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Einleitung Abschlussarbeit

Wer ist die Tochter Zion?

Eine theologisch-literarische Untersuchung


des Abendliedes „Tochter Zion“

Heike Kling

IGW International ist eduQua-zertifiziert

Publikation September 16

Copyright IGW, Josefstrasse 206, CH - 8005 Zürich

Tel. 0041 (0) 44 272 48 08, info@igw.edu, www.igw.edu

Änderungen vorbehalten
Einleitung Abschlussarbeit

Vorwort
Theologische Arbeit ist Dienst an der Gemeinde, sie ist Hirtendienst. Die enge Verknüpfung von theologi-
scher Ausbildung und Gemeinde zeigt sich unter anderem in den Abschlussarbeiten der IGW-Absolventen.
Die intensive Beschäftigung mit einem Thema ist eine gewinnbringende Erfahrung, bei der die Studieren-
den durch überraschende Entdeckungen und neue Erkenntnisse ihren Horizont erweitern.

Auch die Gemeinde soll und darf von diesem Ertrag profitieren. Die Schulleitung von IGW begrüsst darum
die Veröffentlichung der vorliegenden Arbeit.

IGW International gehört mit über 330 Studierenden zu den grössten evangelikalen Ausbildungsinstitutio-
nen im deutschsprachigen Raum. Sie bietet verschiedene Studiengänge für ehrenamtlichen, teil- oder voll-
zeitlichen Dienst an. In der Schweiz und in Deutschland existieren Studienzentren in Zürich, Bern, Olten,
Essen, Braunschweig und in Frankfurt.

Das IGW-Angebot umfasst eine grosse Vielfalt an Ausbildungen und Weiterbildungen: vom Fernstudium
(für ehrenamtliche und vollzeitliche Mitarbeiter und zur Vertiefung einzelner Themen) über das Bachelor-
Programm (als Vorbereitung auf eine vollzeitliche Tätigkeit als Pastor) bis zum Master als Weiterbildung
und für Quereinsteiger mit akademischer Vorbildung. Im Anschluss an das Masterprogramm steht den
IGW-Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit zum Weiterstudium MTh und DTh (GBFE/UNISA)
offen. Speziell für Gemeindeleiter und Leitungsteams bieten wir verschiedene Kurzprogramme an. Weitere
Informationen finden Sie auf www.igw.edu.

Seit Herbst 2008 macht IGW alle Abschlussarbeiten online zugänglich, welche die Beurteilung „gut“ oder
„sehr gut“ erhalten haben. Die Arbeiten stehen kostenlos auf unserer Website zur Verfügung
(www.igw.edu/downloads). Dort finden Sie auch Referate und Präsentation von Forschungstagen und IGW-
Kongressen.

Für die Schulleitung

Dr. Fritz Peyer-Müller, Rektor

erstellt: 13.09.16,/ fp 2
Wer ist Tochter Zion?

Eine theologisch-literarische Untersuchung des Adventsliedes „Tochter Zion“

Heike Kling

07. Mai 2016 Bachelorarbeit: Bachelor of Arts in Praktischer Theologie

Fachmentor: Dr. Heinrich-Christian Rust

Studienleiterin: Sabine von Krosigk

©IGW International, Zürich

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©IGW International, Zürich Heike Kling 07.Mai2016
AF-7590-2590 Bachelor-Arbeit: Wer ist Tochter Zion? ii

Inhaltsverzeichnis
1 Tochter Zion – viel geliebt und dennoch unbekannt ............................................................................ 1
1.1 Vorstellung der Arbeit ................................................................................................................... 1

1.1.1 Relevanz ................................................................................................................................. 1

1.1.2 Beschreibung der Fragestellung ............................................................................................. 3

1.1.3 Methodik ................................................................................................................................ 3

1.2 Liedbetrachtung ............................................................................................................................. 4

1.2.1 Allgemeine Informationen...................................................................................................... 4

1.2.2 Fachliche Informationen ......................................................................................................... 6

2 Tochter Zion - theologische und literarische Analyse .......................................................................... 9


2.1 Zion im AT .................................................................................................................................... 9

2.1.1 Zion als topographische Größe............................................................................................. 10

2.1.2 Zion als theologische Größe ................................................................................................. 10

2.1.3 Zion als personale Größe ...................................................................................................... 12

2.1.4 Zusammenfassung – Zion im AT ......................................................................................... 14

2.2. Zion im NT ................................................................................................................................. 15

2.2.1 Der Textbefund..................................................................................................................... 15

2.2.2 Systematische Annäherung .................................................................................................. 16

2.2.3 Zusammenfassung – Zion im NT ......................................................................................... 19

2.3 Zion bei Martin Luther ................................................................................................................ 20

2.4 Matthäus 21,1-11 ......................................................................................................................... 23

2.4.1 Einleitungsfragen.................................................................................................................. 23

2.4.2 Exegese................................................................................................................................. 26

2.4.3 Fazit der Exegese.................................................................................................................. 30

2.5 Literarische und theologische Betrachtung des Liedes ............................................................... 30

2.5.1 Literarische Betrachtung ...................................................................................................... 31

2.5.2 Theologische Betrachtung des Liedes .................................................................................. 33

2.5.3 Zusammenfassung der Textbetrachtung ............................................................................... 37

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2.6. Fazit der theologischen und literarischen Analyse ..................................................................... 38

3 Tochter Zion in der Gegenwart .......................................................................................................... 44


3.1 Erfahrungsanalyse zur Bedeutung des Liedes in der Gegenwart ................................................ 44

3.1.1 Der Skeptiker ........................................................................................................................ 45

3.1.2 Die Wissbegierige ................................................................................................................ 46

3.1.3 Die Differenzierte ................................................................................................................. 47

3.1.4 Die Nachdenkliche ............................................................................................................... 48

3.1.5 Fazit der Erfahrungsanalyse ................................................................................................. 49

3.2 Schwierigkeiten der Vermittlung ................................................................................................ 51

3.3 Vorschläge für Vermittlungsansätze ........................................................................................... 53

4 Fazit .................................................................................................................................................... 56
5 Bibliographie ...................................................................................................................................... 58

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1 Tochter Zion – viel geliebt und dennoch unbekannt


„Welches Lied möchtest du spielen?“ „Tochter Zion.“ „Weißt du wer Tochter Zion ist?“ „Nein.“
„Weißt du wovon das Lied handelt?“ „Nein.“

Diesen Dialog führte ich an mehreren Unterrichtstagen in der Adventszeit 2014. Eines Tages sprach
ich mit der Musikschulleitung1 darüber, die genau das Gleiche erlebte. Unsere Schüler wollten, egal
auf welchem Instrument und egal wie alt sie waren, Tochter Zion spielen. Doch niemand wusste, was
es mit ihr auf sich hatte. Einen Bezug zu Weihnachten konnte niemand herstellen. Ehrlicherweise
musste auch ich zugeben, dass sich mein Wissen in Bezug auf Tochter Zion darauf beschränkte, dass
„es irgendwas mit Jerusalem zu tun hat“. Die inhaltliche Bedeutung des Liedes hingegen konnte ich
einordnen.

Zur gleichen Zeit veröffentlichte die Zeitschrift „Faszination Bibel“ einen Artikel mit dem Titel „Zion
– Ort der Sehnsucht. Warum die Tochter Zion sich freuen soll“ (Faszination Bibel 4/2014).
Gemeinsam mit der Musikschulleitung macht ich mich daran Tochter Zion kennen zu lernen. Da
unsere Schüler und deren Eltern sich ebenfalls interessiert zeigten, wollten wir sie an unserem Wissen
in Form eines Artikels in der Musikschulzeitung teilhaben lassen. Doch je intensiver wir uns mit den
Hintergründen zu diesem Lied beschäftigten, desto deutlicher wurden die Schwierigkeiten Tochter
Zion in einem kurzen Text so zu veranschaulichen, dass es Menschen mit wenig oder gar ohne
biblisches Wissen möglich ist den Inhalt dieses Liedes zu erfassen.

1.1 Vorstellung der Arbeit


1.1.1 Relevanz

Die Bedeutung und Wirkung der Musik auf den Menschen „wurde schon von Priestern und Politikern
früherer Hochkulturen gesehen“ (Spitzer 2002:1), dennoch ist sie nicht lebensnotwendig und
„erscheint auf den ersten Blick überflüssig“ (:1). Trotz der allgemeinen Kenntnis der Wirkung von
Musik gibt es nur wenige spezifische, wissenschaftliche Untersuchungen darüber, wie Musik auf den
Menschen wirkt (:379). Gleichwohl lassen sich fünf Wirkebenen kategorisieren:

1. Auf der physisch-motorischen Ebene wird Musik durch die Schallwellen und bei extrem tiefen
Schwingungen auch über den Magen leiblich wahrgenommen. Starke Rhythmik und Dynamik
initiieren motorische Bewegungen.

1
Mein Praktikum für das IGW-Studium „Praktische Theologie“ habe ich an einer privat geführten Musikschule
absolviert. Das Anliegen der Musikschulleitung war schon seit längerer Zeit „Jesus in die Schule“ zu bringen.
Weihnachtslieder erschienen uns als geeignete Möglichkeit für den Einstieg in ein Gespräch über Jesus.
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2. Durch Musik werden auf der psychisch-emotionalen Ebene Gefühle aktiviert.


3. Auf der sozialen Ebene verbindet Musik Gruppen miteinander.
4. „Alltagstranszendierende Wirkungen (EKD-Text 99 2008:10)“ erreicht die Musik auf der
psychosozialen Ebene und „entwickelt … transformatorische Kraft, die zur Veränderung der
Persönlichkeit (auch über den Akt des Hörens der Musik hinaus) führen kann (:10)“.
5. Auf der ästhetisch-intellektuellen Ebene wirkt Musik als Vermittlerin von Botschaften. Musik hat
„Teil an der Symbol- und Sprachgestalt von Religion, Zivilreligion und der Propagierung von
Ideologien und Wertvorstellungen (:10)“.

Die fünf Wirkkategorien zeigen, dass Musik den Menschen ganzheitlich erfasst und zu religiösen
Erfahrungen verhilft. Ihr wird „eine besondere ‚Transzendenzoffenheit‘ zugeschrieben (:11)“ und sie
ermöglicht religiöse Kommunikation. Insofern ist sie sowohl für die christliche Spiritualität als auch
für die Glaubensausübung vieler anderer Religionen von besonderer Bedeutung. Mithilfe der Musik
wird dem jeweiligen Glauben Ausdruck gegeben (vgl. Bubmann 2013:18).

1 Chr 15 und 2 Chr 5,12 f. berichten von einer reichen Musizierpraxis am Jerusalemer Tempel mit
Instrumenten sowie Kantillation2 und Psalmodie3. Die frühchristlichen Gemeinden griffen in ihren
Hausgottesdiensten auf die überlieferten Texte zurück und orientierten sich an der synagogalen
Tradition, in der es keine Instrumentalmusik gab (EKD-Text 99:11).

Seit Beginn der christlichen Kirche waren Theologie und Gesang sowie Gottesdienst und Gesang eng
miteinander verwoben (Block 2002:12). Paulus ermutigt die Gemeinde in Kolossä: „Das Wort des
Christus wohne reichlich in euch; in aller Weisheit lehrt und ermahnt euch gegenseitig! Mit Psalmen,
Lobliedern und geistlichen Liedern singt Gott in euren Herzen in Gnade! (Kol 3,16)“. Im Verlauf der
Kirchengeschichte wurde die Kirchenmusik zunächst immer mehr zur Sache der Kleriker und wurde
im Zuge der Reformation von Martin Luther der Gemeinde als ihr Amt zurückgegeben (EKD-Text 99:
12).

Martin Luther verstand Musik als besondere Schöpfungsgabe, die positiv auf den Menschen wirken,
jedoch nicht aus sich heraus auf Jesus Christus hinweisen kann. Dazu bedarf sie Gottes Wort.
Johannes Block zitiert Christhard Mahrenholz: „So sieht Luther die Musik als eine mit besonderer
Mächtigkeit ausgestattete Gabe Gottes an, die über alle anderen Formen, dem Wort Gottes Raum zu
geben, hinaus wortverhaftet und wortgebunden, worttragend und wortdarbietend ist (Block 2002: 17)“.

Kirchenmusik ist Zeichen des gemeindlichen Lebens, Ausdruck individueller Frömmigkeit und ist
darüber hinaus „wesentlicher Kulturträger … [der] Ausdrucksformen des christlichen Glaubens in der

2
Liturgische Rezitation heiliger Schriften
3
Singen von Psalmen
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Öffentlichkeit präsent [hält]“ (EKD-Text 99:26). Insofern ist sie Brücke in die Gesellschaft und kann
eine Verbindung zu kirchenfernen Menschen schaffen (:26).

Dem Aspekt des Brückenbauens begegnete ich immer wieder, unter anderem in der Aussage eines
Bekannten: „Man braucht nicht immer zu predigen, man kann das Evangelium auch singend
verkündigen.“4 Doch wie lässt es sich in der Praxis umsetzen ‚das Evangelium singend zu
verkündigen‘? Reicht es ein beliebtes Kirchenlied zu singen, um Menschen mit dem Evangelium in
Berührung zu bringen? Auf die Fragestellung dieser Arbeit konkretisiert: Können Menschen des 21.
Jahrhunderts die Botschaft von Tochter Zion deuten, ist die Botschaft für die Gegenwart relevant oder
gehört es einfach nur zum Liederrepertoire eines (Laien-) Musikers dazu?

