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DIE
GLAUBWÜRDIGKEIT
DES
[RENÄISCHEN ZEUGNISSES
ÜBEE DIE
FESTSCHRIFT
DER K. K. KARL -FRANZENS -UNIVERSITÄT IN GRAZ AUS ANLASZ DER
JAHRESFEIER AM 15. NOVEMBER 1903
GRAZ
LEUSCHNER & LUBENSKY'S
UNIVERSITÄTS -BUCHHANDLUNG
1904
'
2 5766
Massuet 1
) faßt die Stimmen von Jahrhunderten zusammen,
wenn er über das Ansehen und die Bedeutung des heiligen Bischofs
Irenäus von Lyon folgendes Urteil abgibt: 2 ) Quaecunque ad auc-
toritatem scriptoribus ecclesiasticis comparandam praecipua sunt, ea
omnia sanctissimum hunc Lugdunensium episcopum, splendidissimum
quondam Galliae nostrae lumen, commendant. Si antiquitatem spec-
x
) Dom Rene Massuet aus der Kongregation der Mauriner, gestorben als
Professor der Theologie in Saint-Germain-des-Pres am 11. Jänner 1716.
2
)
Praefatio zur Ausgabe der Werke des heil. Irenäus. (Paris 1710. Ab-
gedruckt bei Migne, P. Gr., VII.)
3
)
Hieronymus, in c. LXIV Isa.
4
)
Basilius, Lib. de Spir. s., c. 29.
5
)
Tertullian, Lib. cont. Valent., c. 5.
6
)
Eusebius, Hist. eccl., III, 25.
7
)
Epiphanius, Haer. 31, 33.
A*
7
IV
(
i egenwärtig erachten nicht wenige das Ansehen des Irenäus
als Zeugen der altkirchlichen Überlieferung für beseitigt und erfährt
dessen Aussage über die Johanneische Abfassung des vierten kanoni-
schen Evangeliums lebhaftesten, ja leidenschaftlichsten Widerspruch.
In dieser Hinsicht muß Johannes Kreyenbühl 1
) unbedingt die
Palme zuerkannt werden. Sein Urteil über das Ansehen des Irenäus
in der genannten Frage ist mit maßlos noch mild bezeichnet.
Kreyenbühl redet von „Irenäischer Fiktion", von „leichtsinniger
Flunkerei", von einem „Gespinst von Erfindungen, in das sich
zogen und seinen Inhalt und seine Wirksamkeit zum größten Teil
vernichtet." J
) Das sind nur einige Proben der modernsten Beurteilung
des Irenäus.
Aber auch J. Reville 2 ) urteilt wenig günstiger. Zwar ist er
gerecht genug, um denselben als „le principal temoin u , als „le seul
qui merite d'etre pris en serieuse consideration", als „le plus illustre
defenseur de la tradition catholique primitive" gelten zu lassen.
gobe avec beatitude les traditions les plus stupides." „Est-il exagere
nicht nur des höchsten Interesses wegen, das der Gegenstand an sich
darbietet, sondern insbesondere auch mit Rücksicht darauf, daß die
namentlich seit Zahns Verteidigung gegen Irenäus geführten An-
griffe, soviel ich sehe, die gebührende Würdigung, wenigstens auf
katholischer Seite, 5 ) noch nicht gefunden, und wohl auch deshalb,
weil Zahns Darlegungen eines allseitigen und durchschlagenden Er-
1897, S. 657.
5
)
Sieh A. Ehrhard, Die altchristliche Literatur und ihre Erforschung
von 1884—1900, 1. Abt., S. 113. Zeitschrift für katholische Theologie, 1900, S. 127 f.
VI
Seite
Vorwort III
et vidit et gavisus est. — Quin- fjfjsSQav tr\v e^fjv, xai slösv xai
quaginta annos nondum habes et sxdgrj. — Hsvtrjxovta strj ovjtco
Abraham vidisti? £%eig xai Äßoadjbt scooaxag;
III, 11, 1: In principio erat ver- I, 1 — 5: °Ev ägxfj fjv ° köyog xai
bum et verbumapud deum
erat 6 Xoyog fjv Jigog tbv iJsbv xai frsbg
et deus erat verbum. Hoc erat fjv 6 Xöyog, Ovtog fjv sv dgxfj Jigbg
in principio apud deum. Omnia Hdvta 1
tbv &sov. di avtov sysvsto,
per ipsum facta sunt, et sine ipso xai %(öoig avtov syevsto ovös ev
factum est nihil. Quod factum Ö ysyovsv. 'Ev avtcö £cor) fjv, xai
est, in ipso vita erat, et vita i) £cor) rjv tö g)(bg tolv dvfigojjzoyv.
erat lux hominum, et lux in te- Kai tö (füg sv tfj oxotla (palvst,
Über das Alter und den Wert der lateinischen Übersetzung des Irenäischen
x
)
ceperunt eum, dedit illis pote- l&haßov avtbv, Mcoxbv avtolg i-g-
stastem, filios Dei fieri, bis, qui ovatav tsxva $sov yeveöfiai, tolg
credunt in nomine eius. Et — motsvovoiv eig tb övo/jba avtov. —
verbum caro factum est et habi- Kai ö Xöyog ociq^ sysveto xai
tavit in nobis, et vidimus glo- faxi'ji'ioasv sv fjiiiv, xai zihaod-
riam eius, gloriam quasi unigeniti fiE&a T))i> dö^av avtov, öö^av (oc
)
ßalvco jTobg rbi> jtav&oa fiov xai
natsga v(j,0)i>.
l
) Außerdem werden noch folgende Verse des vierten Evangeliums ganz
oder teilweise zitiert: I, 1-3 (V, 18, 2); I, 3 (I, 22, 1; II, 2, 5; III, 8, 3;
III, 21, 10); I, 6-8 (III, 11, 4); I, 10 f. (III, 11, 2); I, 13 (III, 19, 2); I, 14 (I, 9, 2;
III, 11, 3; 16, 8; 19, 1); I, 16 (III, 10, 3); I, 18 (III, 11, 6; IV, 20, 6. 11); I, 29 (III,
10, 3); I, 47. 49 (III, 11, 6); I, 50 (IV, 9, 2); II, 3-10 (III, 11, 5); II, 3 (III, 16, 7);
11, 19, (V, 6, 2); II, 21 fV, 6, 2); II, 23 (II, 22, 3); II, 26 (III, 9, 3); III, 18 (V, 27, 2);
III. 36 (IV, 37, 5); IV. 6 (III, 22, 2 ;
IV. 7 (III. 17, 2); IV, 35 (IV, 23, 1); IV, 41 (IV,
i 7 : IV, 50 (II, 22, 3); V, 2 (II, 24, 4); V. 5 (II, 23. 2); V, 6 ff. (II. 22, 3); V, 14
1 ;
IV, 36. 6; V, 15,2); V, 28 (V, 13, 1); V, 43 (V, 25, 4); V, 46 f. (IV, 2,3; 10. 1);
VI, 69 (III, 11, 6); VII, 30
(III, 16, 7); VII, 38 (V, 18, 2); VIII, 34 (III, 8, 1); VIII, 36
III, 19, 1); VIII, 44 (V, 22, 2; 23, 2); VIII, 56 (IV, 5, 3); IX, 3 (V, 15, 2); IX, 7 (V,
15,3); IX, 11 (IV, 8,2); X, 34 (III, 6, 1); X, 35 (IV, 1,2); XI, 54 ff. (II, 22,3; IV, 5,2);
XI. 43 ff. (V, 13, 1); XII, 1 (II, 22, 3); XII, 27 (I, 8, 2); XIV, 11 (V, 18, 1); XIV, 6
IV, 7, 3); XIV, 28 (II, 28, 8); XV, 15 (IV, 13, 4); XV, 16 (IV, 4, 1); XVII, 12 (II,
20, 5); XVII, 5. 24 (IV, 14, 1); XIX, 11 (IV, 18, 3); XX, 20 (V, 7, 1); XX, 24 (I, 18, 3);
XX. 31 (III, 16, 5).
n II, 2, 5. — 2
) II, 22, 3. — 3) III, 22, 2. - *) m, n, l. _ 5) ni, 11, 3. —
«') III, 11, 4. - ">)
III, 16, 5. - 8) V, 18, 2. — ») III, 11, 7. - w) ni, 11, 9. - ") III,
8, 3. — 12
) IV, 2, 3. —
Arifühmngsformeln sind: Quemad-
13
) IV, 10, 1. — Andere
modum scriptura dicit (I, 22, 1); in evangelio dictum est (III, 16,8); quemadmodum
in evangelio scriptum est (IV, 20, 6). Viele Zitate des Evangeliums werden als
Worte des Herrn, des Logos oder ohne einführende Formel angeführt (II, 22, 6
U, 24, 4; III, 6, 1; III, 11, 1; IV, 5, 2; IV, 14, 1; V, 7, 1; V, 13, 1 u. s. w.).
u ) I, 9, 2: 'Ort rm> ov£vyi6)v wbxtbv ö änöovo/.og (sc. 'Icodvv^g,
de ov Tiegl
vgl. Anfang des Paragraphen) dfyrptev, dXXä negl vov xvgiov fiktiv 'Irjoov Xgiovov.
—
1,9.3: Eiy.ög jjv rngl ä/.'/.ov uoiy/j'vai vöv äjzöözo/.ov. Beide Male mit Bezug auf Joh. 1, 14.
15
) II, 22, 5 Quidam autem eorum non solum Joannem sed et alios apostolos
:
viderunt.
¥) III, 3, 4: Tooa'&urjv ni n.yomo/.oi y.cu ot ikiH i/tcj (ihrö)v foyov bi)kdßevav (mit
Bezug auf Johannes und Polykarp).
17
Cum Petrus simul cum Joanne vidisset eum (Act. 3, 2 ff.). Vgl.
) III, 12, 3:
III, 12, 1, wo
Petrus ausdrücklich Apostel genaunt wird. Außerdem wird derselbe
Johannes noch häufig als Jünger des Herrn erwähnt, z. B. I, 8, 5; I, 16, 3; III,
16, 8. oder bloß als Johannes angeführt, z. B. I, 9, 3; I, 26, 3; III, 16, 2; V, 33, 3.
rbrigens spricht Irenäus wiederholt von den zwölf Aposteln, z. B. I, 3,2; II,
10.4; 11.21. 1. 3; III, 13,2.
1*
Hiezu kommt die Aussage, die Irenäus mit vollster Gewißheit
und Bestimmtheit über die Abfassung des vierten Evangeliums durch
denselben Johannes, den Jünger des Herrn, macht: "Ensvca 'I(öüi>i>)}±,
6 naDijvijz ror xvglov, u ml kü vb tm?#og afaov ävaneocov, 1 ) xal
avröc, i^dcoxs rö svayyihov, h> 'E<p&oq) vqq l\aiag ötatQlß&v.*)
Die Frage, warum Irenäus Johannes meist nur als Jünger des
Herrn und nicht als Apostel bezeichne, lälit sich dahin befriedigend
beantworten, daß er sich damit eines Lieblings Wortes des Verfassers
des vierten Evangeliums bedient.'3 )
Schließlichnoch bemerkt, daß auch diese zweite Tatsache
sei
gegenwärtig wohl von keiner Seite, auch nicht seitens der Vertreter
der neueren kritischen Schule, in Zweifel gezogen wird. 4 )
IL
Theologische Quartalschrift, 1902, S. 169 ff. Übrigens benennt er auch Petrus nur
ein einziges Mal änöozo/.og (III, 12, 1), selbst Paulus erhält in der Mehrzahl der
Fälle, wo er ihn nennt, dieses Epitheton nicht.
den Zebedäiden versteht. Für Irenäus ist die Abkunft des vierten Evangeliums
vom Apostel Johannes außer Zweifel. Vgl. Reville, a. a. 0. S. 9; Weizsäcker,
Das apostolische Zeitalter, 2. Auf 1 , S. 481; H. Holtzmann, Einleitung, 3. Auf 1.,
S. 472.
würdiger Sicherheit" darzutun. Wir haben uns also hier vornehmlich
mit ihm zu beschäftigen.
Kreyenbühl Aussage des Irenäus, Johannes
findet vor allem die
habe durch sein in Ephesus herausgegebenes Evangelium den Irrtum
des Cerinth und der Nikolaiten bekämpfen wollen, für bedenklich.
Die Prüfung der Glaubwürdigkeit dieser Nebenumstände gehört
nun allerdings nicht in den Rahmen der Aufgabe, die ich mir gestellt;
ich kann es mir aber nicht versagen, Kreyenbühls diesbezügliche
Ausführungen wenigstens zu registrieren, da sie immerhin zur Cha-
rakteristik seiner Methode einiges beitragen. Einer Widerlegung aber
bedarf es kaum, da Kreyenbühl selbst augenscheinlich wenig Gewicht
darauf legt und seine Behauptungen lediglich durch rhetorische Wen-
dungen und Gemeinplätze stützt.
Kreyenbühl gibt zu, daß Cerinth jedenfalls als einer der
1
)
und nennen, als Urheber der Apokalypse angesehen wird, mit ge-
wissen gnostischen Häresien in Verbindung gebracht wurde". 5 ) End-
lich gesteht er zu Habe Johannes auch, wie Irenäus gleichfalls über-
:
zeugt sei, zur Zeit des Domitian die Apokalypse verfaßt, 6 ) so stimmte
es ja leidlich zusammen, daß er zuerst in der Apokalypse die Niko-
laiten und nachher im Evangelium die Irrtümer des Cerinthus be-
kämpft habe.
Trotz solcher Zugeständnisse bezeichnet Kreyenbühl die An-
gaben des Irenäus als eine reine Unmöglichkeit aber er weiß gegen ;
dieses „Märchen" nichts vorzubringen als, 1. daß der Mann, der die
Und bezüglich des Alters straft nicht der einzige Leo XIII.
Kreyenbühls Behauptung Lügen? Wie ganz anders urteilen ernste,
2
)
8
besonnene Forscher! )
Kreyenbühl weiß aber „noch andere und bedeutendere Gründe,
welche jenes Zeugnis (des Irenäus) als im höchsten Grade verdächtig
erscheinen lassen". 4 ) Wir wollen zwei derselben an dieser Stelle einer
kritischen Beurteilung unterziehen, auf die übrigen aber in einem
weiteren Abschnitte zurückkommen.
Kreyenbühl findet einmal des Irenäus „Theorie vom vier-
gestaltigen Evangelium ohne allen geschichtlichen und wissenschaft-
x
) A. a. 0. S. 675, Anm. 1. Harnack setzt allerdings voraus, daß die Apo-
kalypse die christliche Überarbeitung einer jüdischen Apokalypse ist. Vgl. dagegen
neuestens M. Kohlhofer, Die Einheit der Apokalypse (Biblische Studien, VII, 4),
1902, S. 39 ff. Über die für jede eingehendere Beobachtung unverkennbare Sprach-
verwandtschaft zwischen der Apokalypse und dem Evangelium vgl. A. Seh latter,
Die Sprache und Heimat des vierten Evangelisten, 1902.
2
)
Nach den Forschungen Jean Finots, von denen Tagesblätter jüngst
berichteten, gab es im Jahre 1897 in Serbien drei Personen im Alter von 135—140,
18 von 126-135, 123 von 115-125 und 290 von 105—115 Jahren; im Jahre 1890
lebten in den Vereinigten Staaten 3981 Hundertjährige, in London allein 21.
3
)
Vgl. Corssen, Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und
die Kunde des Urchristentums, 1901, S. 218: „Die Angabe, daß Johannes bis
Trajan gelebt habe, bleibt auch unter der Voraussetzung, daß Jesus im Jahre 29
gekreuzigt sei, in den Grenzen des Möglichen." Vgl. auch Th. Zahn, Forschungen
zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons, IV. Teil (1891), S. 263 i\
4
)
S. 55 f.
liehen Wert"; sie sei vielmehr
dogmatisch - polemische
„eine bloJJe
Aufstellung gegenüber der häretischen Gnosis, die auch in der Be-
handlung und Benutzung der Evangelien von der kirchlichen Glaubens-
regel abgewichen sei". Irenäus müsse einen schriftlichen Kanon kirch-
licher Evangelien haben. Diesen Kanon erreiche er nicht auf dem "Wege
geschichtlicher Forschung,sondern im Gegenteil, indem er die Ge-
schichte und Entstehung der Evangelien wesentlich verfälsche
und verdunkele. ) Mit dem Unwerte dieser tendenziösen Dar-
1
Sache stehe, die mit solchen Gründen bewiesen werden soll. Mit der-
selben Logik hätte Irenäus beweisen können, daß es fünf Evangelien
geben müsse, weil wir fünf Sinne haben. Der innere Wert seiner
Ausführungen liege natürlich nicht in seinen Deuteleien, sondern in
dem Bestreben, eine abgeschlossene Zahl kirchlicher und kanonischer
Evangelien festzuhalten und damit alle anderen Auffassungen des
Evangeliums als der kirchlichen Wahrheit widersprechend zu er-
weisen. Er nenne denn auch alle anderen, welche die Ansicht nicht
teilen, ohne weiteres frech, unwissend und aufgeblasen, und habe es
1
)
Hiezu muß wohl beachtet werden, daß Kreyenbühl mit uns dafür hält,
für Irenäus stehe die Vierzahl der Evangelien zweifellos fest sowie er vollends
vom apostolischen Ursprung und kanonischen Ansehen der Evangelien des
Matthäus. Markus und Lukas überzeugt sei. Vgl. S. 57 u. 102.
2
)
S. 56. 57. - 3) s. 56.
sie Ereyenbüh] im Auge hat und berücksichtigt, dem Wortlaute nach
folgen.
Nachdem Irenäus die Einheit und Einigkeit Gottes und dessen
1
)
G
) Grabe: eixög Imiv. Massuet koniziert: iLxörog rtaoagag f/ofjv t/fw.
"') Vergl. J. Belser, Tübinger Theologische Quartalschrift, 1898, S. 222 f.
8
) Selbstverständlich meint Irenäus nicht, daß die Zusammensetzung des
/.'of Tij(>(\u<,(,<foi'. die allerdings längst vor ihm bestand, von allem Anfange
:
]
9
sucht Irenäus die Vierzahl der Evangelien durch Analogien, und zwar
aus der Natur, aus den alttestam entlichen Typen und aus der Heils-
geschichte auch als innere Notwendigkeit, als "Wesensform des
Evangeliums (f/ idea vov svayyellov) einigermaßen zu illustrieren und
darzutun, wobei es ihm, wie wenigstens aus den Anfangsworten der
oben zitierten Stelle 4 ) sich zu ergeben scheint, in erster Linie darauf
ankommt, zu zeigen, daß es nicht weniger als vier Evangelien geben
könne.
Von diesem Standpunkte aus zieht also Irenäus an erster Stelle
folgende Parallele zwischen der natürlichen Welt und der Kirche
Es gibt auf der physischen Welt, auf der wir das natürliche Leben
an in der ganzen Kirche vorhanden gewesen sei; wohl aber hält er an der ex-
klusiven Dignität von den Zeiten der Apostel her fest. (Vgl. Harnack, Chrono-
logie, S. 695.)
') HI, 1,1.-- 2
) IU, 11, 9 in fine. - :i
) in, 11, 9 init. - ±) III 11, 8.
10
messen, daß auch sie vier Säulen habe, durch die sie getragen
und gestützt wird und die von jeder Seite her Unverweslichkeit hauchen
und die Menschen beleben. Da nun das Evangelium die Säule und
Bekräftigung der Kirche und der Hauch des Lebens ist, so ist es an-
gemessen, daß die Kirche vier Evangelien habe und sie könne
nicht weniger haben. Es fehle also den von den Aposteln überlieferten
und von Gott geordneten vier Evangelien auch nicht die innere An-
gemessenheit.
Irenäus bezweckt also hier nichts anderes, als durch einen Ver-
gleich, dem wohlfeiler Spott nichts von seiner Trefflichkeit und
Schönheit nimmt, den auch ein Augustinus zu wiederholen kein
Bedenken trug, ) die feststehende Vierzahl der Evangelien als an-
1
1
De Consensu evaiig., I, 3 (Migne, XXXIV, 1044).
Jol 3, 8.
:{
) Epist. ad fubaian. 10 (Migne, III, 1161). Vgl. weitere Beispiele bei Cor-
ne 1
y, Introductio, III, 1 1 f.
'
Ezech. 1. 5 ff. 10. Vgl. Ps. 79, 1; Apok. 4, 7.
li
•/au ö.iot'a ij V(bv £(b(OV //om//), Toiovvog xal n /(loaxTi/o vov evayysUov.
TevQd/AOQ(pa ydo vä £eoa, verndfiooi/or xal vö svayyshov nah fj noayita-
2
vsia vor xvglov. )
L2
!) A. a. 0. S. 082. — 2
) Dissertatio, III, p. 250.
:j
) Wann wurden unsere Evangelien verfaßt? 8. 10. Vgl. auch Th. Zahn,
-chichte des neutestamentlichen Kanons. I, S. 160 f. ; F. Godet, Einleitung in
das Neue Testament, deutsch bearbeitet von E. Reineck, II. Bd., S. 55; H. Boese,
Die Glaubwürdigkeit unserer Evangelien (1895), S. 25.
4
) III, 11,9. Vgl. III, 12,12; 1,27,2. Boese, a.a.O. S.231", sagt dazu mit Recht
Wenn man damals nicht schon seit Jahrzehnten in der ganzen Christenheit diese
Bücher Evangelien) den Aposteln zugeeignet hätte, mußte Irenäus dann
(die vier
nicht fürchten, daß die Gegner gegen seine Behauptungen Einsprache erheben
würden? Wenn die damalige Generation sich einer Zeit erinnern konnte, in
13
welcher man
andere Männer als Verfasser dieser Bücher nannte oder in der man
dieselben erst entstehn sah, so war es doch leicht möglich, seine Aufstellungen
als Fabeln darzutun. Damit war aber das Fundament zerstört, auf welchem er
die letzten Bücher seines Werkes aufgebaut hat. Seine große Widerlegung der
Häresien wäre der Lächerlichkeit anheimgefallen.
*) A. a. 0. S. 56.
2
) Kreyenbühl Irenäus mit hohen Worten das kanonische Ansehen
S. 57 läßt
der synoptischen Evangelien preisen, und S. 102 heißt er nie vergessen, daß der
.Johanneische Ursprung des vierten Evangeliums dem Irenäus zweifellos feststeht.
14
Zuvor jedoch soll wenigstens kurz die nicht ganz unnötige und
unnütze Frage berührt werden, ob Irenäus die von Kreyenbühl vor-
geführten Tatsachen überhaupt wissen konnte. Ich antworte, ohne
einen Widerspruch zu befürchten: Er konnte sie wissen. Ja, ich
behaupte noch mehr: Er muJ3te sie wissen, wenn sie in Wahrheit
zweifellose Tatsachen sind. Irenäus war ja weder Troglodyte, zu dem
keine menschliche Stimme drang, noch Bewohner einer weltvergessenen
Insel, an der sich jeder Wellenschlag des geistigen Lebens brach, noch
misanthropischer Sonderling, der jedem Verkehr mit Menschen aus
dem Wege ging, noch apatischer Idiote, dem jedes Interesse und
jedes Verständnis für die religiösen Fragen der Zeit fehlte, vielmehr
in allem das Gegenteil. Sein Leben wickelte sich ab auf den wich-
tigsten Schauplätzen und Zentren des kirchlichen, religiösen Lebens,
in Kleinasien (Smyrna), Rom, Gallien, und er bekleidete durch lange
Zeit die einflußreiche Stellung eines Presbyters und Bischofs von Lyon.
Er stand in vielseitiger persönlicher Beziehung zu hervorragenden
Persönlichkeiten seiner Generation, nahm an
großen Streitfragen allen
der letzten Dezennien des zweiten Jahrhunderts, Passahstreit, Montanis-
mus, den lebhaftesten und tätigsten Anteil und war insbesondere einer
der ersten und erfolgreichsten Kämpfer gegen die Gnosis sowie einer der
gewichtigsten Zeugen und Verteidiger des neutestamentlichen Kanons.
Zudem war er ein Mann
Begabung und umfassender religiöser,
reicher
philosophischer und realistischer Bildung, wenn er auch an einen
Origenes oder Augustin nicht heranreicht. 1
) Alle diese angedeuteten
Lebensumstände machen es gewiß, dal.» Irenäus auch der Geschichte
der Evangelien sein lebhaftestes Interesse zuwandte und daß ihm hie-
für verläßliche Quellen offen standen.
Trotzdem behaupte ich weiter: Irenäus wußte nichts von den
Tatsachen, die Kreyenbühl vorführt, also konnte er sie auch nicht
l
) Vgl. Mass u et, Diss., II, 1: De S. Irenaei vita et gest.is. S. 174 ff'. : H. Ziegler,
[renäus, der Bischof von Lyon (1871), 8. UUl.
15
stehn kann, Erfindungen unserer Tage sind. Wir haben nun dies im
einzelnen nachzuweisen, wobei wir uns genau an den Wortlaut der
Behauptungen Kreyenbühls halten wollen.
Kreyenbühl behauptet also: In der Kirche seien vor Irenäus
längere Zeit mehr als vier Evangelien als kirchliche Lehr- und Lese-
schriften ) im Gebrauche gewesen.
1
Diese etwas allgemein lautende
Aufstellung kann selbstverständlich nur dahin verstanden werden, es
seien längere Zeit in einzelnen Gemeinden der Kirche außer den vier
kanonischen Evangelien noch andere Evangelienschriften im offiziellen
öffentlichen, gottesdienstlichen Gebrauche gewesen. Denn privater
Gebrauch nichtkanonischer Schriften seitens einzelner Schriftsteller
sowie private Lesung zum Zwecke der Erbauung findet sich noch, als
der Bestand des Kanons längst kirchlich fixiert war. Klemens Alex.,
Origenes u. a. befolgten den Grundsatz, den man später auch förmlich
aussprach, 2 dali auch nichtkanonische Schriften, welche den Anspruch
)
Aber die Kirche gehn sie nichts an, vom Gottesdienst der Kirche
bleiben sie ausgeschlossen. 4 )
In welcher Zeit nun und in welcher kirchlichen Gemeinde wurden
außerkanonische Evangelien beim öffentlichen Gottesdienste gebraucht?
Gewiß nicht in der römischen Kirche zur Zeit der Abfassung des
Muratorianischen Fragmentes (nicht lange nach der Mitte
5
des 2. Jahrhunderts) denn sein Verfasser kennt nur vier Evan-
)
;
in urbe Roma Henna conscripsit sedente cathedra urbis Romae ecclesiae Pio
episcopo fratre eius. läßt eine spätere Datierung nicht zu.
B
) Nach Harnack (a. a. 0. S. 720) kam Marcion 138/39 nach Rom und
gründete 144 seine Kirche.
M Tertullian. Adv. Marc. IV., 3: Ad destruendum statum eorum evan-
liorum, quae propria et sub apostolorum nomine eduntur vel etiam apostolicorum.
L6
bis beute ist keine Spur vom Einfluß eines auJierkanonischen Evan-
geliums bei ihm nachgewiesen worden, woraus folgt, daß das Evan-
gelium der römisches Kirche um 140 aus unseren vier Evangelien
8
bestand. )
*) Marcion verwarf die Evangelien nicht, weil sie nicht apostolisch, sondern
weil sie waren. Vgl. Godet, Kommentar zu dem Evangelium des
apostolisch
Johannes, Bd. (1903), S. 144.
I.
-) Zahn, Grundr. d. Gesch. d. neutest. Kam, S. 28 ff. Vgl. dessen Gesch. d. Kam,
I. S. 65lfF. 671— 680. Tertullian (Adv.Marc. 1, 1; IV,4; de came ehr. 2) berichtet, daß
Marcion nach einem seiner Briefe nicht bloß das Lukas-Evangelium, sondern auch
die anderen Evangelien der Kirche anfänglich zugelassen, sie aber verworfen habe,
als er ans dem Galaterbrief gesehen, daß ihre Verfasser judaisiert hätten. Vgl. Weiz-
säcker. Untersuchungen über die evangelische Geschichte, 2. Aufl., S. 230 Marcion :
hat auch die drei anderen Evangelien in der Hand gehabt. Harnack, a. a. 0.
8.668, A.: Daß der Politiker die vier Evangelien gekannt hat zu bezweifeln, wäre
ein Wagnis.
3
)
A. a. O. S. 682. Wir dürfen, wie noch gezeigt werden wird, wohl um
15 Jahre weiter hinaufgehn.
4
)
Harnack, a. a. O. S. 690, Anm. — Harnack behauptet freilich,
von einem
kanonischen Ansehen der vier Evangelien könne bei Papias noch nicht die Rede
sein, er benutze sie nur als autoritative Stoffsammlung. Doch sind die Argumente,
die Harnack hiefür vorführt, derartige, daß ich wenigstens mich wundere, daß sie
vorgebracht werden. 1. Papias habe nur einen Teil des Inhaltes der Evangelien
kommentiert, resp. das, was er als vä X6yia KVQiaxd für ihren Kern gehalten. — Also
ist auch bei allen neueren Kommentatoren, z.B. der Parabeln, der Reden des Herrn,
vom kanonischen Ansehen der Evangelien keine Rede? 2. Papias habe sich das
Urteil des Presbyters über die Unvollkommenheit des Markus-Evangeliums an-
geeignet. — Die bemängelte Unvollkommenheit ist doch nur eine formelle. Im
übrigen bezeugt der Presbyter: MäQXog ÖMQiß&q eygaipev, erklärt Papias: Oöd&>
fjfiOQTi Mdgxog und Harnack selbst sagt, der Presbyter habe das Markus-Evan-
gelium approbiert (S. 092). Ist endlich etwa auch bei Klemens Alex, vom kanonischen
Ansehen der Evangelien keine Rede, weil der den somatischen das pneumatische
gegenüberstellt (Eusebius, Ifist. eccl., VI, 14,7)? Behandelt er sie nicht trotzdem
:
17
als deren terminus ad quem ca. 170 betrachtet werden muß, da Tatian
sie bereits bei noch zur Zeit, als Tatian
seinen Landsleuten vorfand; 1
)
aber, das auf Grund der nach dem abendländischen Texte kritisch
revidierten altsyrischen Evangelien-Übersetzung zusammengestellt ist )
und deren einzige verarbeitete Quellen sowohl nach alten Nach-
richten 7 ) als auch nach der vorliegenden arabischen Übersetzung 8 )
uud dem armenisch erhaltenen Kommentare Ephräms 9 ) die vier
wie Irenäus ganz gleichwertig (Harnack, S. 686)? 3. Papias habe sich eine Er-
gänzung und Verdeutlichung der in den Evangelien enthaltenen Xöyia durch andern,
auch historischen Stoff gestattet. —
Damit tut er doch dem evangelischen Stoffe
keine Gewalt an, und wenn er auch außerkanonische Xöyia auf Grund gleich-
bleibender Überlieferung aufnimmt, so hält er sich an 2. Thessal., 3, 15.
') Vgl. A. Hjelt, Die altsyrische Evangelien - Übersetzung und Tatians
Diatessaron (Zahns Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, VII, 1.), S. 8. 163. Wenn es
richtig ist, was Harnack für wahrscheinlich findet, daß die Evangelien sich in
Syrien zunächst als Einzel-Evangelien einbürgerten und nicht als festgefügter Vier-
Evangelien-Kanou, so bleibt doch die Tatsache bestehn, daß in der syrischen
Kirche vom Anfange an nur die kanonischen Evangelien im Gebrauche waren.
2 Nach Hjelt
)
(S. 19. 163) im Jahre 172/73.
3
)
Vgl. Hjelt, S. 22 f. und die dort verzeichnete Literatur. Zahn, Forsch.
z. Gesch. d. neutest. Kam, II, 298 ff.; Gesch. d. neutest. Kam, I, 409 ff.; Harnacks
These von einer griechischen Urschrift (Texte und Untersuchungen, I, S. 214 ff.
Chronol., S. 289) ist heute fast ganz verlassen.
*) Ca. 180.
*) Vgl.Hjelt, S. 76 ff.
6) Hjelt, S. 107-162. 164.
)
7
Eusebius,
Hist. eccl., IV, 29, 6 f. Kommentar über das Neue Testament
vom Xestorianer Jesudad (9. Jahrh.) in der Vorrede zu Markus. (Hjelt, S. 30.)
Ebedjesu bar Berika (f 1318) im Vorwort zu seinem Nomokanon (Hjelt, S. 36).
Beide hatten das Diatessaron in Händen. Jakob bar Salibi (f 1171) in seinem
neutestamentlichen Kommentar, Vorwort zu Markus: Tatianos, der Schüler
des Justinos, des Philosophen und Märtyrers, wählte aus den vier Evangelisten
angelien) und webte zusammen und machte ein Evangelium und nannte es
Diatessaron, und diese Schrift erklärte Mar Ephraim. Bar Salibi schrieb hier
Jesudad ab. (Hjelt, S. 40 f.)
s
) Tatiani evangeliorum harmoniae arabice. Nunc primum ex duplici codice
edidit et translatione latina donavit P. Aug. Ciasca (1888).
In wörtlicher lateinischer Übersetzung veröffentlicht von G. Moesing er
9
)
(1876) unter dem Titel Evangelii Concordantis Expositio facta a Sancto Ephraemo
:
Doctore Syro. Auf Grund dieser Übersetzung und der Homilien des Bischofs
Aphraates (4. Jahrh.) rekonstruierte Zahn den Text des Diatessaron (Forsch, z.
h. (1. neutest. Kam, I.).
2
18
hat nicht nur diese zur Voraussetzung, sondern beruht so sehr auf den-
selben, dal! die Auswahl und Komposition des Stoffes im ganzen dem
Material entspricht, das unsere vier Evangelien bieten. 6 ) An dieser
Tatsache ändert nichts der Umstand, daß Pseudopetrus in frei schal-
tender Phantasie und wohl auch im Anschluß an die Pilatusakten 7 )
1
)
Jesu (Hjelt, S. 32. 136). Vgl. hiezu A. Jacob y,
Z. B. in der Taufgeschichte
Ein bisher unbeachteter apokrypher Bericht über die Taufe Jesu, 1902.
