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Die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen bestimmte Krankheiten oder Beschwerden ist
langwierig und endet nicht immer mit einem Erfolg. Von 5.000 bis 10.000 Hoffnungsträgern,
die in den Forschungslabors der Pharmafirmen getestet werden, landet im Durchschnitt nur
einer als fertiges Medikament in der Apotheke. Und dazwischen liegen meist mehr als zehn
Jahre.
Optimierung
In den meisten Fällen müssen diese "Hits" oder "Treffer" noch optimiert werden. Manchmal
lässt sich die Wirksamkeit eines Stoffes beispielsweise steigern, wenn seine Struktur
geringfügig verändert wird. Bei diesen Versuchen arbeiten die Wissenschaftler oft mit
Computersimulationen, mit deren Hilfe sich der Effekt einer chemischen Veränderung an der
Substanz im Vorfeld abschätzen lässt. Ist die Prognose gut, wird die Substanz in echt, also
im Labor modifiziert. Anschließend wird erneut ihre Wirkung am Target untersucht. Auf diese
Weise verbessern die Forscher schrittweise ihren Wirkstoffkandidaten bis sie denken, dass
er bereit ist für die präklinischen Studien.
Präklinische Studien
Sie werden an Zellkulturen sowie Tieren durchgeführt und sollen klären, was mit dem
Wirkstoffkandidaten im Körper passiert:
Phase I-Studien
Der Wirkstoff wird jetzt erstmals an Menschen getestet. Ziel ist es, die bisher gewonnenen
Erkenntnisse aus den Tests im Reagenzglas und an Tieren zu bestätigen. Als Testpersonen
fungieren meist 60 bis 80 gesunde Erwachsene, die sich freiwillig dafür gemeldet haben.
Ihnen wird zunächst nur eine kleine Wirkstoffmenge verabreicht. In bis zu 30
aufeinanderfolgenden Studien wird untersucht, ob sich der Wirkstoff im Körper tatsächlich so
verhält wie die präklinischen Tests vermuten lassen. Vor jeder einzelnen Studie muss eine
unabhängige Ethik-Kommission (bestehend aus Medizinern, Juristen, Theologen und Laien)
ihre Zustimmung geben.
Seit 2007 muss in Europa jedes neue Medikament in Phase II und III-Studien auch an
Minderjährigen getestet werden, wenn es gegen eine Krankheit gerichtet ist, die auch in
dieser Altersgruppe vorkommt. Davor wurden neue Wirkstoffe fast ausschließlich nur an
Erwachsenen erprobt. Mit den Tests an Kindern beziehungsweise Jugendlichen wird meist
erst begonnen, wenn die Phase III-Studien an Erwachsenen erfolgreich abgeschlossen sind.
Zulassung
Auch wenn ein neues Medikament alle Tests bestanden hat, darf es nicht einfach so verkauft
werden. Der Hersteller muss zunächst einen kostenpflichtigen Antrag bei den
Zulassungsbehörden stellen, die ihm dann nach Prüfung aller Studienergebnisse im besten
Fall die Genehmigung zum Verkauf erteilen.
Viele Pharmafirmen reichen den Zulassungsantrag für ein neues Präparat direkt bei der
Europäischen Arzneimittelagentur EMEA ein. Geht der Antrag hier durch, darf das neue
Präparat überall in der EU auf den Markt kommen. Das dauert aber seine Zeit - im Schnitt
dauert das Zulassungsverfahren in Europa eineinhalb Jahre.
Es gibt auch die Möglichkeit, die Zulassung für ein neues Medikament bei nationalen
Behörden und damit auch nur in dem betreffenden Land zu beantragen. In Deutschland sind
das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Paul-Ehrlich-
Institut (PEI) dafür zuständig: Anträge für Humanarzneimittel werden beim BfArM eingereicht;
das PEI kümmert sich um Sera, Impfstoffe, Testallergene, Testsera und Testantigene, Blut
und Blutprodukte, Gewebe sowie Arzneimittel für Gentherapie und Zelltherapie.
Phase IV
Auch nach der Zulassung behalten Behörden und Pharmafirma das neue Medikament im
Auge, etwa im Hinblick auf seltene Nebenwirkungen. Das sind unerwünschte Effekte, die bei
weniger als 1 von 10.000 behandelten Patienten auftreten und daher kaum in den
vorhergehenden Studienphasen (mit kleineren Patientengruppen) erfassbar sind.