1.1.2 Beschreibung der Fragestellung

Im Gegensatz zu anderen beliebten Advents- und Weihnachtsliedern sind in Tochter Zion keine der
allgemein üblichen Personen oder Handlungen aus der Weihnachtsgeschichte beschrieben. Es werden
weder Maria und Josef noch der Stern oder die Krippe oder irgendwelche Tiere erwähnt. Selbst Jesus
wird nicht genannt. Der Text lässt die Botschaft von der Geburt des Erlösers nicht erkennen. Dennoch
ist es in Weihnachtsliederbüchern sowie in den Kirchengesangbüchern unter der Rubrik „Advent“ zu
finden. Im Rahmen dieser Arbeit soll geklärt werden, welche Bedeutung die Wendung Tochter Zion
hat und welche Botschaft das Lied transportiert. Ferner sollen Vorschläge erarbeitet werden, wie
dieses Lied genutzt werden kann, um ‚das Evangelium singend zu verkünden‘.

1.1.3 Methodik

Der Antwort auf die Frage, wer die angesprochene Tochter Zion des Liedes ist, und welche
theologische Botschaft das Lied enthält, wird sich in vier Schritten genähert: 1) Untersuchung des
biblischen Textbefundes auf Zion und Tochter Zion 2) Darstellung der lutherischen Interpretation von
Zion 3) Exegese von Mt 21,1-11 4) Textanalyse des Liedes.

Den Anstoß für diese Arbeit bekam ich – wie oben erläutert – durch meine Arbeit in der Musikschule.
Eine Erfahrungsanalyse aufgrund der Gespräche mit vier Laienmusikern verschafft einen genaueren
Eindruck, was Menschen der Gegenwart zu diesem Lied empfinden. Sie wurden nach ihren
Emotionen zu diesem Lied befragt und ob sie die Botschaft verstünden. Anhand der Gespräche und

4
G.Klein, FeG Uetze
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der theologischen Vorarbeit werden Vermittlungsansätze vorgeschlagen, die unterstützen können, die
Botschaft des Liedes zu vermitteln.

1.2 Liedbetrachtung
1.2.1 Allgemeine Informationen

Die Liedentstehung

Für das Oratorium Joshua komponierte Georg Friedrich Händel 1747 den Triumphchor See, the
conquering hero comes, den er 1751 für die Neufassung des Judas Makkabäus übernahm (Stalmann
2002[5]20). In beiden Oratorien feiert dieser Chor den Sieg eines heimkehrenden Feldherrn. Die
biblischen Figuren Kaleb bzw. Judas Makkabäus sind als Allegorie für „die sieghafte Größe des
British Empire“ (:20) zu verstehen. Die eingängige Musik unterstreicht den einfachen,
aussagekräftigen Text, sodass eine triumphale Deklamation entsteht (:20).

In England zählte Judas Makkabäus zu Händels Lebzeiten als das erfolgreichste Oratorium (Messmer
2008:245), in Deutschland wurde es 1786 zum ersten Mal in Berlin aufgeführt (Weber-Kellermann
1982:156). Nach den napoleonischen Kriegen erfreute sich besonders der Triumphchor in den
patriotischen Feiern großer Beliebtheit und Berühmtheit (:156).

Im 19. Jahrhundert wurde das häusliche Musizieren Bestandteil „einer standesbewußten [sic]
bürgerlichen Erziehung (:150)“, es entstanden zahlreiche musikalische Salons, in denen sich das
Bürgertum traf. Zum regelmäßigen Repertoire gehörten auch die Oratorien von Händel. Im Salon Karl
von Raumer wurde um 1820 für den Triumphchor der Text für Tochter Zion geschrieben. Martin
Rößler nennt die Entstehungsverhältnisse unklar und zieht neben Friedrich Heinrich Ranke auch
Johann Escheburg als Textdichter in Erwägung (Rößler 1981:252). Da in der weiteren gelesenen
Literatur überwiegend Ranke als Dichter genannt wird und das Evangelische Gesangbuch ihn ebenso
verzeichnet, wird Ranke für diese Arbeit als Verfasser angenommen.

Rankes Schwägerin Louise Reichardt veröffentlichte in ihrer Sammlung christlicher Lieder das Lied
mit dem neuen Text unter der Überschrift An Palmarum zu singen. Das Lied verbreitete sich in der
Folgezeit durch die Aufnahme in Schul- und Chorliederbüchern und „die Beliebtheit [wuchs] ständig
(Rößler 2006:85)“. In das deutsche Evangelische Gesangbuch wurde das Lied erst 1996 aufgenommen
(:85).

Die Frage, wann und warum das Lied vom Palmsonntag in die Adventszeit verlegt wurde, konnten
weder die gesichtete Literatur noch mündlich befragte Hymnologen und Kirchenmusiker beantworten.
Es lässt sich lediglich festhalten, dass Tochter Zion in Thomas Manns Roman Die Buddenbrocks von

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1901 als Adventslied erwähnt wird (vgl. Kellermann-Weber 1982:150). Ebenso ist nicht mehr
festzustellen, wann und warum die ehemals dritte Strophe gestrichen wurde.

Der Komponist

Georg Friedrich Händel wurde 1685 als Sohn eines Arztes in Halle/Saale geboren. Im Alter von etwa
acht Jahren begann er seine musikalische Ausbildung beim Hallenser Domorganisten Friedrich
Wilhelm Zachow. Dessen Unterricht umfasste unter anderem Improvisation, Komposition und das
Abschreiben internationaler Musikwerke. Es war die Vorbereitung einer „europäische[n]
Musikerkarriere (Messmer 2008:33)“. Auf Wunsch des Vaters schrieb sich Händel 1702 an der
Universität Halle für ein Jurastudium ein, das er 1703 abbrach, um nach Hamburg zu ziehen. An der
dortigen Oper erhielt er eine Anstellung „am Pult der zweiten Violine (:54)“ und begann nebenbei zu
komponieren. Im Januar 1705 wurde Händels erste Oper Almera in Hamburg uraufgeführt (:59).

Händel knüpfte Kontakte nach Italien und unternahm ab 1706 mehrere Reisen dorthin, um die
„Tradition der italienischen Oper zu studieren (Krummacker 2001:126)“. Während dieser Zeit
komponierte Händel drei eigene Opern.

1710 zog Händel nach London. Hier unterhielt er enge Kontakte zum Königshof und der
Adelsgesellschaft, war jedoch weder beim Hof noch bei einer Kirche unter Vertrag (:127). Händel
baute sein eigenes Opernunternehmen auf, mit dem er sowohl Erfolg als auch Rückschläge erlebte.
Insgesamt schrieb er über 40 Opern (Schickling 1985:251ff.)

In den 1730er Jahren änderte Händel seinen Lebensstil und damit auch den Musikstil. Er wandte sich
vom Adel ab und dem Bürgertum zu: „Nun zeigt Händels Musik die Welt aus der Sicht des Volkes,
also von unten, … (Messmer 2008:222)“. 1741 wurde Händels letzte Oper Deidama uraufgeführt
(Schickling 1985: 253), fortan schrieb er ausschließlich Oratorien. Diese verbanden religiöse Inhalte
mit dem politisch aktuellen Zeitgeschehen. Den größten Erfolg erhielt Händel für das Oratorium Judas
Makkabäus, das dem Duke of Cumberland für seinen Sieg über schottische Freiheitskämpfer
gewidmet war (vgl. Messmer 2008:245).

1759 starb Händel in London. Zu den 40 Opern bis 1741 kamen bis zu seinem Lebensende über 30
Oratorien, dennoch sind nur wenige seiner Arien und Chöre allgemein bekannt: „Händel ist groß - und
so unbekannt wie kein zweiter Großer (Schickling1985:266)“.

Der Textdichter

Friedrich Heinrich Ranke wurde 1798 in Wiehe an der Unstrut geboren. 1815 begann er in Jena das
Studium der Theologie und wechselte später nach Halle, um Philosophie und alte Sprachen zu
studieren. Nach einem persönlichen Bekehrungserlebnis 1820 wandte er sich wieder der Theologie zu
und legte 1822 sein erstes theologisches Examen in Marburg ab (vgl. Herbst 2001:248).
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Im Alter von 25 Jahren ging Ranke als Lehrer an eine private Erziehungsanstalt in Nürnberg. Leiter
der Einrichtung war Karl Georg von Raumer, an dessen regelmäßig stattfindenden Musizierabenden
Ranke teilnahm. In diesem örtlichen und zeitlichen Kontext schrieb er „die Textesworte: ‚Tochter
Zion, freue dich!‘ mit denen es sich nun in Deutschlands evangelischen Schulen eingebürgert hat
(Strebel 1886:22)“ und übersetzte das Adeste fideles in die deutsche Sprache (:23). Weitere
Dichtungen von ihm sind nicht überliefert.

Nachdem Ranke 1824 sein zweites theologisches Examen ablegte, wurde er zunächst Pfarrer in
Nürnberg. Für nur ein Jahr ging Ranke 1840 als Professor für Dogmatik nach Erlangen. Ab 1841 war
er Konsistorialrat in Bayreuth und Ansbach. In München wurde Ranke in der Zeit von 1866 bis 1873
Oberkonsistorialrat. Dort starb er 1876.

1.2.2 Fachliche Informationen

Genre

Die Unterteilung der Weihnachtslieder ist für Martin Rößler keineswegs „übertriebener Formalismus
(Rößler 1981:13)“. Vielmehr ist die Fülle in Worte gefasster Gedanken erst durch Vergleiche „mit
verwandten oder gegensätzlichen Sprachbildungen (:13)“ zu erkennen. Für die Klassifizierung legt
Rößler zwei Aspekte der systematischen Grammatik zugrunde: den modus docendi5 sowie den modus
dicendi6 (:17). Der modus docendi legt drei Kategorien zugrunde: biblischer Bericht, kirchliche Lehre
und kerygmatische Predigt. Für den modus dicendi werden vier Typen benannt: epische, dramatische,
lyrische und parodistische Grundhaltung.

Im modus docendi ist Tochter Zion als kerygmatische Predigt einzuordnen. Der Schwerpunkt liegt im
Lob Gottes, der sich als König und Friedefürst in Jesus personifiziert. Die Lehraussagen des Liedes
werden weiter unten dargelegt.

Dem Lied liegt im modus dicendi eine lyrische Grundhaltung zugrunde. Kennzeichen der lyrischen
Grundhaltung sind das sprachliche Präsens, das meditative Erleben und die Nähe zur Musik, „die eine
unmittelbare Wirkung jenseits des denkenden Verstehens erreichen kann (:34)“. Die Sprache ist eher
einfach, der Fokus liegt auf Bildern und Allegorien (:35).

Durch die Bestimmung der beiden modi ist die Kategorisierung des Liedes als Andachtslied geboten.
Charakteristisch für das Andachtslied ist „[m]ystische Versenkung und heilige Begeisterung (:237)“.
Das eigene Glaubensleben rückt in den Vordergrund, kirchliche Lehre und biblischer Bericht werden

5
Modus docendi: Gehalt (Rößler 1981:17)
6
Modus dicendi: Gestalt (:17)
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von der Betonung der persönlichen Erfahrung verhüllt (:237). Das Andachtslied bleibt jedoch nicht bei
der Verinnerlichung stehen, es geht ebenso darum, den Alltag mit Christi Geist zu durchdringen
(:237).

Eine Unterkategorie des Andachtsliedes ist das Geistliche Volkslied, dem auch Tochter Zion
zuzuordnen ist. Die zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft als Folge der Aufklärung mit ihrer
Ausrichtung auf das Individuum erforderte andere (Kirchen-)lieder. Das Geistliche Volkslied ist
gekennzeichnet durch die Schilderung persönlicher Erfahrungen, die bruchstückhaft mit christlichen
Inhalten versehen werden. Es sind Lieder, „die am Rande des christlichen Gefühls beheimatet sind
(:248)“. Sie entstanden außerhalb christlicher Gemeinden in Diakonievereinen, die sich den
Verstoßenen widmeten, oder in den musikalischen Salons der gebildeten Oberschicht (:249ff.). Zwar
ist der Inhalt „theologisch verdünnt (:250)“, jedoch erreichen Geistliche Volkslieder Menschen, die
sich der Kirche nicht zugehörig fühlen.

Musikalische Betrachtung

Abb. 1: Notensatz Tochter Zion (Evangelisches Gesangbuch)

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Für den neuen Text Tochter Zion hat F.H. Ranke den vierstimmigen Chor des Oratoriums gewählt.
Ursprünglich in G-Dur komponiert ist das Lied aufgrund der besseren Singbarkeit im Evangelischen
Gesangbuch in Es-Dur notiert. Es hat die dreiteilige Liedform (ABA). Der achttaktige Mittelteil (B)
wird von zwei ebenfalls achttaktigen A-Teilen eingerahmt. Das Lied beginnt in G-Dur, wechselt im B-
Teil in die dazugehörige Mollparallele, danach wieder zurück in die Grundtonart.

Die acht Takte sowohl des A-Teils als auch des B-Teils sind nochmals in Vierertaktgruppen unterteilt,
deren Melodieverlauf überwiegend parallel aufgebaut ist. Das Lied beginnt mit halben Noten, die das
Monumentale repräsentieren (Stalmann 2002:[5]21). Im ersten Takt werden die Halben durch
Punktierungen aufgelockert, die halben Noten des zweiten Taktes zeigen in allen vier Stimmen einen
Tonsprung auf, „der einen Ruf darstellt (:[5]21)“. Diese Tonfolge ist in allen weiteren Vierergruppen
an der gleichen Stelle zu finden. In Takt 3 und 19 folgt dem Tonsprung eine Achtelphrasierung, die in
den übrigen Vierergruppen dem Tonsprung vorangestellt ist. Achtel und Viertel sollen „der
überströmenden Emotion Ausdruck verleihen (:[5]21)“.

