen be-
zweckt. Das ist nämlich keine zwingende Voraussetzung dafür, dass ei-
ne Norm als unmittelbar anwendbar bezeichnet werden kann. Unmit-
837
Das Folgende fußt leicht abgewandelt auf E. Klein, Unmittelbare Gel-
tung, Anwendbarkeit und Wirkung von Europäischem Gemeinschaftsrecht,
S. 16 f. Siehe auch allgemein zur unmittelbaren Anwendbarkeit völkerrechtli-
cher Normen Keller, Rezeption des Völkerrechts, S. 13 ff. In Bezug auf die Fra-
ge der unmittelbaren Wirkung von Beschlüssen des WTO-Streitbeilegungsor-
gans im Unionsrecht vgl. von Bogdandy, in: Dörr, Ein Rechtslehrer in Berlin,
S. 1 (8 ff.).
838
EuGH, Rs. 26/62, van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 (24 f.).
839
EuGH, Rs. 26/62, van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 (25 f.); Rs. 57/65,
Lütticke, Slg. 1966, S. 258 (266); Rs. 8/81, Becker, Slg. 1982, S. 53, Rn. 25; Rs. C-
141/00, Kügler, Slg. 2002, S. I-6833, Rn. 51. Siehe auch Ipsen, Europäisches
Gemeinschaftsrecht, Rn. 5/56 f.; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht un-
ter europäischem Einfluss, S. 58; Oppermann, Europarecht, Rn. 629; Uerp-
mann, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 339 (346 f.). Zu die-
ser „‚Kondensierung’ des zweiten Prüfungsschritts“ (von Bogdandy, in: Dörr,
Ein Rechtslehrer in Berlin, S. 1 (10), Fn. 22) aus jüngerer Zeit näher: EuGH,
verb. Rs. C-465/00, C-138/01 und C-139/01, ORF, Slg. 2003, S. I-4989,
Rn. 100.
254 5. Kapitel
840
Statt vieler Uerpmann, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht,
S. 339 (347).
841
Kunzmann/Burkard/Wiedmann, dtv-Atlas zur Philosophie, S. 211; Willi-
ams, in: Honderich, Oxford Companion to Philosophy, Eintrag „quantifier“,
S. 737 („universal quantifier“).
842
Mit den klassischen deontischen Funktoren (siehe Fn. 835) kann man dies
so fassen: (∀N) [(c2a ^ c2b ^ c2c) → Op], wobei p hier allgemein für den Satz steht:
„N ist unmittelbar anwendbar“ und O für den Satz „Es ist geboten, dass...“.
843
Luhmann, in ders., Ausdifferenzierung des Rechts, S. 113 (140 ff.) =
Luhmann, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 1 (1970), S. 175
(193 ff.).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 255
NuA ist ohne eine Norm Nx, auf die sie sich bezieht, ohne Aussage, ist al-
so stets transitiv.
Auch die Sanktion ist ein Rechtssatz NS, der besagt: „Auf ein bestimm-
tes Verhalten bx soll eine bestimmte Reaktion px erfolgen.“, wobei p die
aktualisierte oder durchgeführte Sanktion ist.844 Weinberger schreibt:
„Die Sanktion ist eine gesollte Folge, die durch Pflichtverletzung be-
dingt ist […]. Soweit die Sanktion auch Tatsache ist, ist sie Realisati-
on dieses Sollens (gesollte und durchgeführte Sanktion).845
Die Sanktion ist – mit Theodor Geiger – eine an die Sanktionsinstanz
gerichtete „sekundäre Reaktionsnorm“.846 Kelsen hat diesen Umstand –
etwas anders – in die folgenden Worte gefasst:
„Wenn eine Gesellschaftsordnung, wie die Rechtsordnung, ein Ver-
halten dadurch gebietet, dass sie für den Fall des gegenteiligen Ver-
haltens eine Sanktion als gesollt statuiert, kann man diese Sachlage in
einem Satze beschreiben, der aussagt, dass im Falle eines bestimmten
Verhaltens eine bestimmte Sanktion eintreten soll. […] Das Gesollt-
sein der Sanktion schließt das Verboten-sein des Verhaltens, das ihre
spezifische Bedingung ist, das Geboten-sein seines Gegenteils in
sich. Dabei ist zu beachten, dass mit „Geboten“- oder „Verboten“-
sein eines bestimmten Verhaltens nicht das Gesollt-sein dieses Ver-
haltens oder seines Gegenteils, sondern das Gesollt-sein der Folge
dieses Verhaltens, das ist: der Sanktion, gemeint ist. Das gebotene
Verhalten ist nicht das gesollte Verhalten; gesollt ist die Sanktion.
Das Geboten-sein eines Verhaltens bedeutet, dass das Gegenteil die-
ses Verhaltens Bedingung des Gesollt-seins der Sanktion ist.“847
Die Sanktion S teilt als Rechtssatz mit dem der unmittelbaren Anwend-
barkeit das Schicksal, dass sie ohne Bezug auf eine andere Norm ohne
Aussage ist, denn allgemein gilt: (c1 ^ c2 ^ c3 ^ ... ^ cn) → NS, oder in
Worten: „Wenn die Bedingungen c1, c2, c3, ..., cn erfüllt sind, gilt die
Norm NS, die besagt, dass die Sanktion S verhängt werden soll“.848 Die
844
Weinberger, ARSP 84 (1998), S. 263 (265).
845
Weinberger, in: Lenk, Normenlogik, S. 89 (94) [Hervorhebung im Origi-
nal].
846
Th. Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 169 ff.
847
Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 26.
848
Mit den klassischen deontischen Funktoren (siehe Fn. 835) kann man dies
so fassen: (c1 ^ c2 ^ c3 ^ ... ^ cn) → Op, wobei p hier allgemein für den Satz steht:
„Es wird eine Sanktion verhängt“ und O für den Satz „Es ist geboten, dass...“.