2
)
Nach Zahn (Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., I, S. 263) stand der Umfang
der außerkanonischen Elemente zu dem der kanonischen im Verhältnis von eins
zu tausend.
Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Literatur, I (1902), S. 256.
4
)
Ein bedeutender Teil des Petrus-Evangeliums wurde im Winter 1886/1887
;uis einem christlichen Grabe zu Akhmim in Oberägypten von U. Bouriant ans
Licht gezogen und 1892 zuerst veröffentlicht. Über weitere Ausgaben vgl. Barden-
hewer, a. a. 0. S. 396; Ehrhard, Die altchristl. Lit. u. ihre Erforsch., II, S. 132.
Abgefaßt wurde dieses Evangelium sehr wahrscheinlich um die Mitte des 2. Jahr-
hunderts in Syrien. Vgl. Bardenhewer, S. 395. Schubert, Die Komposition
des pseudopetrinischen Evangelienfragmentes (1893), S. 195, läßt es bald nach der
lütte des 2. Jahrhunderts, Kunze, Das neu aufgefundene Bruchstück des so-
genannten Petrus-Evangeliums (1892), S. 47, um 170 entstanden sein: Harnack,
Chronol., S. 719, und mit ihm Ehrhard setzen hiefür wohl mit Unrecht 110(100)
130 an.
5
)
Zahn, Das Evangelium des Petrus (1893), S. 75. Grundr. d. Gesch. d.
Akademie der Wissenschaften, 1895, S. 705 ff.) und verlegt den Ursprung der Schrift
vor die Mitte des 2. Jahrhunderts Harnack (Ein jüngst entdeckter Auferstehungs-
;
ohne weiteres (S.56. 78. 110), teils findet er sie wieder höchst wahrscheinlich (S. 78).
7
)
Vgl. Hist. eccl., IV, 16-18.
2*
20
r;
T ötxalcog XQive, ßaoiXev tov Yaoa/yA) und Vers 12 (xai Xa^tov tßakor)
und in Hinsicht auf Dialog 106 (xai vö eIjisiv ^sTcovojLiaxtvai avxov
1
]
) Hist. eccl., III, 3, 2: Obö 6Xcag .'V y.aDohxalg "to/mv nagadedofiivcr öti }u)ti
:
ägzalov, fi/fßi v&v y.a<) ftfiäg vt,g fzx//i)oiaaTix6g ovyyQa<pevg valg ££ ai)T€yv avve-
ZQJjoavo fiagvvQlaig. Vgl. III, 25,6; Hieronymus, De vir. illustr., 1.
<••)
Chronol., S. 622 und öfters.
7
)
L'Evangile et l'Apocalypse de Pierre (1893), S. 59 f.
4
Zahn, Schubert, ) Kunze, ) Belser, 5 ) Lippelt 6) und Bardenhewer 7 )
2
)
3
1
)
Vgl. A. B al du s, Das Verhältnis Justins des Märtyrers zu den synoptischen
Evangelien (1895), S. 4. 99 f.
2) Das Ev. d. Petr., S. 42 ff. 66 f. Zahn erklärt den Einfall, daß Dial. 106 das
Petrus-Evangelium gemeint sei, schon aus chronologischen Gründen für unan-
nehmbar (Grundr. d. Gesch. d. neutest. Kan., S. 30. 33). Harnack, Chronol.,
S. 257 ff., setzt Justins Apologie auf 152/53, den Dialog auf 155—60 fest.
3
)
Die Kompos. d. pseudopetr. Evangelienfragm., S. 179 f.
*) Das Petrus-Evang., S. 31 ff. 47.
5
)
Einl., S. 785. Belser bemerkt noch mit Eecht: Eine Evangeliengeschichte
mit so ausgezeichneten Verdrehungen der geschichtlichen Tatsachen und so auf-
fallenden Entstellungen der Person Christi, wie Pseudo-Petrus sie bietet, kann der
namentlich in der Mitteilung von Tatsachen aus der Leidens- und Verklärungs-
geschichte ganz im Geleise der kanonischen Tradition wandelnde Justin nicht zu
Rate gezogen haben.
6
)
Quae fuerint Justini Martyris äjiof.iviiaovtvßaza (Dissert. philologicae
Halenses. Vol. XV, P.I, 1901.), p. 97. Vgl. dazu die Bemerkung p. 93: Sed ne illud
quidem affirmari potest, Justinum illa agrapha necessario ex evangelio suo hau-
sisse, cum etiam audiendo ea excepisse possit.
7) Gesch. d. altkirchl. Lit., I, S. 395 f.
8
)
I. Apol. 35. 48. Nach Ehrhard, Altchristi. Lit. (1900), S. 133, hat Harnack
(Chronol., S. 603—612) dieser Hypothese die Basis entzogen durch den Nachweis,
daß sich die Acta Pilati vor Eusebius nicht nachweisen lassen. Vgl. auch v. D o b-
schütz, Zeitschr. f. neutest. Wiss., 1902, S.89ff. Dagegen hält Mommsen, Zeitschr.
f. neutest. Wiss., 1902, S. 199. 205, wohl mit Recht dafür, daß die Pilatusakten ihrer
Grundlage nach recht alt sind, und fundamental dieselben sein dürften, die
schon dem Justinus vorgelegen haben.
9
)
Godet, Einl., H, S.40; Zahn, Gesch. d. Kam, I, S.463fF.; Grundr. d. Gesch.
d. neutest. Kan., S. 34.
09
__
der häretische Charakter des Buches zweifellos. 10) Vgl. die Stelle:
Ilri'iJai'outi'i)^ n)g ~alcö{ir)g jvöts yvcoöfirjöevai tä jzsqi ödv tjqszo, e(prj
o xvQiog' ,.'(') vav tö r/yg alöyvvrjg svövf^a jiaTrjorjts nah ötav yevrjtai zä
11
dro ev y.ai Hiezu be-
ro äggev fievä vrjg flyketag ovts aQQsv ovte fifjAv." )
12
merkt G. Esser: ) Damit ist über den Charakter dieses Evangeliums
entschieden und alle künstlichen Argumentationen Harnacks helfen
nicht über die Tatsache hinweg, daß dieses Evangelium die pythagorei-
sche Systoichienlehre in den Mund Jesu legte. Und ein Evangelium,
welches solch sonderbare Weltweisheit vorträgt, soll „ein wirkliches,
2
Entstand wahrscheinlich in Ägypten um die Mitte des 2. Jahrhunderts.
)
Vgl. darüber und über den Namen Bardenhewer, S. 386 ff.; Belser, Einl., S. 786;
788. Zahn, Gesch. d. Kan., II, 628 ff. Ehrhard versetzt nach Harnack das Evan-
gelium in die Zeit zwischen 100 — 130.
2) Strom., IQ, 9, 63 ff; 13, 93. Exe. ex Theodoto 67.
8) Phil. 5, 7.
4 —
) Haer. 62, 2.
) Hom. 1 in Luc:
5 Ecclesia quattuor habet evangelia, haereses plurima, e
quibus quoddam scribitur seeundum Aegyptios.
rl
) Strom., III, 9, 66; III, 13, 93.
7 Chronol., S. 615. 621.
)
10
Origenes 9
) vereinzelt zitieren, ) ohne es den kanonischen Evangelien
11
der Kirche beizuzählen. )
J
) Wenn Harnack und nach ihm Kreyenbühl,
(Ckronol., S. 616 ff. 683)
8. 354, geltend macht, daß in Rom zur Zeit des Bischofs Soter (um 170) das vier-
fache Evangelium noch nicht in exklusiver Geltung stand, obwohl nicht zu
zweifeln sei, daß alle vier Evangelien daselbst vorhanden waren, weil Soter im
sogenannten zweiten Klemensbrief einen reichlichen Gebrauch vom Ägypter-
Evangelium gemacht habe, insbesondere Kap. 12, 2 sicher aus diesem herrühre
(in Bezug auf letztere Stelle stimmt ihm wiederum Ehrhard bei, S. 137);
nun so haben andere nachgewiesen, daß der zweite Klemensbrief mit Soter
(Eusebius IV, 23, 11) nichts zu tun habe (vgl. R. Knopf, Zeitschr. f. neutest.
Wiss., 1902, S. 266 ff.), daß nicht einmal dessen römischer Ursprung feststehe (vgl.
Ehrhard, Abhängigkeit des zitierten Logion vom Ägypter-
S. 78fF.) und daß die
Evangelium sei. (Vgl. Res ch, Agrapha, S. 195 ff.)
völlig abzuweisen B eis er, ;
Einl., S. 789 f. Bardenhewer, S. 388). Auch ist der Gebrauch einer apokryphen
;
Schrift in einer erbaulichen Homilie ebensowenig ein Beweis für deren kanonische
Geltung als in einem privaten Werke eines Schriftstellers.
2
)
S. 87.
3
)
Das Ev. d. Matth., S. 20 ff. (gegen Harnack, Chronol., S. 625 ff.).
4
)
Vgl. hierüber auch Wernle, Die synoptische Frage, S.250; B eiser, Einl.,
f.'
S. 763 ff.; Bardenhewer, S. 380
5
)
De vir. illustr., 2, 16; Comm. in Mich. (Vallarsi, VI, 520); Comm. in
Matth. (Vallarsi, VII, 77).
6
)
Eusebius, III, 27, 4 (ebayyeXlqi de vü %a#' 'Eßgatovg Xeyoiievcp
tiovo)
8) Strom., H, 9, 45.
u
) Hom. in Jerem. 15, 4, in Joan., II, 6; Hieronymus, De vir. illustr., 2: Quo
et Origenes saepe utitur.
,0
) Von der apokryphen Erzählung bei Ignatius, Smyr. 3, bekennt Eusebius,
nicht zu wissen, woher sie stamme (Hist. eccl., III, 36, 11). Vgl. B eis er, Einl.,
S. 774.
u) Hieronymus, Comm. Vocatur a plerisque Matthaei
in Matth. 12, 13:
authenticum. Daß Hieronymus selbst das Hebräer-Evangelium mit dem aramäischen
;
24
Wir können diese Erörterung nicht besser schließen, als mit den
Worten Zahns, des bedeutendsten Erforschers der Geschichte des
aeutestamentlichen Kanons: Daß jemals in einem Teil der
katholischen Kirche ein anderes Evangelium außer
unseren vier Evangelien regelmäßig im Gottesdienst
Lesen worden sei, ist nicht wahrscheinlich zu machen,
geschweige denn zu beweisen. ) 1
H. Holtzmann, Einl.
1
)
S. 126: Vom vierten Evangelium wird eine
:{
,
Chronol., S. 685.
«) Eusebius, Hist. eccl., V, 24, lff.
7
)
Eusebius, IV, 14, 1; V, 24, 16f.
8
)
Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, IV, 286 ff.; VI, 106 f.; Achelis
in Haucks R.-E.3, V, 773.
VgL K.Bihlmeyer, Katholik, 1902, S. 314 ff.
26
der heil, Priscilla ausmalte, die Auferweckung des Lazarus nach Joh. 11,
K)ff, zur Darstellung brachte; 1
) oder als Ignatius (nach Harnack
von 110 117 seinen zweifellos echten 2
) Brief an die Römer schrieb.
der mit seines zahlreichen, dem vierten Evangelium charakteristisch
angehörenden Ideen nicht nur beweist, wie vertraut Ignatius selbst
mit dem vierten Evangelium war, sondern wohl auch einige Vertraut-
heit bei den Römern voraussetzt; 3 ) oder als Marcion (145) seinem
Evangelium aus dem vierten Evangelium, das er im kirchlichen Ge-
brauche vorfand, 13, 4 — 15. 34; 15, 19 einverleibte. 4 )
Doch Kreyenbühl die Zeit im Auge, als nach seiner
vielleicht hat
eigenen Darlegung das vierte Evangelium um 140 in Rom als evan-
gelische Lehr- und Erbauungsschrift in gno s tisch en Kreisen im
Ansehen stand, als die Valentinianer wenigstens 40 Jahre vor Irenäus
h im Besitze des Evangeliums befanden, dasselbe als Apostelwort
benutzten, an dasselbe als an ein Werk des Apostels ihre Lehren
anschlössen, von demselben zur Entwicklung ihres Systems einen
reichlichen Gebrauch machten, 5 ) dasselbe im Sinne ihrer Gnosis aus-
legten und mit den Formeln: 6 dirootoAog Aeyet, 6 jaa^vijg tov xvqi'ov
ßovXdfisvog ekveZv, BiQrjxev ö KVQioq Stellen aus demselben zitierten,
als Valentin selbst, das Haupt der Schule, 6 ) dasselbe kannte, stark
benutzte und hochschätzte, da dessen Äonen- und Syzygienlehre ohne
wesentliche Rücksichtnahme auf die Terminologie und Prinzipienlehre
tli^s vierten Evangeliums nicht zu verstehn ist? 7
) Nun mag es immerhin
vielleicht wahrscheinlich sein, daJi Valentin und seine Schule das
vierte Evangelium nicht als kanonische Schrift verehrte und ge-
brauchte, sondern einfach als und Quelle einer tieferen Er-
Mittel
kenntnis der christlichen "Wahrheit und als Anknüpfungspunkt, materia
-
Zahn, Gesch. d. Kam, I, S. 905; Boese, Die Glaubwürdigkeit unserer
Evangelien, S. 78.
1
7) Vgl. 8. 101. 107. 108. 110. 113. 114. — Harnack (Chronol., S. 688, A.):
Das Zugeständnis, daJ3 Valentin in Rom die nachmals kanonischen Evangelien
kennen gelernt und sich angeeignet hat, fällt nicht schwer. Eine Bevorzugung des
Johannes-Evangeliums ist mindestens bei den Schülern unverkennbar. Bekanntlich
widmete der angesehenste Mann von der Schule Valentins, Herakleon (Klemens
Alex., Strom., IV, 9, 70 dem vierten Evangelium einen ausführlichen Kommentar
t. .
27
!) Kreyenbühl, S. 111.
2
)
Vgl. Heinrici (Die Valentinische Gnosis und die Heüige Schrift): So
viel ergibt sich evident aus der Weise des Zitierens, daß die Valentinianer die
Schrift als eine allgemein anerkannte Autorität benutzten, dieselbe also dieses
Ansehen schon vor dem Emporkommen des Systems besessen haben muß . . .
patum Valentinus.
4
)
Hilgenfeld, Zeitschr. f. wiss. Theol., 1890, S. 46. Vgl. Mead, Fragmente
eines verschollenen Glaubens, übersetzt von Ulrich (1902), S. 242: Valentin wollte
keineswegs den allgemeinen Glauben angreifen oder verlassen; er blieb aller
Wahrscheinlichkeit nach bis zu seinem Lebensende ein katholischer Christ.
(Mead meint, daß Valentin erst nach seinem Tode exkommuniziert wurde.) Epi-
phanius sage deutlich, daß man den Valentinus, solange er in Rom weilte, für
orthodox hielt.
5 Irenäus, Adv. haer., III,
) 15,2.
6 H. Lietz, Zeitschr.
)
f. wiss. Theol., 1894, S. 56.
7
)
De praesc. 38: Valentinus integro instrumento uti videtur Non ad . . .
8 Irenäus,
) I, 3, 6; III, 12, 12.
9
)
Zahn, Grundr. d. Gesch. d. neutest. Kam, S. 29: Die Valentinianer beriefen
sich nur neben den vier Evangelien auf eine Menge apokrypher, von ihnen selbst
28
verfaßter Schriften und auf eine, die höchsten und tiefsten Lehren enthaltende
evangelische Geheimschrift, um dadurch den Unwissenden zu imponieren. Vgl.
Zahn, Gesch. d. Kam, I, S. 153.
i)
Irenäus, II[, 11,9. Vgl. darüber Zahn, Gesch. d. Kam, 1, S. 748ff.
2
) Es kommen nur in Betracht Justins Apologie, verfaßt 152—53, und der
Dialogus c. Tryphone, verfaßt 155—60. (Harnack, Chronol., S. 278. 281.)
8) Vgl. S. 78 ff.
4) S. 546.
29
Justin wurde bereits das Nötigste gesagt. Im übrigen muß ich ge-
stehn, daß es mir gegenüber derartiger Verdrehung des Tatbestandes
schwer wird, die Ruhe zu bewahren und mich mit wenigen Gegen-
bemerkungen zu begnügen, zumal Kreyenbühl es nicht der Mühe wert
findet, auch nur eine einzige Stelle aus Justins Werken vorzu-
führen. Wie? Justin hat das vierte Evangelium nicht gekannt? Ich will
nicht auf Thoma 1
) verweisen, der behauptet, es gebe kein einziges
Kapitel des Johannes, dessen Spur sich nicht in den Schriften Justins
wiederfände, nicht auf Ottos Register, 2 ) nicht auf Luthardt 3 ) und
Zahn, 4 ) deren Ausführungen ja nach Kreyenbühl 5 ) in nichts zusammen-
fallen, nicht auf Mangold ) noch auf andere 7 ) außer Bousset, der
mit seinem Werke : „Die Evangelienzitate Justins des Märtyrers"
1S91), in Kreyenbühls Augen Gnade gefunden und der neuestens
auf Grund der äußerst exakten Forschungen von Resch 8 ) eingesteht:
„Daß Justin das vierte Evangelium ebenso wie die Syn-
optiker benutzt hat, scheint mir jetzt vollkommen
9
8 i eher." ) Oder wie? Justin hat es nicht als apostolisch- Johanneisch
1
)
Zeitschr. f. wiss. Theol., 1875, 3. 4.
2 S. Justini opera, S. 587
)
ff.
:}
) Der Johanneische Ursprung des vierten Evangeliums, S. 63 ff.
5 S. 545.
)
8
) Göttinger Gel. Anz. vom 5. und 12. Jänner 1881.
7
)
Z.B. Harnack, Chronol., S. 673.
8
)
Außerkanonische Paralleltexte zu den Evangelien, 4. Heft (Texte und
Untersuch., 4, 1896).
9 Theol. Literaturztg., 1897, S. 75.
)
30
und wenn er sie mit derselben Zitationsformel wie das Alte Testament
Ansehen spricht er denselben zu? Ist es dann unbe-
einführt, 7 ) welches
wiesenangenommen und vorausgesetzt, wenn Bousset, um ihn noch
einmal sprechen zu lassen, anerkennt, daß das Johannes -Evangelium
schon in anerkannte Schrift unter den
der Zeit Justins als
1
)
Dial. 103 (<'[
cprjfM bnb van) dnoOTÖÄaiv atvoü xat vätv Zxeivoig nagcMoXov-
{hjodvomv ovwevdzftcu)' Vgl. Apol., I, 66; Dial. 88.
2) 1, 20. 23. - :i
) Dial. 88, 13. — *) Dial. 48. 105.
•"')
Vgl. Resch, a. a. 0. zu Joh.l, 18 u. 6, 69.
"5 Apoi. :
r. <;t.
Grand darin habe, daß Justin die Apokalypse zur Bestätigung eines
Zitates aus Isaias, den er auch mit Namen nenne, gebrauche, daß
aber eine ähnliche Veranlassung, den Johannes als Evangelisten zu
bezeichnen, nicht vorgelegen. Was endlich Justins theologische Welt-
anschauung und insbesondere seine Logoslehre anlangt, so ist sie
freilich nach der Auffassung Kreyenbühls von der Gedanken-
welt des vierten Evangeliums, und für jene, die diese Auffassung
teilen oder ihr nahekommen, toto caelo von der des Evangeliums ver-
mieden. Andere dagegen nehmen es als gewiß an, daß, wie über-
haupt die ganze Denk- und Ausdrucksweise Justins die Johanneischen
hriften zur Voraussetzung habe, so insbesondere die Menge der
Stellen werden müsse, welche der Johanneischen Logos-
beurteilt
lehre entsprechen, 4 ) ja daß Justins ganze Logoslehre ohne Frage aus
dem Johannes-Evangelium stamme. 5 ) Selbst L. Paul ) gesteht zu,
daß Justins Logoslehre (entsprechend der Johanneischen Logoslehre)
mit der vollen Hypostase des Logos des Sehers abschließe, und
J. A. Kr am er
weiß die Abhängigkeit Justins vom vierten Evan-
7
)
gewesen sein konnten als jene, die überall beim Gottesdienste im Ge-
brauche waren, keine anderen als Justins, des Meisters, äjiofjbvrjixov&v-
imTa ä y.a'/.HTiu t-iuiy/i/ja. Niemals wird es wahrscheinlich gemacht,
geschweige denn bewiesen werden können, daß dem nicht so sei. 4 ) Da
ferner die vier kanonischen Evangelien in exklusiver Geltung die
Quellen des Diatessaron sind, ) so beweist auch diese Tatsache die
r>
1
Zahn. Gesch. d.Kan., 1,387 ff. ; Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kaii., I, S.112ff.,
BEL; Nestle, Einführung in das Griechische Neue Testament, 2. Aufl. (1899),
S. 177ff; Hjelt, a. a. 0. S. 164. Lippelt, a. a. 0.
Auch Harnack meint, Rom liege am nächsten (Chronol., S. (J83). Das
-)
Bedenken wegen der „Predigt des Soter" ist, wie bereits gezeigt wurde, gegen-
stände! ^
:J
) Bardenhewers Ansicht Vorlage und Quelle für das syrisch
(S. 257), als
abgefaßte Diatessaron sei wohl der griechische Text benutzt worden, verstärkt
noch unsere Schlußfolgerung.
4
) Vgl. Hamlyn Hill (The earliest life of Christ. The Diatessaron of Tatian,
1894, 8.22.): Wenn man auch annähme, Tatian habe Zutritt zu Dokumenten gehabt,
welche Justin nicht zur Verfügung standen, ist es wohl denkbar, daß Tatian, der
vermittels der Kommentare Lehre eingeführt worden
(Justins) in die christliche
sein muß, durch spätere Fälschungen einem solchen Grade beeinflußt wurde,
in
«laß er nicht allein diese letzteren in seine Evangelienharmonie aufnahm, sondern
die ersteren völlig von ihr ausschloß? Denn keine anderen Aufzeichnungen als un-
sere vier Evangelien finden sich in sein Diatessaron verwoben. Wir dürfen deshalb
schließen, es bleibt kein vernünftiger Zweifel mehr, daß die Apostelkommentare,
auf die Justin so oft verweist, unsere vier Evangelien waren. Lippe lt hat in
seiner schon wiederholt zitierten Schrift neuerdings den Beweis zu erbringen
versucht, die d.ioii n/iiov: nuara Justins seien eine Evangelien -Harmonie gewesen
und diese habe Tatian ins Syrische übertragen. Für unsern nächsten Zweck ist
die Frage belanglos. Aber allerdings erhält durch diese Annahme die Tatsache
eine sehr befriedigende Erklärung, daß Justin nirgends die Namen der Verfasser
seiner dnofJWtfWvt'öfLia nennt, während er doch 197mal die Verfasser alttestament-
licher Schriften namhaft macht. Vgl. S. 94ff. Bousset, Die Evangelienzitate, S. 51,
und Zahn (Gesch. d. Kan., I, 536 f.) haben diese Hypothese freilich laugst ab-
gelehnt.
6
) Vgl. auch Harnack, Chronol., S. 682. — Bereits in seiner Oratio ad
teeofl nach Harnack wohl später als ca. 155 verfaßt) zitiert Tatian Joh. 1, 5
alfl Schriftwort (cap. L8: VO&tö fniiv (loa FÖ .•
ioi/urroi').
33
1
)
S. 80 f.
2
)
Kreyenbühl beruft sieb biebei auf das Dictum Harnacks (Zeitschr. f.
Kircheugesch., 1881, S. 492): Tatian ordne das vierte Evangelium noch der syn-
optischen Stoffgruppierung völlig unter; er erzähle nacb Matthäus, die Johannei-
seben Perikopen würden, so gut es gehe, untergebracht; der Chronologie des
vierten Evangeliums habe also Tatian noch nicht getraut. Aber dieses Urteil
Harnacks ist längst überholt. Vgl. Chronol., S. 682.
3 Vgl. Hjelt, S. 21 f.
4
)
Haer. fabul., I, 20 (Migne, P. G., 83, Sp. 372).
5) Vgl. Hjelt, S.36.
6 Adv.
)
haer., HI, 11, 7.
7
)
Wird auch von Bar Salibi ausdrücklich bezeugt (vgl. Hjelt, S. 40).
3
;
M
Wird, BO zwar, dafl das von Zahn aufgestellte chronologische Grund-
Bchema Bioh nur in einem Punkte als nicht richtig erwies. Im einzelnen
aber steht er Evangelium kaum viel freier gegenüber
dem vierten
als den Synoptikern. Man wird demnach inskünftig das Zeugnis des
1
)
3) S. 5. 354.
4) Kreyenbühl, S. 548.
"';
Eusebius gibt ihm diesen Titel nirgends.
Eusebius, Hist. eccl., II, 25, 6 nennt ihn zwar 6xxh]GLaOT ixög
°) üvyg, aber
Bar Salibi (sieh Anm. 8) bezeichnet ihn doch dreimal als Ketzer.
') Vgl. Hist. eccl., II, 25, 6; III, 28; 31, 4; VI, 20.
8
) Aus dem Cod. Rieh 7185, Brit. Museum, saec. 14., wahrscheinlich Ex-
zerpte aus dem syrischen Kommentar des Bischofs Bar Salibi; deutsch übersetzt
von Harnack Texte u. Untersuch., VI, 3, 121 ff.) und von Zahn (Gesch. d. Kan.,
II, 974 ff
35
gesinnter Nachfolger geworden, welche lieber die Geschichte leugnen und auf
den Kopf stellen als sich ein Jota von ihrem Aberglauben an die kirchliche
l hfilit-ferung rauben lassen.
37
1
)
Irenäus, Adv. haer., I, 3, 3; II, 22, lff. ; Epiphanius, Haer. 51.
2
)
Vgl. über das Nähere: Na gl,
Die Dauer der öffentlichen Wirksamkeit
Jesu, Katholik, 1900, S. 200 ff. ; v. B ebb er, Zur
Chronologie des Lebens Jesu,
1898, S. 155 ff. B eis er, Zur Hypothese von der einjährigen Wirksamkeit Jesu,
;
Bibl. Zeitschr., 1903, S. 56 ff. Belser bestreitet wohl mit Recht Nagls Meinung,
die Annahme einer einjährigen Wirksamkeit gehe durch Klemens Alex, auf die
Gnostiker zurück. Im übrigen berührt uns die Frage nach der Quelle der Zeug-
nisse über die Dauer der Wirksamkeit des Herrn (vgl. Nagl, S. 417 ff.) hier nicht.
3) Ad Trall. (altera rec, X, 5).
S. 71. Übrigens hatte bereits Strauß, Leben Jesu (1864), S. 249, anerkannt: Hier
sind alle Ausflüchte vergebens und man muß bekennen: sind dies wirkliche Worte
Jesu, so muß er öfter und länger, als es den synoptischen Berichten nach scheint,
in Jerusalem tätig gewesen sein. Vgl. noch weitere Gründe für Jesu Wirksamkeit
in Jerusalem bei Beyschlag, Stud. u. Kr., 1874, S. 673 ff.
39
tägigen Passahfeste bezogen, welcher der wirklich erste von den sieben
Sabbaten nach Passah bis Pfingsten war und der zum Unterschiede
von dem in die Passahoktave fallenden groJßen Sabbat, 2 ) mit dem die
erstevon den sieben Wochen zwischen Passah und Pfingsten begann
und also sozusagen der erste erste Sabbat war, der zweite erste ge-
nannt wurde, um bei der Zählung nach Sabbaten nicht auf acht zu
kommen. 3) Und wäre devvsQOJiQcbvq), trotzdem eine nachträgliche Ein-
schiebung in die Mehrheit der Handschriften wegen seiner Dunkelheit
kaum denkbar ist, unecht, 4 ) so bleibt immer noch die reife Saat und
das Ährenpflücken der Jünger, was wohl auf dieselbe Zeit führt, 6 )
5
)
)
4Fehlt in X^L, einigen Minuskeln und Versionen und wurde von namhaften
Kritikern teils getilgt (T regelles, Weiß u. a.), teils als zweifelhaft bezeichnet
(z. B. Westcott). —
Die Erklärung Belsers (Bibl. Zeitschr., 1903, S. 61), der das
Wort für zweifellos interpoliert ansieht, so daß es fernerhin aus der Diskussion
völlig auszuscheiden habe: Im Blick auf ev ezegq> aaßßdzq) 6, 6 habe einer 6, 1
ein ngcözq) an den Rand geschrieben und ein späterer über letzteres mit Rücksicht
auf 4, 31, wo gleichfalls ein Sabbat genannt sei, ein devzegq> gesetzt; ein dritter
endlich habe die Interpolation besorgt, indem er aus ngcozq) und devuegq) das
Monstrum devvegöJigoTov geschaffen, ist vielleicht, trotz des sehr komplizierten
Vorganges, an sich nicht ganz unmöglich. Freilich müßte odßßaotv 4, 31 gegen
den lukanischen Sprachgebrauch (vgl. 6, 1.6.7; 13, 14 ff.; 14, 1.3.5; 23, 54.56)
und gegen i)v öiödoxcov von einem einzelnen Sabbat gefaßt worden sein. Doch
bleibt noch immer die Frage unbeantwortet, wie dieses einzig dastehende „Mon-
strum" in die Mehrheit der Handschriften eindringen konnte.
5) Matth. 12, 1; Mark. 2, 23. «) Lev. 23, 10 f. —
7
) Vgl. Ewald, Das Hauptproblem der Evangelienfrage (1890), S. 52: Die
Zeit, da die Ähren reif waren, muß jedenfalls Frühling gewesen sein. Zahn,
Einl. II, 441 Schriftstellern, welche nirgendwo Beweise blödsinniger Gedankenlosig-
:
keit gegeben haben und welche sich mit den jüdischen Sitten und den natürlichen
Verhältnissen in Palästina so wohl vertraut zeigen, ist doch nicht zuzutrauen, daß
sie sich diese Szene im Herbst oder Winter vorgestellt haben. Sie wußten, daß der
Anfang der Ernte mit der Passahzeit zusammenfiel, daß also von da bis zum
40
gewesen wäre, 1
) so hätten sich weder
noch Jesus selbstdie Pharisäer
in Galiläa, sondern in Jerusalem aufgehalten, trägt Chwolsons Deutung
genügend Rechnung, da die Anwesenheit in Jerusalem während der
ganzen Passahoktave nicht gefordert wurde. 2)
Ferner kann Matth. 14, 13 ff., Mark. 6, 34 ff., Luk. 9, 12 ff. =
Joh. 6, 4 ff. nicht ohne weiteres bei Seite gelassen werden, wie dies
von Belser geschieht. Die Aussagen Mark. 6, 39: im reo %1<j)Q(]) '/oqvco
und Joh. 6, 10: yoovog noXvg führen, selbst abgesehen von
))v öi-
Joh. 6, 4, doch viel eher auf das Frühjahr als auf den Herbst; 3 ) dabei
ist das Frühjahr des Anfanges und des Endes der öffentlichen Wirk-
samkeit unzweifelhaft ausgeschlossen. "Weiter versetzt Matth. 17, 23 ff.
in den Monat Adar (ungefähr März), da dieser Monat der Termin für
die Zahlung der Doppeldrachme war, 4 ) und es erscheint mir keines-
wegs zweifellos, da!3 dieses Ereignis „mehrere Wochen vor dem
Leidenspassah" fiel, 5 ) da in jenen Wochen von einem Aufenthalt
Jesu in Kapharnaum wohl keine Rede sein kann. 6 ) Endlich wird
auch Lukas 13, 6 ff. von vielen Exegeten 7 ) nicht ohne Grand, wie
ich glaube, für eine mehrjährige Wirksamkeit angezogen.
Auf all dies hin kann mit vollster Sicherheit wenigstens so viel
festgestellt werden, daß die synoptischen Berichte nicht nur nicht
bloß von einer einjährigen öffentlichen Tätigkeit Jesu zu erzählen
wissen und eine mehrjährige ausschließen, daß sie vielmehr mit größter
Wahrscheinlichkeit eine mehr als einjährige Wirksamkeit postulieren.
Zugleich ist auch durch die Feststellung des wiederholten Auf-
Todespassah mindestens noch ein volles Jahr verstrichen sei. Vgl. noch Belser,
Tüb. theol. Quartalschr., 1899, S. 130: Die Annahme von Sommersaaten sei gesucht
und künstlich. 1900, S. 34, Anm. Solange Palästina bestand und bestehn wird, ist
:
die Zeit der Ernte der Monat April, nicht August. Bibl. Zeitschr., 1903, S. 167:
Er habe im Jahre 1893 selbst erfahren, daß in Palästina auch in den Frühlings-
monaten nicht selten reichlich Regen falle und Sommersaaten wohl gedeihen!
i)
Bibl. Zeitschr., 1903, S. 61 ff.
2
)
Vgl. Knabenbauer, Comm. in Lucam zu 2,43, S. 142.
3 Vgl. z. B. Knabenbauer, Comm. in Marcum zu 6, 39, und Stimmen aus
)
\2
nur die Tatsache, daß Jesus in einem höheren Alter sein Lehramt
ausgeübt habe. Und nochmals sei es gesagt: Die aetas senior hat an
sich mit der Dauer der öffentlichen Wirksamkeit gar nichts zu tun.
Eine mehrjährige Tätigkeit deduziert Irenäus ausschließlich
aus dem vierten Evangelium. Das genüge hierüber an dieser
1
Stelle. )
örterungen braucht hier nicht abgegeben zu werden. Ich müßte fast in jedem
einzelnen Punkte widersprechen.
t8
f III.
1
Vgl. C. A. Kneller, Stimmen aus Maria -Laach, 1897,
)
10, S. 459 ff.:
) HI, 3, 1.
44
i) IV, 26, 2. 4. 5.
2 III, 2, 2.
)
3
)
III, 4, 1. — „Et si de aliqua raodica quaestione disceptatio esset, norme,
oporteret in antiquissimas recurrere ecclesias, in quibus apostoli conversati sunt
et ab eis de praesenti quaestione sumere quod certum et re liquidum est?" —
Vgl. hiezu Bardenbewer, Gesch. d. altkirchl. Literatur, I, S. 513 ff.