Die Melodiestimme wird über das gesamte Lied von den drei anderen Stimmen durch Parallel- oder
Gegenbewegungen mitgetragen.

Stalmann weist darauf hin, dass Rankes Text durch die Melodieführung unterstrichen wird. Die Worte
freue und jauchze werden in einer Aufwärtsbewegung auf Achteln gesungen, der höchste Ton der
Melodie unterstreicht das laut und „die mehr betrachtenden Worte Sieh und ja [erhalten] in den um
eine Mittelachse pendelnde Achteln ihre Entsprechung (:[5]21)“.

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2 Tochter Zion - theologische und literarische Analyse


Dieser Arbeit liegen folgende zwei Fragen zugrunde: 1) Wer ist Tochter Zion? 2) Welche theologische
Aussage hat das Lied Tochter Zion? Diese Fragen zu klären ist das Anliegen dieses Kapitels. Zunächst
wird sowohl das AT als auch das NT auf die Bedeutung der Termini Zion und Tochter Zion
untersucht. Daran schließt sich die Interpretation Zions durch Martin Luther an. Die theologische
Aussage des Liedes wird einerseits durch die Exegese von Mt 21,1-11 als auch durch eine
Liedtextbetrachtung ermittelt.

Soweit nicht anders angegeben entstammen die Bibelzitate der folgenden Abschnitte der Elberfelder
Bibel von 2006.

2.1 Zion im AT

Zion ist einer der zentralen Namen des AT (Jerusalemer Bibellexikon 1990: Zion) und wird insgesamt
154 Mal erwähnt (Calwer Bibellexikon 2003: Zion). Die Verwendungen des Namens im AT sind
unterschiedlich, es kann entweder der Berg sein oder die Stadt, die auf dem Berg erbaut ist. Bei der
Nutzung für die Stadt liegt eine poetische Variation für Jerusalem oder ein „theologisches Chiffre für
die Heiligkeit des Tempelberges und der Stadt (Wischnowsky 2006:1)“ vor. Die herausragende
Stellung Zions hat die Konzeption einer eigenen Zionstheologie7 gefördert, die sich vorwiegend in
Texten der Psalmen und Propheten erkennen lässt. Die Motive dieses in sich geschlossenen Systems
beschreiben Simone Paganini und Annett Giere-Ungermann folgendermaßen: Gottes Präsenz,
Weltenzentrum, Schutz und Hilfe, Uneinnehmbarkeit, Gerechtigkeit und Gericht sowie irdischer
König (Paganini & Giere-Ungermann 2013:1). Die Klagelieder und Prophetenbücher kennen darüber
hinaus die personifizierte Redeweise von Zion (Wischnowsky 2006:1).

Die synonyme Verwendung der Namen Jerusalem und Zion ist unter Exegeten umstritten. Corinna
Körting betont die Bedeutungsvarianz der Termini. Zion hat universalen Charakter, hingegen ist
Jerusalem „Zentrum der Stämme Israels und Wirkungsstätte der Davididen (Körting 2006:84)“. Nur
Zion wird in den Psalmen die Stadt Gottes genannt, Zion gilt JHWHs einzigartige Liebe.

7
Entgegen Kritikern, die die Zionstheologie als ein in sich geschlossenes System verneinen, halten Paganini &
Giere-Ungermann sowie Körting an dem Begriff fest. Körting erläutert: „Zion ist das oszillierende Zentrum
fortschreitender Theologiebildung in Psalmen und Psalter (Körting 2006:6)“.
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2.1.1 Zion als topographische Größe

In 2 Sam 5,6-9 wird die Feste Zion, eine Jebusiterstadt, zum ersten
Mal in der Bibel erwähnt. König David eroberte die Burg und
machte sie zu seiner Stadt. Nachdem David die Bundeslade in die
Stadt holte, wurde sie neben der politischen Metropole auch der
religiöse Mittelpunkt seines Königreiches (Storek 2014:17), ein Ort
des Gottesdienstes. Davids Nachfolger, sein Sohn Salomo, baute auf
dem Süd-Ost-Hügel der Stadt einen Tempel für JHWH. Die
Bundeslade wurde in das Allerheiligste gebracht: „Und es geschah, Abb. 2: Karte zu den Hügeln
Jerusalems (www.bibelwissenschaft.de)
als die Priester aus dem Heiligen hinausgingen, da erfüllte die
Wolke das Haus des Herrn; und die Priester konnten wegen der Wolke nicht hinzutreten, um den
Dienst zu verrichten; denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus des Herrn (1 Kön 8,10f.)“. Das
Tempelweihgebet aus 1 Kön 8,22-53 stellt den Tempel als „Stätte des Gebets (Rehm zitiert nach
Schmid 2000:236)“ dar. Gleichwohl ist Salomo bewusst, dass weder die Himmel der Himmel JHWH
fassen können noch das Haus, das er für JHWH erbaut hat (vgl. 1 Kön 8,27). In der Folge war Zion
„nicht mehr die alte Festung, in der David regiert, sondern die herrliche Tempelstadt, in der Gott
seinen Königsitz hat (Storek 2014:17)“. Der heilige Berg Zion wurde zur Pilgerstätte für die Juden
(:18).

Odil Hannes Steck hebt hervor, dass zur Zeit des AT die Stadt Jerusalem „den Bewohnern und
Flüchtenden aus dem Umland Schutz vor Angriffen, Sicherheit, Geborgenheit bot (Steck 1992:129)“.
Dadurch wurde die Stadt in der Wahrnehmung ihrer Bewohner zu einem Gegenüber, das ihnen „etwas
gewährt, sie zu Empfängern macht (:128)“. Nicht nur die Ermächtigung und das Gelingen zum Bau
liegt in Gottes Hand, „das Bauwerk Jerusalem ist Jahwes Tun (:130)“. Die Stärke des in der Stadt
wohnenden Gottes „manifestiert und materialisiert sich in der Stadt selbst, in der augenfälligen Wehr-
und Schutzausstattung. Jerusalem als intaktes Bauwerk … nimmt damit selbst Jahwequalität an
(:132)“.

2.1.2 Zion als theologische Größe

Für die Herausbildung der Zionstheologie sind die Psalmen von entscheidender Bedeutung. Innerhalb
der Psalmen ist Zion ein Topos, der dem Beter Gottesnähe verheißt (Körting 2006:9) und Orientierung
bietet (:160). Der Tempel als materialisierte Wohnstatt Gottes schwingt in den Nennungen immer mit,
dennoch ist Zion mehr als der Tempel – Zion ist der Heilsort Gottes.

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Die JHWH-Königspsalmen8 benennen Zion als Königssitz Gottes. In den Zionspsalmen9 erweitert sich
die Bedeutung Zions. Es ist der Ort, „an dem sich [das Königtum Gottes] zeigt und erweist (Jeremias
2015:33)“. Weil JHWH dort wohnt partizipiert Zion von den Qualitäten JHWHs. Ps 48,2b f. illustriert
die Bedeutung Zions: „Sein heiliger Berg ragt schön empor, eine Freude der ganzen Erde; der Berg
Zion, im äußersten Norden, die Stadt des großen Königs“. Der Psalmbeter trifft hier jedoch keine
topographische Aussage, denn „schon der benachbarte Ölberg ist höher als der alttestamentliche Zion
(Gertz 2010:337)“. Vielmehr verdankt Zion „seine herausragenden Eigenschaften seinem göttlichen
Bewohner (Jeremias 2015:34)“.

Uneinnehmbarkeit und Standfestigkeit gegenüber feindlichen Mächten sind die prägnantesten


Eigenschaften, die Zion durch die Gegenwart JHWHs erhält. Die Zionspsalmen beschreiben einen
„Ansturm der Völker gegen den Gottesberg (:34)“. Doch obwohl alle Völker der Welt daran beteiligt
sind, ist Zion ein standhaftes Bollwerk, denn „keine Macht der Welt [vermag es] Gottes Herrschaft
über die Welt vom Zion aus zu gefährden … und die von Gott gehaltene Welt [kann] niemals ins
Wanken geraten… (Ps 46,6) (:34f.)“.

Vom Zion geht neben Segen (Ps 84) auch Gerechtigkeit aus. JHWHs Hand ist mit Gerechtigkeit
gefüllt, das ist Grund zur Freude für den Zion und die Bewohner Judas (Ps 48,10f). Psalm 15 betont,
dass Gottes Gerechtigkeit „an das rechte Verhalten sowohl der Gemeinschaft als auch des Einzelnen
gebunden [ist], was die Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft mit einschließt (Paganini &
Giere-Ungermann 2013:5)“.

Die „Verabsolutierung der Zionstheologie (Jeremias 2015:35)“ hat zu „einer ethischen Indifferenz
geführt (:35)“, da sich die Menschen trotz ihres ungerechten Verhaltens auf JHWHs Präsenz und
Schutz beriefen. Mit drastischen Worten benennt der Prophet Micha das Unrecht seiner Zeitgenossen
und kündigt ihnen an: „Darum wird euretwegen Zion als Acker gepflügt werden, und Jerusalem wird
zu Trümmerhaufen und der Berg des Hauses zu Waldeshöhen werden (Mi 3,12)“. Auch Jeremia
beklagt, dass „der Tempel zur Räuberhöhle geworden [war] (Jer 7,11; vgl. Mt 21,13), d.h. zum Ort, an
dem sich Schuldige sicher und geborgen fühlen konnten (Jeremias 2015:35)“.

587/586 v. Chr. erfüllte sich die Unheilsprophetie des Micha. Jerusalem und der Tempel wurden
zerstört, die Bewohner wurden ins babylonische Exil geführt. Der manifeste, materialisierte Wohnort
JHWHs war vernichtet, infolgedesssen entstand „die Frage nach der anderen Gegenwart Gottes bei
seinem Volk (Moltmann 1991:61)“. Sowohl bei der Einweihung der Stiftshütte (Ex 40,34ff) als auch

8
Ps 47;93-100 (Jeremias 2015:30)
9
Ps 46;48;76;84;87;122;132. Ferner wird Zion in den Ps 2; 9; 14; 20; 50; 51; 53; 65; 69; 78; 97; 99; 102; 110;
125; 126; 129; 132; 133; 134; 135; 137; 146; 147; 149 direkt oder auch indirekt belegt, diese sind für die
Gestaltung der Zionstheologie mittragend (Körting 2006:7).
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bei der Einweihung des Tempels (1 Kön 8,10f) hatte das Volk erlebt, dass JHWH zu ihnen herabkam,
um bei ihnen zu wohnen. Daraus entwickelte sich die Schechinavorstellung10. Diese rückte in der
Krisenerfahrung wieder in den Vordergrund. Durch seine schechina begleitete Gott sein Volk in das
Exil und wurde „der göttliche Leidensgefährte Israels (:61)“. Gott verbündete sich mit seinem Volk
und litt mit ihnen: „Und so wurde er ihr Retter. Bei all ihrer Bedrängnis war er auch bedrängt, und der
Engel seines Angesichts rettete sie; in seiner Liebe und seinem Erbarmen hat er sie erlöst; er nahm sie
auf und trug sie alle Tage der Vorzeit (Schl: Jes 63,8f)“. Ebenso wie das Volk Gottes war die
schechina Gottes auf einer Irrfahrt und bedurfte der Erlösung und Heimkehr (Moltmann 1991:61).

Bevor Mose starb, richtete er an das Volk folgende Worte: „Richtet euer Herz auf all die Worte, die
ich euch heute bezeuge, damit ihr sie euren Kindern gebietet, dass sie darauf achten, alle Worte dieses
Gesetzes zu tun! Denn nicht ein leeres Wort ist es für euch, sondern es ist euer Leben (Dtn 32,46f)“.
Die Bedeutsamkeit der Weisungen JHWHs wird in den Psalmen vielfach besungen. Als der Tempel
zerstört wurde, gab es für das Volk keinen Gebetsort mehr, stattdessen konzentrierten sie sich auf das
Lesen, Nachdenken und ‚Murmeln‘ der Tora (vgl. Ps 1,2). Die Tora wurde nunmehr zum
Tempelersatz.11 Jürgen Moltmann zitiert Gershom Scholem: „Wo zwei zusammensitzen und studieren
die Tora, ist die schechina mitten unter ihnen (Moltmann 1991:61)“. Auf diese Weise wurde das Volk
zum Tempel Gottes, seine schechina wohnte dort, „wo sein Wille getan wird und seine Tora
spontanen und selbstverständlichen Gehorsam findet (:69)“.

2.1.3 Zion als personale Größe

Neben der Vorstellung als Berg, Stadt und Heilsort wird Zion im AT als Frau beschrieben, jedoch ist
eine „breite textliche Überlieferung für die Personifikation der Stadt in Israel (Wischnowsky
2002:87)“ erst in exilischer und nachexilischer Literatur zu finden. So wird in Jer 6 die Krise
dokumentiert und die Vorstellung von Zion als Frau entwickelt (Schmid 2013:15)

So spricht der Herr: Siehe, ein Volk kommt aus dem Land des Nordens, eine große Nation
macht sich auf vom äußersten Ende der Erde. Bogen und Kurzschwert führen sie, sie sind
grausam und ohne Erbarmen. Ihre Stimme braust wie das Meer, und auf Pferden reiten sie. Sie
sind gerüstet gegen dich, Tochter Zion, wie ein Mann zum Krieg. Wir haben die Kunde von
ihm vernommen: Unsere Hände sind schlaff geworden. Angst hat uns ergriffen, Wehen wie bei
einer Gebärenden. Zieh nicht hinaus aufs Feld und geh nicht auf dem Weg! Denn der Feind hat
ein Schwert - Schrecken ringsum! Tochter meines Volkes, gürte dir Sacktuch um und wälze

10
Schechina meint „die Herabkunft und Einwohnung Gottes in Raum und Zeit an einem bestimmten Platz und
zu bestimmter Zeit irdischer Geschöpfe und in ihrer Geschichte (Moltmann 1991: 60)“. Die schechina als der
gegenwärtige Gott ist jedoch von der wesentlichen Allgegenwart Gottes zu unterscheiden (:61).
11
M.Bendorf, IGW-Seminar, Umwelt und Geschichte NT, Januar 2014.
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dich in Asche, trauere wie um den einzigen Sohn! Stimme bittere Klage an! Denn plötzlich
wird der Verwüster über uns kommen (Jer 6,22-26).

