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Dokumentationsstelle Antiziganismus (DOSTA)

DOKUMENTATION
ANTIZIGANISTISCHER
VORFÄLLE

2021 – 2022
W I R DANK E N AL L EN, D I E D U RC H MEL D U NG EN
OD E R AU F AND E R E A RT ZU R ENT ST EHU NG D I ESER
D O K U M E N TATI ON B EI GETRAG EN HA B EN.
INHALT
EINFÜHRUNG 6
Grußwort 8
SCHWERPUNKTTHEMA 10
Situation geflüchteter Rom*nja aus der Ukraine
Im Gespräch mit Natli Tomenko (ARCA) 12
DOSTA-Analyse 14
Kommentar: »Die Vergangenheit ist nicht Tod. 16
Sie ist noch nicht vergangen«
AUSWERTUNG 18
Nach Lebensbereichen 2021 – 2022
Factsheet 19
Alltag und öffentlicher Raum 20
Bildung 22
Studie: »(Antiziganistische) Diskriminierung in der 24
Kindertagesbetreuung und Grundschule: Rechtlicher Rahmen
und Beratungspraktiken in Berlin«
Kontakt zu Leistungsbehörden 26
Wohnen 28
Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz 29
Zugang zu Gütern und Dienstleistungen 30
Zugang zu medizinischer Versorgung 30
Arbeitswelt 32
Soziale Arbeit 34
Juristischer Exkurs: »Antiziganistische Datenerfassungen: 36
Rechtslage und historischer Hintergrund«
MEDIENMONITORING 2021-2022 40
Antiziganismus in der medialen Kommunikation 2021 & 2022 40
Visuelle Stereotype 44
EMPFEHLUNGEN 46
NACHWEISE 48
5

EINFÜHRUNG

Seit neun Jahren dokumentiert, analysiert und veröf-


fentlicht die Dokumentationsstelle Antiziganismus
(DOSTA) von Amaro Foro antiziganistische Vorfäl-
le in Berlin in allen Lebensbereichen. Im Zweijah-
resrhythmus publiziert DOSTA im Rahmen der
Auswertung die Ergebnisse, um politische, mediale
und soziale Akteure auf das Thema Antiziganismus
aufmerksam zu machen und sie dafür zu sensibili-
sieren. Seit Bestehen des Projekts wurden insgesamt
1.289 Vorfälle gemeldet, davon 147 Vorfälle im Jahr
2021 und 225 Vorfälle im Jahr 2022. Damit wurden
DOSTA im vergangenen Jahr die meisten Vorfäl-
le seit Projektbeginn 2014 gemeldet. Das hängt vor
allem damit zusammen, dass das Thema Antiziganis-
mus immer mehr in den Fokus von Politik, Verwal-
tung und Öffentlichkeit rückt und DOSTA sich zu
einem Antidiskriminierungsprojekt mit einem hohen
Bekanntheitsgrad entwickelt hat. Trotzdem ist das
Dunkelfeld im Bereich Antiziganismus nach wie vor
zu groß, denn die Zahl der Vorfälle ist nicht repräsen-
tativ. Sie hängt im Wesentlichen davon ab, dass sensi-
bilisierte Personen bzw. Betroffene melden und ange-
sichts der Vorfälle ist von einer berlinweit deutlich
höheren Zahl auszugehen.
Einführung 6

In den vergangenen zwei Projektjahren haben als Rom*nja gelesen werden, sind vor, während und
sich die anhaltenden gesellschaftlichen und globalen nach ihrer Flucht mit Benachteiligung und Ausgren-
Krisen wie die Covid-19-Pandemie und der Angriffs- zung konfrontiert. Ihnen wird abgesprochen, »richtige«
krieg auf die Ukraine in den bei DOSTA gemelde- Geflüchtete zu sein. Diesen Diskurs haben wir bereits
ten Fällen widergespiegelt. Mit Blick auf diese Krisen 2021 in Bezug auf Geflüchtete aus Moldau beobachtet:
werden Veränderungen und Kontinuitäten antiziga- Ihnen wird kollektiv eine Roma-Identität zugeschrie-
nistischer Diskriminierungen in Berlin analysiert. ben und statt als schutzbedürftige Menschen werden
Rom*nja oder so gelesene Menschen waren pandemie- sie als Bedrohung dargestellt und wahrgenommen.
bedingt besonders vulnerabel und erlebten in Berlin Dieses Bedrohungsszenario wird von den deutschen
immer wieder Antiziganismus durch Institutionen Medien aufgegriffen und weiter verschärft. Wegen
wie Leistungsbehörden und Bildungseinrichtungen, der pauschalisierenden Markierung dieser Gruppe als
aber auch antiziganistische Anfeindungen im öffent- Rom*nja nehmen wir grundsätzlich alle Vorfälle auf,
lichen Raum. Letztere sind in einem gesellschaftlichen die sich explizit gegen Menschen aus Moldau richten,
Kontext zu sehen, in dem Positionen der extremen ähnlich wie wir es auch in Bezug auf bulgarische und
Rechten durch die sogenannte Querdenken-Bewegung rumänische Staatsbürger*innen tun. Häufig handelt es
noch stärker Zugang in unterschiedliche gesellschaft- sich hier nämlich um das Phänomen des »Dog Whist-
liche Milieus gefunden und medial viel Aufmerksam- ling«, bei dem infolge rassistischer Diskurse bestimm-
keit bekommen haben. Die immer wieder konstatierte te Chiffren etabliert sind, die es ermöglichen, rassis-
Verschiebung der Diskurse nach rechts beobachten wir tische Stereotype und Ausschlüsse scheinbar neutral
auch bei DOSTA. zu formulieren.
Von bundesweiter Relevanz in der Prävention und Bereits 2022 ist es in Thüringen zu einer akuten
im Kampf gegen Antiziganismus waren die Einrich- Gefährdungssituation gekommen, nachdem in der
tung der bundesweiten Melde- und Informationsstel- medialen Debatte Geflüchteten aus der Ukraine eine
le Antiziganismus (MIA) sowie die Einberufung des Roma-Identität zugeschrieben wurde. Auch in Berlin
ersten Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus, gab es Drohungen und Anfeindungen gegen Unter-
Dr. Mehmet Daimagüler. Damit wurde eine direk- künfte. Wir blicken deshalb mit Sorge auf die Situa-
te Forderung der Unabhängigen Kommission Antizi- tion der Betroffenen angesichts eines andauernden
ganismus (UKA) umgesetzt. Die bundesweite Melde- Kriegs und nachlassender Solidarität. Es muss vonsei-
und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) ist eine ten der Politik klar kommuniziert werden, dass das
zivilgesellschaftliche Monitoringstelle, die in mehre- Recht auf Asyl und die Unterstützung schutzsuchen-
ren Regionen Deutschlands Meldestellen für antiziga- der Menschen nicht verhandelbar und kein Gegen-
nistische Vorfälle etabliert. Seit Juli 2022 ist das Projekt stand einer Pro-und-Contra-Debatte sind.
DOSTA ebenfalls Teil der bundesweiten Meldestel- Nicht nur, aber auch mit Bezug zur Situation
le und teilt seine jahrelange Expertise aus Berlin mit geflüchteter Menschen in Berlin hat uns in den letzten
den sich im Aufbau befindenden Netzwerkpartnern. zwei Jahren der Bereich Bildung besonders beschäf-
Doch die teils größere politische Aufmerksamkeit für tigt. Bei Menschen ohne sicheren Aufenthaltssta-
das Phänomen Antiziganismus ist nicht als Ausdruck tus ist der Zugang zu Schulplätzen nicht gewährleis-
eines gesamtgesellschaftlichen Fortschritts zu sehen. tet und insgesamt ist eine deutliche Benachteiligung
Denn die politischen Debatten und gesellschaftlichen von migrantisch gelesenen Menschen zu beobachten.
Diskurse, in denen Rom*nja markiert und ausgegrenzt Wir haben deshalb eine Studie zur Diskriminierung in
werden, sind seit Jahrzehnten weitgehend die gleichen der Kindertagesbetreuung und Schule erstellen lassen.
geblieben, ebenso wie die Leerstellen in den Diskur- Eine Kurzfassung ist in dieser Auswertung enthalten,
sen und die blinden Flecken der öffentlichen Wahr- die ausführliche Fassung kann auf der Homepage von
nehmung: 2021 und 2022 wurden (mindestens) drei Amaro Foro e.V. eingesehen werden.
Rom*nja in EU-Ländern von Polizeikräften getötet –
der deutschen Öffentlichkeit ist das größtenteils unbe-
kannt. Auf diesen Punkt und die Medienberichterstat-
tung zu den Vorfällen werden wir im Medienmonito-
ring genauer eingehen.
Nach dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie
fordert seit Februar 2022 Russlands Angriffskrieg
auf die Ukraine als neue große Krise die Gesellschaft
heraus. Dies hat sich in den bei DOSTA gemeldeten
Vorfällen ebenfalls niedergeschlagen. Geflüchtete, die
7 Einführung

Die Auswertung und Einordnung von Vorfällen


und Sachverhalten, die Amaro Foro e.V. hier leistet,
GRUSSWORT wird Betroffenen zukünftig ein nützliches Werkzeug
zur Erwirkung ihres Rechts auf Gleichbehandlung
sein. Die Sichtbarmachung von Antiziganismus in
all seinen Facetten dient als Grundlage, um konkre-
Von Dr. Lena Kreck te Maßnahmen gegen Antiziganismus zu entwickeln.
Wir hoffen, dass durch die Aufklärung und Sensibi-
Liebe Leser_innen, lisierung zu Antiziganismus mehr Menschen dazu
Sinti_zze und Rom_nja sind nach wie vor eine der ermutigt werden, antiziganistische Vorfälle an die
am stärksten benachteiligten und diskriminierten Dokumentationsstelle zu melden. Sie ist eine wichtige
Communitys in Europa. Antiziganismus ist auch in Anlaufstelle im Land Berlin.
Deutschland und Berlin ein massives gesellschaftli- Am 21. Juni 2020 trat mit dem LADG das bundes-
ches Problem und tritt in struktureller und institutio- weit erste Landesantidiskriminierungsgesetz in Kraft.
nalisierter Form auf. Hierbei sind sowohl Angehörige Dies stellt einen Meilenstein für alle von Diskriminie-
der deutschen Sinti_zze betroffen als auch Sinti_zze rung betroffenen Menschen und so auch für Sinti_zze
und Rom_nja mit Migrationsgeschichte. Wissen- und Rom_nja in Berlin dar. So verbietet das LADG
schaftliche Erhebungen wie z.B. die Studien der Anti- beispielsweise Diskriminierungen im Rahmen öffent-
diskriminierungsstelle des Bundes sowie der Bericht lich-rechtlichen Handelns aufgrund der ethnischen
der Unabhängigen Kommission Antiziganismus des Herkunft, einer rassistischen Zuschreibung, der
Deutschen Bundestages zeigen auf, dass Antiziganis- Sprache sowie des sozialen Status. Das LADG bietet
mus sich in allen gesellschaftlichen Bereichen zeigt: konkrete Rechtsansprüche und das Verbandsklage-
Bildung, Gesundheit, Verwaltung, Wohnen, Polizei, recht. Die LADG-Ombudsstelle nimmt Diskrimi-
Justiz und im öffentlichen Raum. Auch die Auswer- nierungsbeschwerden an, berät Ratsuchende recht-
tungen der Vorfallsmeldungen von DOSTA zeigen lich und interveniert auf Wunsch im Fall der Betrof-
dies Jahr für Jahr. Es ist die demokratische Pflicht von fenen. Damit setzt Berlin ein deutliches Zeichen auch
Medien, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, gegen antiziganistische Diskriminierung und gibt
aktiv gegen Antiziganismus vorzugehen. Verwaltung und Zivilgesellschaft ein Instrument an
Das Monitoring-Projekt »DOSTA – Dokumen- die Hand, um individuelle und strukturelle Diskrimi-
tationsstelle Antiziganismus« bildet einen wichtigen nierungen zu benennen, zu beseitigen und künftig zu
Baustein, um die Diskriminierung von Sinti_zze und verhindern.
Rom_nja beziehungsweise von Menschen, denen ein Darüber hinaus setzt sich der Berliner Senat mit
Roma-Hintergrund zugeschrieben wird, sichtbar zu vielfältigen Maßnahmen dafür ein, Antiziganismus zu
machen. Bereits mit den Berichten der Vorjahre hat bekämpfen. So fördert die Senatsverwaltung für Justiz,
Amaro Foro e.V. stetig Licht in das Dunkelfeld anti- Vielfalt und Antidiskriminierung neben »DOSTA –
ziganistischer Diskriminierung gebracht. Die Doku- Dokumentationsstelle Antiziganismus« weitere zivil-
mentation der Jahre 2021 und 2022 zeigt, wie sich die gesellschaftliche Träger, die Projekte gegen Antizi-
gesellschaftlichen Ausschlussmechanismen gegen ganismus umsetzen. Der im Land sehr aktiven Zivil-
Menschen mit tatsächlichem oder zugeschriebenem gesellschaft sowie den Community-Strukturen, die
Roma-Hintergrund in allen Lebensbereichen auswir- sich unermüdlich dafür einsetzen, der vorhandenen
ken. Ob beim Behördenkontakt, auf dem Wohnungs- Diskriminierung etwas entgegenzusetzen, möchte ich
markt, in der Gesundheitsversorgung oder im Bereich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.
Bildung: Wie weit verbreitet und strukturell verankert Der Dokumentationsstelle Antiziganismus spre-
Vorurteile und Ablehnung gegen Sinti_zze und Rom_ che ich hiermit meinen Respekt und meine Aner-
nja sind, zeigt die vorliegende Dokumentation erneut kennung für ihren wichtigen Beitrag zur Bekämp-
deutlich. Jenseits von Statistiken sind diese Vorfälle fung und Prävention von Antiziganismus aus. Für die
in ihrer Bedeutung und Komplexität vor allem für die weitere Arbeit wünsche ich DOSTA alles Gute!
jeweils Betroffenen zu betrachten. Diskriminierung,
Ablehnung und strukturelle Gewalt wirken in Biogra- Dr. Lena Kreck
fien hinein und richten dort immensen Schaden an. Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung
Ein Blick hinter die Zahlen hilft, weiter zu sensibili-
sieren, die Schwere der Vorfälle aufzuzeigen und uns
als Gesamtgesellschaft unsere Verantwortung für ein
solidarisches Miteinander zu verdeutlichen.
Einführung 8

T R I GGERWARN U N G:
In dieser Broschüre werden Originalzitate wiedergegeben, die rassis-
tische und beleidigende Sprache beinhalten. Außerdem enthält der
Bericht Themen wie Mobbing , körperliche Gewalt, Krankheit, Krieg ,
Tod sowie die Abbildung nationalsozialistischer Symbolik. Letzteres
wird ausschließlich zwecks der Bekämpfung nationalsozialistischer
Ideologie und anderer menschenverachtender Ideologien dargestellt
und läuft dem Schutzzweck von § 85a StGB ersichtlich nicht zuwider. 1

1 Vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2007 - 3 StR 486/06.


9

SCHWERPUNKT-
THEMA
SI T UAT I ON G EF L Ü C H T ET ER ROM*N JA AU S DER U K RA IN E
Schwerpunktthema 10

alles der Armee zugewiesen, während die Bedürf-


nisse der Zivilbevölkerung kaum abgedeckt werden
IM GESPRÄCH MIT können. Sie erhalten immer noch Sozialhilfe, was gut
ist, aber es hilft nicht viel, wenn die Menschen ihre
NATALI TOMENKO Häuser verlieren und sofort ein neues Obdach finden
müssen. Oder nehmen wir das Beispiel von Menschen
(ARCA) mit Gesundheitsproblemen wie Diabetes oder ande-
ren Krankheiten: Zu Beginn des Krieges fehlte es uns
an Medikamenten und wir erhielten Versorgungspa-
»Kriege bringen alle möglichen kete aus dem Ausland.
Grausamkeiten mit sich, auch Anti-
ziganismus. Wir haben also beschlossen, Wurde im Rahmen solcher Hilfsaktionen oder bei
es ist Zeit für Veränderung.« der Zuteilung von Hilfsressourcen über Diskrimi-
nierung berichtet?
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat tiefgrei- Ja, so etwas kommt häufig vor. Zum Beispiel,
fende Auswirkungen auf das Leben der Menschen in wenn geflüchtete Rom*nja aus der Region Charkiw
der Ukraine und hat auch die dortige Roma-Commu- oder Donezk versuchen, eine Wohnung im Westen
nity stark getroffen. der Ukraine anzumieten. Wenn der Vermieter sie als
Anfang Dezember 2022 haben wir mit der ukraini- Rom*nja liest oder hört, dass sie Romanes sprechen,
schen Roma-Aktivistin und Künstlerin Natali Tomen- werden sie oft diskriminiert. Als die Menschen 2014
ko gesprochen. Sie berichtete über die Auswirkungen aus Donezk flohen, stand schon in einigen Inseraten:
des Konflikts auf ukrainische Rom*nja sowie ihre »Zigeuner2 sollen uns bitte nicht kontaktieren.«
Erfahrungen und Arbeit als Aktivistin inmitten des
Krieges. Sie teilte mit uns auch ihre Vision für eine Haben solche Fälle rechtliche Konsequenzen, oder
friedliche Zukunft für die Ukraine und ukrainische gibt es einen derzeit funktionierenden Antidiskri-
Rom*nja. minierungsmechanismus?
Der Staat sagt im Grunde: »Wir haben keine Kapa-
Du bist Chief Visionary Officer bei der ukraini- zitäten, um uns mit Minderheiten zu befassen, denn
schen Youth Agency for the Advocacy of Roma wir haben eine klare Priorität: das Land zu verteidi-
Culture, kurz ARCA. Wie siehst du die Situation gen und zu gewinnen.« Wir haben zum Beispiel eine
von Rom*nja in der Ukraine im Allgemeinen und Roma-Strategie.3 Diese wurde kurz vor dem Angriffs-
welche Visionen hat ARCA für die Community? krieg angenommen, und die praktische Umsetzung
Die Situation von Rom*nja war in der Ukraine musste erst noch ausgearbeitet werden. Aber leider
nie einfach, auch nicht vor dem Krieg. Als der Krieg ist wegen des Krieges alles zum Stillstand gekommen.
begann, wurde die Situation natürlich noch schlim- Nun haben wir uns an die Regierung gewandt und
mer: Viele Familien haben ihre Angehörigen verloren, gesagt: »Wir können helfen, lasst uns etwas unterneh-
sie haben ihre Häuser verloren, sie mussten innerhalb men.« Sie haben quasi geantwortet: »Es ist nicht die
des Landes fliehen und wurden zu IDPs, zu Binnenge- richtige Zeit, wir verstehen das, aber wir machen das
flüchteten. Viele Menschen sind ins Ausland geflohen, erst, wenn wir gewinnen.«
vor allem Frauen und Kinder. Derartige Antworten beunruhigen uns zutiefst.
Vom ersten Tag des Krieges an begann ARCA, unser Kriege bringen alle möglichen Grausamkeiten mit
weltweites Netzwerk zu mobilisieren. Trotz der Tatsa- sich, auch Antiziganismus. Wir haben also beschlos-
che, dass unser Team über das ganze Land und Euro-
2 Die antiziganistische Fremdbezeichnung steht für eine lange Geschichte von
pa verstreut war, sahen wir die Notwendigkeit zu Ausgrenzung und Gewalt. Sie ist außerdem eng verbunden mit dem Genozid
helfen. Obwohl humanitäre Hilfe nicht zu unseren an Sinti*zze und Rom*nja während des Nationalsozialismus. In der NS-Zeit
wurden Sinti*zze und Rom*nja in Konzentrationslagern gebrandmarkt, indem
Hauptaufgaben als Verein gehört, wussten wir, dass man ihnen den Buchstaben »Z« auf die Haut tätowierte. Aufgrund dieser
wir engagierte Partnerorganisationen in der ganzen schmerzhaften Historie haben wir uns entschieden, das Wort in den sozialen
Medien und Vorträgen möglichst zu vermeiden und in den Fallbeispielen auf
Welt haben, die uns unterstützen wollen. Wir haben sozialen und öffentlichen Plattformen zu zensieren (»Zi******«). In den jährlichen
diese Ressourcen genutzt und diverse Spendenaktio- Auswertungen der Dokumentationsstelle wird das Wort nur dann verwendet
und ausgeschrieben, wenn es etwa in historischen Quellen oder in einem
nen gestartet. Unsere internationalen Partner haben konkreten Diskriminierungsvorfall vorkommt. Es ist unser Anliegen, die Realität
Gelder gesammelt und Zivilist*innen beispielswei- von Menschen mit tatsächlichem oder zugeschriebenem Roma-Hintergrund und
ihre Erfahrungen von Diskriminierung und Gewalt sichtbar zu machen und dazu
se bei der Evakuierung unterstützt. Zurzeit stellt der gehört leider auch diese Fremdbezeichnung.
ukrainische Staat rund 90 Prozent seiner finanziellen 3 Vgl. Staatlicher Dienst für ethnische Angelegenheiten und Gewissensfreiheit der
Mittel für die Front zur Verfügung. Im Grunde wird Ukraine (o. J.).
11 Schwerpunktthema