256 5. Kapitel
Bedingung für die Verhängung einer Sanktion ist das Verhalten bx, wel-
ches in der Nichterfüllung der bestimmten Norm Nx liegt. Das die
Norm erfüllende Verhalten bx sei n, während das die Norm verletzende
Verhalten ¬ n sei.849 Dann hat dies zur Folge: ¬ n → NS,850 oder in Wor-
ten: Wenn ein die Norm Nx verletzendes Verhalten ¬ n vorliegt, soll die
Sanktion S verhängt werden.851 Die Sanktion hängt also immer von ei-
ner verletzten Norm ab. Als Rechtssatz ist sie demnach ebenso transitiv
wie die unmittelbare Anwendbarkeit als Rechtssatz.
Es sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nicht gilt: „Wenn das
normverletzende Verhalten vorliegt, dann hat dies die Sanktion zu Fol-
ge“, also ¬ n → S, da in diesem Fall die Sanktion die logische Folge des
normverletzenden Verhaltens wäre. Das ist aber nicht zwingend der
Fall, da noch ein Verhalten des sanktionierenden Subjekts erforderlich
ist, welches aus verschiedenen Gründen unterbleiben kann.852 Vielmehr
hat ¬ n die Folge, dass das sanktionierende Subjekt eine Sanktion ver-
hängen soll. Das verdeutlicht den normativen Charakter des Sanktions-
begriffs.853
Die Sanktion, die auf einen Rechtsbruch folgt, ist somit ebenso als
Rechtssatz zu verstehen wie die unmittelbare Anwendbarkeit einer
Norm. Deontisch sind sie sich ähnlich. Es ist also aus normlogischen
Gesichtspunkten nicht ausgeschlossen, die unmittelbare Anwendbar-
keit als Sanktion zu verstehen.
849
In der deontischen Literatur wird das normverletzende Verhalten auch
non-n geschrieben.
850
Bzw. mit den klassischen deontischen Funktoren (siehe Fn. 835): ¬ n →
Op, wobei p hier allgemein für den Satz steht: „Es wird eine Sanktion verhängt“
und O für den Satz „Es ist geboten, dass...“.
851
Siehe näher Weinberger, in: Lenk, Normenlogik, S. 89 (100 f.).
852
Weinberger, in: Lenk, Normenlogik, S. 89 (101).
853
Weinberger, in: Lenk, Normenlogik, S. 89 (108).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 257
854
EuGH, Rs. 152/84, Marshall, Slg. 1986, S. 723, Rn. 48; verb. Rs. 372-
374/85, Traen, Slg. 1987, S. 2141, Rn. 24; Rs. 14/86, Pretore di Salò/X, Slg. 1987,
S. 2545, Rn. 19; Rs. 80/86, Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, S. 3969, Rn. 13;
Rs. C-91/92, Faccini Dori, Slg. 1994, S. I-3325, Rn. 20 ff. Ausführlich und diffe-
renziert Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Ein-
fluss, S. 82 ff. Zweifel am Fortbestand dieser Doktrin erhielten Nahrung durch
verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, Pfeiffer u.a., Slg. 2004, S. I-8835, Rn. 110 ff.
Siehe aber klarstellend verb. Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02, Berlusconi
u.a., Slg. 2005, S. I-3565, Rn. 72 ff.
855
Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 74; W. Schroeder, JuS 2004, S. 180 (186); Streinz, ZEuS 2004, S. 387 (411 f.).
856
Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss,
S. 74 ff.; Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (150 f.).
857
BVerfG, Beschluss vom 8.4.1987, 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (240 f.);
unter Verweis auf seinen Milchpulver-Beschluss vom 9.6.1971, 2 BvR 255/69,
BVerfGE 31, 145 (174 f.).
858
Kritisch wie hier W. Schroeder, Das Gemeinschaftsrechtssystem, S. 462 f.
258 5. Kapitel
859
Weiler, JCMSt 21 (1982), S. 39 (42 f.).
860
EuGH, Rs. 6/64, Costa, Slg. 1964, S. 1253, S. 1269 f.
861
So vor allem Weiler, Yale LJ 100 (1991), S. 2403 (2413 f.). E. Stein, AJIL
75 (1981), S. 1 (3 ff.). Dazu kritisch Schilling, Harvard International Law Jour-
nal 37 (1996), S. 389 (396 ff.). Hiergegen wiederum Weiler/Haltern, Harvard In-
ternational Law Journal 37 (1996), S. 411 (420 ff.). Siehe auch von Bogdandy, in:
ders., Europäisches Verfassungsrecht, S. 149 (164); Brunkhorst, Demokratie
ernst genommen, S. 4, 8 f.; Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche
Verfassung im transnationalen Konstitutionalisierungsprozess, S. 265 f., 321 f.,
341 f., 741, 998 ff.; Haltern, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht,
S. 803 (805); Möllers, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 1
(48), Pescatore, ELRev. 8 (1983), S. 155 (158); Petersmann, JIEL 2 (1999), S. 189
(220 f.). Deutlich auch bereits Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht,
Rn. 2/52: unmittelbare Anwendbarkeit als Teil des verfassungsrechtlichen Prin-
zips der Supranationalität.
862
EuGH, Rs. 26/62, van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 (25).
863
EuGH, Gutachten 1/91, EWR I, Slg. 1991, S. I-6079, Rn. 21.
864
Dazu näher Möllers, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht,
S. 1 (9 ff., 47 ff.). Knapp und präzise zur WTO: Stoll/ Schorkopf, WTO,
Rn. 773.
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 259
865
Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 61 (62); Fischer-Lescano, ARSP 88 (2002),
S. 349 (374 f.); Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche Verfassung im
transnationalen Konstitutionalisierungsprozess, S. 321 f.; Habermas, in: ders.,
Der gespaltene Westen, S. 113 (136 ff.); Kunig, AVR 41 (2003), S. 327 (333 f.);
Möllers, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 1 (47); Pereira-
Menaut, Tulane European & Civil Law Forum 18 (2003), S. 75 (86) („negative
constitutionalism“); Thürer, AVR 41 (2003), S. 314 (316 ff.). Zum herrschafts-
begründenden Aspekt der Konstitutionalisierung näher Möllers, in: von Bog-
dandy, Europäisches Verfassungsrecht, S. 1 (4 ff.). Ebenso für das inter- und
transnationale Recht aus systemtheoretischer Perspektive – wenn auch weniger
auf die Begründung von Herrschaft ausgerichtet als auf die Verrechtlichung
(verstanden als die autopoietische Begründung von Recht in) einer „Vielheit
von autonomen weltgesellschaftlichen Teilsystemen“ –, Teubner, ZaöRV 63
(2003), S. 1 (6, 13 ff.); Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (720 ff., 738 ff.).