Im Gegensatz zur Bergmetapher stellt die Metapher der Frau die Schutzbedürftigkeit und
Wehrlosigkeit Zions in den Vordergrund (Schmid 2013:14). Insofern ist es naheliegend, Tochter Zion
auf das Volk zu deuten, „das im Tempel auf dem Zion seinen Gott aufsucht (Zumbroich 2013:121)“.
„Tochter“ kann im Hebräischen sowohl als die leibliche Tochter als auch allgemeiner als
Zugehörigkeit zu einer Gruppe verstanden werden. Das jüdische Volk wird in diesem
Erklärungsrahmen als weiblich und als zu JHWH gehörig verstanden (:122).

Der Ausdruck Tochter Zion beschreibt die Beziehung zwischen JHWH und seinem Volk, es ist eine
Verbindung „im Sinne einer Liebesbeziehung…. Dies besagt zunächst, dass es sich um eine intensive
Erfahrung der Begegnung und der Gemeinschaft handelt (:122)“. Mit der Metapher der Tochter Zion
wird das Volk zu Gottes Partnerin (:122).

Entgegen der eben genannten Darstellung schreibt Odil Hannes Steck12, dass die personalen Züge der
Stadt keineswegs „als ‚Symbol des Volkes oder der Gemeinde‘ (Steck 1992 :133)“ zu verstehen sind.
Die Belegtexte für Zion als Figur nennen die Bewohner der Stadt Kinder, Söhne oder Töchter. Ebenso
wird Zion die Eigenschaft personale Beziehungen einzugehen zugeschrieben. In Bezug auf die
Bewohner ist sie Mutter und gegenüber Fremden ist Zion entweder die Gebeugte, Gepeinigte oder sie
ist die Königin, der alle huldigen. In der Beziehung zu Jahwe wird Zion als Gemahlin, Tochter oder
auch Witwe genannt (:135). Im Vergleich zu anderen semitischen Kulturen ist für die Beziehung der
Frau Zion zu Jahwe jedoch Folgendes festzuhalten: 1) Zion ist keine Göttin 2) Zion ist Jahwe nicht
ebenbürtig 3) es fehlen jegliche erotische Metaphern in der Zion-Jahwe-Beziehung (:140).

Die Textbelege der Frau Zion lassen sich in drei Gattungen einteilen: Klage, Anklage und
Heilsankündigungen. Es lässt sich feststellen, dass es eine Fortentwicklung von den Klagetexten über
die Anklagetexte zu den Heilsankündigungen gibt (Wischnowsky 2006:4). Laut Marc Wischnowsky
liegt „[d]ie Besonderheit dieser Texte darin …, dass Zion als Person eine Beziehung sowohl zu Gott
als auch zur Bevölkerung eingehen kann. Sie nimmt dabei weitgehend anthropomorphe Züge an
(Wischnowsky 2006:1)“.

Die Klagen

Die Unheilsansagen Jeremias in Jer 4-6 sowie 8-10 sind durch Motive der Stadtklage geprägt
(Wischnowsky 2002:87). In den Klageliedern wird das erlebte Unglück in poetischer Form reflektiert

12
Steck, auf dessen Ausführungen in diesem Kapitel weitgehend zurückgegriffen wird, verwendet Jerusalem
und Zion entgegen Körting synonym. Daher wird im Folgenden die synonyme Verwendung übernommen.

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und verarbeitet (:91). Durch die Personifikation der Stadt ist es möglich, die emotionalen
Leiderfahrungen vieler als ein kollektives Erleben zu schildern. Dabei kann sowohl das Volk die
klagende Person sein (Klgl 1,1-11) als auch die Stadt selber das erlebte Bedrängnis beklagen (Stoll
1986:46). Ein deutlicher Unterschied zu anderen altorientalischen Stadtklagen liegt in dem
Schuldeingeständnis, das schon Klgl 1,8 erkennen lässt: „Jerusalem hat sich versündigt; darum muss
sie sein wie eine unreine Frau. Alle, die sie ehrten, verschmähen sie jetzt, weil sie ihre Blöße sehen;
sie aber seufzt und hat sich abgewendet“ (Wischnowsky 2006:5).

Die Anklagen

In den Anklagetexten ändert sich das Bild von der trauernden, beklagenswerten Frau zur Ehebrecherin
und Hure. Das Unheil Jerusalems liegt in der „politischen und religiösen Freizügigkeit gegenüber
Jahwe (Wischnowsky 2002:145)“ begründet. Wischnowsky stellt fest: „Die Personifikation
Jerusalems im Kontext dieser Diskurse als ‚Hure‘ erfüllt rhetorisch die Funktion, das angegriffene
Verhalten als ‚abwegig, pervers‘ zu besetzen (:145)“.

Die Heilsankündigungen

Die Heilsankündigungen stehen am Ende der traditionsgeschichtlichen Entwicklung (Wischnowsky


2006:7). In Jes 40-66 wird die heilvolle Zukunft der Stadt beschrieben. Das Bild Jerusalems wandelt
sich zur geschmückten Braut, mächtigen Königin, Mutter vieler Kinder und Freudenbotin (Storek
2014:18). Das dieser Arbeit zu Grunde liegende Adventslied bezieht sich unter anderem auf Sach 9,9:
„Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu
dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.“ Die
Aussage, dass JHWH zum Zion zurückkehrt, ist entscheiden für die Botschaft des Liedes.

2.1.4 Zusammenfassung – Zion im AT

Es wurde festgestellt, dass der Begriff Zion im AT ein auffallend häufig anzutreffender Name ist.
Dabei wurden drei unterschiedliche Topoi herausgearbeitet. Zunächst ist Zion die topographische
Bezeichnung für den Berg, an dem König David seine Metropole ansiedelte. Durch den Tempelbau
am Süd-Ost-Hügel der Stadt erweiterte sich die topographische Kennzeichnung auf den Tempelbezirk.
Auch die Stadt Jerusalem wird gelegentlich in poetischer Weise mit Zion benannt.

Durch die Einwohnung Gottes im Tempel erhält Zion religiöse Bedeutung und profitiert von den
Eigenschaften JHWHs. Die Präsenz JHWHs garantiert Uneinnehmbarkeit, Schutz und Hilfe. Zion
wird zum Heilsort für die Bewohner Jerusalems und die Pilger aus dem Umland. Im Zuge der
Krisenerfahrung von 587/586 v.Chr. rückte die Schechinavorstellung (wieder) in den Vordergrund.
Die Tora wurde zum Tempelersatz und die schechina JHWHs wurde in der betenden Gemeinde, „in

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den Synagogen, im Richterkollegium, bei den Elenden, bei den Kranken usw. (Moltmann 1991:63)“
angenommen.

Mit der Erfahrung der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im 6. Jahrhundert vor Christus entsteht
die Figur der Frau Zion. Die Metapher der Person Zion lässt zwei unterschiedliche Deutungen zu: 1)
das jüdische Volk ist die Person. 2) Es ist eine eigenständige Person, die in Beziehung zu JHWH und
zu den Einwohnern der Stadt steht. Odil Hannes Steck kommt zu der Einschätzung, dass „sie
alttestamentlicher Vorschein des Mittlers Christus (Steck 1992:145)“ ist.

Das Bild der Frau Zion wandelt sich während der geschichtlichen Entwicklung. Zunächst ist sie
trauernde Witwe, deren Kinder sie verlassen haben. Im Zuge der Reflektion der Katastrophe kommt es
zu Anklagen und die Frau erhält das Bild einer Ehebrecherin. Nach ihrer Rehabilitierung wird die Frau
Zion zur Königin, Braut und Freudenbotin.

2.2. Zion im NT

Der Textbefund zu Zion im NT ist nur schmal. Lediglich sieben Stellen erwähnen Zion explizit,
darunter fünf Direktzitate. Der Fragestellung nach Zion im NT wird sich im Folgenden in einem
Zweier-Schritt genähert. Zunächst wird der Textbefund betrachtet, um dann systematisch zu erörtern,
ob und inwiefern im NT die unter 2.1. herausgearbeiteten Bilder des AT – Zion als topographische
und personale Größe sowie als Heilsort – übernommen wurden.

2.2.1 Der Textbefund

Die Direktzitate des AT finden sich in Mt 21,5; Joh 12,25; Röm 9,33; Röm 11,36; 1.Petr 2,6.

Matthäus und Johannes zitieren die Heilsankündigung aus Jes 62,11 sowie Sach 9,9. Beide
Evangelisten nutzen den Terminus Tochter Zion, eine Weiterführung des Konzepts der personalen
Größe im Sinne eines Mittlers ist allerdings nicht anzunehmen. Nach ihren Berichten gebraucht Jesus
selbst die Zitate. Da er von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.
Niemand kommt zum Vater als nur durch mich (Joh 14,6)“ ist es ausgeschlossen, dass es in seiner
Lehre das Konzept eines weiteren Mittlers (vgl. 2.1.4) zu JHWH neben ihm gibt. Unter 2.2.2 wird
dargelegt werden, dass der zentrale Inhalt der jesuanischen Botschaft die Reich-Gottes-Verkündigung
war. Vielmehr spricht der Gesamtzusammenhang der Perikopen dafür, dass Jesus das bekannte Bild
der Tochter Zion nahm und auf die Stadt und die Bewohner Jerusalems deutete.

Röm 11,26 zitiert Ps 53,7. Die Ankündigung eines Retters aus Zion legt sowohl eine geographische
Deutung als auch die Interpretation des Heilsortes nahe. Eine personale Deutung auf die weibliche

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Gestalt Zion erscheint im Kontext sowohl von Röm als auch des Psalms nicht gegeben, da keinerlei
personale Beschreibungen zu erkennen sind.

Die Zitate in Röm 9,33 und 1 Petr 2,6 stammen aus Jes 28,16. Auch hier ist eine personale Deutung
für Zion im jeweiligen Kontext nicht anzunehmen, da Zion nicht mit personalen Adjektiven
beschrieben wird. Röm 9,33 lässt die enge Verknüpfung von geographischer Größe und Heilsort Zion
erkennen. Jesus ging, „als der Höhepunkt seines Werkes nahte, zielstrebig nach ‚Zion‘, in den Tempel
von Jerusalem. … Wenige hundert Meter vom Tempel entfernt wurde das Kreuz Jesu zum neuen und
wahren Thronort Gottes (Pohl 1998:204)“. Zion als Ort des Heils ist durch Golgatha als
Ausgangspunkt schon eröffnet (:238). Im Kontext von 1 Petr 2,1-10 ist Zion als Heilsort zu deuten.

Die zwei weiteren Textbelege zeugen ebenso von einem Rückgriff auf das AT. In Hebr 12,22 wird die
Kontinuität zwischen AT und NT deutlich. Mit der Erwähnung des Berges Zion, dem Wohnort Gottes
und dem erwarteten Ankunftsort des Messias, verweist der Autor darauf, dass die Empfänger schon
jetzt Anteil an der Herrlichkeit Gottes haben (Laubach 1967:269), denn sie sind „gekommen zum Berg
Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem.“ Im Kontext ist der Berg Zion
als Heilsort zu verstehen, eine personale oder geographische Deutung ist nicht anzunehmen.

Offenbarung 14,1 knüpft ebenso an die alttestamentliche Zionsvorstellung als Heilsort an, jedoch in
„ungeheure[r] Vereinfachung (Pohl 1971:369)“. Das AT beschreibt die Schönheit und den Reichtum
von Zions Tempel und erzählt von Völkerwallfahrten sowie Freudenmählern, Johannes dagegen sah
lediglich: „das Lamm stand auf dem Berg Zion …“. Das Heil ist nicht weiter an einen Ort gebunden,
vielmehr ist es in der Gemeinschaft mit dem Lamm zu finden. Auch hier ist eine Interpretation als
Heilsort anzunehmen.

2.2.2 Systematische Annäherung

Vier Aspekte liegen der systematischen Annäherung an die Fragestellung zugrunde: die Bedeutung
des Tempels bei Jesus, Jesu Reich-Gotts-Verkündigung, das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden
sowie das Motiv der Völkerwallfahrt.