sen, es ist Zeit für Veränderung, und wir haben mit nichts zu essen hat, denkt man nicht intensiv darüber
der Lobbyarbeit begonnen. Beispielsweise haben wir nach, wie man das Leben anderer verbessern könn-
uns im Rahmen des Roma Civil Society Forum in te, oder über Aktivismus im Allgemeinen. Man muss
Berlin mit anderen Roma-Organisationen getroffen zuerst seine eigene Familie ernähren. Deshalb haben
und haben auch den Kontakt zu deutschen Ministe- wir beschlossen, diese Beobachtungsmöglichkeit zu
rien gesucht. Wir hoffen, dass diese Art der Kommu- schaffen und junge Menschen wieder ins Boot zu holen.
nikation fortgesetzt wird, denn wir wissen, dass die Wir haben außerdem Vernetzungstreffen und das
Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine bereits erwähnte Roma Civil Society Forum organi-
gut sind. Die Fragen der Minderheiten, insbesonde- siert. Letzteres fand Anfang Dezember 2022 in Berlin
re der Roma-Community, müssen auf der politischen statt. In Berlin haben wir versucht, herauszufinden,
Agenda stehen. wo sich jeder im Moment befindet und wie wir unsere
jeweiligen Expertisen miteinander verbinden können,
Du hast gerade eure Lobbyarbeit in Bezug auf die sodass Synergieeffekte entstehen. Wir haben verschie-
Gesetzgebung erwähnt. Kannst du uns kurz den dene Stakeholder eingeladen, um ein größeres Netz-
rechtlichen Rahmen rund um Antiziganismus in werk zu schaffen. Im Moment diskutieren wir über
der Ukraine schildern? die Etablierung von Stipendien und die Unterstüt-
Es gibt kein spezifisches Gesetz zur Gleichbehand- zung von Jugendlichen. Jetzt beginnt also der große
lung von Rom*nja. In den Gesetzen finden sich eini- Dialog, und wir werden sehen, was im nächsten Jahr
ge allgemeinere Begriffe wie »Gleichstellung«, »Inklu- dabei herauskommt.
sion«, »Partizipation«. Meistens findet man diese nicht
im ukrainischen Recht im engeren Sinne, sondern in Du hast gerade »nächstes Jahr« gesagt. Ihr habt also
der EU-Richtlinien, die die Ukraine für die Beitritts­ konkrete Pläne für die Zukunft. Kannst du mehr
assoziierung befolgen muss. Wir stehen außerdem in dazu sagen und vielleicht ausführen, wie Partner-
regelmäßigem Austausch mit dem staatlichen Dienst organisationen euch bei diesen Projekten unterstüt-
für ethnische Angelegenheiten und Gewissensfreiheit. zen könnten?
Es handelt sich dabei um ein Amt, das sich mit verschie- Der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg
denen Communitys in der Ukraine befasst, darunter war beispielsweise eines der Hauptthemen auf dem
auch mit der Roma-Community. Wir haben sogar die Civil Society Forum. Wir haben darüber mit den Teil-
Leiterin Olena Bohdan zu einer unserer Veranstaltun- nehmenden, mit Partnern und auch der Bundesre-
gen eingeladen. Leider verlässt sie jetzt ihren Posten, gierung diskutiert. Ich meine, der Wiederaufbau hat
und wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Aber sie bereits begonnen, denn die Wiederaufbaupolitik wird
war stets hilfsbereit und sehr aufgeschlossen. gerade ausgearbeitet. Es ist dabei sehr wichtig, Rom*nja
in diese Gesetzgebungsprozesse einzubeziehen. Es ist
Lass uns ein bisschen über ARCA als Jugendverein wichtig, diesen Dialog zu pflegen, sonst wissen wir
bzw. »Jugendagentur« sprechen. Was für Projekte nicht, was passiert. Rom*nja sollten ausdrücklich in
bietet ihr für junge ukrainische Rom*nja an? den aktuellen Entscheidungsfindungsprozess einbe-
Wir haben verschiedene Projekte, Weiterbildun- zogen werden, anstatt vage Konzepte zu formulieren.
gen, Netzwerktreffen und informelle Bildungsinstru- Ich meine hier eine explizite Einbeziehung beispiels-
mente entwickelt, wie z. B. eine Weiterbildung zum weise in die neue Wohnungs- oder Bildungspoli-
Gedenken an den Völkermord an Rom*nja während tik. Was die Partnerorganisationen betrifft: Wie du
des Zweiten Weltkriegs. Ein weiteres Beispiel sind weißt, gibt es aktuell verschiedene kleine Monitoring-
unsere Führungstrainings, in denen junge Menschen Maßnahmen. Es sollte für all diese bestehenden Moni-
sich in Bereichen verwirklichen können, die sie inte- toring-Projekte ein einheitlicher Rahmen geschaffen
ressieren, wie Medienblogging oder Menschenrechte. werden. Leider ist das bisher noch nicht geschehen.
Aktuell führen wir ein spezielles Projekt durch, in dem Jeder macht etwas auf eigene Faust, aber wir müssen
wir junge Menschen mit juristischem Hintergrund jetzt Allianzen bilden.
zu Menschenrechtsbeobachter*innen ausbilden. Sie
haben gerade ihren ersten Bericht begonnen. Dabei Möchtest du noch etwas mitteilen? Eine Botschaft
geht es um die Situation von jugendlichen Rom*nja an die breite Öffentlichkeit vielleicht?
im Bildungssystem seit Beginn des Angriffsrieges. Ich möchte noch etwas Persönliches hinzufügen:
Als der Krieg begann, flohen viele junge Menschen Es ist echt schade, wenn Menschen aus dem Ausland
ins Ausland und verloren den Kontakt zu denen, die Ukrainer*innen treffen und sie auffordern, im Namen
in der Ukraine geblieben sind. Außerdem ist es wie der gesamten Community, im Namen der gesamten
bei der Maslow’schen Bedürfnispyramide: Wenn man Ukraine zu sprechen. Wenn man die Person wirk-
Schwerpunktthema 12

lich unterstützen und ihre Situation besser verstehen


will, hört man ihr zuerst einfach zu. Man sollte ein
Gespräch nicht erzwingen. Man sollte einfach zeigen,
dass man für die Person da ist und dass man versucht,
die Person zu verstehen. Wenn man keine Unterstüt-
zung bieten kann, ist das auch in Ordnung. Wenn
man die Ressourcen dazu hat, ist das großartig. Das
ist etwas Persönliches, denn es hat mich immer wieder
gestört, dass die Leute einfach fragen: »Kannst du über
die Roma-Community sprechen?« Nein, das kann ich
nicht. Denn ich habe einen ganz bestimmten Hinter-
grund: Ich bin eine Frau aus der Zentralukraine, aus
einer konservativen, traditionell orthodoxen Fami-
lie. Es gibt verschiedene Ebenen der Intersektionali-
tät, die man bei so einem Gespräch berücksichtigen
muss. Macht keine Vorannahmen und Verallgemei-
nerungen! Denn meine Kolleg*innen aus dem Westen
oder Osten der Ukraine werden euch ganz andere
Geschichten erzählen.

Das ist natürlich auch für dieses Interview sehr


wichtig. Vielen Dank für deine Zeit, Natali!

NATALI TOMENKO

ist eine ukrainische Roma-Aktivistin, Künstlerin


und Chief Visionary Officer bei der ukrainischen
Youth Agency for the Advocacy of Roma Culture
(ARCA). Natali schloss ihren M.A. in Cultural Heri-
tage Studies an der Central European University in
Wien ab. Sie hat außerdem einen M.A. in Grafik-
design von der Kharkiv State Academy of Design
and Arts. Im Rahmen ihrer eigenen Kunstprojekte
beschäftigt sie sich mit der visuellen Darstellung der
Geschichte und dem kulturellen Erbe der Rom*nja.
13 Schwerpunktthema

eingingen. Bei der Ankunft am Berliner Hauptbahn-


hof wurden Rom*nja immer wieder anders behandelt
DOSTA-ANALYSE als aus der Ukraine geflüchtete Menschen, die weiß
gelesen werden. So wurden beispielsweise Zutrittsver-
bote zur Willkommenshalle durch Sicherheitskräf-
te erteilt, welche mit fadenscheinigen Rechtfertigun-
Situation geflüchteter gen und rassistischen Beleidigungen einhergingen.
Rom*nja aus der Ukraine4 Während andere Geflüchtete die Willkommenshal-
le verließen und betraten, wurde mehreren Roma-
Seit Beginn des Angriffskriegs von Russland gegen Familien der Zutritt durch die Sicherheitsangestellten
die Ukraine sind Millionen Menschen aus dem Land untersagt. Immer wieder mussten Aktivist*innen und
geflüchtet, darunter auch ukrainische Rom*nja. Die sensibilisierte Helfer*innen intervenieren, um die Situ-
Solidarität, die Bereitschaft zur Aufnahme schutzbe- ation zu klären.
dürftiger Kriegsgeflüchteter und die Bereitstellung von Die Mobilität von Rom*nja wurde eingeschränkt,
Ressourcen hat zu Beginn des Krieges positiv über- indem ihnen auch andere Zutritte, z.B. zur Covid-
rascht. Leider, wie im Gespräch mit Natali Tomen- Teststation, verweigert wurden und ihnen mit einem
ko bereits angedeutet, blieb diese Solidarität ukraini- Hausverbot im Berliner Hauptbahnhof gedroht
schen Rom*nja und BIPOC oft verwehrt und sie erleb- wurde. Des Weiteren kam es dazu, dass Roma-Fami-
ten auf ihrer Flucht und bei der Ankunft in Berlin lien nachts aufgeweckt und aus dem Bahnhofsbe-
Diskriminierung und Ausgrenzung. Essenzialisierun- reich vertrieben wurden. Sie waren gezwungen, im
gen und rassistische Bewertungen von Geflüchteten, Bahnhofsbereich zu übernachten, weil der sogenann-
die als Rom*nja gelesen werden, beobachtet DOSTA te Kältezug schnell belegt war und es keine andere
seit Beginn des Projekts. Aus der Ukraine geflüchtete Option gab. Auffällig waren die antiziganistischen
Rom*nja werden nicht als Schutzsuchende, sondern als Methoden an den Verpflegungs- und Hygienestän-
illegitime Geflüchtete markiert und ihnen wird vorge- den. Hier kam es ebenfalls zu Zutrittsverweigerun-
worfen, nur Sozialleistungen in Deutschland erschlei- gen und der Unterstellung, Rom*nja seien keine »rich-
chen zu wollen. Antiziganistische Diskurse ziehen sich tigen« Geflüchteten. Hier wurden nach kurzer Zeit
bereits seit Jahrzehnten durch die gesellschaftlichen Ausweise der Menschen verlangt, um sich als »rich-
Debatten in Medien, Politik und Internet. Seit Beginn tige« Geflüchtete auszuweisen. Gleichzeitig wurde als
des russischen Angriffskriegs beobachten wir also Rom*nja wahrgenommenen Menschen vorgeworfen,
dieselben antiziganistischen Mechanismen, mit denen sie würden sich kriminell verhalten und angeblich
als Rom*nja wahrgenommene Geflüchtete auch in den »Verpflegungsstände leerräumen«. Diese Pauschali-
Jahren zuvor konfrontiert waren: Ausschlüsse aus den sierungen zeugen von der Übernahme vieler antiziga-
Versorgungs- und Leistungsstrukturen, Benachtei- nistischer Stereotype.
ligung in Unterkünften, antiziganistische Diskurse, Die Verteilung von Geflüchteten in Unterkünf-
Parolen und Beleidigungen in der Öffentlichkeit. te stellt ein weiteres Problemfeld dar, auch hier wurde
Vor allem am Berliner Hauptbahnhof wurde durch DOSTA von diskriminierenden Vorfällen berichtet.
mehrere Akteure ein bedrohliches Klima für Rom*nja Eine Familie wollte sich beispielsweise im Ankunftszen-
geschaffen. Das widerspricht der grundlegenden trum Tegel registrieren lassen, um in Berlin zu bleiben,
Funktion von Ankunftszentren und Notunterkünf- da der Familienvater in einem Berliner Krankenhaus
ten, die als Safe Spaces dienen und wo Menschen, die für unabsehbare Zeit behandelt wurde. Die Behandlung
vor Krieg und Gewalt fliehen, erst mal ankommen des Mannes konnte die Familie mit sämtlichen Doku-
und zur Ruhe kommen können sollten. Die meisten menten vom Krankenhaus nachweisen. Den Familien-
Meldungen erreichten uns in den Bereichen Ankunft mitgliedern wurde bereits eine Unterkunft durch ein
und Mobilität sowie Unterbringung. Unsere Analyse Bezirksamt zugewiesen, was die Familie belegen konn-
basiert auf Meldungen und Erfahrungsberichten von te. Die von der Familie vorgelegten Unterlagen wurden
freiwilligen Helfer*innen am Berliner Hauptbahnhof allerdings als unzureichend eingestuft und eine neue
und anderen Akteur*innen aus der Roma-Communi- Bescheinigung vom Krankenhaus wurde eingefordert.
ty, unseren eigenen Eindrücken vor Ort in der Will- Dies führte zu einer erheblichen Verlangsamung des
kommenshalle sowie anonymen Meldungen, die bei Prozesses und schlussendlich zum Verlust der bereits
DOSTA seit Beginn des russischen Angriffskriegs zugesprochenen Unterbringungsmöglichkeit.

4 Dieser Text erschien in ähnlicher Form im Bericht »Zur Lage der aus der
Ukraine geflüchteten Roma in Deutschland« der Melde- und Informationsstelle
Antiziganismus (2022)
Schwerpunktthema 14

In mehreren bei DOSTA gemeldeten Fällen wurde 2022


berichtet, dass immer wieder, wenn Roma-Familien
vorsprachen, Sicherheitsleute und Polizeikräfte einge- Kriminalisierende Unterstellung ,
setzt wurden, was eine beängstigende Atmosphä- Ungerechtfertigte Maßnahme, Segregation
re für die vorsprechenden Personen bewirkte. Darü- An Verpflegungs- und Hygieneständen am Haupt-
ber hinaus gab es DOSTA-Meldungen über antiziga- bahnhof werden Ausweise der Menschen verlangt,
nistische Äußerungen sowohl seitens des Personals um sicherzustellen, dass sie »richtige« Geflüchtete
aus der Ukraine sind.
im Ankunftszentrum als auch durch andere Schutz-
suchende. Diese Diskriminierung von geflüchteten
Rom*nja war und ist inakzeptabel – daher hat Amaro Zutrittsverweigerung
Am Berliner Hauptbahnhof wollten DB-Sicher-
Foro e.V. bereits kurz nach Kriegsbeginn und nach den
heitskräfte nicht zulassen, dass eine neu eingereis-
ersten gemeldeten Diskriminierungsvorfällen vor Ort
te Gruppe aus der Ukraine, die nach Kiel weiter-
Sensibilisierungsworkshops zum Thema Antiziganis- fahren wollte und Fahrkarten dafür hatte, sich auf
mus gegeben. Dieses Angebot wurde von verschie- Covid testen lässt, und wollten der Gruppe den
denen Akteuren wahrgenommen, wie Helfer*innen, Zugang zur Teststation verweigern. Stattdessen
Polizei und anderen Sicherheitskräften sowie Mitar- wollten sie der Familie Hausverbot erteilen, mit
beitenden der Deutschen Bahn. der Begründung, dass die Personen keine Absicht
Es ist wichtig, an dieser Stelle noch einmal darauf hätten, weiterzufahren, sondern sich im Haupt-
bahnhof aufhalten wollten. Erst nach Interventi-
hinzuweisen, dass Deutschland auch gegenüber
on von einem Helfer war die Testung der Familie
Rom*nja aus osteuropäischen Ländern eine historische
möglich.
Verantwortung hat. Auch auf dem Gebiet der heuti-
gen Ukraine fand der deutsche Vernichtungsfeldzug Rassistisches Mobbing , Beleidigung , Kulturalisierung
statt und der sogenannte Holocaust by bullets, also Vor dem Europacenter haben drei Jugendli-
Massenerschießungen. So wurden beispielsweise 1941 che zwei junge Mädchen angesprochen (um die
in Kyjiw beim Massaker von Babyn Jar innerhalb von 12-14 Jahre). Als sie gesagt haben, dass sie aus
48 Stunden über 33.000 Menschen ermordet, darunter der Ukraine kommen, hat einer der Jugendlichen
auch Rom*nja. Ähnliches fand in vielen ukrainischen gefragt, ob sie »Zigeunerinnen« seien. Anschlie-
Ortschaften statt. Insgesamt wurden im NS-Genozid ßend haben sie Tanzbewegungen gemacht und die
Mädchen aufgefordert, für sie zu tanzen.
über eine halbe Million Rom*nja und damit 90 Prozent
der gesamten Roma-Bevölkerung ermordet. Alle heute
lebenden Rom*nja in Europa sind Überlebende bzw.
deren Nachkommen. Die Traumata wurden über
Generationen vererbt. Unter den Rom*nja, die 2022
nach Deutschland gekommen sind, sind auch direk-
te Überlebende. Die Bundesrepublik Deutschland hat
gegenüber dieser Gruppe ihre Verantwortung stets
nur symbolisch anerkannt; Entschädigungen oder
eine Erleichterung der Einwanderung gab es nicht.
Dieser historische Hintergrund muss der deutschen
Politik und Verwaltung bewusst sein, wenn es um den
Umgang mit Roma-Geflüchteten geht.
15 Schwerpunktthema

ten aber oft feststellen, dass ihre Häuser zerstört waren


oder dass Russen oder Ukrainer, die in vielen Fällen
KOMMENTAR ihrerseits aus ihrer Heimat vertrieben waren, in ihren
Häusern lebten. Die Überlebenden wurden dann in
ganz andere Gegenden der Ukraine verbracht und
stießen dort auf Hass und Ablehnung der örtlichen
»Die Vergangenheit ist nicht tot. Bevölkerung. In der Folge leben viele dieser Menschen
Sie ist noch nicht einmal vergangen.« und ihre Nachkommen buchstäblich an den Rändern
der Gesellschaft, zum Teil bis zum heutigen Tage.
Von Dr. Mehmet Daimagüler Sinnhaft hierfür steht ein Lager von ukrainischen
Roma in einem Wald nur wenige Kilometer vom Zent-
Im Sommer letzten Jahres habe ich als Beauftragter rum Lwiws entfernt, welches die Delegation besuch-
der Bundesregierung eine Reise nach Ungarn und in te. Es ist eines von zwölf Lagern in der Gegend und
die Ukraine unternommen. Ziel war es, sich ein Bild sei laut Auskunft von Selbstorganisationen noch das
über die Fluchtsituation von Roma zu machen. Ein menschenwürdigste aller Lager. Hier leben Famili-
besonderes Anliegen war es, ein Verständnis über die en seit Jahren in kleinen, selbstgezimmerten Unter-
Lage von Überlebenden des deutschen Völkermords künften, zusammengehalten durch Äste und Müll-
unter den ukrainischen Roma zu gewinnen. Beglei- tüten, etwa einen Meter hoch. Es gibt keinen Strom,
tet wurde ich von Daniel Strauß, (RomnoKher) und kein Wasser, keine Kanalisation. Zu sehen sind Kinder
Romeo Franz, Mitglied des Europäischen Parlaments. ohne Kleidung, Schlamm und Regen. Zu den äuße-
Die Situation war in jeder Hinsicht schlimmer, ren Umständen kommt die ständige Furcht vor staat-
als ich es mir vorgestellt hatte. Geflüchtete Roma lichen Behörden, die die Lager räumen, ohne den
sind weitgehend auf sich selbst gestellt. Innerhalb der Menschen andere Unterkünfte anzubieten, oder
Ukraine sind sie auf jeder Etappe ihrer Flucht rassis- ukrainischen Neo-Nazis, die die Menschen angrei-
tischer Diskriminierung und Benachteiligung ausge- fen, verletzen, demütigen. Die Vergangenheit ist nicht
setzt: Bei Evakuierungen werden sie als Letzte in die tot. Sie ist noch nicht einmal vergangen, schrieb einst
Züge gelassen. Hilfspakete an den Bahnhöfen werden William Faulkner. Wie wahr.
nur widerwillig und in geringerer Anzahl an Roma Angehörigen der Minderheit wurden und werden
herausgegeben. in vielen Fällen ukrainische Ausweispapiere verwei-
Roma waren bereits vor dem Krieg Diskriminie- gert, obgleich sie und ihre Familien über Generatio-
rung, Ausgrenzung und Hassverbrechen ausgesetzt. nen in der Ukraine leben und mit gleichem Recht die
Ihnen wurde systematisch der Zugang zu Bildung, Ukraine als Heimat ansehen wie der Rest der Gesell-
Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Sozialleistun- schaft auch. In Sowjetzeiten verfügten Roma selbst-
gen verweigert. Die Armut unter Roma war und ist verständlich über sowjetische Ausweisdokumente, die
erschreckend hoch. In den heutigen Tagen des Krie- nach dem Zusammenbruch der UdSSR über Nacht
ges werden ihnen dringend benötigte Hilfsleistungen wertlos wurden. So wurden mit der Unabhängigkeit
entweder ganz verweigert oder sie erhalten geringere der Ukraine viele Roma zu staatenlosen Ausländern
Hilfeleistungen als andere Geflüchtete. gemacht. Nach Einschätzung der Selbstorganisatio-
Deutlich wurde während dieser Reise, wie unmit- nen ist etwa ein Zehntel der ukrainischen Roma von
telbar spürbar die Folgen des Völkermords an den Staatenlosigkeit betroffen.
ukrainischen Roma noch sind: Immer wieder berich- Das Schulsystem ist weitgehend segregiert. Roma-
teten uns alte Menschen aus der Minderheit, dass sie Kindern wird regelmäßig der Zugang zu ukrainischen
vor dem deutschen Überfall in bescheidenem Wohl- Regelschulen verweigert. Bei den Gesprächen mit den
stand lebten. Sie betrieben kleine Bauernhöfe, hatten staatlichen Vertretern der Ukraine wurde deutlich,
Handwerksbetriebe, waren Teil der lokalen Wirt- dass es keinerlei Problembewusstsein gibt. Auf die
schaft. Die deutschen Invasoren brachten viele der Frage etwa, warum Roma-Kindern der Zugang zu
Menschen in diesen Communitys sofort um oder regulären Schulen verweigert wird, erklärte die Leite-
deportierten sie in Lager, wo sie in den allermeisten rin des »State Service of Ukraine for Ethnic Policy and
Fällen ermordet wurden. Die Häuser wurden nieder- Freedom of Conscience«, dass Roma-Familien ihre
gebrannt oder deutsche Truppen quartierten sich dort Kinder nicht waschen würden und dass aufgrund des
ein. Die geflohenen Roma überlebten in Wäldern und Körpergeruchs der Roma den »ukrainischen Kinder«
Sümpfen. Viele kämpften und starben als Partisanen (sic!) keine Roma-Schulkamerad*innen zugemutet
im Kampf gegen die deutschen Faschisten. Nach dem werden könnten. Die für Roma vorgesehenen Schulen
Krieg kehrten sie in ihre Heimatdörfer zurück, muss- sind gleichzeitig in jeder Hinsicht schlechter ausge-
Schwerpunktthema 16