Zur lex mercatoria siehe ausführlich Zumbansen, RabelsZ 67 (2003), S. 637 ff.
866
Zur Bedeutung des Individuums für den Prozess der Konstitutionalisie-
rung näher Frowein, Völkerrecht – Menschenrechte – Verfassungsfragen
Deutschlands und Europas, S. 173 (183 ff.); Habermas, in: ders., Der gespaltene
Westen, S. 113 (122 ff.); Thürer, AVR 41 (2003), S. 314 (325); Petersmann, JIEL
2 (1999), S. 189 (232 f.), der Konstitutionalisierung letztlich als Juridifizierung
im Sinne der Schaffung verbindlicher Streitschlichtungsmechanismen durch
Dritte (De Bièvre, Governance in International Trade, S. 2), also als Vergericht-
lichung, versteht. Siehe auch Schilling, Jean Monnet Working Paper 06/05, pas-
sim, der Konstitutionalisierung ausschließlich als Übertragung des im moder-
nen Verfassungsstaat erreichten Menschenrechtsschutzes auf internationale
Rechtsstrukturen begreift und den Begriff damit in zweierlei Hinsicht zu eng
fasst.
867
Tietje, DVBl. 2003, S. 1081 (1088). Siehe auch Tomuschat, RdC 281
(1999), S. 9 (72 ff., insbesondere 77 ff.), unter der Perspektive der internationa-
len Gemeinschaft; ebenso Kokott/Doehring/ Buergenthal, Völkerrecht, Rn. 34;
dazu Nettesheim, JZ 2002, S. 569 (569 f., 572); von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003),
S. 853 (864 f.).
260 5. Kapitel
868
Habermas, in: ders., Der gespaltene Westen, S. 113 (176), schreibt etwas
abgeschwächter, dass „die postnationale Konstellation einer fortschreitenden
Konstitutionalisierung des Völkerrechts auf halbem Wege entgegen“ komme.
869
von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853 (857).
870
Beck, Risikogesellschaft, S. 48 ff. Zum schillernden Begriff der Globalisie-
rung näher von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853 (854 ff.); Kadelbach, ZaöRV
64 (2004), S. 1 (3 ff.).
871
Beck, Risikogesellschaft, S. 63. So auch für das internationale Umwelt-
recht Wolfrum/Matz, Conflicts in International Environmental Law, S. 159 ff.
Siehe aus ökonomischer Perspektive beschreibend Stiglitz, Die Schatten der
Globalisierung, S. 23 f.: „engere Verflechtung von Ländern und Völkern der
Welt, die durch die enorme Senkung von Transport- und Kommunikationskos-
ten herbeigeführt wurde, und die Beseitigung künstlicher Schranken für den
ungehinderten grenzüberschreitenden Strom von Gütern, Dienstleistungen,
Kapital, Wissen und (in geringerem Grad) Menschen“, mit der Folge: „globale
Politikgestaltung ohne globale Regierung“, ebd., S. 36 [Hervorhebung im Ori-
ginal].
872
F. Müller, KJ 2004, S. 194 (194 ff.).
873
Brunkhorst, Solidarität, passim, für hier insbesondere S. 105 f., 159, 166,
180. Ausführlich auch Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, passim.
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 261
Siehe weiter Stiglitz, Die Schatten der Globalisierung, S. 256 ff. Differenziert
Ladeur, EUI Working Paper LAW No. 2003/4, S. 1 ff.
874
Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 61 (63 f.). Zum internationalen Umwelt-
recht instruktiv Wolfrum/Matz, Conflicts in International Environmental Law,
S. 4 ff.; Kokott/Doehring/ Buergenthal, Völkerrecht, Rn. 377.
875
So Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (63 f., 80, 85); Giegerich, Europäische
Verfassung und deutsche Verfassung im transnationalen Konstitutionalisie-
rungsprozess, S. 7; F. Müller, KJ 2004, S. 194 (199). Siehe auch zur Bedeutung
der Menschenrechte für das „Rechtssystem der Weltgesellschaft“ Luhmann,
Das Recht der Gesellschaft, S. 574 ff., der aber eine Konstitutionalisierung im
Sinne einer Verfassungsgebung für die Weltgesellschaft pauschal ausschließt,
ebd., S. 582: „die strukturelle Kopplung des politischen Systems und des
Rechtssystems über Verfassungen [hat] auf der Ebene der Weltgesellschaft keine
Entsprechung“. Ausführlich zur Weltgesellschaft Luhmann, Die Gesellschaft
der Gesellschaft, S. 145 ff.
876
Auch wenn hier angesichts der bestehenden Beschränkungen rechtlicher
wie faktischer Natur noch nichts zu besorgen ist. Zu den rechtlichen Beschrän-
kungen gehört der Gedanke, dass das Völkerstrafrecht „in erster Linie die fried-
liche Koexistenz der Staaten gegen schwerste Beeinträchtigungen zu sichern“
habe, sowie seine Subsidiarität gegenüber dem staatlichen Strafanspruch,
Triffterer, in: Hankel/Stuby, Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, S. 169
(175, 200) [Hervorhebung hinzugefügt]. Zu den faktischen Beschränkungen ge-
hört der Umstand, dass die Staaten nach wie vor behutsam mit diesem Instru-
ment umgehen, wie nicht erst die Verhandlungen zur Einrichtung eines Ständi-
gen Internationalen Strafgerichtshofs gezeigt haben, Tomuschat, in:
Hankel/Stuby, Strafgerichte gegen Menschheitsverbrechen, S. 270 (274).
262 5. Kapitel
877
Ausführlich für das WTO-Recht von Bogdandy, in: Dörr, Ein Rechtsleh-
rer in Berlin, S. 1 (11 ff.).
878
EuGH, Rs. C-93/02 P, Biret International/Rat, Slg. 2003, S. I-10497; so-
wie Rs. C-94/02 P, Établissements Biret/Rat, Slg. 2003, S. I-10565. Die Rand-
nummern weichen in den beiden Urteilen und den Schlussanträgen nur in ihrer
Nummerierung voneinander ab, sind aber in den Rechtsfragen übereinstim-
mend. Im Folgenden werden – im Anschluss an von Bogdandy, in: Dörr, Ein
Rechtslehrer in Berlin, S. 1 (2), Fn. 4 – die Randnummern der Ausführungen
von EuGH und Generalanwalt in der Rs. C-94/02 P herangezogen.