Der Jerusalemer Tempel – Symbol der Zionstheologie

Symbole dienen dazu eine „Weltanschauung in die sichtbare und konkrete Wirklichkeit [zu]
überführen (Wright 2011:287)“. Das zentrale religiöse und politische Symbol des Judentums war der
Jerusalemer Tempel. Im Tempel wohnt und regiert nach jüdischer Vorstellung JHWH, hierher
pilgerten die Menschen, um Vergebung und Wiederherstellung zu erfahren. Über die religiöse
Bedeutung hinaus besaß der Tempel politische und ökonomische Relevanz. Wright schreibt, dass
„[d]ie Bedeutung des Tempels auf allen Ebenen kaum überschätzt werden kann (:288)“.
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So wie die religiöse, jüdische Vielfalt der neutestamentlichen Zeit kein „Konstrukt des ›frommen
Juden‹ (Kampling 2013:113)“ zulässt, so sind für den Tempel zur Zeit des NT unterschiedliche
Interpretationen des Tempels festzustellen. Grund dafür ist die Diskrepanz zwischen der Annahme von
Gottes Realpräsenz im Tempel sowie der Wahrnehmung der Tempelpraxis und der
Tempelaristokratie. Der Vergleich zwischen realem und erhofftem Tempel führte zur Kritik, die nicht
zwangsläufig die Ablehnung von Tempel und Kult bedeutete (:109). Die Kritik an der Kommerziali-
sierung des Tempelbetriebs wird von Jesus geteilt, wie die Berichte über die Tempelreinigung
zeigen.13

Die Deuteworte Jesu in Mk 1,17: „[Er] sprach zu ihnen: Steht nicht geschrieben: ‚Mein Haus wird ein
Bethaus genannt werden für alle Nationen?‘ Ihr aber habt es zu einer ‚Räuberhöhle‘ gemacht“ lassen
Rainer Kampling zu der Einschätzung gelangen, dass „in Markus 11 de facto eine Negation der
Zionstheologie vorliegt (Kampling 2013:116)“. Mit den Worten ‚steht nicht geschrieben‘ verweist
Jesus auf die Autorität der Schrift, gleichzeitig nimmt er diese für sein Handeln in Anspruch. Das
folgende Schriftzitat aus Jes 56,7 beschreibt den Zweck des Tempels, er soll ein Ort der Anbetung
Gottes sein, doch die Angesprochenen haben daraus eine Räuberhöhle gemacht: „Der Ist-Zustand
entspricht mithin keineswegs dem Willen Gottes (:115)“. Damit endet die Rede Jesu, es fehlt der
Ausblick auf die Zukunft, wie dieser Zustand verändert werden kann.

Der Tempelkult, wie er zur Zeit Jesu betrieben wurde, ist jedoch nicht Teil der Zionstheologie, daher
kann ich Kamplings Einschätzung nicht folgen. Vielmehr lassen Leben und Lehre Jesu den Schluss zu,
dass dieser Motive der Zionstheologie aufnahm und uminterpretierte.

Jesu Reich-Gottes-Verkündigung

Udo Schnelle bestätigt die Einschätzung einer negativen Zukunftsaussicht für den Tempel:
„Tempelreinigung und Tempelwort zielen nicht auf eine Wiederherstellung eines gottgefälligen
Tempelkultes, wie sie in der Geschichte des Judentums immer wieder gefordert wurden (Schnelle
2014:138)“. Zentrale Botschaft der jesuanischen Verkündigung war das kommende und gleichzeitig
gegenwärtige Reich Gottes, das sich weder in der Realpräsenz JHWHs im Tempel zeigt (:80) noch den
Tempel als Ort der Sühne und Vergebung erforderlich macht (:138).

Jesu Reich-Gottes-Verkündigung erfährt eine neue „umfassende Sinnbildung…, deren Ausgangspunkt


die Erfahrung und die Einsicht war, dass Gott in neuer Weise zum Heil der Menschen unterwegs ist
und das Böse zurückgedrängt wird (Schnelle 2014:91)“. Schnelle stellt fest, dass Jesus die Herrschaft
Gottes als „handelndes Subjekt (:92)“ beschreibt: „Offenbar ist für Jesus die Gottesherrschaft ein

13
Vgl. Mt 21,12 ff; Mk 11, 11,15ff.; Lk 19,45ff.; Joh 2,13ff.
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eigenes, den Menschen zwar erfassendes, aber von ihm nicht bestimmbares oder auszulösendes
Geschehen und hat ihre eigene Kraft (Vgl. Mk 4,26-29) (:92)“.

Mit der Aussage: „Wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen,
irgendeine Sache zu erbitten, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln
ist. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte (Mt 18,19f)“
interpretiert Jesus die rabbinischen Worte über die schechina Gottes auf sich um (vgl. 2.1.2).

Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden

N.T.Wright versteht Jesu Reise nach Jerusalem sowie die darauffolgenden Geschehnisse und
Gleichnisse als „Inszenierung der großartigen und zentralen Reich-Gottes-Verheißung …, dass JHWH
endlich zum Zion zurückkehren würde, um zu retten und zu richten (Wright 2013:716)“. In
Kontroverse zu der allgemeinen und lange tradierten Auslegung interpretiert Wright das Gleichnis von
den anvertrauten Pfunden (Mt 25,14-30; Lk19,11-27) nicht auf die zu erwartende Parusie Christi.
Diese war nicht Bestandteil der jesuanischen Lehre (:720), Jesus sprach „von einer „kommenden“
Gestalt im üblichen Sinne …, also „von jemandem, der nach Israel kommt“. Diese kommende Gestalt
war JHWH selbst (:717). Die lukanische Textversion unterstützt die Annahme, dass der
zurückkehrende König des Gleichnisses der zum Zion zurückkehrende JHWH ist: „Während sie aber
dies hörten, fügte er noch ein Gleichnis hinzu, weil er nahe bei Jerusalem war, und sie meinten, dass
das Reich Gottes sogleich erscheinen sollte (Lk 19,11)“.

Jesus erhob für sich den Anspruch, dass mit seinem Tun das Reich Gottes begann (Schnelle
2014:147). Dementsprechend ist sein Einzug in Jerusalem gleichbedeutend mit der Rückkehr JHWHs
zum Zion. In Jesus kehrt das Reich Gottes zum Zion zurück, sowohl als Retter als auch als Richter wie
es Mal 3,1-3 beschreibt

Siehe, ich sende meinen Boten, damit er den Weg vor mir her bereite. Und plötzlich kommt zu
seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr herbeiwünscht,
siehe, er kommt, spricht der HERR der Heerscharen. Wer aber kann den Tag seines Kommens
ertragen, und wer wird bestehen bei seinem Erscheinen? Denn er wird wie das Feuer eines
Schmelzers und wie das Laugensalz von Wäschern sein. Und er wird sitzen und das Silber
schmelzen und reinigen, und er wird die Söhne Levi reinigen und sie läutern wie Gold und wie
Silber, so dass sie Männer werden, die dem HERRN Opfergaben in Gerechtigkeit darbringen.

Daher ist das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden in seinem historischen Kontext als Warnung für
die Zuhörer zu verstehen. Denn „das Gericht würde am eigenen Hause beginnen (Wright 2013:722)“
und nur diejenigen, die der Botschaft vom Reich Gottes positiv begegneten, konnten auf Rettung
hoffen.

Die Völkerwallfahrt

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Neben der Kritik an der Zionstheologie ist in der prophetischen Literatur des ATauch eine
Überbietung derselben zu finden (Jeremias 2015:35). Während in Ps 72 Menschen Gaben zum König
bringen um ihm zu huldigen, entwickelt insbesondere Jesaja das Bild der Völkerwallfahrt. Alle Völker
pilgern zum Zion um JHWH anzubeten.

In Rahmen der Erzählung des Hauptmanns von Kapernaum in Mt 8,5-13 greift Jesus dieses Motiv aus
Jes 25,6 in Kombination mit Jes 49,12: „Ich sage euch aber, dass viele von Osten und Westen kommen
und mit Abraham und Isaak und Jakob zu Tisch liegen werden in dem Reich der Himmel (V.11).“ auf.
Jedoch interpretiert er dieses Motiv umgekehrt zu der bis dahin gültigen Lesart.

Im antiken Judentum wurde die endzeitliche Erweiterung des Gottes Volkes erwartet, „wenn die
Völker nach Jerusalem / zum Zion strömen, um den wahren Gott anzubeten (Vgl. äthHen90; Test XII)
(Schnelle 2014:126)“. Das Streben nach politischer Souveränität sowie Wiederherstellung des
davidischen Königshauses als Zeichen der Gottesherrschaft, waren mit der jüdischen Opposition
gegen die Heiden verbunden. Doch Jesus „legt die Gegenwart des Heils als Besiegung des Satans aus,
der als Ankläger Israels und der Heiden erscheint (:127)“. Daher konstatiert er in der matthäischen
Erzählung, dass er „bei keinem in Israel … so großen Glauben gefunden (Mt 8,10)“ hat, die vielen aus
der Ferne beim eschatologischen Festmahl dabei sein werden (Kampling 2013:113) und „die Söhne
des Reiches werden hinausgeworfen werden in die äußere Finsternis; da wird das Weinen und das
Zähneknirschen sein (Mt 8,12)“.

Neben Jesus bezieht sich auch der Apostel Paulus auf die Verheißung an die Erzväter, dass durch sie
alle Geschlechter der Erde gesegnet werden14. Im vierten Kapitel des Römerbriefes legt der Apostel
ausführlich dar, dass Abraham gerettet wurde, weil er „gegen Hoffnung auf Hoffnung hin geglaubt hat
(V.18)“. Ebenso werden alle die, die „an den glauben, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten
auferweckt hat (V.24)“, gerettet. In Kapitel 11 Vers 11 entfaltet Paulus, so wie Jesus im
Matthäusevangelium, die heilsgeschichtliche Reihenfolge: auf die Ablehnung Israels folgt die
Bekehrung der Heiden (vgl. Maier 1996:263).

2.2.3 Zusammenfassung – Zion im NT

Sowohl die Textbelege als auch die systematische Annäherung schließen eine personale Deutung
Zions aus. Im Rahmen der neutestamentlichen Lehre gibt es nur einen Mittler zwischen JHWH und
Menschen – Jesus Christus. Daher können die Zitate, die Tochter Zion nennen, als poetische Stilmittel
Jesu verstanden werden.

14
Gen 12,3; 26,4; 28,14
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Eine topographische Interpretation ist für die Direktzitate denkbar, da im jeweiligen Kontext auch eine
synonyme Verwendung mit Jerusalem möglich ist. Im Rahmen der systematischen Annäherung kann
für die Interpretation des Gleichnisses von den anvertrauten Pfunden eine topographische Deutung
Zions angenommen werden. Insgesamt steht sowohl für die Textbelege als auch für die systematische
Annäherung die Deutung Zion als Heilsort im Vordergrund.

Unter dem Aspekt des Jerusalemer Tempels als Symbol für die Zionstheologie wurde festgestellt, dass
Jesus den Tempelkult scharf kritisierte und keine Fortführung dessen in Aussicht stellte. Die Lehre
Jesu lässt Uminterpretationen der Zionstheologie erkennen, so greift er auf das Bild der
Völkerwallfahrt zurück und deutet das rabbinische Wort: „Wo zwei zusammensitzen und studieren die
Tora, ist die schechina mitten unter ihnen (Moltmann 1991:61)“ auf sich um.

Den Erläuterungen N.T.Wrights folgend wird der zurückkehrende König aus dem Gleichnis von den
anvertrauten Pfunden als der zum Zion zurückkehrende JHWH verstanden. Neben dem Motiv der
Präsenz JWHWs auf dem Zion lässt sich das Motiv der Gerechtigkeit der alttestamentlichen
Zionstheologie erkennen. Lukas erzählt das Gleichnis im Zusammenhang mit Jesu Einzug nach
Jerusalem sowie Jesu Worten über die Stadt: „Wenn auch du an diesem Tag erkannt hättest, was zum
Frieden dient! Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen (Lk 19,42)“.

Als Jesus in Kapernaum den Diener eines Hauptmannes heilte, prophezeite er den Vielen aus dem
Osten und dem Westen, dass sie mit den Erzvätern am eschatologischen Festmahl teilnehmen. Das
Motiv der Völkerwallfahrt wird im Römerbrief von Paulus ebenso aufgenommen, der die Bekehrung
der Heiden als Folge der Ablehnung Jesu durch Israel beschrieb.

2.3 Zion bei Martin Luther

In den protestantischen Traditionen ist der Begriff Zion „gut verankert (Wriedt 2013:167)“, die
Bedeutung erscheint eindeutig: mit Zion ist der Tempel, das Tempelareal und innerhalb der biblischen
Rezeption der Wohnort Gottes bzw. der Ort des Heils beschrieben (:167). Die gesamte Fülle der
geistlichen Metapher wird jedoch erst offenbar, seit „die Bibel und ihre ersten Auslegungen in den
Religionen selbst zum Gegenstand auslegender Vergegenwärtigung wird (:167)“. Im Folgenden wird
die Begriffsverwendung Zion bei Martin Luther, als einer der prägenden Personen des
Protestantismus, skizziert.

Zion als historisch-geographische Größe ist für Luther „selbstevident und bedarf keiner weiteren
Erklärung (Wriedt 2013:177)“. Lediglich die Vergänglichkeit des irdischen Zions erscheint für Luther
erwähnenswert. So nutzte er in einem Brief an Philipp Melanchthon im April 1530, die Metaphorik
des Hüttenbaus auf dem Zion, um darauf hinzuweisen, dass auch das irdische Jerusalem / Zion zeitlich

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begrenzt ist (:177). Die wechselvolle Geschichte Zions nutzt er, um die Höhen und Tiefen der
Evangeliumsverkündigung darzustellen

Es ist gewiß (sic), daß (sic) eine große Änderung aller Dinge eintritt, sooft das reine Wort wieder
gepredigt wird, nachdem es eine Zeitlang verworfen oder verunreinigt gewesen ist. So folgte nach
der Befreiung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft die Änderung und Verwüstung des
babylonischen Reiches. Nachdem das Evangelium aus Zion gepredigt wurde, ging Jerusalem zu
Grunde (Aland zitiert bei Wriedt 2013:178).

Die historischen Gegebenheiten dienen Luther dazu, sein Verständnis der Heilsgeschichte zu erklären
(:177).

