Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
DOKUMENTATION
ANTIZIGANISTISCHER
VORFÄLLE
2021 – 2022
W I R DANK E N AL L EN, D I E D U RC H MEL D U NG EN
OD E R AU F AND E R E A RT ZU R ENT ST EHU NG D I ESER
D O K U M E N TATI ON B EI GETRAG EN HA B EN.
INHALT
EINFÜHRUNG 6
Grußwort 8
SCHWERPUNKTTHEMA 10
Situation geflüchteter Rom*nja aus der Ukraine
Im Gespräch mit Natli Tomenko (ARCA) 12
DOSTA-Analyse 14
Kommentar: »Die Vergangenheit ist nicht Tod. 16
Sie ist noch nicht vergangen«
AUSWERTUNG 18
Nach Lebensbereichen 2021 – 2022
Factsheet 19
Alltag und öffentlicher Raum 20
Bildung 22
Studie: »(Antiziganistische) Diskriminierung in der 24
Kindertagesbetreuung und Grundschule: Rechtlicher Rahmen
und Beratungspraktiken in Berlin«
Kontakt zu Leistungsbehörden 26
Wohnen 28
Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz 29
Zugang zu Gütern und Dienstleistungen 30
Zugang zu medizinischer Versorgung 30
Arbeitswelt 32
Soziale Arbeit 34
Juristischer Exkurs: »Antiziganistische Datenerfassungen: 36
Rechtslage und historischer Hintergrund«
MEDIENMONITORING 2021-2022 40
Antiziganismus in der medialen Kommunikation 2021 & 2022 40
Visuelle Stereotype 44
EMPFEHLUNGEN 46
NACHWEISE 48
5
EINFÜHRUNG
In den vergangenen zwei Projektjahren haben als Rom*nja gelesen werden, sind vor, während und
sich die anhaltenden gesellschaftlichen und globalen nach ihrer Flucht mit Benachteiligung und Ausgren-
Krisen wie die Covid-19-Pandemie und der Angriffs- zung konfrontiert. Ihnen wird abgesprochen, »richtige«
krieg auf die Ukraine in den bei DOSTA gemelde- Geflüchtete zu sein. Diesen Diskurs haben wir bereits
ten Fällen widergespiegelt. Mit Blick auf diese Krisen 2021 in Bezug auf Geflüchtete aus Moldau beobachtet:
werden Veränderungen und Kontinuitäten antiziga- Ihnen wird kollektiv eine Roma-Identität zugeschrie-
nistischer Diskriminierungen in Berlin analysiert. ben und statt als schutzbedürftige Menschen werden
Rom*nja oder so gelesene Menschen waren pandemie- sie als Bedrohung dargestellt und wahrgenommen.
bedingt besonders vulnerabel und erlebten in Berlin Dieses Bedrohungsszenario wird von den deutschen
immer wieder Antiziganismus durch Institutionen Medien aufgegriffen und weiter verschärft. Wegen
wie Leistungsbehörden und Bildungseinrichtungen, der pauschalisierenden Markierung dieser Gruppe als
aber auch antiziganistische Anfeindungen im öffent- Rom*nja nehmen wir grundsätzlich alle Vorfälle auf,
lichen Raum. Letztere sind in einem gesellschaftlichen die sich explizit gegen Menschen aus Moldau richten,
Kontext zu sehen, in dem Positionen der extremen ähnlich wie wir es auch in Bezug auf bulgarische und
Rechten durch die sogenannte Querdenken-Bewegung rumänische Staatsbürger*innen tun. Häufig handelt es
noch stärker Zugang in unterschiedliche gesellschaft- sich hier nämlich um das Phänomen des »Dog Whist-
liche Milieus gefunden und medial viel Aufmerksam- ling«, bei dem infolge rassistischer Diskurse bestimm-
keit bekommen haben. Die immer wieder konstatierte te Chiffren etabliert sind, die es ermöglichen, rassis-
Verschiebung der Diskurse nach rechts beobachten wir tische Stereotype und Ausschlüsse scheinbar neutral
auch bei DOSTA. zu formulieren.
Von bundesweiter Relevanz in der Prävention und Bereits 2022 ist es in Thüringen zu einer akuten
im Kampf gegen Antiziganismus waren die Einrich- Gefährdungssituation gekommen, nachdem in der
tung der bundesweiten Melde- und Informationsstel- medialen Debatte Geflüchteten aus der Ukraine eine
le Antiziganismus (MIA) sowie die Einberufung des Roma-Identität zugeschrieben wurde. Auch in Berlin
ersten Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus, gab es Drohungen und Anfeindungen gegen Unter-
Dr. Mehmet Daimagüler. Damit wurde eine direk- künfte. Wir blicken deshalb mit Sorge auf die Situa-
te Forderung der Unabhängigen Kommission Antizi- tion der Betroffenen angesichts eines andauernden
ganismus (UKA) umgesetzt. Die bundesweite Melde- Kriegs und nachlassender Solidarität. Es muss vonsei-
und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) ist eine ten der Politik klar kommuniziert werden, dass das
zivilgesellschaftliche Monitoringstelle, die in mehre- Recht auf Asyl und die Unterstützung schutzsuchen-
ren Regionen Deutschlands Meldestellen für antiziga- der Menschen nicht verhandelbar und kein Gegen-
nistische Vorfälle etabliert. Seit Juli 2022 ist das Projekt stand einer Pro-und-Contra-Debatte sind.
DOSTA ebenfalls Teil der bundesweiten Meldestel- Nicht nur, aber auch mit Bezug zur Situation
le und teilt seine jahrelange Expertise aus Berlin mit geflüchteter Menschen in Berlin hat uns in den letzten
den sich im Aufbau befindenden Netzwerkpartnern. zwei Jahren der Bereich Bildung besonders beschäf-
Doch die teils größere politische Aufmerksamkeit für tigt. Bei Menschen ohne sicheren Aufenthaltssta-
das Phänomen Antiziganismus ist nicht als Ausdruck tus ist der Zugang zu Schulplätzen nicht gewährleis-
eines gesamtgesellschaftlichen Fortschritts zu sehen. tet und insgesamt ist eine deutliche Benachteiligung
Denn die politischen Debatten und gesellschaftlichen von migrantisch gelesenen Menschen zu beobachten.
Diskurse, in denen Rom*nja markiert und ausgegrenzt Wir haben deshalb eine Studie zur Diskriminierung in
werden, sind seit Jahrzehnten weitgehend die gleichen der Kindertagesbetreuung und Schule erstellen lassen.
geblieben, ebenso wie die Leerstellen in den Diskur- Eine Kurzfassung ist in dieser Auswertung enthalten,
sen und die blinden Flecken der öffentlichen Wahr- die ausführliche Fassung kann auf der Homepage von
nehmung: 2021 und 2022 wurden (mindestens) drei Amaro Foro e.V. eingesehen werden.
Rom*nja in EU-Ländern von Polizeikräften getötet –
der deutschen Öffentlichkeit ist das größtenteils unbe-
kannt. Auf diesen Punkt und die Medienberichterstat-
tung zu den Vorfällen werden wir im Medienmonito-
ring genauer eingehen.
Nach dem Höhepunkt der Covid-19-Pandemie
fordert seit Februar 2022 Russlands Angriffskrieg
auf die Ukraine als neue große Krise die Gesellschaft
heraus. Dies hat sich in den bei DOSTA gemeldeten
Vorfällen ebenfalls niedergeschlagen. Geflüchtete, die
7 Einführung
T R I GGERWARN U N G:
In dieser Broschüre werden Originalzitate wiedergegeben, die rassis-
tische und beleidigende Sprache beinhalten. Außerdem enthält der
Bericht Themen wie Mobbing , körperliche Gewalt, Krankheit, Krieg ,
Tod sowie die Abbildung nationalsozialistischer Symbolik. Letzteres
wird ausschließlich zwecks der Bekämpfung nationalsozialistischer
Ideologie und anderer menschenverachtender Ideologien dargestellt
und läuft dem Schutzzweck von § 85a StGB ersichtlich nicht zuwider. 1
SCHWERPUNKT-
THEMA
SI T UAT I ON G EF L Ü C H T ET ER ROM*N JA AU S DER U K RA IN E
Schwerpunktthema 10
sen, es ist Zeit für Veränderung, und wir haben mit nichts zu essen hat, denkt man nicht intensiv darüber
der Lobbyarbeit begonnen. Beispielsweise haben wir nach, wie man das Leben anderer verbessern könn-
uns im Rahmen des Roma Civil Society Forum in te, oder über Aktivismus im Allgemeinen. Man muss
Berlin mit anderen Roma-Organisationen getroffen zuerst seine eigene Familie ernähren. Deshalb haben
und haben auch den Kontakt zu deutschen Ministe- wir beschlossen, diese Beobachtungsmöglichkeit zu
rien gesucht. Wir hoffen, dass diese Art der Kommu- schaffen und junge Menschen wieder ins Boot zu holen.
nikation fortgesetzt wird, denn wir wissen, dass die Wir haben außerdem Vernetzungstreffen und das
Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine bereits erwähnte Roma Civil Society Forum organi-
gut sind. Die Fragen der Minderheiten, insbesonde- siert. Letzteres fand Anfang Dezember 2022 in Berlin
re der Roma-Community, müssen auf der politischen statt. In Berlin haben wir versucht, herauszufinden,
Agenda stehen. wo sich jeder im Moment befindet und wie wir unsere
jeweiligen Expertisen miteinander verbinden können,
Du hast gerade eure Lobbyarbeit in Bezug auf die sodass Synergieeffekte entstehen. Wir haben verschie-
Gesetzgebung erwähnt. Kannst du uns kurz den dene Stakeholder eingeladen, um ein größeres Netz-
rechtlichen Rahmen rund um Antiziganismus in werk zu schaffen. Im Moment diskutieren wir über
der Ukraine schildern? die Etablierung von Stipendien und die Unterstüt-
Es gibt kein spezifisches Gesetz zur Gleichbehand- zung von Jugendlichen. Jetzt beginnt also der große
lung von Rom*nja. In den Gesetzen finden sich eini- Dialog, und wir werden sehen, was im nächsten Jahr
ge allgemeinere Begriffe wie »Gleichstellung«, »Inklu- dabei herauskommt.
sion«, »Partizipation«. Meistens findet man diese nicht
im ukrainischen Recht im engeren Sinne, sondern in Du hast gerade »nächstes Jahr« gesagt. Ihr habt also
der EU-Richtlinien, die die Ukraine für die Beitritts konkrete Pläne für die Zukunft. Kannst du mehr
assoziierung befolgen muss. Wir stehen außerdem in dazu sagen und vielleicht ausführen, wie Partner-
regelmäßigem Austausch mit dem staatlichen Dienst organisationen euch bei diesen Projekten unterstüt-
für ethnische Angelegenheiten und Gewissensfreiheit. zen könnten?
Es handelt sich dabei um ein Amt, das sich mit verschie- Der Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg
denen Communitys in der Ukraine befasst, darunter war beispielsweise eines der Hauptthemen auf dem
auch mit der Roma-Community. Wir haben sogar die Civil Society Forum. Wir haben darüber mit den Teil-
Leiterin Olena Bohdan zu einer unserer Veranstaltun- nehmenden, mit Partnern und auch der Bundesre-
gen eingeladen. Leider verlässt sie jetzt ihren Posten, gierung diskutiert. Ich meine, der Wiederaufbau hat
und wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Aber sie bereits begonnen, denn die Wiederaufbaupolitik wird
war stets hilfsbereit und sehr aufgeschlossen. gerade ausgearbeitet. Es ist dabei sehr wichtig, Rom*nja
in diese Gesetzgebungsprozesse einzubeziehen. Es ist
Lass uns ein bisschen über ARCA als Jugendverein wichtig, diesen Dialog zu pflegen, sonst wissen wir
bzw. »Jugendagentur« sprechen. Was für Projekte nicht, was passiert. Rom*nja sollten ausdrücklich in
bietet ihr für junge ukrainische Rom*nja an? den aktuellen Entscheidungsfindungsprozess einbe-
Wir haben verschiedene Projekte, Weiterbildun- zogen werden, anstatt vage Konzepte zu formulieren.
gen, Netzwerktreffen und informelle Bildungsinstru- Ich meine hier eine explizite Einbeziehung beispiels-
mente entwickelt, wie z. B. eine Weiterbildung zum weise in die neue Wohnungs- oder Bildungspoli-
Gedenken an den Völkermord an Rom*nja während tik. Was die Partnerorganisationen betrifft: Wie du
des Zweiten Weltkriegs. Ein weiteres Beispiel sind weißt, gibt es aktuell verschiedene kleine Monitoring-
unsere Führungstrainings, in denen junge Menschen Maßnahmen. Es sollte für all diese bestehenden Moni-
sich in Bereichen verwirklichen können, die sie inte- toring-Projekte ein einheitlicher Rahmen geschaffen
ressieren, wie Medienblogging oder Menschenrechte. werden. Leider ist das bisher noch nicht geschehen.