stattet als die Regelschulen. Sie ähneln nach Anga- Wir haben die politische, die historische, die huma-
ben von Selbstorganisationen Verwahranstalten, in nitäre Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen. Egal
denen nicht gelehrt wird und in denen die Kinder ob sie (noch) in der Ukraine sind oder auf der Flucht
bei aller Anstrengung nichts oder nur wenig lernen oder bei uns in Deutschland. Wenn wir jetzt versagen,
können. Teil des perfiden Systems ist das Narrativ, dann sollten wir besser auch auf die großen Reden an
dass Roma »bildungsfern« seien und dass sie generell Gedenktagen wie dem 27. Januar oder dem 2. August
nicht an Bildung interessiert seien. So wird das eige- verzichten. Wir können nicht der Toten gedenken,
ne rassistisch motivierte Versagen nicht nur kaschiert, und die Lebenden im Stich lassen.
sondern in besonders erschreckender Art und Weise Viele der Geflüchteten sind in Sammelunterkünf-
eine Täter-Opfer-Umkehr vorgenommen. ten in Turnhallen und Schulen untergebracht, die
Programme zur Förderung der Kultur der Roma wieder den Regelbetrieb aufnehmen sollen. Die bislang
existieren nicht und wenn doch, dann nur auf dem dort untergebrachten Menschen sind dann ohne jede
Papier. Ebenso wenig gibt es erkennbare Ansätze, die Unterkunft. Immer wieder haben Binnenflüchtlinge
soziale und wirtschaftliche Lage der Roma zu verbessern. aus der Roma-Minderheit deutlich gemacht, dass sie,
Die Angehörigen der Minderheit konnten bis wenn es nur irgend geht, in der Ukraine bleiben möch-
zu Beginn der russischen Invasion ihr Leben meis- ten. Diesen Menschen muss vor Ort geholfen werden
tern, weil sie in den örtlichen Roma-Gemeinschaften und Zuschüsse zur kurz- und längerfristigen Unter-
einander solidarisch verbunden waren. Diese Roma- bringung könnten dabei helfen. Zum anderen besteht
Gemeinschaften vor allem im Osten und Südosten des ein großer Bedarf an medizinischen Hilfsleistungen,
Landes sind zerbrochen. Viele der Männer wurden welche durch gezielte Hilfsleistungen, wie die der Stif-
eingezogen oder haben sich freiwillig zum Militär- tung EVZ, neben Mietzuschüssen und Lebensmittel-
dienst gemeldet. In vielen Fällen, wie beispielsweise in paketen adressiert werden sollten.
den Regionen Transkarpatien und Lwiw beobachtet, Die Arbeit von DOSTA bei der Aufnahme geflüch-
sind es örtliche Roma-Gemeinschaften, die als Einzi- teter Roma in Berlin ist extrem wichtig. Durch die akti-
ge versuchen, den geflüchteten Roma zu helfen, auch ve Aufnahme und Dokumentation von Fällen antizi-
wenn sie selbst von Armut betroffen sind und von der ganistisch motivierter Diskriminierung gegenüber
Hand in den Mund leben. Wir trafen eine Holocaust- geflüchteten ukrainischen Roma wird der dringliche
Überlebende von über 80 Jahren, die in ihrer kleinen Handlungsbedarf aufgedeckt. DOSTA ist in seiner
Zwei-Zimmer-Wohnung acht Geflüchtete, darun- Unterstützung durch Erstberatung, Aufklärungsar-
ter vier Kinder, aufgenommen hat. Die Geflüchteten beit und die Begleitung von Hilfsorganisationen im
waren ihr vollkommen fremd, und dennoch gibt sie Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine deutsch-
den Geflüchteten nicht nur ein Dach über dem Kopf. landweit ein Vorbild. Die Berichte von DOSTA sind
Der Haushalt von neun Menschen lebt überwiegend für Landes- und Bundespolitik Handlungsauftrag zur
von den umgerechnet 80 Euro, die der alten Dame als besseren Bekämpfung und Prävention von Antiziga-
pensionierter Lehrerin im Monat zustehen. nismus in allen Erscheinungsformen.
Was ist zu tun? Kurzfristig: Bei zivilen Hilfsleis-
tungen an und in die Ukraine muss sichergestellt sein, Dr. Mehmet Daimagüler
dass diese Hilfen auch bei den Roma-Communitys Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und
ankommen. Am besten ist dies gewährleistet, wenn für das Leben der Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland
die Hilfen direkt aus Deutschland an Roma-Selbst-
organisationen ausgehändigt werden und nicht über
staatliche Akteur*innen in Kiew. Die Hilfsleistun-
gen an Holocaust-Überlebende über die Stiftung EVZ
müssen ausgeweitet und verstetigt werden. Deutsch-
land muss ohne Wenn und Aber zu seiner historischen
Verantwortung stehen. Zugleich muss auf die Regie-
rung in der Ukraine Einfluss genommen werden. Ein
Land, das Mitglied in der EU und in der Nato werden
will, darf keinen an die dunkelsten Zeiten der südafri-
kanischen Apartheid erinnernden Umgang mit einem
Teil seiner Menschen praktizieren. Hier darf die EU
sich nicht mit Lippenbekenntnissen zufriedengeben,
sondern muss auf spürbare, effektive und nachhaltige
Reformen dringen.
17

AUSWERTUNG
N AC H L E BENS B EREI C H EN 2 0 2 1 - 2022
Auswertung 2021 – 2022 18

FACTSHEET
2021 5 2022

147 5 3  %
STE
IGE RU N
G

225
VORFÄLLE NACH LEBENSBEREICHEN 2021 & 2022 6

80
76
2021 2022

70

60

50

40
56
52 52
1289 VORFÄLLE SEIT
2014

30
30

24
20 18
14
10 11
10 8 7
4 4 3 4

A B C D E F G H I

A Alltag und öffentlicher Raum D Soziale Arbeit *seit 2022 G Wohnen

B Kontakt zu Leistungsbehörden E Arbeitswelt H Zugang zu medizinischer Versorgung

C Bildung F Ordnungsbehörden und Justiz I Zugang zu Gütern & Dienstleistungen

NEUE ERSCHEINUNGSFORMEN

SEIT 2021 SEIT 2022


• »Rechtswidrige Erfassung der (vermeintlichen) • »Wucher«
ethnischen Zugehörigkeit« • »Relativierung/Leugnung von Antiziganismus«
• »Lohnbetrug« • »Relativierung/Leugnung des Nationalsozialismus«

5 Seit Erscheinen unseres letzten Kurzberichtes (Amaro Foro, 2022) wurden insgesamt 10 Vorfälle nachträglich gemeldet.

6 Wegen Mehrfachkategorisierung mehr als 225 Vorfälle


19 Auswertung 2021 – 2022

Alltag und öffentlicher Raum rechten Kreisen fest verankert, sondern zeigt auch in
demokratischen Milieus seine Virulenz.10
Die allgegenwärtige Verwendung der antiziga-
DIE HÄUFIGSTEN nistischen Fremdbezeichnung im Alltag verbildlicht
ERSCHEINUNGSFORMEN diese Tendenz vielleicht am besten. Trotz der medialen
Aufmerksamkeit rund um die antiziganistische Fremd-
2021  7 bezeichnung in Folge der erneuten Ausstrahlung der
Sendung »Die letzte Instanz« zeigen unsere DOSTA-
• Rassistische Propaganda: 24 Ergebnisse, dass die Verwendung dieser Bezeichnung
• Beleidigung: 16 von einem breiten Teil der Bevölkerung immer noch
als akzeptabel erachtet wird und in den verschiedens-
• Kulturalisierung: 10 ten und alltäglichsten Kontexten vorkommt. In einem
• Rassistisches Mobbing: 10 Fall wird beispielsweise über einen kaputten Aufzug
• Kriminalisierende Unterstellung: 5 eines Wohnhauses berichtet. Die zuständige Haus-
verwaltung hat ein Schild an die Aufzugstür geklebt,
• Wohlfahrtschauvinistische Äußerung: 5 auf dem steht »Außer Betrieb. Wir arbeiten zurzeit an
Ihrer Anlage.« Daraufhin hat jemand handschriftlich
2022  8
auf das Schild geschrieben: »Könnt ihr euch bitte beei-
len, ihr Zigeuner«.
• Beleidigung: 29 Außerdem zeigen die 2021 und 2022 gemeldeten
• Rassistische Propaganda: 19 Vorfälle, dass Antiziganismus in den verschiedensten
• Kulturalisierung: 18 Kontexten relativiert oder sogar geleugnet wird. Einige
Leute versuchen, Antiziganismus zu relativieren, indem
• Kriminalisierende Unterstellung: 8 sie argumentieren, dass Sinti*zze und Rom*nja und als
• Zutrittsverweigerung: 5 solche wahrgenommene Menschen selbst schuld an
ihrer Diskriminierung seien, weil sie sich angeblich
nicht an die Regeln der Mehrheitsgesellschaft halten
würden. Antiziganismus beruht jedoch auf rassisti-
Noch nie wurden seit Projektbeginn so viele Vorfälle schen Stereotypen, welche nichts mit der tatsächlichen
im Bereich »Alltag und öffentlicher Raum« gemeldet Zugehörigkeit zur Minderheit zu tun haben. Ähnlich
(insgesamt 56 Vorfälle) wie 2021. Dieser Trend hielt wird auch der Nationalsozialismus relativiert, indem
auch im Jahr 2022 an, mit insgesamt 76 Vorfällen. die Gräueltaten der Nazis heruntergespielt oder geleug-
Diese Entwicklung deutet auf die anhaltende Akzep- net werden oder indem behauptet wird, Sinti*zze und
tanz antiziganistischer Beleidigungen und Schikanen Rom*nja seien aufgrund ihres Verhaltens daran selbst
in der deutschen Mehrheitsgesellschaft hin. Dies belegt schuld gewesen. Aufgrund des vermehrten Eingangs
auch die 2022 erschienene Studie »Antiziganismus als solcher Vorfälle 2021 und 2022 haben wir die Erschei-
eigenständige Form des Rassismus gegenüber Sinti*zze nungsformen »Relativierung/Leugnung von Antiziga-
und Rom*nja« des Nationalen Diskriminierungs- und nismus« und »Relativierung/Leugnung des Nationalso-
Rassismusmonitors: Antiziganistische Einstellun- zialismus« neu aufgenommen.
gen sind in der deutschen Gesellschaft immer noch Die ohnehin angespannte gesellschaftliche Lage
weit verbreitet. Des Weiteren zeigt die Studie, dass inmitten der Corona-Pandemie und des anhaltenden
antiziganistische Äußerungen und Vorurteile in den russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat rassis-
meisten Fällen unwidersprochen bleiben.9 Dieses tische und antiziganistische Ressentiments in den letz-
Phänomen spiegeln auch unsere DOSTA-Ergebnis- ten zwei Jahren zusätzlich befeuert. Wie bereits ausge-
se seit Projektbeginn wider. Hier handelt es sich um führt wurde, werden geflüchtete Menschen mit selbst-
ein großes gesamtgesellschaftliches Defizit. Auch und fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund in der
die Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 verzeich- Öffentlichkeit beleidigt und ausgegrenzt.
net weiterhin hohe Zustimmungswerte zu antiziga- Dieser gesellschaftliche Missstand bildete sich im
nistischen Thesen in der deutschen Gesellschaft. Laut Internet ebenfalls ab. 2021 kam es bei DOSTA zu einer
dieser Studie ist Antiziganismus nicht nur in extrem deutlich höheren Anzahl an gemeldeten Vorfällen
aus der Online-Welt. Dabei handelte es sich teilweise
7 Wegen Mehrfachkategorisierung insg. mehr als 56 Vorfälle auch um Diffamierungen, Verleumdungen und sogar
8 Wegen Mehrfachkategorisierung insg. mehr als 76 Vorfälle

9 Pickel/Stark (2022). 10 Decker/Kiess/Heller/Schuler/Brähler (2022).


Auswertung 2021 – 2022 20

Drohungen gegen Mitarbeiter*innen von Amaro Foro. ALLTAG UND ÖFFENTLICHER RAUM
Dies war ein Novum in unserer Projektarbeit, weswe-
gen wir einen besonderen Fokus auf Antiziganismus 2021
im Internet legten.
In den meisten gemeldeten Beiträgen ging es um Kulturalisierung
die Relativierung des NS-Regimes und des Völkermor- Eine Mitarbeiterin eines sozialen Trägers berich-
des an Sinti*zze und Rom*nja. Seit Beginn der Corona- tet von ihrem Job, woraufhin ihr Gesprächspartner
Pandemie nutzen zahlreiche Menschen mit einer coro- antwortet: »Machst du dann auch unsere ganzen
Innenhöfe sauber, die die Zigeuner verschmutzen?«
naleugnerischen bzw. impfgegnerischen Haltung Soci-
al-Media-Plattformen, um sich mit den Opfergruppen
des Nationalsozialismus gleichzusetzen. Sie verglei-
chen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung 2022
der Pandemie mit dem Leid von Sinti*zze und Rom*nja, Beleidigung
Jüdinnen*Juden und anderen vom NS-Regime verfolg- Eine Frau aus Serbien wird auf der Straße anti-
ten Gruppen. Schon vor der Zulassung der Impfstof- ziganistisch als »dreckige Zigeunerin« beschimpft
fe gegen Covid-19 kam es auf »Querdenker«-Veran- und ihr Kind wird ebenfalls rassistisch beleidigt.
staltungen zu Aussagen, in denen sich Demonstrie- Die Mutter erstattet eine Anzeige bei der Polizei.
rende mit bekannten Widerstandskämpfer*innen der Es wird lediglich ein Annäherungsverbot ausge-
NS-Zeit verglichen. Nach der Beschleunigung der sprochen.
bundes- bzw. europaweiten Impfkampagne stilisier-
ten sich manche freiwillig Ungeimpfte als Opfer, über- Rassistische Propaganda, Beleidigung
höhten ihre eigene Rolle und diffamierten politische An den Briefkasten einer rumänischen Familie
Gegner*innen als Nazis und Faschisten. Sie bezeichne- wurde ein Hakenkreuz geschmiert mit dem Text:
ten sich dabei u.a. als die »neuen Zigeuner«. Die konse- »Ihr scheiß Zigeuner«.
quente Verwendung der rassistischen Fremdbezeich-
nung für Sinti*zze und Rom*nja in diesen Posts deutet
dabei ebenfalls auf den tief verankerten Antiziganis-
mus der User*innen hin.
2021 und 2022 ist die Online- und Social-Media-
Präsenz von Amaro Foro deutlich gewachsen und
damit gingen auch Cyberbullying und Hassrede gegen
unsere Arbeit und Mitarbeitenden einher. Dabei
wurde in beinahe all diesen Hatespeech-Beiträgen die
rassistische Fremdbezeichnung genutzt. Manche stell-
ten auch die Einschätzungen des Vereins infrage und
diskreditierten unsere politische Arbeit. Nach dem
Auftritt unserer Projektleitung Violeta Balog mit Ferda
Ataman, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes (ADS), in der Bundespressekonferenz zur
Vorstellung des Jahresberichtes 2021 der ADS erreich-
ten uns zahlreiche rassistische und sexistische Hass-
kommentare. Ein vielsagendes Beispiel dafür war die
Aufforderung: »[D]ie [...] sollten lieber Kinder hüten
und Haushalt machen.«
Darüber hinaus sind im Bereich »Alltag und öffent-
licher Raum« die sogenannten Blickregime erwäh-
nenswert. Die 2021 herausgegebene Studie der Unab-
hängigen Kommission Antiziganismus beschreibt, dass
»einen Großteil rassistischer Erfahrungen im öffentli-
chen Raum die nonverbale Kommunikation einnimmt.
[...] In öffentlichen Verkehrsmitteln und auf der Stra-
ße angestarrt, beim Betreten von Restaurants spöttisch
betrachtet oder in Einkaufsläden unter Beobachtung zu
stehen und verfolgt zu werden, sind Erfahrungen, von
21 Auswertung 2021 – 2022

denen Sinti:ze und Rom:nja altersunabhängig berich- nehmen. Der niedrige Sensibilisierungsgrad von
ten – und die sie sehr belasten.«11 Solche nonverbalen Mitarbeitenden auf allen Ebenen der Bildungsinstitu-
Mikroaggressionen im Alltag sind im Rahmen von tionen stellt in diesem Zusammenhang ein zentrales
Monitoringprojekten wie DOSTA de facto unmöglich Problem für Rom*nja oder als solche wahrgenommene
zu erfassen, nichtsdestotrotz gehören sie zum Alltag Menschen dar. Hier fehlen unabhängige und niedrig-
vieler von Antiziganismus betroffener Menschen. schwellige Beschwerdestellen mit tatsächlicher Hand-
lungsmacht. Die antiziganistische Diskriminierung im
Bildung Schullalltag führt in manchen Fällen dazu, dass Kinder
der Schule fernbleiben und dann wiederum als schul-
16
Die Studie der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft distanziert markiert werden. So finden antiziganisti-
RomnoKher Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti sche Klischees von Schuldistanziertheit einen Nähr-
und Roma in Deutschland  zeigt, dass Rom*nja durch
12
boden. Ein Problembewusstsein für die Bildungs-
den grassierenden Antiziganismus im Bildungssystem benachteiligung von Rom*nja und entsprechende
eine deutliche Benachteiligung erfahren. Im Rahmen Unterstützung gibt es nur in Einzelfällen, beispiels-
dieser Zehnjahresstudie wurden über 600 Interviews weise durch sogenannte Roma-Schulmediator*innen.
mit einheimischen und zugewanderten Rom*nja und Die Corona-Pandemie hat die Bildungschancen
Sint*zze aus allen deutschen Bundesländern durch- für Rom*nja in Berlin zusätzlich erschwert. DOSTA
geführt.13 Die Ergebnisse sind alarmierend: Über 60 dokumentierte mehrfach, dass Roma-Familien teil-
Prozent der Minderheitenangehörigen erlebten in der weise keine Materialien für digitales Lernen zur
Schule Diskriminierung, 50 Prozent berichteten sogar Verfügung gestellt wurden, mit der Begründung,
von Gewalterfahrungen. Außerdem hätten 15 Prozent diese Gruppe könne nicht mit den Sachen umgehen.17
der unter 30-Jährigen die Schule ohne Abschluss Anträge beim Jobcenter, um einen Zuschuss für Gerä-
verlassen.14 Zwar sind seit der letzten Studie Verbes- te wie Computer und Tablets zu bekommen, wurden
serungen zu verzeichnen; der Zugang zu Bildung abgelehnt, obwohl solche Kosten bewilligt werden
hat sich bei der jüngeren Generation verbessert. Die sollten, sofern die Schule keine Geräte zur Verfügung
Werte sind aber immer noch deutlich niedriger als der stellen kann. Schüler*innen wurden so essenzielle
Durchschnitt der Mehrheitsgesellschaft. Lernmaterialien aufgrund antiziganistischer Haltun-
Diese Befunde decken sich mit den Erfahrungen, gen von Entscheidungsträger*innen im Bildungsbe-
die im Rahmen von DOSTA gesammelt wurden. 2021 reich verwehrt.
und 2022 wurden insgesamt 48 Vorfälle erfasst. Im Ein weiterer Mechanismus von institutionel-
Zusammenhang mit Bildung werden junge Menschen lem Antiziganismus in Bildungseinrichtungen ist die
mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hinter- Exklusion: Der Zugang zu Bildung wird ver- oder
grund häufig Opfer von rassistischem Mobbing, behindert. Als Rom*nja wahrgenommene Kinder
sowohl seitens der Mitschüler*innen als auch durch erhalten in Berlin häufig keinen Kita- oder Schulplatz.
Lehrkräfte. Betroffene berichten von teilweise tägli- Im Jahr 2021 dokumentierte DOSTA vermehrt anti-
chen antiziganistischen Beschimpfungen im Schul- ziganistische Vorfälle, welche geflüchtete Menschen
alltag. Schüler*innen und Lehrer*innen nutzen die aus der Republik Moldau erlebten, deren Kinder trotz
rassistische Fremdbezeichnung. So werden rassisti- Schulpflicht an keiner Schule aufgenommen wurden.
sche Äußerungen und diskriminierende Sprache im Mit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine 2022
Schulalltag normalisiert. Auch die betroffenen Eltern verschob sich die Lage an einzelnen Berliner Schulen
werden teilweise von Lehrkräften diskriminiert, z.B. und mehr Kinder aus der Ukraine und der Repub-
wird ihnen aufgrund mangelnder Deutschkenntnis- lik Moldau bekamen einen Schulplatz. Trotzdem gab
se eine Auskunft verweigert, die elterliche Kompe- es Kinder, die vor Kriegsbeginn in Berlin waren und
tenz willkürlich abgesprochen oder Verletzungen der zwischen 6 und 12 Monate auf einen Schulplatz warten
Aufsichts- und Fürsorgepflicht unterstellt.15 mussten. In einem anderen bei DOSTA gemeldeten
In vielen Fällen schüren Lehrkräfte an Berliner Fall sollte eine junge Romni mit ihrer Familie abge-
Schulen antiziganistische Klischees, während Schul- schoben werden, weshalb die Tochter offiziell nicht
leitungen und höhere Instanzen nichts dagegen unter- mehr schulpflichtig war. Als der Krieg ausbrach, wech-
selte die Familie das Wohnheim innerhalb Berlins und
11 UKA (2021), S. 146.
die Tochter sollte wieder beschult werden. Das Schul-
12 Die Studie wurde in der DOSTA-Auswertung 2019-2020 (Amaro Foro 2021) sowie
im Kurzbericht 2021 (Amaro Foro 2022) umfassend thematisiert.
amt reagierte mit den Worten, sie hätten selbst keine
13 Vgl. Strauß (2021), S. 14.

14 Vgl. Strauß (2021), S. 35 f. 16 Vgl. ebd.

15 Vgl. Amaro Foro (2022), S. 6 f. 17 Vgl. Amaro Foro (2021), S. 26.


Auswertung 2021 – 2022 22

Ahnung, was sie mit diesen Fällen machen sollten, BILDUNG


also mit den Menschen, die schon vor dem Krieg in
Deutschland waren. Das Mädchen hatte zuvor sechs 2021
Monate auf einen Schulplatz gewartet. Diese Fälle
zeigen nicht nur die antiziganistische Grundhaltung Ablehnende Haltung von Autoritätspersonen
bei der Vergabe von Schulplätzen, sondern auch die Nach Bestehen des Mittleren Schulabschlusses (MSA)
Unfähigkeit und/oder den Unwillen mancher Berli- sagt eine Lehrkraft zu einer Schülerin mit Roma-
ner Behörden, die Beschulung aller Kinder zu sichern, Hintergrund: »Geh als Kassiererin bei Rossmann
arbeiten, du willst doch immer schön sein.«
unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. In anderen
Fällen weigerten sich Behörden, Schulplätze an Kinder
aus der Republik Moldau zu vergeben. Diesen könnte
alternativ aber ein Sportprogramm angeboten werden, 2022
bis sie abgeschoben würden. Solche Praktiken tragen Segregation, Ablehnung durch Schulen
direkt zur Bildungsbenachteiligung von geflüchteten oder Kindertagesstätten
Rom*nja bei. Kinder und Jugendliche haben unabhän- Eine rumänische Frau ist auf der Suche nach einem
gig von ihrem Aufenthaltstitel ein Recht auf Bildung Kitaplatz für ihre Tochter. Die Leiterin einer Kita hat ihr
und daher ein Recht darauf, in Berlin die Schule zu telefonisch mitgeteilt, dass es freie Plätze gibt. Bei der
besuchen.18 Dies ergibt sich aus § 2 des Berliner Schul- persönlichen Vorsprache vor Ort wurden allerdings
gesetzes (SchulG), Artikel 20 Absatz 1 der Verfassung die Frau und ihre Tochter unverzüglich nach Hause
von Berlin und § 28 der UN-Kinderrechtskonvention. geschickt, da es angeblich doch keine Plätze gebe.
Eine weiß gelesene Bekannte der Frau hat nach ihrer
Vorsprache eine Woche später einen Platz für ihr Kind
Zudem wurden Familien in einigen Fällen durch
bekommen. Erst nachdem die rumänische Frau ihre
Kindertagesstätten aus antiziganistischen Gründen Diskriminierungserfahrungen in einem Interview schil-
abgelehnt. Die bei DOSTA gemeldeten Vorfälle zeigen, derte, hat sie einen Kitaplatz angeboten bekommen.
dass die ohnehin angespannte Berliner Kita-Land-
schaft für von Antiziganismus betroffene Familien eine Angriff, rassistisches Mobbing , Beleidigung ,
große Herausforderung darstellt. Vor allem finanziell ungerechtfertigte Maßnahme
stark belastete, alleinerziehende Mütter leiden unter Ein Kind wurde von einer Lehrerin geschlagen, belei-
diesem Phänomen: Viele von ihnen müssen zu Hause digt und immer wieder rassistisch diskriminiert. Aus
bleiben, wenn sich die Kinderbetreuung nicht anders diesem Grund wollte das Kind nicht mehr zur Schule
organisieren lässt. Dies wiederum wird bei der Bean- gehen, weswegen der Familie wegen Schulversäumnis
tragung von Leistungen bspw. beim Jobcenter zu ihren eine Geldstrafe ausgesprochen wurde. Das Kind hat
Ungunsten interpretiert und es wird mit der Verwei- schlussendlich die Schule gewechselt.
gerung von Leistungen gedroht. Der medial mittler-
weile sehr präsente Kitaplatzmangel und die rassistisch
motivierten Ablehnungen durch Kindergärten werden
dabei nicht berücksichtigt.

