Sie sind auf Seite 1von 8

Selfies und Seif ie Sticks

Automed ialität des digitalen Selbstmanagements

CHRISTI A STIEGLER

,,We use snapshots to communi cate to ourse lves,


and those around us, and those who will succeed
us, that we in fact exist. With snapshots we be-
come our own historians, and through them we
proclaim and affirm our existence."
DAVID L. J ACOBS: DOMESTIC SNAPSHOTS,
s. 104. 1

EINFÜHRUNG

Prominente fotografieren sich in Unterwäsc he, Astronauten im Weltall , der Pap st


mit seinen Anhän gern und Bara ck Obama und David Camero n unterbreche n da-
für sogar eine Beerdig ung. Das Selfie, das digitale Selbstporträt einzelner ode r
mehrerer Personen, ist eine Momentaufnahm e digitaler Medienkultur , die aus
unserem Allta g kaum mehr wegzudenke n ist. Die Masse an tägLich
(re-)produziertem Bildmat erial verleitet zu Annahmen narzi sstischer SelbststiLi-
sierung einer gesamten Gesellschaft (insbesondere jünge rer Generationen, gerne
mit „Generatio n Selfie" bezeichnet ) mithilfe oder oft auch in Geiselhaft digitaler
Technologien. Doch diese vorschne lle Analy se trügt. Selfies sind vielmehr per-
formative Bildakte und damit auch komm unik ative Handl ungen, die das Ich in
das Wahrn ehmungsze ntrum von Selfie- Produktion und -Rezeption rücken und
dabei ähnli ch wie Sprechakte eine kommunikative Doppelstruktur aufweisen.

Jacobs, David L. : ,,Domeslic Snaps hots: Toward a Grammar of Motives" , in: Journal
of American Culture 4/ 1 (198 1), S. 93- 105, hier S. 104.
SEL FIES UND SELFIE S TICKS 1 69
68 1 CHRISTIAN ST IEGLER

Selfies kommunizieren durch ihre Visualität nicht nur übe r die Welt, sondern sie an der Hinter seite des Mobiltelefons, wodurc h Selbstporträts immer noch mithi l-
konstituieren dabei zugleich soziale Verhältnisse innerhalb dieser Welt , able sbar fe von Spiegeln durchgeführt werden mussten. Auch hier waren die Apparat u-
an den je weils erhobenen Geltungsans prüchen des Selfie-Produzenten. Gleich- ren, die Mobiltelefon e, stets im Blickfenster des Perspektivs zu sehen und wur-
zeitig sind Selfies immer auch Teil einer Inszenierung der eigenen Person und den so zu Extensione n des eigenen Körpers (vgl. McLuhan). Die Technologien
der medialen Symbio se zwischen Aufführung/Performance und Wahrnehmung und Medien passen sich somil dem Körperbewusstsein an (vgl. auch wearable
durch und mit Medien .2 media ).
Diese Verbindun g aus kommun ikativ-performativen Faktoren ist bereit s lan- Das Selbstbild dient damal s wie heute sowohl in privaten als auch öffentli-
4
ge Zeit vor Selfies Teil von Gesellschaft und Kultur. Bereits 1524 malt der ita- chen Kontexten als Erinnerungsmedium. Das Medium macht die Erinnerung
lienische Maler Parmi gianino in seinem „Selbstporträ t im konvexen Spiegel" ein des Einzelnen obsolet. Die Bilder entlas ten die Erzäh lung, treten an ihre Stelle
Abbild seiner selbst durch das Medium des Spiegel s. Der runde Konvexspiegel und entfalten im Rahmen ihrer Repräsentationsfunktion viel mehr als nur eine
verzern die Proportionen seines Körpers wie ein Fischaugenobjektiv , lässt die Erinnerungsfunkti on. Sie kreieren vielmehr eine mediale Realität un seres Selbst
rechte malende Hand um einiges größer erscheine n, zeigt das Antlitz spiegel ver- nicht nur in der Wahrn ehmung des Einze lnen, sondern des gesamten Kollektivs,
kehrt und konstituiert somit auch eine Aussage über die eigene Körpererfahrung wodurch ihre Bedeutun g in Sharing-Kulturen stetig zunimmt. Dies wird durch
des Malers. Wir sehen , was er sieht: ,,Rather, like much new media , the selfie den von Bredeka mp beschriebenen „substituti ven Bildakt" ermöglicht, begrün-
can be conceived of as a multimodal convergence of older and newer techno lo- det in der ,,[...] tiefgreifenden Tradition, Körper und Bild, obwohl getrennt , als
3
gies: the selfie is a mirror , and a came ra, and a stage or billboard all at once." identisch zu begreifen.'.s Selfies sind somit Erweiteru ngen des Körpers bzw. des-
Die kulturell e und mediale Entwicklung des Selbstporträts beginnt bereits ei- sen Identität und stellen durch ihren Zeigegestus direkt e Nähe und Intimität her.
nige Jahrhunderte vor Parmi gianinos Gemälde. lm Zuge oraler Kulturen sind es Selfies und diverse Selfie-Tools, wie der Selfie Stick, sind damit Bindeglied für
die Bilder, welche die Brücken zwische n Produktion und Rezeption schlagen das Verständnis digitaler , visueller Kulturen, die sich durch Automediali tät und
und der breiten Masse Zugang zu zumeist klerikalen und geistlichen Texte n er- Selbstmanagem ent auszeichnen .
möglichen. Zugang ist nicht gleich Verständni s, denn sowohl das Lesen von
Schriftzeichen als auch die Dekodi erung von Bildern ist ein komplexer Vorgang ,
im Falle der Bild er zugleich desorientiert und bisweilen strukturlos. Die Interpre- THEORIEN , METHODEN UND PRAXISBEZÜGE
tation der Bilder lag daher immer noch in der Hand ihrer Produ zenten. Ab dem
18. Jahrhundert avancieren die Selbstporträts berühmter Maler zu begehrten Selfles als Form des digitalen Selbstmanagements
Sarnmlerobj ekten und bis zum Ende des 20. Jahrhundert sind Körper und ihre
unter schiedlichen Ausformun gen in der Kunst keine Seltenheit mehr. Mit dem Selfies sind ausschließlich im Gesamtk ontext digitaler Medien zu verstehe n.
Aufkommen der Fotografie und ihrer Reproduktion wird auch dem Medium Obwohl soziale Netzwerke und interaktive Komponenten die Bildung von Grup-
selbst eine veränderte Rolle zuteil: Erste Apparaturen zur Fotografie sind groß pen und Kollektiv-Kultur en befördern , ist die Inszenierung des Individuu ms ein
und unhandlich und bei Selbstporträts durch Spiegel zumeist im Blickfeld der wesentlicher Bestandteil digitaler Kulturen. Der Begriff des Selbstmanagements
Aufnahme präsent. Bei ersten Smartph one-Generationen befand sich die Kamera verweist auf die selbstständige Formie rung des Ichs unter den Regleme ntierun-
gen der Fremddi sziplinierung. Anders ausged rückt: Es ist notwendig , mit einem
oder mehreren Profilen auf sozialen Netzwe rken präsent zu sein und in diesen
2 Vgl. hierzu Krämer, Sybille: Gibt es eine Performan z des Bildlichen? Reflexi onen
Uber „Blickakte" , in: Ludger Schwart e (Hg.), Bild-Performanz. Die Kraft des Visuel-
4 Vgl. Därmann , Iris: Tod und Bild. Eine phänomenolog ische Mediengeschichte, MUn-
len, MUnchen: Fink 20 10, S. 63-90 . Online: http://userpage.fu-berlin.de/
-sy bkram/media/download s/Performanz_de s_Bilcllichen.pdf. chen: Fink 1998 und Belting, Hans: Faces. Eine Geschichte des Gesichts . 2. Aufl.,
3 Warfield, Katie: Making Selfies/Making Seif: digital subjectives in the selfie . Image MUnchen: Beck 2014, S. l 18f.
5 Bredekamp, Horst: Theorie des Bildakts. Frankfurter Adorno Vorlesungen 2010 , Ber-
Conference Berlin 30.10.2014. Online : http ://kora.kpu.ca/cgi/viewco ntent.cgi?
article= 1008&context=facultypub lin: Suhrkamp 2010 , S. 173.
SELF IES UND S ELFIE ST ICKS 1 71
70 1 CHRISTIAN STIEGLER