Aktuell führen wir ein spezielles Projekt durch, in dem Jeder macht etwas auf eigene Faust, aber wir müssen
wir junge Menschen mit juristischem Hintergrund jetzt Allianzen bilden.
zu Menschenrechtsbeobachter*innen ausbilden. Sie
haben gerade ihren ersten Bericht begonnen. Dabei Möchtest du noch etwas mitteilen? Eine Botschaft
geht es um die Situation von jugendlichen Rom*nja an die breite Öffentlichkeit vielleicht?
im Bildungssystem seit Beginn des Angriffsrieges. Ich möchte noch etwas Persönliches hinzufügen:
Als der Krieg begann, flohen viele junge Menschen Es ist echt schade, wenn Menschen aus dem Ausland
ins Ausland und verloren den Kontakt zu denen, die Ukrainer*innen treffen und sie auffordern, im Namen
in der Ukraine geblieben sind. Außerdem ist es wie der gesamten Community, im Namen der gesamten
bei der Maslow’schen Bedürfnispyramide: Wenn man Ukraine zu sprechen. Wenn man die Person wirk-
Schwerpunktthema 12
NATALI TOMENKO
4 Dieser Text erschien in ähnlicher Form im Bericht »Zur Lage der aus der
Ukraine geflüchteten Roma in Deutschland« der Melde- und Informationsstelle
Antiziganismus (2022)
Schwerpunktthema 14
stattet als die Regelschulen. Sie ähneln nach Anga- Wir haben die politische, die historische, die huma-
ben von Selbstorganisationen Verwahranstalten, in nitäre Verpflichtung, diesen Menschen zu helfen. Egal
denen nicht gelehrt wird und in denen die Kinder ob sie (noch) in der Ukraine sind oder auf der Flucht
bei aller Anstrengung nichts oder nur wenig lernen oder bei uns in Deutschland. Wenn wir jetzt versagen,
können. Teil des perfiden Systems ist das Narrativ, dann sollten wir besser auch auf die großen Reden an
dass Roma »bildungsfern« seien und dass sie generell Gedenktagen wie dem 27. Januar oder dem 2. August
nicht an Bildung interessiert seien. So wird das eige- verzichten. Wir können nicht der Toten gedenken,
ne rassistisch motivierte Versagen nicht nur kaschiert, und die Lebenden im Stich lassen.
sondern in besonders erschreckender Art und Weise Viele der Geflüchteten sind in Sammelunterkünf-
eine Täter-Opfer-Umkehr vorgenommen. ten in Turnhallen und Schulen untergebracht, die
Programme zur Förderung der Kultur der Roma wieder den Regelbetrieb aufnehmen sollen. Die bislang
existieren nicht und wenn doch, dann nur auf dem dort untergebrachten Menschen sind dann ohne jede
Papier. Ebenso wenig gibt es erkennbare Ansätze, die Unterkunft. Immer wieder haben Binnenflüchtlinge
soziale und wirtschaftliche Lage der Roma zu verbessern. aus der Roma-Minderheit deutlich gemacht, dass sie,
Die Angehörigen der Minderheit konnten bis wenn es nur irgend geht, in der Ukraine bleiben möch-
zu Beginn der russischen Invasion ihr Leben meis- ten. Diesen Menschen muss vor Ort geholfen werden
tern, weil sie in den örtlichen Roma-Gemeinschaften und Zuschüsse zur kurz- und längerfristigen Unter-
einander solidarisch verbunden waren. Diese Roma- bringung könnten dabei helfen. Zum anderen besteht
Gemeinschaften vor allem im Osten und Südosten des ein großer Bedarf an medizinischen Hilfsleistungen,
Landes sind zerbrochen. Viele der Männer wurden welche durch gezielte Hilfsleistungen, wie die der Stif-
eingezogen oder haben sich freiwillig zum Militär- tung EVZ, neben Mietzuschüssen und Lebensmittel-
dienst gemeldet. In vielen Fällen, wie beispielsweise in paketen adressiert werden sollten.
den Regionen Transkarpatien und Lwiw beobachtet, Die Arbeit von DOSTA bei der Aufnahme geflüch-
sind es örtliche Roma-Gemeinschaften, die als Einzi- teter Roma in Berlin ist extrem wichtig. Durch die akti-
ge versuchen, den geflüchteten Roma zu helfen, auch ve Aufnahme und Dokumentation von Fällen antizi-
wenn sie selbst von Armut betroffen sind und von der ganistisch motivierter Diskriminierung gegenüber
Hand in den Mund leben. Wir trafen eine Holocaust- geflüchteten ukrainischen Roma wird der dringliche
Überlebende von über 80 Jahren, die in ihrer kleinen Handlungsbedarf aufgedeckt. DOSTA ist in seiner
Zwei-Zimmer-Wohnung acht Geflüchtete, darun- Unterstützung durch Erstberatung, Aufklärungsar-
ter vier Kinder, aufgenommen hat. Die Geflüchteten beit und die Begleitung von Hilfsorganisationen im
waren ihr vollkommen fremd, und dennoch gibt sie Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine deutsch-
den Geflüchteten nicht nur ein Dach über dem Kopf. landweit ein Vorbild. Die Berichte von DOSTA sind
Der Haushalt von neun Menschen lebt überwiegend für Landes- und Bundespolitik Handlungsauftrag zur
von den umgerechnet 80 Euro, die der alten Dame als besseren Bekämpfung und Prävention von Antiziga-
pensionierter Lehrerin im Monat zustehen. nismus in allen Erscheinungsformen.
Was ist zu tun? Kurzfristig: Bei zivilen Hilfsleis-
tungen an und in die Ukraine muss sichergestellt sein, Dr. Mehmet Daimagüler
dass diese Hilfen auch bei den Roma-Communitys Beauftragter der Bundesregierung gegen Antiziganismus und
ankommen. Am besten ist dies gewährleistet, wenn für das Leben der Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland
die Hilfen direkt aus Deutschland an Roma-Selbst-
organisationen ausgehändigt werden und nicht über
staatliche Akteur*innen in Kiew. Die Hilfsleistun-
gen an Holocaust-Überlebende über die Stiftung EVZ
müssen ausgeweitet und verstetigt werden. Deutsch-
land muss ohne Wenn und Aber zu seiner historischen
Verantwortung stehen. Zugleich muss auf die Regie-
rung in der Ukraine Einfluss genommen werden. Ein
Land, das Mitglied in der EU und in der Nato werden
will, darf keinen an die dunkelsten Zeiten der südafri-
kanischen Apartheid erinnernden Umgang mit einem
Teil seiner Menschen praktizieren. Hier darf die EU
sich nicht mit Lippenbekenntnissen zufriedengeben,
sondern muss auf spürbare, effektive und nachhaltige
Reformen dringen.
17
AUSWERTUNG
N AC H L E BENS B EREI C H EN 2 0 2 1 - 2022
Auswertung 2021 – 2022 18
FACTSHEET
2021 5 2022
147 5 3 %
STE
IGE RU N
G
225
VORFÄLLE NACH LEBENSBEREICHEN 2021 & 2022 6
80
76
2021 2022
70
60
50
40
56
52 52
1289 VORFÄLLE SEIT
2014
30
30
24
20 18
14
10 11
10 8 7
4 4 3 4
A B C D E F G H I
NEUE ERSCHEINUNGSFORMEN
5 Seit Erscheinen unseres letzten Kurzberichtes (Amaro Foro, 2022) wurden insgesamt 10 Vorfälle nachträglich gemeldet.
Alltag und öffentlicher Raum rechten Kreisen fest verankert, sondern zeigt auch in
demokratischen Milieus seine Virulenz.10
Die allgegenwärtige Verwendung der antiziga-
DIE HÄUFIGSTEN nistischen Fremdbezeichnung im Alltag verbildlicht
ERSCHEINUNGSFORMEN diese Tendenz vielleicht am besten. Trotz der medialen
Aufmerksamkeit rund um die antiziganistische Fremd-
2021 7 bezeichnung in Folge der erneuten Ausstrahlung der
Sendung »Die letzte Instanz« zeigen unsere DOSTA-
• Rassistische Propaganda: 24 Ergebnisse, dass die Verwendung dieser Bezeichnung
• Beleidigung: 16 von einem breiten Teil der Bevölkerung immer noch
als akzeptabel erachtet wird und in den verschiedens-
• Kulturalisierung: 10 ten und alltäglichsten Kontexten vorkommt. In einem
• Rassistisches Mobbing: 10 Fall wird beispielsweise über einen kaputten Aufzug
• Kriminalisierende Unterstellung: 5 eines Wohnhauses berichtet. Die zuständige Haus-
verwaltung hat ein Schild an die Aufzugstür geklebt,
• Wohlfahrtschauvinistische Äußerung: 5 auf dem steht »Außer Betrieb. Wir arbeiten zurzeit an
Ihrer Anlage.« Daraufhin hat jemand handschriftlich
2022 8
auf das Schild geschrieben: »Könnt ihr euch bitte beei-
len, ihr Zigeuner«.
• Beleidigung: 29 Außerdem zeigen die 2021 und 2022 gemeldeten
• Rassistische Propaganda: 19 Vorfälle, dass Antiziganismus in den verschiedensten
• Kulturalisierung: 18 Kontexten relativiert oder sogar geleugnet wird. Einige
Leute versuchen, Antiziganismus zu relativieren, indem
• Kriminalisierende Unterstellung: 8 sie argumentieren, dass Sinti*zze und Rom*nja und als
• Zutrittsverweigerung: 5 solche wahrgenommene Menschen selbst schuld an
ihrer Diskriminierung seien, weil sie sich angeblich
nicht an die Regeln der Mehrheitsgesellschaft halten
würden. Antiziganismus beruht jedoch auf rassisti-
Noch nie wurden seit Projektbeginn so viele Vorfälle schen Stereotypen, welche nichts mit der tatsächlichen
im Bereich »Alltag und öffentlicher Raum« gemeldet Zugehörigkeit zur Minderheit zu tun haben. Ähnlich
(insgesamt 56 Vorfälle) wie 2021. Dieser Trend hielt wird auch der Nationalsozialismus relativiert, indem
auch im Jahr 2022 an, mit insgesamt 76 Vorfällen. die Gräueltaten der Nazis heruntergespielt oder geleug-
Diese Entwicklung deutet auf die anhaltende Akzep- net werden oder indem behauptet wird, Sinti*zze und
tanz antiziganistischer Beleidigungen und Schikanen Rom*nja seien aufgrund ihres Verhaltens daran selbst
in der deutschen Mehrheitsgesellschaft hin. Dies belegt schuld gewesen. Aufgrund des vermehrten Eingangs
auch die 2022 erschienene Studie »Antiziganismus als solcher Vorfälle 2021 und 2022 haben wir die Erschei-
eigenständige Form des Rassismus gegenüber Sinti*zze nungsformen »Relativierung/Leugnung von Antiziga-
und Rom*nja« des Nationalen Diskriminierungs- und nismus« und »Relativierung/Leugnung des Nationalso-
Rassismusmonitors: Antiziganistische Einstellun- zialismus« neu aufgenommen.
gen sind in der deutschen Gesellschaft immer noch Die ohnehin angespannte gesellschaftliche Lage
weit verbreitet. Des Weiteren zeigt die Studie, dass inmitten der Corona-Pandemie und des anhaltenden
antiziganistische Äußerungen und Vorurteile in den russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat rassis-
meisten Fällen unwidersprochen bleiben.9 Dieses tische und antiziganistische Ressentiments in den letz-
Phänomen spiegeln auch unsere DOSTA-Ergebnis- ten zwei Jahren zusätzlich befeuert. Wie bereits ausge-
se seit Projektbeginn wider. Hier handelt es sich um führt wurde, werden geflüchtete Menschen mit selbst-
ein großes gesamtgesellschaftliches Defizit. Auch und fremdzugeschriebenem Roma-Hintergrund in der
die Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 verzeich- Öffentlichkeit beleidigt und ausgegrenzt.
net weiterhin hohe Zustimmungswerte zu antiziga- Dieser gesellschaftliche Missstand bildete sich im
nistischen Thesen in der deutschen Gesellschaft. Laut Internet ebenfalls ab. 2021 kam es bei DOSTA zu einer
dieser Studie ist Antiziganismus nicht nur in extrem deutlich höheren Anzahl an gemeldeten Vorfällen
aus der Online-Welt. Dabei handelte es sich teilweise
7 Wegen Mehrfachkategorisierung insg. mehr als 56 Vorfälle auch um Diffamierungen, Verleumdungen und sogar
8 Wegen Mehrfachkategorisierung insg. mehr als 76 Vorfälle
Drohungen gegen Mitarbeiter*innen von Amaro Foro. ALLTAG UND ÖFFENTLICHER RAUM
Dies war ein Novum in unserer Projektarbeit, weswe-
gen wir einen besonderen Fokus auf Antiziganismus 2021
im Internet legten.