4
)
Vgl. Corssen, Zeitschr. f. d. neutest. Wissenschaft u. d. Kunde des Ur-
christentums, 1901, S. 203.
5
)
Presbyteraussagen sind neuestens u. a. zusammengestellt bei
Diese
E. Preuschen, Antilegomena. Die Eeste der außerkanonischen Evangelien und
urchristlichen Überlieferungen (1901), 8. 63—71 (in deutscher Übersetzung S. 152
bis 169), und bei Funk, Patres apostolici, 2. Aufl. (1901), I, S. 378— 383.
:
45
6. IV, praef. 2: Hi, qui ante nos fuerunt et quidem multo nobis
meliores. 2 )
7. IV r
4, 2: Et bene, qui dixit.
8. IV, 41, 2: Quemadmodum et quidam ante nos dixit.
c
9. V, 17, 4: ßo scpr) tig tcbv jzooßsßrjxÖTcov.
x
) Vgl. Harnack, Chronol., S. 334; Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest.
Kan., VI (1900), S. 53 ff.
2
)
Harnack, Chronol., S. 384, Anm., folgert aus dieser Stelle, daß Irenäus
eine, beziehungsweise mehrere antignostische Werke gekannt habe.
3) Harnack, a. a. 0. S. 338ff.; Zahn, S. 64ff.
4
)
Wie Leimbach, Das Papiasfragment (1875), S. 12, und H. Delff, Stud.
u. Kr., 1892, S. 92, behaupten.
5
)
Harnack, S. 339; Zahn, S. 65 f.; Funk, Patr. apost. 2 , I, S. 378.
6
)
Harnack (S. 338) koniziert nach Erasmus und Feuardent gegen alle
Handschriften: ostendebat. Die beigebrachten Gründe werden von Zahn (S. 65)
als ungenügend bezeichnet. Vgl. Funk, S. 384. Jedenfalls erscheinen an dieser
46
wohl sicher nur von einem und demselben Sprecher oder Lehrer
des Irenäus die Rede. 1
)
ist Auch tut es nichts zur Sache, wenn Irenäus bei Ab-
gleichgültig.
fassung seines Werkes auch schriftlich aufgezeichnete Predigten des
Mannes zur Hand gehabt hätte; 3) man könnte und müßte doch wohl
in erster Linie an von Irenäus selbst niedergeschriebene Predigten
Stelle noch andere Presbyter als anwesend, die die Aussagen des eigentlichen
Sprechers und Lehrers bestätigen. Das kann der Plural ostendebant sicherlich
bedeuten. Harnack hat darin entschieden unrecht, wenn er behauptet, es sei
überhaupt nur von einem Presbyter die Rede.
1
) Doch vgl. die Anmerkung 6. — Daß dieser Presbyter (also auch die übrigen)
in Asien zu suchen ist, scheint mir gewii> zu sein und wird auch von Harnack
(S. 339) angenommen.
2) Harnack, S. 338.
Harnack, S. 389.
47
Indes ist nicht zu leugnen, daß der zwischen 27, 1 und 32, 1
dem nächsten Wortlaut nach anscheinend sich ergebende Widerspruch
geeignet ist, die Wertschätzung der Angabe des Irenäus bezüglich
des Alters seines Lehrers herabzustimmen, falls nämlich, was anzu-
nehmen nicht unbedingt notwendig ist, an beiden Stellen von dem-
selben Presbyter die Rede ist. Wird dieser nämlich an letzterer
Stelle (32, 1) ausdrücklich als Apostelschüler, somit als Angehöriger
der zweiten Generation, hingestellt, so erscheint er an ersterer als
Hörer von Apostelschülern, also als ein Mann der dritten Generation.
Harnack 3) faßt in 32, 1 apostolorum discipulus im weiteren Sinne =
Schüler von. Apostelschülern. Die Ausdrucksweise des Irenäus sei un-
genau; sie zeige, daß Irenäus mit dem Prädikat Apostelschüler zu leicht
bei der Hand gewesen. Doch ist mir auch diese Erklärung etwas zu
ungenau und leicht, um sie für wahr zu halten. Es bleibt eine mißliche
Sache und ist schwerlich zu rechtfertigen, an einer durchaus klaren
und bestimmten Aussage solcherart zu deuteln. Und wenn wirklich
die Angabe des Eusebius 4 ) auf unsern Presbyter gehn sollte, so
hat auch Eusebius, der doch „gründlich" las, die Worte des Irenäus
buchstäblich genommen. Das Richtige dürfte wohl Zahn 5 ) getroffen
haben, wenn er zu erwägen gibt: Daß jener Presbyter von Apostel-
schülern etwas Bestimmtes gehört (27, 1), schließe keineswegs
aus, daß er selbst ein Apostelschüler gewesen, so gut wie diejenigen,
aus deren Munde er einzelnes, was die Apostel gelehrt, gehört habe.
Es handle sich hier nicht um ein ständiges äxoveiv tcvög, sondern
um ein einzelnes äxrjxorjevat vi Jiaod Tivog, könne natür- und letzteres
lich zwischen völlig Gleichstehenden stattfinden, es könne sogar der
ältere vom jüngeren eine diesem zugekommene Äußerung aus der
Vergangenheit empfangen. Zu allem Überflüsse verweist Zahn noch
auf Papias, der selbst von den JiQsoßvreQOi gelernt und doch wiederum
bei Schülern der jiQsaßvvsQOi nach deren Aussagen geforscht habe, 6 )
und auf Irenäus selbst, der mit starken Worten sein Schülerverhältnis
zu Polykarp betone und doch hinsichtlich einer bestimmten Erzählung
J
) Wie denn Eusebius (Hist. eccl., V, 26) in der Tat eines Irenäischen
jiß/.iov dicO.igecov diayögov Erwähnung tut.
2
)
Vgl. unten S. 56.
3 S. 339.
)
4
)
Hist. eccl., V, 8,8: xal ä7ioßvr}ßovf.vf.iüvoyv de unooxokixov uvog TiQeoßvxeQov,
TÜOVOfACl OLCOJlfj TKXQBÖGiyCeV, ßV)fJbOV&ÖSl §ffflytf06ig TS CtÜTOV i)ei'o)v yoaffojv .t«o«-
Ti'Diirai.
5
)
S. 66 ff. Vgl. Funk, 1. c. p. 379.
6
)
Eusebius, Hist. eccl., III, 39.
48
4) Harnack, S. 338.
Der Presbyter des vierten Buches habe nichts zu tun mit den Presbytern, auf
die sich Irenäus als eine Mehrheit berufe, auf diese allein komme es an, ist eine
Behauptung, deren Beweis nicht einmal versucht wird. Kreyenbühl ignoriert
ihn vollständig!
2
) S. 338.
4
50
i) 0. S. 94.
Vgl. a. a.
2
)
Bischof von Hierapolis (Eusebius, Hist. eccl., II, 15, 2; III, 36, 2; Chronic,
ad a. Abr. 2114. Hieronym., De vir. illustr., 18). Über sein Werk vgl. unten S. 90-
51
') S. 89 f.
) Das Urchristentum (1902), S. 102. Vgl. auch Beyschlag, Stud. u. Kr.,
2
1898, S. 98; J. Labourt, Revue Biblique, 1898, p. 70: On ne peut pas donner ä
zavza dt xai le sens de xai zama de. Ce sont deux systemes de conjonctions
absolument opposes. — Pourquoi ömfjLaQTVQel au lieu du simple ßagvvget, sinon
pour indiquer clairement que l'autorite de Papias est employee comme confirma-
tion d'une autre autorite bien distincte?
4*
52
daß die Presbyter des Irenäus, die den Apostel Johannes und andere
Apostel gesehen, mit den ol JZQSoßvtSQOt des Papias nicht identisch
sein können. Wären dagegen nach Harnack die ol siQBoßvtSQOi des
Papias als Generation nach den Aposteln von diesen zu scheiden, und
wäre Papias Schüler der Presbyter in diesem Sinne, gehörte er also
der dritten Generation an, so wäre es ebenso selbstverständlich, daß
Papias viele Mitteilungen in der von Harnack beschriebenen Weise
einführen und Irenäus unsere Stelle, für sich betrachtet, dem
54
)
Und woher weiß Harnack, daß
vieleKrzählungen bei Papias diese Zitationsformel gehabt haben müssen?
In den vorhandenen Fragmenten des Papianischen Werkes liegt nicht
ein einziges Beispiel hiefür vor. "Welche Einführungsformel Papias
für die gesammelten apostolischen Überlieferungen gebraucht, läßt sich
absolut nicht sagen, und es ist durchaus gegen die wissenschaftliche
Solidität, die Zitationsformeln des Irenäus einfach dem Papias unter-
zuschieben.
Das gegen die mündliche Überlieferung des Presbyterzeugnisses
aus der Länge desselben herbeigezogene allzu subjektive Argument
Harnacks bedarf kaum einer Widerlegung und wird von Zahn 2 ) unter
anderem hinlänglich beseitigt durch den Hinweis auf Irenäus, der in
seinem Brief an Florinus versichert, daß er sich dessen, was er in
jungen Jahren bei Polykarp gesehen und gehört, genauer erinnere
als späterer Erlebnisse und daß er die Vorträge Polykarps noch immer
wiederkäue, sowie durch die Tatsache, daß es sich hier um ein frei-
gestaltetes, sei es abkürzendes, sei es erweiterndes Referat handle.
In eingehender und gründlicher Weise hat sich neuestens
Corssen 3
) wiederum mit unserer Stelle beschäftigt. Aber auch seine
Ausführungen, die gleichfalls dem Nachweise der Abhängigkeit des
Irenäus vom Werke des Papias dienen, machen die Aufstellungen
Harnacks nicht haltbarer.
Corssen versucht zuerst, aus 33, 3 die Möglichkeit, daß Irenäus
aus dem Werke des Papias geschöpft, zu erweisen.
Corssen gesteht zu, die Stelle klinge freilich so, als wolle Irenäus
das Zeugnis des Papias neben das der Presbyter stellen, besonders
da er ihn einen Hörer des Johannes nenne. „Aber wenn Irenäus
sagen wollte, Papias berichte Selbstgehörtes, warum unterschied er
ihn von den Presbytern, die den Johannes gesehen hatten ? u Papias
sei doch in Wahrheit gar nicht Hörer des Johannes gewesen, wie
2) S. 91 f.
l
) Vgl. hiezu Eusebius, Hist. eccl., III, 15, 2: 2vveni^aQ%votl de amq)
xai . . . Hamag.
68
die Presbyter, die den Johannes gesehen hatten, nicht mit den Pres-
bytern des Papias zu identifizieren sind, wurde bereits gezeigt.
In einer weiteren Erwägung sucht Corssen die "Wahrscheinlich-
Zeugnis dem Werke des Papias
keit darzutun, dai3 Irenäus das zitierte
entnommen habe. Irenäus behandle durch den Gebrauch des Präsens
in der EintVihrungsformel die Presbyterzeugnisse in derselben Weise
wie Schriftwerke als gegenwärtig. Diese müßten also doch wohl, sei
au einem, sei es an verschiedenen Orten, schriftlich niedergelegt
^vwesen sein, und es dürfte doch wohl wahrscheinlich sein, daß
mindestens in diesem einen Falle das Presbyterzeugnis sich bei Papias
gefunden habe. „Oder wollte Irenäus, der sein Werk vor 173 nicht
begonnen haben kann und vor 181 wahrscheinlich nicht begonnen
hat, zu verstehn geben, daß jene ungenannten Presbyter noch im
Fleische wandeln und von jedermann befragt werden konnten?" Hiezu
sei folgendes bemerkt. Die aufgeworfene Frage scheint mir eine
kaum glückliche zu sein, da es sich gar nicht darum handeln kann,
ob die Presbyter bei Abfassung des Irenäischen Werkes noch am
Leben waren oder nicht. Corssen hätte besser fragen sollen, ob
Irenäus habe zu verstehn geben wollen, daß man sich von der
Richtigkeit auch bei Papias, der dasselbe
des Presbyterzeugnisses
auch aufgeschrieben habe, überzeugen könne. Diese Frage ist aller-
dings entschieden zu bejahen und daraus erklärt sich die Angabe
des Fundortes des Zeugnisses. So gewiß ferner Jülicher 1
)
im Un-
recht ist, wenn er glaubt, Irenäus habe, als er diese Stelle nieder-
S. 93 f. Zahn läßt übrigens, wie mich dünkt, eine Schwierigkeit außer acht.
3
)
Zahn nimmt an unserer Stelle bekanntlich ein von Papias völlig unabhängiges
Presbyterzeugnis an, das Irenäus selbst yon den Presbytern gehört habe. Aber
wenn Irenäus bei den Presbytern des vierten Buches, die er selbst gehört, so
gewissenhaft in der Bezeichnung der Kanäle verfährt, durch die ihm die apo-
stolische Tradition zugeflossen (S. 67), warum sagt er es in unserem Falle nicht,
daß er das Zeugnis von den Presbytern persönlich gehört? Warum wird hier ein
anderer Maßstab angelegt?
59
liehe Quelle zitiere. „AVer setzte hinzu und sagte?" Dieses schließe
durchaus nicht an das Vorhergehende an, denn da spreche der Herr
in eigener Person. Es müsse diese Rede des Herrn in der Quelle
etwa so eingeleitet gewesen sein: Johannes erzählte uns, wie der
Herr die Jünger über das kommende Reich belehrte. Dann sei es
klar, dal] Johannes es gewesen, der die Bemerkung hinzugefügt, mit
der er den Übergang zu dem ungläubigen Judas gewonnen.
Nach Zahn *) läßt mier Irenäus den Papias zu der vorher re-
produzierten Aussage der Presbyter noch etwas hinzufügen, also
außer solchem, was mit der Aussage der Presbyter wesentlich iden-
tisch war, noch anderes mitteilen, was in jener Aussage nicht ent-
halten war, und zieht auch daraus den Schluß, daß Irenäus nicht aus
dem Werke des Papias geschöpft habe.
daß Zahn im Rechte ist. Abgesehen davon,
Ich glaube nicht,
daß diese Schlußfolgerung aus dieser Prämisse kaum stringent sein
dürfte, da es mir wenigstens unmöglich ist einzusehen, warum Irenäus
nicht aus dem Papianischen Werke geschöpft haben konnte, wenn
letzteres mehr mitteilt als die Presbyter, ist nach dem vorausgehen-
den Präsens eJii^aQWQel, das mit Bezug auf das vorliegende Werk
des Papias gebraucht ist, das Perfectum adiecit, wenn es in gleicher
Weise mit Bezug auf dasselbe Werk des Papias gebraucht wäre, im
höchsten Grade befremdend. 2 ) Ich stimme Corssen zu und meine,
daß in der Tat als Subjekt zu adiecit und wohl auch zu inquit
Johannes angesehen werden müsse. Aber den Schluß, den er hieraus
zieht, halte ich für verfehlt. Sind die Schlußworte nicht eine Be-
merkung des Papias, sondern eine Fortsetzung des Presbyterzeugnisses,
dann hat Irenäus diese Worte nicht bei Papias gelesen, sondern, da
von einer anderweitigen schriftlichen Quelle nicht die Rede sein kann,
sie aus dem Munde eines Presbyters (wohl des Papias) gehört. Wäre
nämlich ganze Zitat aus Papias abgeschrieben, warum leitete
das
Irenäus nicht das ganze Zitat als schriftliche Mitteilung des Papias
ein? Oder hätte er dann die Angabe des Fundortes, wenn er sie
schon machen wollte, nicht am Schlüsse des Zitates beifügen müssen?
Warum setzt er sie (nach Corssen) mitten in das Presbyterzeugnis
hinein? Oder wollte Irenäus absichtlich verschweigen, daß er auch
diese Schlußbemerkung aus Papias geschöpft? Aber welchen ver-
nünftigen Grund hätte er hiezu gehabt? Irenäus geht also unzweifel-
!) S. 89.
2 Nachträglich sehe ich, daß Corssen in einem weiteren Aufsatz (Zeitschr.
)
f. neutest. Wiss., 1901, 4, S. 291, Anm.) das gleiche Bedenken gegen Zahn geltend
macht und außerdem betont, daß adiecit dicens (Luk. 19, 11) eine Formel sei, die
zur Verbindung zwischen zwei Erzählungen desselben Autors diene.
60
hatt aber Papias hinaus und weil.) aus mündlicher Überlieferung (des
Papias) mehr zu berichten Papias schriftlich aufgezeichnet hat.
als
Da ferner, wie ich dies nicht bloß als möglich, sondern als im hohen
Grade wahrscheinlich nachgewiesen zu haben glaube, das Presbyter-
zeugnis vom Anfange an als mündliche Überlieferung des Papias
eingeführt wird, so ergibt sich folgender natürlicher Sinn von V,
33, 4:Zunächst erklärt Irenäus: Das bisher Gesagte (V, 33, 3, vavva dt-)
bezeugen nicht bloß die Presbyter (Papias) in mündlicher Überlieferung,
es hat dies auch Papias schriftlich aufgezeichnet und findet sich im
vierten Buche seines Werkes. Hieraufführt er das Presbyterzeugnis nach
der mündlichen Überlieferung fort, indem er statt der von Johannes
erzählenden Presbyter, mit adiecit dicens, den Johannes selbst redend
einführt. Daß diese Wendung eine Einleitung voraussetze wie ol
mündliches und Irenäus hörte es aus dem Munde des Papias, der es
seinerseits aus dem Munde des Johannes und aus dem Munde anderer
Johannesjünger vernommen hatte; es existiert aber zum Teil auch
schriftlich, so weit es nämlich Papias auch aufgeschrieben hat. So
bezeugt denn auch Papias schriftlich einen Teil der Geschichte.
Das Ganze ist also eine einheitliche Geschichte; aber entnommen
der mündlichen Überlieferung und zum Teil auch schriftlich bestätigt
im Werke des Papias.
Resultat: an unserer Stelle von Papias abhängig,
Irenäus ist
61
4) Harnack, S. 337.
•"')
Vgl. Bardenhewer, S. 542; Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan.,
VI, S. 92.
°) Nach P r e u s c h e n, S. 64 f.
62
Krevenbühl ') davon nichts wissen will, freilich nur, um jenes Zitat als
eine pure Flunkerei des Irenäus zu erklären.
Weiter Harnack geht Corssen, 2 ) der in eingehender Er-
als
örterung auch auf Grund dieser Stelle die Abhängigkeit des Irenäus
vom Werke des Papias sicher beweisen zu können vermeint. Die
wesentlichen Ergebnisse Corssens sind im einzelnen diese. 1. Irenäus
stelle das Zeugnis der Presbyter über die aetas senior der Lehrtätig-
keit Jesu neben das Evangelium hin, als ob es zwei verschiedene
Zeugnisse wären, obwohl es für ihn das Zeugnis desselben Mannes
sei. 2. Irenäus und die Presbyter besagten dasselbe. Harnacks Meinung,
Irenäus behaupte, Jesus sei nicht 50 Jahre alt geworden (Joh. 8, 57),
die Presbyter dagegen bezeugten als Johanneische Überlieferung, er
sei bis zum Greisenalter gekommen, halte nicht stand. Die aetas
senior der Presbyter sei nicht die eigentliche senectus; auch Irenäus
schiebe ihnen eine solche Behauptung gar nicht zu, er meide den
Ausdruck im ganzen Abschnitte, er sei vielmehr, indem er drei Stufen
des menschlichen Alters unterscheide, Kindheit, Jugend und höheres
Alter, zufrieden, Jesus unter die älteren, den Fünfzigern nahestehenden,
einreihen zu können. In einem andern, als diesem relativen Sinne
hätten auch die Presbyter die aetas senior nicht gefaßt, dies lasse
sich positiv beweisen aus den Argumenten, mit denen Irenäus arbeite.
Diese Argumente nun seien unverträglich mit der Anerkennung der
kanonischen Geltung insbesondere des dritten Evangeliums sie seien ;
i) S. 60.
63
Es daher sicher, daß Irenäus wie die Ansicht vom höheren Alter
sei
Jesu, so auch die Argumente hiefür dem Papias entlehnt habe, der
auf Lukas 3, 23 keine Rücksicht genommen. 3. Auch die Anschauung
des Irenäus vom Beginne der aetas senior gehe auf Papias zurück.
Irenäus rechne die Jugend bis zum
Jahre und setze eben in dieses
40.
Jahr die Neigung zum Alter (5) und den Anfang der Lehrzeit Jesu
(die Zeitbestimmung et oder aut quinquagesimo sei augenscheinlich
eine Interpolation). bekomme sein Raisonnement Sinn und
Nur so
Zusammenhang, so verstehe man, warum von diesem Jahre an das
höhere Alter gerechnet werde, und erst so könne man sagen, Jesu
Lehrzeit sei in dieses Alter gefallen, während unter der Voraussetzung,
daii Jesus im Alter von ungefähr 30 Jahren getauft worden sei und
gleich nach der Taufe zu lehren begonnen, seine Lehrtätigkeit zum
großen Teil in das Jugendalter falle, was doch gerade widerlegt werden
sollte. Diese Anschauung, die der Argumentation des Irenäus zu
Grunde liege, entspreche aber (wenn Irenäus auch mit runden Zahlen
operiere) den chronologischen Angaben folgender Notiz eines Ano-
nymus aus dem Jahre 810: l ) In commentariis Victorini inter plurima
haec etiam scripta reperimus. Invenimus in membranis Alexandri
episcopi qui fuit in Jerusalem, quod transcripsit manu sua de exem-
plaribus apostolorum. Ita VIII. Kai. Janu. natus est dominus noster
Jesus Christus Sulpitio et Camerino Coss. et baptizatus est VIII. Id.
Jan. Valeriano et Asiatico Coss., passus est X. Kai. Apr. Nerone III.
et Valerio Messala Coss., resurrexit VIII. Kai. April. Coss. supra scriptis,
ascendit in coelos V. Non. Mai. post dies XL. Coss. supra scriptis.
Joannes baptista nascitur VIII. Kai. Jul. et circumciditur Kai. Jul.
ad Mariam vero locutus est angelus VIII. Kai. Apr. sexto iam con-
ceptionis mense Elisabeth (in utero) habere dicens. Hiezu bemerkt
Corssen, aus Namen und Beinamen seien in den beiden ersten Fällen
zwei Konsuln gemacht und im zweiten Valerianus aus Valerius ent-
standen, sonst aber seien sie richtig und ergäben die Jahre 9, 46
und 58. Ferner hält er die Angaben der Monattage bei der Geburt
des Täufers und Empfängnis Marias für spätere Zusätze, meint aber,
daß man die Angabe der Konsulate als den Kern einer alten Nach-
richt anerkennen müsse, die dem Anonymus wirklich auf dem ange-
gebenen Weg zugekommen, da es nicht begreiflich sei, wie und warum
man in späterer Zeit auf die angegebenen Konsulate hätte verfallen
können; und da er sich nicht vorstellen könne, wie jemand, nachdem
das Lukas-Evangelium kanonische Geltung gewonnen, es hätte wagen
!
) Vgl. Harnack, Gesch. d. altchristl. Lit., I, S. 506; Dobschütz, Das
Kerygma Petri (Texte u. Untersuch., X, 1, S. 137).
64 _
können zn behaupten, Jesus sei unter Nero gekreuzigt worden. Frei-
lich sei es dabei ganz und gar unklar, was Alexanders ) Quelle ge- 1
wesen aber so viel gehe doch hervor, daß er diese Überlieferung auf
;
!) Gründer der Bibliothek Jerusalem (Eusebius, Hist. eccl., VI, 20), gehört
in
der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts an. Vgl. Harnack, a. a. O. S. 505.
2
) Vgl. das Register bei Funk, Patres apost.
9) S. oben S. 29, 32, Anm. 4.
gewesen, sondern ungefähr erst ins 30. Jahr gehend (Luk. 3, 23).
„Und von der Taufe an hat nur ein Jahr gepredigt, das 30. Jahr
er
vollendend hat er gelitten, wo er noch ein Jüngling war (adhuc
2
) Vgl. Bousset, Die Evangelienzitate Justins des Märtyrers, S. 17.
2
)
Vgl. Tertullian, Adv. Marc, 5, 11. 17.
3
)
Bardenhewer, S. 342; Zahn, Gesch. d. Kan., I, S. 680ff.
4
)
Belser, Einl., S. 742; Schaefer, Einl., S. 180; Holtzmann, Einl.,
96 f.
5
)
II, 22, 1-3. - «) U, 22, 4.
5
_ 5?
iuvenis existens) und noch nicht das vorgerücktere Alter hatte (et
qui necdum provectiorem haberet aetatem)?" 30 Jahre seien ja erst
die prima indolis iuvenis, diese erstrecke sich bis zum 40. Jahre, wie
jedermann zugebe; erst vom 40. und 50. Jahre beginne die Neigung
zum höheren Alter (aetas senior), in welchem Jesus gelehrt habe.
Für dieses höhere Alter der öffentlichen Lehrtätigkeit beruft sich
Irenäus nebst dem Evangelium auch auf das Zeugnis aller Presbyter. ) 1
nur e i n Jahr gepredigt haben könne, die Zeit nämlich vom 30. bis
zum 50. Jahre werde niemals ein Jahr sein; 2. daß Jesus damals
nicht 30 Jahre alt gewesen, denn um 20 Jahre hätten sich die Juden
doch nicht geirrt und zu einem Dreißigjährigen hätte man gesagt:
du bist noch nicht 40 Jahre alt; und 3. Jesus habe damals bereits
das 40. Jahr überschritten, das 50. aber noch nicht erreicht gehabt,
darum hätten die Juden zu ihm gesagt: du bist noch nicht 50 Jahre alt.
Aus dieser Argumentation ist mir wenigstens völlig klar, daß es
dem Irenäus in erster Linie und hauptsächlich um den Nachweis zu
tun ist, Jesus sei älter als 30 Jahre geworden, er sei bei Beginn
seines öffentlichen Lehramtes kein iuvenis mehr gewesen. Diesen
Beweis erbringt er, sich auf den Standpunkt der Gegner stellend,
auf Grund von Lukas 3, 23; hiefür ruft er das Zeugnis aller Pres-
byter an und diese Tatsache findet er insbesondere auch durch Joh. 8, 57
bestätigt. Welches genaue Alter die Presbyter unter der aetas senior
verstanden, deutet Irenäus durch kein Wort an, hierüber hatte er
augenscheinlich keine Nachricht erhalten. Diese Frage muß also un-
bedingt offen bleiben, zumal wir nicht einmal den Wortlaut der Pres-
byter-Mitteilung kennen. Sicher scheint mir auch so viel zu sein, daß
die Presbyter Jesu ebensowenig als sie ihm das Greisenalter über-
haupt zuschrieben, an der höchsten Stufe des menschlichen Alters einen
Anteil zugeschrieben haben konnten. Hätten sie es wirklich getan,
so hätte dies Irenäus nach der ganzen Tendenz seiner Beweisführung
ausdrücklich gesagt, und wären seine aprioristischen, philosophisch-
exegetischen Deduktionen überflüssig gewesen. Wenn Irenäus seiner-
seits diese aetas senior im Hinblick auf Joh. 8, 57 auf mehr als
40 Jahre berechnet, so ist das seine Sache. Und wenn er mit Be-
ziehung auf die genannte Stelle sagt: die Zeit vom 30. bis zum 50.
Jahre wird niemals ein Jahr sein, so will er damit ganz offenkundig
durch rhetorische Exaggeration die Behauptung der Valentinianer von
der einjährigen Lehrtätigkeit Jesu ad absurdum führen.
Was ferner die flagranten Widersprüche anlangt, in die sich
Irenäus von seinem Standpunkte aus, das heißt, bei Anerkennung
i) II, 22, 5.
67
)
2
Ich halte es für völlig unrichtig, wenn v. Dobschütz (Das Kerygma Petri,
Texte u.Unters., XI, 1, S. 148 f.) Irenäus als Zeugen des zwölfjährigen öffentlichen
Wirkens Jesu aufführt. Vgl. auch Bratke, a. a. 0. S. 741.
3
)
Vgl. hiezu Bratke, S. 751 ff. ; Schanz, Komm. üb. d. Ev. d. heil. Luk.
zur Stella.
5*
68 _
läßt, er hat dabei keineswegs völlig vergessen, daß Jesus bei seiner
Taufe doch erst 30 Jahre alt gewesen sei und er mußte aber auch
keineswegs die Angabe des Lukas für die Taufe Jesu korrigieren.
Daß Tivnäus den genannten Zeitraum einschob, ist wieder seine Sache.
Aber auch diesbezüglich ist es unrichtig zu behaupten, er setze sich
dadurch in Widerspruch mit allen vier Evangelien. Ich will hier
Irenäus nicht gerade verteidigen, aber es läßt sich die Einschiebung
doch einigermaßen ohne bewußten Widerspruch erklären. Matthäus
und Markus reihen bekanntlich ihren Bericht über die öffentliche
Tätigkeit Jesu ausdrücklich an die Einkerkerung des Täufers an, ) 1
auch Lukas weicht hierin wohl nicht ab. Das vierte Evangelium
aber weil.) von einem länger dauernden Aufenthalt Jesu in Judäa zu
berichten, während dessen der Täufer noch nicht überliefert war. 2 )
Konnte nun nicht Irenäus etwa die nach der Taufe Jesu fortgesetzte
Tätigkeit des Täufers und den damit parallelen Aufenthalt Jesu in
Judäa auf längere Zeit berechnet haben? Freilich hätte er hiebei
übersehen, daß er die im vierten Evangelium berichtete erste Reise
Jesu nach Jerusalem in die Zeit seiner öffentlichen Lehrtätigkeit
herübergenommen. Aber das erscheint doch nur als Nebensache.
Eine ganz andere Erklärung der Irenäischen Chronologie des
öffentlichen Wirkens Jesu verteidigt v.B ebb er. 3 ) Bebber bemerkt, daß
die Anschauung des Irenäus über die aetas senior Jesu nur begreif-
lich sei, wenn die apostolische Tradition diesbezüglich keinen Zweifel
an ihrer Echtheit gestattete und nach seiner Überzeugung den gleichen
Glauben verdiente wie Lukas 3, 23. Er hält ferner für sicher, daß die
Lukasstelle korrumpiert Lukas habe das Alter Jesu bei seiner
sei.
gaben über Daten des Lebens Jesu jener Didaskalie irgendwie angehöre.
Damit glaube ich gezeigt zu haben, daß Corssen in der Tat nicht
bewiesen hat, was er beweisen zu können glaubte. Gleichwohl möchte
ich nicht leugnen, daß die Überlieferung über die aetas senior der
Lehrtätigkeit Jesu im aufgezeigten Sinne irgendwie auf Papias zu-
rückgelm könnte.
Damit entfallen aber auch alle weiteren Folgerungen, die Corssen
und andere aus der erörterten Stelle bezüglich der von den Presbytern
angenommenen Kreuzigung Christi unter Nero und bezüglich der Un-
glaubwürdigkeit der Presbyter überhaupt und der bodenlosen Leicht-
gläubigkeit und Kritiklosigkeit des Papias gezogen haben. Wenn man
aber auch dem Irenäus wiederholt zugemutet, er setze Jesu Kreuzigung
unter Claudius an, so hat bereits Zahn hierauf die entsprechende Ant-
wort gegeben. 4 )
Es erübrigt noch, den Inhalt des Irenäischen Presbyterzeug-
nisses V, 23, 2. 3 einer kurzen Erörterung zu unterziehen, da angeb-
lich auch er als Zeuge der Unglaubwürdigkeit des Papias und seiner
Gewährsmänner dienen soll. 5 ) Sein Wortlaut ist dieser: 6 ) Venient dies,
in quibus vineae nascentur, singulae decem millia palmitum habentes,
et in uno palmite dena millia bracchiorum, et in uno vero palmite
dena millia flagellorum, et in uno quoque flagello dena millia botruum,
et in uno quoque botro dena millia acinorum, et unumquodque
acinum expressum dabit viginti quinque metretas vini. Et cum eorum
70
Kreyenbühl 1
)
hält dafür, daß diese chiliastische Träumerei
des Papias keineswegs auf den Angaben der Presbyter, noch des
Apostels Johannes, noch Jesu selbst beruhe, sondern in jedem Fall
auf eine in das erste christliche Jahrhundert reichende jüdische
Apokalypse zurückgehe, sei es, daJ3 sie unmittelbar aus der Baruch-
Apokalypse geschöpft sei, oder sei es, daß eine gemeinsame Grund-
schrift anzunehmen sei, die etwas kürzer in Baruch 29, 5, etwas
länger in der Stelle des Irenäus enthalten sei. Wenn Papias hier
etwas den Presbytern zu verdanken habe, so sei es höchstens das
Mißverständnis, welches sie die genannte Stelle als eine Mitteilung
des Apostels Johannes und als ein Wort Jesu hat ansehen und als
ein solches dem Papias hat mitteilen lassen. Corssen 2) aber meint,
ohne einen Widerspruch befürchten zu müssen, folgende Alternative
aufstellen zu dürfen: Wenn der Apostel Johannes das erzählt hat,
so ist er nicht der Verfasser des Evangeliums; wenn er aber der
Verfasser des Evangeliums ist, so hat er das nicht erzählt.
Es sei trotzdem wie Kreyenbühl so auch Corssen zu wider-
sprechen gewagt. Corssen schließt, wenn ich nicht irre, von der Prä-
misse aus, daß der Verfasser des Evangeliums nicht auch der Verfasser
der Apokalypse sein könne, da speziell der Inhalt des Evangeliums
und Apokalypse 20, 4 unvereinbar seien. Auf diese Frage hier des
näheren einzugehn, haben wir umsoweniger Anlaß, als auch Corssen
es bei der bloßen Behauptung bewenden läßt; es sei nur noch einmal
daran erinnert, daß es auch unter den modernen Kritikern welche
gibt, die sich zur Ketzerei bekennen, daß das Evangelium und die
Apokalypse einen und denselben Verfasser haben. 3 ) Gegenüber Kreyen-
bühl erachte ich es für ausgeschlossen, daß Papias unmittelbar aus
der Baruch- Apokalypse 4 ) geschöpft hat. Nicht einmal die wenigen
Zeilen über die Fruchtbarkeit des Weinstockes enthalten völlig
genau den analogen Abschnitt im Presbyterzeugnisse, da Baruch
nur von einer tausendfältigen Fruchtbarkeit spricht. 5 ) Eher könnte
*) S. 64f.