879
Im Sinne eines solchen „organrechtszentrierten Ansatzes“ lassen sich die
Ausführungen in den Schlussanträgen des GA Alber, in: Rs. C-94/02 P, Établis-
sements Biret/Rat, Slg. 2003, S. I-10565, Rn. 71, lesen. Eine andere Möglichkeit
wäre es gewesen, die Schutznorm in der abstrakten vertraglichen „Norm in dem
von der Entscheidung erfassten Sachverhalt“ zu sehen, wie es wohl der EuGH,
Rs. C-94/02 P, Établissements Biret/Rat, Slg. 2003, S. I-10565, Rn. 60, in einem
„Verbundansatz“ tat. Ausführlich und begriffsbildend von Bogdandy, in: Dörr,
Ein Rechtslehrer in Berlin, S. 1 (6 ff.).
880
So die Zusammenfassung der Schlussanträge des GA Alber, in: Rs. C-
94/02 P, Établissements Biret/Rat, Slg. 2003, S. I-10565, Rn. 70 ff., insbes.
Rn. 74, bei von Bogdandy, in: Dörr, Ein Rechtslehrer in Berlin, S. 1 (10 f.).
Anwendungen des unionalen Sanktionsbegriffs 263
881
Schlussanträge des GA Alber, in: Rs. C-94/02 P, Établissements Biret/Rat,
Slg. 2003, S. I-10565, Rn. 103.
882
EuGH, Rs. C-94/02 P, Établissements Biret/Rat, Slg. 2003, S. I-10565,
R. 60 ff.
883
Näher von Bogdandy, in: Dörr, Ein Rechtslehrer in Berlin, S. 1 (11 ff.,
20 f.). Anders Zonnekeyn, JIEL 6 (2003), S. 761 (765 f.).
884
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 195.
264 5. Kapitel
3. Zwischenergebnis
Der im Rahmen dieser Studie herausgearbeitete europarechtliche Sank-
tionsbegriff erfasst nach alledem nicht die unmittelbare Anwendbarkeit
des Gemeinschaftsrechts. Letztere hat eine rechtsschutzspezifische
Ausrichtung. Hiervon zu unterscheiden ist die im 2. Kapitel aufgezeigte
rechtsschutzspezifische Funktion der gerichtlichen Feststellung, dass
eine Sanktion vorliegt. Die unmittelbare Anwendbarkeit ist Rechts-
schutz, während der Sanktionsbegriff Rechtsschutz eröffnen soll.
A. Zusammenfassung
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 265
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_6,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
266 Zusammenfassung und Ausblick
Auf dieser Grundlage wurde festgestellt, dass sich der Begriff der Sank-
tion in den Akten des abgeleiteten Rechts größtenteils mit den in der
Sanktionsverordnung gegebenen Indizien deckt. Trotzdem existieren
weiterhin auch andere Begriffsbestimmungen, die nicht von dem Ver-
ständnis erfasst sind, welches die Sanktionsverordnung indiziell sowie
negativ abgrenzend nahe legt.
Einige Kernelemente eines Sanktionsverständnisses im abgeleiteten
Recht ließen sich ausmachen: Alle betreffenden Maßnahmen ergehen als
Reaktion auf ein unionsrechtlich unerwünschtes Fehlverhalten einer na-
türlichen oder juristischen Person. In den untersuchten Normtexten
kristallisierte sich weiter als hervorstechendes Merkmal der Normen,
die als Sanktionen verstanden wurden, heraus, dass sie präventive und
zumeist auch repressiv-punitive Wirkung zeitigen sollen. Dagegen wer-
den restitutive Maßnahmen grundsätzlich als „verwaltungsrechtliche
Maßnahmen“ oder ähnliches bezeichnet. Typische repressive Maßnah-
men sind die Geldbuße bzw. Zahlungspflichten, die in ihrer Wirkung
einer Geldbuße gleichkommen, der Entzug von Zulassungen oder
Zwangsgelder. Daneben wird die spezialpräventive Wirkung der Maß-
nahmen, insbesondere beim Entzug einer Zulassung, relevant. Im Recht
der Fischerei wird mit dem Entzug von rechtswidrigen Fängen auch ei-
ne restitutive Maßnahme als Sanktion bezeichnet.
Die Bezeichnungen stehen in den überwiegenden Fällen in Überein-
stimmung mit den in der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 über
den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaf-
ten getroffenen Differenzierungen. Das bedeutet, dass die Bestimmun-
gen der Sanktionsverordnung einen tauglichen Ausgangspunkt für die
Definition eines einheitlichen Begriffs der Sanktion im Unionsrecht
bieten. Einzelne Abweichungen konnten festgestellt werden, das kann
allerdings nicht zu einer anderen Einschätzung führen. Vielmehr ist –
wie sich später herausstellte: in Einklang mit der Rechtsprechung – da-
von auszugehen, dass der Sanktionsbegriff der Sanktionsverordnung
auch de lege ferenda maßstabsbildend bleibt. Diese rechtspolitische
These kann rechtsdogmatisch nur Bestand haben, sofern sie auch mit
der Rechtsprechung der europäischen Gerichte in Einklang gebracht
werden kann.
Im folgenden Abschnitt wurde deswegen die Rechtsprechung der Eu-
ropäischen Gerichte daraufhin untersucht, welches Sanktionsverständ-
nis ihren Urteilen zu entnehmen ist (4. Kapitel C). Zusammenfassend
ließ sich feststellen, dass der Begriff der Sanktion, wie er von den euro-
päischen Gerichten verwendet wird, mit seiner über die rein restitutive
hinausgehenden repressiv-punitiven Wirkung in Einklang mit dem
Zusammenfassung und Ausblick 269
B. Ausblick
885
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 356.
886
von Bogdandy, JZ 2005, S. 529 (532).
887
Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Abschnitt 570, S. 452.
Zusammenfassung und Ausblick 271
888
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 385.
889
Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S. 387.