In den meisten gemeldeten Beiträgen ging es um Kulturalisierung
die Relativierung des NS-Regimes und des Völkermor- Eine Mitarbeiterin eines sozialen Trägers berich-
des an Sinti*zze und Rom*nja. Seit Beginn der Corona- tet von ihrem Job, woraufhin ihr Gesprächspartner
Pandemie nutzen zahlreiche Menschen mit einer coro- antwortet: »Machst du dann auch unsere ganzen
Innenhöfe sauber, die die Zigeuner verschmutzen?«
naleugnerischen bzw. impfgegnerischen Haltung Soci-
al-Media-Plattformen, um sich mit den Opfergruppen
des Nationalsozialismus gleichzusetzen. Sie verglei-
chen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung 2022
der Pandemie mit dem Leid von Sinti*zze und Rom*nja, Beleidigung
Jüdinnen*Juden und anderen vom NS-Regime verfolg- Eine Frau aus Serbien wird auf der Straße anti-
ten Gruppen. Schon vor der Zulassung der Impfstof- ziganistisch als »dreckige Zigeunerin« beschimpft
fe gegen Covid-19 kam es auf »Querdenker«-Veran- und ihr Kind wird ebenfalls rassistisch beleidigt.
staltungen zu Aussagen, in denen sich Demonstrie- Die Mutter erstattet eine Anzeige bei der Polizei.
rende mit bekannten Widerstandskämpfer*innen der Es wird lediglich ein Annäherungsverbot ausge-
NS-Zeit verglichen. Nach der Beschleunigung der sprochen.
bundes- bzw. europaweiten Impfkampagne stilisier-
ten sich manche freiwillig Ungeimpfte als Opfer, über- Rassistische Propaganda, Beleidigung
höhten ihre eigene Rolle und diffamierten politische An den Briefkasten einer rumänischen Familie
Gegner*innen als Nazis und Faschisten. Sie bezeichne- wurde ein Hakenkreuz geschmiert mit dem Text:
ten sich dabei u.a. als die »neuen Zigeuner«. Die konse- »Ihr scheiß Zigeuner«.
quente Verwendung der rassistischen Fremdbezeich-
nung für Sinti*zze und Rom*nja in diesen Posts deutet
dabei ebenfalls auf den tief verankerten Antiziganis-
mus der User*innen hin.
2021 und 2022 ist die Online- und Social-Media-
Präsenz von Amaro Foro deutlich gewachsen und
damit gingen auch Cyberbullying und Hassrede gegen
unsere Arbeit und Mitarbeitenden einher. Dabei
wurde in beinahe all diesen Hatespeech-Beiträgen die
rassistische Fremdbezeichnung genutzt. Manche stell-
ten auch die Einschätzungen des Vereins infrage und
diskreditierten unsere politische Arbeit. Nach dem
Auftritt unserer Projektleitung Violeta Balog mit Ferda
Ataman, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des
Bundes (ADS), in der Bundespressekonferenz zur
Vorstellung des Jahresberichtes 2021 der ADS erreich-
ten uns zahlreiche rassistische und sexistische Hass-
kommentare. Ein vielsagendes Beispiel dafür war die
Aufforderung: »[D]ie [...] sollten lieber Kinder hüten
und Haushalt machen.«
Darüber hinaus sind im Bereich »Alltag und öffent-
licher Raum« die sogenannten Blickregime erwäh-
nenswert. Die 2021 herausgegebene Studie der Unab-
hängigen Kommission Antiziganismus beschreibt, dass
»einen Großteil rassistischer Erfahrungen im öffentli-
chen Raum die nonverbale Kommunikation einnimmt.
[...] In öffentlichen Verkehrsmitteln und auf der Stra-
ße angestarrt, beim Betreten von Restaurants spöttisch
betrachtet oder in Einkaufsläden unter Beobachtung zu
stehen und verfolgt zu werden, sind Erfahrungen, von
21 Auswertung 2021 – 2022
denen Sinti:ze und Rom:nja altersunabhängig berich- nehmen. Der niedrige Sensibilisierungsgrad von
ten – und die sie sehr belasten.«11 Solche nonverbalen Mitarbeitenden auf allen Ebenen der Bildungsinstitu-
Mikroaggressionen im Alltag sind im Rahmen von tionen stellt in diesem Zusammenhang ein zentrales
Monitoringprojekten wie DOSTA de facto unmöglich Problem für Rom*nja oder als solche wahrgenommene
zu erfassen, nichtsdestotrotz gehören sie zum Alltag Menschen dar. Hier fehlen unabhängige und niedrig-
vieler von Antiziganismus betroffener Menschen. schwellige Beschwerdestellen mit tatsächlicher Hand-
lungsmacht. Die antiziganistische Diskriminierung im
Bildung Schullalltag führt in manchen Fällen dazu, dass Kinder
der Schule fernbleiben und dann wiederum als schul-
16
Die Studie der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft distanziert markiert werden. So finden antiziganisti-
RomnoKher Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti sche Klischees von Schuldistanziertheit einen Nähr-
und Roma in Deutschland zeigt, dass Rom*nja durch
12
boden. Ein Problembewusstsein für die Bildungs-
den grassierenden Antiziganismus im Bildungssystem benachteiligung von Rom*nja und entsprechende
eine deutliche Benachteiligung erfahren. Im Rahmen Unterstützung gibt es nur in Einzelfällen, beispiels-
dieser Zehnjahresstudie wurden über 600 Interviews weise durch sogenannte Roma-Schulmediator*innen.
mit einheimischen und zugewanderten Rom*nja und Die Corona-Pandemie hat die Bildungschancen
Sint*zze aus allen deutschen Bundesländern durch- für Rom*nja in Berlin zusätzlich erschwert. DOSTA
geführt.13 Die Ergebnisse sind alarmierend: Über 60 dokumentierte mehrfach, dass Roma-Familien teil-
Prozent der Minderheitenangehörigen erlebten in der weise keine Materialien für digitales Lernen zur
Schule Diskriminierung, 50 Prozent berichteten sogar Verfügung gestellt wurden, mit der Begründung,
von Gewalterfahrungen. Außerdem hätten 15 Prozent diese Gruppe könne nicht mit den Sachen umgehen.17
der unter 30-Jährigen die Schule ohne Abschluss Anträge beim Jobcenter, um einen Zuschuss für Gerä-
verlassen.14 Zwar sind seit der letzten Studie Verbes- te wie Computer und Tablets zu bekommen, wurden
serungen zu verzeichnen; der Zugang zu Bildung abgelehnt, obwohl solche Kosten bewilligt werden
hat sich bei der jüngeren Generation verbessert. Die sollten, sofern die Schule keine Geräte zur Verfügung
Werte sind aber immer noch deutlich niedriger als der stellen kann. Schüler*innen wurden so essenzielle
Durchschnitt der Mehrheitsgesellschaft. Lernmaterialien aufgrund antiziganistischer Haltun-
Diese Befunde decken sich mit den Erfahrungen, gen von Entscheidungsträger*innen im Bildungsbe-
die im Rahmen von DOSTA gesammelt wurden. 2021 reich verwehrt.
und 2022 wurden insgesamt 48 Vorfälle erfasst. Im Ein weiterer Mechanismus von institutionel-
Zusammenhang mit Bildung werden junge Menschen lem Antiziganismus in Bildungseinrichtungen ist die
mit selbst- oder fremdzugeschriebenem Roma-Hinter- Exklusion: Der Zugang zu Bildung wird ver- oder
grund häufig Opfer von rassistischem Mobbing, behindert. Als Rom*nja wahrgenommene Kinder
sowohl seitens der Mitschüler*innen als auch durch erhalten in Berlin häufig keinen Kita- oder Schulplatz.
Lehrkräfte. Betroffene berichten von teilweise tägli- Im Jahr 2021 dokumentierte DOSTA vermehrt anti-
chen antiziganistischen Beschimpfungen im Schul- ziganistische Vorfälle, welche geflüchtete Menschen
alltag. Schüler*innen und Lehrer*innen nutzen die aus der Republik Moldau erlebten, deren Kinder trotz
rassistische Fremdbezeichnung. So werden rassisti- Schulpflicht an keiner Schule aufgenommen wurden.
sche Äußerungen und diskriminierende Sprache im Mit Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine 2022
Schulalltag normalisiert. Auch die betroffenen Eltern verschob sich die Lage an einzelnen Berliner Schulen
werden teilweise von Lehrkräften diskriminiert, z.B. und mehr Kinder aus der Ukraine und der Repub-
wird ihnen aufgrund mangelnder Deutschkenntnis- lik Moldau bekamen einen Schulplatz. Trotzdem gab
se eine Auskunft verweigert, die elterliche Kompe- es Kinder, die vor Kriegsbeginn in Berlin waren und
tenz willkürlich abgesprochen oder Verletzungen der zwischen 6 und 12 Monate auf einen Schulplatz warten
Aufsichts- und Fürsorgepflicht unterstellt.15 mussten. In einem anderen bei DOSTA gemeldeten
In vielen Fällen schüren Lehrkräfte an Berliner Fall sollte eine junge Romni mit ihrer Familie abge-
Schulen antiziganistische Klischees, während Schul- schoben werden, weshalb die Tochter offiziell nicht
leitungen und höhere Instanzen nichts dagegen unter- mehr schulpflichtig war. Als der Krieg ausbrach, wech-
selte die Familie das Wohnheim innerhalb Berlins und
11 UKA (2021), S. 146.
die Tochter sollte wieder beschult werden. Das Schul-
12 Die Studie wurde in der DOSTA-Auswertung 2019-2020 (Amaro Foro 2021) sowie
im Kurzbericht 2021 (Amaro Foro 2022) umfassend thematisiert.
amt reagierte mit den Worten, sie hätten selbst keine
13 Vgl. Strauß (2021), S. 14.
18 Wenn sie einen Aufenthaltstitel besitzen, fallen sie unter die allgemeine
Schulpflicht.
23 Auswertung 2021 – 2022
Beseitigung der Benachteiligung geklagt werden.« 29 Ein erheb- vor Diskriminierung schützen!« der Fachstelle Kinderwelten für
liches Hindernis, um effektiv gegen Diskriminierungen mithilfe Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung am Institut für den
des AGG vorzugehen, ist jedoch die kurze Beschwerdefrist von Situationsansatz (ISTA) mit dem Fokus auf Kita bzw. Kinder im
zwei Monaten. Auch ein »Verbandsklagerecht, das die individuell Alter bis 12 Jahren und »ADAS – Anlaufstelle für Diskriminie-
Betroffenen entlasten könnte, fehlt«. 30 rungsschutz an Schulen«. Darüber hinaus gibt es inzwischen zwei
etablierte bezirklich ausgerichtete Stellen: die Anlauf- und Fach-
Das Landesantidiskriminierungsgesetz Berlin (LADG), das am 21. stelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und in Kitas in Fried-
Juni 2020 in Kraft trat, ist ein Versuch, die Schutzlücken des AGG richshain-Kreuzberg, in der Trägerschaft der RAA Berlin, die im
im Bereich des öffentlich-rechtlichen Handelns zu schließen. Das Bereich der Antidiskriminierungsarbeit an Schulen tätig ist, und
LADG verbietet es durch das sogenannte »Diskriminierungsver- das Projekt »Diskriminierungsfreie Bildung im Wedding« von
bot« in § 2 allen hoheitlichen Stellen im Land Berlin, Menschen NARUD e.V. Eine weitere Anlaufstelle in Lichtenberg ist in der
durch Bezug auf unzulässige persönliche Merkmale schlech- Entwicklung. Festhalten lässt sich hier, dass die Beratungsstruk-
ter zu stellen, also zu diskriminieren. Zu diesen Stellen gehören turen dünner werden, je jünger die Zielgruppe wird. Während es
auch öffentliche Schulen und Kitas. Diskriminierung, also unge- für merkmalsbezogene Diskriminierung ein relativ breites Spekt-
rechtfertigte Benachteiligung, meint nach § 4 LADG entweder rum an Beratungsstellen gibt, fehlt es an gut ausgebauten Bera-
die unmittelbare oder mittelbare Form der Benachteiligung oder tungsstrukturen für die Kita und den (Grund-)Schulbereich. In
(sexuelle) Belästigung. Unter das LADG fallen auch hypothetische Anbetracht der Relevanz und der weitreichenden Folgen von
Diskriminierungen. Eine tatsächliche Ungleichbehandlung muss Bildungsdiskriminierung müssen diese Strukturen gestärkt und
in solchen Fällen nicht vorliegen. »Es reicht, wie auch schon im Fall ihre Kompetenzen ausgebaut werden.
der Benachteiligung nach § Abs. 1 AGG, aus, wenn eine Person mit
vergleichbarem persönlichem Hintergrund eine bessere Behand-
lung als die betroffene Person erfahren würde«. 31 Um durch das
LADG verboten zu sein, muss die Diskriminierung an sogenann-
te Diskriminierungsmerkmale anknüpfen. Darunter fallen nach §
2 des LADG das Geschlecht, die ethnische Herkunft, antisemiti-
sche oder rassistische Zuschreibungen, die Religion oder Welt-
anschauung, eine Behinderung oder chronische Erkrankung, das
Lebensalter, die Sprache, die sexuelle und geschlechtliche Identi-
tät und der soziale Status. Auf Grundlage des LADG kann jede*r
gegen eine Diskriminierung, die durch eine Berliner Verwaltung
oder andere hoheitlich tätige Einrichtungen des Landes Berlin
erfolgt, »mit einem Anspruch auf Schadenersatz vorgehen oder
seinen Anspruch mithilfe eines [anerkannten] Antidiskriminie-
rungsverbands geltend machen« 32 . Die Verjährungsfrist beträgt
hier ein Jahr (§ 8 Abs. 4 LADG). Ein Recht auf Schadenersatz
haben auch Personen, die nicht selbst diskriminiert wurden, aber
in einem engen persönlichen Näheverhältnis stehen. Das LADG
sieht auch die Möglichkeit, abseits von einzelner Betroffenheit, in
Fällen struktureller Diskriminierungen zu klagen, auf dem Wege
einer Feststellungsklage nach § 9 Abs. 1 LADG. Diese kann von
anerkannten Antidiskriminierungsverbänden mit dem Ziel der
Unterbindung auf den Weg gebracht werden.