mit anderen digitalen (Ab-)Bildern zu kommunizieren, jedoch stets unter den lm Zusammenhang solch öffentlich stattfindender Autobiografis ierungen
dispositiven Eigenschaften des Mediums und den Reglementierungsbedingungen unserer Person ist der Begriff der Automedialität wesentlich. Er eröffnet die
einer fremden Instanz (hier: den Mögli chkeiten zur Inszenierung , die diese Platt- Möglichkeit die Autobiografie durch digitale Profile gleichzeitig in Abhängig-
formen bieten und eröffnen bzw. auch wieder wegnehme n können) . Formen des keit medialer und kulturell er Praktiken zu begreifen und die Rolle bildgebender
Selbstmanagement s durchdringen alle Bereiche unseres Alltags: von elektroni- Verfahren bei der Subjektivierung durch technische Medien zu analysiere n. Das
schen Gesundhe its- und Finanzakten , der Individualisierung des Medienkonsums Selfie als digitales Bild unserer Person ist ja vor allem durch die Nutzung der
(vgl. Video-on-Demand-Plattformen wie Netflix mit auf Nutzerdaten ausgerich- Technologie und des Mediums Internet charakterisiert: Jeder, der schon einmal
teten Angeboten) , Bewerbungsprozesse n (für die immer häufiger Profile auf di- eine Aufnahm e mit dem Smartphone von sich gemacht hat, weiß um die Beson-
gitalen Plattforme n wie Xing herangezogen werden) bis zur Partnerwahl im derheiten der Perspektive, des Umfe lds und der Zentrieru ng der eigenen Person.
Internet auf Dating-Plattformen . All dies sind Tendenzen eines immer größer Dass Lebensentwürfe im quasi öffentlichen Raum stattfinden , ist nicht immer
werdenden, teils öffentlichen Prozesses der Selbstinszenierung. Menschen haben eine abschreckende Vorstellung. Ganz im Gegenteil: Men schen ist es immer
immer schon den Drang gehabt, sich zu insze nieren und sich im Kollektiv als schon ein Bedürfnis gewesen, dass andere an ihrem Leben und ihren Erlebnissen
Individuum zu positionieren , aber durch das Internet geschieht vieles davon in teilhaben, insbesondere wenn sie das Geteilte selbst als äußerst positiv und wert-
leicht zugänglichen sozialen etzwerken, in denen Bestätigung , Ablehnung und voll erachten. Man erkennt dies gut an Prominenten, deren Lebensentwürfe ja
Verbreitung der eigenen Inszenierung eine große Rolle spielen. Diesen Formen schon aufgrund ihres Berufes hohes mediale s Interesse generieren und die das
des Selbstmanagements stehen wiederum Faktoren der Fremddisziplinierung bewusst auch in ihre Inszenierung integrieren. In Selfies und allen Informationen
gegenübe r, in der Teilhabe auch zum ökonomischen Modell wird . Selfies sind über uns, die wir bewusst mit anderen online teilen, steckt ebenso dieser Wunsch
ein Teil die ser Entwicklung und Ausdruck der, auch von Selbstmanagement ge- wahrgenommen zu werden, der in einer globalisierten Welt nur noch wichtiger
triebenen und Fremddisziplinierung geprägten, digitale n Gesellschaft: erscheint. Das Individuum möchte sich selbst durch Medien Wert und Sinn ver-
leihen. Die Sensibilisierung für Ereignisse, die es wert sind geteilt zu werde n, hat
"Die Vervielfachung der Publikation s- und Kommunik atio nsformate hat dazu geführt, durch die Masse der geteilten Informationen abgenommen, trotzdem: Es bleibt
dass Millionen von Usem/Userinnen ihre Alltagskommunikation öffentl ich im Kontext der Wun sch an der Teilhabe anderer an den eigenen Erlebnissen.
digitaler Netzwerke ausbreiten. Dur ch ihre Online-Präsenz ist die biografische Selbstdar -
stellung ein Gegenstand des öffentlichen Int eresses , welches sich der persönlichen Daten "The selfie is a very interesting type of napshot. Ln it, individuals often represent them-
und Informationen nach dem Prinzip der freien Verfügbarkeit von Wis sensbestän den selves as at the peak of their own attractiveness , and then use this image either as a profile
(Wissensallmende) bemächtigen kann. Öffentlich konsumierbare Biografien können folg- image , or put it out into the public realm through, for exarnple, their lnstagram feed. The
lich als eine Wissensallmende, das ist das gemeinsame Gut (Gemeingut) der lnforma - selfie is a way of saying , " look at me ", out loud , in a public domain, it is about getting at-
. hnet wer d en. " 6 tention but also about crafting the seif a an object in a very particular way." 8
tionsgesellschaft, b eze1c