18 Wenn sie einen Aufenthaltstitel besitzen, fallen sie unter die allgemeine
Schulpflicht.
23 Auswertung 2021 – 2022

sind. 25 Daher haben Familien, deren Angehörigen in zurücklie-


STUDIE VON MARL A VAKILI
genden Generationen Bildung verwehrt wurde, geringere Chan-
cen, »ihren Kindern Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs durch
»(Antiziganistische) Diskriminierung in der Bildung zu eröffnen« 26 .
Kindertagesbetreuung und Grundschule: Rechtli-
cher Rahmen und Beratungspraktiken in Berlin« Die geltenden Antidiskriminierungsregelungen in Deutschland
gehen auf EU-Richtlinien zurück. Eine lückenlose Umsetzung
Zusammenfassung gestaltet sich durch den deutschen Föderalismus schwierig. Dem
Immer wieder berichtet DOSTA von antiziganistischer Bildungs- Bund ist es hauptsächlich möglich, Diskriminierungen im Zivil-
diskriminierung von Menschen mit selbst- oder fremdzugeschrie- rechtsverhältnis (d.h. in privaten Rechtsbeziehungen) zu sanktio-
benem Roma-Hintergrund. Antiziganismus ist eine spezifische nieren. Daher müssen Antidiskriminierungsrichtlinien insbeson-
Form des Rassismus gegen Menschen, die sich selbst als Rom*nja dere in den Bereichen Bildung, Kultur, Sport und Landespolizei
identifizieren oder von anderen als solche gelesen werden. Rassis- durch die Mitarbeit der Länder umgesetzt werden. Es gibt eine
mus bewirkt und legitimiert, dass Individuen aufgrund einer ganze Reihe an Verträgen des Völkerrechts wie die UN-Kinder-
(vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeit eine bestimmte Position rechtskonvention (KRK) oder die Europäische Menschenrechts-
im sozialen Gefüge zugewiesen wird, »indem er einige Menschen konvention (EMRK), die ein Recht auf diskriminierungsfreie
durch rassistische Markierungen systematisch benachteiligt, Bildung enthalten. All die von Deutschland ratifizierten Verträge
zum Beispiel in den Bereichen Wohnen, Bildung und Justiz«. 19 sind geltendes Recht, da diese gemäß Art. 59 GG den Rang und
Diskriminierungen im Bildungsbereich nehmen dabei vielfältige die Wirkung eines Bundesgesetzes haben. Auch im innerdeut-
Formen an, die von dem Verwehren von Kita- und Schulplätzen schen Recht findet sich ein Recht auf Bildung, wie das Bundesver-
über Exklusion, Mobbing, schlechtere Benotungen, Empfehlun- fassungsgericht 2021 festhielt. Darüber hinaus lässt sich über Art.
gen für ein niedrigeres Schulniveau bis zu fehlender oder negati- 3 GG, der für jeden Menschen das Grundrecht auf Schutz vor
ver Repräsentation in Curricula reichen. 20 Bildung ist jedoch ein Diskriminierung vorsieht, ein Diskriminierungsschutz in öffent-
zentrales Menschenrecht, in Deutschland eine Dienstleistung lichen Schulen und Kitas ausmachen. 27 Auch die landeseigenen
des Staates, und eine zentrale Voraussetzung für die Ausübung Gesetze zum Schulwesen (SchulG) und zur Kindertagesförde-
weiterer Rechte. 21 Unter diskriminierungsfreier Bildungsteilha- rung enthalten relevante Vorschriften. Im Berliner SchulG ist das
be lassen sich unter anderem der Zugang zu Bildungseinrichtun- Recht auf Bildung und Erziehung in § 2 enthalten, das seit 2018
gen, der Schutz vor Diskriminierung während des Besuchs dieser ein explizites Diskriminierungsverbot beinhaltet.
Einrichtungen sowie kompensierende Leistungen gegen struktu-
relle Diskriminierungen fassen. 22 Einen ersten Schritt in Richtung eines umfassenden Rechtsschut-
zes vor Diskriminierung hat der Bund 2006 mit dem Allgemei-
Die im vorangegangenen Kapitel geschilderte Bildungssituation nen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorgenommen. Es schützt
und -diskriminierung muss als »Ergebnis eines Zusammenspiels vor Diskriminierungen im privatrechtlichen Kontext, in Fällen
von historischer Diskriminierung, Klasseneffekten und aktuel- von Diskriminierung aufgrund der »Rasse« 28 , der ethnischen
ler Diskriminierung« 23 verstanden werden, da Antiziganismus Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung,
eine jahrhundertelange Tradition in Europa hat. 24 In Deutsch- einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität (§ 1
land erreichte diese während des Nationalsozialismus und des AGG). Es wirkt jedoch hauptsächlich im Bereich Beschäftigung
daraus resultierenden Genozids an Sinti*zze und Rom*nja (auch und Beruf. Daneben wirkt es nur teilweise beim Zugang und der
Porajmos genannt) ihren Höhepunkt. Angehörige der Minderheit Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, sozialer Siche-
erfuhren in der Schule verschiedene Formen von rassistisch moti- rung und Bildung. Besonders im Bildungsbereich ist dies jedoch
vierter Gewalt und Bildungsausschlüsse in Form von Unterrichts- nicht verwunderlich, da dieser aufgrund der föderalen Struk-
verboten. Teilweise wurden Schüler*innen direkt aus dem Klas- tur Deutschlands der Gesetzgebungskompetenz der Länder
senraum in Konzentrationslager deportiert. Die so ausgelösten unterliegt. Daher schützt das Gesetz im Kontext der Bildung in
Bildungslücken, zu denen Analphabetismus und fehlende Schul- erster Linie Beschäftigte in Schulen und Kitas, da alle Arbeitgeber
abschlüsse gehören sowie eine tiefgreifende Skepsis gegenüber dem AGG unterliegen. Es entfaltet jedoch Wirkung gegenüber
der Institution Schule – nicht zuletzt aufgrund der ideologischen privaten Schulen und Kitas in öffentlicher, privater oder freier
und personellen Kontinuitäten nach 1945 –, wirken bis heute Trägerschaft. Auf öffentliche Kitas lässt sich das AGG deshalb
nach. Die »sozialwissenschaftliche Bildungsforschung [hat] in anwenden, da ihre Betreuungsverträge privatrechtlich ausgestal-
vielfältigen Studien immer wieder aufgezeigt, dass die Bildungs- tet sind. »Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
chancen von Kindern und Jugendlichen in großem Ausmaß vom kann nach § 15 AGG auf Entschädigung und Schadenersatz sowie
sozioökonomischen Status, also dem Einkommen, der beruf-
lichen Position und dem Bildungsniveau ihrer Eltern abhängig 25 Vgl. Scherr (2021), S. 58.

26 Vgl. 1 BvR 971/21 -, Rn. 1-222.

27 Vgl. Dern/Schmid/Spangenberg (2012), S.34.


19 Bostancı/Biel/Neuhauser (2022), S. 4.
28 Zu beachten gilt, dass das Konzept der »Rasse« wissenschaftlich zahlreich
20 Vgl. Welter/Wagner/Dincher/Quintarelli (2022). widerlegt wurde und Menschen nicht in »Rassen« unterteilt werden können.
Das pseudowissenschaftliche Konzept verschiedener menschlicher »Rassen«
21 Vgl. Cudak/Rostas (2021), S.14-45.
diente einer Hierarchisierung und Biologisierung von Gruppen zur Legitimierung
22 Vgl. Dern/Schmid/Spangenberg (2012). des Kolonialismus. In neueren Gesetzestexten, wie dem des LADG und der
anstehenden Novellierung des AGG, heißt es nun »rassistische Zuschreibung«.
23 Vgl. Scherr (2021), S. 58.
Dies ist wichtig, da es den Fokus auf die diskriminierende Handlung und
24 Vgl. Follmar-Otto (2021). Intention lenkt.
Auswertung 2021 – 2022 24

Beseitigung der Benachteiligung geklagt werden.« 29 Ein erheb- vor Diskriminierung schützen!« der Fachstelle Kinderwelten für
liches Hindernis, um effektiv gegen Diskriminierungen mithilfe Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung am Institut für den
des AGG vorzugehen, ist jedoch die kurze Beschwerdefrist von Situationsansatz (ISTA) mit dem Fokus auf Kita bzw. Kinder im
zwei Monaten. Auch ein »Verbandsklagerecht, das die individuell Alter bis 12 Jahren und »ADAS – Anlaufstelle für Diskriminie-
Betroffenen entlasten könnte, fehlt«. 30 rungsschutz an Schulen«. Darüber hinaus gibt es inzwischen zwei
etablierte bezirklich ausgerichtete Stellen: die Anlauf- und Fach-
Das Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG), das am 21. stelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und in Kitas in Fried-
Juni 2020 in Kraft trat, ist ein Versuch, die Schutzlücken des AGG richshain-Kreuzberg, in der Trägerschaft der RAA Berlin, die im
im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns zu schließen. Das Bereich der Antidiskriminierungsarbeit an Schulen tätig ist, und
LADG verbietet es durch das sogenannte »Diskriminierungsver- das Projekt »Diskriminierungsfreie Bildung im Wedding« von
bot« in § 2 allen hoheitlichen Stellen im Land Berlin, Menschen NARUD e.V. Eine weitere Anlaufstelle in Lichtenberg ist in der
durch Bezug auf unzulässige persönliche Merkmale schlech- Entwicklung. Festhalten lässt sich hier, dass die Beratungsstruk-
ter zu stellen, also zu diskriminieren. Zu diesen Stellen gehören turen dünner werden, je jünger die Zielgruppe wird. Während es
auch öffentliche Schulen und Kitas. Diskriminierung, also unge- für merkmalsbezogene Diskriminierung ein relativ breites Spekt-
rechtfertigte Benachteiligung, meint nach § 4 LADG entweder rum an Beratungsstellen gibt, fehlt es an gut ausgebauten Bera-
die unmittelbare oder mittelbare Form der Benachteiligung oder tungsstrukturen für die Kita und den (Grund-)Schulbereich. In
(sexuelle) Belästigung. Unter das LADG fallen auch hypothetische Anbetracht der Relevanz und der weitreichenden Folgen von
Diskriminierungen. Eine tatsächliche Ungleichbehandlung muss Bildungsdiskriminierung müssen diese Strukturen gestärkt und
in solchen Fällen nicht vorliegen. »Es reicht, wie auch schon im Fall ihre Kompetenzen ausgebaut werden.
der Benachteiligung nach § Abs. 1 AGG, aus, wenn eine Person mit
vergleichbarem persönlichem Hintergrund eine bessere Behand-
lung als die betroffene Person erfahren würde«. 31 Um durch das
LADG verboten zu sein, muss die Diskriminierung an sogenann-
te Diskriminierungsmerkmale anknüpfen. Darunter fallen nach §
2 des LADG das Geschlecht, die ethnische Herkunft, antisemiti-
sche oder rassistische Zuschreibungen, die Religion oder Welt-
anschauung, eine Behinderung oder chronische Erkrankung, das
Lebensalter, die Sprache, die sexuelle und geschlechtliche Identi-
tät und der soziale Status. Auf Grundlage des LADG kann jede*r
gegen eine Diskriminierung, die durch eine Berliner Verwaltung
oder andere hoheitlich tätige Einrichtungen des Landes Berlin
erfolgt, »mit einem Anspruch auf Schadenersatz vorgehen oder
seinen Anspruch mithilfe eines [anerkannten] Antidiskriminie-
rungsverbands geltend machen« 32 . Die Verjährungsfrist beträgt
hier ein Jahr (§ 8 Abs. 4 LADG). Ein Recht auf Schadenersatz
haben auch Personen, die nicht selbst diskriminiert wurden, aber
in einem engen persönlichen Näheverhältnis stehen. Das LADG
sieht auch die Möglichkeit, abseits von einzelner Betroffenheit, in
Fällen struktureller Diskriminierungen zu klagen, auf dem Wege
einer Feststellungsklage nach § 9 Abs. 1 LADG. Diese kann von
anerkannten Antidiskriminierungsverbänden mit dem Ziel der
Unterbindung auf den Weg gebracht werden.

Wie dargestellt, besteht insbesondere in Berlin durch das LADG


inzwischen ein de jure hoher Rechtsschutz vor Diskriminierungen
im Bildungsbereich. Das betrifft in diesem Fall sowohl vorschuli-
sche als auch schulische Einrichtungen. Um diesen auch de facto
umzusetzen, ist es wichtig, dass von Diskriminierung Betroffene
»Zugang zu Informationen über ihre Rechte, Empowerment und
diskriminierungskompetenter Beratung, Begleitung und Unter-
stützung erhalten« 33 . Beratungsangebote, die es zurzeit in Berlin
gibt, lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: Merkmals-
bezogene oder handlungsbereichsbezogene Angebote. Bezo-
gen auf den Handlungsbereich Bildung, aber horizontal in Bezug
auf Diskriminierungsmerkmale, beraten in Berlin »KiDs – Kinder

29 Becker/Rupprecht/Halldorn (2021) , S. 4.

30 Vgl. Lembke (2016).

31 Moir (2021), S. 4.

32 Ebd., S. 6.

33 Gauch/Abed/Pfau/Yegane (2021), S. 9.
25 Auswertung 2021 – 2022

Kontakt zu Leistungsbehörden bearbeitung ohnehin nicht erforderlich sind. Anträ-


ge werden pauschal abgelehnt, Leistungen werden
mündlich bereits bei der ersten Vorsprache versagt, es
DIE HÄUFIGSTEN werden fehlende Deutschkenntnisse als Begründung
ERSCHEINUNGSFORMEN aufgeführt, obwohl die Jobcenter verpflichtet sind,
Dolmetscher*innen zur Verfügung zu stellen.
2021 So kommt es zu unverhältnismäßig langen Bear-
• Anforderung von irrelevanten Unterlagen: 18 beitungszeiten, die sich existenzbedrohlich auswirken
können. Diese behördliche Praxis beruht auf einer
• Unrechtmäßige Versagung von Leistungen: 16 erstmals 2019 geleakten internen Arbeitshilfe der
• Anforderung von Unterlagen, die über Bundesagentur für Arbeit mit dem Titel »Bekämp-
Amtswege eingeholt werden sollten: 4 fung von organisiertem Leistungsmissbrauch durch
• Verweigerung der Unterbringung nach ASOG: 4 EU-Bürger«. Dieser Arbeitshilfe zufolge seien »insbe-
sondere rumänische und bulgarische Staatsangehö-
rige« am »organisierten Leistungsmissbrauch« betei-
2022 ligt.34 Auf Druck zivilgesellschaftlicher Akteure wurde
• Anforderung von irrelevanten Unterlagen: 9 die Passage, welche explizit rumänische und bulgari-
sche Staatsbürger*innen unter Generalverdacht stellt,
• Anzweiflung der Lebensverhältnisse/ zwar entfernt, trotzdem zeigen die Vorfälle, dass sich
Wohnverhältnisse: 9 an der antiziganistischen Verwaltungspraxis kaum
• Unrechtmäßige Versagung von Leistungen: 8 etwas geändert hat.
• Verweigerung der Unterbringung nach ASOG: 8 Ähnliche Mechanismen wie beim Jobcenter zeigen
sich auch in der Vorgehensweise der Familienkassen.
Beispielsweise wird bei Familien mit einem Kind im
EINRICHTUNGEN IM BEREICH Ausland nach einem Nachweis gefragt, ob die Fami-
LEISTUNGSBEHÖRDEN lie für das Kind in Rumänien oder Bulgarien Kinder-
geldleistungen bekommt. Solche sogenannten Nega-
2021 tivnachweise gibt es aber entweder nicht oder sie sind
unverhältnismäßig kompliziert zu beantragen. Des
29 11 5 4 3
Weiteren muss die Einholung solcher Informatio-
nen laut der EU-Verordnung zur Koordinierung der
2022 Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung-EG Nr.
883/2004) über Amtswege passieren.
24 10 13 4 1 Auch die Unterbringung nach dem Allgemei-
nen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) funk-
tioniert für diese Zielgruppe häufig nicht. Ziel von
Jobcenter Familienkasse ASOG ist es theoretisch, dass Wohnungsnotfälle
Kinder- und Jugendhilfe Soziale Wohnhilfe schnell gelöst und Obdachlosigkeit verhindert werden
Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten Sonstige kann.35 Doch auch hier führen Verwaltungspraktiken
in Berlin immer wieder zu existenziellen Unsicher-
heiten für viele bedürftige Rom*nja und Menschen,
die aufgrund einer bestimmten Staatsbürgerschaft
Im Lebensbereich Kontakt zu Leistungsbehörden als solche wahrgenommen werden. Rumänische und
verzeichnet DOSTA seit Projektbeginn sehr viele bulgarische Staatsbürger*innen werden nämlich oft
Vorfälle. In den Jahren 2021 und 2022 wurden jeweils nicht nach ASOG zugewiesen, sofern kein Antrag
52 Vorfälle gemeldet. Auch die typischen Erschei- bei den Sozialträgern gestellt wurde. Rechtlich gese-
nungsformen setzten sich in den vergangenen zwei hen haben diese Antragsteller*innen aber trotzdem
Jahren fort: Antragsteller*innen, die Rom*nja sind Anspruch auf Unterbringung – unabhängig vom
oder für solche gehalten werden, müssen nach wie vor Status des Sozialleistungsbezugs. In den bei DOSTA
mit der Anforderung irrelevanter Unterlagen rechnen, 2021 und 2022 gemeldeten Vorfällen handelte es sich
vor allem im Kontakt mit dem Jobcenter. Das können oft um Familien mit Kindern, denen keine Unterkunft
Dokumente sein, die bereits eingereicht wurden, die
auf Amtswegen (vor allem bei EU-Staatsangehörigen) 34 Bundesagentur für Arbeit (2018), S. 3.

eingeholt werden müssen oder die für die Antrags- 35 Vgl. Amaro Foro (2021), S. 30.
Auswertung 2021 – 2022 26

KONTAKT ZU
nach ASOG zugewiesen wurde. In solchen Fällen ist
LEISTUNGSBEHÖRDEN
eine gerichtliche Durchsetzung äußerst aufwendig.36
Die Familien befinden sich für die Dauer des Verfah-
rens in einer existenzbedrohlichen Notlage, die durch 2022
Behördenhandeln herbeigeführt wurde.
An dieser Stelle wird der institutionelle Antiziga- Kulturalisierung
Im Zuge einer Unterkunftsbegehung sagt ein Mitar-
nismus deutlich, der auf antiziganistischen Stereoty-
beiter der Sozialen Wohnhilfe, dass seine Kolleg*innen
pen37 und Kriminalisierung beruht, nicht auf realen
Rom*nja erkennen würden. Er ist der Überzeugung,
Betrugsversuchen dieser Zielgruppe.38 Auch der dass man durch die Unterbringung »Nomaden zwang-
antiziganistisch geprägte Vorwurf der sogenannten haft sesshaft machen würde«, und es würde sich die
»Armutszuwanderung« kann nicht belegt werden. Die Frage stellen, »inwiefern man denen damit überhaupt
Beschäftigungsquote von Menschen aus Rumänien einen Gefallen« täte.
und Bulgarien lag im September 2021 bei 67 Prozent
und damit fast genauso hoch wie bei der deutschen Verweigerung der Unterbringung nach ASOG
Bevölkerung (69 Prozent) und höher als bei anderen Ein rumänischer Mann stellt einen Antrag auf Unter-
ausländischen Beschäftigten.39 Die Arbeitslosenquote bringung nach ASOG, weil er und seine Familie
lag im selben Zeitraum mit 9,3 Prozent im September obdachlos sind. Die Soziale Wohnhilfe verweist auf die
2021 nur leicht über der Quote der Gesamtbevölke- Rückreise nach Rumänien, was aber nicht rechtens ist,
rung; sie ist niedriger als bei anderen ausländischen da es der Rechtsauffassung des FreizügG/EU wider-
Beschäftigten.40 Diese Zahlen sollen verdeutlichen, spricht und auch dem unionsrechtlichen Diskriminie-
rungsverbot.
wie realitätsfern antiziganistische Debatten sind.
Offen bleibt, wieso Behörden eine interne Arbeits-
hilfe nutzen, die in so offensichtlichem Widerspruch Anzweiflung der Lebensverhältnisse/Wohnverhältnisse
zu den von ihnen selbst erhobenen Arbeitsmarktsta- Die Familienkasse fordert diverse Unterlagen einer
tistiken steht. Ein anderer Grund als tief verwurzel- rumänischen Antragstellerin an, die darauf abzie-
ter Antiziganismus sowie eine offenbar gewünschte len, ihren tatsächlichen Aufenthalt nachzuweisen. Es
werden diverse irrelevante Nachweise gefordert, wie
Migrationskontrolle ist nicht erkennbar.
die Schulbescheinigungen von den unter 18-jährigen
DOSTA beobachtet außerdem immer wieder,
Kindern sowie Nachweise von Arztbesuchen.
dass Menschen aufgrund von Entscheidungen des
Jobcenters ihre Unterkunft verlieren. Sei es, weil das
Jobcenter nicht pünktlich zahlt und dadurch Fami-
lien aus Wohnheimen rausgeworfen werden, sei es,
dass Menschen aus dem Wohnheim in eine eige-
ne Wohnung in einem anderen Bezirk ziehen und
das dortige Jobcenter ihre Leistungsansprüche nicht
anerkennt. Besonders Letzteres ist nicht nur aus sozi-
alstaatlichen, sondern auch aus ökonomischen Erwä-
gungen heraus absurd: Müssen die Betroffenen dann
wieder im Wohnheim untergebracht werden, erhöhen
sich die Kosten erheblich und mit der angestrebten
Stabilisierung und dem Gewinn von Eigenständigkeit
muss wieder von vorn begonnen werden. Dabei sollte
das Ziel grundsätzlich sein, Menschen nicht in Wohn-
heimen, sondern in Wohnungen unterzubringen; wo
auch die Kosten deutlich geringer sind.