29 Becker/Rupprecht/Halldorn (2021) , S. 4.
31 Moir (2021), S. 4.
32 Ebd., S. 6.
33 Gauch/Abed/Pfau/Yegane (2021), S. 9.
25 Auswertung 2021 – 2022
eingeholt werden müssen oder die für die Antrags- 35 Vgl. Amaro Foro (2021), S. 30.
Auswertung 2021 – 2022 26
KONTAKT ZU
nach ASOG zugewiesen wurde. In solchen Fällen ist
LEISTUNGSBEHÖRDEN
eine gerichtliche Durchsetzung äußerst aufwendig.36
Die Familien befinden sich für die Dauer des Verfah-
rens in einer existenzbedrohlichen Notlage, die durch 2022
Behördenhandeln herbeigeführt wurde.
An dieser Stelle wird der institutionelle Antiziga- Kulturalisierung
Im Zuge einer Unterkunftsbegehung sagt ein Mitar-
nismus deutlich, der auf antiziganistischen Stereoty-
beiter der Sozialen Wohnhilfe, dass seine Kolleg*innen
pen37 und Kriminalisierung beruht, nicht auf realen
Rom*nja erkennen würden. Er ist der Überzeugung,
Betrugsversuchen dieser Zielgruppe.38 Auch der dass man durch die Unterbringung »Nomaden zwang-
antiziganistisch geprägte Vorwurf der sogenannten haft sesshaft machen würde«, und es würde sich die
»Armutszuwanderung« kann nicht belegt werden. Die Frage stellen, »inwiefern man denen damit überhaupt
Beschäftigungsquote von Menschen aus Rumänien einen Gefallen« täte.
und Bulgarien lag im September 2021 bei 67 Prozent
und damit fast genauso hoch wie bei der deutschen Verweigerung der Unterbringung nach ASOG
Bevölkerung (69 Prozent) und höher als bei anderen Ein rumänischer Mann stellt einen Antrag auf Unter-
ausländischen Beschäftigten.39 Die Arbeitslosenquote bringung nach ASOG, weil er und seine Familie
lag im selben Zeitraum mit 9,3 Prozent im September obdachlos sind. Die Soziale Wohnhilfe verweist auf die
2021 nur leicht über der Quote der Gesamtbevölke- Rückreise nach Rumänien, was aber nicht rechtens ist,
rung; sie ist niedriger als bei anderen ausländischen da es der Rechtsauffassung des FreizügG/EU wider-
Beschäftigten.40 Diese Zahlen sollen verdeutlichen, spricht und auch dem unionsrechtlichen Diskriminie-
rungsverbot.
wie realitätsfern antiziganistische Debatten sind.
Offen bleibt, wieso Behörden eine interne Arbeits-
hilfe nutzen, die in so offensichtlichem Widerspruch Anzweiflung der Lebensverhältnisse/Wohnverhältnisse
zu den von ihnen selbst erhobenen Arbeitsmarktsta- Die Familienkasse fordert diverse Unterlagen einer
tistiken steht. Ein anderer Grund als tief verwurzel- rumänischen Antragstellerin an, die darauf abzie-
ter Antiziganismus sowie eine offenbar gewünschte len, ihren tatsächlichen Aufenthalt nachzuweisen. Es
werden diverse irrelevante Nachweise gefordert, wie
Migrationskontrolle ist nicht erkennbar.
die Schulbescheinigungen von den unter 18-jährigen
DOSTA beobachtet außerdem immer wieder,
Kindern sowie Nachweise von Arztbesuchen.
dass Menschen aufgrund von Entscheidungen des
Jobcenters ihre Unterkunft verlieren. Sei es, weil das
Jobcenter nicht pünktlich zahlt und dadurch Fami-
lien aus Wohnheimen rausgeworfen werden, sei es,
dass Menschen aus dem Wohnheim in eine eige-
ne Wohnung in einem anderen Bezirk ziehen und
das dortige Jobcenter ihre Leistungsansprüche nicht
anerkennt. Besonders Letzteres ist nicht nur aus sozi-
alstaatlichen, sondern auch aus ökonomischen Erwä-
gungen heraus absurd: Müssen die Betroffenen dann
wieder im Wohnheim untergebracht werden, erhöhen
sich die Kosten erheblich und mit der angestrebten
Stabilisierung und dem Gewinn von Eigenständigkeit
muss wieder von vorn begonnen werden. Dabei sollte
das Ziel grundsätzlich sein, Menschen nicht in Wohn-
heimen, sondern in Wohnungen unterzubringen; wo
auch die Kosten deutlich geringer sind.
40 Ebd.
27 Auswertung 2021 – 2022
WOHNEN
ren Tricks sorgten die Eigentümer*innen dafür, dass
die Mieter*innen in Zahlungsrückstand gerieten,
sodass sie gekündigt und geräumt werden konnten. 2021
Nur dank des zivilgesellschaftlichen Drucks konn-
ten die Räumungen zunächst ausgesetzt werden. Die Rassistisches Mobbing
Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern
Mieter*innen mussten allerdings trotzdem schnellst-
hat nach zweieinhalb Jahren intensiver Suche eine
möglich ein neues Zuhause finden, was sich, wie oben
Wohnung gefunden. Die Familie wird aber von einer
geschildert, angesichts des angespannten und von Nachbarin fast jeden Tag terrorisiert, weil die Kinder
Rassismus geprägten Berliner Wohnungsmarktes angeblich laut sind. Sie ruft mehrmals die Polizei wegen
äußerst schwierig gestaltete. vermeintlicher Ruhestörung, welche die Beamt*innen
vor Ort nicht feststellen können. Eines Tages klopft die
Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz Nachbarin wütend an der Tür. Als die Mutter die Tür
aufmacht, fängt die Nachbarin an, sie und ihre Fami-
lie aggressiv zu beschimpfen. Eines der Kinder erleidet
2021 und 2022 wurden insgesamt 15 Vorfälle im
einen Schock. Eine andere Nachbarin geht dazwischen,
Lebensbereich »Kontakt zu Ordnungsbehörden und
ruft die Polizei und unterstützt die Mutter dabei,
Justiz« dokumentiert. Ähnlich wie in den Jahren gegen die Nachbarin Anzeige zu erstatten.
davor stellen wir fest, dass antiziganistische Strafta-
ten seitens der Ordnungsbehörden nicht ernst genom-
men bzw. adäquat verfolgt werden.45 In manchen 2022
Fällen findet sogar eine Täter-Opfer-Umkehr statt.
Letzteres Phänomen ist auf die in den letzten Jahren Wucher
von DOSTA systematisch dokumentierte Kriminali- Bei einer Hausverwaltung in Charlottenburg-Wilmers-
sierung von Sinti*zze und Rom*nja durch die Sicher- dorf muss eine Familie doppelt so viel in bar zahlen,
heitsbehörden zurückzuführen.46 wie im Mietvertrag vereinbart wurde. Als sie dies nicht
machen und mit rechtlichen Schritten drohen, bekom-
In diesem Zusammenhang ist die Untätigkeit
men sie eine Betriebskostenabrechnung i.H.v. über
der Behörden im Falle antiziganistischer Beleidi-
6.000 Euro.
gungen hervorzuheben. In allen gemeldeten Vorfäl-
len, in denen eine Anzeige wegen Beleidigung erstat-
tet wurde, wurde die Anzeige entweder nicht ernst KONTAKT ZU ORDNUNGS-
genommen oder es wurde seitens der Polizei von einer BEHÖRDEN UND JUSTIZ
Anzeigenerstattung abgeraten. In einem Fall wurde
das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. In 2022
der Auswertung antiziganistisch motivierter Vorfäl-
le 2019-202147 legen wir ausführlich dar, warum die Kriminalisierende Unterstellung , sozialchauvinistische
Verwendung der rassistischen Fremdbezeichnung als Äußerung , Kulturalisierung
Beleidigung im Sinne des Paragrafen 185 StGB straf- Eine Verfahrensbeiständin erzählt in Anwesenheit
rechtlich geahndet werden sollte. Eine wertneutra- einer Sozialarbeiterin einer jungen Frau aus Russ-
le Nutzung dieses Begriffes ist an sich nicht möglich: land, »wie schlimm die Clans« und Muslime generell
Der Begriff ist seit Jahrhunderten eine Fremdbezeich- in Deutschland wären. Sie sagt auch, dass »Sinti und
nung für Sinti*zze und Romn*ja und ist für Betroffene Roma am allerschlimmsten von allen« seien, die mit
antiziganistischer Gewalt mit diversen Diskriminie- ihrem kompletten »Clan« Gerichte regelrecht über-
schwemmten.
rungserfahrungen und einer schmerzhaften Historie
konnotiert.
In manchen Vorfällen werden ungerechtfertig- Ungerechtfertigte Maßnahme
te Maßnahmen angewandt, z.B. unverhältnismä- Eine hochschwangere Romni wurde in die Republik
ßige Gewalt. Laut einer DOSTA-Meldung betraten Moldau abgeschoben. Vorher musste ein Arzt bestäti-
beispielsweise Polizist*innen ohne Vorwarnung die gen, dass sie am »richtigen Zeitpunkt« der Schwanger-
schaft ist, sodass sie »medizinisch vertretbar« abge-
Wohnung einer Familie mit zwei Kindern in Berlin-
schoben werden kann.
Spandau und forderten die Herausgabe ihrer Pässe.
Die aus dem Schlaf geweckte Familie verstand gar
46 Vgl. UAK (2021). Amaro Foro (17.5.2021). Amaro Foro (2021), S. 17-19.
nicht richtig, worum es ging. Daraufhin richteten die der Ukraine.« Erneut werden also Schutzsuchende
Polizist*innen beim Durchsuchen der Wohnung an gegeneinander ausgespielt und in richtige und weni-
der Einrichtung der Familie erheblichen Sachscha- ger richtige Geflüchtete unterteilt. Bei solchen Unter-
den an. Außerdem beleidigten sie die Mitglieder der teilungen scheint es in Deutschland eine Konstante zu
Familie rassistisch und bezeichneten sie als »Schwei- sein, dass Rom*nja grundsätzlich zur letzteren Grup-
ne«. Am Ende des Einsatzes stellten die Polizist*innen pe gezählt werden (vgl. auch das Medienmonitoring).
fest, dass sie in der falschen Wohnung gewesen waren.