Reichert bringt hier den Begriff der „öffentlich konsumierbaren Biografie " in Auch die Teilhabe an etzwe rken ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis .
den Diskur s ein und verweist auf das wesentliche Kriterium all dieser benannten Hat man früher private Fotos hauptsächlich am Sofa mit der Familie betrachtet
Inszenierungen: Sie sind Teil einer öffentlich stattfindenden Formierung unseres teilt man sie nun mit all seinen virtuellen Bekannt schaften (bekanntlich hat sie~
Selbst, eines (im Sinne Därmanns) Erinnerungsmediums, das öffentlich mit pri- der Begriff der „Freundschaft" auch durch digitale Plattformen wie Facebook
vat vermischt , und wichtiger: an die Stelle der Erzählung, also auch von uns verändert). Hinzu kommt , dass Hemm schwelle und Sensibilisieru ng für Kom-
7 munikationsproze sse durch Anonymität , leichten Zugang und Gruppenbildungen
elbst, tritt.

8 lqani , Mehita: Spectacles or Publics? Billb oards , rnagazine covers , and „selfie s" as
Reichert , Ram6n: Amateure im etz . Selbsunanagement und Wissenstechnik im Web
6
spaces of appearan ce. Wits lnterdi ciplinary Seminar , l 1.1 1.2013. Online:
2.0, Bielefeld: transcript 2008, S. 11.
Vgl. 1. Därm .ann: Tod und Bild. Eine phänomenologische Mediengeschichte. http ://wiser.wits.ac.za/system/files/seminarnqani2013.pdf
7
SELF IES UND S ELFIE S TICKS 1 73
72 1 CHRISTIA N ST IEGLER

2
abnehm en. Teilhabe und Selbstinszenierun g erscheinen vielen Men schen im vir- da/ , das ebenfalls tägliche Fotos von ihm in chronologisc her Abfolge zeigt.