36 In der Dokumentation antiziganistischer Vorfälle 2019-2020 haben wir


ausführlich die ASOG-Unterkünfte behandelt. Diese funktionieren oft eher nach
privatwirtschaftlichen Prinzipien. Beispielsweise wird bei Zahlungsverzögerungen
oder -ausfall mit Rauswurf gedroht, ohne die Situationen der einzelnen
Bewohner*innen individuell zu betrachten.

37 Vgl. Neuburger/Hinrichs (2021), S. 73.

38 Vgl. Lay/Vehrkamp (2020), S. 29.

39 Vgl. Wolf (29.12.2021).

40 Ebd.
27 Auswertung 2021 – 2022

Wohnen ter mit seinem Namen schlechte Karten vor Gericht


habe. Sie glaubte offenbar, sie könne sich solch rassisti-
Antiziganismus auf dem Berliner Wohnungsmarkt sches Verhalten erlauben, ohne Konsequenzen fürch-
kann sich in verschiedenen Formen äußern, von der ten zu müssen, was ja leider in vielen Fällen auch so
Verweigerung von Wohnungen bis hin zu willkürli- ist. Ein weiterer besonders schockierender Vorfall
chen Kündigungen von Mietverträgen. Dies zeigen ereignete sich im Jahr 2022, als ein Mieter von einem
die 2021 und 2022 erfassten 12 Vorfälle bei DOSTA. Mitarbeiter einer Hausverwaltung mit der antiziga-
Wie bereits in unserer Fünfjahres-Auswertung nistischen Fremdbezeichnung beleidigt wurde. Der
angemerkt, ist Diskriminierung auf dem Wohnungs- Betroffene entschied sich, eine offizielle Beschwer-
markt nach wie vor ein zentraler Grund, warum de bei der Hausverwaltung einzureichen. Seine
Menschen mit tatsächlichem oder fremdzugeschrie- Beschwerde wurde jedoch nicht ernst genommen und
benem Roma-Hintergrund oft gezwungen sind, in stattdessen wurde ihm gekündigt. Solche Mobbinger-
beengten und/oder mangelhaften Unterkünften zu fahrungen, rassistische Schmierereien auf Briefkäs-
leben.41 Diese Wohnungen oder Wohnhäuser werden ten (s.o. im Bereich »Alltag und öffentlicher Raum«)
medial immer noch als sogenannte »Problemimmo- sowie die häufige Beobachtung durch Nachbar*innen
bilien« dargestellt und ihre Bewohner werden für den und/oder Hausverwaltungen führen dazu, dass viele
Zustand der Häuser verantwortlich gemacht, obwohl Rom*nja oder als solche gelesene Menschen sich nicht
sie die Leidtragenden sind. Verantwortlich für den sicher und wohl in ihrem eigenen Zuhause fühlen. In
Zustand eines Wohnhauses ist der Vermieter. Viele manchen Vorfällen eskalierte die Situation derma-
Vermieter*innen profitieren von Rassismus auf dem ßen, dass antiziganistisch eingestellte Nachbar*innen
Wohnungsmarkt, denn sie können Menschen, die sich vereinten und dem Vermieter mit der Gründung
keine Alternative haben, minderwertigen Wohnraum einer Bürgerwehr drohten, sofern die von ihnen als
zu überhöhten Preisen vermieten. Der sogenann- Rom*nja fremd­identifizierten Familien nicht aus dem
te Mietpreisrassismus42 trifft Rom*nja und als solche Wohnhaus auszogen. Hier wird nicht nur ein Narra-
wahrgenommene Menschen also auf eine sehr offen- tiv aus einer extrem rechten und gewaltbereiten Szene
sichtliche Weise. Hinzu kommt, dass solche Immobi- genutzt, sondern auch aktiv zur Selbstjustiz aufge-
lien häufig infrastrukturell schlecht angebunden und rufen. Ähnliches ereignete sich 2022 in einem Berli-
nicht in der Nähe von hochwertigen Bildungs- und ner Außenbezirk, in dem eine Nachbarschaftsgrup-
Gesundheitseinrichtungen sind. Es gibt also Auswir- pe rassistische Hetze gegen Rom*nja aus der Republik
kungen auf alle anderen Lebensbereiche.43 Moldau verbreitete und damit drohte, selber tatkräf-
Wie die bei DOSTA gemeldeten Vorfälle zeigen, tig gegen Rom*nja vorzugehen, sofern ihnen die »Poli-
bleibt die Situation von Menschen mit tatsächlichem zei nicht hilft«. Wenn im Wohnumfeld rechtsextre-
oder fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund me Symbolik auftaucht (vgl. das Kapitel »Alltag und
auch dann prekär, wenn sie sich bereits in einem öffentlicher Raum«) oder es andere Hinweise auf die
sicheren Mietverhältnis befinden. Viele werden im Präsenz rechtsextremer Akteure gibt, ist das für die
eigenen Haus oder in der Nachbarschaft rassistisch Betroffenen nicht nur unangenehm, sondern kann
gemobbt. Gegen solche Schikanen vorzugehen ist für bedeuten, dass sie in permanenter Angst vor gewalt-
von Rassismus betroffene Menschen äußerst schwie- tätigen Übergriffen leben. Dies geht über die Qualität
rig, denn sie müssen sehr oft die negativen Konse- eines Nachbarschaftskonflikts weit hinaus und wirkt
quenzen von vermeintlichen Nachbarschaftskonflik- sich auf alle anderen Lebensbereiche aus. Ein Leben
ten tragen. Das zeigt auch das Beispiel einer Familie, in Angst ist für viele als Rom*nja gelesene Menschen
welche von einer Nachbarin konstant antiziganis- Realität.
tisch beleidigt wurde. Die Anzeige des Familienvaters Auch im Fall von sogenannten »Problemimmobi-
wurde von der Polizei nicht ernst genommen, obwohl lien« kommt es häufig zu willkürlichen Vertragskün-
es Zeug*innen für die Beleidigung gab. Die Nachba- digungen bzw. Kündigungswellen. Wenn das ausbeu-
rin hatte sogar laut verkündet, dass der Familienva- terische Mietverhältnis für die Besitzer*innen nicht
mehr rentabel ist oder sie die Immobilie doch moder-
41 Amaro Foro (2019), S. 36. Vgl. Kokalanova (2022), S. 330 nisieren wollen, versuchen sie die Mieter*innen so
42 Das Statistische Bundesamt hat bereits 2017 nachgewiesen, dass Personen »mit schnell wie möglich loszuwerden. Das zeigt der Fall
Migrationshintergrund durchschnittlich höhere Mieten bezahlen als Personen
ohne Migrationshintergrund« (Statistisches Bundesamt, 10.1.2017). Auch der
eines Friedrichshainer Hauses, welches 2021 und
Lagebericht der Bundesregierung »Rassismus in Deutschland« zeigt, dass 2022 in den deutschen Medien Schlagzeilen machte:44
Mieter*innen »mit ausländischen Wurzeln [...] eine höhere Miete für gleiche oder
geringere Wohnqualität als Menschen ohne (familiäre) Einwanderungsgeschichte
Mit unangekündigten Kontowechseln und ande-
zahlen müssen«. (Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus, 2023, S. 68.)

43 Vgl. UKA (2021), S. 154. 44 Vgl. Potter (31.10.2022). Michollek (15.12.2022).


Auswertung 2021 – 2022 28

WOHNEN
ren Tricks sorgten die Eigentümer*innen dafür, dass
die Mieter*innen in Zahlungsrückstand gerieten,
sodass sie gekündigt und geräumt werden konnten. 2021
Nur dank des zivilgesellschaftlichen Drucks konn-
ten die Räumungen zunächst ausgesetzt werden. Die Rassistisches Mobbing
Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern
Mieter*innen mussten allerdings trotzdem schnellst-
hat nach zweieinhalb Jahren intensiver Suche eine
möglich ein neues Zuhause finden, was sich, wie oben
Wohnung gefunden. Die Familie wird aber von einer
geschildert, angesichts des angespannten und von Nachbarin fast jeden Tag terrorisiert, weil die Kinder
Rassismus geprägten Berliner Wohnungsmarktes angeblich laut sind. Sie ruft mehrmals die Polizei wegen
äußerst schwierig gestaltete. vermeintlicher Ruhestörung, welche die Beamt*innen
vor Ort nicht feststellen können. Eines Tages klopft die
Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz Nachbarin wütend an der Tür. Als die Mutter die Tür
aufmacht, fängt die Nachbarin an, sie und ihre Fami-
lie aggressiv zu beschimpfen. Eines der Kinder erleidet
2021 und 2022 wurden insgesamt 15 Vorfälle im
einen Schock. Eine andere Nachbarin geht dazwischen,
Lebensbereich »Kontakt zu Ordnungsbehörden und
ruft die Polizei und unterstützt die Mutter dabei,
Justiz« dokumentiert. Ähnlich wie in den Jahren gegen die Nachbarin Anzeige zu erstatten.
davor stellen wir fest, dass antiziganistische Strafta-
ten seitens der Ordnungsbehörden nicht ernst genom-
men bzw. adäquat verfolgt werden.45 In manchen 2022
Fällen findet sogar eine Täter-Opfer-Umkehr statt.
Letzteres Phänomen ist auf die in den letzten Jahren Wucher
von DOSTA systematisch dokumentierte Kriminali- Bei einer Hausverwaltung in Charlottenburg-Wilmers-
sierung von Sinti*zze und Rom*nja durch die Sicher- dorf muss eine Familie doppelt so viel in bar zahlen,
heitsbehörden zurückzuführen.46 wie im Mietvertrag vereinbart wurde. Als sie dies nicht
machen und mit rechtlichen Schritten drohen, bekom-
In diesem Zusammenhang ist die Untätigkeit
men sie eine Betriebskostenabrechnung i.H.v. über
der Behörden im Falle antiziganistischer Beleidi-
6.000 Euro.
gungen hervorzuheben. In allen gemeldeten Vorfäl-
len, in denen eine Anzeige wegen Beleidigung erstat-
tet wurde, wurde die Anzeige entweder nicht ernst KONTAKT ZU ORDNUNGS-
genommen oder es wurde seitens der Polizei von einer BEHÖRDEN UND JUSTIZ
Anzeigenerstattung abgeraten. In einem Fall wurde
das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. In 2022
der Auswertung antiziganistisch motivierter Vorfäl-
le 2019-202147 legen wir ausführlich dar, warum die Kriminalisierende Unterstellung , sozialchauvinistische
Verwendung der rassistischen Fremdbezeichnung als Äußerung , Kulturalisierung
Beleidigung im Sinne des Paragrafen 185 StGB straf- Eine Verfahrensbeiständin erzählt in Anwesenheit
rechtlich geahndet werden sollte. Eine wertneutra- einer Sozialarbeiterin einer jungen Frau aus Russ-
le Nutzung dieses Begriffes ist an sich nicht möglich: land, »wie schlimm die Clans« und Muslime generell
Der Begriff ist seit Jahrhunderten eine Fremdbezeich- in Deutschland wären. Sie sagt auch, dass »Sinti und
nung für Sinti*zze und Romn*ja und ist für Betroffene Roma am allerschlimmsten von allen« seien, die mit
antiziganistischer Gewalt mit diversen Diskriminie- ihrem kompletten »Clan« Gerichte regelrecht über-
schwemmten.
rungserfahrungen und einer schmerzhaften Historie
konnotiert.
In manchen Vorfällen werden ungerechtfertig- Ungerechtfertigte Maßnahme
te Maßnahmen angewandt, z.B. unverhältnismä- Eine hochschwangere Romni wurde in die Republik
ßige Gewalt. Laut einer DOSTA-Meldung betraten Moldau abgeschoben. Vorher musste ein Arzt bestäti-
beispielsweise Polizist*innen ohne Vorwarnung die gen, dass sie am »richtigen Zeitpunkt« der Schwanger-
schaft ist, sodass sie »medizinisch vertretbar« abge-
Wohnung einer Familie mit zwei Kindern in Berlin-
schoben werden kann.
Spandau und forderten die Herausgabe ihrer Pässe.
Die aus dem Schlaf geweckte Familie verstand gar

45 Vgl. Hyökki, Bilić/Kurić (2022), S. 33, 39.

46 Vgl. UAK (2021). Amaro Foro (17.5.2021). Amaro Foro (2021), S. 17-19.

47 Amaro Foro (2021), S. 11.


29 Auswertung 2021 – 2022

nicht richtig, worum es ging. Daraufhin richteten die der Ukraine.« Erneut werden also Schutzsuchende
Polizist*innen beim Durchsuchen der Wohnung an gegeneinander ausgespielt und in richtige und weni-
der Einrichtung der Familie erheblichen Sachscha- ger richtige Geflüchtete unterteilt. Bei solchen Unter-
den an. Außerdem beleidigten sie die Mitglieder der teilungen scheint es in Deutschland eine Konstante zu
Familie rassistisch und bezeichneten sie als »Schwei- sein, dass Rom*nja grundsätzlich zur letzteren Grup-
ne«. Am Ende des Einsatzes stellten die Polizist*innen pe gezählt werden (vgl. auch das Medienmonitoring).
fest, dass sie in der falschen Wohnung gewesen waren.
Abschließend soll hier der Umgang mit moldau- Zugang zu Gütern und Dienstleistungen
ischen Geflüchteten erwähnt werden, wobei Polizei-
und Justizbehörden hier nur die ausführenden Orga- Wie in den letzten Jahren wurden auch 2021 und 2022
ne sind. Wie bereits in den letzten Jahren von DOSTA weiterhin Fälle von unrechtmäßigen Kontoeröff-
thematisiert, werden Geflüchtete aus Moldau häufig nungsablehnungen für EU-Bürger*innen aus Rumä-
pauschal als Rom*nja gelesen und so behandelt, als wäre nien und Bulgarien gemeldet. In den meisten gemel-
Moldau offiziell ein sogenannter »sicherer Herkunfts- deten Fällen wurde die Ablehnung damit begrün-
staat«. Dahingegen werden Rom*nja in der Republik det, dass die Berechtigten über nicht ausreichende
Moldau in allen Lebensbereichen existenzgefährdend Deutschkenntnisse verfügen. Diese Praxis wider-
diskriminiert. Diese sogenannte kumulative Diskri- spricht dem Zahlungskontengesetz (ZKG) zur Umset-
minierung von Rom*nja in Moldau wird, ähnlich wie zung der Richtlinie 2014/92/EU zum diskriminie-
bei den Ländern, die bereits als sogenannte »sichere rungsfreien Zugang zu Zahlungskonten für jede*n
Herkunftsstaaten« eingestuft sind, in Deutschland Verbraucher*in. Laut § 3 des ZKG kann sich der
konsequent ignoriert. Stattdessen werden Geflüch- Verpflichtete nicht auf mangelnde Sprachkenntnis-
teten medial legitime Fluchtgründe abgesprochen se der Berechtigten als Ablehnungsgrund berufen. In
und antiziganistische Klischees zugeschrieben (vgl. zwei weiteren Vorfällen wurden Verbraucher*innen
dazu auch das Medienmonitoring). Die Pandemie aufgefordert, diverse Versicherungen eines exter-
und der Ukraine-Krieg haben diese Situation weiter nen Anbieters abzuschließen, bevor sie ein Basiskon-
verschärft. Wie von Amaro Foro öffentlich kritisiert, to eröffnen. Außerdem wurden rassistisch motivierte
fanden zu Hochzeiten der Pandemie Abschiebun- Zutrittsverweigerungen und die Unterstellung krimi-
gen schwerkranker Menschen in das Hochrisikoge- neller Handlungen im Einzelhandel sowie antiziga-
biet Moldau statt. Weiterhin ist zu beobachten, dass nistische Beleidigungen erfasst.
die Möglichkeit, aus medizinischen Gründen auf eine 2021 und 2022 wurden insgesamt 7 Vorfälle in
Abschiebung zu verzichten, selten genutzt bzw. noch diesem Lebensbereich dokumentiert.
weiter eingeschränkt wird. Betroffen sind Schwan-
gere und Schwerkranke, die in Moldau häufig kaum Zugang zu medizinischer Versorgung
Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Auf Landesebene verspricht der Berliner Koaliti- Grundsätzlich gelangen rassistisch motivierte Vorfäl-
onsvertrag Einhaltung von humanitären Grundsät- le aus dem Gesundheitswesen schwer nach außen,
zen bei der Aufenthaltsbeendigung. Dieser garantiert, da es sich in der Regel um sehr sensible und intime
dass es »Direktabschiebungen aus Schulen, Jugendein- Daten und Informationen handelt. Bei Betroffenen ist
richtungen und Krankenhäusern sowie Familientren- die Hemmschwelle deutlich höher. Auch das Macht-
nungen bei Rückführungen« nicht mehr geben wird. gefälle zwischen Ärzt*innen und Patient*innen spielt
Auch »[a]uf nächtliche Abschiebungen, insbeson- eine Rolle. Es gibt zu wenige valide Daten und auch
dere bei Familien mit Kindern, alten Menschen und bei DOSTA werden jährlich nur vereinzelt Vorfälle
Menschen mit Behinderung oder schwerer Erkran- aus diesem Lebensbereich gemeldet. Laut der Antidis-
kung, soll verzichtet werden«.48 Die von uns doku- kriminierungsstelle des Bundes hat jede vierte befrag-
mentierten Vorfälle zeigen, dass diese Versprechen im te Person schon Diskriminierung im Bereich Gesund-
Jahr 2022 noch nicht eingelöst wurden. heit und Pflege erlebt und es ist davon auszugehen,
Ende 2022 wurde zudem in Berlin der Plan der dass Rom*nja und so gelesene Menschen auch entspre-
Innensenatorin diskutiert, gegen den Koalitionsver- chende Erfahrungen machen. Umso wichtiger ist es,
trag zu verstoßen und auch im Winter u.a. nach Moldau das Dunkelfeld durch künftige Studien zu erhellen.49
abzuschieben, angeblich um Platz für Geflüchtete Die 7 Vorfälle des Jahres 2022 zeigen, dass Betrof-
aus der Ukraine zu machen. Spranger sagte: »Unser fene Antiziganismus im Zugang zu medizinischer
humanitäres Anliegen sind die Kriegsflüchtlinge aus Versorgung durch einen erschwerten Zugang zu den

48 Zukunftshauptstadt Berlin (2021), S. 72. 49 Vgl. Bartig/Kalkum/Le/Lewicki (2021), S. 9.


Auswertung 2021 – 2022 30

ZUGANG ZU GÜTERN
gesetzlichen Krankenkassen erleben, der durch ähnli-
UND DIENSTLEISTUNGEN
che bürokratische Hürden geprägt ist wie der Kontakt
zu Leistungsbehörden. Seit Jahren verweist DOSTA
auf Sonderanforderungen, restriktive oder mangeln- 2022
de Durchsetzung der EU-Vorschriften oder europa-
rechtswidrige interne Anweisungen der gesetzlichen Verweigerung der Kontoeröffnung
Krankenkassen. Auch hier führen sprachliche Barrie- Eine Frau aus Bulgarien wollte ein Bankkonto eröffnen.
ren zur Nichterbringung oder Verweigerung medizi- Ihr wurde eine Kontoeröffnung bei der Bank zunächst
nischer Leistungen. Auch Ärzt*innen und Pflegeper- verwehrt mit der Begründung, dass sie erst mal
diverse Versicherungen eines Partneranbieters
sonal verweigern Rom*nja oder so gelesenen Menschen
abschließen solle.
medizinische Behandlungen. Zudem gibt es immer
wieder antiziganistische, generell herabwürdigende,
kulturalisierende und eugenische Äußerungen seitens Zutrittsverweigerung
Eine rumänische Frau war in einem Supermarkt
des medizinischen Personals und Ärzt*innen. Diese
einkaufen. Sie hat eine Wassermelone hochgehoben,
Rhetoriken sind besonders vor dem Hintergrund der
um zu schauen, ob sie reif ist. Das Sicherheitspersonal
historischen Kontinuitäten, wie Sterilisationen von hat sie daraufhin weggeschickt, »weil Zigeuner immer
Rom*nja während und nach der NS-Zeit, besonders klauen« würden. Die Betroffene hat daraufhin wegen
problematisch.50 Beleidigung Anzeige erstattet.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung der national-
sozialistischen Verfolgung und deren (gesundheit-
ZUGANG ZU
lichen) Spätfolgen bis in die Gegenwart ist unerläss-
MEDIZINISCHER VERSORGUNG
lich, denn transgenerationale Folgen wie Trauma-
ta sind bis heute real. Die Folgen des Völkermords
betreffen Rom*nja und deren Nachkommen europa- 2022
weit. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den
von Deutschland besetzten Ländern wurde Rom*nja Verweigerung von medizinischer Behandlung
Eine Frau leidet unter einer schwerwiegenden Erkran-
der Schulbesuch und das Erwerbsleben verboten,
kung und muss sich regelmäßig behandeln lassen,
mit ihnen wurden medizinische Experimente durch-
wobei es zu starken Nebenwirkungen kommt.
geführt, sie wurden sterilisiert und schließlich in In einem Berliner Krankenhaus kommt sie in die
Massen­ erschießungen oder Konzentrationslagern Rettungsstelle, weil es ihr erneut sehr schlecht geht.
ermordet. Die Bedeutung und die Auswirkungen Sie muss sich übergeben und wird daraufhin von den
dieser historischen Ereignisse können kaum über- Sicherheitsleuten rausgeschmissen, die sagen: »Du
schätzt werden. Im US-amerikanischen Kontext ist kommst hier eh nur zum Essen und Trinken her.«
in Bezug auf die Sklaverei inzwischen bekannt, dass
solche Traumata über mindestens 6 Generationen Kriminalisierende Unterstellung
weitergegeben werden. In Bezug auf Rom*nja in Euro- Eine Mitarbeiterin einer Gemeinschaftsunterkunft
pa fehlt es dazu nicht nur an Forschung, sondern auch wollte telefonisch einen Termin für eine Anwohnerin
an gesellschaftlichem Bewusstsein. Die Betroffenen bei einer Frauenärztin vereinbaren. Die Mitarbeiterin
sagte, dass sie »ungerne Termine an Moldawierinnen«
fingen 1945 nicht sozusagen neu bei null an, sondern
vergibt, weil diese angeblich zu Vandalismus neigen.
waren beispielsweise nicht alphabetisiert, nicht mehr
arbeitsfähig bzw. eben traumatisiert. Hinzu kommt
das historisch gewachsene Misstrauen in Instituti-
onen, durch die Rom*nja jene Gewalterfahrungen
machen mussten und in denen sie auch nach 1945 den
Täter*innen wieder begegneten.
Wenn heute Ärzt*innen darüber entscheiden,
ob beispielsweise eine schwangere Romni zu einem
angeblich medizinisch vertretbaren Zeitpunkt abge-
schoben werden kann oder nicht (s.o. im Bereich
»Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz«), findet
sich hier eine brutale Kontinuität von antiziganisti-
schen Praktiken im Gesundheitswesen. DOSTA hat