Abschließend soll hier der Umgang mit moldau- Zugang zu Gütern und Dienstleistungen
ischen Geflüchteten erwähnt werden, wobei Polizei-
und Justizbehörden hier nur die ausführenden Orga- Wie in den letzten Jahren wurden auch 2021 und 2022
ne sind. Wie bereits in den letzten Jahren von DOSTA weiterhin Fälle von unrechtmäßigen Kontoeröff-
thematisiert, werden Geflüchtete aus Moldau häufig nungsablehnungen für EU-Bürger*innen aus Rumä-
pauschal als Rom*nja gelesen und so behandelt, als wäre nien und Bulgarien gemeldet. In den meisten gemel-
Moldau offiziell ein sogenannter »sicherer Herkunfts- deten Fällen wurde die Ablehnung damit begrün-
staat«. Dahingegen werden Rom*nja in der Republik det, dass die Berechtigten über nicht ausreichende
Moldau in allen Lebensbereichen existenzgefährdend Deutschkenntnisse verfügen. Diese Praxis wider-
diskriminiert. Diese sogenannte kumulative Diskri- spricht dem Zahlungskontengesetz (ZKG) zur Umset-
minierung von Rom*nja in Moldau wird, ähnlich wie zung der Richtlinie 2014/92/EU zum diskriminie-
bei den Ländern, die bereits als sogenannte »sichere rungsfreien Zugang zu Zahlungskonten für jede*n
Herkunftsstaaten« eingestuft sind, in Deutschland Verbraucher*in. Laut § 3 des ZKG kann sich der
konsequent ignoriert. Stattdessen werden Geflüch- Verpflichtete nicht auf mangelnde Sprachkenntnis-
teten medial legitime Fluchtgründe abgesprochen se der Berechtigten als Ablehnungsgrund berufen. In
und antiziganistische Klischees zugeschrieben (vgl. zwei weiteren Vorfällen wurden Verbraucher*innen
dazu auch das Medienmonitoring). Die Pandemie aufgefordert, diverse Versicherungen eines exter-
und der Ukraine-Krieg haben diese Situation weiter nen Anbieters abzuschließen, bevor sie ein Basiskon-
verschärft. Wie von Amaro Foro öffentlich kritisiert, to eröffnen. Außerdem wurden rassistisch motivierte
fanden zu Hochzeiten der Pandemie Abschiebun- Zutrittsverweigerungen und die Unterstellung krimi-
gen schwerkranker Menschen in das Hochrisikoge- neller Handlungen im Einzelhandel sowie antiziga-
biet Moldau statt. Weiterhin ist zu beobachten, dass nistische Beleidigungen erfasst.
die Möglichkeit, aus medizinischen Gründen auf eine 2021 und 2022 wurden insgesamt 7 Vorfälle in
Abschiebung zu verzichten, selten genutzt bzw. noch diesem Lebensbereich dokumentiert.
weiter eingeschränkt wird. Betroffen sind Schwan-
gere und Schwerkranke, die in Moldau häufig kaum Zugang zu medizinischer Versorgung
Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Auf Landesebene verspricht der Berliner Koaliti- Grundsätzlich gelangen rassistisch motivierte Vorfäl-
onsvertrag Einhaltung von humanitären Grundsät- le aus dem Gesundheitswesen schwer nach außen,
zen bei der Aufenthaltsbeendigung. Dieser garantiert, da es sich in der Regel um sehr sensible und intime
dass es »Direktabschiebungen aus Schulen, Jugendein- Daten und Informationen handelt. Bei Betroffenen ist
richtungen und Krankenhäusern sowie Familientren- die Hemmschwelle deutlich höher. Auch das Macht-
nungen bei Rückführungen« nicht mehr geben wird. gefälle zwischen Ärzt*innen und Patient*innen spielt
Auch »[a]uf nächtliche Abschiebungen, insbeson- eine Rolle. Es gibt zu wenige valide Daten und auch
dere bei Familien mit Kindern, alten Menschen und bei DOSTA werden jährlich nur vereinzelt Vorfälle
Menschen mit Behinderung oder schwerer Erkran- aus diesem Lebensbereich gemeldet. Laut der Antidis-
kung, soll verzichtet werden«.48 Die von uns doku- kriminierungsstelle des Bundes hat jede vierte befrag-
mentierten Vorfälle zeigen, dass diese Versprechen im te Person schon Diskriminierung im Bereich Gesund-
Jahr 2022 noch nicht eingelöst wurden. heit und Pflege erlebt und es ist davon auszugehen,
Ende 2022 wurde zudem in Berlin der Plan der dass Rom*nja und so gelesene Menschen auch entspre-
Innensenatorin diskutiert, gegen den Koalitionsver- chende Erfahrungen machen. Umso wichtiger ist es,
trag zu verstoßen und auch im Winter u.a. nach Moldau das Dunkelfeld durch künftige Studien zu erhellen.49
abzuschieben, angeblich um Platz für Geflüchtete Die 7 Vorfälle des Jahres 2022 zeigen, dass Betrof-
aus der Ukraine zu machen. Spranger sagte: »Unser fene Antiziganismus im Zugang zu medizinischer
humanitäres Anliegen sind die Kriegsflüchtlinge aus Versorgung durch einen erschwerten Zugang zu den
ZUGANG ZU GÜTERN
gesetzlichen Krankenkassen erleben, der durch ähnli-
UND DIENSTLEISTUNGEN
che bürokratische Hürden geprägt ist wie der Kontakt
zu Leistungsbehörden. Seit Jahren verweist DOSTA
auf Sonderanforderungen, restriktive oder mangeln- 2022
de Durchsetzung der EU-Vorschriften oder europa-
rechtswidrige interne Anweisungen der gesetzlichen Verweigerung der Kontoeröffnung
Krankenkassen. Auch hier führen sprachliche Barrie- Eine Frau aus Bulgarien wollte ein Bankkonto eröffnen.
ren zur Nichterbringung oder Verweigerung medizi- Ihr wurde eine Kontoeröffnung bei der Bank zunächst
nischer Leistungen. Auch Ärzt*innen und Pflegeper- verwehrt mit der Begründung, dass sie erst mal
diverse Versicherungen eines Partneranbieters
sonal verweigern Rom*nja oder so gelesenen Menschen
abschließen solle.
medizinische Behandlungen. Zudem gibt es immer
wieder antiziganistische, generell herabwürdigende,
kulturalisierende und eugenische Äußerungen seitens Zutrittsverweigerung
Eine rumänische Frau war in einem Supermarkt
des medizinischen Personals und Ärzt*innen. Diese
einkaufen. Sie hat eine Wassermelone hochgehoben,
Rhetoriken sind besonders vor dem Hintergrund der
um zu schauen, ob sie reif ist. Das Sicherheitspersonal
historischen Kontinuitäten, wie Sterilisationen von hat sie daraufhin weggeschickt, »weil Zigeuner immer
Rom*nja während und nach der NS-Zeit, besonders klauen« würden. Die Betroffene hat daraufhin wegen
problematisch.50 Beleidigung Anzeige erstattet.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung der national-
sozialistischen Verfolgung und deren (gesundheit-
ZUGANG ZU
lichen) Spätfolgen bis in die Gegenwart ist unerläss-
MEDIZINISCHER VERSORGUNG
lich, denn transgenerationale Folgen wie Trauma-
ta sind bis heute real. Die Folgen des Völkermords
betreffen Rom*nja und deren Nachkommen europa- 2022
weit. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den
von Deutschland besetzten Ländern wurde Rom*nja Verweigerung von medizinischer Behandlung
Eine Frau leidet unter einer schwerwiegenden Erkran-
der Schulbesuch und das Erwerbsleben verboten,
kung und muss sich regelmäßig behandeln lassen,
mit ihnen wurden medizinische Experimente durch-
wobei es zu starken Nebenwirkungen kommt.
geführt, sie wurden sterilisiert und schließlich in In einem Berliner Krankenhaus kommt sie in die
Massen erschießungen oder Konzentrationslagern Rettungsstelle, weil es ihr erneut sehr schlecht geht.
ermordet. Die Bedeutung und die Auswirkungen Sie muss sich übergeben und wird daraufhin von den
dieser historischen Ereignisse können kaum über- Sicherheitsleuten rausgeschmissen, die sagen: »Du
schätzt werden. Im US-amerikanischen Kontext ist kommst hier eh nur zum Essen und Trinken her.«
in Bezug auf die Sklaverei inzwischen bekannt, dass
solche Traumata über mindestens 6 Generationen Kriminalisierende Unterstellung
weitergegeben werden. In Bezug auf Rom*nja in Euro- Eine Mitarbeiterin einer Gemeinschaftsunterkunft
pa fehlt es dazu nicht nur an Forschung, sondern auch wollte telefonisch einen Termin für eine Anwohnerin
an gesellschaftlichem Bewusstsein. Die Betroffenen bei einer Frauenärztin vereinbaren. Die Mitarbeiterin
sagte, dass sie »ungerne Termine an Moldawierinnen«
fingen 1945 nicht sozusagen neu bei null an, sondern
vergibt, weil diese angeblich zu Vandalismus neigen.
waren beispielsweise nicht alphabetisiert, nicht mehr
arbeitsfähig bzw. eben traumatisiert. Hinzu kommt
das historisch gewachsene Misstrauen in Instituti-
onen, durch die Rom*nja jene Gewalterfahrungen
machen mussten und in denen sie auch nach 1945 den
Täter*innen wieder begegneten.
Wenn heute Ärzt*innen darüber entscheiden,
ob beispielsweise eine schwangere Romni zu einem
angeblich medizinisch vertretbaren Zeitpunkt abge-
schoben werden kann oder nicht (s.o. im Bereich
»Kontakt zu Ordnungsbehörden und Justiz«), findet
sich hier eine brutale Kontinuität von antiziganisti-
schen Praktiken im Gesundheitswesen. DOSTA hat
sanktionieren, während die dafür verantwortlichen Rumänien, sogar explizit nach Rom*nja oder »Zigeu-
Arbeitgeber*innen meist unbeschadet ihre Betrie- nern« gesucht. Hinzu kommt, dass Rom*nja oder so
be weiterführen. Aufgrund der Corona-Pandemie gelesene Arbeitnehmer*innen immer wieder Ableh-
hat sich die Situation in den letzten Jahren zusätzlich nung oder Diskriminierung erfahren, wenn sie als
verschärft. solche durch das Kollegium oder Arbeitgebende
Oft verfügen Betroffene zwar über ein vertraglich (fremd-)identifiziert werden. Diese äußert sich oft in
geregeltes Arbeitsverhältnis, müssen aber beispiels- kriminalisierenden Unterstellungen und Beleidigun-
weise einen erheblichen Teil ihres Gehalts für die gen.
(überteuerte) Miete direkt dem Arbeitgeber zurück- Das Soziologische Forschungsinstitut Göttin-
geben oder sie werden von diesem in einer Steuer- gen untersucht, wie und zu welchen Bedingungen in
klasse angemeldet, die für ihn vorteilhaft ist, für die Deutschland neu ankommende Migrant*innen Arbeit
Arbeitnehmer*innen aber erheblich höhere Abgaben finden. Dr. Peter Birke, wissenschaftlicher Mitarbeiter
bedeutet. Häufig sind die Arbeitszeiten unregelmä- am Institut, bestätigt, dass auch »Leute aus EU-Migra-
ßig, es herrscht permanenter Zeitdruck, Überstun- tion, insbesondere aus den neuen Beitrittsländern, seit
den müssen ohne Widerworte geleistet werden. Das 2000 jetzt so mehrheitlich in Bereichen ankommen,
bedeutet, dass Betroffene selbst in den vermeintlich die durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingun-
regulierten Arbeitsverhältnissen nicht vor Ausbeu- gen und prekäre Beschäftigungsbedingungen gekenn-
tung geschützt sind. Außerdem ist der Arbeitsalltag zeichnet sind«53.
in den besagten Branchen physisch und mental kräf- Diese Praktiken werden von Befürworter*innen
tezehrend und die Abläufe repetitiv. als Arbeitsmarktflexibilisierung angepriesen, als
Migrantische Beschäftigte erhalten oft niedrige- sogenanntes Sprungbrett für langfristige und siche-
re Löhne als tariflich oder gesetzlich vorgeschrieben. re Beschäftigung. Tatsache ist aber, dass die meisten
DOSTA hat außerdem Fälle dokumentiert, in denen Leute kaum aus den prekären Niedriglohnbranchen
Menschen nach geleisteter Arbeit keinen oder einen herauskommen.54 Solche Arbeitsbedingungen tragen
geringeren Lohn als vereinbart erhalten haben. Viele nicht zur gesellschaftlichen Teilhabe bei, sie behin-
Branchen arbeiten mit Subunternehmen, über die dern diese und führen zu weiteren Ausschlüssen und
Arbeitnehmer*innen beschäftigt sind. Einen regulä- Prekarisierung in vielen Lebensbereichen. Die Angst
ren Arbeitsschutz, wie Kranken- und Rentenversiche- vor dem Verlust der Arbeit ist für viele Rom*nja oder
rung, Gewährleistung des Arbeitsplatzes bei Unfällen dafür gehaltene Personen real, da es auch den Verlust
oder Schwangerschaft oder Urlaubsansprüche, haben von Leistungen und der Unterkunft bedeuten kann.
Betroffene kaum. Schließlich sollte im Bereich Arbeitswelt nicht
Nach einer Krankschreibung droht Arbeit- unerwähnt bleiben, dass parallel zu den hier beschrie-
nehmer*innen die Reduzierung der Stunden oder benen Lebensrealitäten seit Jahren eine antiziganis-
die Einbehaltung des Lohns. Für den Kernbereich tische Debatte zur sogenannten Armutszuwande-
Fleischwirtschaft gilt ab dem 1. Januar 2021 zwar das rung und Sozialleistungsmissbrauch herrscht. Dieses
Arbeitsschutzkontrollgesetz, laut dem Werkverträ- Narrativ ist nicht nur menschenfeindlich, sondern
ge generell sowie Leiharbeit grundsätzlich verboten steht auch im eklatanten Widerspruch zu den beleg-
ist. Es bleibt aber abzuwarten, inwiefern dieses Gesetz baren Zahlen, inwieweit die deutsche Wirtschaft
in der Praxis die Situation der Arbeitnehmer*innen beispielsweise seit der EU-Osterweiterung von den
verbessert. Auslöser für das Gesetz war der massi- zusätzlichen Arbeitskräften profitiert hat. Der Arbeits-
ve Druck von Arbeitnehmer*innen, Gewerkschaften marktforscher Herbert Brücker bestätigt gegenüber
und Zivilgesellschaft nach den Masseninfektionen dem Mediendienst Integration, dass Deutschland als
beim Schlachtbetrieb Tönnies zu Beginn der Corona- Sozialstaat erheblich von den bulgarischen und rumä-
Pandemie 2020. nischen Arbeitnehmer*innen profitiert hat.55
Auch der Zugang zum Berliner Arbeitsmarkt
wird durch Rassismus massiv erschwert. Außerdem
wird uns oft von dubiosen Jobangeboten berichtet.