2) A. a. O. S. 224.
3) Vgl. A. Klöpper, Zeitschr. f. wiss. Theol., 1899, S. 369 f.
4
)
Vgl. über sie Schür er, Geschichte des jüdischen Volkes, III, S. 223 ff.
Clemen, Stud. u. Kr., 1898, S. 227 ff.
5
) Die
Baruchstelle lautet: An einem Weinstock werden sein tausend Zweige,
ein Zweig wird treiben tausend Geschosse und ein Geschoß tausend Beeren und
eine Beere wird geben ein Kor Wein. Vgl. L. Atzb erger, Die christl.Eschatologie,
1890, S. 169.
71
In der neuesten Ausgabe der Kirchengeschichte des Eusebius von Dr. Eduard
*)
par Paul Bedjan, 1897, und: The Ecclesiastical History of Eusebius in Syriac
edited from the manuscripts by William Wright and Norman McLean
(with a collation of the ancient Armenian version by Dr. Adalbert Merx), 1898.
3 Die Kirchengeschichte des Eusebius. Aus dem Syrischen übersetzt von
)
daß der Eusebianische Text der Exzerpte sehr häufig fehlerhaft ist.
6
)
Schon Strothius in seiner Ausgabe 1779. Vgl. Halmel, Entstehung
d. Kirch engesch. d. Eusebius, 1896; Holtzmann, Theol. Literat urb er., 1897, S. 141.
schöpfte vieles aus der Kirchengeschichte des Eusebius. Vgl. Theol. Literaturbl.,
1893, Sp. 472; Zahn, Forsch., VI, S. 113. 125; Protest. Real-Enzykl.3, V, 655.
8
)
Vgl. Nestle, a.a.O. S.V.; E. Lohmann, Der textkrit. Wert d. syr.
Übers, d. Kirchengesch. d. Eusebius, 1899, S. 12.
fJ
) Lohmann, S. 12: Nach Herr Prof.
einer persönlichen Mitteilung, die mir
Merx machte, hält er es für sehr wahrscheinlich, daß die syrische Übersetzung
von Eusebius selbst herrührt oder wenigstens sofort in seinem Auftrage an-
gefertigt worden ist. Auch Dr. Baumstark-Heidelberg stimme zu. Nestle
spricht sich wohl mit Recht dagegen aus.
10
) Die älteste Petersburger Handschrift (= 2> nach der Ausgabe von
Schwartz), datiert 773 griech. Ära =
462 n. Chr. Es fehlt ihr das ganze 6. Buch
und sehr viel vom 5. und 7. — Eine zweite Londoner Handschrift (= 2 b ) enthält
Buch 1 — 5 und stammt aus dem 6. Jahrhundert. 2 b verdient den Vorzug, weil
2*, wenn auch älter, durch die Hände mehrerer Abschreiber verderbt ist. Dazu —
2'
kommt noch eine armenische, aus dem Syrischen geflossene Übersetzung (= "),
ll,r
welche nach Moses von Choren durch Mesrop (f 441) veranlaßt wurde. Vgl. hier-
über Lohmann, S. 11 f.; Nestle, V f.
73
<l
covrjq xai {LievovGrjg.
J
) De vir. ill., 18. — 2
) Hist. eccl.
74
i)
Hist. eccl., III, 39, 2. 5-7.
75
kxdtBQOv Icodvvov evi vvv Xeye- derer die sagten, daß es zwei in
oilar olg dvayxalov jzoog-
xai Asien gab, welche einemmit
fyeiv vöv vovv, eixbg yäo vbv dev- Namen hießen, und in Ephesus
veoov, el fn) vig ifteXot vbv jiqco- und beide bis
sind ihre Gräber,
ror,
1
n)v in övöfiazog cpeoofAevTjv heute heißen Johannes, indem
Icodvvov cmoxdkvxpiv eooaxevai. sich uns geziemt, daß wir in un-
xai b vvv de fj/Lilv örikov^evog serem Sinn schauen. Die Offen-
Ilajurlag vovg [iev vcov dnoovöXcov barung nämlich, welche des Jo-
köyovg jzaoä vcov avvolg Jiaoyxo- hannes heißt, wenn einer nicht
kovd))xovcov öjbto?*oyel jiaoeihrjcpe- annimmt, daß sie von Johannes
vcu, 'Aoiovlcovog de xai vovjzoeoßv- dem Evangelisten ist, ist es wahr-
veoov 'Icodvvov avvr\xoov eavvöv scheinlich, daß sie diesem andern
(frjoi yeveo&cu' ') dvofiaovl yovv h )
erschien. Und er aber, dieser
Jiol/.dxig avvcov {iviqiiovevoag ev Papias, über den wir jetzt kund-
votg avvov avyygdfifiaöiv viftrjöcv getan, bezeugt, daß er die "Worte
avvcov jzaoadöoeig. der Apostel von denen, die sich
ihnen empfangen
anschlössen,
hat, und b
) von Ariston und von
Fassen wir vor allem den Fragesatz : %l Ävögeag — Matfialog ins Auge.
Da ist nun auf den ersten Blick klar, und es wird dies von allen,
von Eusebius angefangen bis heute zugestanden, daß Papias hier die
Namen von wenigstens fünf Aposteln nennt Andreas, Petrus, Thomas, :
Johannes und Matthäus. Es kann aber auch kaum ein Zweifel sein,
daß auch Jakobus und Philippus den Aposteln beizuzählen sind. 2 ) In
jedem Falle sind sämtliche unmittelbare Herrnschüler. Wir bleiben
im folgenden mit Eusebius bei dem Ausdrucke: Apostel. Ferner
scheint es gewiß, daß im Fragesatze von Aussagen die Rede ist,
welche genannten Apostel einst in längst vergangenen Zeiten
die
gemacht haben (vi emev). Weiteres wird noch zur Sprache kommen.
Auch über den Sinn des unmittelbar vorangehenden Satzes:
el Jiaor]zo?.ov^rjKd)g — /.öyovg 3
) ist, wenn derselbe für sich betrachtet
Akt. 1, 13.
3
)
Die die Verbindung mit dem Vorausgehenden herstellenden Worte: el de
:'<><• y.ai bleiben hier noch unberücksichtigt.
77
)
Es soll vorläufig an der Lesart ävtxQtvov und an dieser von den
1
meisten angenommenen Bedeutung des Wortes (vgl. Akt. 4, 9; 12, 19; 23, 18 u. oft)
festgehalten werden. Noch sei schon hier bemerkt, daß Papias nicht ausdrücklich
sagt, wohin die ol 7[agi)y.oAovdt)xö'ueg kamen, auch nicht, daß er sie befragt habe.
2 Steitz, Stud. u. Kr.,
) 1868, S. 71.
3
)
So z.B. neuestens Cornely, Introd., III, pag. 214; Bardenhewer,
Altkirchl. Lit., I, S. 539; Belser, Einl., S. 35£; Tiefenthal, Die Apokalypse des
Johannes, 1892, S. 8 f.
4
)
Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, VI, 133 ff.; Poggel, Der 2. und
3. Johannesbrief, 1896, S. 32ff.; Godet, Einl., II, S. 11 f.; Wieseler, Zur Gesch.
d. neutest. Schriften, 1880, S. 115; A. Schaefer, Einl., 1898, S. 261; Knaben-
bauer, Comm. in Joannem, 1898, pag. 5; Funk, Opera apost. 2 I, pag. 351 f. ,
5
)
So nach Weiffenbach, Das Papias - Fragment, 1874; Lüdemann,
Jahrb. f. protest. Theol., 1879; Holtzmann, Einl. 3 , S. 471 ff; neuestens Harnack,
Chronol., S. 660; Wetzel, Die Echth. u. Glaubw. Evang. Joh., 1894, S. 171;
d.
78
natürlichere ist.
') Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, S. 135, Anm. 2.
8 Chronologie, S. 059.
)
7<
79
wird, nach deren Aussagen Papias forschte, und daß die Presbyter
zweifellos als unmittelbare Herrnschüler bezeichnet werden. Aber
fraglich bleibt, ob Papias damit ausschließlich die Reihe der Apostel
fortsetzt, Rest der Apostel die Rede ist, oder ob er außer
also vorn
den Aposteln noch andere unmittelbare Herrnschüler inbegreift. Ist
die Frage im übrigen belanglos, so bestimmt sich doch nach ihrer
l
) Vgl. liiezu obon S. 55.
81
J
) Vgl. z. B.A.Schaefer, Einl., S.261; Belser, EinL, S. 35; Tüb. Quartalsclir.,
1897, S. 151; Funk. 1. c, pag. 352 f. Knabenbauer,
; S. 6; Zahn, Forsch, z.
ktyovotv zwar nicht für sich, wohl aber in der Gegenüberstellung zum
vorausgehenden Aoriste efrrev. )
1
Daß die übrigen JiQsoßvTSQOi bereits
tot waren, dürfte im allgemeinen sicher sein, folgt aber keineswegs
aus dem Papianischen Bericht. Auch wenn diese alle noch lebten,
ihre Aussagen aber einer lange vergangenen Zeit angehörten, konnte,
beziehungsweise mußte Papias fragen: Was haben gesagt. 2 ) d) Der
Titel 6 JtQBaßvtSQog kann dem zweiten Johannes weder zum Unter-
schiede vom Apostel desselben Namens noch zum Unterschiede von
Aristion beigelegt sein, da die drei auf dieselbe Stufe gestellt er-
scheinen und den 01 jTQSoßvtSQoi beigezählt sind, er kann nur den
Sinn haben: JiQSößvteQOg per eminentiam; und da Johannes dies nicht
wegen seines hohen Alters sein konnte, weil ja auch Aristion als
Herrnschüler bezeichnet wird und also dem Johannes im Alter
schwerlich viel nachstand, auch nicht etwa wegen persönlicher Be-
ziehungen, in denen er zu Papias stand, auch diesbezüglich stand
ihm Aristion kaum nach, so dürfte er dieses Epitheton wohl führen
wegen seiner hervorragenden Stellung und seines besonderen An-
sehens, dessen er sich allgemein in den asiatischen Gemeinden er-
freute, e) Die Apposition ol unmöglich
tov xvqiov jLtafirjvai, die
einen andern Sinn haben kann als in der unmittelbar vorangehenden
Zeile, 3 ) erscheint, weil selbstverständlich, an sich überflüssig. Die
Beifügung hängt zusammen mit der selbständigen Stellung des Satzes.
x
) Da /Jyovoiv von dviy.oivov abhängt,als vom Standpunkt der durch
urr/jjivov bezeichneten Vergangenheit genommen werden muß, so kann es un-
möglich dahin verstanden werden, daß Aristion und der Presbyter Johannes zur
Zeit der Abfassung des Werkes oder der Niederschrift des Proömiums noch am
Leben waren (Cornely, Godet, Beyschlag, Stud. u. Kr., 1896). Ein zweiter
Grund, den Zahn dagegen geltend macht: Leute, die um 27—30 Jünger Jesu
gewesen, hätten nicht um 125—130 noch gelebt und gelehrt haben können, ist an
sich richtig. Aber es fragt sich doch, ob die Abfassung des Papianischen Werkes
sich in diesen Zeitraum verlegen läßt. Ich möchte es für nicht sehr wahrscheinlich
finden, daß Papias noch im 1. Jahrhundert seine Erkundigungen sammelte und
fast ein halbes Jahrhundert später sein Werk niederschrieb. Ob die bekannte
Notiz in der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes: (ücuiiag ioxogel) mgi xw>
i)7i6 tov Xqlotov £y. vexocöv ävaozavTcov, mi tcog 'AÖQiavov £fav (vgl. Texte u.
Unters., V, 2, S. 176) dem Papias angehört, ist so ausgemacht nicht. Vgl. auch
Quadratus bei Eusebius, Hist. eccl., IV, 3, 2. — Unrichtig deutet Corssen
das Präsens dahin, Papias habe angenommen, daß beide noch am Leben waren,
als er seine Erkundigungen einzog. Hat er denn die Leute nicht danach gefragt?
2) Poggel, a. a. 0. S. 50.
y
) Vgl. Mommsen, a. a. 0. S. 157: Harnacks Versuch, der Bezeichnung
des Herrnschülers einen doppelten Wert beizulegen, ist sicher verfehlt sie kommt ;
stiger Begleiter der Presbyter kam, fragte ich 1. nach den Aussagen,
welche die Presbyter in der Vergangenheit gemacht, nämlich was
Andreas oder Petrus u. s. w. gesagt haben, und 2. nach dem, was
Aristion und der Presbyter Johannes in der Gegenwart sagen. Der
Unterschied der vorigen und dieser Auffassung scheint mir nur darin
zu bestehn, daß letztere den Aristion und Presbyter Johannes nicht
mit derselben Deutlichkeit wie die erstere unter die JiQSößvtSQOi sub-
summiert. Da aber auch in diesem Falle die Begleiter der jiQSoßv-
tsqol es sind, die befragt werden, so ändert dies am Sinne nichts
und nichts an den oben daraus gezogenen Folgerungen.
Wie naheliegend und natürlich nun die vorgeführte Erklärung
an sich erscheinen mag, so stehn ihr doch so gewichtige sonstige
Bedenken entgegen, daß ich ihr nicht zuzustimmen vermag. Einmal
1
)
So neuestens A. Schaefer, Einl., 262; Harnack, Corssen u. a.
2
)
Harnack, Corssen
(a. a. 0. S. 209). In einem späteren Aufsatze
S. 660;
(1901,4, S. 290) Corssen seine Auffassung dahin: der Relativsatz
rektifizierte
<"lt; —
/.iyoroiv hänge von vovg Xöyovq uin'yjjivov ab und sei in der Tat Apposi-
tion von Tobg nQeoßvtigcov ?>öyovg, so daß „das, was Aristion und Johannes sagen",
unmittelbar mit „den Worten der Presbyter'-' zusammenfalle; hingegen sei die
Frage vi 'Avdgiag nicht durch dvdxgivov bedingt und bilde das, „was Andreas u. s. w.
sagte", den Inhalt der Worte, d. h. Erzählungen der Presbyter. Doch glaube ich —
nicht, daß Corssen viel Zustimmung finden wird. Diese doppelte Auffassung von rovq
i( : >f .roiG irrX6yovg ist unglaublich. Und wie sollte sich 6 jroioßvTEQog und ol
:'()() r
nämlich ist es nicht recht erfindlich, was bisher, so weit ich sehe,
unbeachtet blieb, wie Papias die einstigen Begleiter der Presbyter
(das bedeutet doch wohl das Partizip Perf. JTaQ>)xokov&r]xcbg) hätte be-
fragen können, was Aristion und der Presbyter Johannes in der Gegen-
wart sagen. Ferner welche Garantie der Wahrheit, auf die doch
Papias den allergrößten Wert legt, boten nach dieser Auffassung die
Begleiter der Presbyter? Weiter findet der Schlußsatz des Frag-
mentes, insbesondere das- stark betonte jusvovörjg keine befriedigende
Erklärung. Endlich läßt sich kaum begreifen, wieso Eusebius aus-
drücklich versichern konnte, Papias sage, er habe den Aristion und
den Presbyter Johannes, den er vom Apostel unterscheidet, selbst
gehört. Geht Zahn, ) wie ich glaube, auch etwas zu weit, wenn er den
1
man doch einem Eusebius, der gründlich las, glauben müssen, zumal
von einer bloßen Kombination wohl kaum die Rede sein kann. Es
wäre für einen Eusebius in der Tat ein schlechter Schluß, wenn er
die behauptete Tatsache entweder aus Ausdrücken wie eXsysv und
rraoadöoeig oder gar daraus geschlossen hätte, daß Papias die beiden
wiederholt namentlich zitiere. 2 )
3. Man könnte noch versucht sein, die beiden letzten Sätze
unseres Absatzes als ein von ävexQtvov abhängiges neues Satzgefüge
anzusehen, und zwar so, daß der vorletzte Satz als Fragesatz mit
einem aus dem Vorhergehenden zu ergänzenden Prädikat (rj vlg sIjtsv), —
der letzte Satz (ä te —
Xsyovaiv) aber als ein mit dem Fragesatz korre-
spondierender Relativsatz gefaßt würde. 3 )
Werden die beiden Sätze lediglich für sich betrachtet, so ist
*) P°gg e l> a a 0.
- ' S. 42. — "Weiteres sieh unten.
) Cornely,
2 1. c, pag. 214, faßt zig tvi-gog tcw %ov xvqIov fuiih)%Cov aus-
schließlich von den Aposteln (vgl. ab aliorum apostolorum diseipulis exquisivit
Papias, quis eorum eadem dixisset); bemerkt aber trotzdem einige Zeilen vorher:
Sequitur Papiam inter domini diseipulos latione sensu interque apostolos distin-
xisse; in fine enim duos diseipulos domini nominat, at uni tantum honorificam
juin irr ;'<,(,, id est apostoli appellationem attribuit. Das ist aber eine unmögliche
•
Wird tig GVSQOg nor rod xvglov iiaOijro)!' als Fragesatz gefaßt,
80 kann er, soviel ich wenigstens verstehe, nur mit den voraus-
gehenden Fragesätzen zu einer Frageperiode zusammengeschlossen
gedacht werden, so daß der Relativsatz: ä ve —
ksyovoiv mit der ganzen
Periode korrespondiert und ol vov xvqiov fia^rjtal (= ol JtQSoßvTSQOt)
alle unmittelbaren Herrnschüler zusammenfaßt. Auf die hiebei durch
den Wechsel im Genus des Pronomens aufscheinende Inkonzinnität
braucht kein allzu großes Gewicht gelegt zu werden; jedenfalls ist
sie nicht entscheidend. Danach hätte Papias bei allen Schülern der
ngsaßvtSQOi wenigstens in erster Linie nach Presbyter-(Herrnschüler-)
Aussagen geforscht, die mit den Aussagen des Aristion und des Pres-
byter Johannes übereinstimmten, bei allen Presbytern kam es ihm
darauf an, zu erfahren, nicht bloß, was sie sagten, sondern mehr noch, ob
sie dasselbe sagten, was Aristion und der Presbyter Johannes sagen. ) 1
2
) Leimbach, S. 62f.
») Cornely, a. a. 0. S. 214.
ss
_ _
hatte. Wozu also die Kontrolle und seine Auf-
für sein Gedächtnis '
t) n Es gelten von
gelesen. dieser Auffassung aber auch die oben
geltend gemachten Bedenken.
Im letzteren Falle erhalten wir folgenden Sinn: Ich habe die
von den einstigen Begleitern der Presbyter überkommenen Aussagen
der Presbyter, nämlich was Andreas u. s. w. sagte, mit dem, was die
Herrnschüler Aristion und der Presbyter Johannes sagen, verglichen.
Danach waren die Herrnschüler Aristion und der Presbyter Johannes,
wenn auch nicht mit absoluter Gewißheit, so doch mit höchster Wahr-
scheinlichkeit unmittelbare Lehrer des Papias. Bezüglich der Persön-
lichkeit des Presbyter Johannes läßt sich kein sicherer Schluß ziehen.
Diese Auffassung ist sprachlich ohne Frage möglich. Das Frage-
pronomen nach övi'szolvov im griechischen Texte x ) macht ebensowenig
Schwierigkeit, als z. B. nach olda 2 ) oder dtddoxcOj 3 ) und der Wechsel
des Pronomens ist ebensowenig ungrammatisch als bei anderer Lesung.
Ja, wenn wir durchaus ein vorangegangenes Befragen der Presbyter-
begleiter seitens des Papias annehmen wollen, erscheint umsomehr
das Fragepronomen im ersten Satze ebenso selbstverständlich als das
Relativum im zweiten wo
Aussagen handelt, in
Satze, es sich um
deren Besitz Papias bereits sich befindet und von einem Befragen
keine Rede ist. Das eine wie das andere findet im Wechsel des
Pronomens seinen natürlichen Ausdruck.
Ich halte mit der Lesart övvskqcvov diese Auffassung für die
allein richtige. Sie erhält ihre volle Bestätigung, um auf anderes
später zurückzukommen, schon durch folgende zwei Erwägungen.
1. Papias, der zu Beginn des Fragmentes seine Wahrheitsliebe und
die Wahrheit seiner Mitteilungen so sehr betont, konnte unmöglich
die Berichte der Presbyterbegleiter seinem Werke einverleiben, ohne
sie auf ihre Zuverlässigkeit zu erproben. Diese Probe nun stellte er
durch besagten Vergleich an. Die selbstgehörten Aussagen der Herrn-
3 Hebr. 12.
) 5,
;
90
Die Aussage kann schon aus dem Grunde unmöglich auf die Schriften
der Apostel gehn, weil Papias wiederholt der Zeugnisse der apostoli-
schen Schriften sich bediente, 2 ) sie geht auf die Begleiter der Presbyter.
Ihren Schriften zieht Papias die lebendige Stimme vor, weil er sich
durch den beschriebenen Vergleich von der konstanten, gleich-
bleibenden Überlieferung ((jtevovcffj g) überzeugen kann, die ihm die
beste Gewähr der Wahrheit bietet.
Aus der bisherigen Erörterung des Papianischen Bruchstückes
ergeben sich mir folgende gesicherte Resultate: 1. Die oi JiQsoßvtBQOi
des Papias sind die unmittelbaren Herrnschüler mit
Einschluß der Apostel und 2. Aristion und der Presbyter
Johannes, unmittelbare Herrnschüler, waren mit höchster
Wahrscheinlichkeit unmittelbare Lehrer des Papias.
Wir wenden uns nunmehr der Erklärung des Anfanges des
Papianischen Proömiums zu, um wiederum Satz für Satz insoweit
ins Auge zu fassen, als es unsere Untersuchung erfordert. Papias geht
daran, seinem Werke spjyrjoeig Xoyimv xvqicmojv 3 ) eine Einleitung
voranzuschicken, um den Freund, dem er es zueignet, über Inhalt
und Quellen zu unterrichten. Er spricht von den Xöyia xvQiaxd, 4 ) die
er auslegen will und gedenkt hiebei
Reihe der schriftlich in in erster
den Evangelien vorliegenden Aöym, die vor allem das Objekt für seine
Erklärungen bieten sollen. Bis hieher liegt die Einleitung allerdings
nicht vor. Doch ergibt sich die Richtigkeit des Gesagten aus den
bekannten Nachrichten, die Eusebius aus dem Papianischen Werke
über die Niederschrift der Aoyia durch Matthäus und Markus erhalten
hat 5
) und die nicht unwahrscheinlich der Einleitung des Werkes
J
) Vgl. die syrische Variante: aus ihren Büchern.
2
) Eusebius, Hist. eccl., IIT, 39, 16: xi xQ7]zcu ßciQxvQiaig
:
dm) vfjg 'I&dwov
.rooTtoag imoxo/Sig y.(d äitö %r\g Iltzoov o^oioig.
8) Vgl. über den eigentlichen Titel Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan.,
VI, S. 131, Anm.; Gla, a. a. 0. S. 13.
4
) Papias meint wohl nur Aussprüche des Herrn
ad Phil. 7, 1), (vgl. Pol.
"
, Hist. eccl., III, 39, 15.
91
angehören, 1 ) und ist dies gegenwärtig auch die Ansicht der bedeu-
tendsten Forscher. 2 )
Nach ohne Widerrede wenigstens möglichen Ausführungen
diesen,
fährt Papias zu Anfang des noch vorhandenen Bruchstückes also fort:
Er werde aber kein Bedenken tragen, auch das seinem exegetischen
Werke einzuverleiben, was er an außerevangelischen Herrnworten und
Tatsachen 3 ) einst, vor langer Zeit, von den jiQSößvvsQOi gut gelernt
und trefflich seinem Gedächtnisse eingeprägt habe, indem er dafür
oder für Wahrheit verbürge.
sie die
Die Frage muß vorläufig unerledigt bleiben. 'Yjveq avvcbv kann sich
vielleicht auf öoa beziehen, wenn auch der Philologe in diesem Falle
5
.leoi vovrcov vorziehen dürfte. ) Richtiger erscheint indes in Über-
einstimmung mit 2 die Beziehung auf die JiQeoßvtSQOt. Daß Papias
für die Herrnschüler oder an ihrer Stelle die Wahrheit verbürgt,
scheint mir so wenig anstößig, als wenn z. B. Paulus seine Wahr-
auch den Grund an, warum
haftigkeit beteuert. 6 ) Papias führt ferner
er, um Stoff für sein Werk zu sammeln, bei den Herrnschülern Be-
J
) Bardenhewer, S. 543.
2
)
Vgl. Harnack, Chronol., S. 665f. ; Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest.
Kan., VI, S. 133.
3
)
Es wurden wohl auch die außer evangelischen löyia erklärt; anderweitiges
diente zur näheren Erläuterung. Daß
mündliche Überlieferung lediglich zum
die
besseren Verständnis der evangelischen Herrnworte neben der Erklärung des
Papias herangezogen wurde, halte ich für unmöglich. Wie hätte sich in dem Falle
Papias wegen ihrer Aufnahme rechtfertigen können, da sie ja von besseren Männern
als er selbst war, deren Ansehen das eigene weit überragte, vermittelt wurde?
Hierin scheint mir Weiff enbach entschieden im Eechte zu sein. Vgl. übrigens
Eusebius, III, 39, 11.
4
)
Vgl. z. B. Harnack, Chronol., S. 659; Bardenhewer, S.Belser,
540;
Einl.,S.35: Ganz unzweifelhaft versichert Papias, selbst ein Hörer und Schüler von
Aposteln gewesen zu sein. Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, 123.
5
)
Vgl. lTim. 1, 7; Tit. 3, 8.
6
)
Vgl. Gal. 1, 20; 1 Tim. 2, 7.
92
x
) "Vgl. Irenäus, III*, 5, 1: Apostoli discipuli veritatis. Joh. 14, 6.
2) Kühner ad Xenoph. Mem. 2, 11.
Vgl.
3Wenn Greßmann (sieh oben S. 74) liest: (sondern) selbst wenn, so
)
') A. a. 0. S. 156 f. - 2
) S. 15.
94
Abschnittes als seine Lehrer genannt. Doch waren sie seine Haupt-
gew ährsniänner und zur Zeit des GwsxQivov auch wohl noch am Leben,
darum führt er nur ihre Namen auf.
Nach den Ergebnissen unserer bisherigen Untersuchung über das
Papianische Proömium ist nun sein Inhalt kurz folgender. Papias
hatte einst, wohl schon Jugend, in Asien Unterweisungen
in früher
von Herrnschülern (Presbyter), insbesondere von den Herrnschülern
Aristion und dem Presbyter Johannes angehört und dabei manches
außerevangelische Herrnwort und manche außerevangelische Daten,
deren "Wahrheit die Autorität der Lehrer verbürgte, vernommen und
getreu seinem Gedächtnisse eingeprägt. Und wenn in späterer Zeit, als
er vielleicht schon Bischof in Hierapolis war, ehemalige Begleiter der
Herrnschüler zu ihm kamen, so ergriff er jedesmal die Gelegenheit,
sich nach den Aussagen der Herrnschüler zu erkundigen, um nebst
dem Selbstgehörten auch diese Mitteilungen seinem Werke, zu dessen
Abfassung er sich indessen entschlossen, einzuverleiben. In seiner
Wahrheitsliebe wollte er sie aber nicht ungeprüft hinnehmen. Darum
verglich er die überkommenen Aussagen der Herrnschüler (der Apostel
und anderer Herrnschüler) sorgfältig mit den treu im Gedächtnisse
bewahrten Aussagen seiner Lehrer, die wohl noch am Leben waren,
des Aristion und des Presbyter Johannes, um sich auf solche Weise
der gleichbleibenden mündlichen Überlieferung zu vergewissern. Diese
erschien ihm nämlich als eine zuverlässigere Quelle als etwaige schrift-
liche Aufzeichnungen des einen oder andern Presbyterbegleiters. Das
gibt sicherlich einen trefflichen Sinn.
Mit diesen Resultaten, die mich nicht bloß zweifellos möglich,
sondern auch, um nicht mehr zu sagen, höchst wahrscheinlich dünken,
kehren wir zur Exegese zurück, die Eusebius vom Papianischen Bruch-
stücke gibt, um zu fragen, wie Eusebius zu den Ergebnissen seiner
Erklärung kam. Wenn ich nicht sehr irre, durch folgende Auffassung:
1. Eusebius versteht völlig richtig unter den JiQBößvTSQOi des Papias
den Kreis der unmittelbaren Herrn jünger (ol tov kvqIov f,ia$r)vai).
2. Er sieht aber, wie Papias einerseits behauptet von den jiQsoßvreQOt
apostolische Herrnschüler. l
) 4. So unterscheidet er zwischen den
nichtapostolischen Herrnschülern, die Papias selbst gehört und
nicht an, daß er von den Aposteln gehört oder sie gesehen, vielmehr
lehre, er habe die Worte des Glaubens von den Vertrauten der Apostel
und die Worte der Apostel von den Begleitern derselben empfangen
und behaupte, die Herrnschüler Aristion und den Presbyter Johannes
selbst gehört zu haben. Ebenso ist klar, warum er den Presbyter
Johannes vom gleichnamigen Apostel unterscheiden zu müssen glaubt.
Desgleichen erklärt sich hieraus von selbst, warum Eusebius den
Aristion und den Presbyter Johannes nirgends ausdrücklich als Herrn-
schüler bezeichnet.
Hiezu sind einige Bemerkungen nicht überflüssig. Z ahn ) findet es 1
schwer begreiflich, wie Eusebius die Anknüpfung der zweiten Hälfte des
Papianischen Fragmentes an das Vorausgehende und das, was Papias
im ersten Satze über sein Verhältnis zu den Presbytern sage, völlig zu
übersehen oder doch tatsächlich ignorieren vermocht. 2 ) Nach unserer
Darlegung hat Eusebius weder das eine noch das andere getan. Es
möchte aber auch noch folgendes Beachtung verdienen. Wenn Eusebius
das eine Mal sagt, Papias lehre, er habe die Worte des Glaubens
(= des Herrn 3 ) von den Vertrauten der Apostel empfangen, hat er
hiebei nicht etwa die erste Hälfte des Bruchstückes im Auge und
sind ihm die yvcbgcßoi nicht etwa die nichtapostolischen Herrnschüler,
vornehmlich Aristion und der Presbyter Johannes? Der Ausdruck
yvd>Qi[ioi schließt ja gewiß nicht die Herrnschülers chaft aus. Und wenn
Eusebius das andere Mal sagt, Papias bezeuge, er habe die Worte
der Apostel von den Begleitern derselben erhalten, so denkt er
offenbar an die zweite Hälfte. Ich kann mich nicht davon überzeugen,
daß Worte der Wahrheit = Worte der Apostel und ol volg dnooTÖlotg
yi'djoijuoL = ol äjc. JiaQTjKoXov^rjKÖvsg sein müßten. Ferner, bezieht
Eusebius die Aussage der ersten Hälfte des Fragmentes auf Aristion
und den Presbyter Johannes, so kann er mit vollstem Rechte sagen,
Papias behaupte, die beiden selbst gehört zu haben und seine Ver-
sicherung hat mit nichten, wie Corssen diktiert, 4 ) aus der Reihe der
!) V, 33, 4.
2
)
Theol. Literaturztg., 1895, 443.
3
) Stud. u. Krit., 1892, 1.
4
)
Offenbarung des Johannes (Meyers Kommentar, XVI 5 ), S. 44tf.
98
zeugt und können die hiefür vorliegenden Berichte bis jetzt nicht als
erschüttert angesehen werden. ) Die Nachrichten von seiner "Wirksam-
1
2
) C.Weizsäcker, Das apostolische Zeitalter 3 1902, S. 480.
,
krates es für möglich gehalten haben, daß jemand an der Brust des
Herrn gelegen, ohne einer der Apostel zu sein? 2 ) Und auf wen andern
konnte er zielen, wenn er Johannes unter den Leuchten Asiens als
IsQSvg vi) nkxakov JisyoQexcbg, das heilit als Hohenpriester und viel-
leicht in Hinblick auf den aQXisgevg vrjg 'Aoiag 3 ) als Metropolit Asiens
bezeichnet, 4 ) als auf den Apostel Johannes? Vergebens ist auch die
Mühe, gegen die Glaubwürdigkeit des Polykrates seinen angeblichen
Irrtum betreffs des Philippus von Hierapolis geltend zu machen, wie
dies namentlich von Harnack 5 ) geschieht. Denn einmal ist es keines-
wegs so gewiß, daß Polykrates sich in der Tat einer Verwechslung
des Diakons Philippus 6 ) mit dem Apostel desselben Namens schuldig
gemacht hat. 7 ) Und sodann, wäre der Irrtum erwiesen, 8 ) so ließe er
sich ebenso leicht erklären, als eine Verwechslung des hochangesehenen
Apostels Johannes mit einem unbekannten gleichnamigen Presbyter
unerklärlich wäre. 9 )
3
)
Mommsen, Römische Geschichte, V, 3 19 f.
4
)
Belser, Einl., S. 399; Weizsäcker, S. 482. Anders Tiefenthal, Die
Apokalypse, S. 16 f.
r
•
>) ChronoL, S. 669.
G
) Akt 6, 5; 8, 5; 21, 8.
7
)
Belser, Einl., S. 268; Hergenröther-Kirsch, Kirchengesch. 4 I,
Vgl. ,
III, 31, 5) scheidet gegen Gaius den Diakon vom Apostel. Übrigens hatte der
Diakon zu Cäsarea in Judäa ein Haus (Akt. 21, 8), der Apostel Philippus aber
hielt sich zuletzt in Hierapolis in Phrygien auf und wurde daselbst begraben
(Eusebius, Hist. eccl., III, 31, 3; V, 24, 2). Der Diakon hatte vier Töchter, vir-
gines prophetantes (Akt. 21, 9), der Apostel nur drei, von denen eine ev äylq*
.ii'truaTi rro/.iTCvoaiii'rij in Ephesus lebte. (Eusebius, Hist. eccl., 111,31, 3). Vgl.