50 Vgl. Riechert (1995), S. 23 f.


31 Auswertung 2021 – 2022

ARBEITSWELT im Jahr 2022 mehrere Fälle dokumentiert, in denen


eine sogenannte Reisefähigkeit durch Ärzt*innen
2021 attestiert wurde, die sich im Nachhinein mindestens
als fragwürdig herausgestellt hat.
Auskunftsverweigerung und Desinformation, Lohnbetrug
Ein rumänisches Paar arbeitet bei einer Firma und Arbeitswelt
wohnt in einer Wohnung des Arbeitgebers ohne
Mietvertrag. Auch für die Arbeit wird das Paar in 2022 gab es mehrere lebensbedrohliche und tödliche
bar bezahlt. Es gibt zwar Lohnabrechnungen, aber
Arbeitsunfälle im Duisburger Stahlwerk von Thyssen­
keine Quittungen. Die Frau kann wegen einer Risiko-
krupp. So erstickte der 26-jährige Leiharbeiter Refat
schwangerschaft nicht mehr arbeiten, worüber sie
auch ein ärztliches Attest hat. Sie hat einen Antrag Süleyman am 14. Oktober unter bislang ungeklär-
beim Jobcenter gestellt, wofür sie allerdings die nöti- ten Umständen in einem Schlackebecken. Sowohl die
gen Unterlagen vom Arbeitgeber nicht bekommt. Sie ermittelnde Polizei als auch der Betriebsrat erklärten,
wollen zunächst nicht freiwillig kündigen, weil ihnen in dass es sich nicht um ein Fremdverschulden handle.51
dem Fall nicht nur die Obdachlosigkeit, sondern auch Hier wird suggeriert, dass die Betroffenen selbst für
eine dreimonatige Sperrfrist beim Jobcenter droht. die lebensbedrohlichen oder tödlichen Verletzungen
am Arbeitsplatz verantwortlich seien. Dabei schaffen
Auskunftsverweigerung und Desinformation, die Konzerne selbst diese gefährlichen Arbeitsbedin-
Lohnbetrug , Wucher gungen, drücken die Kosten, bauen Arbeitsplätze ab
Eine Baufirma beschäftigt mehrere Menschen aus und rekrutieren günstige Leiharbeiter*innen, die über
Bulgarien auf Minijob-Basis. Oft bleiben nur 150 Euro Subunternehmen beschäftigt werden. Betroffen sind
im Monat übrig, weil sie überteuerte Mieten für eine davon überproportional häufig Migrant*innen und
vom Arbeitgeber gestellte Unterkunft zahlen müssen,
unter ihnen besonders häufig marginalisierte Grup-
welche ihnen direkt vom Gehalt abgezogen werden.
pen wie Rom*nja.
Außerdem dürfen sich die Mitarbeitenden nur bei
der Adresse polizeilich melden, wenn sie dafür extra Migrantische und/oder als Rom*nja gelesene
bezahlen. Menschen sind aufgrund massiver Diskriminierungs-
erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt besonders häufig
von ausbeuterischen Erwerbsverhältnissen betroffen.
2022 Die bei DOSTA 2021 und 2022 gemeldeten 24 Fälle
spiegeln die prekären Arbeitsbedingungen wider,
Kriminalisierende Unterstellung , Kulturalisierung unter denen Menschen in Berlin teilweise arbeiten.
Eine Frau hat Folgendes in einer rumänischsprachi-
Oft profitieren Arbeitgeber*innen von diesem ausbeu-
gen Facebookgruppe gepostet: »Wir stellen Personen
terischen System, welches in einschlägigen Niedrig-
Roma Herkunft (Zigeuner) in Sortierungszentren und
in der Reinigung (öffentliche Toiletten) in mehreren lohnbranchen wie Fleisch-, Bau-, Versand- und Reini-
Städten Deutschlands ein. Der Transport von Rumä- gungsindustrie – um nur einige zu nennen – beson-
nien und der Transfer innerhalb Deutschlands wird ders häufig zu finden und bisher kaum sanktioniert
sichergestellt. Sehr attraktives Gehalt. Genau 1400 ist. Dadurch entsteht ein verschärftes Abhängigkeits-
Euro unabhängig von der Steuerklasse. Kostenlose verhältnis zwischen Arbeitgeber*innen, die von Anti-
Unterkunft (2 Personen im Container). 12 Arbeitsstun- ziganismus profitieren, und migrantischen Beschäf-
den am Tag in zwei Schichten, von Montag- Samstag.
tigten.52 Viele Menschen sind gezwungen, sich auf
Am Anfang Probevertrag. PS: Alkoholiker, Schmutzige
die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen einzulassen.
oder Diebe werden nicht angenommen. Diese Stellen-
anzeige richtet sich ausschließlich an Roma (Zigeuner).« Sie sind für die Arbeitgeber*innen schnell austausch-
bar und es herrscht eine Hire-and-fire-Mentalität.
Lohnbetrug Diese ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse begüns-
Ein wohnungsloser Mann aus Rumänien wurde tigen den Teufelskreis antiziganistischer Diskrimi-
ohne Vertrag von einer Baufirma beschäftigt, um nierung. So ist der Berliner Wohnungsmarkt ohne-
den ganzen Tag auf einer Baustelle zu arbeiten. Ihm hin angespannt, von Rassismus betroffene Menschen
wurden 140 Euro für 12 Stunden Arbeit pro Tag mit einem niedrigen Einkommen erfahren hier also
versprochen, am Ende hat ihm der Chef im Auto nur eine additive Diskriminierung. Die soziale (Un-)
50 Euro gegeben. Sicherheit wird außerdem verstärkt, weil Leistungs-
behörden die Arbeitnehmer*innen für diese Zustände

51 Vgl. Stoltzenberg (25.10.2022).

52 Vgl. UKA (2021), S. 178f.


Auswertung 2021 – 2022 32

sanktionieren, während die dafür verantwortlichen Rumänien, sogar explizit nach Rom*nja oder »Zigeu-
Arbeitgeber*innen meist unbeschadet ihre Betrie- nern« gesucht. Hinzu kommt, dass Rom*nja oder so
be weiterführen. Aufgrund der Corona-Pandemie gelesene Arbeitnehmer*innen immer wieder Ableh-
hat sich die Situation in den letzten Jahren zusätzlich nung oder Diskriminierung erfahren, wenn sie als
verschärft. solche durch das Kollegium oder Arbeitgebende
Oft verfügen Betroffene zwar über ein vertraglich (fremd-)identifiziert werden. Diese äußert sich oft in
geregeltes Arbeitsverhältnis, müssen aber beispiels- kriminalisierenden Unterstellungen und Beleidigun-
weise einen erheblichen Teil ihres Gehalts für die gen.
(überteuerte) Miete direkt dem Arbeitgeber zurück- Das Soziologische Forschungsinstitut Göttin-
geben oder sie werden von diesem in einer Steuer- gen untersucht, wie und zu welchen Bedingungen in
klasse angemeldet, die für ihn vorteilhaft ist, für die Deutschland neu ankommende Migrant*innen Arbeit
Arbeitnehmer*innen aber erheblich höhere Abgaben finden. Dr. Peter Birke, wissenschaftlicher Mitarbeiter
bedeutet. Häufig sind die Arbeitszeiten unregelmä- am Institut, bestätigt, dass auch »Leute aus EU-Migra-
ßig, es herrscht permanenter Zeitdruck, Überstun- tion, insbesondere aus den neuen Beitrittsländern, seit
den müssen ohne Widerworte geleistet werden. Das 2000 jetzt so mehrheitlich in Bereichen ankommen,
bedeutet, dass Betroffene selbst in den vermeintlich die durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingun-
regulierten Arbeitsverhältnissen nicht vor Ausbeu- gen und prekäre Beschäftigungsbedingungen gekenn-
tung geschützt sind. Außerdem ist der Arbeitsalltag zeichnet sind«53.
in den besagten Branchen physisch und mental kräf- Diese Praktiken werden von Befürworter*innen
tezehrend und die Abläufe repetitiv. als Arbeitsmarktflexibilisierung angepriesen, als
Migrantische Beschäftigte erhalten oft niedrige- sogenanntes Sprungbrett für langfristige und siche-
re Löhne als tariflich oder gesetzlich vorgeschrieben. re Beschäftigung. Tatsache ist aber, dass die meisten
DOSTA hat außerdem Fälle dokumentiert, in denen Leute kaum aus den prekären Niedriglohnbranchen
Menschen nach geleisteter Arbeit keinen oder einen herauskommen.54 Solche Arbeitsbedingungen tragen
geringeren Lohn als vereinbart erhalten haben. Viele nicht zur gesellschaftlichen Teilhabe bei, sie behin-
Branchen arbeiten mit Subunternehmen, über die dern diese und führen zu weiteren Ausschlüssen und
Arbeitnehmer*innen beschäftigt sind. Einen regulä- Prekarisierung in vielen Lebensbereichen. Die Angst
ren Arbeitsschutz, wie Kranken- und Rentenversiche- vor dem Verlust der Arbeit ist für viele Rom*nja oder
rung, Gewährleistung des Arbeitsplatzes bei Unfällen dafür gehaltene Personen real, da es auch den Verlust
oder Schwangerschaft oder Urlaubsansprüche, haben von Leistungen und der Unterkunft bedeuten kann.
Betroffene kaum. Schließlich sollte im Bereich Arbeitswelt nicht
Nach einer Krankschreibung droht Arbeit- unerwähnt bleiben, dass parallel zu den hier beschrie-
nehmer*innen die Reduzierung der Stunden oder benen Lebensrealitäten seit Jahren eine antiziganis-
die Einbehaltung des Lohns. Für den Kernbereich tische Debatte zur sogenannten Armutszuwande-
Fleischwirtschaft gilt ab dem 1. Januar 2021 zwar das rung und Sozialleistungsmissbrauch herrscht. Dieses
Arbeitsschutzkontrollgesetz, laut dem Werkverträ- Narrativ ist nicht nur menschenfeindlich, sondern
ge generell sowie Leiharbeit grundsätzlich verboten steht auch im eklatanten Widerspruch zu den beleg-
ist. Es bleibt aber abzuwarten, inwiefern dieses Gesetz baren Zahlen, inwieweit die deutsche Wirtschaft
in der Praxis die Situation der Arbeitnehmer*innen beispielsweise seit der EU-Osterweiterung von den
verbessert. Auslöser für das Gesetz war der massi- zusätzlichen Arbeitskräften profitiert hat. Der Arbeits-
ve Druck von Arbeitnehmer*innen, Gewerkschaften marktforscher Herbert Brücker bestätigt gegenüber
und Zivilgesellschaft nach den Masseninfektionen dem Mediendienst Integration, dass Deutschland als
beim Schlachtbetrieb Tönnies zu Beginn der Corona- Sozialstaat erheblich von den bulgarischen und rumä-
Pandemie 2020. nischen Arbeitnehmer*innen profitiert hat.55
Auch der Zugang zum Berliner Arbeitsmarkt
wird durch Rassismus massiv erschwert. Außerdem
wird uns oft von dubiosen Jobangeboten berichtet.
Hier wird die vulnerable Situation der Arbeitssu-
chenden bewusst ausgenutzt. Immer wieder wurden
bei DOSTA Fälle gemeldet, in denen Menschen
gegen eine Vermittlungsgebühr Arbeit versprochen
wurde – diese Versprechen stellten sich nach Zahlung 53 Vgl. Fannrich-Lautenschläger (20.01.2022).

der Gebühr jedoch als Betrug heraus. In anderen 54 Fittkau (21.03.2022).

Job­inseraten wurde nach Menschen aus Bulgarien, 55 Vgl. Wolf (29.12.2021).


33 Auswertung 2021 – 2022

Soziale Arbeit
Migrantische, von Antiziganismus betroffene Men-schen
sind aufgrund der beschriebenen massiven Diskriminie- Im Jahr 2022 haben wir uns dazu entschieden, Antizi-
rungserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt besonders von ganismus in der Sozialen Arbeit als neuen Lebensbe-
ausbeuterischen Erwerbsverhältnissen betroffen. Aus reich im Kategoriensystem aufzunehmen, um Diskri-
diesem Grund haben wir uns 2022 entschieden, unser minierungserfahrungen von Rom*nja und so gelesenen
Kategoriensystem um zwei Erscheinungsformen zu ergän- Menschen möglichst breit und realitätsnah zu beleuch-
zen: Lohnbetrug und Wucher. ten. Im Jahr 2022 haben wir bereits 24 Vorfälle doku-
mentiert. Gerade in der Sozialen Arbeit verbirgt sich
LOHNBETRUG hinter vermeintlich wohlwollenden »kultursensiblen«
Angeboten oft reines Othering. Othering beschreibt die
Laut § 266a StGB spricht man von Lohnbetrug, Andersmachung von Menschen oder Gruppen sowie
wenn Arbeitsentgelt vorenthalten oder verun- die »Distanzierung und Differenzierung zu anderen
treut wird, ein Teil des Geldes zurückverlangt wird Gruppen, um seine eigene Normalität zu bestätigen«60.
oder die Auszahlung des Lohns geringer ausfällt als Menschen werden negative Eigenschaften zugeschrie-
vertraglich vereinbart. Oft wird ein Teil des Lohns ben, die sich von der vermeintlich »normalen« sozia-
einbehalten, »um andere nicht vertraglich geregel- len Gruppe in deren Wahrnehmung wesentlich unter-
te Dinge abzudecken (z.B. Wohnraum)«56 , oder »das scheiden. Das Konzept stammt aus der postkolonialen
Gehalt ist geringer als der Mindestlohn«57. Theorie und beschreibt den ständigen Akt der Unter-
WUCHER scheidung zwischen »uns« und »den Anderen«61.
Wenn man sich die jahrhundertelange geschicht-
Laut § 291 StGB spricht man von Wucher, wenn liche Entwicklung von Antiziganismus anschaut
jemand die »Zwangslage, die Unerfahrenheit, den sieht man, dass auch die Soziale Arbeit ihren Teil
Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche zu Diskriminierung, Exklusion und Gewalt gegen-
Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, über Rom*nja beigetragen hat. Die Soziale Arbeit hat
dass er sich oder einem Dritten für die Vermietung ihren Ursprung in einer Zeit, in der die »Zigeunerfor-
von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene schung« begründet liegt. So war die sozialarbeiteri-
Nebenleistungen, für die Gewährung eines Kredits, sche Praxis des 19. Jahrhunderts geprägt von gewalt-
für eine sonstige Leistung oder Vermögensvortei- samen Umerziehungsmethoden, aber auch dem Glau-
le versprechen oder gewähren lässt, die in einem ben an Vererbbarkeit von Kriminalität und einer
auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder verminderten Auffassungsgabe.62 Schon zu dieser Zeit
deren Vermittlung stehen«58 . Der Begriff Lohnwu- begann die systematische Erfassung von Rom*nja und
cher ist ein Synonym für die rechtswidrige Ausbeu- Sinti*zze, von denen die Erwachsenen oft zur Zwangs-
tung von Arbeitnehmer*innen. Laut Rechtspre- arbeit gerufen und Kinder den Eltern weggenommen
chung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein auffälliges wurden. Als sich 1933 mit der Machtübernahme der
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleis- Nazis die Situation weiter verschärfte, meldete bspw.
tung vor, wenn »die Arbeitsvergütung nicht einmal die Wohlfahrtspflege konsequent die im Zuge der
zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Arbeit erfassten Sinti*zze und Rom*nja bei den staat-
Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tarif- lichen Verfolgungsinstanzen.63 Nach dem Zweiten
lohns erreicht«59. Weltkrieg wurden pseudowissenschaftliche Erkennt-
nisstände aus der Zeit vor oder während des Krieges
weiter publiziert, was dazu führt, dass Forschungen
bis in die Gegenwart mit großer Vorsicht und kriti-
scher Hinterfragung zu betrachten sind. Auch für den
Wissensstand der Sozialen Arbeit ist es unerlässlich,
dass der NS-Völkermord an Rom*nja und Sinti*zze
wissenschaftlich und gesellschaftlich stärker aufge-
arbeitet wird.64 Bis heute finden sich Kontinuitäten

60 Hoeder (2019).

56 Vgl. Art. 266a StGB. 61 Vgl. Hoeder (2019).

57 Vgl. Art. 266a StGB. 62 Vgl. Stiglechner (2013), S. 3.

58 Vgl. Art. 291. 63 Vgl. Ebd., S. 3 f.

59 BAG, Urteil vom 22.04.2009 - 5 AZR 436/08 64 Vgl. Ebd. S. 5.


Auswertung 2021 – 2022 34

SOZIALE ARBEIT
in der täglichen Praxis einiger Sozialarbeiter*innen,
welche antiziganistische Stereotypen sowie kultura-
lisierende und ethnitisierende Zuschreibungen offen 2022
kommunizieren und reproduzieren. Dabei ist eine
kontinuierliche Reflexion der Sozialarbeiter*innen Kulturalisierung
über die historischen und gegenwärtigen Ausschluss- Ein Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft
mechanismen unabdingbar, um die gleichberechtigte schlägt einer Kollegin vor, einer jungen Bewohne-
Teilhabe von Rom*nja zu ermöglichen. rin der Unterkunft nicht so viel Aufmerksamkeit zu
schenken. Diese habe einen Roma-Hintergund und
In den bei DOSTA dokumentierten Fällen reprodu-
würde die Schule deshalb sowieso bald abbrechen
zieren Sozialarbeiter*innen kulturalisierende, teilwei-
und heiraten, da dies »zur Kultur« gehöre. Die Kolle-
se auch kriminalisierende Annahmen über Rom*nja gin antwortet entsetzt, dass sie selbst der Minderheit
und befeuern Diskurse zu angeblicher Schuldistanz, angehört, studiert und keine Kinder hat. Dann sagt
Kriminalität, »Clan«-Zugehörigkeit und Frühverhei- dieser: »Ach, Sie sind auch Roma? Sie sehen aber nicht
ratung, um nur einige Beispiele zu nennen. Rom*nja so aus.«
werden häufig – nicht nur in der Sozialen Arbeit,
sondern auch in anderen Lebensbereichen – als Opfer Kriminalisierende Unterstellung ,
ihrer eigenen Gruppe, ihrer vermeintlichen Kultur ungerechtfertigte Maßnahme
dargestellt. Diese vorurteilsbehafteteten Herange- Einer bulgarischen Klientin und Mutter wurde tempo-
hensweise kann dazu führen, dass Sozialarbeitende rär das Sorgerecht für ihr Kind entzogen. Das Jugend-
einen pauschalen, vermeintlich kulturspezifischen amt bestätigt ihr, sie könne ihr Kind wiederhaben,
Lösungsansatz verfolgen, statt fallspezifisch auf die wenn sie »Deutsch auf B1 Niveau« lernt.
individuellen Bedürfnisse ihrer Klient*innen einzu-
gehen. Solche Handlungsmuster stärken die gleich-
berechtigte Partizipationsmöglichkeiten von Rom*nja
und so gelesenen Menschen nicht. Sie sind für den
konkreten sozialarbeiterischen Auftrag nicht nur
kontraproduktiv, sondern können Betroffene nach-
haltig schädigen. Besonders auffallend ist hierbei, dass
immer wieder Roma-Selbstorganisationen mit der
Bitte seitens Sozialarbeitenden und den entsprechen-
den Einrichtungen konfrontiert werden, »sich um die
Rom*nja zu kümmern«. Häufig werden in der sozial-
arbeiterischen Praxis individuelle, oft sehr eindeuti-
ge und für den bestimmten Fall relevante Kriterien,
beispielsweise Sprache, Staatsangehörigkeit, Aufent-
haltsstatus der Klient*innen, regelrecht ignoriert. Dies
war auch im Zuge der Zusammenarbeit mit aus der
Ukraine geflüchteten Rom*nja zu beobachten.
Solche Anfragen sind nicht nur aufgrund der ethni-
schen (Fremd-)Zuschreibungen fragwürdig und mit
Blick auf den Datenschutz rechtswidrig (siehe juris-
tischer Exkurs unten), sondern widersprechen auch
den berufsethischen Grundprinzipien der Profession
in dem Sinne, dass Rom*nja hier offensichtlich sozi-
alarbeiterisch segregiert und anders betreut werden
sollten als andere Gruppen.
So werden Rom*nja und dafür gehaltene Menschen
im Rahmen der Sozialen Arbeit nicht selten als homo-
gene, rassifizierte Gruppe behandelt, auch wenn das
unbewusst oder teilweise sogar ungewollt passiert.
Begriffe wie »Kulturkreise« und »Roma-Kultur«
fördern einen rassistischen Diskurs.
35 Auswertung 2021 – 2022

Fremdbezeichnung offen genutzt; mit der Zeit etab-


lierten sich stattdessen verschiedene Codewörter wie
JURISTISCHER etwa »HWAO (häufig wechselnder Aufenthaltsort)«
und »MEM (mobile ethnische Minderheit)«.69
EXKURS Antiziganismus ist ein strukturelles Problem.
Betroffene werden zu Unrecht kriminalisiert und
pauschal verdächtigt. Die Datensammlung über
Antiziganistische Datenerfassungen: Sinti*zze und Rom*nja trägt zu dieser Praxis deut-
Rechtslage und historischer Hintergrund65 lich bei, weil dadurch vermeintlich »objektives
Wissen« entsteht, auf das sich die »Expertise« von
Antiziganistische Kontinuität in der Polizeibeamt*innen oft bezieht. Solche Erfassun-
Erfassung der »ethnischen Zugehörigkeit« gen sind heute nicht nur angesichts geschichtlicher
in Deutschland Kontinuitäten fraglich, sondern auch rechtlich gese-
hen problematisch. Im Folgenden wird die betreffen-
Die behördliche Erfassung von Sinti*zze und Rom*nja de Rechtslage in Deutschland und Berlin erläutert und
hat eine lange Tradition in Deutschland. Schon im anhand verschiedener Beispiele für die bereits skiz-
Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Repu- zierte antiziganistische Kontinuität in dieser Praxis
blik gab es Verordnungen zur »Seßhaftmachung der sensibilisiert.
Zigeuner« und sie wurden mit besonderen Auswei-
sen systematisch erfasst. Während der Zeit des Natio- Rechtliche Grundlagen
nalsozialismus nahmen die Repressionen zu, u.a. mit
dem »Erlaß zur Bekämpfung der Zigeunerplage«. Der Datenschutz genießt sowohl auf Bundesebene als
Die Polizeibehörden spielten bei der Durchset- auch innerhalb der Europäischen Union einen hohen
zung solcher Maßnahmen eine wesentliche Rolle. Das Stellenwert. Er ist mithin auch als ein Grundrecht
Reichskriminalpolizeiamt richtete »Dienststellen für in der Europäischen Grundrechtecharta, im Grund-
Zigeunerfragen« zur Erfassung und Identifizierung gesetz und auf Landesebene in der Berliner Verfas-
aller Sinti*zze und Rom*nja ein.66 Den Höhepunkt sung normiert.70 Um dieses Grundrecht vollumfäng-
dieser rassistischen Politik stellt der Völkermord an lich schützen zu können, sind Verordnungen bzw.
Sinti*zze und Rom*nja im Nationalsozialismus dar. Gesetze dafür erlassen worden. Wichtig in diesem
Sie wurden in Konzentrationslager verschleppt und Zusammenhang sind die oft zitierte Datenschutz-
ermordet. Dabei wurden die Deportationen von den Grundverordnung (DSGVO) auf EU-Ebene, das
Polizeibehörden anhand der zuvor erstellten Daten- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sowie das Berliner
sammlungen organisiert. Mindestens eine halbe Datenschutzgesetz (BlnDSG).
Million Sinti*zze und Rom*nja fiel dieser Vernich- In erster Linie hat die DSGVO als eine europäische
tungspolitik zum Opfer. Verordnung unmittelbaren Vorrang in den Mitglieds-
Der institutionelle Antiziganismus setzte sich staaten. Der Anwendungsbereich der DSGVO ist in
auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Überall in Art. 2 und 3 sachlich und räumlich definiert. Demnach
der Gesellschaft begegneten die Opfer weiterhin den gilt gem. Art. 2 Abs. 1 die Verordnung für die ganz
Tätern: in Schulen, Behörden, aber auch in Gerichtssä- oder teilweise automatisierte Verarbeitung personen-
len.67 1956 urteilte der Bundesgerichtshof zutiefst anti- bezogener Daten sowie für die nicht-automatisierte
ziganistisch und gab den Angehörigen der Minderheit Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem
eine Teilschuld an ihrer Verfolgung und Vernichtung. Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden
Polizeibehörden sammelten weiterhin Informatio- sollen. Eine besondere Ausnahme gilt für Behörden
nen über Sinti*zze und Rom*nja systematisch und zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung
auf Basis der NS-Aktenbestände.68 Zur Identifikati- oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvoll-
on wurden teilweise die KZ-Nummern von Überle- streckung, einschließlich des Schutzes vor und der
benden verwendet. In den ersten Jahrzehnten nach Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit.
dem Nationalsozialismus wurde dabei die rassistische

65 Dieser Text erschien ursprünglich im Kurzbericht Dokumentation


antiziganistischer Vorfälle 2021 (Amaro Foro 2022).