Hier wird die vulnerable Situation der Arbeitssu-
chenden bewusst ausgenutzt. Immer wieder wurden
bei DOSTA Fälle gemeldet, in denen Menschen
gegen eine Vermittlungsgebühr Arbeit versprochen
wurde – diese Versprechen stellten sich nach Zahlung 53 Vgl. Fannrich-Lautenschläger (20.01.2022).
Soziale Arbeit
Migrantische, von Antiziganismus betroffene Men-schen
sind aufgrund der beschriebenen massiven Diskriminie- Im Jahr 2022 haben wir uns dazu entschieden, Antizi-
rungserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt besonders von ganismus in der Sozialen Arbeit als neuen Lebensbe-
ausbeuterischen Erwerbsverhältnissen betroffen. Aus reich im Kategoriensystem aufzunehmen, um Diskri-
diesem Grund haben wir uns 2022 entschieden, unser minierungserfahrungen von Rom*nja und so gelesenen
Kategoriensystem um zwei Erscheinungsformen zu ergän- Menschen möglichst breit und realitätsnah zu beleuch-
zen: Lohnbetrug und Wucher. ten. Im Jahr 2022 haben wir bereits 24 Vorfälle doku-
mentiert. Gerade in der Sozialen Arbeit verbirgt sich
LOHNBETRUG hinter vermeintlich wohlwollenden »kultursensiblen«
Angeboten oft reines Othering. Othering beschreibt die
Laut § 266a StGB spricht man von Lohnbetrug, Andersmachung von Menschen oder Gruppen sowie
wenn Arbeitsentgelt vorenthalten oder verun- die »Distanzierung und Differenzierung zu anderen
treut wird, ein Teil des Geldes zurückverlangt wird Gruppen, um seine eigene Normalität zu bestätigen«60.
oder die Auszahlung des Lohns geringer ausfällt als Menschen werden negative Eigenschaften zugeschrie-
vertraglich vereinbart. Oft wird ein Teil des Lohns ben, die sich von der vermeintlich »normalen« sozia-
einbehalten, »um andere nicht vertraglich geregel- len Gruppe in deren Wahrnehmung wesentlich unter-
te Dinge abzudecken (z.B. Wohnraum)«56 , oder »das scheiden. Das Konzept stammt aus der postkolonialen
Gehalt ist geringer als der Mindestlohn«57. Theorie und beschreibt den ständigen Akt der Unter-
WUCHER scheidung zwischen »uns« und »den Anderen«61.
Wenn man sich die jahrhundertelange geschicht-
Laut § 291 StGB spricht man von Wucher, wenn liche Entwicklung von Antiziganismus anschaut
jemand die »Zwangslage, die Unerfahrenheit, den sieht man, dass auch die Soziale Arbeit ihren Teil
Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche zu Diskriminierung, Exklusion und Gewalt gegen-
Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, über Rom*nja beigetragen hat. Die Soziale Arbeit hat
dass er sich oder einem Dritten für die Vermietung ihren Ursprung in einer Zeit, in der die »Zigeunerfor-
von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene schung« begründet liegt. So war die sozialarbeiteri-
Nebenleistungen, für die Gewährung eines Kredits, sche Praxis des 19. Jahrhunderts geprägt von gewalt-
für eine sonstige Leistung oder Vermögensvortei- samen Umerziehungsmethoden, aber auch dem Glau-
le versprechen oder gewähren lässt, die in einem ben an Vererbbarkeit von Kriminalität und einer
auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder verminderten Auffassungsgabe.62 Schon zu dieser Zeit
deren Vermittlung stehen«58 . Der Begriff Lohnwu- begann die systematische Erfassung von Rom*nja und
cher ist ein Synonym für die rechtswidrige Ausbeu- Sinti*zze, von denen die Erwachsenen oft zur Zwangs-
tung von Arbeitnehmer*innen. Laut Rechtspre- arbeit gerufen und Kinder den Eltern weggenommen
chung des Bundesarbeitsgerichts liegt ein auffälliges wurden. Als sich 1933 mit der Machtübernahme der
Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleis- Nazis die Situation weiter verschärfte, meldete bspw.
tung vor, wenn »die Arbeitsvergütung nicht einmal die Wohlfahrtspflege konsequent die im Zuge der
zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Arbeit erfassten Sinti*zze und Rom*nja bei den staat-
Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tarif- lichen Verfolgungsinstanzen.63 Nach dem Zweiten
lohns erreicht«59. Weltkrieg wurden pseudowissenschaftliche Erkennt-
nisstände aus der Zeit vor oder während des Krieges
weiter publiziert, was dazu führt, dass Forschungen
bis in die Gegenwart mit großer Vorsicht und kriti-
scher Hinterfragung zu betrachten sind. Auch für den
Wissensstand der Sozialen Arbeit ist es unerlässlich,
dass der NS-Völkermord an Rom*nja und Sinti*zze
wissenschaftlich und gesellschaftlich stärker aufge-
arbeitet wird.64 Bis heute finden sich Kontinuitäten
60 Hoeder (2019).
SOZIALE ARBEIT
in der täglichen Praxis einiger Sozialarbeiter*innen,
welche antiziganistische Stereotypen sowie kultura-
lisierende und ethnitisierende Zuschreibungen offen 2022
kommunizieren und reproduzieren. Dabei ist eine
kontinuierliche Reflexion der Sozialarbeiter*innen Kulturalisierung
über die historischen und gegenwärtigen Ausschluss- Ein Sozialarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft
mechanismen unabdingbar, um die gleichberechtigte schlägt einer Kollegin vor, einer jungen Bewohne-
Teilhabe von Rom*nja zu ermöglichen. rin der Unterkunft nicht so viel Aufmerksamkeit zu
schenken. Diese habe einen Roma-Hintergund und
In den bei DOSTA dokumentierten Fällen reprodu-
würde die Schule deshalb sowieso bald abbrechen
zieren Sozialarbeiter*innen kulturalisierende, teilwei-
und heiraten, da dies »zur Kultur« gehöre. Die Kolle-
se auch kriminalisierende Annahmen über Rom*nja gin antwortet entsetzt, dass sie selbst der Minderheit
und befeuern Diskurse zu angeblicher Schuldistanz, angehört, studiert und keine Kinder hat. Dann sagt
Kriminalität, »Clan«-Zugehörigkeit und Frühverhei- dieser: »Ach, Sie sind auch Roma? Sie sehen aber nicht
ratung, um nur einige Beispiele zu nennen. Rom*nja so aus.«
werden häufig – nicht nur in der Sozialen Arbeit,
sondern auch in anderen Lebensbereichen – als Opfer Kriminalisierende Unterstellung ,
ihrer eigenen Gruppe, ihrer vermeintlichen Kultur ungerechtfertigte Maßnahme
dargestellt. Diese vorurteilsbehafteteten Herange- Einer bulgarischen Klientin und Mutter wurde tempo-
hensweise kann dazu führen, dass Sozialarbeitende rär das Sorgerecht für ihr Kind entzogen. Das Jugend-
einen pauschalen, vermeintlich kulturspezifischen amt bestätigt ihr, sie könne ihr Kind wiederhaben,
Lösungsansatz verfolgen, statt fallspezifisch auf die wenn sie »Deutsch auf B1 Niveau« lernt.
individuellen Bedürfnisse ihrer Klient*innen einzu-
gehen. Solche Handlungsmuster stärken die gleich-
berechtigte Partizipationsmöglichkeiten von Rom*nja
und so gelesenen Menschen nicht. Sie sind für den
konkreten sozialarbeiterischen Auftrag nicht nur
kontraproduktiv, sondern können Betroffene nach-
haltig schädigen. Besonders auffallend ist hierbei, dass
immer wieder Roma-Selbstorganisationen mit der
Bitte seitens Sozialarbeitenden und den entsprechen-
den Einrichtungen konfrontiert werden, »sich um die
Rom*nja zu kümmern«. Häufig werden in der sozial-
arbeiterischen Praxis individuelle, oft sehr eindeuti-
ge und für den bestimmten Fall relevante Kriterien,
beispielsweise Sprache, Staatsangehörigkeit, Aufent-
haltsstatus der Klient*innen, regelrecht ignoriert. Dies
war auch im Zuge der Zusammenarbeit mit aus der
Ukraine geflüchteten Rom*nja zu beobachten.
Solche Anfragen sind nicht nur aufgrund der ethni-
schen (Fremd-)Zuschreibungen fragwürdig und mit
Blick auf den Datenschutz rechtswidrig (siehe juris-
tischer Exkurs unten), sondern widersprechen auch
den berufsethischen Grundprinzipien der Profession
in dem Sinne, dass Rom*nja hier offensichtlich sozi-
alarbeiterisch segregiert und anders betreut werden
sollten als andere Gruppen.
So werden Rom*nja und dafür gehaltene Menschen
im Rahmen der Sozialen Arbeit nicht selten als homo-
gene, rassifizierte Gruppe behandelt, auch wenn das
unbewusst oder teilweise sogar ungewollt passiert.
Begriffe wie »Kulturkreise« und »Roma-Kultur«
fördern einen rassistischen Diskurs.
35 Auswertung 2021 – 2022
68 Vgl. Margalit (1997). 70 Vgl. Art. 8 GRCh. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1. Abs. 1 GG. Art. 33 VvB.
Auswertung 2021 – 2022 36
welcher »mit gezielten Maßnahmen in verschiedenen vulnerabelsten ethnischen Minderheiten leicht für
Handlungsfeldern [...] neu zugezogene Roma [...]«75 rassistische und antiziganistische Zwecke missbraucht
unterstützen solle. Ironischerweise steht im Aktions- werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die erste
plan dagegen Folgendes: »Wie viele Personen sich als Anwendung einer sogenannten biogeografischen
Roma verstehen, wird nicht erfasst, da es in Deutsch- Herkunftsanalyse in Deutschland im Fall der 2007
land keine statistische Erfassung ethnischer Zugehö- ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Zwei Jahre
rigkeit gibt«.76 Gemäß der Anfrage erfasst auch der lang suchten die Ermittler*innen nach einer »unbe-
Berliner Notdienst Kinderschutz unter der Kategorie kannten weiblichen Person« aus der Roma-Commu-
»Migrationshintergrund« Angaben zum sog. »Kultur- nity, dem sogenannten »Phantom von Heilbronn«.
kreis Sinti/Roma«.77 Inwiefern die Datenerhebungen Die Medien übernahmen das rassistische Narrativ
zugunsten der betroffenen Familien wirken, ist dem der Polizei und folgten der »heißen Spur ins Zigeu-
Antwortschreiben keineswegs zu entnehmen und nermilieu«, wie der Stern damals berichtete.80 Auch
damit bleibt die Rechtmäßigkeit der Erfassung höchst nachdem im Dezember 2008 bekannt wurde, dass die
fraglich. verfolgte DNA-Spur von verunreinigten Wattestäb-
chen stammte und damit von einer Angestellten der
Erfassung von DNA-Daten Herstellerfirma, wurde weiterhin gegen eine Grup-
von Sinti*zze und Rom*nja pe serbischer Rom*nja ermittelt. 2011 stellten sich als
eigentliche Täter*innen die Mitglieder des National-
Die Erfassung genetischer Daten gehört ebenfalls sozialistischen Untergrunds (NSU) heraus.81
zu den besonderen Kategorien personenbezogener Die Studien, mit denen sich Lipphardt und Surdu
Daten, welche gemäß Artikel 4 und 9 DSGVO die beschäftigt haben, enthalten populations-, medi-
eines erhöhten Schutzes bedürfen. zin- und forensisch-genetische Untersuchungen an
Genetiker*innen haben jahrzehntelang DNA- Rom*nja. 45 davon legen den Fokus auf kriminalistische
Daten Tausender Rom*nja gesammelt und in öffent- Zwecke. Die Analyse umfasste Papiere, die zwischen
lichen Datenbanken hinterlegt. Der angebliche Zweck 1921 und 2021 veröffentlicht wurden, die meisten aber
einiger dieser Studien war es, mehr über die Geschich- in den letzten 30 Jahren. Die früheren Papiere enthiel-
te und Genetik der Rom*nja zu erfahren. Fünf Jahre ten »so viele schockierende Überraschungen«82, sagt
lang hat ein Forscher*innen-Team in Deutschland Prof. Dr. Veronika Lipphardt, wie die Proben von
und im Vereinigten Königreich mehr als 450 Veröf- inhaftierten Rom*nja und viele Fälle rassistischer und
fentlichungen zusammengetragen, in denen die antiziganistischer Sprache. Vor allem kritisieren die
DNA von Rom*nja verwendet wurde. Dabei stellten Forscher*innen die Vernachlässigung von ethischen
sie sich die Frage, wie Genetiker*innen und andere Standards sowie einen allgemeinen Mangel an Trans-
Wissenschaftler*innen diese genetischen Informati- parenz und ethischer Sensibilität für DNA-Daten von
onen erhalten, interpretieren und weitergeben.78 Ihre Rom*nja in genetischen Studien.