890
Siehe nur Kirchhof, in: von Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht,
S. 893 (914); vgl. auch Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Rn. 2/51; von
Bogdandy, integration 1993, S. 210 (211); Oppermann, Europarecht, Rn. 689,
607, 725; Möllers, Staat als Argument, S. 272 ff.; 392; F.C. Mayer, in: Schup-
pert/Pernice/Haltern, Europawissenschaft, § 14, S. 429 (479 f.). Dagegen jetzt
Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, S. 9 (11 ff.);
siehe auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 112 f.
272 Zusammenfassung und Ausblick
891
Hierzu und zum Folgenden ausführlich Bitter, in: Zuleeg, Raum der
Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, S. 9 (13 ff.).
892
Möllers, Staat als Argument, S. 276 f.
893
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 112.
894
Dazu ausführlich Fischer-Lescano/Teubner, Regime-Kollisionen, passim,
insbesondere S. 41 ff.; Hanschmann, in: Buckel/Christensen/Fischer-Lescano,
Neue Theorien des Rechts, S. 347 (359 f.).
895
Bitter, in: Zuleeg, Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, S. 9
(13); gestützt auf EuGH, Rs. C-478/93, Niederlande/Kommission, Slg. 1995,
S. I-3081, Rn. 39; verb. Rs. C-106/90, C-317/90 und C-129/91, Emerald
Meats/Kommission, Slg. 1993, S. I-209, Rn. 39; dazu Kadelbach, in: Jo-
Zusammenfassung und Ausblick 273
geteilten Rechtsmacht nicht von „Peripherie“ die Rede sein sollte, son-
dern vielmehr von einem polyzentrischen System, innerhalb dessen die
Geltung einheitlicher Rechtsgrundsätze bei der Durchsetzung des Uni-
onsrechts zentripetale Wirkung zeitigt.900 Der Schutz der Vielfalt inner-
halb der Europäischen Union muss sich gerade auch beim Schutz der
Individualrechte bewähren. Umso wichtiger ist es, einen überzeugen-
den Anknüpfungspunkt für unionale Grundrechtsgarantien zu finden,
der das unionale Primärrecht („nur“) als Teilverfassung im europäi-
schen Verfassungsraum anerkennt und die nach Art. 6 Abs. 3 EU ge-
schützte Verfassungsautonomie der Mitgliedstaaten respektiert.901
Dem unionalen Sanktionsbegriff kommt demnach nicht nur eine be-
deutende Wirkung im unionalen Rechtsschutzsystem für die Rechts-
subjekte zu, sondern darüber hinaus auch eine nicht zu unterschätzende
Rolle bei der weiteren Integration der europäischen Rechtsgemein-
schaft.
900
Ebd., S. 193.
901
Siehe das Monitum bei von Bogdandy/Bitter, in: FS Zuleeg, S. 309
(321 f.).
Summary
The object of this study was to examine the term “sanction” as a legal
term in the law of the European Union and its function within the sys-
tem of remedies foreseen by European Union law (“EU law”). The ne-
cessity to define the “sanction” from a European law perspective de-
rives from the fact that there is a variety of areas within EU law where
the term plays an important role. To name but a few: the substantial
fines of competition law according to Articles 81 et seq. EC (now Arti-
cles 101 et seq. Treaty on the Functioning of the European Union,
TFEU) and the respective regulations, the innovative measures pro-
vided for by European agricultural law, or the lump sums and penalty
payments imposed upon defaulting Member States according to Arti-
cle 228 para 2 EC (now Article 260 para 2 TFEU).
Although a reader, especially one learned in legal doctrine, may be able
to identify a single measure as a sanction, an explicit and coherent un-
derstanding of what constitutes a sanction in EU law is yet to be found.
However, in light of the impact a sanction may have on the person con-
cerned, such a coherent understanding is desirable, not least because it
would facilitate a coherent system of legal protection. Thus, the overall
aim of the analysis is the definition of the unional concept of “sanc-
tion”.
Chapter 1 examined whether legal philosophy, legal theory and legal
sociology could provide insights into the nature of a sanction, i.e. what
elements are essential for a measure to be characterised as a sanction. In
this context, the function of sanctions for the application and effective-
ness of law in general was examined. This analysis revealed that the de-
finition of a sanction is as controversial and unsettled in these subjects
as it is in the literature on EU law. The debate about the meaning and
function of sanctions in law is made even more confusing because some
authors use the term synonymously with coercion. Coercion, however,
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 275
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7_7,
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by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht,
Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2011. All Rights Reserved.
276 Summary
primary law assumes that sanctions and coercive measures are to be un-
derstood synonymously.
Secondary EU law provides important reference points for determining
the definition of the term “sanction” in EU law. The most important
starting point can be found in Council Regulation (EC, Euratom)
No 2988/95 of 18 December 1995 on the protection of the European
Communities financial interests (“PFI Regulation”) (Chapter 4 B.II).
The intent of this framework regulation is to establish common hori-
zontal rules governing the application of sanctions for the protection of
the Union’s financial interests. It thus lends itself to establishing a gen-
eral definition of the term “sanction” for the whole of EU law, even if it
only relates specifically to the protection of financial interests. The
analysis showed that the PFI Regulation uses an underlying concept ac-
cording to which a “sanction” is a measure which goes beyond merely
restoring legality – and which is not merely restitutive. However, the
Regulation is not exhaustive, but rather also acknowledges the possibil-
ity of imposing other sanctions of an economic type. Given that the PFI
Regulation assumes that its notion of a “sanction” has broader applica-
tion within EU law, it can be drawn on as an important indication of
what the term means within the EU’s legal system.
On this basis it was established that the term “sanction” as used in the
documents of secondary law largely corresponded to the clues set forth
in the PFI Regulation. Nonetheless, there still exist other notions of
“sanction” in secondary law, which are not covered by the notion of the
PFI Regulation.
Some key elements of what is to be understood by the term “sanction”
could be discerned in secondary law: all respective measures are
adopted as a response to misconduct by a natural or legal person, which
is objectionable under Union law. Another striking aspect emerged
from the examination of the provisions regarded as being sanctions:
they are intended to have a preventive-deterrent as well as repressive-
punitive effect. Restitutive measures, on the other hand, are generally
called “administrative measures” or something similar. Fines and other
payment obligations, which amount to a fine in respect of their effects,
the withdrawal of licences and penalty payments are typical repressive
measures. In addition, the specific deterrent effect of the measures, in
particular of the withdrawal of licences, is also of relevance. In fisheries
law, the seizure of illegal catches, which represents a restitutive mea-
sure, is designated as a sanction.