tuellen Raum einfache r. Es werden Inhalte und Bilder geteilt, die man in der Off- Zeitraum: sechs Jahre. KaHna dachte erst daran seine Fotos zu teilen, als er Lees
line-Welt vermutlich nicht einmal ansprechen würde , schon gar nicht öffentlich. Video sah . Obwohl Kalinas Video weitau s häufiger verbreitet wurde und pop-
Also all das, was man an Bestätigung oder sozia ler Teilhabe früher nur im klei- kulturelle Anspielun gen auslöste (vgl. The Simps ons 1\ haben beide Videos et-
nen Rahmen erreichen konnte , wird nun zum Massenphänomen der Digitalisi e- was gemeinsam: Sie zeigen zwei j unge Menschen in ihren Zwanzigern , die sich
rung und ist keineswegs mit blankem Narzissmus zu verwechsel n. mit starrem Gesichtsausdruck und wechselndem Hintergrund jed en Tag selbst
Denn Kommunikation ist ein Prozess , der sich historisch verändert hat . fotografieren . Durch die Inszenierung (Mimik 14,Musik , Ästhetik des Bildmat e-
Durch die Digitalisierung entstehen einerseits neue Kommunikation sformen rials) wird eine bewusste Reze ption des Alterungsprozesses evozie rt, die authen-
(von Twitte r bis WhatsApp ), andererseits aber auch eine Wiederbelebun g bereits tische Züge andeuten möchte. Bei der Rezeption dieser Inhalte scheinen auch In-
existierender Formen , die nun einer großen Mas se zugänglich sind . Fotografie- szenierung von Geschlechterr ollen, Sexualität und kulturelle Herkun ft (insbe-
15
ren und Filmen waren lange Zeit Tätigkeiten, die ausschließlich Profi s vorbehal- sondere bei jungen Frauen ) eine wesentliche Rolle zu spielen, was sich vor al-
ten waren . Heute trägt jeder mindestens eine Kamera in seinem Smartphone mit lem an der Mehrheit negativer Kommentare unter Lees Vide o zeigt. 16
sich herum und dies vereinfacht den Prozess ein spontane s Foto von sich zu ma-
chen. Auf diese Weise kommunizieren auch icht-Profis mit Bildern und ver- (No) Self(ie)-Respect and shameless Self(ie)-Promotion
mitteln dadurch Emotionen und Bot schaften . Einfache Handhabe , kleinere Ap-
paraturen und leicht zugängliche Modifikation sprograrnme (z.B. Bild- Individuelles Selbstmanagement im kollektiven Raum muss auch Au swirkungen
Prograrnme , Filter) ermöglichen darüber hinaus das Selbstbild nach den eigenen auf die kollektive Wahrnehmung de Einzelnen haben. 17 Während Bestätigung ,
Vorstellungen zu modifizieren (und damit zu manipul ieren). Anerkennung und Teilhabe bei der Produktion von Selfie s eine wesentliche Rol-
le im Rahmen der digitalen Inszenierun g spielen , ist bei der kollektiven Re zep-
"With the use of the filter function, we have the opportunity to become even more fasci- tion vor allem der Grad der Au fmerksamkeit entscheidend , der dadurch generiert
nated with ourselves by stylizing our images to look as though they are from the past. The wird. Vor allem Promin ente stehen durch ihre öffentliche Rolle, die bereits durch
filter function simulates the Jook of physical age on photographs, which gives our selfies ihre Definiti on Inszenie rung beirthaltet, deshalb zumeist im Fokus der Aufmerk-
more importance than average self-portraits. For example, this faux-aging process gives us
the look of someone who has aged and acquired a certain wisdom that is time-dependent
9 12 Vgl. https://www.yourube.com/watc h?v=6B26asyGKDo
via photograph s."
13 Vgl. htrps://www.yourube.com/watch?v=zcAL7bzj AJO

Dies zeigt sich nicht mehr nur lediglich an fotografischen Selbstporträt s. ,,Tech- 14 Vgl. hierzu auch zur Bedeutung des Gesichts, z.B. H. Belting: Faces. Eine Geschichte

nologien der Verkörperung" 10 lassen sich auch in anderen Medien finden. Am des Gesichts; Fausing, Bent: Seif-Media. The self, the face, the media, and the selfies.

11.08.2006 veröffe ntlicht etwa Ahree Lee ein Video von sich auf YouTube mit International Conference on Sensoric Image Science, 24.07.2014 . Online:

dem Titel Me 11, das innerhalb weniger Tage von einer knappen Million Men- http://www.academia.edu/79889 38/SELF-MED IA._The_Self_the_Face_t he_Media
and_the_Selfie s -
schen angeklickt wird. Das time-lapse-Video montiert Fotos von Lee, die sie je-
den Tag innerhalb von drei Jahren von sich aufge nommen hat. Bereits am IS Vgl. Moorhead, Joanna: Sexy selfies may upset parents, but they' re part of growing

27.08 .2006 veröffentlicht Noah Kalina ein ähnliches Video mit dem Titel Ever- up today. Online : http://www.theguardian .com/comrnentisfree/2013/sep/l l /sexy-
selfies-upset-parents-texan-mother vom 11.09.20 13.
16 Vgl. Rettberg, Jill Walker: Seeing ourselves through technology. How we use selfies,

9 Wendt, Brooke: The Allure of the Selfie. Instagram and the New Self-Portrait. Am- blogs and wearable devices to see and shape ourselves. Houndsmiles: Pelgrave Mac-
millian 2014, S. 36f.
sterdam: etwork Notebooks 20 14, S. 9.
17 Vgl. hierzu Freedland, Jonathan: The selfie's screaming narcissism masks an urge to
10 Vgl. Jones, Amelia: ,,The Etemal Return: Seif-Portrait Photography as a technology of
embodime nt", in: Journal of Women in Culture and Society 27/4 (2002), S. 947-978. connect. Online: http ://www.theguardian. com/comme ntisfree/20 13/nov/l 9/selfie-
Jl Vgl. https://www.youtube .com/watch ?v=55YYaJirmz o narcissism-oxford-dictionary-wo rd vom 19.11.2013.
S ELFIES UNO SE LF IE S T ICKS 1 75
74 1 CHRISTIAN STI EGLER