Analyse enthüllte viele Fälle von klarem Missbrauch Mit Blick auf die jahrhundertelange Unterdrü-
oder fragwürdiger Ethik. Die Forscher*innen Prof. Dr. ckung der Rom*nja, die Verfolgung und Ermordung
Veronika Lipphardt und Dr. Mihai Surdu vom Univer- durch das NS-Regime und die bis heute anhalten-
sity College Freiburg bestätigen, dass in Europa keine de Diskriminierung, die sie erfahren müssen, sind
andere Bevölkerungsgruppe für Genetiker*innen so diese Methoden für uns vollkommen inakzepta-
interessant ist wie Rom*nja. Dementsprechend wird bel. Während des Porajmos sammelten Nazis Blut-
in diesem Bereich auch intensiv zu ihrer Migrations- proben von in Auschwitz inhaftierten Rom*nja und
geschichte, ihren vermeintlich typischen Krankheiten ermordeten Hunderttausende Rom*nja und Sinti*zze.
und Unterschieden zu anderen Menschen in Europa Im Jahr 2015 verteidigte die slowakische Regierung
geforscht.79 ihre Praxis, Roma-Kinder in Schulen zu segregieren,
Solche Erbgut-Datenbanken sind auch für Polizei- indem sie fälschlicherweise »leichte geistige Behin-
behörden interessant, wodurch diskriminierte Grup- derungen« anführte, die mit »hohem Ausmaß an
pen noch stärker stigmatisiert und kriminalisiert Inzucht« in Roma-Gemeinschaften verbunden seien.
werden. Wir finden diese Erfassung hoch problema- Genetik wird in diesem Fall für eugenische Schluss-
tisch und gefährlich, da solche sensiblen Daten der folgerungen missbraucht, wie wir sie auch bei DOSTA
75 Ebd. S. 2.
dokumentieren.
76 Beauftragte für Integration und Migration des Senats von Berlin (o.J.).
MEDIEN-
MONITORING
2021 – 2022
man die Einwohnerzahl von Berlin und die Zahl der Geflüchteten gegen-
LOCKT BERLIN MIT BAR- überstellt. Hier wurden Menschen, die lediglich ihr Recht wahrgenom-
GELD ASYLBEWERBER men haben, willentlich diskreditiert. In den Schilderungen war von Müll,
Drogen, Kriminalität und Großfamilien die Rede, also den üblichen anti-
AN?
ziganistischen Klischees. Eine Großfamilie ist in diesen Darstellungen
Das Innenministerium warnt vor Asyl-
aber jede mit mehr als zwei Kindern, und Müll u.Ä. dürften sich tatsäch-
missbrauch und Schleuserkriminalität.
[ ... ] lich in jeder Berliner Grünanlage finden. Ausgerechnet in einem solchen
Geht es also um gezielte Abzocke von Sozi- Kontext Geflüchteten kontinuierlich eine Roma-Identität zuzuschreiben
alleistungen? und in einer solchen Art darüber zu berichten ist Ausdruck tradierter
Tagesspiegel, 13.9.2021 rassistischer Klischees. Es zeigt, wie tief diese Klischees in der Domi-
nanzgesellschaft verankert sind und schreibt sie gleichzeitig fort. Für die
Betroffenen bedeutet das eine reale Gefährdung. Bis heute nicht hinrei-
chend geklärt bzw. skandalisiert ist, warum Mitarbeiter*innen einer
Berliner Behörde aus eigener Initiative eine solche Debatte auslösen und
Ziel des Ganzen ist offensichtlich das Er-
damit das Narrativ befeuern, Menschen aus Moldau hätten keine legi-
schleichen von Sozialleistungen, die in Berlin
unter anderem bar geleistet werden. »Große timen Fluchtgründe. Seit Beginn des Ukrainekrieges wird für Abschie-
Familien aus Moldau, die nicht selten aus 10 bungen nach Moldau eine zusätzliche Begründung herangezogen: Diese
Personen bestehen, erhalten am ersten Tag
(...) bis zu 4.500 Euro in bar«, schreiben die
seien nötig, um Platz für Geflüchtete aus der Ukraine zu schaffen. Hierbei
Mitarbeiter und ergänzen: »Die Freude dar- handelt es sich um ein zynisches Ausspielen einer Gruppe von Schutzsu-
über ist enorm und es wird umgehend jeder chenden gegen eine andere.
Bekannte kontaktiert, um darüber zu be-
richten.« Dass Schleuser Menschen gezielt 2022 kann der Ukraine-Krieg, und die dadurch ausgelöste Flucht
absetzen, hat ein Team des rbb selbst be- nach Deutschland, als das dominante Thema angesehen werden. Die
obachtet. Es recherchierte tagelang vor Ort anfangs vorherrschende Solidarität galt für Rom*nja aus der Ukraine nur
und kann die Zustände dort bestätigen.
Das Team fand auch haufenweise Spritzen- sehr eingeschränkt. Nicht nur auf dem Weg nach Deutschland, sondern
verpackungen oder Spritzenbesteck für He- auch nach ihrer Ankunft erlebten sie Segregation und Benachteiligung.83
roin und Crack vor. Es fällt auf, dass in Medienberichten häufig zwischen Ukrainer*innen
RBB exklusiv, 4.8.2021
und Rom*nja unterschieden wird – dazu trägt offenbar auch das weitver-
breitete Vorurteil bei, Rom*nja seien staatenlos. Es ist zwar richtig, dass
Rom*nja ebenso wie andere marginalisierte Gruppen tendenziell häufi-
ger von Staatenlosigkeit betroffen sind. Aber es sind weder ausschließ-
»Wir schieben weiter nach Moldau ab«, sag- lich Rom*nja betroffen, noch sind alle Rom*nja in der Ukraine staaten-
te Spranger. Konkret soll das 600 Moldau- los. Hier erweisen sich alte antiziganistische Stereotype als wirkmächtig.
er bis Ende März betreffen. »Damit werden Wünschenswert wäre, dass stattdessen anerkannt wird, wie viele Migra-
dringend benötigte Plätze in den Unterbrin-
gungseinrichtungen frei«, erklärte die Se- tionen, Vertreibungen und Umsiedlungen es im Europa des 20. Jahrhun-
natorin. Der Senat erwartet laut Spranger derts gegeben hat, wie häufig Staatengrenzen verschoben wurden oder
im Winter 12.000 weitere Kriegsflüchtlinge ganze Staatengebilde sich auflösten. Das Konzept des ethnisch homo-
aus der Ukraine, der Bund insgesamt eine
Million. genen Nationalstaats ist historisch gesehen relativ jung. In vielen euro-
Tagesspiegel, 30.11.2022
päischen Regionen gibt es Staatenlosigkeit bzw. Menschen, die in einem
Staat leben, ohne formal Staatsbürger*innen zu sein, sowie multiple und
fluide Zugehörigkeiten.
Von der Markierung als nicht-ukrainisch war es oft kein weiter Weg
mehr bis zu der Behauptung, Rom*nja seien keine »richtigen« Kriegsflücht-
Laut Schätzungen der Bundesregierung ha- linge. Genau wie bei Geflüchteten aus Moldau wurde behauptet, Rom*nja
ben etwa 29 000 Menschen aus der Ukra- kämen immer in Großfamilien und zwar mit dem Ziel des Leistungsbe-
ine ohne ukrainische Staatsbürgerschaft in
Deutschland Zuflucht gesucht, darunter zugs als Teil eines großen Ansturms. Es fällt auf, dass Roma-Geflüchte-
fallen viele schwarze Menschen und Peo- te grundsätzlich als Problem dargestellt werden. So wurde beispielswei-
ple of Color, viele Studierende, aber auch se folgende Äußerung des Thüringer Justizsenators Dirk Adams (Bünd-
Unternehmer*innen und Arbeiter*innen,
die erst seit kürzerer Zeit in der Ukraine ge- nis 90/Die Grünen) von mehreren Medien aufgegriffen, der erklärte, es
lebt haben sowie Staatenlose, zum Beispiel würden keine Unterschiede zwischen Geflüchteten gemacht: »Das gilt für
Roma und Sinti.
den Universitätsprofessor aus Kiew genauso wie für Roma.« Nach dieser
nd, 1.9.22
Logik können Rom*nja grundsätzlich keine Professor*innen sein. Solche
Formen der Abwertung und Ausgrenzung durchziehen die deutsche
VISUELLE
STEREOTYPE
• Der Zugang zur gesetzlichen Krankenversiche- • Das Angebot von Sensibilisierungen zu Antizi-
rung muss deutlich erleichtert werden, indem ganismus sollte ausgebaut und besser zugänglich
keine rückwirkenden Beiträge erhoben werden und gemacht werden.
mit Versicherungen in anderen EU-Ländern besser
kommuniziert wird. • Das Mitdenken der meist fremdzugeschriebenen
ethnischen Zugehörigkeit in der Fallbeobachtung
bzw. -bearbeitung muss im Rahmen von Fortbil-
dungen kritisch hinterfragt werden.
Arbeitswelt
• Der Zusammenhang von prekärer Arbeit und
Migration muss fortlaufend erforscht werden.
Datenerfassungen und Datenschutz
• Arbeitgeber*innen, die bewusst ausbeuterische • Beratungs- und Anlaufstellen, sowie Ordnungs-
Abhängigkeitsverhältnisse schaffen, müssen und Leistungsbehörden müssen sicherstellen,
konsequent sanktioniert werden. Insgesamt muss dass ihre Mitarbeitenden den aktuellen Stand der
der gesamte Niedriglohnsektor stärker regu- Datenschutzrechtslage kennen und die rechtswid-
liert werden. Es muss endlich wirksam verhindert rige Praxis der Erfassung der (vermeintlichen)
werden, dass durch Verkettung von Subunterneh- ethnischen Zugehörigkeit beenden. Die bereits
men die Verletzung von Arbeitsrecht und Arbeits- erfassten Daten müssen sowohl digital als auch in
schutz nicht geahndet werden kann. Handakten sicher vernichtet werden.
• Für betroffene Beschäftigte müssen Unterstüt- • Mitarbeiter*innen müssen im Rahmen von Schu-
zungs- und Beratungsangebote geschaffen bzw. lungen über den historischen Kontext der Erfas-
ausgebaut und stärker bekannt gemacht werden. sung von ethnischen Daten informiert und für
die Problematik sensibilisiert werden, um auch
Zuschreibungen im Arbeitsalltag zu erkennen.
47
NACHWEISE
Amaro Foro (2019): 5 Jahre Dokumentationsstelle Beauftragte der Bundesregierung für Antirassis-
Antiziganismus: Ein Rückblick. Online unter: mus (2023): Lagebericht Rassismus in Deutschland.
https://amaroforo.de/wp-content/uploads/2021/04/ Online unter:
Dokumentation2019-web.pdf, zuletzt abgerufen: 13.02.2023. https://www.integrationsbeauftragte.de/resource/blob/1864320
/2157012/77c8d1dddeea760bc13dbd87ee9a415f/lagebericht-
Amaro Foro (17.5.2021): Kontinuität rassismus-komplett-data.pdf?download=1,
antiziganistischer Polizeiarbeit. Online unter: zuletzt abgerufen: 12.01.2023.
https://amaroforo.de/2021/05/17/2079/,
zuletzt abgerufen: 16.01.2023. Beauftragte für Integration und Migration des
Senats von Berlin (o. J.): Der Berliner Aktionsplan
Amaro Foro (2021): Dokumentation antiziganistisch zur Einbeziehung ausländischer Roma. Online unter:
motivierter Vorfälle 2019-2020. Online unter: https://www.berlin.de/lb/intmig/themen/aktionsplan-roma/,
https://amaroforo.de/wp-content/uploads/2021/07/DOSTA- zuletzt abgerufen: 10.02.2022.
Auswertung19_20.pdf, zuletzt abgerufen: 07.01.2023.
Becker, Greta/Rupprecht, Julius/Halldorn, Sara
Amaro Foro (2022): Dokumentation antiziganisti- (o. J.): „Das Berliner Landesantidiskriminierungs-
scher Vorfälle 2021. Online unter: gesetz. Ein Überblick“. Büro zur Umsetzung von
https://amaroforo.de/wp-content/uploads/2022/03/DOSTA- Gleichbehandlung e.V. Online unter:
Kurzbericht.pdf, zuletzt abgerufen: 05.01.2023. https://www.bug-ev.org/fileadmin/Arbeitsdokumente/
Zusammenfassung_LADG_final.pdf,
Bartig, Susanna /Kalkum, Dorina/Le, Ha Mi / zuletzt abgerufen: 28.01.2023.
Lewicki, Aleksandra (2021): Diskriminierungsrisi-
ken und Diskriminierungsschutz im Gesundheits- Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziga-
wesen – Wissensstand und Forschungsbedarf für die nismus (UKA, 2021): Perspektivwechsel. Nachho-
Antidiskriminierungsforschung. Online unter: lende Gerechtigkeit. Partizipation. Online unter:
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/ https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/
DE/publikationen/Expertisen/diskrimrisiken_diskrimschutz_ PDF/UKA/Bericht_UKA_Perspektivwechsel_Nachholende_
gesundheitswesen.pdf?__blob=publicationFile&v=5, zuletzt Gerechtigkeit_Partizipation.pdf, zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
abgerufen: 16.01.2023.