Hilgenf eld (Zeitschr. f. wiss. Theo!., 1898, S. 320): Die prophetischen Töchter des
Apostels hat der Redaktor der Apostelgeschichte 21 9 dem Evangelisten Philipp ,
beigelegt.
8
)
Wie z.B. auch Bardenhewer, S. 449, und Zahn, Forsch, z. Gesch. d.
neutest. Ivan., S. 162 f., Einl. II, 573 annehmen.
9
)
Vgl. Beyschlag, Stud. u. Kr., 1898, S. 97 ;
Zahn, Forsch, z. Gesch. d.
neutest. Kan., VI, S. 216 f. Über die Glaubwürdigkeit des Polykrates vgl. Del ff,
7*
_ 100
_
Dazu kommt, daß über den Aufenthalt des
die Überlieferung
Apostels Johannes auch an und für sich nicht im geringsten unwahr-
scheinlich ist. War
etwa der Kirche Kleinasiens um einen aposto-
es
lischen Begründer zu tun und setzte sie deshalb die Überlieferung
über Johannes in Szene? Aber besaß sie nicht Paulus und konnten
die von ihm gegründeten und treu mit ihm verbundenen Gemeinden ein
Interesse haben, sein Andenken auszutilgen und eine neue Autorität
auf seinen Platz zu setzen, die niemals in ihrer Mitte gewirkt hätte? ) 1
O.
a. a. Dieser Bischof, der Nachfolger von sieben Vorgängern,
:
die seine Ver-
wandten waren, muß uns ein glaubwürdiger Zeuge sein.
») Heinrici, a. a. 0. S. 121. 123.
2) A. a. 0. 8. 6 ff.
absolut nicht de tonte evidence, wie deshalb keiner der Apostel mein
für Klemens am Leben war, als er dies niederschrieb. Klemens konnte
also schreiben, wenn noch alle am Leben waren. Es galt ihm ja
nicht, vom Leben oder Tod der Apostel zu berichten, sondern lediglich
von Anordnungen, die von ihnen getroffen worden und darum aposto-
lische Autorität hatten. Wenn Klemens ferner die Leiden und den
Märtyrertod des Petrus und Paulus als yevvata vjioöeiy^ava vorführt, ) l
i) Kap. 5.
2
)
Vgl. über Petrus in Korinth, Eusebius, Hist. eccl., II, 25, 8: Koqlvüicov
fatfoxonog tyyQ&qxoq 'Pco^ialoig ößiXä>v, (hde nagtox^oiv "Aßqxo (IIsTQog xal IlavXog)
xai eig vrjv ^iietegav Köqwüov q)VTevoavüeg fifiaq öfxoicog eöiöa^av.
3
) 47, 3.
*) Vgl. v. Scherer, Der 1. Klemensbrief an die Korinther, 1902, S. 279ff.;
Harnack, Theol. Liter aturz., 1876, Sp.l02f.; Ehrhard, Altchristi. Lit., 1900, S. 76.
&
j Chronol., S. 674, Anm. Vgl. auch Kreyenbühl, S. 70.
8
) Vgl. Bousset, Die Offenbarung Johannis, S. 36: Das Schweigen kann
nicht in Betracht kommen. — Wenn im Epheserbrief, Kap. 12, Paulus, aber nicht
Johannes genannt wird, so erklärt sich dies genügend daraus, daß Ignatius in
Paulus ein Vorbild im Martyrium sah. (Vgl. Schanz, Komm. üb. d. Ev. d. Joh., S. 3. 1
102
Ignatius und Polykarp über den Presbyter Johannes, wie falls dieser,
Reville annimmt,ja die Stelle des Apostels einnahm und Polykarp
dessen Schüler war?
Eine eingehendere Würdigung verdient eine nach ausdrücklicher
Angabe aus dem Papianischen Werke stammende Nachricht, der auch
heute noch mancherseits ) volles Gewicht beigelegt wird und durch
1
Übrigens hält es ja selbst Harnack (S. 675, Anm.) für überwiegend wahrscheinlich,
daß Ignatius in seinem Epheserbrief den Zebedäiden zu den Aposteln rechne,
mit denen die Epheser zusammengewesen seien. (Kap. 11, 2.)
!) Holtzmann, Einl. 3 S. 470f.; Kreyenbühl, S. 366; Bousset, Die
,
Offenbarung Johannis, S. 47 f.
2
)
Funk, Patr. apost., S. 368 f.; Zahn, Forsch, z. Gesch. d.
Sieh neutest. Kan.,
VI, 147 ff; Preuschen, Antileg., S. 58.
3 Es sei auch die Umrahmung hergesetzt. Vorausgeht: Merä
)
de AofUTiavov
ni/.evae Nigovag ixog tV, ög ävaxakeoäßevog 'Io&dwrjv ix xfjg vr)oov am'Avmv
olxevv §v 'J-jftoo). tifh'og xöxe negUbv xqy ßiqt ix x(bv öcadexa ßaftqTcyv xal ovyygaipä-
1
inrog tö xax ävxöv ira/yi/.iov ßagxvgiov xaxi^Ccoxat. Es folgt: Hkr)Q(öaag ö^Xadi)
[xexii xov äöekcpov xr\v xov Xgioxov Jiegl avxtov jtoöooijolv xal ztjv eavxCov öfioXo-
yiav TiBQt xovxov xal ovyxaxuDioiv elnfov yäg 6 xvgiog Jigög avxovg. Nach dem
Herrnwort Mark. 10, 38 f., folgt weiter: xal tfxöxtog' äövvaxov yäg fieöv ipetioao&ai.
ovt() dl y.ru 6 .-io/.i\uai)iig 'i>gr/wr)g iv xf\ xaxä MaxftaJov igfjufveCq (XVI, 6) öia-
J; ,'taiomai, Cyg ort (.uf.iaQxnoiiy.hv loxlrvijg ix {im Preuschen) xtbv öiadözorv if)v
Die Wahrheit der einen wie der andern Autstellung soll untersucht
werden. Fragen wir zunächst, aus welcher Quelle kann die Nachricht
geschöpft sein, wenn von ihrem Inhalte abgesehen und angenommen
wird. daß sie, wie sie vorliegt, tatsächlich in der Chronik des Georgios
und der Epitome gestanden. Keine der folgenden Möglichkeiten ist
ausgeschlossen 1. Beide Mitteilungen
: gehn unabhängig voneinander
auf dieselbe Urquelle zurück. Georgios schöpfte unmittelbar, der
Epitomator mittelbar (c^urch Philippus Sidetes) aus Papias. Ersteres
erscheint keineswegs unmöglich, da das Papianische Werk bestimmt
noch einem Photius, Okumenius und Theophylakt und nach Gallandis
Angabe (Biblioth. vet. patrum, I, 1765, LXVII) noch 1218 vollständig
in der Manuskriptensammlung der Kirche zu Nismes in Frankreich
1901, S. 200f.).Es kann aber auch gegen den Märtyrertod des Johannes in Palästina
nicht geltend gemacht werden (Godet, Einl., II, S. 8), die Notiz des Coisl. be-
zeichne den Papias als Augenzeugen des Todes des Apostels, nenne Ephesus und
Asien u. s. w. Dies hätte nur Beweiskraft, wenn die Notiz in ihrer Gänze Papianisch
wäre, was sicherlich nicht der Fall ist.
) Vgl. Gla,
J
a. a. 0. S. 13 f., Anm. Vgl. auch Bickell, Zeitschr. f. kath.
Theol., 1879, S. 803.
2
) Zahn, a. a. 0. S. 149.
104
die auf Jakobus gehende Notiz bei Papias zu lesen war oder von
Philippus bei gefugt wurde. Die Nachricht über Johannes muß bei Papias
gestunden haben.
Anders verhalt es sich, wenn die Aussage des Coisl. : avTÖjrrtjg
rorroe ysvöfievoc, als Papianisch mitberücksichtigt und in dem Sinne
genommen wird, daß Papias Augenzeuge der über Johannes berichteten
Tatsache gewesen sei.
1
) Dann wäre es selbstverständlich, daß Georgios
in seiner Quelle den Text des Barocc. ('Ieodvvrjg xal laxcoßog ävflQS-
Dijoar) nicht gelesen haben kann, sondern in dieser Verbindung nur
gelesen hat: 'Ioiävinjz öttö 'lovdai(0)> (b'tjnhi))). Damit stimmte gut
überein, daß er in dem auf das Zitat folgenden, wohl ihm angehören-
den Raisonnement, wenn er auch auf Jakobus Bezug nimmt (fisvä tov
äde/jfor) und im Martyrium beider die Erfüllung von Mk. 10, 38 f.
sieht, doch nur eigentlich die Angemessenheit des Martyriums des
Johannes zeigen will, weil Gott nicht lügen könne, und auch nur
diese durch Origenes bezeugen läßt. 2 ) Daraus würde weiter folgen,
daß Georgios fast sicher seine Mitteilung direkt aus Papias geschöpft
hat. Ganz ausgeschlossen ist es freilich nicht, daß Georgios aus einer
andern, unbekannten vermittelnden Quelle geschöpft haben
könnte. Aber auch dadurch dürfte das Resultat nicht geändert werden,
daß im zweiten Buche des Papianischen Werkes tatsächlich etwas zu
lesen gewesen wie 'Icodvvrjg vjio lovdalcov dvrjQeftr). Die den Jakobus
:
1
Vgl. Cornely, Introd., III, S. 213; Godet, Einl., II, S. 8.
2
) Vgl. De Boor, a. a. 0. S. 177.
;
_ 1()5
_
liehen folgendes aus. Das Papianische Zitat der Chronik finde sieh
ausschließlich im Cod. Coisl. 305. Dieser sei allerdings die älteste
Handschrift, die den Namen des Georgios an der Spitze trage
trotzdem biete er nicht die ursprüngliche Fassung der Chronik, son-
dern eine Bearbeitung derselben, welche namentlich auch mit einer
nicht geringen Belesenheit in der patristischen Literatur sie erweitere.
Dies nun auch an unserer Stelle aus doppeltem Grunde anzunehmen.
sei
*) Vgl. auch Aphraates, 21. Homilie; Brief des Polykrates an Viktor (wo
können und mir Auslassung der Stelle, die der allgemeinen Über-
die
lieferung zu widersprechen schien, viel natürlicher und wahrschein-
licher dünkt als der entgegengesetzte Fall.
Es wäre demnach immerhin möglich, daß die Stelle des Coisl.
von Georgios selbst herrührt, nur sollte sie an einem andern Orte
stehn. Aber wie dem auch sei, an der Sache ändert es wenig, ob
die Stelle als interpoliert aufgefaßt wird oder nicht; im ersteren Falle
tritt eben der Interpolator an Stelle des Georgios, nur kommt zu den
1
)
Harnacks Gründe hieher werden noch zur Sprache kommen.
2
)
So meint es De Boor nicht.
3
) 'Aviioiih/ mußte nicht in diesem Sinne gefaßt sein.
4
)
Oder kürzer etwa: fiev ir Härmo fuaoTvmioi v.
B
) Zahn (S. 147, Anm.) läßt Lightfoot annehmen, daß die eingeschlossenen
Worte in der Vorlage des Georgios ausgefallen seien. Funk referiert ungenau.
Mir war Lightfoots Abhandlung unerhältlich.
107
!) III, 119, 21 (Migne, P. G., 110, 426); IV, 131 hatte er die Verbannung
des Johannes erzählt.
2
)
A. a. O. S. 177. Vgl. auch Bousset, Die Offenbarung Johannis, S. 47 f.
3 Dieses Argument
) verfängt angesichts des Martyriums Polykarps
(Eusebius, Hist. Eccl., IV, 15, 41) allerdings nicht.
108
die Leser seines Werkes, Eusebius sogut wie Irenäus, daran festhalten
konnten, daß der nicht als Märtyrer gestorbene Johannes von Ephesus
mit dem von den Juden getöteten Apostel identisch sei. Wie hätte
auch diese Tradition entstelm können? Und vor allem, wie hätte
Eusebius diese Waffe unbenutzt lassen können in seinem Kampfe (?)
gegen den apostolischen Charakter des Apokalyptikers, des Lehrers
des Papias, wenn Papias selbst sie ihm gereicht hätte. Hier liege ein
argumentum omnium vor, gegen welches man vergeblich
e silentio
streite. Ungefähr dieselben Argumente führt auch Poggel bezüglich
des Apostels Johannes ins Feld.
Ich muß aber gestehn, daß mich weder die Ausführungen
Harnacks noch jene Zahns vollends befriedigen, insofern sie mir
nicht alle Möglichkeiten in Bezug auf den Presbyter Johannes in
Betracht zu ziehen scheinen, um zu schweigen von den Darlegungen
Poggels, der lediglich den Apostel Johannes berücksichtigt. Be-
züglich des Apostels Johannes ist es freilich ganz ausgeschlossen,
daß Papias unmißverständlich von seinem, sei es in Jerusalem, sei
es in Ephesus erfolgten gewaltsamen Märtyrertod berichtet haben
kann. Wie hätte namentlich Eusebius, der doch den Märtyrertod
eines Polykarpus, *) eines Jakobus von Jerusalem, 2 ) eines Simon, des
Nachfolgers des Jakobus 3 ) so umständlich erzählt, darüber völlig
schweigen können? Holtzmann bemerkt dazu vergeblich, Eusebius
habe diese Nachricht des Papias unter die jzaQado^a und ßv&ixcbvsQa
gerechnet. Poggel entgegnet: Selbst wenn Eusebius diese Nachricht
zu den {lwOixojteüci rechnete, so hätte er sie doch als Zeugnis aus
des Papias Mund anführen können dafür, daß dieser sich nicht als
Schüler des Apostels Johannes habe ausgeben wollen, und er hätte
sich nicht die Mühe geben brauchen, dies aus dem Proömium nach-
zuweisen. 4 )
Auch Bezug auf den Presbyter Johannes bin ich nicht
in
anderer Meinung, wenn Irenäus und die anderen Leser des Papias
tatsächlich ihn für den Apostel ansehen, oder wenn er als Apoka-
lyptiker vom Apostel zu unterscheiden wäre. Aber bleibt nicht
noch die weitere Möglichkeit, daß der Presbyter Johannes, falls er
109
Origenes 1
) seineiii wesentlichen Inhalte nach beigefügt haben? Es
ist ja in Hinsicht auf den Schlui3 unseres Exzerptes im Barocc. nicht
bloß gewiß, daß Philippus auch direkt aus Papias und nicht etwa
nur aus Eusebius geschöpft hat, sondern auch unbestritten, daß er
Origenes auch sonst benützt hat. 2 ) Und ist es ferner etwa unmöglich
oder unwahrscheinlich, daß zuerst der Epitomator die Stelle irrtüm-
licherweise so formulierte wie sie im Barocc. vorliegt, indem er
bnö 'Iovdalcav auch mit kfiaq'CVQ'qoBV verband; und daß endlich der
Kxzerptor auch noch das Zitat aus Origenes wegließ, während Georgios
(oder sein Interpolator), dem es um Johannes zu tun war, aus der
Epitome nur den Johannes betreffende Notiz des Papianischen
die
Zitates, die er von dessen Verbannung verstand und nur den Johannes
betreffenden Teil des Zitates aus Origenes aufnahm? Ich halte auch
folgende Auffassung nicht für ausgeschlossen. Wie Georgios (oder
sein Interpolator) (h'tjoithj wahrscheinlich von der Verbannung auf
Patmos faßte, so konnte auch Papias wörtlich: "Icodvvtjg vjtö lovöaicov
(h'tjoHhj von der durch den Zusammenhang unmißverständlichen,
durch Juden veranlaßten Verbannung des Johannes auf Patmos ge-
schrieben haben. 'Ainjohi))) bedeutet ja nicht in jedem Falle: „er
wurde umgebracht", sondern auch: er wurde beiseite geschafft. 3 )
Philippus konnte sodann ohne Beachtung des Zusammenhanges die Notiz
über Jakobus und das Zitat aus Origenes beigefügt haben, und daraus
sowohl der Text des Barocc. als auch jener des Coisl. entstanden
sein. Oder Papias setzte selbst die weitere Bemerkung: 3ikr)Q(baac,
dij/MÖij ^Lsvä vov döskcpov etc. mit dem Schriftzitat bei, 4 ) Philippus
verleibte sodann die ganze Papianische Auslassung seinem Werke ein
und erst der Epitomator oder Exzerptor formulierte daraus den
Text des Barocc, während Georgios die ganze Stelle dem Philippus
entnahm.
Wie immer die Sache sich verhalten mag, so viel ist evident,
daß die als Päpianisch bezeichnete Nachricht des Georgios und des
Exzerptes in keinem Falle gegen den asiatischen Aufenthalt des
Johannes angerufen werden kann, und daß Godet nicht mit Unrecht
sagen kann: Es wird der gegenwärtigen Kritik als eines ihrer kühnsten
Wagnisse anzurechnen sein, daß sie den Versuch gemacht hat, in
dieser Stelle den Beweis dafür zu finden, daß Johannes sein Leben
in Palästina und nicht in Kleinasien geendet habe.
von Alex., der als erster aus inneren Gründen Zweifel an der
Abfassung der Apokalypse durch den Apostel Johannes äußerte
und, da er sie dem in der Apostelgeschichte genannten Johannes
Markus nicht zuschreiben konnte, die Ansicht aussprach, irgend ein
anderer kleinasiatischer Johannes sei der Verfasser gewesen und hiebei
sich auf die angebliche Existenz zweier Johannesgräber in Ephesus
beruft. 2 ) Man schließt daraus: Dionysius habe keinen nennenswerten
Johannes in der apostolischen oder nachapostolischen Zeit gefunden,
den er hätte als Verfasser anführen können, er habe also von einem
Presbyter Johannes nichts gewußt. 3 ) Man beruft sich auf das
Schweigen der Ignatianischen Briefe, der Smyrnäischen Leidens-
geschichte Polykarps, des Irenäus, Tertullian, Origenes und insbe-
sondere auf den Lokalzeuge absolut glaubwürdigen Polykrates
als
von Ephesus, der nur den Apostel in Kleinasien kenne, nur von diesem
einen berichte, daß er in Ephesus begraben sei, und unter den
fisydXa aror/tla der kleinasiatischen und ephesischen Kirche mit
keinem Worte des Presbyters erwähne, obgleich er ihn nicht hätte
übergehn können, da er doch Männer wie Thraseas, Sagaris, Papirius,
Melito aufzähle. Poggel beruft sich auch auf die Aloger, die die
Schriften des Johannes dem Cerinth zugeschrieben, während ihnen
doch der Presbyter Johannes so nahe gewesen wäre.
Ich halte die ganze Argumentation ex silentio für wenig stich-
haltig. Ja, wenn das Schweigen der Genannten in der Tat unter
Umständen geschah, wo sie hätten reden müssen, dann ist freilich
nichts dagegen einzuwenden. Aber sind derartige Umstände wirklich
vorhanden? Geht man nicht von keineswegs selbstverständlichen, viel-
2
) Vgl. Poggel, S. 8 ff. ; Bardenhewer,
538 Abgesehen von Papias weißS. :
auch nicht ein einziger Schriftsteller der drei ersten Jahrhunderte etwas von einem
Presbyter Johannes, welcher von dem Apostel Johannes zu unterscheiden wäre.
2
)
Eusebius, Hist. Eccl., VII, 25: *Eöti iih> ofyv xai etegog 'Iodvvrjg (außer
dem Apostel) iv talg nocuiot xöw dfiootöÄcov . . . ei öl otivog 6 ygdipag toxiv, obv.
äv qpatrjv oi)di yäg d.(pl%$ai dg vqv Aniav yiyganTai ."AXXov öi tlvcl ofßai . .
die den Namen des Apostels getragen haben könnten) und glaubt,
daß nicht Johannes, sondern irgend ein anderer von denen, die sich
in Asien aufgehalten (tcov sv lAola ysvo^svcov)^ die Apokalypse
geschrieben habe, scheint er nicht nebst dem Apostel Johannes von
mehreren anderen desselben Namens gewußt zu haben und konnte er
unter ihnen nicht auch an den Presbyter Johannes gedacht haben,
zumal, was er mit qxxötv kaum als bloßes G-erede oder als Vermutung
noch weniger als bescheidene Hypothese seinerseits hinstellt, er von der
Existenz zweier Johannesgräber in Ephesus zu wissen vorgibt? Doch
angenommen, Dionysius schweige gänzlich vom Presbyter Johannes,
so wäre daraus ein Schluß auf seine Nichtexistenz doch wohl nur
unter der Voraussetzung gerechtfertigt, daß dieser, falls er existierte,
ein so berühmter Mann gewesen wäre und den Namen 6 JiQsaßvtSQog
als so allgemeines Kognomen geführt hätte, daß Dionysius von ihm
J
) Vgl. A. Schäfer, Einl., S. 262.
114
Welche sind weiter für Ignatius und den Verfasser der Smyrnäi-
schen Leidensgeschichte die zum Reden zwingenden Umstände, wenn
sie nicht einmal des Apostels Johannes Erwähnung tun? Welche sind
es für Iren aus, der das Werk des Papias in den Händen hatte, für
Klemens Alex, und Origenes, auch des Aristion, des zweiten
die ja
Lehrers des Papias mit keiner Silbe gedenken? Und was die Aloger
betrifft, so haben sie wohl nur aus Bosheit die Johanneischen Schriften
J
) Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, 116.
2
) Vgl. auch Belser, Einl., S. 34; Bardenhe wer, S. 538.
und ausführlich die Kritik des Dionysius Alex, mitteilt; ) aber nicht 1
minder wahr ist es, daß er auch die zahlreichen Zeugnisse für die
unbedingte Anerkennung der Apokalypse als eines Werkes des Apostels
Johannes anführt, so des Justinus, 2 ) des Irenäus, 3 ) des Origenes, 4 ) des
Theoph. von Antioch., 5 ) des Melito von Sardes, 6 ) des Apollonius, 7 )
8
daß er ferner von der Schrift sagt: ) §tsqoi de syxQivovöiv volg
öfio/.oyoruH'oi^ daß er selbst sie unter die öjaoAoyoviLisva zählt mit
9
einem f7 ys (pavelrj, ) d-aß er wiederholt von der Verbannung des
Apostels Johannes nach Patmos und von seiner Rückkehr als einer
durchaus glaubwürdigen Überlieferung spricht, 10 ) daß er ohne Be- sie
11
denken als kanonische Schrift zitiert, ) daß endlich die Apokalypse
im Cod. Sinaiticus Aufnahme fand, der trotz der Leugnung Zahns
doch wahrscheinlich jenen 50 Handschriften zuzuzählen ist, die Kon-
stantin unter der Leitung des Eusebius ausfertigen ließ. 12 )
Ich halte demnach Zahns ungünstiges Urteil über Eusebius in
unserer Sache für nicht ganz begründet, vielmehr dürfte festzustellen
sein: 1. Daß Eusebius als gewissenhafter Historiker und Bibelkritiker
die Meinungen betreffend die Abfassung der Apokalypse pro und contra
aus Vergangenheit und Gegenwart vorführt, 2. daß er es freistellt, die
Schrift unter die allgemein anerkannten oder unter die vö$a zu zählen,
und 3. daß er für seine Person am apostolischen Charakter derselben
nicht zu zweifeln scheint. Damit steht keineswegs im Widerspruch,
stimmt vielmehr ganz zusammen, wenn Eusebius bei Besprechung des
Papianischen Bruchstückes, nachdem er aus demselben die Existenz
des Presbyter Johannes aufgezeigt, bemerkt: slxög yäq %bv öbvvsqov,
el fJtrj tlq, efteAoi vbv jtqcotov, %i]v . . . äjioxdXvijm> soQaxsvai. Allerdings ist
8*
116
i)
Hist. eccl., III, 39, llff.
2
)
Syr.: Aus Überlieferung ohne Buch.
3
)
Andreas v. Cäsarea in der Vorrede seines Kommentars zur Apokalypse
(Zahn, S. 118, Anm. 2).
117
auch nichts gefunden, was gegen seine Meinung sprach. Wenn Zahn
ferner, indem er sich auf die Auslassungen des Papias über die
Apokalypse und die Entstehung des vierten Evangeliums, auf die Er-
klärung von Joh. 19, 39 und den Gebrauch des ersten Johannesbriefes
bezieht, daß im Werke des Papias sehr viele Ge-
darauf verweist,
legenheiten sich fanden, sich über Johannes von Ephesus zu äußern,
und Eusebius an allen diesen Stellen nichts, was er gebrauchen konnte,
gefunden, so fragt es sich, ob Papias bei diesen Gelegenheiten in der
Tat sich des näheren über die Persönlichkeit des Johannes äußerte, da
die angezogenen Zeugnisse wenigstens ausdrücklich hievon nichts ent-
halten. Und wenn Papias, was auch ich als höchst wahrscheinlich an-
nehme, sich hierüber ausgesprochen und als Verfasser der Apokalypse,
des vierten Evangeliums und des ersten Johannesbriefes den Apostel
Johannes genannt hat, so folgt auch daraus nichts gegen die Existenz
eines Presbyter Johannes, wie denn auch Eusebius selbst am asiatischen
Aufenthalt des Apostels Johannes *) und an der Abfassung des vierten
Evangeliums durch ihn festhält.
Nicht einmal die Tatsache, daß Eusebius in seiner Chronik 2 ) den
Papias ebenso wie Polykarp als Schüler des Apostels Johannes be-
zeichnet und in seiner späteren Kirchengeschichte die Apostelschüler-
schaft des Papias leugnet, ohne seine Anschauung über Polykarp zu
korrigieren, erscheint mir als evidenter Beweis gegen die Existenz
des Presbyter Johannes. Ist es denn unmöglich, daß Eusebius bei
Abfassung seiner Chronik das Werk des Papias noch gar nicht ein-
gesehen hatte und im Berichte über Papias einer Überlieferung folgte, 3 )
von deren Unrichtigkeit er eben durch die Lektüre des Papianischen
Werkes überzeugt zu sein glaubte?
Poggel macht ferner geltend, daß Eusebius mit seiner Ent-
deckung, abgesehen von Hieronymus, unbeachtet geblieben sei und
daß kein Schriftsteller es der Mühe wert gehalten habe, das Urteil
des Eusebius zu widerlegen. Auch dieses Argument verfängt nicht.
auch solche, die dem Eusebius in der Annahme der Existenz des
Presbyter Johannes folgen. Dies mag nun in der Tat nur Beachtung
verdienen und vom Werte sein in den Fällen, wo es von solchen
geschieht, die Papias selbst gelesen haben und die sich nicht direkt
von Irenäus beeinflußt zeigen. Aber vergeblich wird man die Bedeu-
tung der Zeugnisse eines Hieronymus, der doch sonst die Kirchen-
geschichte des Eusebius blindlings ausschreibt, 6 ) oder des Philippus
Sidetes, der zweifellos Eusebius wie Papias in den Händen hatte,
hinwegzuleugnen oder abzuschwächen versuchen. Auch Maximus Con-
fessor, Apolinarius (Apollinaris) von Laodikea und der Verfasser des
Argumentum in evang. secundum Joannem bezeugen die Apostelschüler-
schaft des Papias, trotzdem sie sich durchaus von Papias abhängig
zeigen. 7 ) Diese Überlieferung hat also das „fast kanonische Ansehen"
des Eusebius (Zahn) nicht im geringsten zu erschüttern vermocht. 8 )
1
1
)
VII, 46: Trjg dt *Eq>6oov Ttßödeog vnö YlavXov, 'Icoävviig de vti ifiov
Tcaäwov.
2
)
Topographie christl., VII (Montfaucon, Coli, nova, II, 292).
VI, S. 125: Johannes, welchem er (der Apostel Johannes) das Priestertum und den
Bischofsitz nach sich übertrug. ... Es bestattete ihn (den Apostel) Johannes, der
Schüler des Evangelisten.
6
)
Vgl. v. Sychowski, Hieronymus als Literarhistoriker, 1894, S. 60 ff.
7
)
Vgl. die Texte und das Nähere bei Funk, Patr. apost., I, S. 360ff.
8
)
Auch Corssen, a. a. gesteht zu: Kaum ein kirchlicher
0. 1901, S. 207,
Schriftsteller zitiert den Namen Papias ohne einen Zusatz, der sein enges Ver-
hältnis zu dem Apostel ausdrückt.
119
dieselbe Stufe wie die Apostel, auf die Stufe der unmittelbaren Augen-
und Ohrenzeugen des Herrn. Waren nun beide unmittelbare Herrn-
schüler und wäre der 6 jiQsaßvteQog 'Icodvvrjg eine vom Apostel
l
) Hist. eccl., IT, 46. — 2 Vgl. oben S. 76. Vgl. auch Euf ins Übersetzung
)
dieser Stelle: Papias apostolorum se verba ab his, qui secuti eos fuerant, Aristione
videlicet et Johanne presbytero adserit suscepisse.
3
) Eenan (L' Antichrist, p. 345) und Abbot (Expositor, 1895, p. 333 f.
fassung. Corssen hält Aristion und den Presbyter Johannes gleich den
übrigen JiQeoßvrsQOi für Apostelschüler, nur meint er, daß Papias in
seiner Kritiklosigkeit beide tatsächlich Herrnschüler genannt habe. 5 )
Aber wenn Papias die Apostelschüler als JüQsoßvtSQOi bezeichnete,
was soll dann 6 JiQSoßvrsQog in derselben Periode beim Herrnschüler
Johannes? Das wäre mehr als Kritiklosigkeit.
Waren aber nach Mommsen Aristion und der Presbyter Johannes
weder Herrn- noch Apostelschüler, sondern selbständige Autoritäten,
die Papias, der erst um 140 — 160 geschrieben, selbst hörte, also
Zeitgenossen der einstigen Begleiter der Presbyter, Angehörige der
zweiten Generation nach den Aposteln, so muß einerseits wiederum
gefragt werden, wie hätte Papias die Aussagen dieser zeitgenössischen
selbständigen Autoritäten auf die gleiche Stufe mit den Aussagen
der Apostel stellen können, welche Garantie der Wahrheit ihrer Mit-
teilungen boten sie, kann man dem Papias ohne
und andrerseits, wie
den Vorwurf der Stupidität die Absicht zuschreiben, er habe diesen
Presbyter Johannes vom Apostel und Evangelisten unterscheiden
wollen? Und wenn nach Mommsen auch Aristion die gleiche Stellung
mit Johannes eingenommen haben dürfte, warum gab Papias nicht
JDie Einrede Corssens (a. a. 0., 1901, S. 208), der unbekannte Aristion
)
könne unmöglich auf eine Stufe mit den Uraposteln gestellt werden, erledigt sich
hienach von selbst. Aristion und der Apostel Johannes sind als unmittelbare Herrn-
schüler und als Hauptgewährsmänner des Papias aneinander gereiht. Dem Umstand,
daß der 6 3iQeoßvT6Qog 'Iadvwjg dem Aristion nachgesetzt erscheint, kommt keinerlei
Bedeutung zu. Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. Daß Papias
d. neutest. Kan., VI, S. 123.
die Überlieferungen beide anders bewertet, als die ihm mittelbar zugekommenen
Aussprüche der Apostel, ist im entgegengesetzten Sinn, als dies Corssen (209)
meint, richtig. Beide sind ihm primäre, nicht sekundäre (Mommsen) Quellen.
2) J. Haußleiter, Theol. Literaturbl., 1896, Sp. 465 f.
4
)
Vgl. Weiffenbach, a. a. O. S. 117.
6) Zahn (Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, 145 f.) findet sie, ohne sie
nicht einmal eine Diskussion zuläßt; freilich niüilte bereits Eusebius die
Interpolation vorgefunden haben, da seine Auslegung des Papianischen
Bruchstückes darauf basiert, alle Zeugen des Eusebianischen Textes die
Worte bieten und eine Fälschung seitens des Eusebius unmöglich
angenommen werden kann. Sie ist jedoch unnötig. Die Antwort, die
Zahn und Poggel auf die Frage geben ) indem sie ävikQtvov lesen 1
heit gehabt hatten, Apostel wie Andreas und Petrus, Matthäus und
Johannes zu hören, ehe sie in die Heimat des Papias kamen die andere ;
i) S. 12 f.
2
) Zur Geschichte der neutest. Schritt, 8. 120, Anm.
125
einzelnen:
1. Polykarp sei am
Februar 155 als Märtyrer in Smyrna
23.
gestorben. Damals habe Polykarp 86 Jahre gezählt, sei somit 68/69
geboren.
2. Irenäus habe nach eigener Aussage (im Briefe an Florinus 3 )
als —
Knabe von zirka 12 15 Jahren (en Jialg (ov) in Asien den be-
reits /jtu.Tnojg jiQdoooi'Ta iv vy ßaoihxf} avkfj und deshalb wenigstens
10 — 15 mehr) Jahre älteren Florinus gesehen.
(wahrscheinlich
Zur selben Zeit behaupte Irenäus auch, den Polykarp mehrmals
gesehen und predigen gehört zu haben. Irenäus spreche hier lediglich
von seiner Jugendzeit. Daß Polykarp damals auch ihn gesehen, ihn
angeredet oder gar belehrt habe, kurz, daß er Schüler Polykarps
gewesen, sage Irenäus nicht. Da nun Florinus um das Jahr 190 als
römischer Presbyter zum Valentinismus abgefallen und es ganz aben-
teuerlich und unwahrscheinlich sei anzunehmen, daß er mit 80 Jahren
der Häresie sich zugewendet habe, man höchstens 60 70 Jahre zu- —
gestehn könne, was schon eine prekäre Annahme sei (natürlich könne
er sehr wohl erst 40 —
50 gewesen sein), so sei Florinus frühestens
zirka 120 geboren (natürlich sei es wahrscheinlich, daß seine Geburt
später falle). Hieraus folge, daß Irenäus nicht vor 130 135 geboren —
sei. Der äußerste, aber eben nicht wahrscheinliche terminus a quo
für das Geburtsjahr des Irenäus sei also 130, als äußerster terminus ad
quem ergebe sich (mit Rücksicht auf den Tod Polykarps) ungefähr das
Jahr 142.