samkeit. Durch Fotografien und Filmaufnahmen mit dokumentarisch em An- eine solche Spontan -Aktion bei einem Live-Eve nt alle inig aufgrund von Kame-
spruch soll der Inszenierung eine gewisse Form von Authentizität verliehen wer- rapositionen, Zeitplänen , Dramaturgie und Verfügbark eit von Personen einstu-
den. All das, was augenscheinlich als amateurhaft, spontan und nicht-insze niert diert sein muss, wird deutlich und ist Teil der Medieninszenierung . Dass aller-
erschei nt, wirkt authentisch . Ein Selfie der Bundeskanzlerin im Bundestag wirkt dings das Seifte dafür das geeignete Mittel erscheint, ist bemerkenswert. Es sug-
auf uns anders als wenn es sich um ein ausgeleuchtetes und nachbearbeitete s geriert ähe, Spontanität , Witz und ein „Mit-der- Zeit-gehen", was der gesamten
Pressefoto von ihr handeln würde. Die Nähe, die dadurch im Zuge digitaler In- Filmbran che eine deutliche Image-ProfiUerung ermöglichte.
szenierungen aufgebaut wird , spielt vor allem bei Prominenten und den damit
verbundenen Fan-Beziehun gen eine wichtige Rolle .
Bereits Andy Warhol erkannte in seinen „Star Polaroids " die Möglichkeit
Bilder rasch zu verbreiten, was eine wichtige Anschlussquelle für die Selfies auf
sozialen Plattformen wurde .18 Celebritie s wie der Schauspiel er/Regisseur James
Franco (Abb . 1) oder die Sängerinnen Miley Cyrus und Beyo nce nutzen diese
Möglichkeit , um mediale Nähe zu ihren Fans durch inszenierte Authentizität auf
visuelle r Ebene aufzubauen . Dies bedeut et gleichzeitig Selbstinszenierung im öf-
fentlichen Rahmen , die in hohem Maße auf sozialen Plattforme n verbreitet wird.
Höhepu nkt die ser (prominenten ) Inszenierung ist mit Sicherh eit der Oscar-Selfie
im März 2014. Moderatorin Ellen DeGene res ent schließt sich während der
Preisve rleihu ng der Academy Award s augenschein lich „spontan" ihr Mobiltel e-
fon zu zücke n, um gemei nsam mit einer Schar an prominenten Hollywood-Stars
den Rekord für das „most re-tweeted irnage" auf Twitter zu brechen (was ihr im
Zuge der medialen Bekanntheit des Events auch gelingt ). Stars wie Brad Pitt, Ju-
lia Roberts , Kevin Spacey, Brad ley Cooper , Angelina Jotie und Meryl Streep
sind Teil einer öffentlichkeitswirksamen Inszenierung der Filmbranche. Denn
ähnlich wie die Verleihung weniger dem Zusprechen von Preisen, als vielmehr Quelle: Franco, James: The Meaning of the Selfie . Online: http://www.nytirn es.com/
der medialen Inszenierung dient (auch zu erkennen an der Höhe des Werbeetats 2013/ 12/29/arts/the-meanings-of- the-selfie.htrnl?_r=0 vom 26.12.2013.
während der Veran staltung und der kamerawi rksamen , hochkarätigen Besetzung
der ersten Sitzreihen ), ist auch die Selfie-ln szenierung keineswegs spontan, son- Das Selbstverständnis für media.le Selbstinszenierungen im Rahmen des digita-
dern geplant. Der Mobiltelefon-Her steller Samsung soll rund 20 Millionen Dol- len Selbstmanagement s muss aber nicht immer mit der An sprüchen und Maßstä-
lar bezahlt haben, um im Rahmen der Preisverleihung mit einem seiner Smart- ben kollektiver Wahrnehmung übereinstimmen. Selfies beim Be such von KZ-
phone-Produkte vorzukommen. Dass der Aufmerksamkeit sgrad durch die Ver- Gedenkstätten, dem Holocaust -Mahnm al in Berlin und des 9/11-Memoria l am
breitung des Selfie s auf Twitter nur noch gesteigert wurde , wird deutlich er- Groun d Zero in ew York sind kollektive Erinn erungsorte der Trauer , die der
19
kennbar und ist auch im Vorfeld der Veranstaltung besprochen worden. Dass spektakethaften Selbstinszenierun g des Einze lnen widersprechen. Die Verbre i-
20
tung solcher „Selfies at serious places" führte in alJen fä lJen zu einer öffentli-
21
chen Sanktionierung und medialen Abstrafun g. Insbesonde re die Userin „Prin-
18 Vgl. hierzu u.a. Jones, Jonathan: The Polaroid production line. Online:
hup ://www.theguardian.corn/artanddesign/2008/oct/06/andywarhol.art vom 06.10 .
20 Vgl. http://selfiesa tseriousplaces.tumblr.com/
2008.
19 Vgl. Lewis, Hilary: Oscars Behind-the-Sce nes: Ellen DeGeneres plans selfie, 21 Vgl. u.a. Krafczyk, Eva: Die unappetitlichen Seifies von Auschwitz. Online:
rehearses „Wine Captain"-Joke (Video). Online : http://www.hollywoodreponer.com/ http://www .welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article 1317 10140/Die-unappetitlich
news/o cars-be hind-scenes-ellen-plans-686478 vom 06.03.2014. en-Selfies-von-Auschwitz.html vom 29.08.2014.
76 j CHRISTIAN STIEGLE R SELF IES UND SELF IE S TICKS 1 77