In Protokollen halten Ärzte außerdem fest, wie sich das neue Medikament im Alltag bei ihren
Patienten bewährt. Die Ergebnisse solcher Anwendungsbeobachtungen nutzt der Hersteller
beispielsweise, um die Dosierung oder Darreichungsform des Präparates weiter zu
verbessern. Manchmal zeigt sich im Praxisalltag auch, dass der Wirkstoff noch gegen
weitere Krankheiten hilft. Der Hersteller kann dann in dieser Richtung weiterforschen und bei
Erfolg auch für diese neue Indikation eine Zulassung beantragen.
Es gibt aber auch Fälle, in denen mit der Zeit herausstellt, dass die Anwendung eines
Arzneimittels mit unvorhergesehenen, nicht vertretbaren Risiken verbunden ist. Die
Behörden können dem Präparat dann die Zulassung entziehen, oder der Hersteller nimmt es
freiwillig vom Markt.
Standardzulassung
Einige Medikamente sind aufgrund einer sogenannten "Standardzulassung" auf dem Markt.
Der Hersteller bezieht sich beim Zulassungsantrag auf bestimmte vom Gesetzgeber
festgelegte Rezepturen, bei denen unter anderem Zusammensetzung, Dosierung und
Anwendungsgebiete bereits genau vorgegeben sind. Wenn sich der Hersteller bei der
Produktion genau an diese Richtlinien hält, muss er keine eigene, individuelle Zulassung
beantragen. Er kann also recht preiswert Arzneimittel auf den Markt bringen.
Standardzulassungen gibt es beispielsweise für Baldriantinktur, Hustentee, Zinksalbe und
Paracetamol-Zäpfchen in der Dosierung 1 g (Schmerzmittel).
Registrierte Arzneimittel
Erst seit 1978 muss eine Pharmafirma die Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität eines
neuen Wirkstoffs anhand aufwändiger und teurer klinischer Studien nachweisen. Präparate,
die vor 1978 auf den Markt kamen, wurden vom Bundesgesundheitsamt lediglich registriert.
Dazu zählen viele pflanzliche Medikamente sowie alternative Arzneimittel wie Homöopathika
und Anthroposophika. Sie erhielten eine Registriernummer (Reg.-Nr.), die auf der
Arzneimittelpackung steht.
Die Hersteller von registrierten pflanzlichen Medikamenten erhielten die Möglichkeit, bis zum
Jahr 2005 die nötigen Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweise zu erbringen und
damit eine nachträgliche Zulassung ihrer Präparate zu erlangen. Für einzelne, besonders
kleinere Pharma-Unternehmen stellte sich diese Forderung als recht schwierig und nicht
finanzierbar dar. Viele der Präparate wurden daher vom Markt genommen.
Pflanzliche Arzneimittel
Bei pflanzlichen Präparaten (Phytotherapeutika) gestaltet sich der Wirksamkeitsnachweis
aus folgendem Grunde schwierig: Während chemische Arzneimittel meist nicht mehr als ein
bis zwei Reinsubstanzen enthalten, produziert jede Pflanze ein Wirkstoffgemisch. Meistens
variiert dieser Mix auch in den verschiedenen Teilen der Pflanze. So spült zum Beispiel das
Brennnesselkraut die Nieren durch, während die Brennnesselwurzel auf den
Hormonstoffwechsel der Prostata wirkt. Außerdem fallen diese Wirkstoffgemische je nach
Herkunft und Zubereitung der Pflanze sehr unterschiedlich aus, was auch die Wirksamkeit
beeinflusst.
Um solche Fragen zu klären, wurde 1978 eine Gruppe von Fachleuten eingesetzt, die
sogenannte Kommission E. Bis 1994 hat diese Expertengruppe mehr als 300 Heilpflanzen
und verschiedene Zubereitungsarten begutachtet und ihre Ergebnisse in Form von
sogenannten Monographien (gewissermaßen Steckbriefe) veröffentlicht. Diese enthalten die
zum betreffenden Zeitpunkt bekannten Informationen über die Zusammensetzung, Wirkung
und mögliche Nebenwirkung der verschiedenen Heilpflanzen. Heute ist die Kommission E
beratend an der Zulassung von pflanzlichen Arzneimitteln beteiligt.
Quelle: http://medikamente.netdoktor.de/wissen/arzneimittelzulassung-der-lange-weg-zum-medikament/