Nachweise 48
Berndt, Christina (14.11.2020): Falscher Verdacht. dpa (21. November 2022): Geberkonferenz sagt
Online unter: weitere Millionenhilfen für Moldau zu. Online unter:
https://www.sueddeutsche.de/wissen/sinti-roma-genetik- https://www.sueddeutsche.de/politik/konflikte-baerbock-sagt-
verdacht-1.5114089, zuletzt abgerufen: 03.12.2021. zusaetzliche-hilfen-fuer-moldau-zu-dpa.urn-newsml-dpa-
com-20090101-221121-99-597005, zuletzt abgerufen: 13.02.2023.
Bostancı, Seyran/Biel, Christina/Neuhauser,
Bastian (2022): „Ich habe lange gekämpft, aber dann Fannrich-Lautenschläger, Isabelle (20.01.2022):
sind wir doch gewechselt“. Eine explorativ-qualitative Prekäre Beschäftigung in Deutschland
Pilotstudie zum Umgang mit institutionellem Ausgrenzung durch Arbeit. Online unter:
Rassismus in Berliner Kitas. NaDiRa Working https://www.deutschlandfunk.de/prekaere-arbeit-fleischindustrie-
Papers, NWP 03/22. Online unter: online-handel-mindestlohn-100.html,
zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
https://www.dezim-institut.de/fileadmin/user_upload/Demo_FIS/
publikation_pdf/FA-5371.pdf, zuletzt abgerufen: 13.02.2023.
Fittkau, Ludger (21.03.2022): Die Ausbeutung von
Bundesagentur für Arbeit (20.04.2018): Arbeitshil- Wanderarbeitern in Deutschland. Online unter:
fe „Bekämpfung von organisiertem Leistungsmiss- https://www.deutschlandfunk.de/ausbeutung-wanderarbeiter-
brauch durch EU-Bürger“. Online unter: migration-arbeit-osteuropa-100.html,
zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
https://igel-muc.de/pdf/jobcenter-intern/20180420-
Bekaempfung-von-organisiertem-Leistungsmissbrauch-durch-
EU-Buerger/20180420-Bekaempfung-von-organisiertem- Follmar-Otto, Petra (2021): Vorwort. In Strauß,
Leistungsmissbrauch-durch-EU-Buerger-Abschrift-BA- Daniel (Hrsg.): RomnoKher-Studie 2021. Ungleiche
Zentrale-G11.pdf, zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in Deutsch-
land. Mannheim: RomnoKher. Online unter:
Cudak, Karin/Rostas, Iulius (2021): https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/2021_
„Bildungssituation(en) von Sinti und Roma im RomnoKher_Ungleiche_Teilhabe.pdf ,
deutschen Bildungssystem“. In Strauß, Daniel: zuletzt abgerufen: 23.02.2023.
Ungleiche Teilhabe. Zur Lage der Sinti und Roma in
Deutschland. Mannheim: RomnoKher. Online unter: Gauch, Sabine/Abed, Sandra/Pfau, Marlene/
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/2021_ Yegane, Aliyeh (2021): “Diskriminierung an Berli-
RomnoKher_Ungleiche_Teilhabe.pdf , ner Schulen: ADAS berichtet. Monitoringbericht
zuletzt abgerufen: 23.02.2023.
der Anlaufstelle Diskriminierungsschutz an Schu-
len (ADAS) für die Jahre 2018, 2019, 2020“. Berlin:
Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Heller, Ayline/ LIFE Bildung Umwelt Chancengleichheit e.V. Online
Brähler, Elmar (2022): Die Leipziger Autoritaris- unter:
mus Studie 2022: Methode, Ergebnisse und Lang- https://adas-berlin.de/wp-content/uploads/2021/11/
zeitverlauf. In Decker, Kiess, Heller, Schuler, Brähler Diskriminierung-an-Berliner-Schulen-ADAS-berichtet.pdf,
(Hrsg.): Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. zuletzt abgerufen: 23.02.2023.
Online unter:
https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess- Geelhaar, Stephan; Marz, Ulrike; Prenzel, Thomas:
heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere- „… und du wirst sehen, die Leute, die hier wohnen,
dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf, zuletzt abgerufen:
werden aus den Fenstern schauen und Beifall klat-
19.01.2023.
schen.“ Rostock-Lichtenhagen als antiziganistisches
Dern, Susanne/Schmid, Alexander/Spangen- Pogrom und konformistische Revolte. In:
Bartels, Alexandra; Borcke, Tobias von; End, Markus u.a. (Hg.):
berg, Ulrike (2012): „Schutz vor Diskriminierung
Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen
im Schulbereich. Eine Analyse von Regelungen gewaltvolle Verhältnisse, Münster: Unrast 2013, S. 140-161.
und Schutzlücken im Schul- und Sozialrecht sowie
Empfehlungen für deren Weiterentwicklung.“ Juris- Hoeder, Ciani-Sophia (08.10.2019): Was bedeutet
tische Expertise erstellt im Auftrag der Antidiskri- Othering?. Online unter:
minierungsstelle des Bundes durch die Hochschule https://rosa-mag.de/rosapedia-was-bedeutet-othering/,
Esslingen. Online unter: zuletzt abgerufen: 13.02.2023.
https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/
downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_schutz_vor_
diskriminierung_im_schulbereich.pdf?__blob=publicationFile&v=4,
zuletzt abgerufen 23.02.2023.
49 Nachweise
Hyökki, Linda/Bilić, Sanja/Kurić, Đermana (2022): Imbler, Sabrina (17.11.2021): The DNA of Roma
Zivilgesellschaftliche Erfassungs- und Auswer- People Has Long Been Misused, Scientists Reveal.
tungsverfahren zu Rassismus und Diskriminierung. Online unter:
Kompetenznetzwerk Islam- und Muslimfeindlich- https://www.nytimes.com/2021/11/17/science/genetics-ethics-
keit. Online unter: roma.html, zuletzt abgerufen: 14.12.2021.
https://kompetenznetzwerk-imf.de/content/uploads/2022/11/
kurzstudie_zivilgesellschaftliche-erfassungs-und.pdf?x84414, Margalit, Gilad (1997): Die deutsche Zigeunerpoli-
zuletzt abgerufen: 13.02.2023. tik nach 1945. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte,
45:4, 557-588.
Jahresbericht 2020 der Berliner Beauftragte
für Datenschutz und Informationsfreiheit. Melde- und Informationsstelle (2022): Zur Lage der
Online unter: aus der Ukraine geflüchteten Roma in Deutschland.
https://www.datenschutz-berlin.de/fileadmin/user_upload/pdf/ Online unter:
publikationen/jahresbericht/BlnBDI-Jahresbericht-2020-Web.pdf, https://www.antiziganismus-melden.de/wp-content/
zuletzt abgerufen: 18.02.2022. uploads/2022/07/MIA_Bericht_Ukraine.pdf, zuletzt abgerufen:
16.01.2022
Kokalanova, Anna (2022): Schrottimmobilien und
Problemhäuser - Benachteiligung von Roma aus Michollek, Nadine (15.12.2022): Leben in Ruinen
Bulgarien und Rumänien auf dem Wohnungsmarkt und Baucontainern. Online unter:
in Berlin und Wien. https://www.dw.com/de/leben-in-ruinen-und-baucontainern/a-
In Breckner, Sinning (Hrsg.): Wohnen nach der Flucht. Integration 64106545?maca=de-VEU_Focus-Artikel_DE_Welt-28577-xml-media,
von Geflüchteten und Roma in städtische Wohnungsmärkte und zuletzt abgerufen: 16.01.2022
Quartiere. Wiesbaden: Springer VS.
Moir, Joshua (2021): „Rechtsexpertise zur Bedeutung
Laghai, Shafagh/Zühlke, Christina/Babori, Shiki- des Landesantidiskriminierungsgesetzes (LADG)
ba/Naiby, Arezao (17.01.2019): Schwangere und für Schulen im Land Berlin“.
Kranke abschieben: Wie Behörden die Rückfüh- ADAS/LIFE e.V. Online unter:
rungsquote steigern. Online unter: https://adas-berlin.de/wp-content/uploads/2021/01/LADG_
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/ Rechtsxpertise_ADAS-LIFE-e.V..pdf, zuletzt abgerufen: 23.02.2023.
abschiebung-144.html, zuletzt abgerufen: 12.02.2023.
Mundt, Matthias (2022): Kommunale Handlungs-
Lay, Zoe / Vehrkamp, Antonia (2020): Antiziganis- möglichkeiten gegen Problemimmobilien und unse-
tische Diskriminierung beim Bezug von Sozialleis- riöse Vermietung an Rom*nja am Beispiel von Berlin.
tungen. Online unter: In Breckner, Sinning (Hrsg.): Wohnen nach der Flucht. Integration
http://hlcmr.de/wp-content/uploads/2021/02/WP-25- von Geflüchteten und Roma in städtische Wohnungsmärkte und
Antiziganistische-Diskriminierung-beim-Bezug-von- Quartiere. Wiesbaden: Springer VS.
Sozialleistungen.pdf, zuletzt abgerufen: 14.12.2022.
Neuburger, Tobias/Hinrichs, Christian (2021):
Lembke, Ulrike (2016): „Europäisches Mechanismen des institutionellen Antiziganismus:
Antidiskriminierungsrecht in Deutschland“. Kommunale Praktiken und EU-Binnenmigration
APuZ 9/2016. Online unter: am Beispiel einer westdeutschen Großstadt.
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/221575/ Online unter:
europaeisches-antidiskriminierungsrecht-in-deutschland/ https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/
?p=all, zuletzt abgerufen: 06.02.2023. PDF/UKA/Forschungsbericht_Mechanismen_des_institutionellen_
Antiziganismus.pdf, zuletzt abgerufen: 14.12.2022.
Lipphardt, Surdu (30.04.2021): Rom*nja als
Proband*innen in genetischen Studien. Online unter:
https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/
PDF/UKA/Expertise_Rom_nja_als_Proband_innen_in_genetischen_
Studien.pdf, zuletzt abgerufen: 02.12.2021.
Nachweise 50
https://www.rassismusmonitor.de/fileadmin/user_upload/NaDiRa/
Pdfs/Working_Papers/NaDiRa_Working_Papers_3_web.pdf, Staatlicher Dienst für ethnische Angelegenheiten
zuletzt abgerufen: 13.02.2023. und Gewissensfreiheit der Ukraine (o. J.):
Roma strategy 2030. Online unter:
Podsadny, Luise (2021): Kriminalstatistik Berlin. https://dess.gov.ua/roma-strategy-2030-eng/,
Online unter: zuletzt abgerufen: 10.01.2023
https://freiheitsrechte.org/kriminalstatistik-berlin/,
zuletzt abgerufen: 18.02.2022. Stiglechner, Leonore (2013): Antiziganismus (K)ein
Thema der Sozialen Arbeit?. Online unter:
Potter, Nicholas (31.10.2022): Vertreibung von https://docplayer.org/36735580-Antiziganismus-leonore-
Mieter:innen: Das ist unser Haus! Online unter: stiglechner-k-ein-thema-der-sozialen-arbeit.html,
zuletzt abgerufen: 18.01.2023.
https://taz.de/Vertreibung-von-Mieterinnen/!5808709/, zuletzt
abgerufen: 07.02.2023.
von Stoltzenberg, Henning (25.10.2022): Todesfalle
Riechert, Hansjörg (1995): Im Schatten von Ausch- Stahlwerk. Online unter:
witz. Die nationalsozialistische Sterilisationspolitik https://www.jungewelt.de/artikel/437363.tote-arbeiter-todesfalle-
gegenüber Sinti und Roma. stahlwerk.html , zuletzt abgerufen: 20.02.2023.
Sparing, Frank (2014): NS-Verfolgung von Wolf, Carsten (29.12.2021): Erfolgsgeschichte statt
“Zigeunern” und “Wiedergutmachung” nach 1945. Armutszuwanderung. Online unter:
Online unter: https://mediendienst-integration.de/artikel/erfolgsgeschichte-
https://www.bpb.de/internationales/europa/sinti-und- statt-armutszuwanderung.html, zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
roma-in-europa/180869/ns-verfolgung-von-zigeunern-und-
wiedergutmachung-nach-1945, zuletzt abgerufen: 2.2.2022.
Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch.
Vielfältig. Wirtschaftsstark. Koalitionsvertrag
Berlin 2021 - 2026 (2021). Online unter:
https://www.berlin.de/rbmskzl/regierende-buergermeisterin/senat/
koalitionsvertrag/, zuletzt abgerufen: 16.01.2023.
IMPRESSUM
Amaro Foro e. V.
Obentrautstr. 55 | 10963 Berlin
Telefon: 030 – 432 053 73
E-Mail: info@amaroforo.de
www.amaroforo.de
Redaktion
Redaktion: Amaro Foro e.V.