cess Bre anna" sorgte mit ihrem Ausc hwitz-Selfie für eine breit angeleg te medi a- Gadget, das ein erfinderisches Individuu m für seinen Privatgebrauch angefertig t
le (wenngleich nicht immer reflektie rte22) Berichterstattung. Medienkompete nz hat).27 Selfie Sticks, wie man sie gegenwärtig vor allem an den sogenannten Hot-
bedeutet hier auch den angemesse n Umgang mit der eigenen Inszenierung, den Spots in Großs tädten sieht, stammen ursprünglich aus dem Bereich der Extrem-
selbst Politiker und Prominente nicht immer beherrschen.23 So ließen sich B a- s ortarten. Unternehmen wie GoPro haben sich in den letzten Jahren darauf spe-
rack Obama und David Camero n im Zuge einer Trauerfeier für Nelso n Mandela zialisiert wasse rdichte und robuste Kameras zu produzieren, die es Sportlern er-
zu einem Selfie hinreißen. Selbst wenn der Kontext differenziertere Schlüsse zu- möglichen auch in Extremsituationen (z.B. als Bergsteiger an der Klippe eines
lassen muss (Hintergründe des Selfies sind nicht bekannt 24), bleibt die kollekti v Berges oder als Taucher unter Wasser) hochwertiges Bildmaterial zu erstellen.
wahrgenommene Widersprüchlichke it zwischen Selbstinszenierung und Trauer lm Rahmen dessen entstanden auch Armverlängerungen, die praktisch wie Stati-
im Vordergrund der Aktion. ve funktionie rten. Andere Verwendungsmöglichkeiten abseits dessen wurden
aber rasch gefunden und so kamen Selfie Sticks als sogenannte monopods (Ein-
Selfie Sticks : Die Professionalisie rung der Automedia lltät beinstative) zum ersten Mal vor allem in Südostasien (u.a. auf den Philippin en)
im familiären und tourist ischen Sektor zum Einsatz.
Sich von der „Schoko ladenseite" zeigen, sich in ein besseres Licht rücken: All Die Gründ e dafür sind recht ban al: Sie bieten vor allem bei Gruppenfotos
diese Formulierungen verweisen auf den Wunsch Selbstbildnisse nicht zum eine erweiterte, stabile Perspektive, die professionellere Aufnahmen ermöglicht.
Nachteil der Ab gebildeten zu (re-)produzieren. Bei Selfies ist dies nicht immer Unternehmen wie Promaster haben diese Marktlücke erkannt und seitdem gibt es
einfach, da die Aufn ahme tatsächlich von den Modal itäten des eigenen Körpers Selfie Sticks in unterschiedlichen Preisklassen mit unterschiedlichen Funktionen
abhängt: ,,When taking a selfie, the subjec t usually holds a smartphone in hand ; (u.a. B luetooth-Auslöse r). 1m Zuge dieses Trends lassen sich erneut vermehrt
this does not allow the subject to create a great range of distance between his or Kommentare finden, die darin in erster Linie eine neue Form des arzissmus er-
28
25
her seif and the smart- phone's camera." Werkzeuge wie Selfie Sticks 26 dienen kennen und damit eine primär medienkritische Position einnehmen. Selfie
hierbei zur Professio nalisierung des Aufnahm evorgangs. Wir kennen erste Bild- Sticks sind aber lediglich Zubehör und keineswegs Auslöser des Phänomens der
zeugnisse um etwa 1925, auf denen Stangen zur Aufnahm e von Selbstporträts Selbstinszenierung. Es ist ein menschliches Bedürfnis, dass wir unseren und den
verwendet wurden (oft trügt der Schein auch und die Stangen wurden verwendet, Vorstellun gen anderer entsprechen möchten. Es ist ebenso unser Bestreben uns
um den Au slöser der Kameras aus der Feme zu bedienen - in jed em Fall also ein hierbei zu verbessem .29 Die Sticks sind Zubehör, um vermeintliche Authentizität
(welche die Selfies charakte risiert) stärker zu professio nalisieren. Dazu zählen
passende Kamera-Ei nstellungen und Fokus bzw. Perspektive des Bildes, die wir
22 Vgl. Brehl, Hektor: Hashtags, die du für dein Holocaust-Gedenkstät ten-Selfie nicht aufgrund von Konventionen als „gelungen" oder „passend" bewe rten. Einfache
verwenden solltest. Online: http://www.vice.com/de/read/25-hashtags-die-du-a n- Nutzung, kleine Apparatur und geringer Preis sind außerdem entscheidend für
holocaust-gedenksmen-nicht-verwende n-solltest vom 20.11.2013. den Massengebrauch. Identität kann daher als konstruiertes Produkt erachtet
23 Vgl. Klausner , Alexandra: ,,You know I had to do it one time lol #Holocaust": San werden, das sich aus unterschiedlich en Faktoren speist und in seinem Gesamt-
Antonio Spurs player Danny Green apologizes for posting a selfie in front of the Hol-
ocaust memorial in Berlin. Online: http://www.dailymail.co.uk/news/
article-2786057 /Y ou-know- 1-one-time-lol- Holocau st-San-Antonio-Spurs -player-Dan 27 Vgl. auch Schmundt , Hilmar: ahkampf im Stadion, in: Der Spiegel 06/2015, S. 117.
ny-Green-apologizes-po sting-selfie-iin-Holocaust-me morial-Berlin.html vom 09 .1o. 28 Vor allem Museumsbetreibern ist der Selfie Stick ein Dorn im Auge. So wurde er u.a.
2014. im Museu m of Modem Art in ew York und im Getty Center in Los Angeles verbo•
24 Vgl. Taylor, Chris: Obama' s Funeral Selfie: This is why context matters. Online: ten. Vgl. Wagner , Johannes : Keine lange Stange im Museum. Online: http://
http ://mashable .com/20 13/ 12/l 0/obama -funeral-selfie/ vom 10.12.2013 . derstandard .at/20000116772 16/Selfie-Stick • Keine-lange -Stange-im-Museum?_
25 B. Wendt: The Allure of the Selfie . lnstagram and the ew Seif-Portrait , S. 24 . slide= I vom 24.02.2015.
26 Vgl. Lange, Antonia (dpa): Hand(y) aufs Herz: Vom Siegeszug der Selfie Sticks . On- 29 Vgl. Soper, Spencer: How selfie sticks became one of the hotte st gifts this holiday
line: http ://www.tage sspiegel.de/weltspiegel/vom -siegeszug-der-selfie-sticks -handy- season. Online: http ://business.financialpost.com/20 14/12/31/how-selfie -sticks-
aufs-herz/11232512.html vom 15.01.2015. became-one-of-t he-hottest-gifts-this-h oliday-season/ vom 3 1.12.20 14.
SE LFIES UND SE LFIE S T ICKS 1 79
78 1 CHR ISTIAN ST IEGLER