In seiner Auslegung zu Ps 2,6 schreibt Luther: „So wird also die Kirche der Berg Zion genannt, nach
der ganz gebräuchlichen Redeweise (tropo) der Synekdoche15 (Walch 1896 a:270)“. Dies ist
keineswegs nur „verblümte Sprache (:270)“, sondern der Berg Zion und die Kirche entsprechen sich in
Sprache und Gestalt. Beide sind eine „Warte (:270)“, die nach Gott und den himmlischen Dingen
Ausschau halten und für die ihr anvertrauen Menschen Sorge tragen (:270).

Die Gestalt des Berges Zions kann Luther ebenso auf die Kirche übertragen. So wie der Berg erhöht
ist, ist die Kirche von Gott erhöht durch „Glauben, Hoffnung, Liebe, und die Tugenden (:270)“. Der
römischen Kirche seiner Zeit bescheinigt Luther, dass diese abgenommen hat an Weisheit und dem
Worte Christi und somit die Welt nicht mehr an Tugenden überragt. Gleichwohl bleibt die wahre
Kirche Christi immer dieselbe (:271). Markus Wriedt stellt fest: „Zion wird mithin zum
Schlüsselbegriff für Luther, um seine Ekklesiologie und natürlich seine Kirchenkritik zu formulieren
(Wriedt 2013:181)“.

Je mehr Luther die Kirche mit Zion gleichsetzt, desto weiter entfernt er sich von der topographischen
Deutung Zions (:181). Auf dem Berg Zion hat die Kirche ihren Anfang genommen und hat sich von
dort ausgebreitet. Das Evangelium ist nicht an einen Ort gebunden, „damit das Wort Christi Joh. 4,21.
(sic) erfüllt: ‚Es kommt die Zeit, daß (sic) ihr weder zu Jerusalem noch auf diesem Berge den Vater
anbeten werdet.‘ (Walch 1896 a:269)“.

Zwar spart Luther in dieser Passage der Auslegung nicht an Kritik an der römischen Kirche, dennoch
hebt er deutlich hervor, dass er nicht „die Oberherrschaft (monarchiam) der römischen Kirche
verdamme (Walch 1896 a:269)“. Vielmehr prangert der die Selbstgefälligkeit und Lieblosigkeit der
Institution an (:270). Zion und die auf Zion projizierten Sinnbilder werden in Luthers Darstellungen
zum Ideal der Kirche, die ihren Ursprung in Jesus Christus hat.

15
Synekdoche: „Austausch einer Vorstellung durch einen Begriff weiterer oder engerer Bedeutung. …[Es]
besteht kein kausaler, räumlicher oder zeitlicher Zusammenhang, sondern eine Teil-Ganzes-Beziehung (Koomer
& Rob-Santer 2002:130)“
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Das bergige Gelände um Jerusalem dient Luther zur Veranschaulichung geistlichen Lebens: „Diese
Abschüssigkeit und dies Aufsteigen kann den innerlichen Kampf des Volkes Christi bedeuten, welcher
zwischen dem Fleische und dem Geiste stattfindet; … Jenes senkt sich hernieder, um zeitliche Dinge
für andere zu besorgen, dieses steigt auf zu den himmlischen Dingen (:271)“. Zwischen Jerusalem und
dem Berg Zion liegt der Berg Moria, in dem Luther ein Sinnbild für Christus erkennt. Auf diesem
Berg sollte Abraham seinen Sohn opfern und König Salomo baute hier den Tempel für JHWH.
Luthers Gedankengang folgend ist hier die Christenheit mit Christus geopfert worden und wird zum
Tempel JHWHs. Denn „Christus ist uns der Berg Moria (:272)“.

Der Zusammenschluss der Deutung Zions als Wohnort JHWHs des AT mit der Glaubensüberzeugung,
dass Christus das Heil Gottes für die Menschen ist, lässt Luther in seiner Auslegung des 86. Psalms zu
folgender Aussage kommen: „Christus natus spiritualiter Zion (:183)16“, wohlwissend, dass Jesus in
Bethlehem geboren wurde. Mit Verweis auf „die personifizierende Rede in den Psalmen (:183)“ kann
Luther diese spirituelle Deutung begründen.

Der Berg Zion erhält seine Heiligkeit durch Christus, der „die Verheißung hatte von der Vergebung
der Sünden (Walch 1896 b:121)“ und „der so heilig ist, daß (sic) er die heilig macht, die an ihn
glauben, das heißt, daß (sic) er die Sünden vergibt und den Heiligen Geist schenkt (:183)“. Zion als
Heilsort und geistlicher Herkunftsort Christi sind nach der Auferstehung „als lebendige Anrede an den
Menschen [zu verstehen] sich eben zu diesem Ursprungsort seines Heils auszurichten (Wriedt
2013:184)“.

1521 zieht Luther in seinem Traktat Vom Missbrauch der Messe einen topologischen Vergleich
zwischen Wittenberg und Jerusalem. Auf diese Aussage gründeten nachfolgende Theologen bis
ca.1820 eine eigene Wittenbergische Zionstradition (Ligniez 2012:43), die dazu führte, dass ab 1697
die Prediger Wittenbergs Wittenberg mit Jerusalem verglichen und den Anspruch erhoben, die neue
Stadt Gottes zu sein (:274).

Die Konversion August des Starken 1697 zum Katholizismus (Brockhaus 2002:114), das Aufkommen
aufklärerischer Strömungen (Ligniez 2012:276) und die Zerstörung der Stadt führten zu einer
Änderung in der Deutung Wittenbergs. Für das 19. Jahrhundert stellt Ligniez fest, „dass […] die
Konstruktion der spezifisch wittenbergischen Heilsgeschichte in den Hintergrund… getreten,
gleichwohl aber nicht obsolet geworden war (:277)“.

Doch nicht nur Wittenberg erhob den Anspruch das neue Zion zu sein. Der Stadt Dresden wurde 1617
von Hoë von Hoënegg bescheinigt Gottes Gezelt zu sein und bei der Grundsteinlegung der
Frauenkirche wurde in Anlehnung an Jes 28,16: „Siehe ich lege einen Grundstein in Zion“ Zion in

16
Christus ist geistig auf dem Zion geboren, Übersetzung H.Kling
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Dresden verortet (:278). Eine so ausgeprägte Uminterpretation von Zion wie sie in der frühen Neuzeit
in Wittenberg stattgefunden hat, „wird vermutlich an anderen Orten gleichwohl nicht nachzuweisen
sein (:279)“.

2.4 Matthäus 21,1-11

In den Gesangbüchern ist in der Regel Sach 9,9 als Referenztext zum Lied Tochter Zion angegeben.
Der folgenden Exegese liegt jedoch Mt 21,1-11 zu Grunde, da der Evangeliumstext mit dem Liedtext,
insbesondere unter Berücksichtigung der dritten Strophe, große Übereinstimmung aufweist. Ferner
verzeichnet die Gottesdienstordnung der Evangelisch-lutherischen Kirchen diesen Text als Lesung für
den ersten Adventssonntag.

2.4.1 Einleitungsfragen

Gattung und Art

Im römisch-hellenistischen Umfeld des Neuen Testamentes wurde der Begriff euangelion sowohl im
profanen als auch religiösen Kontext genutzt. Die Bedeutung wird mit gute Botschaft, Botenlohn oder
auch Siegesbotschaft beschrieben. Religiöse Bedeutung hatte der Begriff während des Kaiserkultes in
Bezug auf den Kaiser. Geburt, Thronbesteigung oder Erlasse desselben wurden als euangelion
betrachtet (Lexikon zur Bibel 2013. Evangelium). In der Frühzeit des Christentums wurde Evangelium
allgemein als „missionarische Verkündigung und Predigt (Gnilka 1988:526)“ verstanden.

Verfasser

Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde der Apostel Matthäus als der Verfasser des
gleichnamigen Evangeliums angenommen (Schnelle 2011:186). Erst mit Beginn der historisch-
kritischen Exegese wurde die Verfasserschaft in Frage gestellt. Die weitgehende Übereinstimmung der
drei ersten Evangelien ließ ab der Mitte des 18. Jahrhunderts unterschiedliche Hypothesen entstehen,
die belegen sollten, dass die Evangelien aus einem Ursprungsevangelium entstanden seien, „das
Resultat eines vielschichtigen Sammlungs- und Gestaltungsprozesses (:188)“ oder literarisch
voneinander abhängig seien (:189). 1838 veröffentlichte Christian Hermann Weisse eine Arbeit über
die Zwei-Quellen-Theorie. Diese wurde in den folgenden Jahren weiterentwickelt und ist heute weit
verbreitete Lehrmeinung.17

17
Laut der Zwei-Quellen-Theorie sind die Übereinstimmungen, die in Matthäus, Markus und Lukas zu finden
sind, auf Markus zurückzuführen. Übereinstimmungen in Matthäus und Lukas entstammen einer Quelle „Q“, die
„verlorenging, aber aus beiden Evangelien noch rekonstruiert werden kann (Schnelle 2011:190)“. Textbelege,
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Fazit der Zwei-Quellen-Theorie bezüglich des Matthäus-Evangelium: der Verfasser ist nicht der
Jünger Matthäus. Es wird davon ausgegangen, dass der Jünger eine wichtige Funktion innerhalb der
christlichen Entstehungsgemeinde innegehabt hatte und sich der Schreiber des Evangeliums auf
dessen Augenzeugenschaft beruft (:262).

Die Zwei-Quellen-Theorie ist in sich schlüssig, allerdings ist eine Falsifizierung der altkirchlichen
Überlieferung, dass der Jünger Matthäus der Verfasser des gleichnamigen Evangeliums sei, nicht
möglich (Weissenborn 2012:95). Im Rahmen dieser Arbeit wird sich auf die altkirchlichen, teilweise
schriftlich bezeugten Überlieferungen bezogen und somit von der Verfasserschaft des Jüngers
Matthäus ausgegangen.

Im Markus-Evangelium ist bezeugt, dass Matthäus vor seiner Berufung durch Jesus Zöllner in
Kapernaum war (Mk 2,1.14). Diese Tätigkeit brachte es mit sich, dass er sowohl Hebräisch als auch
Griechisch sprechen sowie lesen und schreiben konnte (Weissenborn 2012:98). Weitere Angaben über
Matthäus sind nicht bekannt.

Empfänger

Matthäus hat die Reden des Herrn in aramäischer Sprache aufgezeichnet, „übersetzt aber hatte sie
jeder so gut er konnte (Eusebius zitiert nach Rienecker 1953:24)“. Für das gesamte Evangelium ist
festzustellen, dass es in griechischer Sprache geschrieben wurde. Daraus schließt Gnilka, dass die
Empfänger des Evangeliums die aramäische Sprache nicht verstanden und verortet den Entstehungsort
sowie die Empfänger außerhalb des hebräischen Sprachraums (Gnilka 1988: 513).

Der Bezug zur Thora und den jüdischen Traditionen im Evangelium weisen auf eine judenchristliche
Gemeinschaft als Empfänger hin:

 Mit den Worten damit erfüllt würde, was gesagt ist18 verweist Matthäus häufig auf die Schriften
des Alten Testaments.
 Die Antithesen der Bergpredigt als eine Auseinandersetzung mit dem Gesetz sind nur bei
Matthäus zu finden (Gnilka 1988:513).
 Im Gegensatz zu dem Evangelisten Markus erläutert Matthäus jüdische Gewohnheiten wie z.B.
Reinheitsübungen (Mt 23,24) oder Beerdigungsriten (Mt 23,27) nicht.

die nur bei Matthäus oder Lukas vorhanden sind, entstammen einem mündlich überlieferten Sondergut (:197).
Nach der klassischen Zwei-Quellen-Theorie fällt jedoch auf, dass 1) es im Markus-Evangelium Sondergut gibt
und 2) es in Matthäus und Lukas Übereinstimmungen gegen Markus gibt. Dies wird durch die Annahme gelöst,
Matthäus und Lukas hätten nicht den kanonischen Markus als Grundlage gehabt, sondern eine überarbeitete
Fassung (Deuteromarkus), entweder „eine neue Evangelienausgabe oder eine redaktionelle Schicht (:194)“.
18
vgl. Mt 1,22; 2,23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,35; 21,4
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Auch die für diese Arbeit zu exegierende Perikope enthält Zitate und symbolische Handlungen, deren
Bedeutung nur für Juden ohne weitere Erklärungen zu verstehen waren.

Historischer Kontext

Das jüdische Volk baute seine Identität auf die Geschichte Gottes mit ihrem Volk. Die Geschichte
beinhaltete unter anderem eine hohe Messiaserwartung. Innerhalb der verschiedenen jüdischen
Gruppierungen wurde die Messiaserwartung konträr interpretiert, sodass es „einen tiefen Riss im
jüdischen Volk (Bendorf 2014:15)“ gab. Das verbindende Element war die „Hoffnung auf das
Kommen eines Königs der Israel befreien würde (:15)“. Es war die Hoffnung auf den Anbruch des
Reiches Gottes. Das erwartete Reich Gottes beinhaltete drei Elemente:

 Die Rückkehr aus dem Exil: Das Volk war 537 v.Chr. aus der babylonischen Gefangenschaft nach
Israel zurückgekehrt, dennoch sorgte das Leben unter ständiger Fremdherrschaft, von den Persern
über die Griechen und Seleukiden zu den Römern, dafür, dass sie sich nach wie vor wie im Exil
fühlten.
 Der Sieg über das Böse: Lk 1,71.74 zeigen die Sehnsucht nach der Rettung vor allen Feinden.
Doch schon Jesaja macht deutlich, dass „mit der äußeren Befreiung … die Klärung der
Schuldfrage einhergehen muss (:20)“.
 Die Rückkehr Jahwes nach Zion: Nachdem der erste Tempel fertig gestellt war, wurde dieser von
der Herrlichkeit des Herrn erfüllt (1. Kön 8,10f). Eine vergleichbare Aussage über den zweiten
Tempel ist in der nachexilischen Literatur nicht zu finden. Daher hoffte Israel darauf, dass die
Herrlichkeit Gottes endgültig zurückkehren würde (Wright 2011:342).