3. Ergebnis werde bestätigt durch das Empfehlungs-
Dieses
schreiben, das die lugdunensischen Märtyrer dem Irenäus an Eleutherius
mitgegeben, als dieser im Jahre 177/78 nach Rom gegangen. 4 ) Diese
Empfehlung sei auf alle Fälle etwas wunderbar und spreche nicht
für die Demut der Confessores; sie sei aber geradezu unverständlich,
wenn Irenäus damals (nach Zahn) bereits ein Greis von 63 Jahren
gewesen wäre und sich bereits durch langjährige Schriftstellerei in
der Kirche bekannt gemacht hätte. Man gehe schon weit, wenn man
ihn damals einen Mann von 45 — 50 Jahren sein lasse. Diese Stelle
Zahn (nach Dodwell und Grabe) auf den jetzt sichergestellten Besuch
Hadrians Asiens 129 ) zu beziehen; denn dann müßte Florinus zirka
1
—
85 90 Jahre alt zum Valentinismus abgefallen sein. Dagegen stimme
mit dem Geburtsdatum des Irenäus zirka 142 überraschend gut, wenn
wie es wahrscheinlich, aber nicht gesichert sei) Antoninus Pius zwischen
Anfang 154 und November 155 eine Reise in den Orient gemacht
habe und nach dem Berichte des Malalas auf dem Rückwege auch
in Asien gewesen sei. Der Aufenthalt in Asien fiele auf 154.
5. Daß Irenäus den Polykarp später nach 10 oder 20 Jahren noch
und das hat mir Polykarp gesagt, so bin ich von ihm unterrichtet
worden. Selbst diese geringste Möglichkeit, daß Irenäus als Mann
Schüler des Polykarp gewesen, werde dadurch, daß er in seinem
Briefe an Viktor 3 ) sein persönliches Verhältnis zu Polykarp nicht
erwähne und besonders durch die Art ausgeschlossen, wie er in seinem
großen "Werke von ihm spreche. Abgesehen von einer beiläufigen
Erwähnung Polykarps als eines svaiQog des Papias, 4 ) nenne er ihn nur
an einer einzigen Stelle 5 ) und hier bemerke er über sein persönliches
Verhältnis zu ihm lediglich : bv xal f^jiBig so)QdKa^Bv ev vfj jtqüjti]
müsse man mit dem Zufall rechnen, daß der Asiate Irenäus plötzlich
in eine andere Gegend Asiens auf viele Jahre verschlagen worden
sei, oder den Polykarp überhaupt nur bei einem mehrwöchentlichen
1
)
Vgl. E. Schür er, Geschichte des jüdischen Volkes, 3. und 4. Aufl., I,
gelebt habe.
7. Gegen das angegebene Geburtsdatum des Irenäus könne Adv.
haer., V, 30, 3 nicht geltend gemacht werden, wo Irenäus sage, die
Johanneische Apokalypse sei ov jtoö jtoaXov xqvvov, äkkä G%edbv em
njg fjjKfTHjng yeveäg geschaut worden. Die Stelle sei für die Bestim-
mung des Geburtsjahres des Irenäus überhaupt nicht heranzuziehen.
Irenäus sage lediglich, daß zwischen der Abfassungszeit der Apoka-
lypse (zirka 96) und der Gegenwart, in der er schreibe (zirka 185),
fast nur ein Zeitraum liege, der ein Menschenleben gerade noch zu
umspannen vermöge. Der terminus ad quem sei nicht das Geburts-
jahr des Irenäus, sondern der vvv xaioog, und em vrjg fjixeveQag yeveäg
könne unmöglich heißen: In meinem Geburtszeitalter, sondern nur:
In unserem Zeitalter.
8. Die besonderen Angaben im Anhang des Moskauer Ms. des
h> v[j y.dvco 'Aoia, ka^uigcog jzodooovva sv rf/ ßaoiXixfj avXfj xai jvblqco-
(asvov Evdoxi u£iv
t
nao 1
avtcp. ^äXXov yäo vä vövs dia^ivrjiLLOvsvco vcbv
'ivayyog yivofievcov (al yäo ex Jialdcov f^ad^östg ovvav^ovoat vfj ipv%fj,
9
_ 130
geben, daß Irenäus in der Tat zunächst von seiner Jugendzeit spricht.
Die Worte: MäXXov ydo rd töte öiafJivrifjiovBvco tcov evayyog yivopievcöv,
al ydg ex Jialdaw (Aa&rjoeig ovvav^ovoat tfj ipvyf/ evovvvai avvfj lassen
hierüber keinen Zweifel. 3
) Auch auf
Beschränkung der Ausdrücke die
Jialg und ex jvaldcov auf genau 12 bis 15 Jahre möchte ich kein all-
zugroßes Gewicht legen, obwohl Jialg fragelos auch ein höheres Alter
bezeichnen kann und nicht selten bezeichnet 4 ) und obwohl ich nicht
einsehe, warum es unstatthaft sein solle, sich hier der bekannten
Irenäischen Klassifikation von fünf Menschenaltern 5 ) zu erinnern.
Wahr ist es endlich auch, daß Irenäus sich nirgends ausdrücklich als
)
The Contemporary Beview, 1897, p. 221 f.
2
3 Zahn (S. 37
) f.) sieht in diesen Worten einen Beweis, daß Polykarp
von der frühen Jugend an bis in sein junges Mannesalter hinein in der Umgebung
Polykarps gelebt habe. „Da Erinnerungen mit den Jahren nicht zu wachsen,
sondern abzunehmen pflegen, so kann das Wachstum der ^ladiiotig nur darin be-
standen haben, daß immer neue Belehrungen zu den ersten hinzukamen." Vgl.
dagegen Corssen, Zeitschr. f. neutest. Wiss., 1903, S. 160.
4 Vgl. Labourt, p. 65; Gwatkin, S. 225; Lightfoot, The apostolic
)
6) TI, 22, 4 f.
131
Florinus would recognise the picture. And was the blessed Polycarp
in the habit of crying out, and stopping his ears, and running away
with his wonted exclamation, in the middle of his sermons? The
whole passage seems to imply that Irenaeus heard from him, not
sermons only, but discussions and private teachings It is doubtless . . .
true that Irenaeus does not teil Florinus that he was a disciple of
Polycarp. But why should he? Either Florinus was perfectly aware
of the fact, or eise he was not especially if it was untrue. If he
knew it quite well, these details of it would be an impressive and
emphatic appeal if he did not, they must be tedious, or worse than
;
*) S. 67 f.
9*
132
fjta'&tfostg ir'/. naiÖCOV und endlich, wenn ich nicht irre, vermischt
er mit den gemeinsamen Jugenderinnerungen auch Züge aus seinem
späteren Zusammensein mit seinem Lehrer.
Desgleichen scheint mir Harnacks Berechnung des Geburtsdatums
Florins und damit auch des Irenäus auf höchst unsicherem Grunde
zu ruhen. Denn 1. läßt sich die Tatsache des Abfalls Florins nicht
im Sinne Harnacks für die Bestimmung seines Geburtsjahres ver-
werten. Die Behauptung, Florin habe sich nicht als Achtzigjähriger
der Häresie zuwenden können, ist schon an und für sich viel zu sub-
jektiv, als daß sie zum Beweise dienen könnte. Labourt 2 ) verweist
nicht ganz unzutreffend auf den hundertjährigen Hosius, der bis
dahin einer der hervorragendsten Verteidiger der Nizäischen Ortho-
doxie gewesen und einwilligte ä communiquer avec Ursace et Valens. 3 )
Sodann aber ist die Ausscheidung aus der Kirche von der Hinwen-
dung zu heterodoxen Anschauungen wohl zu trennen. Selbst wenn
es wahr wäre, daß Florinus, als Irenäus seinen Brief über ihn an
Papst Viktor 4 schrieb, noch Presbyter in Rom war und Florinus etwa
)
1
)
Ilaig Hl <')v ist nicht mit
nagä IIokv%dQJiq> zu verbinden. Vgl. die syrische
Übersetzung: Ich sah dich, als ich noch ein Knabe war, bei Polykarp.
2) S. 61. — 3 ) Vgl. Wetzer und Weites Kirchenlexikon 2, VI, 293 f.
4
Der Brief lautet nach der Übersetzung eines syrischen Bruchstückes in
j
der Zeitschr. f. neutest. Wiss., 1903, S. 162f. Und Irenäus, Bischof von Lyon, der
:
an Viktor, Bischof von Rom, wegen des Florinus, eines gewissen Presbyters, der
sich um die Verirrung des Valentinus bemühte und eine verwerfliche Schrift ver-
faßte, folgendermaßen schrieb: Und nun, was das betrifft, daß vielleicht ihre
Schriften euch entgangen sind, sie, die sogar uns zu Gesicht gekommen sind, so
will ich euch kundtun, daß ihr entsprechend eurem eigenen Ansehen aus der
Mitte entfernt die Schriften, die seit (ihrer) Ankunft euch tadeln, weil sich der
Schreiber brüstet, daß er einer von euch sei. Sie bringen aber vielen
(Leuten) Schaden, die schlicht und ohne Frage als von einem Presbyter die
Schmähung gegen Gott aufnehmen. Scheltet aber den, der sie schrieb, daß er
durch sie nicht allein denjenigen Schaden bringt, die ihm nahestehn, indem
er ihren Sinn in den Stand setzt, Gott zu lästern, sondern auch denjenigen, die
bei uns sind, Schaden bringt durch seine Schriften, indem er falsche Ansichten
über Gott in ihnen wirkt. Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, VI, S. 82f.
133
nach erfolgter Zensurierung und nach Verlust des Presbyterates ca. 190
formell aus der Kirche schied, so hatte sich Florinus doch schon
längere Zeit, ohne die Gemeinschaft mit der Kirche zu lösen, mit der
Valentinischen Gnosis beschäftigt und sich in dieser Richtung auch
schriftstellerisch betätigt. Eusebius sagt ja ausdrücklich: 1 ) ElQ7)vaZog
öiaqtÖQOvg emovoXäg ovvvdtTsi . . . f-j-tygdij)ag vy\v Ugbg <PkcoQivov jzbqI
itovaoyiag /} jtsqc vov 10) slvat vor d'SÖv MOW)ti)v 7.ax6)v. Tavvrjg ydg
öv avftig vjioavQo^sror
1
rf/ y.avd Ovalsvvlvov jzkavg (Lat.: qui cum postea in errorem Valentini
abreptus fuisset) xal vö liegt öydoäöog ovvvdvtevai vo) Elgrjvalcp gjiov-
öao ua.
t
Danach ist ein dreifaches, durch den Brief an Florinus, die
Schrift Ileol öydoäöog und das Schreiben des Irenäus an Viktor
markiertes Stadium der von
fortschreitenden Heterodoxe Florins
heterodoxen Velleitäten bis zum förmlichen Anschluß an Valentin und
zur formellen Ausscheidung aus der Kirche festzustellen. Darüber
mögen, ja müssen wenigstens einige Jahre vergangen sein. Dazu
kommt, daJ3 die Schriften Florins bereits in Gallien Verbreitung ge-
funden hatten, was auch nicht über Nacht geschehen sein konnte.
Hieraus ist aber nun klar, daß der allenfalls 190 erfolgte formelle
Abfall Florins sich seit längerer Zeit vorbereitete, so daß selbst ein
Alter von 80 Jahren schlechterdings nichts Abenteuerliches und An-
stößiges an sich hat; und daß der Brief an Florin mit dem Brief an
Viktor unmöglich derselben Zeit angehörte, daß er vielmehr als
Warnungsschreiben, trotzdem er heterodoxe Meinungen Florins zum
Ausgangspunkte hat, 2 ) jahrelang zurückliegen kann und zurück-
liegt. 3 ) Hieraus erklärt sich aber auch zur Genüge, warum Irenäus
—
unterschied von mindestens 10 15 Jahren zwischen Irenäus und
Florinus ist nicht zu erweisen. Die Annahme stützt sich auf die Worte
im Irenäischen Brief an Florinus: EIöov ydg ob jzalg In (bv ev vfj rAvco
'Aola jzagä IIo/.vxdQJvq) ka^JiQcbg JiQdaoovta sv vfj ß aotXixfj
Die Ansicht Zahns (Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, S. 33 ff.; IV,
i)
303 ff.), Florinus sei zur Zeit des Briefes an Viktor bereits gestorben gewesen
und es habe sich nur um die Schriften Florins gehandelt, halte auch ich nach
dem Wortlaute des Briefes für unbegründet, wenn ich auch Zahns Argumentation
zu würdigen weiß. Auch daraus, daß die Angaben des Eusebius über Florin unter
den Nachrichten aus der Zeit des Eleutherius stehn, folgt nicht, daß er unter
Eleutherius starb. Richtig dagegen ist, daß Florin nicht unter Eleutherius ex-
kommuniziert und seines Amtes entsetzt worden war.
2) A. a. 0. 1903, S. 163f.
135
ac/jj aal JiBiQ(b(iBVOV evdoxifASlV juuj arru). Was nun besagt Äuu.iuu)^
xoäööcoi' von Florinus? Gwatkin 1
) antwortet: Florinus was a pro-
mising official when Irenaeus was still a boy, und bemerkt weiter:
Half a dozen years are quite enough to make the difference between
a boy at school and a man wlio is out in the world and getting on
in it . . We are not yet compelled to believe that Irenaeus was more
than a few years younger. Auch Labourt denkt an ein Amt, das
Florinus bekleidete, und hält einen Altersunterschied von 5 6 Jahren —
für genügend. Harnack meint, die Aussage könne auf ein Amt
nicht bezogen werden, fragt aber seinerseits unbefriedigt: Heißt Xüjlc-
.70^);: noch mehr als „in vorzüglichen äußeren Verhältnissen sein" ?
Mich dünkt, daß es etwas ganz anderes heiße. Wie aber ist h> vfj
ßaoih'/S) av/Sj zu verstehn? Von der zufälligen kaiserlichen Residenz
oder vom kaiserlichen Hofstaat? Beides hätte höchst wahrscheinlich
die Anwesenheit des römischen Kaisers in Smyrna zur Voraussetzung.
Da aber nicht bekannt ist, daß zwischen 130 bis 153 ein römischer
Kaiser in Asien war da ferner, wie auch Harnack zugibt, eine Orient-
;
man Lightfoot und Zahn, die diesen Zeitpunkt der Begegnung des
Irenäus mit Florin als einen zu späten erklären, nicht zustimmt, un-
möglich angeht, d'asseoir sur un fondement aussi peu sür les bases d'une
chronologique serieuse, 3 ) so bleibt nur übrig entweder die von Harnack
nicht berührte Hypothese Lightfoots, der die Stelle auf ein Amt beim
Prokonsul Antoninus Pius (um 135), dem nachmaligen römischen
Kaiser, bezieht, 4 ) oder an den Sitz der Provinzverwaltung überhaupt
zu denken, oder die Annahme Zahns vom Aufenthalt Hadrians in
Asien, deren "Wahrscheinlichkeit durch die Gegengründe Harnacks nicht
aufgehoben wird. Damit sind aber gleichwohl nicht alle Schwierig-
keiten der Stelle beseitigt, auf die Harnack mit Recht aufmerksam
macht: Durch die Stellung zwischen den beiden Bestimmungen jzagä
no?.vxdQJiq) und jzeiQo'jpievov svöoxifxetv mag? avtco werde XaftJiQcbg jzodo-
oovva sv ßaoiXmfi avkfj enge mit dem Verhältnis Florins zu Polykarp
vT]
!) S. 222.
2
)
Vgl. Jul. Die Provinzen bereiste
Capitolinus, Antoninus Pius IL, 6:
dieser Kaiser nicht, da das Gefolge eines Kaisers, auch des sparsamsten, für
die Provinzialen lästig sei.
3
) Labourt, p. 63.
4
)
Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., IV, 276.
136
ob Irenäus den Florinus bei Polykarp b> rfj ßaöifanfj avlfj gesehen
hätte kafißg&g ngaOGOvra und TveiQcbfiSvov evöoxifielv jiaQ avvo).
1
Dem-
nach dürfte die Aussage anders gefaßt werden müssen und ich
wenigstens bin überzeugt, daß auch hier die syrische Übersetzung 2 )
den Sinn derselben richtig wiedergibt: Ich sah dich bei Polykarpus . .
J
) Vgl. besonders: &aze fxe övvaoDai tijieZv aal zöv töjiov, iv q> xafte^öfjievog
dieXtytzo ö ßavAoiog no?.vxaQJzog xai zag JiQoööovg atzov xai zag tioödovg . . . xai
zag öiaXi^eig äg inoulzo tzoög zö jiXfjdog.
2) Nach Nestle.
3
)
Zu Bedeutung von laßngüg Jigäooeiv vgl. Passow, II, 1, S. 1065.
dieser
)
4Kam auch der Ausdruck Basilika für christliche Kirche erst seit Anfang
des 4. Jahrhunderts in Gebrauch, so ist doch die Existenz von Privatbasiliken vor
und in der Kaiserzeit nicht nur im Okzident, sondern auch im Orient (weist ja
schon der Name auf griechischen Ursprung oder wenigstens auf griechische Vor-
bilder hin) ebenso sicher als ihre frühe Benutzung zu gottesdieüstlichen Ver-
sammlungen der Christen keinem Zweifel unterliegt. So erzählen die pseudokl.
Rekognitionen (X, 71), daß Theophilus von Antiochien die Basilika seines Hauses
zur Kirche hergab, in qua Petro apostolo constituta est cathedra et omnis multi-
. . .
137
man es schon annehmen will, daß er älter war, wozu aber eine Not-
wendigkeit gar nicht vorliegt. Wird die Abfassung des Briefes auf
—
185 1^0 angesetzt, was sicherlich hoch gegriffen ist, und war Irenäus
bei seinem Zusammensein mit Florinus ein Knabe von 12 15 Jahren, —
so fällt die Begegnung beider etwa auf 137 140, beziehungsweise —
—
auf 142 145, die Geburt des Irenäus auf 125 130. —
Wir wollen auch hier Corssens Untersuchung 2 ) nicht un-
berücksichtigt lassen. Corssen sieht, ohne 2 in Betracht zu ziehen, in
Florinus einen hohen Hofbeamten und faßt ßaotXixr) avXr\ vom kaiser-
lichen Hof. Doch stimmt er im übrigen weder Zahn noch Harnack
bei. Hadrian habe allerdings um 130 die Provinz Asien bereist. Auch
die Vermutung von der Anwesenheit des Antoninus Pius in Syrien
154 bestätige sich ihm und es wäre denkbar, daß Pius auf dem
Rückwege nach Smyrna gekommen sei, obwohl sich hierüber nichts
behaupten lasse. Selbst die Schwierigkeit, die der Annahme Harnacks
entgegenstehe, daß nämlich in diesem Jahre kein rechter Raum bleibe
für ein Zusammentreffen zwischen Florinus und Polykarp, da in dieses
Jahr auch die Reise Polykarps nach Rom falle, wenn Anicet frühestens
154 zur Regierung gekommen und Polykarp 155 gestorben sei, werde
behoben, wenn nach den Ausführungen von Erbes 3 ) Anicet schon
königliche (Ptolemäische, wie die ovoä ßaoiXi'ÄYi auf Thera, und Seleukidische) oder
kaiserliche (seit Augustus) Bauten gewesen sein und auch als Sitz der Hofhaltung
oder des Statthalters gedient haben. Diese Bezeichnung kann dann aber auch auf
diesen ähnliche Bauanlagen übertragen worden sein, die weder von Fürsten er-
richtet noch als Eesidenz dienten, wie wir „Kaiserhof" in diesem weiteren Sinne
gebrauchen."
1
)
Gwatkin, S. 224: That Irenaeus was old seems clear from the way he
begins, by saying how much better he remembers the lessons of his childhood,
and how he loves to ruminate on them. This is hardly the language of a man
very much under sixty.
2) A. a. 0. S. 164 ff. - 3) Zeitschr. f. Kirchengesch., XXIf. S. 9, Amn. 2.
138
15'J den päpstlichen Stuhl bestiegen habe. Aber es sei doch ganz
undenkbar, daß ein hoher Hofbeamter unter Hadrian oder Pius es
hätte wagen dürfen, vor den Augen des Kaisers die Versammlung
der Christen aufzusuchen. Corssen hält also dafür, es sei an einen
Aufenthalt des Hofes in Smyrna nicht zu denken. Die Partizipien
iafUlQ&g .lodonoi'va und JTFincöfievor svöoxtfislv könnten nicht prä-
dikativ mit tldoi' verbunden werden, sondern stünden attributiv. „Sie
bilden in der Sache einen wirkungsvollen Gegensatz, Irenäus hat
den Florin bei Polykarp gesehen, wo er, ein angesehener Hof beamter,
sich um die gute Meinung des armen Bischofs bemühte." Somit
könne man aus der Angabe des Irenäus durchaus keinen Schluß aut
die Zeit machen, in der er den Florin bei Polykarp gesehen. Corssen
trifft also schließlich mit dem oben auf anderem Wege gefundenen
x
) Eusebius, Hist. eccl., V, 4, 2: Tavxä oot %ä ygdßfAazu jiQotTQbipäfu Da
7Öj' döi'/.cföv i) u(7)v
t
y.al xoivovöv Elorjvalov diaxofdoai, xai TcagaxaP^ovf^ev exeiv of
ai)TÖv fr cragaDion, tfaXowty» ovxa zr)g dia-Ofy.yg Xqiotov. tl ydo ijöii/uv töjiov Zivi
()iy.aioovv rQv M(ji:iou<nl)at, ä>g TtQsaßvTeQov iKKXqolag, o.no iariv i.i'avro), iv TiQcbroig
uv nriofDiiu (Ja. — 2
) S. 62.
3
) Vgl. Ehrhard. a. a. O. S. 263: Der Ton der Empfehlung macht es in der
Tat sehr unwahrscheinlich, daß Irenäus damals schon 62 bis 63 Jahre alt war.
139
treffend zu sein, als sie sich dagegen richten, daß Irenäus später,
nach 10, 20 Jahren, noch einmal im längeren Zusammenleben mit
Polykarp förmlich dessen Schüler geworden sei sie beweisen aber;
the memories he teils us he remembers best. But they are also the
memories which appealed best to Florinus. An appeal of this kind
is necessarily to his earliest memories of Polycarp, and not to any
later ones. Übrigens führt Irenäus nicht nur die gemeinsamen Jugend-
Erinnerungen ins Feld. Verweist er Florin am Schlüsse seines Schrei-
bens nicht ausdrücklich auf die Briefe, die Polykarp teils an benachbarte
Gemeinden schrieb, um sie zu stärken, teils an einzelne Brüder, um
sie zu ermahnen und aufzumuntern, und aus denen erwiesen werden
i)
S. 223f. - *) S. 224.
1 10
141
wird auch Harnack nicht behaupten wollen, daß es nicht ein über
die Kindheit hinausgehendes Alter etwa bis zum 25. Jahre bezeichnen
könne, da fj/.iy.ta vorzugsweise gerade vom jungen Mannesalter ge-
braucht wird. ') Bis dahin konnte Irenäus Schüler Polykarps gewesen
sein. Und das genügt vollkommen. 2
) Darin stimme ich mit Harnack
überein, daß Irenäus nicht etwa als Mann von 40 Jahren Schüler
Polykarps gewesen sein konnte. Dieses Alter kann jiQcbvr) ifiixia
nicht bedeuten. Auch cü-e weitere Aussage über das Alter Polykarps
inutoki) yao jzaQefieive xal jvdw yrigakiog e&ftde tov ßiov, schließt . . .
dies vollends aus. Wenn es auch gewiß unrichtig ist, daß Irenäus hier
zur Begründung der auffallenden Tatsache, daß er den Polykarp noch
gesehen, sich auf dessen hohes Alter berufe, und wenn auch Gwatkin
und Labourt mit Recht bemerken, Irenäus sage nicht, daß Polykarp
so alt war als er ihn kannte, sondern als er starb, so dürfte doch
auch Corssen 3 ) irren, wenn er behauptet, die Erklärung, daß Polykarp
so alt geworden, beziehe sich gar nicht auf den unmittelbar voran-
gehenden Relativsatz, sondern auf den Unterricht und die Bestellung
Polykarps zum Bischof seitens der Apostel, und der Relativsatz ent-
halte nur eine ganz beiläufige und für den Zusammenhang belang-
lose Bemerkung, die wie eine Parenthese eingeschaltet sei und auf
das Alter des Irenäus keinen Bezug habe. Die Aussage über das Alter
Polykarps geht wegen ihrer Stellung im Satzgefüge begründend so-
wohl auf das eine wie das andere. Natürlich folgt daraus nicht, daß
der Tod Polykarps unmittelbar auf das Zusammensein mit Irenäus
folgte, aber eine ganze Reihe von Jahren bis dahin anzunehmen,
macht nicht einmal Harnacks „Zufall" möglich. Im übrigen muß die
Stelle in ihrem Zusammenhange gewürdigt werden. Gegenüber den
Gnostikern, die ihrerseits im Besitze der reinen und unverfälscht
überlieferten Wahrheit zu sein sich rühmten, 4 ) will Irenäus zeigen,
wie die wahre apostolische Glaubensüberlieferung durch die wohl-
bekannte Abfolge der Vorsteher der Kirche von den Aposteln her
bis zu seiner Zeit verbürgt sei. Zu diesem Zweck nun führt er vor
allem namentlich die Reihe der Vorsteher der größten, ältesten, von
den beiden vornehmsten Aposteln Petrus und Paulus zu Rom ge-
gründeten Kirche vor, angefangen von Linus, dem die heiligen Apostel
die Verwaltung des Bischofsamtes in die Hand gegeben, Anakletus
und Klemens, der die Apostel noch sah, mit ihnen verkehrte,
ihre Predigt hörte und ihre Überlieferung vor Augen hatte, bis auf
gedenkt Trenäus im besonderen auch des Polykarp, der nicht bloß von
Aposteln unterrichtet war und mit vielen, die Christum gesehen,
verkehrt hatte, sondern auch von den Aposteln in Asien, in der
Kirche zu Smyrna als Bischof aufgestellt worden, „den auch wir ge-
sehen haben in unserem ersten Alter, denn er lebte lange und schied
hochbejahrt, mit Ablegung eines ruhmvollen und glänzenden Zeug-
nisses aus dem Leben, —
auch er hat allezeit dieses gelehrt, was er von
den Aposteln gelernt hat". Zeugnis dafür geben in Asien alle Kirchen
und die bisherigen Nachfolger Polykarps. Nachdem Irenäus ferner
den Besuch Polykarps bei Anicet erwähnt und wie er damals durch
die Verkündigung der von den Aposteln empfangenen Wahrheit viele
Häretiker bekehrt und seinen von den Aposteln erlernten Abscheu
vor Verfälschern der Wahrheit gezeigt, verweist er endlich auf den
Brief Polykarps an die Philipper, woraus sowohl das Gepräge seines
Glaubens als die Botschaft der Wahrheit ersehen werden könne. 2 )
In diesem Zusammenhange gedenkt Irenäus in seinem großen Werke
des Polykarp.
Daraus nun scheint mir sofort folgendes klar zu sein: 1. daß
es dem Irenäus an dieser Stelle gar nicht darauf ankam, einzelne
Aussprüche Polykarps zu zitieren, 3 ) er vielmehr nur die Tatsache
feststellen wollte, wie Polykarp in der Lage war, die apostolische
Tradition aus dem Munde der Apostel selbst zu kennen, und
wie er als Eiferer für die apostolische Überlieferung und treuester
Hüter derselben nach apostolischem Vorbilde jede häretische Ab-
weichung perhorreszierte und jeden Fälscher der Wahrheit von sich
wies; 2. daß Irenäus auch für seine Person dem Polykarp vor allen
anderen eine ganz besondere Bedeutung beimißt, da es sonst doch
einigermaßen unerklärlich wäre, warum er gerade seiner in so aus-
i) III, 3, 1-3. - 2) nr 5
3, 4.
3
) Gwatkin, S. was bound to say more, or
224: I cannot see that Irenaeus
to explain here precisely how much more he may have known of Polycarp. The
words do not suggest any later intercourse —
rather the contrary; but tbey do
not deny it.
143
er, absehend von einer Untersuchung über den Umfang des Begriffes
ysvsd, den Irenäus ganz allgemein sagen läßt: Zwischen der Zeit der
Abfassung der Apokalypse (ca. 96) und der Gegenwart, in der er
schreibt (ca. 185), liege fast nur eine ysvsd, d. i. fast nur ein Zeitraum,
den ein Menschenalter gerade noch zu umspannen vermöge. Das bei-
gesetze fyuevsQa macht diese Auffassung unmöglich. Durch 7}fj,svsQa ist
die ysvsd zweifellos subjektiv näher bestimmt als die ysvsd einer Mehr-
heit bestimmter Personen, zu der der Sprechende oder Schreibende
gehört.
Es fragt sich nun, wodurch
unserem Falle die fjjLisvsQa
ist in
ysvsd, der Irenäus angehören muß, näher bestimmt? Durch den vvv
y.aioög als terminus ad quem? Ich halte es nicht für möglich, da ich
mich nicht überzeugen kann, daß dieser Ausdruck nach dem Zu-
sammenhang, in dem er gebraucht wird, präzis den gegenwärtigen
Moment bezeichnet, in dem Irenäus schreibt; er steht vielmehr im
Gegensatz zur Zukunft und ist gleichbedeutend mit unserem „Gegen-
wart". ) Und selbst angenommen, der Ausdruck habe die ihm von
1
2
) Vgl.: 'Hf.ieig ovv ovx äjzoxivdvvevofMv Jiegi tov övö^ciTog tov 'Avtizqiotov
d^o(faivöf,ievoi, ßsßaicoTixcög, ei yäg cdet ävacpavdöv zq> vvv y.aigq> yi)QVTTeodai tov-
Ovöe yäo
''
bar; nimmt man ihn aber präzis von der Zeit, in der Irenäus
schreibt, wie hätte Irenäus, „ein Mann von so sicherer Schreibweise"
(Zahn), einen Zeitraum von 90 Jahren als eine nicht lange Zeit be-
zeichnen können?
Diese Frage wird durch die Bemerkung Harnacks, dies sei Sache
des Irenäus, nicht beseitigt, sie kann aber noch weniger mit Zahn
unberührt bleiben. Wenn Zahn mit Recht erklärt, jenes gxeööv könne
unmöglich ein halbes Jahrhundert decken, sollte dann ov jtqö jtoXXov
XQÖvov beinahe ein ganzes Jahrhundert decken? Mir scheint es
gewiß, daß Irenäus auch hier vom Beginn seiner Lebenszeit rück-
wärts rechnet, so daß ov jtqö jtoXXov xqövov mit axsööv sjtI rrjg
2
^fierigag yeveäg inhaltlich zusammenfällt. ) Trotz alledem stimme
ich mit Harnack darin überein, daß die Stelle zu einer annähernd
genauen Bestimmung des Geburtsdatums des Irenäus nicht heran-
gezogen werden kann. 3 ) So viel muß aber als sicher angenommen
werden, daß es nach 130 nicht anzusetzen ist. Wenn Zahn meint,
nach dieser Stelle allein würde man eher 105 als 120 als Geburts-
jahr des Irenäus anzuerkennen geneigt sein, so ist dies durch nichts
begründet, insbesondere, da er selbst zugesteht, daß oxsdöv (ebenso
wie ov jtqö jtoXXov xqövov) ein relativer Begriff sei und Irenäus hier
das Interesse habe, die Abfassungszeit der Apokalypse seiner Gegen-
wart so nahe wie möglich zu rücken.
x
) Vgl. Akt. 13, 36; Dionys. Halic, III, 15: 'Em vijg i)fitvtgag ysveäg.
2
) Diese Auffassung teilt, wenn ich ihn recht verstehe, auch Labourt,
der sich hierüber folgendermaßen äußert (S. 66 f.): A notre avis o%tdöv inl vfjg
C'est trop peu estimer l'exactitude d'Irenee que de lui faire designer sous l'ex-
pression or tiqö twXX&ü yoövor l'espace de temps compris entre 96 et 185. Cette
designation est evidemment tres large; mais eile ne semble tolerable que si Irenee
se refere a la date de sa naissance S'il en est autrement et si nous admettons
. . .
les dates proposees par Harnack, ob .100 cto?.?.üv y/jörov devient un monstre
chronologique.
8) Vgl. Ehrhard, a. a. O. S. 264.
145
10
146
und Paulus, von dem ja vornehmlich die Rede ist, in die Lebenszeit
Klemens fiel.
l
)
Ad
Die zweimalige Angabe im Anhang der Vita Polycarpi nach
8.
mini, „:\nyiv6oxug fjfmg" ; d:u7jjil)»i' „imyi/mhoKG) %öv jiqcotötoxov tou Savavä. Man
vergleiche damit, wie Irenäus jene andere Nachricht Polykarps vom Zusammen-
treffen des Johannes mit Cerinth einleitet: Eiovv ot dwrfltoötEg avzov.
(;
j Eusebius, Hist. eccl., V, 24, 16.
7
) Bihlmeyer, Kath.. 1902, S. 319, Anm.
147
10*
148
i) Chrono!, S. 668.
2) in, 3, 4.
3
)
Eusebius, Hist. eccl., V, 20, 4 ff.
4
)
Vgl. zu diesem Ausdruck Tertullian, Adv. Marc, 4, 2: Lucas apostolicus.
5
)
Eusebius, V, 24, 16.
:
L60
dem Jünger des Herrn, und den übrigen Aposteln, mit denen er
zusammengelebt, es stets also gehalten habe.