66 Vgl. Sparing (2014).

67 Vgl. Wierich (2020). 69 Ebd.

68 Vgl. Margalit (1997). 70 Vgl. Art. 8 GRCh. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1. Abs. 1 GG. Art. 33 VvB.
Auswertung 2021 – 2022 36

Die Erfassung der insgesamt 86 Tatverdächtige ermittelt werden, davon


»ethnischen Herkunft« als besondere 33 weibliche. Unter den 45 Nichtdeutschen befanden
Kategorien personenbezogener Daten sich 27 polnische Staatsangehörige, davon 16 weib-
liche.« Diese Änderung wurde erst vorgenommen,
Die DSGVO stuft einige Informationen als besondere nachdem Roma-Selbstorganisationen wie Amaro
Kategorien personenbezogener Daten ein. Gem. Art. 9 Foro sich mit ihrer Kritik an die Medien wandten.
Abs. 1 DSGVO sind das die sog. »rassische« und ethni- Diese Passage war auch Anlass für die Berliner
sche Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder Beauftragte für Datenschutz und Informationsfrei-
weltanschauliche Überzeugungen, Gewerkschafts- heit die personenbezogenen Daten auf die Konformi-
zugehörigkeit, genetische oder biometrische Daten, tät mit dem Berliner Datenschutzgesetz zu überprü-
Gesundheitsdaten, Daten zum Sexualleben und die fen. Die Angaben »Sinti«, »Roma« und »Zigeuner«
sexuelle Orientierung. Diese Daten dürfen grundsätz- sind nicht nur auf Zeugen- und Beschuldigtenaus-
lich nicht verarbeitet werden, außer in den Fällen des sagen, sondern auch in einigen behördeninternen
Abs. 2, der einige Ausnahmen vorsieht. Akten, erfasst von Mitarbeitenden der Polizei Berlin,
Bezüglich besonderer Kategorien personenbe- zu finden und ohne Zusammenhang zu den obigen
zogener Daten gilt für die öffentlichen Stellen in Aussagen von Zeugen und Beschuldigten niederge-
Deutschland bzw. in Berlin ein grundsätzliches schrieben. Diese Angaben sind nicht ermittlungsre-
Verarbeitungsverbot. Diese dürfen ausnahmsweise levant und nicht ausschlaggebend für die Strafverfol-
verarbeitet werden, wenn sie zur Aufgabenerfüllung gung, weshalb die Datenschutzbeauftragte in Berlin
unbedingt erforderlich sind (vgl. § 48 Abs. 1 BDSG die Erhebung dieser personenbezogenen Datenver-
bzw. § 33 Abs. 1 BlnDSG). Mithin ist es auch für die arbeitung durch die Berliner Polizei für rechtswidrig
Polizeibehörden die Verarbeitung besonderer Kate- erkennt.71
gorien personenbezogener Daten nur unter diesen Viel gravierender hierbei ist die Tatsache, dass
Umständen erlaubt, diese müssen jedoch relevant für diese rassistischen Zuschreibungen als polizeili-
die Ermittlungen sein. ches Expertenwissen dargestellt wurde. Laut eines
Antwortschreibens des ehemaligen Berliner Innen-
Erfassung von Sinti*zze und Rom*nja senators Andreas Geisel an den Zentralrat deutscher
im Schutzbereich der personenbezogenen Sinti und Roma beruhen die Angaben der Kriminal-
Daten: Problematische Entwicklungen statistik auf den »fachlich fundierten Einschätzun-
in Berlin gen« der Beamt*innen.72 Diese Antwort ist angesichts
In Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Rede von »rassischer der zahlreichen »Zigeunerexperten« oder »-spezialis-
und ethnischer Herkunft«. Da »Rassen« nicht existie- ten« der Nachkriegszeit, welche v.a. Polizeibehörden
ren und im Erwägungsgrund 51 der DSGVO versucht berieten oder sogar diesen angehörten, ausdrücklich
wird, sich von dem Begriff zu distanzieren, wird sich kritisch zu sehen.73
fortan nur auf die »ethnische Herkunft« bezogen. 2021 machte ein ähnlicher Vorfall berlinweit
Die ethnische Herkunft darf von öffentlichen Stel- Schlagzeilen, welcher auch bei DOSTA gemeldet
len erfasst werden, wenn diese Information unbedingt wurde. Laut einer Anfrage von Sebastian Walter
erforderlich ist. Bei den Strafverfolgungsbehörden ist (MdA, die GRÜNEN) im Berliner Abgeordneten-
das der Fall, wenn die Information über die ethnische haus wurde im Rahmen der elektronischen Erfassung
Herkunft maßgeblich (wenn nicht sogar federfüh- der Berliner Jugendämter als ergänzende Angaben
rend) zur Aufklärung beiträgt. bei »ausländischen Mitbürgern« die Angabe »Sinti/
In der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2017 Roma« erhoben und gespeichert. Laut der Antwort der
des Landes Berlin hieß es in der Originalfassung: »Zu Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie
dem Phänomen ›Trickdiebstahl in Wohnung‹ konnten stellten »sowohl Selbst- als auch Fremdeinschätzun-
insgesamt 86 Tatverdächtige ermittelt werden, davon gen der zuständigen Sozialarbeiterinnen und Sozial-
33 weibliche. (…) Bei den hierzu durch die Fachdienst- arbeiter die Grundlage für den Dateneintrag dar«.74
stelle ermittelten Tatverdächtigen handelt es sich über- Die Datenerfassung hing laut des Antwortschrei-
wiegend um Angehörige der Volksgruppe der Sinti bens im Zusammenhang mit dem Aktionsplan Roma,
und Roma. Diese Familienclans leben mittlerwei-
le seit Jahren in Deutschland und besitzen größten- 71 Jahresbericht 2020 der Berliner Beauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit, S. 76ff.
teils die deutsche Staatsangehörigkeit.« In der Ände-
72 Podsadny (2021).
rung vom 15. Januar 2020 heißt es mittlerweile: »Zum
73 Vgl. Margalit (1997). Lotto-Kusche (15.09.2021).
dem Phänomen ›Trickdiebstahl in Wohnung‹ konnten
74 Dr. 18 / 28 317 AGH Berlin, S. 3
37 Auswertung 2021 – 2022

welcher »mit gezielten Maßnahmen in verschiedenen vulnerabelsten ethnischen Minderheiten leicht für
Handlungsfeldern [...] neu zugezogene Roma [...]«75 rassistische und antiziganistische Zwecke missbraucht
unterstützen solle. Ironischerweise steht im Aktions- werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die erste
plan dagegen Folgendes: »Wie viele Personen sich als Anwendung einer sogenannten biogeografischen
Roma verstehen, wird nicht erfasst, da es in Deutsch- Herkunftsanalyse in Deutschland im Fall der 2007
land keine statistische Erfassung ethnischer Zugehö- ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Zwei Jahre
rigkeit gibt«.76 Gemäß der Anfrage erfasst auch der lang suchten die Ermittler*innen nach einer »unbe-
Berliner Notdienst Kinderschutz unter der Kategorie kannten weiblichen Person« aus der Roma-Commu-
»Migrationshintergrund« Angaben zum sog. »Kultur- nity, dem sogenannten »Phantom von Heilbronn«.
kreis Sinti/Roma«.77 Inwiefern die Datenerhebungen Die Medien übernahmen das rassistische Narrativ
zugunsten der betroffenen Familien wirken, ist dem der Polizei und folgten der »heißen Spur ins Zigeu-
Antwortschreiben keineswegs zu entnehmen und nermilieu«, wie der Stern damals berichtete.80 Auch
damit bleibt die Rechtmäßigkeit der Erfassung höchst nachdem im Dezember 2008 bekannt wurde, dass die
fraglich. verfolgte DNA-Spur von verunreinigten Wattestäb-
chen stammte und damit von einer Angestellten der
Erfassung von DNA-Daten Herstellerfirma, wurde weiterhin gegen eine Grup-
von Sinti*zze und Rom*nja pe serbischer Rom*nja ermittelt. 2011 stellten sich als
eigentliche Täter*innen die Mitglieder des National-
Die Erfassung genetischer Daten gehört ebenfalls sozialistischen Untergrunds (NSU) heraus.81
zu den besonderen Kategorien personenbezogener Die Studien, mit denen sich Lipphardt und Surdu
Daten, welche gemäß Artikel 4 und 9 DSGVO die beschäftigt haben, enthalten populations-, medi-
eines erhöhten Schutzes bedürfen. zin- und forensisch-genetische Untersuchungen an
Genetiker*innen haben jahrzehntelang DNA- Rom*nja. 45 davon legen den Fokus auf kriminalistische
Daten Tausender Rom*nja gesammelt und in öffent- Zwecke. Die Analyse umfasste Papiere, die zwischen
lichen Datenbanken hinterlegt. Der angebliche Zweck 1921 und 2021 veröffentlicht wurden, die meisten aber
einiger dieser Studien war es, mehr über die Geschich- in den letzten 30 Jahren. Die früheren Papiere enthiel-
te und Genetik der Rom*nja zu erfahren. Fünf Jahre ten »so viele schockierende Überraschungen«82, sagt
lang hat ein Forscher*innen-Team in Deutschland Prof. Dr. Veronika Lipphardt, wie die Proben von
und im Vereinigten Königreich mehr als 450 Veröf- inhaftierten Rom*nja und viele Fälle rassistischer und
fentlichungen zusammengetragen, in denen die antiziganistischer Sprache. Vor allem kritisieren die
DNA von Rom*nja verwendet wurde. Dabei stellten Forscher*innen die Vernachlässigung von ethischen
sie sich die Frage, wie Genetiker*innen und andere Standards sowie einen allgemeinen Mangel an Trans-
Wissenschaftler*innen diese genetischen Informati- parenz und ethischer Sensibilität für DNA-Daten von
onen erhalten, interpretieren und weitergeben.78 Ihre Rom*nja in genetischen Studien.
Analyse enthüllte viele Fälle von klarem Missbrauch Mit Blick auf die jahrhundertelange Unterdrü-
oder fragwürdiger Ethik. Die Forscher*innen Prof. Dr. ckung der Rom*nja, die Verfolgung und Ermordung
Veronika Lipphardt und Dr. Mihai Surdu vom Univer- durch das NS-Regime und die bis heute anhalten-
sity College Freiburg bestätigen, dass in Europa keine de Diskriminierung, die sie erfahren müssen, sind
andere Bevölkerungsgruppe für Genetiker*innen so diese Methoden für uns vollkommen inakzepta-
interessant ist wie Rom*nja. Dementsprechend wird bel. Während des Porajmos sammelten Nazis Blut-
in diesem Bereich auch intensiv zu ihrer Migrations- proben von in Auschwitz inhaftierten Rom*nja und
geschichte, ihren vermeintlich typischen Krankheiten ermordeten Hunderttausende Rom*nja und Sinti*zze.
und Unterschieden zu anderen Menschen in Europa Im Jahr 2015 verteidigte die slowakische Regierung
geforscht.79 ihre Praxis, Roma-Kinder in Schulen zu segregieren,
Solche Erbgut-Datenbanken sind auch für Polizei- indem sie fälschlicherweise »leichte geistige Behin-
behörden interessant, wodurch diskriminierte Grup- derungen« anführte, die mit »hohem Ausmaß an
pen noch stärker stigmatisiert und kriminalisiert Inzucht« in Roma-Gemeinschaften verbunden seien.
werden. Wir finden diese Erfassung hoch problema- Genetik wird in diesem Fall für eugenische Schluss-
tisch und gefährlich, da solche sensiblen Daten der folgerungen missbraucht, wie wir sie auch bei DOSTA
75 Ebd. S. 2.
dokumentieren.
76 Beauftragte für Integration und Migration des Senats von Berlin (o.J.).

77 Dr. 18 / 28 317 AGH Berlin, S. 1. 80 Schmidt (12. 4. 2012).

78 Berndt (14.11.2020). 81 Vgl. Amaro Foro (2019), S. 23.

79 Lipphardt/ Surdu (30.04.2021). 82 Imbler (17.11.2021).


Auswertung 2021 – 2022 38

Außerdem fanden Lipphardt und Surdu heraus, 2021


dass viele Studien ohne das Einverständnis der von
ihnen untersuchten Personen durchgeführt wurden. Rechtswidrige Erfassung der (vermeintlichen)
Eine Studie aus dem Jahr 2015, die auf die indische ethnischen Zugehörigkeit
Herkunft der Rom*nja hinwies, lud ihren angehäuf- Eine Privatperson kontaktiert mehrmals ein Berliner
ten DNA-Datensatz in zwei öffentliche Datenbanken Jugendamt und beschwert sich anhand rassistischer
hoch, die Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Stereotype über eine vermeintliche »Roma-Familie«.
Auf Basis der Zuordnung des Nachbarn wurde die
Welt für genetische Referenzen zur Aufklärung von
Familie als »Roma-Familie« im System des Jugend-
Verbrechen verwenden. Es ist davon auszugehen, dass
amtes registriert und anhand gängiger Stereotypen
die ursprünglichen Teilnehmer diesem Zweck nicht bewertet.
zugestimmt haben. Hinzu kommt, dass die isolierten
Datensätze, die oft bestimmte Dörfer benennen, auch
die Anonymität von Personen gefährden. 2022
Rechtswidrige Erfassung der (vermeintlichen)
ethnischen Zugehörigkeit
Die Schulaufsicht eines Bezirks hat nach der Anzahl
der Roma-Kinder bei der Schulleitung einer Schu-
le gefragt. Das Sekretariat hat diese Anfrage nicht
weitergeleitet.
39

MEDIEN-
MONITORING
2021 – 2022

Die jahrelange Arbeit von Roma-Selbstorganisationen zeigt auch in der


medialen Kommunikation Wirkung: So gibt es etwa weniger Zuschrei-
bungen einer Roma-Identität bei negativ besetzten Themen. Das dürfte
allerdings auch daran liegen, dass in Zeiten von Pandemie und Ukrai-
ne-Krieg insgesamt weniger andere Themen eine Rolle spielten. Immer
mehr Zeitungen berichten außerdem anlässlich des Weltromatags am 8.
April oder nehmen Studien zu Antiziganismus zur Kenntnis. Insgesamt
ist bei professionellen Medienschaffenden die Sensibilität gegenüber der
rassistischen Fremdbezeichnung gewachsen, auch wenn Ereignisse wie
die Sendung »Letzte Instanz« 2021 daran gelegentlich zweifeln lassen:
Vier weiße Deutsche vertraten darin die Meinung, man könne problem-
los »Zigeuner« sagen.
Verschwunden sind antiziganistische Klischees jedoch bei Weitem
nicht. Dass keine tiefgreifende Veränderung stattgefunden hat, wird
deutlich, wenn man in den Blick nimmt, worüber nicht berichtet wird:
In den Jahren 2021 und 2022 sind in EU-Ländern mindestens drei
Rom*nja – Stanislav Tomáš, Nikos Sampanis und Kostas Fragoulis – von
Polizist*innen getötet worden und in der mehrheitsdeutschen Öffent-
lichkeit ist das offenbar nicht berichtenswert. Stattdessen wird in deut-
schen Medien beklagt, dass Polizist*innen aus Angst vor Rassismusvor-
würfen kaum noch handeln könnten. Für die realen Machtverhältnisse
zwischen staatlichen Organen und marginalisierten Gruppen scheint es
wenig Bewusstsein zu geben. Es erscheinen Artikel, die unkritisch die
Medienmonitoring 2021 – 2022 40

Sichtweise der Polizei übernehmen oder die anzweifeln, dass Rassismus


in diesen Fällen eine Rolle gespielt hat. Aktivist*innen wird unterstellt, Einige Ermittler fürchten Rassismusvorwür-
sich über solche Fälle zu freuen, anstatt anzuerkennen, dass es ebendiesen fe, ist aus der Polizei zu hören, schon weil die
Verdächtigen womöglich zur Roma-Minder-
Aktivist*innen zu verdanken ist, wenn überhaupt darüber gesprochen heit gehörten.
wird. Wenn journalistische Beiträge auch nur andeuten, tödliche Polizei- Tagesspiegel, 10.9.2022
gewalt könnte durch das Verhalten des Opfers rechtfertigt werden, liegt
eine geradezu lehrbuchhafte Täter-Opfer-Umkehr vor. Wenn Proteste
nach einem solchen Ereignis als »Randale« diffamiert werden, fehlt offen-
bar jede Sensibilität dafür, dass gerade ein Mensch von einem Vertreter
des Staates getötet wurde. Solche Artikel finden sich auch in linken und Eine Kausalität zwischen Polizeieinsatz und
liberalen Medien und sie sind schwer erträglich. Hautfarbe scheint in diesem Fall etwas zu
konstruiert, da der Einsatz eindeutig auf
Im Jahr 2021 war in Berlin vor allem die Ankunft von Geflüchteten das Verhalten und nicht die Herkunft des
aus Moldau ein Thema, über das immer wieder berichtet wurde und bei Mannes zurückzuführen ist. Das Narrativ
dem antiziganistische Stereotype eine große Rolle spielten. Ein »Brand- eines »tschechischen George Floyd« scheint
dabei allerdings zu schön, um es so leicht
brief« von Mitarbeiter*innen des LAF wurde dem RBB zugespielt, der aufzugeben.
prompt berichtete, was in der Folge eine ganze Reihe rassistischer Berich- [ ... ]
te nach sich zog. Gemäß dem deutschen und europäischen Asylrecht Auch wenn die Geschichte bislang völlig an-
haben Menschen das Recht, nach Deutschland zu kommen und einen ders aussieht und keine Beweise oder In-
dizien aufgetaucht sind, die die offizielle
Asylantrag zu stellen. Für die Dauer des Verfahrens müssen sie unter- Version anzweifeln, halten Roma-Aktivisten
gebracht und verpflegt werden und bekommen eine geringe Summe daran fest, ihren »George Floyd« gefunden
Bargeld für sonstige Ausgaben. Beim LAF war man dazu übergegangen, zu haben Sie versuchen, den Tod des jungen
Mannes zu instrumentalisieren, um auf die
statt für Unterkunft und Verpflegung zu sorgen, entsprechende Geld- Probleme der Roma in Tschechien aufmerk-
beträge auszuzahlen, und zwar nicht nur für jeweils eine Woche oder sam zu machen.
zwei, sondern für längere Zeiträume. In der medialen Debatte hieß es taz, 23.6.2021
nun, Menschen würden nur für das Bargeld kommen und es gäbe einen
Ansturm, der Berlin zu »überrollen« drohe. Die Wortwahl erinnerte häufig
an Naturkatastrophen oder Ähnliches. Dadurch wird eine vermeintliche
Bedrohung heraufbeschworen. Derartige Debatten werden in Deutsch-
land inzwischen geradezu regelmäßig geführt und meist ziehen sie eine GRIECHENLAND:
erneute Verschärfung des Asylrechts nach sich. Häufig werden gezielt RANDALE NACH SCHUSS
verschiedene schutzbedürftige Gruppen gegeneinander ausgespielt und
AUF 16-JÄHRIGEN ROMA
in »gute« und »schlechte« Geflüchtete unterteilt, wobei diese Zuschrei-
Morgenpost, 8.12.2022
bungen sich rasch ändern können. Schutzsuchende Menschen werden so
dehumanisiert und kriminalisiert. Das ist zynisch, insbesondere wenn