Neben den biblischen Berichten bezeugen zahlreiche außerbiblische Texte, z.B. Psalmen Salomons,
Segenssprüche aus Qumran, Flavius Josephus, die Hoffnung und Erwartung an den kommenden
Messias (Bendorf 2014:16ff.).

Die geschilderte Messiaserwartung prägte das jüdische Volk zur Zeit des Neuen Testament
maßgeblich, wie auch das Verhalten der Menschenmenge aus der zu exegesierenden Perikope deutlich
macht.

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2.4.2 Exegese

Einzug in Jerusalem
1 Und als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage kamen, an den Ölberg, da sandte Jesus zwei
Jünger
2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das euch gegenüberliegt; und sogleich werdet ihr eine
Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und führt sie zu mir!
3 Und wenn jemand etwas zu euch sagt, so sollt ihr sprechen: Der Herr braucht sie, und sogleich wird er
sie senden.
4 Dies aber ist geschehen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht:
5 "Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, und
zwar auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers."
6 Als aber die Jünger hingegangen waren und getan hatten, wie Jesus ihnen aufgetragen,
7 brachten sie die Eselin und das Fohlen und legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
8 Und eine sehr große Volksmenge breitete ihre Kleider aus auf den Weg, andere aber hieben Zweige
von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9 Die Volksmengen aber, die vor ihm hergingen und nachfolgten, riefen und sprachen: Hosanna dem
Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!
10 Und als er in Jerusalem einzog, kam die ganze Stadt in Bewegung und sprach: Wer ist dieser?
11 Die Volksmengen aber sagten: Dieser ist Jesus, der Prophet, der von Nazareth in Galiläa.

1 Und als sie sich Jerusalem näherten und nach Betfage kamen, an den Ölberg, da sandte Jesus zwei
Jünger:
Von Jericho aus zieht Jesus mit seinen Jüngern über den Ölberg, der nach Sach 14,4 der Ort ist, an
dem sich der Messias am Ende der Zeiten zeigen wird, zum Passahfest nach Jerusalem. Nach
rabbinischer Überlieferung gehörte Betfage zum Stadtbezirk Jerusalem, etwa einen Kilometer vom
Stadtzentrum entfernt (Luz 1997:180). Walter Klaiber deutet den Ritt Jesu über diese kurze Distanz
als eine geplante, symbolische Aktion (Klaiber 2015:93).

2 und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf, das euch gegenüberliegt; und sogleich werdet ihr eine
Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und führt sie zu mir!
Jesus schickt zwei Jünger los, die ihm eine angebundene Eselin mit ihrem Jungen holen sollen. Über
die Erfüllungszitate der Perikope hinaus, findet sich in dem Bild der angebundenen Eselin ein weiterer
Rückgriff auf das AT. Der Segen Jakobs über seinen Sohn Juda: „Nicht weicht das Zepter von Juda
noch der Herrscherstab zwischen seinen Füßen weg, bis dass der Schilo kommt, dem gehört der
Gehorsam der Völker. An den Weinstock bindet er sein Eselsfüllen, an die Edelrebe das Junge seiner
Eselin (Gen 49,10f.)“ hat mit seinem Verweis auf den Herrscher über alle Völker messianischen
Charakter (Gnilka 1988:200).

Der Esel als Reittier Jesu wird unterschiedlich gedeutet. Gnilka und Klaiber sehen in dem Esel einen
Hinweis auf den Hoheitsanspruch Jesu, da im Kontext des AT Esel als Reittiere für Vornehme19 bzw.

19
Gnilka 1988:201
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Könige20 galten. Ina Willi-Plein sieht darin eher die demütige Gesinnung Jesu ausgedrückt. Sie merkt
an, dass Esel als Alltagsreittiere galten, Könige nutzten Maulesel als Reittiere (Willi-Plein 2007:163).

3 Und wenn jemand etwas zu euch sagt, so sollt ihr sprechen: Der Herr braucht sie, und sogleich wird
er sie senden.
Joachim Gnilka stellt heraus, dass der Besitzer „förmlich nichts anders [tun kann], als diesem Kyrios
zu gehorchen (Gnilka 1988:201)“.

4 Dies aber ist geschehen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht
Die Wendung „damit erfüllt würde“ aus Vers 4 verdeutlicht das Motiv für das Geschehen (Maier
1996:150). Gott ist der souverän Handelnde dieser Geschichte (Rienecker 2005:372). Jesu Handeln
war schriftgemäß und Matthäus betrachtete „den ganzen Weg Jesu als ein ‚Erfülltwerden’ des AT
(Maier 1996:150)“.

5 "Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend,
und zwar auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers."
Das vorliegende Reflexionszitat ist ein Mischzitat aus Jes 62,11: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein
Heil kommt.“ und Sach 9,9: „Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König
kommt zu dir“. Gnilka vermutet, dass der Verkündigung aus Jes 62,11: „Saget der Tochter Zion.“ eine
höhere Bedeutung zugemessen wurde als die Aufforderung aus Sach 9,9 sich zu freuen (Gnilka
1988:202).

Odil Hannes Steck interpretiert Jes 62, 10-12 als drei Aufrufe, die das Gottesvolk auf die
Heilsvollendung hinweisen (Steck 1991:153). Der dritte Aufruf, Jes 62,11, richtet sich an den Zielort
des Heils: Zion. Zion erlangt seine Vollendung durch die Ankunft JHWHs, der dort mit seinem Volk
sein wird (:153). Der Aufruf gilt jedoch nicht nur dem alttestamentlichen Gottesvolk, der gesamte
Vers 11 lautet: „Siehe, der Herr lässt es hören bis ans Ende der Erde hin: Sagt der Tochter Zion: Siehe,
dein Heil kommt. Siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Belohnung geht vor ihm her“. Indirekt
schwingt so bei dem matthäischen Zitat die universale Bedeutung der Aussage und des Geschehens
mit.

Sach 9,9 erscheint wie ein Heroldsruf, der das Kommen und die Einwohnung Gottes auf dem Zion
ankündigt (Willi-Plein 2007:162). JHWH wird in dem Text nicht namentlich erwähnt, die
Gleichsetzung Gottes mit dem angekündigten König ist inhaltlich zu begründen. Paul L. Reditt
differenziert in seinem Kommentar. In den Versen 6b-8 sowie in Vers 10 ist Gott als Sprecher zu
identifizieren, sodass Reditt dies auch für Vers 9 annimmt. Dann ist der angekündigte König jedoch
nicht Gott selbst, sondern ein von Gott gesandter Mann des Friedens, der davon profitiert, „dass Gott

20
Klaiber 2015:93
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für das neue Königreich kämpft (Reditt 2014:46)“. Die durch die unterschiedliche Interpretation
aufgetretene Spannung kann aufgehoben werden, wenn das Konzept der Trinität auf diesen Vers
angewandt wird.

Den beschriebenen König zeichnen die Adjektive gerecht, beholfen und arm aus. Ina Willi-Plein
merkt an, dass ‚beholfen‘ nicht im Sinne des deutschen ‚hilfsbedürftig sein‘ verstanden werden kann
(Willi-Plein 2007:162). Die deutschen Bibelübersetzungen geben das Wort mit siegreich (Elb), Helfer
(Luth) oder Retter (Schl) wieder. Im Zusammenschluss charakterisieren die zwei ersten Adjektive den
König als „gerecht und an ihm wird rettendes und helfendes Handeln erfahrbar (:162)“. Die
Beschreibung arm kennzeichnet „entweder eine niedrige soziale Stellung oder eine demütige
Gesinnung (:163)“.

Matthäus verkürzt in seinem Zitat die Beschreibung des Königs aufΰςLuz zitiert Barth, der
dieses Adjektiv als „[B]eherrschend im Mittelpunkt (Luz 1997:181)“ stehend nennt. Auch Gnilka
erkennt darin das Ansinnen die Milde des Königs hervorzuheben (Gnilka 1988:202). Die
Sanftmütigkeit, Freundlichkeit und Demut proklamieren Jesus als einen alternativen König zu den
Herrschern dieser Welt (Klaiber 2015:94). Schon in Mt 11,29 hat sich Jesus als „sanftmütig und von
Herzen demütig“ vorgestellt. Einen indirekten paränetischen Aspekt erhält der Vers im Rückgriff auf
Mt 5,5, dort nennt Jesus diejenigen glückselig, die sanftmütig sind (Luz 1997:180).

6 Als aber die Jünger hingegangen waren und getan hatten, wie Jesus ihnen aufgetragen, 7 brachten
sie die Eselin und das Fohlen, und legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
Die Erwähnung aus dem Markus-Evangelium, dass die Jünger alles vorfanden, wie Jesus es ihnen
vorhergesagt hatte, taucht bei Matthäus nicht auf. Für Matthäus steht der Gehorsam der Jünger im
Vordergrund, sodass er sich in seinem Bericht darauf beschränkt. Das Ausbreiten der Kleider auf die
Tiere ist Zeichen der Königshuldigung (vgl. 2 Kö 9,13).

Fraglich ist worauf sich Jesus setzte. Gerhard Maier geht davon aus, dass Jesus sich „natürlich (Maier
1996: 152)“ auf das Füllen setzte und die Eselin als Reserve mit nach Jerusalem ging. Gnilka hingegen
ist der Ansicht, dass Jesus sich auf die Eselin setzte und das Füllen als Fußstütze nutzte, denn für
Matthäus stehe die wörtliche Erfüllung der Prophezeiung aus Sacharja im Vordergrund, „in dessen
Interpretation er den Parallelismus (bewußt?) missverstand (Gnilka 1988:203)“. Luz hält dagegen,
dass ein solcher Ritt nur schwer vorstellbar sei (Luz 1997:182).

Basierend auf der Auslegung von Justin und Origenes wurde bis zur Reformation die geistliche
Interpretation dieser Stelle gelehrt, wonach die Eselin als „die an die Sünden gebundene Synagoge
(:182)“ sei und das Füllen, die Heiden auf die sich der Logos setzte. Luz führt weiter aus

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Die Einzugsgeschichte schildert also den Weg der heidnischen Menschen aus der Welt
(=Jerusalem) in die Kirche (=Ölberg) und von dort ins himmlische Jerusalem. ... Die Eselin,
d.h. die Synagoge, trottet hinter ihrem Jungen her; sie wird auch ins himmlische Jerusalem
gelangen, aber erst nach den Heiden (:182)

Mit dem Aufkommen des Humanismus und dem Beginn der Reformation wandten sich die Ausleger
wieder einer wörtlichen Deutung zu. Dabei sind unterschiedliche Interpretationsmodelle im Gespräch:
1) Jesus setzte sich zunächst auf die Eselin und dann auf das Füllen 2) es handelt sich um einen
Parallelismus membrorum21 (:182).

Der masoretische Text des Ursprungstextes Sach 9,9 nutzt den Parallelismus membrorum, um zu
verdeutlichen, dass es tatsächlich ein reinrassiger Esel ist (Willi-Plein 2007:163). Der Annahme
folgend, dass Matthäus Jude und mit der hebräischen Literatur vertraut war, erscheint mir die Deutung
der matthäischen Stelle als Parallelismus membrorum naheliegend.

8 Und eine sehr große Volksmenge breitete ihre Kleider aus auf den Weg, andere aber hieben Zweige
von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
Von Jericho aus war Jesus eine Volksmenge gefolgt, die nun wieder erwähnt wird. Bei der sehr großen
Menge handelt es sich um Festpilger, nicht um Bewohner Jerusalems (Gnilka 1988: 203). Ebenso wie
ausgebreitete Kleider auf dem Weg sind die abgerissenen Zweige Zeichen der Königshuldigung (vgl.
1 Makk 13,51; www.bibleserver.de). Die folgende Akklamation unterstreicht den Jubel-Charakter der
Szene, die an Triumphzüge weltlicher Herrscher erinnert (Luz 1977:183).

9 Die Volksmengen aber, die vor ihm hergingen und nachfolgten, riefen und sprachen: Hosanna dem
Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!
Das Hosanna des Begrüßungsrufs entstammt Psalm 118,25a, der zur jüdischen Liturgie des
Laubhüttenfestes gehört. Die wörtliche, klagende Bedeutung ‚Herr, hilf‘ hat sich in einen Heilruf
gewandelt. Rienecker sieht das darin begründet, dass mit der Bitte um Hilfe schon die Gewissheit
darum verbunden war (Rienecker 2005: 374). Der Jubel gilt „dem Sohn Davids“. Dieser Christus-Titel
findet sich bei Matthäus vorwiegend im Zusammenhang mit Heilungen Jesu (Klaiber 2015:299) und
kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass es sich bei Jesus nicht um einen politischen König,
sondern um den Kranke heilenden Messias handelt (:94).

Das folgende „Gepriesen sei, der da kommt!“ entstammt Ps 118,26a und galt in der jüdischen
Tradition den Festpilgern, die durch das Tempeltor kamen. Doch ist die Wendung ‚der kommt‘ mit
Rückgriff auf Mal 3,1: „Siehe, ich sende meinen Boten, damit er den Weg vor mir her bereite. Und

21
Parallelismus (membrorum): Stilmittel der semitischen Poesie; zwei aufeinander folgende Zeilen drücken
einen Gedanken mit unterschiedlichen Worten oder Bildern aus. Gemeinsam ergeben sie eine Aussage. Im
vorliegenden Parallelismus handelt es sich um einen synonymen: die zweite Zeile wiederholt die Aussage der
ersten in abgewandelter Form (Egelkraut 2012:1235).
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plötzlich kommt zu seinem Tempel der Herr“ auch ein Verweis auf den erwarteten Messias (Maier
1996:154). Im Namen des Herrn zeigt an, dass dieser Kommende im Auftrag JHWHs kommt. Ein
weiteres Hosanna schließt den Begrüßungsruf ab.