Und nun ziehen wir diese Aussagen des Irenäus völlig unbefangen
und voraussetzungslos in Betracht, achten wir dabei darauf, mit welcher
Gewißheit und Bestimmtheit sich Irenäus äußert, mit welcher Über-
einstimmung er seine Aussagen bei verschiedenen Gelegenheiten
wiederholt; fassen wir ferner ins Auge, daß er nach ausdrücklicher
Erklärung wenigstens zum Teile seine Mitteilungen aus dem Munde
Polykarps selbst (II) gehört hat, zum Teile dies mit höchster Wahr-
scheinlichkeit angenommen werden muß (III), umsomehr als er die
Nachrichten, die er nur vom Hörensagen weiß, wie die Begegnung
des Johannes mit Cerinth genau als solche kennzeichnet, zum Teile
dieselben Nachrichten als allgemein bekannt und anerkannt hinstellt (I);
übersehen wir auch nicht, daß Irenäus den Polykarp nicht bloß von
seinem Verkehr mit Johannes, sondern auch mit den übrigen, die den
Herrn gesehen hatten, die Apostel und Augenzeugen des Wortes des
Lebens gewesen waren, erzählen gehört hat; achten wir endlich ins-
besondere auch darauf, daß Irenäus mit seinen Ausführungen gegen-
über Florin und Viktor seinen Zweck gänzlich verfehlt hätte, wenn
die angerufenen Tatsachen dem geringsten Zweifel unterlegen wären
welche Schlußfolgerung ergibt sich aus all dem mit Notwendigkeit?
Nicht diese, daß Irenäus tatsächlich es als Ohrenzeuge weiß, daß
Polykarp selbst seinen Lehrer Johannes ausdrücklich als Apostel
bezeichnete oder wenigstens unzweideutig als solchen zeichnete, und
daß seitens des Irenäus ein Irrtum diesbezüglich, eine Verwechslung
in der Person des Johannes nicht vorliegen kann?
Die Richtigkeit dieser Schlußfolgerung wird durch weitere Er-
wägungen durchaus bekräftigt, die auch an sich schon einen Irrtum
in Betreff des Johannes als höchst unwahrscheinlich, wenn nicht als
unmöglich erscheinen lassen. Einmal nämlich ergeben sich aus der
Annahme, Irenäus habe für seine Person die Aussagen des Polykarp
über seinen Lehrer mißverstanden und in seinem jugendlichen Alter
den Herrnjünger Johannes, von dem Polykarp gesprochen, mit dem
Apostel verwechselt, unannehmbare Konsequenzen. Sagte er denn
dem Polykarp niemals, für wen er jenen Johannes halte? Fragte er
ihn niemals, wer jener Herrnjünger sei, von dem er ihm so viel er-
zählte? Ferner hatte Irenäus keine Mitschüler bei Polykarp? Unter-
redete er sich niemals mit ihnen über das, was sie mit ihm von
Polykarp gehört? Hörten nicht auch andere die Vorträge des „Lehrers
Asiens", des „Vaters der Christen" ? *) Waren auch diese alle im
J
) Martyrium Polycarpi, XIII, 21 (Eusebius, Hist. eocl., IV, 15, 26;.
151
auch er, augenscheinlich mit Bezug auf den Apostel Johannes, daß
rar kvqIov rijr Litoy.om'})' überkommen habe? Ist auch einem Eusebius
durch Irenäus dieser Irrtum aufgedrängt worden?
Gwatkin, der an der Existenz eines Herrnjüngers Johannes
neben dem gleichnamigen Apostel festhält, kommt zum gleichen
Resultate und fügt noch folgende Erwägung bei, 1 ) die wohl subjektiver
Art, aber trotzdem keineswegs für nichts zu erachten ist. He (Polycarp)
hold familiär intercourse (öwavaOTQO(pi]v) with John and with many
others who had seen Christ, and used to teil the störies he had heard
from them about the Lord and about his miracles and about his
teacliing. There must liave been a great difference, perhaps
in the stories themselves, and certainly in the telling of them,
between the Lord's own apostle and the eider John, who
did not belong to the inner circle of the disciples. One was many
times an eye-witness of what the other could teil only
from hearsay. It is hard to suppose that Polycarp' s discourses did
not often enough show plainly which of the two Johns had been his
teacher. Did he never teil how the Baptist pointed out the lamb of
God? Or did he leave out the crucifixion from his teacher's Gospel?
Es ergibt sich also: Liegt ein Irrtum vor, so hat sich dessen
nicht Irenäus, sondern schon Polykarp schuldig gemacht, nicht Irenäus,
sondern bereits den Herrnjünger mit dem Apostel
Polykarp hat
Johannes verwechselt, oder man müßte das Unmögliche annehmen,
daß Irenäus ein abgefeimter Betrüger war.
Wenden wir uns also nunmehr Polykarp zu. „Durch das absolut
glaubwürdige Zeugnis des Irenäus ist es erwiesen, daß Polykarp sich
gerühmt hat, mit Johannes und mit anderen, die den Herrn gesehen
haben, zusammengewandelt zu sein, und niemand zweifelt daran, daß
Irenäus unter diesem Johannes den Zebedäiden versteht." 2 ) Nicht
minder sicher erscheint es aber nach dem eben Gesagten, daß Polykarp
als seinen Lehrer diesen und keinen andern entweder ausdrücklich
i) A. a. O. S. 225 f.
*) Vgl. Brief des Irenäus an Viktor (Eusebius, V, 25, 16) bezüglich der
asiatischen Osterfeier: Ovze ö 'AvlxrjTog %6v IIoXvadQJiov Titloav idvvavo \x/r\ Trjgelv,
äre /Lierä 'Icoävvov xov ßadrjTov zov kvqiov tj/liöjv nal töv Xomcbv dnoazöXcov olg
ovvdit'UQiipLv, äel Tf>Tr)Qr)xÖTa.
2 II, 22, 5.
)
Aufenthalt und Leben in Asien währte. Kinige Zeit muß ohne Wider-
rede zugestanden werden. Ferner wird niemand glauben wollen, daß
der feurige Apostel in dieser Zeit seines apostolischen Berufes gänzlich
vergessen und nicht die geringste öffentliche Tätigkeit entfaltet habe,
vielmehr konnte er nicht nur, wie Jülicher *) sich ausdrückt, er mußte
auch zwischen 70 und 100 das Christentum in Asien zum mächtigen
Aufschwung gebracht und der dortigen Kirche auf lange hin den
Stempel seiner Persönlichkeit aufgedrückt haben. Bei diesem Sach-
verhalt könnte immerhin angenommen, nicht zugegeben, werden, Poly-
karp habe den Apostel Johannes selbst nicht mehr gesehen. Aber
waren alle Augen- und Ohrenzeugen der Wirksamkeit des Apostels
schon tot, Polykarp zum Jünglinge, zum Manne heranreifte, seine
als
Tätigkeit als Lehrer Asiens, als Vater der Christen begann und sich
als Schüler des Apostels Johannes und anderer, die den Herrn
gesehen, ausgab, trotzdem er nur Schüler des Herrnjüngers oder
richtiger des Apostelschülers Johannes war? Schwiegen sie alle zu
diesem Irrtum Polykarps? Oder besser, approbierten sie ausdrücklich
seinen Irrtum, indem sie nicht nur seine untadlige Heiligkeit in den
höchsten Lobsprüchen priesen, sondern ihn auch öiödoxakog djiooro-
?uy.6g nannten? 2 ) Aus diesem Grunde allein ist nichts sicherer als
daß Polykarp weder ein Betrüger noch ein Betrogener sein konnte,
daß er vielmehr war, wofür er sich ausgab, Schüler des Apostels
Johannes. Der Presbyter Johannes aber existierte entweder niemals
oder er sinkt zur gänzlichen Bedeutungslosigkeit hinab. Wir gelangen
also hier zum gleichen Resultate, zu dem eine anderweitige Betrachtung
bereits führte.
Es fragt sich aber noch, ob nicht chronologische Schwierigkeiten
die Aussagen des Irenäus über das Schülerverhältnis Polykarps zum
Apostel Johannes unsicher und eine Verwechslung des Apostels mit
einem Presbyter Johannes wahrscheinlich machen, wie dies wieder
neuestens namentlich Wetz el 3 ) in bestimmter Tendenz darzutun sich
bemühte. Wir können heute darüber hinweggehn, wenn Wetzel auch
auf Grund des von Eusebius (richtiger von Hieronymus) berichteten
Todesdatums Polykarps (166) 4 ) dies erweisen will, und umsomehr,
wenn durch Erbes Untersuchung über den Regierungsantritt Anicets 5 )
die Schwierigkeit sich beseitigen läßt, die Polykarps Romreise 154
bisher gemacht hat. 6 ) Wetzel meint aber auch, daß selbst mit der
!) EM., S. 340.
2) Vgl. Martyr. Polycarpi. Eusebius, Hist. eccl., IV, 15, 6. 13. 30. 39. 40. 46.
3) A. a. O. S. 168 ff.
Annahme, daß Polykarp 155 gestorben und 69 geboren sei, für den
Verkehr Polykarps mit dem Apostel Johannes nicht viel gewonnen
sei, daJ3 vielmehr auch unter dieser Voraussetzung alles dafür spreche,
daß Irenäus den Apostel mit dem Presb} ter verwechselt habe. Zu r
da13 —
um 80 90 in Asien noch viele Jünger und mehrere Apostel als
Lehrer tätig waren, und hält die Einsetzung Polykarps in das bischöf-
liche Amt durch eine Mehrheit von wirklichen Aposteln unter der
genannten Voraussetzung für vollends ausgeschlossen und für eine
durch kein mögliches Mißverständnis und Verwechslung zu erklärende
und zu entschuldigende Unwahrheit. Diese Schwierigkeiten beseitigt
indes Wetzel nicht, ja dürfte dieselben noch vermehren. Denn 1. ist es
an sich schwer zu glauben, daß Irenäus die vielen, die vielleicht nur
als Kinder den Herrn gesehen, als Apostel bezeichnet habe. 2 ) Ganz
unmöglich aber ist diese Annahme in Hinsicht darauf, daß er einmal
die Apostel ausdrücklich von den vielen,
Christum gesehen, die
unterscheidet, ) ein anderes Mal die einen wie die anderen zum Kreise
3
__ 157
_
tvrertod Polykarp dem Prokonsul auf die
erhaltenen Antwort, die
Aufforderung, Christum zu lästern, gab: ) 'Oyöoijxorrd xal £f ex>) 1
fovkevco 2) avvCo xai oööbi' ue t)dtyjjo?r, daß Polykarp zur Zeit seines
t
Todes 86 Jahre Christ war, also vor 86 Jahren durch die Taufe in
die Zahl der Knechte Christi aufgenommen worden war.
Hierin stimme ich vollkommen bei. DaJ3 Polykarp nicht von
seinem Lebensalter überhaupt, sondern von den Jahren des Dienstes
Christi redet, Ferner halte ich es für höchst
ist unbedingt sicher. 3 )
wahrscheinlich, um nicht zu sagen, für gewiß, daß der nächstliegende,
natürliche Sinn der Worte Polykarps nicht der ist: Ich bin als Christ,
richtiger, von christlichen Eltern geboren und jetzt 86 Jahre alt, 4 )
sondern vielmehr Es sind 86 Jahre, seit ich durch die Taufe Christi
:
Diener bin. Die Geburt von christlichen Eltern macht weder nach
der Natur der Sache, trotz 1. Kor. 7, 14, noch nach altchristlichem
Sprachgebrauche zum Diener Christi, sondern die Taufe. Fiunt, non
nascuntur christiani, bezeugt Tertullian. 5 ) Harnack meint allerdings,
daß die von ihm ohne Angabe eines Grundes bevorzugte Lesart
mehrerer Handschriften e,%co öovXevcov aww 6 ) sei ersterer Auffassung
:
günstig, ja fordere sie fast, und verweist hiebei auf das Wort des
Polykrates 7
) 'Eyw E^xovraund die Antwort tcevve e%cov ev xvgiq)
8
des Papylus: ) 'Ajzö vEovrjvog $eg) öovXevg). Aber weder gibt diese
Lesart einen* andern als den von Zahn festgestellten Sinn, noch
müssen die übrigen angezogenen Zitate im Sinne Harnacks gefaßt
werden. 9 ) Über die von Zahn 10 ) beigebrachten Belege und na-
mentlich über das klassische Beispiel des als Kind heidnischer Eltern
geborenen und in Alexandria Christ gewordenen Hilarion, der, in
seinem 80. Lebensjahre stehend, seiner Seele zurief: Septuaginta
11
prope annos servisti Christo et mortem times?, ) geht Harnack
mit anderen stillschweigend hinweg, indem er sich begnügt, Zahns
Voraussetzungslosigkeit zu bezweifeln.
1
)
Martyr. Polycarpi, 9, 3.
2
)
Nach den besten Zeugen: Moskauer Handschrift Eusebius, ; Hist. eccl.,
IV, 15, 20; Chronol. Pasch., 481, 12; Kuf.Z
3
)
Vgl. Bardenhewer, S. 148, Anm. 2; Funk, "Wetzer und Weites
Kirchenlex., s. v. Polykarp.
4
)
Harnack, Chronol., S. 342. — 5) Apol. 18.
6
)
Lat. : Octogesimum iam et sextum annum aetatis ingredior, nomini eius
probatus et serviens semper.
7
)
Eusebius, Hist. eccl., V, 24, 7.
8 Martyr. Carpi, Papyli etc. (Texte u. Unters., III), 34.
)
9
)
Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. d.neut.Kan, VI, S.214 u. Anm.l; S.96, Anm.l.
!<>) Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., IV, S. 262; VI, S. 96, Anm. 1.
Eine andere Frage ist es, ob nicht etwa Polykarp ein Kind
christlicher Eltern war und als Säugling getauft wurde und also
die Jahre seines Dienstes Christi nicht tatsächlich mit seiner Lebens-
dauer nahezu zusammenfallen. An und für sich wird sich diese Frage
nicht unbedingt verneinen lassen. Es fehlt nicht an sicheren Bei-
spielen von Kindertaufen in der urchristlichen Zeit, ) und die be- 1
sei Polykarp als Heide (Jude) geboren und unter dem Einflüsse der
Predigt von Aposteln bekehrt, zum Glauben und zur Taufe geführt
worden (vjtö änoovokcov Polykarp blicke um
{lafrrjTsv'd'eig)
8
). 2.
10
—
müsse Polykarp mindestens 10 12 Jahre alt ) gewesen sein, so daß
seine Geburt bald nach 55 falle. Im Alter von 30 35 Jahren (85 90) — —
!) Vgl. Acta Justini (ed. Otto, Corp. Apol., III), c. 4. Weitere Beispiele bei
Katschthaler, Theol. dogm., IV, S. 220.
2
)
(Migne, P. 1., III, pag. 1018): A baptismo nemo prohibetur,
Epist. 59, 2
quanto magis prohiberi non debet infans, qui recens natus.
3
)
L. V, in ep. ad Kom., c. 9 (Migne, P. gr., XIV, pag. 1047): Ecclesia ab
apostolis traditionem suscepit, etiam parvulis dare baptismum.
4) Vgl. Tertullian, De baptismo, c. 18 (Migne, P. 1., I, pag. 1221).
)
Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten Jahr-
5
hunderten, 1902, S. 280. Vgl. auch Schlecht, Die Apostellehre, 1901, S. 69. 75.
«) Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, IV, S. 251 ff.; VI, 96 ff.
habe er die Stelle eines Bischofs von Smyrna erhalten, ) womit gut 1
stimme, wenn Polykarp um 110 aus den Briefen des Ignatius wie aus
seinem eigenen Briefe als ein weit über die Grenzen seiner Gemeinde
und sogar seiner Provinz hinaus verehrter Bischof und Lehrer ent-
gegentrete. Bei seinem Tode sei er ein hoher Neunziger gewesen.
1
-')
Kit orn geboren war; ebensowenig beweist die Legende, falls sie hierin
glaubwürdig ist, daß er nach einem heidnischen Vorleben erst durch
den Unterricht der Apostel zum Christusglauben im engeren Sinne
gebracht wurde, zumal sie ja ausdrücklich von einer christlichen Er-
ziehung durch Kallisto zu erzählen weiß. 3 ) Wenn Harnack gegen
Zahn geltend macht, Polykarp sei doch nicht von den Aposteln „be-
kehrt" worden, bekehrt im Sinne Zahns könne er nur von einem
einzigen sein, wenngeborner Christ schon war, so ist
er es nicht als
das freilich eine wenig besagende Phrase und wenn er weiter erklärt, ;
der rechte Sinn genommen. Aber ich kann nicht umhin, Harnack bei-
zustimmen, wenn er ausführt, daß jLia&7]TsveG$cu im Sinne von „zum
Jünger Christi gemacht werden", in jener Zeit ohne Schwierigkeit
auf die Taufe und den TaufUnterricht auch solcher bezogen werden
konnte, die in christlichen Familien geboren waren, aber erst als
») Akt. 9, 10. 19. 25. 26. 38; 11, 26. 29 und oft.
2
)
Harnack, Die Mission, S. 287, Anm. 2.
3 Vita Polyc. (ed. Duchesne), 3: Ilaidevovaa xv\v iv xvgiq) naidelav.
)
*) Chronol., S. 343.
h
) Hilgenfeld, Ignatii Antiocheni et Polycarpi Smyrnaei epistolae et
Ifartyria, 1902.
:
161
yv(bxetoav
%
fj/ielg ös ovjzcö tyi'ioy.t-ttu-i'. Auf einen zweifachen Gegensatz
ist wohl zu achten. 1. Polykarp redet zu den Philippern seiner
hier
Zeit von jener Generation der Philipper-Gemeinde, die Paulus selbst
zum Glauben geführt hatte und deren er in vielen seiner Briefe an
die damaligen christlichen Gemeinden rühmend gedenkt. ) An dieselbe 1
,iov voji' vove (b'docbjicov idlda^ev ängißcog Kai ßeßalcog vov jzsqI äkr)-
freiag köyov, og eygmpev £mavoMig. 2 ) Danach wird der
y.al äjzcov i\iuv
gegenwärtigen Generation der Philipper-Gemeinde, an die Polykarp
seinen Brief richtet, die Generation der Zeitgenossen des Paulus
(ol vove avöoomot) ausdrücklich, und zwar als bereits dahingestorben,
!) Vgl. 1. Thess. 2, 2; aber auch 1. Thess. 1, 7f.; 4, 10. 1. Kor. 16, 5; 2. Kor.
1, 16; 2, 13; 7, 5; 8, 1; 11, 9. Köm. 15, 26. An den letzteren Stellen ist allerdiügs
von den mazedonischen Gemeinden überhaupt die ßede. Vgl. Phil. 4, 15. Oder —
bezieht Polykarp etwa 2. Thess. 1, 3—4 auch auf die Philipper? (Funk, Patr. ap.,
I, S. 340; Zahn, Einl., I. S. 379). Dann wäre hier vom mündlichen Lobe die Rede
und kämen die Briefe Pauli gar nicht in Betracht. Daß Polykarp hier zunächst
den Brief Pauli an die Philipper (1, 3 ff.) im Auge habe, kann ich nicht verstehn,
da ja doch ausdrücklich die Gemeinden, in denen Paulus sich der Philipper rühmte,
der Philipp er- Gemeinde gegenübergestellt werden.
2
) Vgl. auch 1, 2: 'H ßeßafa vfjg .Tiozecog v(iön> gi'ta fg cujxaiov y.aray/r /./.<>-
KH'tl '/0(U'()l'.
11
162
_
lebenden Sinyrnäer damals schon
geboren oder gläubig gewesen
sein konnte. So weit kann über den Sinn der Stelle kaum ein Zweifel
sein. ) Es läJ3t sich aber auch kaum leugnen, daß das im Schlui3satze
1
bezeichnet das Wort wohl nur Klemensbrief ver- die Zwölf. Der 1.
steht unter Apostel nur die Urapostel und Paulus. 4 ) Der Barnabas-
brief spricht nur von den Zwölfen. 6 ) Das Kerygma Petri hat nur die
Zwölf im Auge, wo es von den Aposteln spricht. In dem Dutzend
von Stelleu, an denen bei Ignatius das Wort Apostel vorkommt,
findet sich keine einzige, die einen weiteren Gebrauch des Wortes
wahrscheinlich macht, dagegen mehrere, an denen nur die Beziehung
auf die Urapostel möglich ist. Bei Polykarp wird es schwerlich
anders stehn als bei Ignatius. Hermas und die Didache gebrauchen
den Ausdruck im weiteren Sinne. 6 ) Abgesehen etwa von der Didache
c. 11, 3 —
6 gilt also auch von der urchristlichen Literatur, daß
der Ausdruck djröaroAog nicht in dem Sinne gebraucht wird, daß die
Zwölf und Paulus ausgeschlossen würden. Bei Irenäus ist es nicht
anders. Er spricht wiederholt von zwölf Aposteln; 7 ) er redet aber
auch von den Aposteln, die das Evangelium geschrieben haben; 8 ) er
faßt die zwölf Apostel und 70 Jünger als alle Apostel zusammen, 9 )
unterscheidet aber auch die zwölf Apostel von den 70 Jüngern; 10 ) er
rechnet mit Paulus auch Barnabas zu den Aposteln. 11 ) Indem er die
Ansicht der übrigen Apostel (außer den Verfassern der Evangelien)
über Gott untersucht, führt er Petrus, Philippus, Paulus und Stephanus
namentlich auf; 12 ) um die Lehre der Apostel über unsern Herrn Jesus
Christus aufzuzeigen, zitiert er Johannes, Matthäus, Paulus, Markus,
Lukas. 13 ) Dagegen nennt Irenäus keinen der Herrnjünger im weiteren
S. 233, und Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., IV, S. 233; VI, S. 100, Anm.
Auch Athanasius von Alex, bestieg im Alter von 32 Jahren den bischöflichen
Stuhl. Lüdtke im Kirchenlex., I, Sp. 1534.
L
) Akt. 14, 4. 14 wird Barnabas neben Paulus als Apostel bezeichnet.
Wohl
im weiteren Sinne steht der Ausdruck 1. Kor. 9, 5 f., vielleicht mit Chrysostomus
und vielen auch 1. Kor. 15, 7. Rom. 16, 7. Vgl. Cornely, Kommentar zu den
Stellen; Feiten, Apostelgeschichte, S. 251; Harnack, Die Mission, S. 230ff.
2) 3 2
}
.
- 3) 17. _ 4) 42? iff. ;
47, 4. Vgl. 5, 3; 44, 1. - 5
) 8, 3. Vgl. 5, 9.
6
) Harnack, Die Mission, S. 235 f.
') H, 20, 4; H, 21, 2; III, 12, 1; III, 13, 2. - «) III, 5, 1. - 9
) II, 21, 1 a. E.
") HI, 13, 2; III, 24. 2. - ») III, 12, 14. - «) III, 22. - M) m, 16. 17.
11*
164
Sinne t'ür sich allein Apostel; vielmehr ist ihm Lukas der Schüler
und Begleiter der Apostel, ) der Gefährte und Mitarbeiter des Paulus, 2 )
1
i) I, 23, 1. - 2
) III, 14, 1. - 3) in, i? i ;
in, io, 6.
4
)
Tertullian, De praesc, 32, berichtet nur von einem Apostel. Vgl.
Matth. 2, 20 und dazu Zahn, Kommentar, S. 110; Knabenbauer, Kommentar;
Blaß, Grammatik des neutest. Griech., § 23, 5.
5
)
Irenäus, II, 22, 5.
6
)
Vgl. B eis er, Einl., S. 268, und die daselbst zitierte Aussage des Epi-
phanius von Jerusalem (Epiph. monachi et presbyteri edita et inedita, p. 56, ed.
Dressel, 1843): 'Avöoiag >)i y.al 'Iojavvrig diövgißov eig "Eqpeoov y.al iöiöaoxov. —
Doctrina Adaei (Cureton, Ancient Syriac documents), 1864, S. 23 f.: Die ersten
Nachfolger der Apostel überlieferten bei ihrem Tode ihren Schülern alles, was
sie von den Aposteln einst erhielten, alles was Jakobus geschrieben hatte von
Jerusalem und Andreas aus Phrygien. Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch.
. . .
d. neutest. Kam, I, S. 93; VI, S. 221. Vgl. auch Wetzer und Weites Kirchen-
lexikon.
7
)
Vgl. Zahn, Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kam, VI. 8. 101
1 65
)
in
i) S. 14.
2
)
Vgl. v. Dunin-Borkowsky, Die neueren Forschungen über die Anfänge
des Episkopates, 1900, S. 157 ff.
3
)
Dunin-Borkowsky, S. 159, Anm. 13.
*) Loofs, Theol. Literaturztg., 1896, S. 206 ff.
5
)
Dunin-Borkowsky, S. 160.
6) Chronol., S. 395 f.
7
)
Vgl. Harnack, Die Mission u. s. w., S. 334, Anm. 2: Die Tendenzen, die
Ignatius in seinen Briefen zum Ausdrucke bringt, forderten, daß überall Bischöfe
gewählt werden, und wir haben allen Grund zur Annahme, daß die bereits be-
stehende Praxis in Syrien und Asien seinen Tendenzen entsprochen hat. Vgl. auch
Texte u. Unters., XV, 3, S.31, wo Harnack den Diotrephes (3. Joh. 9) den ersten (?)
monarchischen Bischof gewesen sein läßt, dessen Namen wir kennen.
8) Einl., II, S. 603 f.- Vgl. Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, S! 99.
9
)
De ecclesiae Christi constitutione et regimine, 1900, S. 236 ff.
166
Ignatius die drei Stufen der Episkopen, Presbyter und Diakone schon
seit längerer Zeit in der Kirche bestanden und zu ihrem innersten
^'esen gehörten. 1 )
Resultat: Irenäus hatte länger dauernde persönliche Beziehungen
zu Polykarp, und Polykarp war ein Schüler des Apostels Johannes. Die
dagegen vorgebrachten Argumente erweisen sich als unhaltbar. Damit
findet aber auch auf einem andern "Wege das Ergebnis der Untersuchung
über das Verhältnis des Papias zu den JiQeoßvtsQOL seine Bestätigung.
War Papias ein do^alog ch't'jQ, evalgog IIokvxdQJiov und dessen unge-
fährer Altersgenosse, so ist es nicht bloß möglich, daß er Hörer un-
mittelbarer Herrnschüler war, unter denen in erster Linie der Apostel
Johannes in Betracht kommt, sondern es ist vielmehr im Zusammen-
halt mit den Aussagen, die er über sie macht, ausgeschlossen, daß
er es nicht war. Papias war also in der Tat, wie es Irenäus bezeugt,
Hörer des Apostels Johannes, selbst an und für sich einerlei, ob der
6 JTQeoßvvsQog 'Icodvvyg des Papias der Apostel war, was ich wenigstens
nicht im geringsten bezweifle, oder ein Apostelschüler.
IV.
deckende von den Irenäischen Presbytern, das heißt wohl von Papias
bezeugte Herrnwort: EiQTjxevai tbv xvqlov, ev tolg vov Jiavgög ptov
/bioväg elvcu Jio?J>dg.
3
Nach Harnack ist damit sichergestellt, daß
)
4
)
2
)
Über das lateinische Argumentum zum Evangelium wird später die
Rede sein.
3) Irenäus, Adv. haer., V, 36, 2.
zur Zeit des Papias vorhanden gewesen sein und Papias dasselbe ge-
kannt haben. 6 ) 3. Die Reihenfolge, in der die ersten drei Apostel im
Proömium des Papias aufgeführt werden: Andreas, Petrus, Philippus.
Diese Reihenfolge, die sich sonst nirgends findet, erklärt sich am natür-
lichsten aus der Bekanntschaft mit dem vierten Evangelium, 7
) wenn
3) Sieh Zahn, Einl., II, S. 457 f., über die Nachricht Conybeares aus den
Solutiones des Armeniers Vardan Vardapet: Es ist aber gewiß, daß Aloe (Joh. 19,39)
eine Art von Weihrauch ist, wie berichtet wird . . . von Papias.
*) Chronol., S. 655.
5
)
Seine Echtheit darf nach den Untersuchungen von Lightfoot (The apost.
fathers, II), Zahn (Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., IV, S. 249n\) und Harnack
(Chronol., S. 381n\) als gesichert gelten. — Seine Abfassung setzt Harnack (S.404ff.)
in die letzten Jahre Trajans (110—117) oder vielleicht einige Jahre später, nachdem
er die frühere Datierung (130) fallen gelassen. Vgl. Bar den he wer, S. 153. —
Kreyenbühl bemerkt gegen Harnack: Wie in aller Welt soll denn der Brief
des Polykarpus den Beweis leisten, daß der erste Johannesbrief und das Evangelium
in der letzten Zeit Trajans vorhanden gewesen sei, wenn Harnack selbst den Zeit-
raum für die Abfassung des Briefes nicht genauer als für die Jahre 110 bis 154
zu fixieren vermag (S. 67). Kreyenbühl ist über S. 387 des Harnackschen Werkes
nicht hinausgekommen!
6) 1. Joh. 4, 2. 3 (2. Joh. 7).
7
)
Einl.», S. 469. — Vgl. Schäfer, Einl., S. 177 f., 180f.; Godet, Komm. z.
)
4 Vgl. Funk, — Insbesondere kann der wiederholte
Patres apostol., Index.
Gebrauch des charakteristischen Johanneischen Ausdruckes evzo?^ (im Evangelium
elfmal, im ersten Briefe vierzehnmal) als Bezeichnung für die Lehre Christi (2, 2;
3, 3; 4, 1; 5, 1) kein zufälliger sein.
5) Kap. 8, 1.
17Q
beweise, daß dieses zur Zeit seines Verkehrs mit Polykarp den dortigen
(Gemeinden bekannt war. Endlich bezeugt wohl auch das Martyrium
Polycarpi durch mehrfache Anlehnungen 4 das Vorhandensein und )
i) Forsch, z. Gesch. d. neutest. Kan., VI, S. 105; Gesch. d. Kan., I, S. 903 ff.
2
)
Die Echtheit der sieben ursprünglichen Briefe des Ignatius steht heute
endgültig fest. Vgl. Ehrhard, a.a.O., 1900, S. 91f. und die dort verzeichnete
bezügliche neueste Literatur.
3
)
Funk, a a. 0., Index; Trenkle, Einl., S. 258f. Die Berührungen
Vgl.
der Ignatianen mit dem vierten Evangelium sind derartig sicher und zahlreich,
daß Hilgenfeld versichert (vgl. Godet, Komm. z. d. Ev. d. Joh., I, S. 153), die
ganze Theologie der Ignatianischen Briefe fuße auf dem Evangelium des Johannes.
Auch v.Goltz (Texte u. Unters., XII, 3) sieht sich genötigt, dieselben anzuerkennen;
und wenn er die Bekanntschaft des Ignatius mit dem Evangelium trotzdem leugnet,
so kann er sie nur durch die Möglichkeit erklären, daß Ignatius in früheren Jahren
sich in Kleinasien aufgehalten habe und mit dem ,, Johanneischen Kreis" in Ver-
bindung getreten Er muß sich
sei. aber von G. Krüger (Theol. Literaturztg.,
1895, S. 443) die richtige Bemerkung gefallen lassen, es handle sich dabei offenbar
um eine bloße Behauptung. Auch Bousset (Theol. Literaturztg., 1897, Sp. 75)
weiß keinen andern Ausweg, als die Annahme einer möglichen Schulsprache vor
dem Johannes-Evangelium.
4
)
Funk, Index.
5 Die von Feuardent entdeckten, von Viktor von Capua dem Polykarp
)
zugeschriebenen Fragmente (abgedruckt bei Lightfoot, The apost. fathers, II, vol. 3,
S. 421 f.) können nicht verwertet werden, wenn auch Zahn (Gesch. d. Kan., I,
S. 782 f.) ihre Echtheit durchaus nicht für unmöglich hält. Vgl. Lightfoot, a. a. O.
worth, Nov. Test.,I, 4, S. 491 (nach Thomasius), Funk, Patr. apostol., I, S. 373 f.;
Preuschen, Antileg., S. 62; Harnack, Chronol., S. 308f. — Nach Tischen-
dorf (Wann wurden unsere Evangelien verfaßt? S. 218) und Aberle (Tüb.
Quartalschr., 1864, S. 10) ist das Argument selbst älter als Hieronymus.
2
)
In Asia Cod. Toi. (sieh Wordsworth, a. a. 0. S. 490).
3 Archinon Cod. Toi.
)
4
)
Vgl. Corssen,
a. a. 0., 1901, S. 223 f.
5) Harnack,
Chrono!, S. 664f.; Schaefer, Einl., S. 284.
6 Zahn, Gesch. d. Kan., I, S. 898f.; Einl., II, S. 458; Forsch, z. Gesch. d.
)
neutest. Kan., VI, S. 127; B eis er, Einl., S. 259 f.; Funk. Neuestens auch K. Hörn,
Abfassungszeit, Geschichtlichkeit und Zweck vonEvang. Joh., Kap. 21, 1904, 198 f.;
J. Haußleiter, Zwei apostolische Zeugen für das Johannes -Evangelium,
1904, S. 33.
7
)
Zahn, Preuschen, B eis er. — 8) Funk.
ü
) B eis er und Reville (S. 20) möchten im Ausdruck lieber einen dem
Werke des Papias gegebenen Nebentitel sehen, im Anschluß an Corssen (Mon-
archianische Prologe, S. 115), der seine Ansicht indes aufgegeben hat.
i7ä
Werkes des Papias noch der Fundort der Nachricht genauer an-
gegeben ist-. ) Das Werk des Papias ist durch quinque libris genug-
1
bei der Knappheit des Argumentum nicht vermißt werden. Auch die
Anonymität des Argumentum muß nicht eine Instanz gegen seine
Glaubwürdigkeit sein. Die Aussage: ab Johanne adhuc in corpore con-
stituto ist schon in Hinblick auf 1. Makk. 1, 7, 3 ) Matth. 27, 63, 4 ) Eus.,
Hist. eccl., III, 18, l 5 ) keineswegs, wie Harnack sich ausdrückt, „in
dieser Form einfach Unsinn", da niemand werde behauptet haben,
daß der tote Johannes das Evangelium publiziert habe. Dazu kommt,
daß Papias durch diese scheinbar selbstverständliche Wendung mit
Rücksicht auf Joh. 21, 24 ganz wohl das Bedenken abwehren konnte,
als sei das Evangelium etwa von den Freunden des Johannes nach
seinem Tode herausgegeben worden. 6 ) Übrigens kennen wir weder
den Wortlaut des Zitates noch den Zusammenhang, in welchem
Papias die Mitteilung gebracht hat. Eusebius hierüber schweigt, Wenn
so kann er die Notiz absichtlich unberücksichtigt gelassen haben,
weil sie keine erwähnenswerte Besonderheit bot. 7 ) Endlich ist auch
zu beachten, daß die Notiz augenscheinlich einer griechischen Quelle
entnommen ist, 8 ) das Werk des Papias im 9. Jahrhundert noch vor-
handen war 9 ) und daß Joh. 21, 24 damit in überraschender Weise
10
übereinzustimmen scheint. )
Kann demnach die Glaubwürdigkeit dieses ersten Teiles des Argu-
mentum nicht wohl bestritten werden, und ist es ferner auch gewiß,
daß sein Verfasser vom Apostel Johannes redet, so muß doch noch, wie
Harnack richtig bemerkt, gefragt werden, welchen Johannes Papias
gemeint habe. Diese Frage kann aber aus dem Argumentum allein
nicht beantwortet werden, auch hierin befindet sich Harnack im
Rechte. Wenn Belser 11 ) ohne weiteres behauptet: Wenn etwas gewiß
*) Harnack, S. 665.