bild unserer Vorstellung eines idealen Selbst- und Fremdbildes gleichkommen ENTWICKLUNGEN UND AUSBLICK
sollte. Die hauptsächl iche Fokussierung auf bildgebende Medien ist hierbe i in
30
erster Linie Ausdruck einer von visuellen Medien geprägten Gesellschaf t. Welche Rolle Selfie s im Zuge digitaler Selbstinszenierung und damit im weite-
ren Sinne den Fonnen des digitalen Selbstmanagements einnehm en, zeigt nicht
Abbildung 2: Barack Obama und der Selfie Stick nur die enonne Anzahl an mediendiskursiver Berichterstattung . 2013 wurde
2
,,Selfie" vom Oxford Dictionary zum „Wort des Jahres'.3 erkoren, wohlwissend,
dass die Entwicklung schon so weit fortgeschritten ist, dass sie im Sprachge-
brauch bereits fest verankert scheint. Der Begriff „Selfie" geht davon aus, dass
es eine visuelle Momenta ufnahme des Selbst geben karm, die im Zuge medien-
kultureller Entwicklungen vor allem in Abhängigk eit technologischer Appara tu-
ren stattfindet. Mobilität erscheint hier als wesentliches Verbindungsstück , un-
abhängig ob mit Pocket-K amera, Smartphone oder Tablet. Die dispositiven
Eigenschaften mobiler Medientechnologien sind maßgeblich für die Inszenie-
33
rung unseres Selbst durch Selfies verantwortlich. Automedialität als medien-
kulturelles Konzept der Autobiografiefo rschung verweist auf die besondere Stel-
lung der Medien: Subjekt, Identit ät und Medien konstituieren sich gegense itig,
bestimmen sich wechsel seitig und reflektieren sich ständig .
Inszenierung beinhaltet aber auch immer Reflexion. Selbstreflektierter Um-
gang mit Medientechnologien setzt eine tiefergehende Auseinandersetzung mit
Quelle: BuzzFeed/Facebook vom 15.02.2015. den Inszenierungskriterien voraus. Dies bedeutet bei Selfies vor allem die
(un-)bewusst gesetzten Param eter der Bildin szenierung im digitalen bildgeben-
lm Zuge der Überlegungen zur Automedialität bede~tet di~s ei~e ~ei~ere Kom- den Medium: Perspektive, Point-of-view, direkte Adres sierung und Aufmerk-
ponente kulturelle r und medialer Praktiken. Selfie Sticks sind ~ich m _ihrer Bau-
samkeitspotentia l sind Kriterien, die auf die Wirkung des Selfies Einfluss neh-
weise relativ ähn lich . Sie sind reprodu zierbar e Massenware , die zuminde st was
men können . Dies bedeutet , dass bereits bei der Produkti on des Bildes
Perspektive und Distanz angeht , immer ähnliche Ergebni sse liefe~ ~ird . Da- (un)bewusst Kriterien der Rezeption eine Rolle spielen und deren Grenzen und
durch geht den digital en Selbstportr äts ein wesentliches Charakteri stikum _der Möglichke iten durch Tools wie Selfie Sticks weiter geschärft und verortet wer-
Spontanität verloren. Die Ausmaße des Selb stmanagement s we'.d~n auf diese den. Profess ionalisierung im Rahme n perfonnativer Selbstinszenierung sprakti-
Weise professionalisiert und stehen nebe n weiteren Tools zur Optinueru _ng unse-
ken bedeutet im Umkehrschluss auch verstärkte Planung und Reproduzierbarke it
res Gesamtb ildes zur Verfügung . Dies hat in weiterer Folge auch Auswirkungen (was bereits an der Ähnlichk eit diver ser Spiegel-Selfies aufgrund ähnlicher tech-
auf die kollektive Wahrnehmung , wie u.a. Gegenbewegungen und Dekonstruk - nologischer Begebenhe iten deutlich erkennbar ist).
tionen des Selbstbild es (z.B. Sellotape-Selfies 31) bere1ts
· zeigen.
·
Eine besondere Stellung nehmen Selfies unter sozialen und gesellsc haftli-
chen Blickpunkt en ein. Die Fixierung auf das Gesicht im Rahmen der visuellen
Inszenierung ist Teil des perfonnative n Ausdrucks, Goffman nennt dies „Im-
30 Vgl. Traue, Boris: ,,Visuelle Diskursanalyse. Ein programmatischer Vorschlag zur
Untersuchung von Sicht- und Sagbarkeiten im Medienwandel", in: Zeitschrift für Dis-
kursforschung 2/1 (2013), S. 117-136. 32 Vgl. Selfie is Oxford Dictionaries' word of the year. Online: http ://www.
3 1 vgl. hierzu Gander , Kasmira: ,,Sellotape seifies" take over „no makeup selfie" as the theguardian.com/book /2013/nov / 19/selfie-word-of-the-year-oed-oJjnguito-twerk vom
tatest online trend. Online : hup ://www .independent.co.uk/news/uk/se llotape- 19.11.2013.
33 Vgl. EJja-Borer, Nadja/Sieber, Samuel/Tholen Georg Christoph (Hg.) : Blickregime
selfies-take-ove r-from-no-makeup-se lfie-as-the-lates t-online-trend-9206203.hunl vom
20 .03.2014. und Dispositive audiovisueller Medien, Bielefeld: transcript 2011.
S ELFIES UND S ELF IE S T ICKS 1 81
80 1 CHR ISTIAN STIEGLER