The terminology corresponds in most cases to the differentiation used
in the PFI Regulation. This means that the provisions of the PFI Regu-
Summary 279
Beschluss 75/250/EWG des Rates vom 21. April 1975 über die Defini-
tion und Umrechnung der Europäischen Rechnungseinheit, in
der die in Artikel 42 des AKP-EWG-Abkommens von Lomé ge-
nannten Beträge der Hilfe ausgedrückt sind, ABl. 1975, L 104,
S. 35.
Beschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober
1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäi-
schen Gemeinschaften, ABl. 1988, L 319, S. 1.
Beschluss Nr. 1513/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-
tes vom 27. Juni 2002 über das Sechste Rahmenprogramm der
Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, techno-
logischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zur Ver-
wirklichung des Europäischen Forschungsraums und zur Inno-
vation (2002–2006), ABl. 2002, L 232, S. 1.
Entscheidung 2000/520/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 gemäß
der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates über die Angemessenheit des von den Grundsätzen des „si-
cheren Hafens“ und der diesbezüglichen „Häufig gestellten Fra-
gen“ (FAQ) gewährleisteten Schutzes, vorgelegt vom Handels-
ministerium der USA, ABl. 2000, L 215, S. 7.
Entscheidung 2007/53/EG der Kommission vom 24. Mai 2004 in einem
Verfahren gemäß Artikel 82 EG-Vertrag und Artikel 54 EWR-
Abkommen gegen die Microsoft Corporation in der Sache
COMP/C-3/37.792 – Microsoft (Bekannt gegeben unter Akten-
zeichen K(2004) 900), ABl. 2007, L 32, S. 23.
Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushalts-
plan der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 1977, L 356, S. 1.
Kommission, Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates über
Kontrollen und Sanktionen im Rahmen der Gemeinsamen Agrar-
und Fischereipolitik, 21.5.1990, KOM (1990) 126 endg., ABl.
1990, C 137, S. 10.
Kommission, Änderung des Vorschlags für eine Verordnung (EWG)
des Rates über Kontrollen und Sanktionen im Rahmen der Ge-
meinsamen Agrar- und Fischereipolitik, 25.10.1991, KOM (1991)
378 endg., ABl. 1991, C 294, S. 17.
S. Bitter, Die Sanktion im Recht der Europäischen Union, Beiträge zum ausländischen 281
öffentlichen Recht und Völkerrecht 222, DOI 10.1007/978-3-642-17354-7,
© by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised
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282 Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts
Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den
Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen
den Mitgliedstaaten, ABl. 2002, L 190, S. 1.
Rahmenbeschluss 2003/80/JI des Rates vom 27. Januar 2003 über den
Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, ABl. 2003, L 29, S. 55.
Rahmenbeschluss 2005/667/JI des Rates vom 12. Juli 2005 zur Verstär-
kung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Ver-
schmutzung durch Schiffe, ABl. 2005, L 255, S. 164.
Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umwelt-
verträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten
Projekten, ABl. 1985, L 175, S. 40.
Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koor-
dinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl.
1989, L 334, S. 30.
Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zu-
gang zu Informationen über die Umwelt, ABl. 1990, L 158, S. 56.
Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allge-
meine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle
verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. 1992, L 76, S. 1.
Richtlinie 92/109/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 über die
Herstellung und das Inverkehrbringen bestimmter Stoffe, die zur
unerlaubten Herstellung von Suchtstoffen und psychotropen
Stoffen verwendet werden, ABl. 1992, L 370, S. 76.
Richtlinie 93/86/EWG der Kommission vom 4. Oktober 1993 zur An-
passung der Richtlinie 91/157/EWG des Rates über gefährliche
Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren an den techni-
schen Fortschritt, ABl. 1993, L 264, S. 51.
Richtlinie 96/22/EG des Rates vom 29. April 1996 über das Verbot der
Verwendung bestimmter Stoffe mit hormonaler bzw. thyreostati-
scher Wirkung und von ß- Agonisten in der tierischen Erzeugung
und zur Aufhebung der Richtlinien 81/602/EWG, 88/146/EWG
und 88/299/EWG, ABl. 1996, L 125, S. 3.
Richtlinie 96/23/EG des Rates vom 29. April 1996 über Kontrollmaß-
nahmen hinsichtlich bestimmter Stoffe und ihrer Rückstände in
lebenden Tieren und tierischen Erzeugnissen und zur Aufhebung
der Richtlinien 85/358/EWG und 86/469/EWG und der Ent-
scheidungen 89/187/EWG und 91/664/EWG, ABl. 1996, L 125,
S. 10.
284 Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts
Verordnung (EWG) Nr. 1889/76 der Kommission vom 29. Juli 1976
über Durchführungsbestimmungen für die Gewährung von Bei-
hilfen für die private Lagerhaltung auf dem Sektor Schweine-
fleisch, ABl. 1976, L 206, S. 82.
Verordnung (EWG) Nr. 355/77 des Rates vom 15. Februar 1977 über
eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbei-
tungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche
Erzeugnisse, ABl. 1977, L 51, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 572/78 der Kommission vom 21. März 1978
mit Durchführungsbestimmungen zur Sonderregelung für die
Einfuhr von zur Verarbeitung bestimmtem gefrorenem Rind-
fleisch sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 597/77,
ABl. 1978, L 78, S. 17.
Verordnung (EWG) Nr. 3180/78 des Rates vom 18. Dezember 1978 zur
Änderung des Wertes der vom Europäischen Fonds für wäh-
rungspolitische Zusammenarbeit verwendeten Rechnungseinheit,
ABl. 1978, L 379, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 262/79 der Kommission vom 12. Februar 1979
über den Verkauf von Butter zu herabgesetzten Preisen für die
Herstellung von Backwaren, Speiseeis und anderen Lebensmit-
teln, ABl. 1979, L 41, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 2784/79 der Kommission vom 12. Dezember
1979 zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu der Ver-
ordnung (EWG) Nr. 1798/75 des Rates über die von den Zöllen
des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen
erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters,
ABl. 1979, L 318, S. 32.
Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur
Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben
des Europäischen Sozialfonds, ABl. 1983, L 289, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 2176/84 des Rates vom 23. Juli 1984 über den
Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht
zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern,
ABl. 1984, L 201, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 2220/85 der Kommission vom 22. Juli 1985 mit
gemeinsamen Durchführungsbestimmungen zur Regelung der
Sicherheiten für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 1985,
L 205, S. 5.
Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts 287
Verordnung (EWG) Nr. 2515/85 der Kommission vom 23. Juli 1985
über die Anträge auf Zuschüsse des Europäischen Ausrichtungs-
und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Abteilung Ausrich-
tung, für Vorhaben zur Verbesserung der Verarbeitungs- und
Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse
und für Erzeugnisse der Fischerei, ABl. 1985, L 243, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 des Rates vom 18. Dezember 1986
über Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpas-
sung der Strukturen im Bereich der Fischerei und der Aquakul-
tur, ABl. 1986, L 376, S. 7.
Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986
über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des
Vertrages auf den Seeverkehr, ABl. 1986, L 378, S. 4.
Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom 27. November
1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhr-
erstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. 1987,
L 351, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates vom 14. Dezember 1987
über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf
Luftfahrtunternehmen, ABl. 1987, L 374, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über
Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordi-
nierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der
Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen
Finanzinstrumente, ABl. 1988, L 185, S. 9.
Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den
Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht
zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern,
ABl. 1988, L 209, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich
der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Struk-
turfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen
der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhande-
nen Finanzinstrumente andererseits, ABl. 1988, L 374, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 4256/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich
des EAGFL, Abteilung Ausrichtung, ABl. 1988, L 374, S. 25.
288 Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts
Verordnung (EWG) Nr. 3906/89 des Rates vom 18. Dezember 1989
über Wirtschaftshilfe für die Republik Ungarn und die Volksre-
publik Polen, ABl. 1989, L 375, S. 11.
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989
über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen,
ABl. 1989, L 395, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 3929/90 des Rates vom 20. Dezember 1990
über Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fisch-
bestände für Schiffe unter schwedischer Flagge (1991), ABl. 1990,
L 378, S. 48.
Verordnung (EWG) Nr. 3944/90 des Rates vom 20. Dezember 1990 zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4028/86 über Gemein-
schaftsmaßnahmen zur Verbesserung und Anpassung der Struk-
turen im Bereich der Fischerei und der Aquakultur, ABl. 1990,
L 380, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 595/91 des Rates vom 4. März 1991 betreffend
Unregelmäßigkeiten und die Wiedereinziehung zu Unrecht ge-
zahlter Beträge im Rahmen der Finanzierung der gemeinsamen
Agrarpolitik sowie die Einrichtung eines einschlägigen Informa-
tionssystems und zur Aufhebung der Verordnung (EWG)
Nr. 283/72, ABl. 1991, L 67, S. 11.
Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 des Rates vom 27. November 1992 zur
Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems
für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen, ABl. 1992,
L 355, S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 3885/91 des Rates vom 18. Dezember 1991
über Maßnahmen zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Fisch-
bestände für Schiffe unter schwedischer Flagge (1992), ABl. 1992,
L 367, S. 48.
Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember
1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwal-
tungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Bei-
hilferegelungen, ABl. 1992, L 391, S. 36.
Verordnung (EWG) Nr. 404/93 des Rates vom 13. Februar 1993 über
die gemeinsame Marktorganisation für Bananen, ABl. 1993, L 47,
S. 1.
Verordnung (EWG) Nr. 2080/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur
Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich
Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts 289
Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über
den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenar-
ten durch Überwachung des Handels, ABl. 1997, L 61, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über be-
stimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des
Euro, ABl. 1997, L 162, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommission vom 29. Juli 1998 zur
Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchfüh-
rungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kon-
trollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen,
ABl. 1998, L 212, S. 23.
Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999
über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstat-
tungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen, ABl. 1999, L 102,
S. 11.
Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die
Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Eu-
ropäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirt-
schaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter
Verordnungen, ABl. 1999, L 160, S. 80.
Verordnung (EG) Nr. 1259/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 zur Fest-
legung von Gemeinschaftsregeln für Direktzahlungen im Rah-
men der Gemeinsamen Agrarpolitik, ABl. 1999, L 160, S. 113.
Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit all-
gemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds, ABl. 1999,
L 161, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1263/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über das
Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei, ABl. 1999,
L 161, S. 54.
Verordnung (EG) Nr. 1264/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 zur Än-
derung der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 zur Errichtung des
Kohäsionsfonds, ABl. 1999, L 161, S. 57.
Verordnung (EG) Nr. 1265/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 zur Än-
derung von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1164/94 zur Er-
richtung des Kohäsionsfonds, ABl. 1999, L 161, S. 62.
Verordnung (EG) Nr. 1266/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 zur Ko-
ordinierung der Hilfe für die beitrittswilligen Länder im Rahmen
der Heranführungsstrategie und zur Änderung der Verordnung
(EWG) Nr. 3906/89, ABl. 1999, L 161, S. 68.
Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts 291
Verordnung (EG) Nr. 1267/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über ein
strukturpolitisches Instrument zur Vorbereitung auf den Beitritt,
ABl. 1999, L 161, S. 73.
Verordnung (EG) Nr. 1268/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 über eine
gemeinschaftliche Förderung für Maßnahmen in den Bereichen
Landwirtschaft und Entwicklung des ländlichen Raumes zur
Vorbereitung des Beitritts der Bewerberländer in Mittel- und
Osteuropa während des Heranführungszeitraums, ABl. 1999,
L 161, S. 87.
Verordnung (EG) Nr. 1784/1999 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 12. Juli 1999 betreffend den Europäischen Sozial-
fonds, ABl. 1999, L 213, S. 5.
Verordnung (EG) Nr. 2792/1999 des Rates vom 17. Dezember 1999 zur
Festlegung der Modalitäten und Bedingungen für die gemein-
schaftlichen Strukturmaßnahmen im Fischereisektor, ABl. 1999,
L 337, S. 10.
Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates vom 6. März 2001 über das
Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen
nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des
Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend
die Taliban von Afghanistan und zur Aufhebung der Verordnung
(EG) Nr. 337/2000, ABl. 2001, L 67, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 2199/2001 der Kommission vom 12. November
2001 zur vierten Änderung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001
des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und
Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des
Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Fi-
nanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan und zur
Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 337/2000, ABl. 2001,
L 295, S. 16.
Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember
2001 mit Durchführungsbestimmungen zum mit der Verordnung
(EWG) Nr. 3508/92 des Rates eingeführten integrierten Verwal-
tungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Bei-
hilferegelungen, ABl. 2001, L 327, S. 11.
Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 über die
Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen ge-
gen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin
Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung
stehen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001
292 Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts
des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und
Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des
Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Fi-
nanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan, ABl. 2002,
L 139, S. 9.
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002
über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Eu-
ropäischen Gemeinschaften, ABl. 2002, L 248, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 2321/2002 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 16. Dezember 2002 über Regeln für die Beteiligung
von Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen an der
Durchführung des Sechsten Rahmenprogramms der Europäi-
schen Gemeinschaft (2002–2006) sowie für die Verbreitung der
Forschungsergebnisse, ABl. 2002, L 355, S. 23.
Verordnung (EG) Nr. 2371/2002 des Rates vom 20. Dezember 2002
über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Fischereires-
sourcen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik, ABl.
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Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur
Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags nieder-
gelegten Wettbewerbsregeln, ABl. 2003, L 1, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit
gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Ge-
meinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelun-
gen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl. 2003, L 270,
S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003
über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, ABl. 2003,
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Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die
Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004,
L 24, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 411/2004 des Rates vom 26. Februar 2004 zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 und zur Ände-
rung der Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 sowie der Verordnung
(EG) Nr. 1/2003 hinsichtlich des Luftverkehrs zwischen der Ge-
meinschaft und Drittländern, ABl. 2004, L 68, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 595/2004 der Kommission vom 30. März 2004
mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr.
Verzeichnis der Akte abgeleiteten Rechts 293
Verordnung (EG) Nr. 1419/2006 des Rates vom 25. September 2006 zur
Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 über die Einzel-
heiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrags auf
den Seeverkehr und zur Ausweitung des Anwendungsbereichs
der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf Kabotage und internationa-
le Trampdienste, ABl. 2006, L 269, S. 1.
Verordnung (EG) Nr. 1713/2006 der Kommission vom 20. November
2006 zur Aufhebung der Vorfinanzierung von Ausfuhrerstattun-
gen für landwirtschaftliche Erzeugnisse, ABl. 2006, L 321, S. 11.
Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 zur
Anpassung einiger Verordnungen, Beschlüsse und Entscheidun-
gen in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesell-
schaftsrecht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft (einschließlich
des Veterinär- und Pflanzenschutzrechts), Verkehrspolitik, Steu-
erwesen, Statistik, Energie, Umwelt, Zusammenarbeit in den Be-
reichen Justiz und Inneres, Zollunion, Außenbeziehungen, Ge-
meinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Organe anlässlich
des Beitritts Bulgariens und Rumäniens, ABl. 2006, L 363, S. 1.
Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1995/2006 des Rates vom 13. Dezem-
ber 2006 zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr.
1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushalts-
plan der Europäischen Gemeinschaften, ABl. 2006, L 390, S. 1.
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Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1085/2006 des Rates
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ABl. 2007, L 170, S. 1.
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besonderen Vorschriften für den Obst- und Gemüsesektor zur
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der Verordnungen (EWG) Nr. 827/68, (EG) Nr. 2200/96, (EG)
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eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sonder-
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213 Rüdiger Wolfrum, Chie Kojima (eds.): Solidarity: A Structural Principle of International
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211 Georg Nolte (ed.): Peace through International Law. The Role of the International Law
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210 Armin von Bogdandy, Rüdiger Wolfrum, Jochen von Bernstorff, Philipp Dann, Matthias
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209 Norman Weiß: Kompetenzlehre internationaler Organisationen. 2009. XVIII, 540 Seiten.
Geb. E 99,95
208 Michael Rötting: Das verfassungsrechtliche Beitrittsverfahren zur Europäischen Union.
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207 Björn Ahl: Die Anwendung völkerrechtlicher Verträge in China. 2009. XIX, 419 Seiten.
Geb. E 289,95
206 Mahulena Hofmann: Von der Transformation zur Kooperationsoffenheit? 2009. XIX, 585
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204 Niels Petersen: Demokratie als teleologisches Prinzip. 2 0 09. XXVII, 280 Seiten. Geb .
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203 Christiane Kamardi: Die Ausformung einer Prozessordnung sui generis durch das ICTY
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202 Leonie F. Guder : The Administration of Debt Relief by the International Financial
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200 Anja Katarina Weilert : Grundlagen und Grenzen des Folterverbotes in verschiedenen
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199 Suzette V. Suarez: The Outer Limits of the Continental Shelf. 2008. XVIII, 276 Seiten.
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193 Doris König, Peter-Tobias Stoll, Volker Röben, Nele Matz-Lück (eds.): International Law To-
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184 Jürgen Bast: Grundbegriffe der Handlungsformen der EU. 2006. XXI, 485 Seiten. Geb.
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183 Uwe Säuberlich: Die außervertragliche Haftung im Gemeinschaftsrecht. 2005. XV, 314
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182 Florian von Alemann: Die Handlungsform der interinstitutionellen Vereinbarung. 2006.
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180 Jeanine Bucherer: Die Vereinbarkeit von Militärgerichten mit dem Recht auf ein faires
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179 Annette Simon: UN-Schutzzonen – Ein Schutzinstrument für verfolgte Personen? 2005.
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178 Petra Minnerop: Paria-Staaten im Völkerrecht? 2004. XXIII, 579 Seiten. Geb. E 99,95
177 Rüdiger Wolfrum, Volker Röben (eds.): Developments of International Law in Treaty Ma-
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176 Christiane Höhn: Zwischen Menschenrechten und Konfliktprävention. Der Minderhei-
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175 Nele Matz: Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge. Völkervertragsrecht-
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174 Jochen Abr. Frowein: Völkerrecht – Menschenrechte – Verfassungsfragen Deutschlands
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