2
)
Vgl. Irenäus, V, 33, 4; Eusebius, Hist. eccl., III, 39, 1.
3
)
Aiuliv CA)MdvÖQog) ai)volg ttjv ßaoildav ai)%ov hl fövrog amov.
4
)
'Exelvog 6 x'/Avog elnev ho Jc&v.
5 'Ev tovto) Ttavexti Xöyog tbv ä.TÖoTo/.ov iiiia xai ibayythoxi^v "hoävvnv 'in
)
rr> ßUp evbiazQifiovxa . . . y.aradiyjioDi'ivai. Berührt sich hier Eusebius nicht auf-
fallend mit dem Argumentum?
•) Vgl. Belser, EM., S. 26t; Zahn, Gesch. d. neutest. Kam, S. 900. Eine
andere gleichfalls ansprechende Erklärung gibt Lightfoot (vgl. Funk, S. 373).
)
In adhuc in corpore constituto
8 =
eti &v oco^azt xafteoxönog (oder öviog,
ist, ist es daß Papias den Apostel Johannes, den Johannes xar
dies,
b'Soyi)v im Auge hat, so unterscheidet er nicht zwischen Papias und
dem Verfasser des Argumentum. Wenn dagegen J. y. B ebb er 1
) difc
Nachricht dahin versteht, Papias
daß «las Evangelium von erzähle,
dem Johannes veröffentlicht und übergeben worden sei, der noch (zur
Zeit des Papias) am Leben war (= vjtü *Lcodvvov von i'n n> ocbfxati
jhrog), d. h. vom Presbyter Johannes, so ist, auch in dem Falle, daß
der Presbyter Johannes des Papias, den Bebber offenbar meint, vom
Apostel verschieden wäre, und abgesehen von der umständlichen,
sonderbaren Bezeichnung desselben — warum nennt Papias ihn nicht
deutlich 6 ^of-olotsQog? —
damit gar nichts gewonnen. Ist es nicht
auch beim Presbyter selbstverständlich, daß er noch am Leben war,
wenn er das Evangelium den Gemeinden übergab? Und sollte wirklich
der Jünger des Herrn den Apostel noch überlebt haben?
"Was den zweiten Teil des Argumentum anlangt, so ist die Nach-
richt, Papias habe das Evangelium nach dem Diktate des Johannes
verdient, zumal sie auch anderweitig bezeugt ist. 3 ) Wird etwa vom
Papias abgesehen, so hat die Notiz sogar alle Wahrscheinlichkeit für
sich. 4 ) Die weitere Mitteilung über Johannes und Marcion ist freilich
schrift 530: (IcdavvTjg) vo ayiov evayyeXiov tygmjH y.ai e^edcoKsv ev E<peo(Q öta Taiov
iov ji vodo/ov y.ca öiaxovov.
4
)
Vgl. Funk, Patr. apostol,, S. 374, Anm.
*) A. a. O. S. 224. . ,.
_ 1U
an der Glaubwürdigkeit beider Teile festhalten oder beide als un-
glaubwürdig verwerfen, und er seinerseits das ganze Argumentum
über Bord wirft.
Corssen 1 ) begnügt sieh aber damit nicht, er versucht auch
den Nachweis zu liefern, daß im Werke des Papias überhaupt nichts
über die Entstehung des vierten Evangeliums gestanden und daß also
Papias hierüber nichts gewußt haben könne. Corssens Beweisführung
ist diese. 1. Wenn Papias das vierte Evangelium kannte und benutzte
i)
S. 222f. - 2) in, 11, 9.
: ,
175
i) in, 24, 17; III, 3, 1 (in, 3, 4). Vgl. in, 25, 2. - 2) m, 39, 17.
3
) Das ist wohl der Sinn des aüvä cog i)v dvvavög txaoxog
f)Ofxi)vevaev d'
(vgl. Zahn, Einl., II, S. 256f.), nicht aber, wie auch Corssen und Harnack
meinen, es habe eine Menge von Übersetzungen des hebräischen Matthäus-
Evangeliums gegeben. Ganz unverständlich aber ist es mir, wenn Corssen
(8. 226) den Papias hier eine Vielheit von Evangelien bezeugen lätft, und daß
aus den vielen ein Evangelium des Markus ausgesondert wurde. Vgl. Bey-
schlag, Stud. u. Krit., 1898, S. 86. Pölzl. Kommentar zum Matthäus-Evan-
;
gelium 2 s. xm.,
*) m, 23. 24.
5
) Sieh B. Weiß, Komm. üb. d. Jolianne.s-Evang., S. 6.
176
dem denPapias nur ein einziges Mal 2 ) namentlich auf, warum befremdet
sein Schweigen in unserem Falle ? Schweigt denn Irenäus nicht auch
bei seinen Mitteilungen über das Matthäus- und Markus-Evangelium
von Papias? Und doch ist Corssen überzeugt, daß er diese Mitteilungen
aus Papias geschöpft habe. Warum hat sein Schweigen in dem einen
Falle ein anderes Gewicht als im andern? Warum mußte endlich
Irenäus Leugnung des Johanneischen Ursprungs des
angesichts der
vierten Evangeliums durch die Aloger seinen Gewährsmann nennen,
da ja Corssen 3 ) selbst diese als Zeugen dafür anruft, daß die allgemeine
Meinung Johannes für den Verfasser hielt? Ich meine, das Schweigen
des Irenäus erklärt sich zur Genüge daraus, daß es bei der Ge-
wißheit der apostolischen Überlieferung und der allgemeinen Über-
zeugung wie den übrigen Evangelien so auch bei Johannes nicht
bei
erst der ausdrücklichen Berufung auf irgend welchen Zeugen bedurfte.
Ad 4. Zur Würdigung dieses „zwingenden" Argumentes ist es not-
wendig, das Zeugnis des Eusebius, III, 39 (nur dieses kommt hier in
Betracht) und das Zeugnis des Irenäus, III, 1, 1 über die Evangelien
des Matthäus, Markus und Johannes 4 ) nebeneinander herzusetzen,
wobei festgestellt sei, daß Irenäus für seine Nachrichten keine Quelle
nennt, während Eusebius ausdrücklich Papias als Gewährsmann nam-
haft macht.
i) III, 24, 7. - 2
) V, 33, 4.
») A. a. 0. S. 200.
4
) Über Lukas zu reden haben wir keine Veranlassung.
177
VÖTGQOV <)(',
(5$ m/ ///', ID'nx;) U.S.W.
aoTov ((O)v(ug naoädooiv. /}>' jzegi Mägxov . . . fy.Ti'ftrirat diä vvötmv. aiegl (W voto
12
178
des vierten Evangeliums etwas berichtet habe oder nicht, doch imr
als Nebensache.
Von wesentlichem Belange dagegen bleibt die Frage: Wen
hielt Papias für den Verfasser des Evangeliums? Harnaok be- 1
)
Kritik las, hievon nichts gemerkt haben und würde Eusebius nicht
mit Begierde die Gelegenheit ergriffen haben, den nach seinem Ur-
teile beschränkten Mann noch weiter zu diskreditieren? Denn darüber
könne kein Zweifel sein, daß Eusebius eine solche Meinung für eine
ebenso schlimme Ketzerei wie die chiliastischen Träumereien des
Papias gehalten haben würde. Es könne und müsse deshalb auf das
bestimmteste erklärt werden, daß Papias ebensowenig wie Irenäus
und Polykrates noch irgend sonst einer aus dem 2. Jahrhundert den
Presbyter Johannes für den Verfasser des Evangeliums gehalten habe,
und daß die Ansprüche des Presbyter Johannes auf die Unterschrift
des vierten Evangeliums als beseitigt gelten könnten. 2. Wenn Papias
das vierte Evangelium ebenso wie die übrigen kanonischen Evangelien
als autoritative Stoffansammlung gebrauchte, 3 ) so muß eres doch
wohl für apostolisch angesehen haben. 4 ) Da nun nach ihm selbst die
Bestreiter des Evangeliums bezeugen, daß es den Namen des Apostels
Johannes getragen, so kann Papias nicht wohl einen andern für
den Verfasser desselben gehalten haben. 3. Auch ist die Zusammen-
stellung des Matthäus und des Apostels Johannes im Papianischen
2) A. a. 0. S. 213 ff.
3) Harnack, ChronoL, S. 663 f. 690, Anm.
4
)
Vgl. B eis er, EM., S. 734.
12*
180
Analogie dürfte kaum ein Zweifel mehr möglich sein, daß auch der
wertet hat, so hat er auch das Johannes -Evangelium gekannt und als Werk seines
Lehrers betrachtet.
2
) Vgl. die Schriftzitate bei Funk, Patr. apostol., Index.
.161
wird Polykarp nicht anders gedacht haben. Endlich hat die Priorität
des vierten Evangeliums vor dem Johannesbrief wenigstens die höchste
Wahrscheinlichkeit für sich. Im Zusammenhalt m aller dieser Tatsacli«
kann Anerkennung des vierten Evangeliums als einer apostolisch-
die
Johanneischen Schrift auch bei Polykarp mit Grund nicht geleugnet,
geschweige das Gegenteil behauptet werden. Dieses Ergebnis bekräf-
tigen ähnliche Erwägungen wie sie oben für Papias geltend gemacht
wurden. Eusebius rechnet das Evangelium ebensogut wie den ersten
Johannesbrief als Werk des Apostels Johannes zu den öjLtoXoyovuf i>a.->
Dem Bischof von Snryrna mußte eine zu seinen Lebzeiten und in
seiner nächsten Nähe entstandene Schrift und deren Verfasser nicht
minder bekannt sein als einem Papias in Hierapolis. Polykarp
hätte als treuer Hüter der apostolischen Tradition sicherlich nicht
geschwiegen, wenn ein Fälscher das vierte Evangelium unter dem
Namen des Apostels verbreitet hätte. Wer immer leugnen möchte,
daß Polykarp das vierte Evangelium und seinen apostolischen Ver-
fasser gekannt, der müßte zuvor positiv die Haltlosigkeit aller vor-
geführten Argumente nachweisen. Bis dahin muß es dabei bleiben,
daß Polykarp so gut wie Papias das vierte Evangelium als Werk des
Apostels Johannes ansah, wie es der ganzen Folgezeit als solches galt.
Die bisher gemachten Einwände genügen nicht. Die etwas spär-
liche Verwertung der Johanneischen Schriften und namentlich des
vierten Evangeliums im Briefe Polykarps an die entlegene Gemeinde
zu Philippi erklärt sich zur Genüge daraus, daß sich Polykarp hier
wohl kaum auf dieselben als auf bereits bekannte und anerkannte
Schriften beziehen konnte. Hieraus folgt aber keineswegs, Polykarp
habe auch in seinen Briefen an die benachbarten Gemeinden und
einzelne Brüder von denselben keinen ergiebigeren Gebrauch gemacht.
Wenn Polykarp im genannten Schreiben nebst den heiligen Büchern
nicht selten auch nichtkanonische Schriften, wie den ersten Brief
des Klemens an die Korinther und die Briefe des Ignatius, benutzt,
so ist die Art und Weise, wie er aus den letzteren, stets ohne
siezu nennen, einzelne Ausdrücke und Wendungen seinen eigenen
Gedankenreihen einflicht, doch sehr verschieden vom Gebrauch zu-
Verfasser genannt wird, ) sei es, daß sie als Herrnworte oder direkt
1
als Schriftworte angeführt, 2 ) oder sei es, daß sie durch ein vor-
V.
i)
11, 2. - 2) 2, 3; 6, 3; 7, 2; 12, 1. - 3) 1, 3; 2, 3; 4, 1 ; 5, 1; 9, 2.
4 Vgl. Ignatius ad Philad., 5,2: Ilgooqwyuv eüayyeMq)
)
tcp d>g oclqxI 'Itjöov
)
1
Juli eher, Einl., S. 339. Die etwas modifizierten Aufstellungen von
Soltau, Unsere Evangelien, S. 103 ff., und Wen dt, Das Johannes -Evangelium
(Quellen-Scheidungshypothesen), haben wenig Anklang gefunden.
2
)
Jülicher, S. 328; Harnack, S. 686, Anm. 3.
bis an den Ursprung, bis an die Zeit und den Ort der Entstehung
des Evangeliums hinanreicht. Der Beweis hiefür kann in vollkommen
befriedigender Weise aus dem 21. Kapitel geführt werden, a) Es muß
als daß das ganze Kap. 21 (einerlei, ob es
durchaus sicher gelten,
vom Verfasser des Evangeliums selbst oder von einem andern her-
rührt) dem Evangelium beigefügt wurde, bevor dasselbe weiteren
Gemeinden übergeben wurde, da sämtliche Handschriften ohne Aus-
nahme dieses Kapitel enthalten. ) Zahn 2 ) bemerkt hiezu: War dies
1
J
) Nur in wenigen Handschriften fehlt V. 25.
2) Einl., n, S. 484.
) Nach C. Erbes (Zeitschr. f. Kirchengesch., 1901, S. 9) wurde Kap. 21 im
3
Jahre 153 als Denkmal der Versöhnung des Ostens und Westens verfaßt. Das
besagen nämlich die 153 Fische, welche nach V. 11 gefangen wurden. Dazu be-
merkt Kn eil er (Zeitschr. f. kath. Theol., 1902, S. 358): Die Deutung der 153 Fische
ist nur als Kuriosität bemerkenswert. Ebenso braucht man wohl kein Wort zu
verlieren über die Datierung von Joh. 21; nach 150 noch etwas ins Evangelium,
und zwar in alle Handschriften einzuschmuggeln, ist ein Unternehmen, an dem
auch der unverschämteste Fälscher verzweifeln müßte. — Diesen verzweifelten
Ausweg betrat auch Kreyenbühl, S. 366, aas guten Gründen.
186
ori'jOo^avTüv (V. 20) zurückgeht, und auch, daß jtsqI vovtcov und
ravra sowie /) jnaorvoia avroö sich nicht bloß auf 21, 1 23, sondern —
auf das ganze Evangelium bezieht. Es wird also hier der Jünger, den
der Herr lieb hatte, als Zeuge für die "Wahrheit des Evangeliums an-
gerufen und als dessen Verfasser bezeichnet und die Zuverlässigkeit
seines Zeugnisses durch eine Mehrheit (olda/isv) bestätigt, c) Weiter
ist es wohl unmöglich zu leugnen, daß wenigstens 246: xal oida^ev,
öri ä/.>jO/)g tont' uaQWQia avvov nicht vom Verfasser des Evan-
fj
deutlich verschieden, 1
) und
Worte kann doch nur
die Echtheit dieser
durch Gemeinplätze verteidigt werden. B e 1 s e r behauptet, daß wohl
1, 1 —
23, aber nicht mehr in V. 24 der Evangelist das Wort führe. 2 )
Aber ist es wahrscheinlich, daß das Evangelium mit vi JiQÖg ob
geschlossen haben kann? 3
) Viel konsequenter spricht sich Zahn 4
) dahin
aus, daß auch 21, 1 — 23 Leute, die dem Lieblingsjünger des Herrn
nahegestanden, mit seiner Genehmigung oder geradezu in seinem
Auftrage, was er ihnen gewiß mehrmals, aber gewiß noch einmal,
ehe Feder ansetzten, erzählt habe, niedergeschrieben hätten,
sie die
so daß es inhaltlich und wesentlich auch der Form nach dem Evan-
gelisten angehörte. Ja, es steht auch der Annahme nichts entgegen,
daß der Evangelist diesen Abschnitt selbst diktierte. Das yodipag
vavva macht keine unüberwindliche Schwierigkeit. Sehr gefällt die
Ansicht Wetz eis, 5 ) der 24 a dem Evangelisten, 246 aber den ersten
Empfängern des Evangeliums zuweist. Damit fällt in der Tat die
Schlußfolgerung, die Holtzmann 6 ) und zum Teile auch Harnack
einerseits aus dem unlösbaren sachlichen und sprachlichen 7 ) Zusammen-
—
hange von 1 21, 23 und aus der engen Verbindung von 23. 24,
andrerseits aus der Tatsache, daß V. 24 nicht vom Evangelisten ge-
schrieben sein könne, gegen die Johanneische Abfassung des Evan-
geliums gezogen haben, in nichts zusammen. Nach Wetzel hätten wir
also in V. 24 zwei Zeugnisse für den Johanneischen Ursprung des
Evangeliums, ein Selbstzeugnis des Verfassers (24 a) und ein Zeugnis
der ersten Empfänger (24 b). Ich halte seine Ansicht für die richtige.
d) Endlich wird niemals die Ansicht jener, die im V. 24 das Präsens
i) Vgl. Belser, Tüb. Theol. Quartalschr., 1898, S. 234f„ und Einl., S. 367;
K. Hörn, a. a. 0., S. 76.
2
)
Vgl. auch Corluj', Komm., p. 446.
3
)
Holtzmann, Komm., S. 230.
4 Einl., n, S. 487. Haußleiter, Zwei
Vgl. apostolische Zeugen, S. 40 f.
)
)
3 Nach Haußleiter, a. a. 0. S. 51 ff. die
Apostel Andreas und Philippus.
Leider kann ich auf diese sehr ansprechende Hypothese, die allerdings die
Abfassungszeit des Evangeliums gegenüber dem traditionellen Ansatz in
etwas verschiebt, nicht näher eingehn, da mir Haußleiters Abhandlung erst bei
Korrektur der letzten Bogen zukam.
4
)
Nach Haußleiter, S. 45, ist es Andreas.
188
Aber da die Zeugen einmal da sind und reden, redeten sie nur in
den Schlußworten des Evangeliums? Redeten sie nicht auch in den Ge-
meindeversammlungen vom Evangelium und seinem Verfasser? Redeten
sie nichts hierüber zu den Presbytern der benachbarten Gemeinden?
Sagten sie nichts davon den Überbringern des Evangeliums an die aus-
wärtigen Gemeinden? Und wenn es begreiflich und, ich möchte sagen,
selbstverständlich ist, daß sie in ihrem dem Evangelium beigefügten
Zeugnisse den Namen des Verfassers nicht nennen, da er selbst sich
niemals nennt, 2 ) was hinderte sie, bei mündlichen Mitteilungen seinen
Namen zu nennen? Und ferner, gab es denn in Asien, wo der Apostel
Johannes zwischen 70 bis 100 nicht bloß gewirkt haben kann, sondern
gewirkt haben muß, niemand, der nicht gewußt hätte, wer der Jünger
sei, den der Herr lieb hatte, zumal wenn „er sich offenbar weniger
der eben durch dieses Zeugnis, sei es seitens des Verfassers selbst,
sei es durch Leute, die sich im dunklen „Wir" (21, 24) verbergen, in
1
)
der Jünger, den der Herr lieb hatte, der (vom Apostel zu scheidende)
Daß
kleinasiatische Presbyter Johannes sei (Bousset, Die Offenbarung Joannis, S. 47),
ist wirklich eine Ungeheuerlichkeit, die keiner Widerlegung bedarf.
2) Vgl. Haußleiter, a. a. 0. S. 41.
3) Juli eher, Einl., S. 340.
189
Johannes ebenso von selbst verständlich als sie bei einem der vielen
asiatischen Presbyter unbegreiflich wäre. Es ergibt sich dies aber
190
auch aus dem Inhalte der Johanneischen Briefe. Es ist der Apostel
der hier spricht. In den Ansprachen des ersten Briefes, sagt Weiz-
säcker, 1
) kommt die volle Autorität des Apostels lebendig zur An-
schauung, und im dritten Briefe erhält man nicht das Bild eines un-
bekannten Presbyters, vielmehr jenes eines großen Apostels, des
Kirchenhauptes von Asien. 2 )
Ob die Aloger rechtgläubige Christen oder eine häretische
Sekte waren kann ununtersucht bleiben. Waren sie nach Irenäus, 3 )
Epiphanius 4 ) und Hippolyt ) Häretiker, so beweist ihr Wider- r>
191
doch hätte schreiben müssen: damit wir glauben; daß auch nach
der Auffassung Harnacks sich jedenfalls ergebe, daß der Lieblings-
jünger, der unter dem Kreuze stand, der Gewährsmann des Evan-
gelisten, und zwar sein noch leb end er Gewährsmann sei, und der
Evangelist doch unmöglich bei Lebzeiten des Apostels und mit
Berufung auf sein Zeugnis ein Evangelium habe erscheinen lassen
können, dessen „innerer Befund" nach Harnack „den apostolischen
Ursprung ausschließt".^) Aber eine philologische Autorität möge hier
zu Wort kommen, die einen unbedingt wahren Ausspruch getan hat.
F. Blaß 2 ) sagt: Ob sxelvog =
einem betonten er sein und also auch
den Schreiber bezeichnen kann, wird sich schwerlich jemals so aus-
machen lassen, daß die Gegenpartei sich gefangen geben müßte. Dann
freilich eignet sich der Vers sehr schlecht als Grundlage des Beweises
gegen die Autorschaft des Johannes. Denn ein wissenschaftlicher
Beweis muß doch überall vom Sichern ausgehn wo bleibe sonst ;
die Wissenschaft und was würde sie noch von Sophistik oder dem
Gerede Halbgelehrter unterscheiden? Nach kritischer Beurteilung des
Verses schließt Blaß Es möchte also klar und mehr als klar sein
:
Wer auf diesen Vers noch ferner eine H/ypothese über den Ursprung
dieses Evangeliums bauen sollte, der baute auf Sand, auf Flugsand
sogar, und es bedürfte keiner Stürme und keiner Platzregen, damit
dieser Bau einstürzte. 3 )
In Bezug auf die sonstigen Ausführungen Harnacks möchte ich
nur nachstehendes zu beachten geben. 1. Wenn nach Harnack nicht
nur der Kreis der Jünger, für welche das Evangelium zunächst ge-
schrieben wurde, zu Lebzeiten seines Verfassers (zwischen 80 und 110),
sondern auch noch nach seinem Tode, als es veröffentlicht wurde,
weitere Kreise wußten, daß dasselbe kein Werk des Apostels war,
wie dann denkbar, daß bald darauf die Kirche von Ephesus
ist es
und die übrigen kleinasiatischen Gemeinden durch einige unter dem
dunklen „Wir" sich bergende Leute zur Überzeugung gebracht wurden,
dasselbe sei ein Werk des Apostels? Lebte denn keiner mehr aus dem
Kreise der Jünger des wirklichen Verfassers, keiner mehr von jenen
i) Vgl. Steitz, Stud. u. Kr., 1861, 2; Beyschlag, Stud. u. Kr., 1898, S. 105;
Dechent, Stud. u. Kr., 1899, S. 446ff; Belser, Einl., S. 307f.; Wetzel, a. a. 0.
S. 12 ; B. We i ß, Komm. üb. d. J ohaimes -Ev., S. 503, Anm. J ü
; 1i c h e r, Einl., S. 326. —
Zahn, Einl., II, S.474f. 481, bezieht txelvog auf Christus. Wetzel, S. 10, stimmt bei.
Vgl. auch J. Haußleiter, a.a.O. S. 27. Vgl. auch die Ausführungen Kreyen-
bühls, S. 167 ff., mit dem Schlußergebnis: Allen Mißverständnissen gegenüber ist
das Selbstzeugnis des Verfassers allerdings im Sinne Kreyenbühls vollständig
gesichert.
2) Stud. u. Kr., 1902, S. 129.
3
)
Vgl. dagegen die Ausführungen Haußleiters, a. a. O. S. 25 ff.
192
weiteren Kreisen? Und schwiegen oder besser logen sie alle ohne
Ausnahme? Und Papias, der unleugbar persönliche Beziehungen zum
6 nQSößvtBQog l(odwr)g, den er nach Harnack bestimmt vom Apostel
unterschied, hatte und zur Zeit der Abfassung und Veröffentlichung des
Evangeliums, wo dasselbe noch nicht als apostolisch gegolten, im
vielseitigen Verkehr mit Eifer die Kollektaneen zu seinem Werke
sammelte, sollte er vom wahren Sachverhalt nichts erfahren haben?
oder schwieg auch er, als einige obskure Presbyter die Schrift zum
Werke des Apostels stempelten? Ja, approbierte er ausdrücklich ihren
Betrug, indem er auch seinerseits das Evangelium dem Apostel zu-
schrieb? Und Polykarp, der zur Zeit der Abfassung des Evangeliums
vielleicht noch Schüler des Johannes (hier einerlei, ob des Apostels
oder des Presbyters) und zur Zeit der Veröffentlichung des Evan-
geliums als Bischof von Smyrna dem Orte der Entstehung so nahe
war und also den Verfasser kennen mußte, schwieg auch er, der
treueste Hüter der apostolischen Überlieferungen, der sich nicht
scheute, Marcion den Fälscher der evangelischen Wahrheit, den Erst-
geborenen des Teufels zu nennen, ) und approbierte auch er jenen
1
erklärt werden muß, daß Papias ebensowenig wie Irenäus und Polykrates
noch irgend einer aus dem 2. Jahrhundert den Presbyter Johannes für
den Verfasser des Evangeliums gehalten hat; 5 ) wenn vielmehr, wie
i) Chronol., S. 673 f.
2
)
Komm. z. d. Ev. d. Joh., I, S. 215.
3
) Stud. u. Kr., 1898, S. 107. Vgl. noch Weizsäcker, Das apostol. Zeitalter,
S. 482: Wäre der Verfasser der Johann eis chen Schriften der Presbyter gewesen,
so wären sie nicht um ein Haar leichter zu erklären, als wenn sie vom Apostel
Johannes stammten.
*) Einl., S. 338 ff.
13
194
schwinde. Der große Unbekannte Baurs und seiner Schule ist also
wiedererstanden.
Jülichers Hypothese mag vielleicht beim ersten Anblick mehr
den Schein der Möglichkeit bieten als die eben beurteilte, trotzdem
ist sie in gleicher Weise jeder Wahrscheinlichkeit bar. Sie ist ja
von ersterer nicht gar wesentlich verschieden: an Stelle der be-
trügenden Schüler dort, tritt hier der betrügende Meister. Auch unser
Urteil bleibt dasselbe und es genüge, durch einige weitere Erwägungen
dasselbe zu begründen.
Nehmen wir an, Jülichers unbekannter Johannesschüler habe
existiert, sei nach Keim in der Tat der herrlichste Mann im Blüten-
kranze der nachapostolischen Zeit gewesen, habe als Stern erster
Größe alle Schriftsteller jener Zeit weit überstrahlt und sei als solcher
im stände gewesen, das unvergleichliche vierte Evangelium, eine der
bedeutendsten und großartigsten Schriften des Urchristentums, ) zu 1
schaffen —
obwohl sich sonst keine Spur seines Daseins finden
läßt. Nehmen wir ferner an, der Lieblingsjünger, unter dessen
Autorität jener Unbekannte sein Evangelium vom Anfange an stellte,
sei schon gestorben gewesen — obwohl 19, 35 (oldsv, Xeyei) und nach
anderen auch 21, 24 ihn als lebend voraussetzt, worüber Jülicher
hinweggeht. Nehmen wir weiter an, jener Unbekannte habe es gewagt,
gegenüber den damals sicher allgemein in Asien verbreiteten und
allerorts in den kirchlichen Versammlungen vorgelesenen synoptischen
Berichten, statt sich denselben möglichst zu akkommodieren, um den
Erfolg seines Betruges zu sichern, ein so vielfach abweichendes Bild
des Lebens und der Lehre Jesu zu bieten, und zwar auf die Gefahr
hin, sofort als Fälscher und Betrüger erkannt und verurteilt zu
l
) W. Wrede, Charakter und Tendenz des Johannes-Evangeliums, 1903, S.71.
8) Vgl. Beyschlag, Stud. u. Kr., 1874, S. 671.
195
Beschaffenheit des vierten Evangeliums und über den Anteil, den der
unbekannte Verfasser an seinem Inhalte und seiner Form hat, 2 ) sagt.
Einerseits wird zwar behauptet: der Verfasser habe den Gott-Christus,
Christus als die Wahrheit, den Weg, das Leben, das Brot u. s. w.
nicht erst geschaffen, sondern als Johanneische Schöpfung (?) vor-
gefunden, auf Johannesgrund habe er nur sein Gebäude kunstvoll
ausgebaut; er greife die Grundzüge der wirklichen Geschichte nicht
an, er gestalte das Zeugnis, das mündliche Evangelium des Lieblings-
jüngers nur weiter aus gewesen, daß er das Christus-
; er sei überzeugt
bild genau so wiedergebe, wie er es von Johannes empfangen; er
habe das Evangelium so entworfen, wie er es des „Alten" würdig
erachtet. Andrerseits aber wird festgestellt: der Evangelist habe bei
Ausführung seines Planes nicht immer ängstlich auf die Überlieferung
seines Johannes geschaut; die Reden Jesu seien großenteils, die
kühnen Umgestaltungen der Leidensgeschichte nicht minder sein
Werk; er habe mit souveräner Art die Reden und Gebete Jesu kon-
struiert, seine Stoffe frei geschaffen, sich den Gang des Lebens und
der Wirksamkeit Jesu zurecht gelegt; das spezifisch Johanneische
sei in seinem Kopfe erzeugt und geboren worden sein Evangelium ;
x
) Vgl. Schanz, Komm. üb. d. Ev. d. Joh., S. 10: Wenn
etwas die Väter an
der Echtheit des vierten Evangeliums hätte zweifelhaft machen können, so wäre
es die Begünstigung durch die Gnosis gewesen. —
Vielleicht ist der Angriff der
Aloger, wenn sie wirklich rechtgläubige Christen waren, gerade aus der Tatsache
zu erklären, daß die Gnostiker sich mit Vorliebe des Evangeliums bedienten.
2) S. 329 ff.
13*
196
Und weiter, wer findet dies möglich bei jenen Gemeinden, die
den Brief des Paulus in ihren Händen hatten, in dem es heißt: sl
äväftefJLa eotco? ]
) Wer Gemeinden, wo
findet dies glaublich bei
nach Tertullian 2 ) wenig später der Verfasser der bekannten Acta
Pauli et Theclae, 3 ) mochte er auch versichern, diese kleine Erzählung
aus Liebe zu Paulus verfaßt zu haben, nachdem er der Fälschung
überwiesen worden, genötigt wurde, sein Presbyteramt niederzulegen?
Und doch handelte es sich in dieser Schrift nur um eine Geschichte,
deren Held Paulus war. Nein, das kann der Ursprung des vierten
Evangeliums unmöglich gewesen sein. Die Anerkennung eines so
entstandenen Evangeliums als einer apostolischen Schöpfung wäre
unter solchen Umständen wirklich ein Wunder erster Größe. Nur
die jeden Zweifel ausschließende Gewißheit, daß hier ein Augenzeuge
und Apostel rede, kann allein hiefür die befriedigende Erklärung
5
geben. )
ßvveooL des Irenäus, die den Herrnschüler des Johannes noch gesehen
und mit ihm in Asien kürzere oder längere Zeit zusammen waren,
!) Gal. 1, 8. 9. — 2
) De baptismo, 17.
3
) Vgl. hiezu Corssen, Zeitschr. f. d. neutest. Wiss., 1903, S. 22ff.
*) Godet, Komm. z. d. Ev. d. Joh., S. 191.
'•
Vgl.Beyschlag, Stud. u. Kr., 1875, S. 478; 1898, S. 107 f.
197
gewiesen, daß das Gegenteil sich als haltlos und unerweisbar heraus-
stellte: so folgt daraus allein schon, daß Irenäus die "Wahrheit über
J
) Untersuchungen über die Entstehung des vierten Evangeliums, 1902.
) Leo XIII., Lit.
2 encycl. de studiis scripturae sacrae, 1893. Vgl. Westcott
(Ä General Survey, Einl.) In erster Linie müsse die Geschichte ihr volles Zeugnis
:
abgegeben haben, ehe man von der inneren Kritik Gebrauch machen könne.
198
säcker 3
vernehmen läßt:
)
sich „Keine Macht des Glaubens und der
Philosophie kann groJB genug vorgestellt werden, um die Erinnerung
des wirklichen Lebens (Jesu) so auszulöschen und dieses Wunderbild
eines göttlichen Wesens an ihre Stelle zu setzen ; hierin liegt stets
die Entscheidung der Frage (über den Ursprung des vierten Evan-
geliums), alles andere, was aus dem Inhalt des Evangeliums hinzu-
kommt, ist untergeordnet" so ist sofort klar, daß die Johanneische
:
!) Vgl. Beyschlag, Stud. u. Kr., 1874, S. 607 ff., 1875, S. 413ff; Godet,
Komm. üb. d. Ev. d. Joh., I, 1903, S. 158ff; Zahn, Einl., II, S." 549 ff.; Knaben-
bauer, Komm., 1898, S. 27 ff., u.a.
2
)
Vgl. E.Haupt, Stud. u. Kr., 1893, S.250; J.Haußleiter, Zwei apostolische
Zeugen, S. 50.
3
)
Das apostol. Zeitalter 3 , 1902, S. 517. — Vgl. auch Holtzmann, Einl. 3 ,
C-i.
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