Obwohl die Zugehörigkeit zu einer speziellen Volksgruppe bei


der Registrierung der Neuankömmlinge nicht erhoben wird, be-
richten Beobachter, dass es sich um zumeist größere Familien von
Roma handelt.
[ ... ]
Kritiker fürchten den Vowurf
des »Antiziganismus«
Auch Betreiber von einigen Flüchtlingsheimen berichten unter
der Hand von Problemen mit den Roma-Clans. Manche koteten
in Treppenhäuser oder in Duschen, entzündeten trotz Verbots
Lagerfeuer vor den Häusern, schmissen Müll aus den Fenstern,
pöbelten die Sprachmittler an und verhielten sich insgesamt
nicht so, wie man es von den anderen Bewohnern kennen (sic!).
MOLDAWIER DRÄNGEN »Viele wünschen sich mal wieder ordentliche syrische Familien«,
NACH BERLIN heißt es aus der Szene. Laut sagen möchte das niemand, man
fürchtet den Vorwurf des Antiziganismus, also der generellen
Roma aus dem ärmsten Land Europas Ablehnung von Sinti und Roma.
stellen derzeit die Mehrzahl der Flüchtlinge Morgenpost, 9.8.2021
41 Medienmonitoring 2021 – 2022

man die Einwohnerzahl von Berlin und die Zahl der Geflüchteten gegen-
LOCKT BERLIN MIT BAR- überstellt. Hier wurden Menschen, die lediglich ihr Recht wahrgenom-
GELD ASYLBEWERBER men haben, willentlich diskreditiert. In den Schilderungen war von Müll,
Drogen, Kriminalität und Großfamilien die Rede, also den üblichen anti-
AN?
ziganistischen Klischees. Eine Großfamilie ist in diesen Darstellungen
Das Innenministerium warnt vor Asyl-
aber jede mit mehr als zwei Kindern, und Müll u.Ä. dürften sich tatsäch-
missbrauch und Schleuserkriminalität.
[ ... ] lich in jeder Berliner Grünanlage finden. Ausgerechnet in einem solchen
Geht es also um gezielte Abzocke von Sozi- Kontext Geflüchteten kontinuierlich eine Roma-Identität zuzuschreiben
alleistungen? und in einer solchen Art darüber zu berichten ist Ausdruck tradierter
Tagesspiegel, 13.9.2021 rassistischer Klischees. Es zeigt, wie tief diese Klischees in der Domi-
nanzgesellschaft verankert sind und schreibt sie gleichzeitig fort. Für die
Betroffenen bedeutet das eine reale Gefährdung. Bis heute nicht hinrei-
chend geklärt bzw. skandalisiert ist, warum Mitarbeiter*innen einer
Berliner Behörde aus eigener Initiative eine solche Debatte auslösen und
Ziel des Ganzen ist offensichtlich das Er-
damit das Narrativ befeuern, Menschen aus Moldau hätten keine legi-
schleichen von Sozialleistungen, die in Berlin
unter anderem bar geleistet werden. »Große timen Fluchtgründe. Seit Beginn des Ukrainekrieges wird für Abschie-
Familien aus Moldau, die nicht selten aus 10 bungen nach Moldau eine zusätzliche Begründung herangezogen: Diese
Personen bestehen, erhalten am ersten Tag
(...) bis zu 4.500 Euro in bar«, schreiben die
seien nötig, um Platz für Geflüchtete aus der Ukraine zu schaffen. Hierbei
Mitarbeiter und ergänzen: »Die Freude dar- handelt es sich um ein zynisches Ausspielen einer Gruppe von Schutzsu-
über ist enorm und es wird umgehend jeder chenden gegen eine andere.
Bekannte kontaktiert, um darüber zu be-
richten.« Dass Schleuser Menschen gezielt 2022 kann der Ukraine-Krieg, und die dadurch ausgelöste Flucht
absetzen, hat ein Team des rbb selbst be- nach Deutschland, als das dominante Thema angesehen werden. Die
obachtet. Es recherchierte tagelang vor Ort anfangs vorherrschende Solidarität galt für Rom*nja aus der Ukraine nur
und kann die Zustände dort bestätigen.
Das Team fand auch haufenweise Spritzen- sehr eingeschränkt. Nicht nur auf dem Weg nach Deutschland, sondern
verpackungen oder Spritzenbesteck für He- auch nach ihrer Ankunft erlebten sie Segregation und Benachteiligung.83
roin und Crack vor. Es fällt auf, dass in Medienberichten häufig zwischen Ukrainer*innen
RBB exklusiv, 4.8.2021
und Rom*nja unterschieden wird – dazu trägt offenbar auch das weitver-
breitete Vorurteil bei, Rom*nja seien staatenlos. Es ist zwar richtig, dass
Rom*nja ebenso wie andere marginalisierte Gruppen tendenziell häufi-
ger von Staatenlosigkeit betroffen sind. Aber es sind weder ausschließ-
»Wir schieben weiter nach Moldau ab«, sag- lich Rom*nja betroffen, noch sind alle Rom*nja in der Ukraine staaten-
te Spranger. Konkret soll das 600 Moldau- los. Hier erweisen sich alte antiziganistische Stereotype als wirkmächtig.
er bis Ende März betreffen. »Damit werden Wünschenswert wäre, dass stattdessen anerkannt wird, wie viele Migra-
dringend benötigte Plätze in den Unterbrin-
gungseinrichtungen frei«, erklärte die Se- tionen, Vertreibungen und Umsiedlungen es im Europa des 20. Jahrhun-
natorin. Der Senat erwartet laut Spranger derts gegeben hat, wie häufig Staatengrenzen verschoben wurden oder
im Winter 12.000 weitere Kriegsflüchtlinge ganze Staatengebilde sich auflösten. Das Konzept des ethnisch homo-
aus der Ukraine, der Bund insgesamt eine
Million. genen Nationalstaats ist historisch gesehen relativ jung. In vielen euro-
Tagesspiegel, 30.11.2022
päischen Regionen gibt es Staatenlosigkeit bzw. Menschen, die in einem
Staat leben, ohne formal Staatsbürger*innen zu sein, sowie multiple und
fluide Zugehörigkeiten.
Von der Markierung als nicht-ukrainisch war es oft kein weiter Weg
mehr bis zu der Behauptung, Rom*nja seien keine »richtigen« Kriegsflücht-
Laut Schätzungen der Bundesregierung ha- linge. Genau wie bei Geflüchteten aus Moldau wurde behauptet, Rom*nja
ben etwa 29 000 Menschen aus der Ukra- kämen immer in Großfamilien und zwar mit dem Ziel des Leistungsbe-
ine ohne ukrainische Staatsbürgerschaft in
Deutschland Zuflucht gesucht, darunter zugs als Teil eines großen Ansturms. Es fällt auf, dass Roma-Geflüchte-
fallen viele schwarze Menschen und Peo- te grundsätzlich als Problem dargestellt werden. So wurde beispielswei-
ple of Color, viele Studierende, aber auch se folgende Äußerung des Thüringer Justizsenators Dirk Adams (Bünd-
Unternehmer*innen und Arbeiter*innen,
die erst seit kürzerer Zeit in der Ukraine ge- nis 90/Die Grünen) von mehreren Medien aufgegriffen, der erklärte, es
lebt haben sowie Staatenlose, zum Beispiel würden keine Unterschiede zwischen Geflüchteten gemacht: »Das gilt für
Roma und Sinti.
den Universitätsprofessor aus Kiew genauso wie für Roma.« Nach dieser
nd, 1.9.22
Logik können Rom*nja grundsätzlich keine Professor*innen sein. Solche
Formen der Abwertung und Ausgrenzung durchziehen die deutsche

83 Vgl. dazu auch das Schwerpunktthema am Anfang dieser Broschüre.


Medienmonitoring 2021 – 2022 42

Medienlandschaft seit Jahrzehnten – so titelte beispielsweise »ZDF heute«


2013: »Es kommen nicht nur Roma, es kommen auch Akademiker.« Das BÖSER VERDACHT:
zeigt nicht nur, wie weit das antiziganistische Klischee, Rom*nja seien per KOMMEN ROMA
se ungebildet, verbreitet ist, sondern auch, dass reale Fluchtgründe über-
WIRKLICH AUS DER
haupt keine Rolle spielen, wenn es um Rom*nja geht. Es handelt sich um
UKRAINE?
eine rassistische Hierarchisierung.
»Sowohl die dort beschäftigten Mitarbei-
Solche Diskurse der Delegitimierung und Kriminalisierung haben für
ter als auch andere ukrainische Flüchtlinge
die Betroffenen mitunter lebensbedrohliche Konsequenzen. In Thürin- haben mir gegenüber den Verdacht geäu-
gen gab es besonders viele derartige Medienberichte und in der Folge ßert, dass es sich bei einem erheblichen Teil
der Personen nicht um Ukrainer handelt.«
kam es zu Anschlägen und Hakenkreuzschmierereien auf Geflüchteten- Demnach könnten es auch Roma sein, »die
unterkünfte. In einem Fall musste vom Bezug einer Unterkunft abgese- aus Ungarn, Rumänien und anderen osteu-
hen werden, weil die Gefahr für die Geflüchteten zu groß gewesen wäre. ropäischen Ländern zu uns kommen und die
enorme Hilfsbereitschaft Deutschlands im
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte auf die zukünftige Gesetzge- Zusammenhang mit dem Krieg ausnutzen«.
bung und Verwaltungspraxis auswirken wird. Focus, 8.4.2022
Ganz ähnliche antiziganistische Mediendebatten hatte es 1992 gege-
ben; sie kulminierten im Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, das sich
2022 zum 30. Mal jährte. Zwar wurde erfreulich viel darüber berich-
tet, es überrascht jedoch, dass vielfach noch immer nicht bekannt ist,
München – Die Stadt steht vor einer Her-
dass dieses Pogrom auch antiziganistisch motiviert war und sich nicht
ausforderung , die sie noch nicht erlebt hat.
nur gegen vietnamesische Vertragsarbeiter*innen richtete. Im Deutsch- Auf dem Messegelände entwickelt sich eine
landfunk wurde tatsächlich ergebnisoffen diskutiert – und bestritten –, Kleinstadt aus Sinti und Roma. Anschei-
nend stammen auch nicht alle Ankommen-
dass es sich um ein Pogrom handelte. Die Verantwortung des Staates, den aus der Ukraine.
der gezielt Unterstützung verweigerte und kurz vor der Eskalation der Bild, 3.4.2022
Lage auch noch die Polizei abzog, wurde ignoriert. Stattdessen schob die
Reporterin unter Zuhilfenahme antiziganistischer Klischees die Verant-
wortung den Leidtragenden zu. Amaro Foro hat gegen diesen Beitrag
eine Programmbeschwerde eingelegt; bis Redaktionsschluss lag keine
Thüringens Kommunen haben kaum noch
Antwort des Senders vor.
Kapazitäten, um Flüchtlinge unterzubrin-
Mit Blick auf die damalige Entwicklung der Ereignisse in Rostock- gen. Erschwerend kommt die Ankunft vieler
Lichtenhagen und in den darauffolgenden Jahren sind wir in Bezug auf Roma-Großfamilien aus der Ukraine hinzu.
[ ... ]
die Gegenwart in Sorge. Denn wieder werden Rom*nja als eine uner-
Klar sei allerdings auch, dass keine Unter-
wünschte Gruppe von Migrant*innen hervorgehoben. Ihr Leben und
schiede zwischen Flüchtlingen gemacht wer-
ihre Unversehrtheit scheinen öffentlich weniger von Interesse zu sein; die den. »Das gilt für den Universitätsprofessor
lebensbedrohliche Gefahr, die von extrem rechten Akteur*innen – und aus Kiew genauso wie für Roma.«
letztlich auch von politischen und medialen Debatten – ausgeht, wird FAZ, 18.7.2022
weiterhin konsequent unterschätzt.
43 Medienmonitoring 2021 – 2022

VISUELLE
STEREOTYPE

Die Bebilderung von Artikeln rund um die Themen


»Lebenssituation von Rom*nja« und »Antiziganis-
mus« ist auch 2021 und 2022 problematisch geblieben.
So erschien beispielsweise im Deutschlandfunk am
2.3.2021 ein Bericht über eine Studie zu Antiziganismus. Sinti und Roma in Deutschland (Deutschlandfunk, 2.3.2021)
Es ist zu begrüßen, dass darüber berichtet wird. Bebil-
dert ist der Bericht jedoch mit einer Aufnahme, die
Menschen auf einer Straße von hinten zeigt, verse- als Rom*nja gelabelt werden und offenbar auch noch
hen mit typischen Markern von Armut und unvor- als repräsentativ für die ganze Gruppe. Zum anderen
teilhaft dargestellt. Einer der abgebildeten Menschen ließe sich diskutieren, warum eigentlich ein Artikel
isst gerade; solche Darstellungen von Rom*nja finden über eine Studie zu Antiziganismus (ein Ressentiment
sich häufig und sie hängen mit dem Klischee vom der Mehrheitsgesellschaft gegen als Rom*nja gelesene
»wilden, freien Leben«, das sich draußen abspielt, Personen) mit einem Bild von vermeintlichen Rom*nja
zusammen. Die Bildunterschrift lautet: »Sinti und versehen wird. Es ist aufschlussreich, sich anzusehen,
Roma in Deutschland«. Zum einen ist es fraglich, mit welchen Schlagworten das Bild in der Datenbank
warum und auf welcher Grundlage diese Menschen von imago versehen wurde.
Medienmonitoring 2021 – 2022 44

Ebenso wie Bilder fallen auch Bildunterschriften


immer wieder negativ auf. Angesichts dieser stereo-
typisierenden Verschlagwortung kann das kaum
verwundern.
Die Junge Welt versah einen Artikel, in dem es um
die Lebensbedingungen von Rom*nja in verschiede-
nen Ländern ging und in dem ein Vertreter von Amaro
Foro zitiert wurde, mit dem Bild einer Pferdekutsche,
die durch eine ärmlich aussehende Siedlung fährt. Bei
solchen Berichten stellt sich immer die Frage, inwieweit taz, 15.2.2021
sich die – berechtigte – Skandalisierung von prekären
Lebensbedingungen visuell niederschlagen sollte und
wo die Grenze zum Voyeurismus überschritten ist. Oft gesichtslose und potenziell fremde »Masse« eine jahr-
wird eine vermeintliche Rückständigkeit in den Fokus hundertealte Tradition in den europäischen Blickregi-
genommen, die ein uraltes antiziganistisches Klischee men hat – während Angehörige der Dominanzgesell-
ist – ohne die notwendigen Differenzierungen vorzu- schaft tendenziell als Subjekte auf Augenhöhe darge-
nehmen oder gar Verantwortlichkeiten zu benennen. stellt werden, und zwar mit ihrem Einverständnis.
Es hat einen Effekt auf die Leser*innen, wenn das Label Speziell zu diesem Bild liegt in der Antiziganismus-
forschung ein ganzer Aufsatz vor, der Punkt für Punkt
erläutert, welche visuellen Marker und stereotypen
Verknüpfungen dieses Bild enthält. Die taz wurde auf
diesen Aufsatz und die darin geäußerte Kritik hinge-
wiesen, hat das Bild aber bis heute nicht geändert.

Amaro Foro hat im Rahmen des Medienprojekts


einen Lösungsansatz für das Problem der Bebilderung
entwickelt. In den Datenbanken sind immer noch
ganz überwiegend stereotypisierende Bilder zu finden,
zum Teil versehen mit verheerenden Schlagwor-
Junge Welt, 26.10.2022
ten. Gleichzeitig arbeiten Bildredakteur*innen unter
erheblichem Zeitdruck. Daher haben wir einen Foto-
»Rom*nja« immer mit einem Bild von einer Pferdekut- pool aufgebaut, der ab dem 29.3.2023 auf der Home-
sche oder von visuellen Markierungen von Armut oder page kostenlos zur Verfügung steht. Wir setzen den
gar Müll kombiniert wird. fremden Bildern eigene und selbstbestimmte entge-
Ein weiteres Beispiel findet sich in der taz, dieses gen. Der Fotopool wird in diesem und den folgenden
Bild zeigt eine Frau und zwei Mädchen von hinten. In Jahren kontinuierlich erweitert und bekannt gemacht.
dem Artikel geht es um die Entscheidung eines Sozi- Wir sind gespannt, ob und wie sich das auf die Visua-
algerichts, einer aus dem Kosovo geflüchteten Familie lisierungen in den Medien auswirkt.
Leistungen zu bewilligen. Zum einen ist nicht ersicht-
lich, warum die Überschrift lautet: »Geflüchtete Roma
gestärkt«. Durch das Urteil werden ja nicht grund-
sätzlich Rom*nja Leistungen zugesprochen, sondern
es geht um einen klar definierten Fall, bei dem die
ethnische Zugehörigkeit nicht relevant ist. Zum ande-
ren wird hier ein Bild verwendet, das erneut Menschen
mit dunklen Haaren draußen von hinten zeigt. Amaro
Foro hat bereits häufiger darauf hingewiesen, dass
diese Darstellung von Rom*nja als entsubjektivierte,
45 Empfehlungen

• Es braucht eine unabhängige und gut ausgestat-


tete Beschwerdestelle für Diskriminierungen im
EMPFEHLUNGEN Bildungsbereich.

• Die Themen Antiziganismus sowie Geschichte


und Lebensrealitäten von Rom*nja in Deutschland
Kontakt zu Leistungsbehörden
und Europa müssen in den Curricula verankert
• Die interne Arbeitshilfe »Bekämpfung von werden.
organisiertem Leistungsmissbrauch durch
EU-Bürger« wurde bis jetzt lediglich geändert.
Die Arbeitshilfe sollte nicht mehr verwendet
Wohnen
werden und die entsprechende antiziganistische
und pauschalisierende Verwaltungspraxis sollte • Es braucht eine wirksame Mietpreisbremse in
ebenfalls unverzüglich beendet und ggf. sanktio- Berlin sowie deutlich mehr bezahlbaren Wohn-
niert werden. raum. Die Preisbindung für Sozialwohnungen
sollte unbefristet sein.
• Behörden müssen ihren Fokus darauf richten,
im Fall von ausbeuterischen Arbeitsverhältnis- • Das Wohnungsaufsichtsgesetz muss reformiert
sen die Profiteure und nicht die Betroffenen werden, damit Eigentümer*innen im Fall von
zu sanktionieren. Das beinhaltet auch, dass im unzumutbaren Wohnverhältnissen stärker in die
Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses Pflicht genommen werden können.
Arbeitnehmer*innen keine Benachteiligung bei der
Beantragung von Leistungen erfahren. • Geflüchtete sollten dezentral untergebracht
werden.
• Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
muss reformiert werden, damit der Bereich des • Zur Beendigung von Obdachlosigkeit ist ein Para-
staatlichen Handelns abgedeckt ist. digmenwechsel weg von Systemen der Notüber-
nachtung und hin zu langfristigen Lösungen erfor-
• Auf Landesebene muss sichergestellt sein, dass das derlich. Housing First muss auf Gruppen ohne
Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz sozialgesetzliche Leistungsansprüche wie etwa
(ASOG) konsequent umgesetzt wird, d.h. dass obdachlose EU-Bürger*innen ausgeweitet werden.
wohnungslose Menschen unabhängig von ihren
Leistungsansprüchen unverzüglich untergebracht
werden.
Kontakt zu Ordnungsbehörden & Justiz
• Sensibilisierende Schulungen zu Antiziganis-
mus müssen fester Bestandteil der Ausbildung
Bildung
sein. Dies beinhaltet die Rolle von Polizei- und
• Das Recht auf Bildung muss in Berlin für alle Ordnungsbehörden sowie der Justiz im National-
Kinder, unabhängig vom Aufenthaltsstatus, sozialismus.
gelten. Die Zuweisung eines Kita- bzw. Schul-
platzes in Wohnortnähe muss innerhalb weniger • Betroffene, die Anzeige erstatten wollen nach
Wochen erfolgen. rassistischen Beleidigungen, müssen in Polizei-
dienststellen ernst genommen werden.
• Die segregierende Praxis der Willkommensklas-
sen muss beendet werden, stattdessen braucht es • Es braucht unabhängige und ausreichend
ergänzende Sprachförderung, wie sie an einzelnen ausgestattete Beschwerdestellen.
Schulen bereits in sogenannten Tandemmodellen
praktiziert wird. • Wir sehen Abschiebungen von Rom*nja grund-
sätzlich kritisch; zumindest sollte aber sicherge-
• Es ist dringend geboten, im Bildungsbereich stellt werden, dass bestimmte humanitäre Stan-
sämtliche Beschäftigte für rassistische Stereotype dards eingehalten werden, d.h. keine Familientren-
zu sensibilisieren. nungen, keine Abschiebungen kranker Menschen,
kein nächtliches Eindringen in die Wohnung.
Empfehlungen 46

Zugang zu medizinischer Versorgung Soziale Arbeit


• Transgenerationale Traumata müssen besser • Die Geschichte der Sozialen Arbeit in Deutschland
erforscht und berücksichtigt werden. Dies gilt inklusive ihrer Rolle im Nationalsozialismus muss
insbesondere für Sinti*zze und Rom*nja, deren im Sinne einer kritischen Selbstreflexion stärker
Vorfahren etwa von der nationalsozialistischen in der Ausbildung verankert werden.
Verfolgung oder von Sklaverei betroffen waren.
Hier ist außerdem eine Sensibilisierung der Domi- • Sozialarbeiterische Tätigkeiten brauchen verpflich-
nanzgesellschaft erforderlich. tende und regelmäßige Supervision und Weiter-
bildung und sind in Bezug auf die Arbeitsbedin-
• In öffentlich finanzierten Gesundheitseinrich- gungen so auszugestalten, dass die Beschäftigten
tungen müssen Beschäftigte für Antiziganismus die Möglichkeit haben, ihre Arbeit zu reflektieren
sensibilisiert werden. und weiterzuentwickeln.

• Es sollte unabhängige Beschwerdestellen geben, • Bei sogenannten kultursensiblen Ansätzen müssen


um sicherzustellen, dass Betroffene nicht aufgrund zwingend Angehörige der entsprechenden
von rassistischen Zuschreibungen eine schlechtere Communitys Teil des Teams sein; der zugrunde
oder gar keine medizinische Behandlung erhalten. liegende Kulturbegriff ist kritisch zu reflektieren.

• Der Zugang zur gesetzlichen Krankenversiche- • Das Angebot von Sensibilisierungen zu Antizi-
rung muss deutlich erleichtert werden, indem ganismus sollte ausgebaut und besser zugänglich
keine rückwirkenden Beiträge erhoben werden und gemacht werden.
mit Versicherungen in anderen EU-Ländern besser
kommuniziert wird. • Das Mitdenken der meist fremdzugeschriebenen
ethnischen Zugehörigkeit in der Fallbeobachtung
bzw. -bearbeitung muss im Rahmen von Fortbil-
dungen kritisch hinterfragt werden.
Arbeitswelt
• Der Zusammenhang von prekärer Arbeit und
Migration muss fortlaufend erforscht werden.
Datenerfassungen und Datenschutz
• Arbeitgeber*innen, die bewusst ausbeuterische • Beratungs- und Anlaufstellen, sowie Ordnungs-
Abhängigkeitsverhältnisse schaffen, müssen und Leistungsbehörden müssen sicherstellen,
konsequent sanktioniert werden. Insgesamt muss dass ihre Mitarbeitenden den aktuellen Stand der
der gesamte Niedriglohnsektor stärker regu- Datenschutzrechtslage kennen und die rechtswid-
liert werden. Es muss endlich wirksam verhindert rige Praxis der Erfassung der (vermeintlichen)
werden, dass durch Verkettung von Subunterneh- ethnischen Zugehörigkeit beenden. Die bereits
men die Verletzung von Arbeitsrecht und Arbeits- erfassten Daten müssen sowohl digital als auch in
schutz nicht geahndet werden kann. Handakten sicher vernichtet werden.

• Für betroffene Beschäftigte müssen Unterstüt- • Mitarbeiter*innen müssen im Rahmen von Schu-
zungs- und Beratungsangebote geschaffen bzw. lungen über den historischen Kontext der Erfas-
ausgebaut und stärker bekannt gemacht werden. sung von ethnischen Daten informiert und für
die Problematik sensibilisiert werden, um auch
Zuschreibungen im Arbeitsalltag zu erkennen.
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