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Tierschutz

Tierschutz in Zoo und Zirkus


Elefanten im Handstand und dressierte Pferde – ist das Tiertraining
oder Tierquälerei? Tierschützer fordern strenge Gesetze oder sogar
das Verbot einer Haltung von Wildtieren in Zoo und Zirkus. Die
Betreiber dagegen fühlen sich zu Unrecht beschuldigt.
Von Andrea Böhnke

Tierschützer kritisieren Zoos


Für viele ist es das Highlight am Wochenende oder in den Ferien: ein
Besuch im Zoo und im Zirkus. Vor allem Familien mit Kindern zieht es jedes
Jahr millionenfach dorthin.
Wenn es nach Tierschützern ginge, wäre diese Art der Freizeitbeschäftigung
allerdings bald Geschichte. Sie halten es für falsch, Wildtiere
wie Elefanten, Tiger oder Eisbären zur Schau zu stellen.
"Kein Zoo kann einem Elefanten, einem Tiger oder einem Eisbären
artgerechte Lebensbedingungen bieten", sagt etwa Peter Höffken. Er ist
Mitglied der Organisation People for the Ethical Treatment of
Animals (PETA) und dort Fachreferent für Tiere in der
Unterhaltungsbranche.
Die Gehege seien oft zu klein und würden den Tieren kaum Abwechslung
bieten, so Höffken. Das bleibe nicht ohne Folgen: "Es macht die Tiere
krank, in einem engen Gehege zu leben, in dem sie keine
Beschäftigungsmöglichkeiten haben", sagt der Tierschützer.
Viele Zootiere zeigten Verhaltensstörungen. Am häufigsten seien
Stereotypien, bei denen die Tiere grundlos immer wieder die gleichen
Bewegungsmuster ausführten. "Klassisches Beispiel dafür ist der Bär, der
stundenlang im Kreis läuft, oder der Tiger, der ständig am Gehegerand auf-
und abschreitet", sagt Höffken. Verhaltensstörungen äußerten sich unter
anderem auch darin, dass sich die Tiere selbst verstümmelten oder ein
gestörtes Verhalten gegenüber Artgenossen aufwiesen.

Zoobetreiber: "Natürliche Lebensräume für die Tiere"


"Die Gehege sind nahezu natürliche Lebensräume für die Tiere", sagt
dagegen Sabine Haas, Sprecherin der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen.
Je nach den natürlichen Bedürfnissen der Tiere seien sie unter anderem mit
Land- und Wasserflächen, Kratzbäumen oder Schlammsuhlen ausgestattet.
"Zusätzlich wird bei jeder Tierart auf ein natürliches soziales Umfeld
geachtet", sagt Haas. Herdentiere etwa würden in Herden, andere Tiere
zum Beispiel paarweise gehalten werden.
Auch das Futter richte sich nach dem Angebot in der Natur. "Das Futter wird
sehr häufig als Beschäftigungsfutter angeboten, sodass die Tiere sich – wie
in der Natur – das Futter erarbeiten müssen", sagt die Zoosprecherin. Um
zu vermeiden, dass sich die Tiere an die Fütterung gewöhnten, variierten
die Fütterungszeiten und es würden auch mal Fastentage eingelegt.

Schützt der Zoo bedrohte Tierarten?


Auf Plakaten oder im Internet machen Zoobetreiber heute oft auf ihr
Engagement für den Tier- und Artenschutz aufmerksam. Der Zoo Hannover
bezeichnet sich selbst auf seiner Webseite zum Beispiel als "Arche Noah für
bedrohte Tierarten".
Tatsächlich unterstützen heute nahezu alle Zoos Projekte, durch die
bedrohte Tierarten wie etwa Menschenaffen geschützt werden sollen. Viele
beteiligen sich auch am sogenannten Europäischen
Erhaltungszuchtprogramm (EEP). Ziel des EEPs ist es, den Bestand
bedrohter Tierarten durch gezielte Züchtung zu erhalten und keine wilden
Tiere für den Zoo neu zu fangen. Damit es nicht zur Inzucht kommt,
tauschen die beteiligten Zoos auch Tiere untereinander aus.
Tierschützer kritisieren Programme wie das EEP jedoch, weil sie meinen,
dass für diese weiterhin Wildtiere gefangen würden. Sensible Tierarten wie
zum Beispiel Elefanten produzierten in Gefangenschaft nicht genügend
Nachwuchs, um eine Nachzucht zu ermöglichen. Wenn die Zoobetreiber
deswegen Elefanten aus der Natur fangen und in Zoos bringen würden,
widerspreche das dem Ziel der Programme.

Größere Gehege – ein Schritt in die richtige Richtung?