pression Management' .34 als Teil sozialer Rolleninszenieru ngen. Fausing ~ie- WEITERFÜHRENDE LITERATUR
derum bezeichnet dies als „masks": ,,Masks are faces that have been acquired,
immediate personalities. Tue mask is the most immediate and widespread form Belting, Hans: Faces. Eine Geschichte des Gesichts. 2. Aufl., München : Beck
of disguise of the face of the seif - and thus the transformation of the whol_e p~r- 2014 .
son _ that exists." 35 Unser Gesicht, das auf den meisten Selfies präsent 1st, 1st Bredekamp, Horst Theorie des Bildakts . Frankfurter Adorno Vorlesungen 2010,
selbst Jaut Fausing nur Teil der Inszenierung , also eine Maske, ein Ausdruck, Vi- Berlin: Suhrkamp 2010.
sualisierung einer sozialen Rolle nach Goffman, um unser Selbstmanagement zu Därmann , Iris: Tod und Bild. Eine phänomenologische Mediengeschichte, Mün-
steuern . Selbst "Afte r-sex-Selfies" , die nach vollzogenem Geschlechtsakt aufge- chen: Fink 1998.
36
nommen wurden, zeigen das Gesicht in auffälliger Inszenierung. Das Gesicht Elia-Borer, Nadja/Sieber , Samuel/fholen Georg Christop h (Hg.): Blickregime
ist besonders bei Frauen ein exponiertes Element der Identität, oft künstlich kor- und Dispositive audiovisueller Medien, Bielefeld: transcript 2011 .
rigierbar durch diverse Make-up-Produkte , um unästhetische Facetten wie Schat- Fausing, Bent: Seif-Media . The seif, the face, the media, and the selfies. Interna-
ten und Falten zu kaschieren. Dies führt wiederum zu einem geschlechts- tional Conference on Sensoric Image Science, 24 .07.20 14. Online:
spezifische n Ungleichgewicht , welches unter Aspekten der Geschlechterkons- http://www .acadernia .edu/7988938 /SELF-MED IA._ The_Sel f_the_Face_
truktion besonders auffällig ist. the_Media_and_the_Selfies
Das Gesicht wiederum ist fester Teil der Inszenierung, daher muss es auch Jacobs, David L.: ,,Domestic Snapshot s: Toward a Grammar of Motives", in:
Strömungen der Dekon struktion geben. " o-Make-up-Selfie s" setzten bei der Journal of American Culture 4/1 ( 1981), S. 93-105.
Bedeutung der weiblichen Inszenierung an, die angesprochenen "Sellotape Sel- Jones, Amelia: ,,The Eternal Return : Seif-Portrait Photography as a technology
fies" folgten geschlechterübergreifend. Das Abkleben des Gesichtes mit Klebe- of embodiment ", in: Journal of Women in Culture and Society 27/4 (2002),
band resultiert in der bewussten Deformierung der Gesichtszüge (gequetschte S. 947-978.
Lippen und Nase), wodurch dem Gesicht als visuellem Merkmal der Identität Krämer, Sybille: Gibt es eine Performanz des Bildlichen? Reflexione n über
wesentliche Referenzpunkt e zum Selbst entzoge n werden. Die dadurch konstru- „Blickakt e", in: Ludger Schwarte (Hg.), Bild-Performanz. Die Kraft des
ierte Ästhetik des Hässliche n ist Teil einer weitreichenden Abkehr von Inszenie - Visuellen, München: Fink 2010, S. 63-90.
rungen des Gesichts , die sich u.a. an Bildern zeigt, die Oberkörper, Füße oder Reichert, Ram6n: Amateure im Netz . Selbstmanagement und Wissenstechnik im
Gesäß ins Zentrum rücken. "Belfies " (Butt und Selfie) verweisen auf die sexuel- Web 2.0, Bielefeld: transcript 2008.
le Konnotation des (häufig weiblichen) Hinterteils , für das der Belfie Stick als Rettberg, Jill Walker: Seeing ourse lves through technology . How we use selfies,
37
weiteres praktikables Werkzeug zur Professionalisierung zur Verfügung steht. blogs and wearab le devices to see and shape ourselves. Houndsmiles: Pel-
Selfies sind Resultat einer weitreichenden Entwicklung des digitalen Selbst- grave Macrnillian 2014 .
managements und dadurch gleichzeitig medial inszenierte Identität unseres Kör- Warfield, Katie: Making Selfies/Making Seif: digital subjectives
pers und Verkörperung unserer Identität. in the selfie. Image Conference Berlin 30.10.2014. Online : http ://
kora.kpu .ca/cgi/viewcontent.cgi ?article= 1008&co ntext=facu ltypub
Wendt, Brooke: The Allure of the Selfie. Instagram and the ew Seif-Portrait.
Amsterdam: etwork Notebook s 2014.
34 Vgl. Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag.
übersetzt von Peter Weber-Schäfer. 10. Aufl., München: Pi per 2003.
35 B. Fausing: Seif-Media . The seif, the face, the media, and the selfies, S. 7.
36 y gl. Sanghani, Radhika : After-sex selfies? Showing off just got a whole Jot dirtier.
Online. http ://www .telegraph.co .uk/women/ sex/ 10739067/ After-sex-selfies-Showing -
off-just-got-a-whole-lot-dirtier.html vom 02.04.2014 .
37 y gl. Lorenz, Taylor: You' ve heard of the selfie stick - meet the belfie stick. Online :
http://uk.businessinsider.com/belfie -stick-2015- 1?r=US vom 07.01.2015.

Das könnte Ihnen auch gefallen