Bei aller Kritik erkennen auch Tierschützer an, dass sich in den
vergangenen Jahren in einigen deutschen Zoos etwas getan hat. Viele
haben ihre kleinen Außenanlagen zu Erlebnis- oder Themenwelten
ausgebaut, die dem Besucher das Gefühl vermitteln sollen, er erlebe die
Tiere in ihrer natürlichen Umgebung.
Auch Marius Tünte, ehemaliger Pressesprecher vom Deutschen
Tierschutzbund, erkennt an, dass einige Zoobetreiber in den vergangenen
Jahren ihre Gehege vergrößert haben. "Dennoch finden sich nahezu in
jedem Zoo oder Tierpark nach wie vor Gehege und Tierhaltungen, die aus
Tierschutzsicht ungenügend sind", sagt Tünte.
Es gebe verschiedene Tierarten, deren Bewegungsbedürfnis oder Jagd-
und Sozialverhalten in Gefangenschaft so eingeschränkt sei, dass eine
verhaltensgerechte Unterbringung gemäß dem Tierschutzgesetz nicht
möglich sei. "Bei Eisbären beispielsweise scheint eine artgerechte Haltung
kaum realisierbar", sagt Tünte.
Eisbären seien von Natur aus Einzelgänger, die jedes Jahr ein Gebiet
durchstreiften, das bis zu 600.000 Quadratkilometer groß sei, so der
Tierschützer. Das entspricht ungefähr einer Fläche, die doppelt so groß ist
wie Deutschland. Selbst große Außenanlagen könnten dem natürlichen
Bewegungsdrang der Bären nicht gerecht werden.

Tierschützer sind gegen Wildtiere im Zirkus


Auch Zirkusse bieten nach Ansicht von Tierschützern Anlass für Kritik. Die
Tiere würden hier nicht nur gefangen gehalten, sondern auch darauf
dressiert, typische Zirkustricks, wie zum Beispiel das Männchen machen,
aufzuführen. "Die Dressur von Wildtieren basiert grundsätzlich auf der
Ausübung von Gewalt und Zwang", sagt Peter Höffken von PETA. "Das
belegen unzählige Recherchevideos mit versteckten Kameras."
Einige dieser Videos sind auf der PETA-Webseite zu finden. Sie zeigen
unter anderem, wie Zirkusmitarbeiter Elefanten mit sogenannten
Elefantenhaken schlagen. Das sind lange Holzstöcke, an deren einen Ende
sich ein Metallhaken befindet, mit dem die Dompteure unter anderem an
den empfindlichen Ohren der Elefanten ziehen.
PETA ruft daher regelmäßig zu Protestaktionen vor Zirkussen auf und zieht
zum Teil auch gegen die Betreiber vor Gericht. Vor allem Circus Krone ist in
den vergangenen Jahren zur Zielscheibe der Tierschützer geworden. Schon
mehrfach musste die ehemalige Direktorin Christel Sembach-Krone
Bußgelder zahlen, nachdem Mitglieder von PETA sie wegen Verstößen
gegen das Tierschutzgesetz angezeigt hatten.

Zirkusbetreiber wehren sich gegen Anschuldigungen


Die Betreiber von Circus Krone fühlen sich von Tierschutzorganisationen
wie PETA zu Unrecht beschuldigt. 2010 sagte der Sprecher von Circus
Krone, Frank Keller, in einem Interview mit merkur-online, die Betreiber
würden von den Tierrechtlern regelrecht verfolgt. "In vielen Städten, in die
wir auf Tournee kommen, sind sie schon da. Manchmal werden unsere
Plakate überklebt mit Schriftzügen wie 'Abgesagt wegen Tierquälerei'.
Manchmal gibt es Demonstrationen vor dem Zirkuszelt mit Transparenten
oder Megafonen."
Warum gerade Circus Krone im Visier der Tierschützer ist, erklärte der
Krone-Sprecher im Interview damit, dass der Zirkus Marktführer sei und
somit eine geeignete Plattform für die Tierrechtler biete. Keller weist darauf
hin, dass der Zirkus nach den verschiedenen Beanstandungen durch das
Veterinäramt seine Tierhaltung optimiert habe. "Wir haben zum Beispiel die
Fixierzeiten der Elefanten deutlich reduziert", sagt Keller. "Und wir
verwenden Gurte, keine Ketten mehr.

Wildtiere in Zoo und Zirkus verbieten?


Doch PETA und dem Deutschen Tierschutzbund reichen die
Verbesserungsbestrebungen der Zoo- und Zirkusbetreiber nicht. Sie
kämpfen seit Jahren für ein generelles Verbot bestimmter Wildtierarten im
Zoo und im Zirkus.
Auch die Bundestierärztekammer ist der Meinung, dass es "im reisenden
Zirkus systemimmanente Probleme mit der Haltung bestimmter Tierarten"
gebe. Eine Tierhaltung, bei der die notwendigen Haltungsanforderungen
nicht gewährleistet werden könnten, sei allerdings ohnehin verboten,
unabhängig davon, ob es sich um domestizierte oder Wildtiere handele.
Der Bundesrat versucht bereits seit Jahren ein Verbot von bestimmten
Wildtierarten im Zirkus durchzusetzen. 2003, 2011 und 2016 verfassten
seine Mitglieder Entschließungen dazu. In diesen baten sie die
Bundesregierung, Gesetze zu erlassen, die das Halten von Wildtieren in
Zirkussen verbieten. Geändert hat sich allerdings nichts.
Im Juni 2017 lehnte der Umweltausschuss des Bundestags den Antrag der
Linken ab, Wildtiere im Zirkus zu verbieten.
Nach wie vor regeln nur das Tierschutzgesetz und unverbindliche Leitlinien
das Halten von Wildtieren in Zoo und Zirkus. In anderen europäischen
Ländern, unter anderem in Österreich, England und Griechenland, dürfen
dagegen generell keine Wildtiere im Zirkus auftreten.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 30.07.2019)

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