10 Und als er in Jerusalem einzog, kam die ganze Stadt in Bewegung und sprach: Wer ist dieser?
Im Gegensatz zur Schilderung Johannes‘ kommen die Bewohner Jerusalems bei Matthäus dem
Pilgerzug nicht entgegen. Doch die Ankunft Jesu blieb nicht unbemerkt, die Stadt geriet in Aufregung.
Es ist jedoch keine freudige Erregung, vielmehr wird hier eine „Erschütterung durch Furcht (vgl 28,4)
(Luz 1997:184)“ beschrieben. Die Menschen in Jerusalem kennen Jesus offensichtlich nicht und
fragen die Ankommenden nach seiner Identität.

11 Die Volksmengen aber sagten: Dieser ist Jesus, der Prophet, der von Nazareth in Galiläa.
Die Antwort der Volksscharen ist nicht so eindeutig wie es zunächst erscheint. In der Parallelstelle des
Johannesevangeliums heißt es, dass die Jünger die Bedeutung noch nicht verstanden (Joh 12,16). Auch
Matthäus lässt offen, ob die Antwortenden den endzeitlichen Propheten aus Dtn 18,15 oder einen
gewöhnlichen Propheten, wie z.B. Mt 14,5 beschreibt, meinten (Luz 1997:184). Noch haben sie
„keine vollgültige Erkenntnis..., wer Jesus wirklich ist, aber sie sagen etwas Positives (:184)“.

2.4.3 Fazit der Exegese

Dieser Bericht erscheint zunächst lediglich als eine Erzählung wie Jesus von Nazareth zum Passafest
nach Jerusalem einzieht. Es ist jedoch mehr als nur ein Tatsachenbericht. Matthäus weist explizit in
Vers 4 daraufhin, dass hier Gottes heilendes Handeln mit der Erde und den Menschen ein Stück
Erfüllung findet. Das eingefügte Zitat in Vers 5: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu
dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, und zwar auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers."
aus Sach 9,9 und Jes 62,11 bestätigt und verstärkt die Aussage aus Vers 4.

Der Ritt Jesu auf dem Esel, über eine kurze Distanz als symbolische Aktion zu werten, sowie die
Huldigung Jesu als König durch die Menschenmenge unterstreichen die Bedeutsamkeit der Situation,
derer sich alle Anwesenden bewusst waren. Es wird deutlich, dass in dem Menschen Jesus von
Nazareth JHWH selbst nach Jerusalem zum Zion reitet.

2.5 Literarische und theologische Betrachtung des Liedes

Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die Interpretation des Termini Zion und Tochter Zion
erfolgt ist, Martin Luthers Umdeutung von Zion auf die Kirche betrachtet sowie der dem Lied
entsprechende Evangeliumstext untersucht wurde, folgt nun die Textbetrachtung.

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2.5.1 Literarische Betrachtung

1. Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!


Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt, der Friedefürst.
Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

2. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!


Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!
Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

3. Sieh! er kömmt demüthiglich


Reitet auf dem Eselein,
Tochter Zion freue dich!
Hol ihn jubelnd zu dir ein.

4. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!


Ewig steht dein Friedensthron, du des ewgen Vaters Kind.
Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!
(Evangelisches Gesangbuch 1994:Lied 13; 3.Strophe
Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch 2002:[5]18)

Lediglich die ehemals dritte Strophe des Liedes ist korrekt gereimt. Doch das Lied ist nicht „auf die
Bindekraft des Reims …angewiesen (Parent 2002:[5]18)“. Es erhält seine Aussagekraft durch die
enthaltenen biblischen Gruß- und Verheißungssätze.

Den vier Strophen des Originals liegt eine parallele Grundstruktur zugrunde. Die ersten zwei Strophen
bilden ein Paar, ebenso wie Strophe drei und vier. In Strophe eins und drei wird Tochter Zion
aufgefordert sich zu freuen, die Strophen zwei und vier schildern mit dem Jubelruf die Antwort darauf.
Durch den Wegfall der dritten Strophe ist diese Grundstruktur jedoch aufgehoben (:18).

Aufforderung zur Freude Jubelruf als Antwort


Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem! Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
Sieh, dein König kommt zu dir, Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!
ja, er kommt, der Friedefürst. Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!
Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Sieh! er kömmt demüthiglich Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!
Reitet auf dem Eselein, Ewig steht dein Friedensthron,
Tochter Zion freue dich! du des ewgen Vaters Kind.
Hol ihn jubelnd zu dir ein. Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Abb. 3: Grundstruktur „Tochter Zion“

Das Lied fällt auf durch kurze Strophen und kurze Sätze. Die Sprache ist insgesamt eher einfach, sie
„verzichtet auf grammatische und logische Zusammenhänge … dafür liegt Schmelz und Wohllaut

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(Rößler 1981:34)“ darin. Wie unter 1.2.2 dargelegt, ist Tochter Zion dem Geistlichen Volkslied
zuzurechnen. Das Geistliche Volkslied gewann im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die Zeit der
Aufklärung an Bedeutung. Es ist geprägt einerseits durch die „starken Individualisierungstendenzen
der Aufklärungstheologie (Parents 2002[5]:18)“ und andererseits durch die Betonung des Gefühls. In
Tochter Zion liegt die Betonung auf Gefühlsausdrücken der Freude. Das Thema der Buße, wie es in
mittelalterlichen Adventsliedern gängig war, wird nicht erwähnt (:[5]19).

Sprachliche Kennzeichen des Geistlichen Volksliedes sind die Wiederholung von Worten, Kehrverse
und gleichgebaute Strophen (:34). In Tochter Zion wird das Wort kommt mit Ausnahme der zweiten
Strophe in allen Strophen genutzt. Die Wendungen Tochter Zion und freue dich sind in Strophe eins
und drei zu finden. Hosianna sowie Davids Sohn werden in Strophe zwei und vier genannt. Jede
Strophe setzt sich aus sechs siebensilbigen Zeilen zusammen.

(1) Toch-ter Zi-on, freu-e dich, sieben Silben


(2) jauch-ze laut, Je-ru-sa-lem! sieben Silben
(3) Sieh, dein Kö-nig kommt zu dir sieben Silben
(4) ja, er kommt, der Frie-de-fürst! sieben Silben
(5) Toch-ter Zi-on, freu-e dich, sieben Silben
(6) jauch-ze laut, Je-ru-sa-lem! sieben Silben

Abb.4:Beispiel Strophe 1: sechs Zeilen; sieben Silben

Sowohl die Wortwiederholungen als auch der gleichmäßige Strophenaufbau werden als Stilmittel
genutzt und „fördern die Eingängigkeit (Parents 2002:[5]20)“.

Der Liedtext ist durchgängig im trochäischen Versmaß geschrieben – auf eine Hebung (/) folgt eine
Senkung (x). Am Ende jeder Zeile wird von diesem Versmaß mit einem klingenden Ausklang
abgewichen.

/ x / x / x x
Toch ter Zi on freu e dich
Jauch ze laut Je ru sa lem
Sieh dein Kö nig kommt zu dir
ja er kommt der Frie de fürst

Abb. 5: Beispiel Strophe 1: trochäisches Vermaß mit klingendem Ausklang

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2.5.2 Theologische Betrachtung des Liedes

In den Kapiteln 2.1 bis 2.3 sind Bedeutungsmöglichkeiten der Termini Tochter Zion sowie Zion im
biblischen Kontext und innerhalb der protestantischen Tradition untersucht worden. Auf dieser
Grundlage soll nun geklärt werden, wer die in dem Adventslied angesprochene Tochter Zion ist.
Weiterhin wird die theologische Gesamtaussage des Liedes betrachtet.

Der Betrachtung wird das in Kapitel 2.5.1 skizzierte Schema von ‚Aufforderung zur Freude‘ in
Strophe eins und drei sowie ‚Jubelruf als Antwort‘ in Strophe zwei und vier als strukturelle
Gliederung zu Grunde gelegt. Soweit nicht anders angegeben, entstammen die Bibelzitate dieses
Kapitels der revidierten Lutherbibel von 1984.

Wer ist die angesprochene Tochter Zion?

Der Liedtext lässt einen deutlichen Rückgriff auf das AT erkennen, dennoch erscheint die
Interpretation des Terminus Tochter Zion als die weibliche Person Zion unwahrscheinlich. Die
Mittlerfunktion, die Odil Hannes Steck der Frauengestalt Zion zugeschrieben hat, wird durch Jesu
Anspruch, der alleinige Weg zu Gott zu sein, hinfällig. Die andere Möglichkeit, Tochter Zion als das
jüdische Volk zu interpretieren, ist deshalb nicht anzunehmen, da ein christlicher Theologe diesen
Text geschrieben hat. Das bedeutet unter anderem, den Terminus Tochter Zion aus der engen
Betrachtungsweise der Frauengestalt zu lösen.

Der Liedtext fordert Tochter Zion auf, sich zu freuen und den König zu begrüßen. Jesu Anspruch war
nicht nur der zurückkehrende JHWH zu sein, sondern auch, dass in ihm das Reich Gottes schon
begonnen hat: „Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man's beobachten kann; man wird auch nicht
sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch (Lk
17,20f.)“. Insofern ist die Deutung Zions als Heilsort Gottes ebenso nicht anzunehmen.

Sollte der Dichter Friedrich Heinrich Ranke die topographische Größe Zion vor Augen gehabt haben,
rückt das Lied in unmittelbare Nähe der unter 2.4.2 exegesierten Verse aus Mt 21,1-11. Der Text
würde diese Geschichte nacherzählen, das Lied wäre somit ‚gesungenes Evangelium‘.

Ranke stand als lutherischer Theologe in der Tradition des Reformators. Es kann davon ausgegangen
werden, dass Ranke Luthers Auslegungen zu Psalm 2 (vgl. 2.3.1) bekannt waren, sodass eine
Übernahme dieser Interpretation auch möglich erscheint. Unter dieser Voraussetzung bekommt das
Lied prophetischen Charakter, die Ankunft des Königs ist die Parusie Christi.

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Nach diesen Vorüberlegungen sind zwei Interpretationsvarianten möglich: Zion als topographische
Größe oder als die christliche Kirche. Unter dieser Voraussetzung verändert sich die Fragestellung, die
das Lied aufwirft: Ist das Lied historisch zu verstehen oder hat das Lied prophetischen Charakter?

Der Liedtext erwähnt weder Jesus Christus noch Gott. Da das Lied jedoch im Zusammenhang von Mt
21,1-11 und unter Beachtung von Jesu Interpretation, dass in ihm JHWH auf den Zion zurückkehrt,
betrachtet wird, wird die Gleichsetzung von Jesus mit dem besungenen Friedenskönig möglich.

Aufforderung zur Freude – Tochter Zion freue dich, jauchze laut, Jerusalem!

Tochter Zion, freue dich, jauchze laut, Jerusalem!


Sieh, dein König kommt zu dir, ja, er kommt der Friedefürst.
Tochter Zion, freue dich, jauchze laut Jerusalem.

Der Text der ersten Strophe entspricht nahezu wörtlich dem ersten Teil des Verses Sach 9,9: „Du,
Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir“.
Erweitert wurde der Vers durch einen Rückgriff auf Jes 9,5: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn
ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held,
Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Für das Lied wurde nur der Ausdruck Friedefürst wörtlich übernommen.

Bei der Aufzählung der Thronnamen in Jes 9,5 fällt auf, dass die ersten drei Namen nur auf Gott
bezogen werden können, der Fürst des Friedens jedoch ein „menschlicher Funktionsname (Beuken
2003:254)“ ist. Die vorangestellten Namen Wunder-Rat, Gott-Held und Ewig-Vater illustrieren die
Bedeutung und Wirksamkeit Gottes in der Regierung des Fürsten (:254).

Die Übersetzung Friede-Fürst wird dem hebräischen Wort ‫( שלום‬shalom) aus dem Urtext nicht
gerecht. ‫ שלום‬hat „ein breites Spektrum an Bedeutungsnuancierungen (Elberfelder Studienbibel
2001:1802)“, unter anderem „Heil, Wohlergehen, Unversehrtheit (:1802)“. Der angekündigte
Friedensbringer bringt mehr als nur Waffenruhe. Er sorgt für einen umfassenden ‫ שלום‬des Einzelnen
und der Gemeinschaft.

Der gesamte Text aus Jes 9,1-5 unterstützt sowohl den Jubel, „Du weckst lauten Jubel, du machst groß
die Freude (V.2)“ als auch die Feststellung, dass der kommende König ein alternativer König zu den
bekannten Herrschern ist. In Vers 3 wird dem Volk zugesagt, dass „ihr drückendes Joch, die
Jochstange auf ihrer Schulter und der Stecken ihres Treibers zerbrochen“ wird.

Jubelruf als Antwort – Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!


Gründe nun dein ewges Reich, Hosianna in der Höh!
Hosianna, Davids Sohn, sei gesegnet deinem Volk!

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Die in Strophe eins Angesprochene antwortet auf die Aufforderung zum Jubel mit dem ehemaligen
Klageruf Hosianna aus Ps 118,25. Schon in der jüdischen Liturgie zum Laubhüttenfest wurde dieser
Klageruf zum Jubelruf umgewandelt. Die ursprüngliche Bedeutung: „Ach Herr, hilf doch!“ kann im
Zusammenhang der Strophe als Erleichterung über die nahende Hilfe und Erlösung verstanden
werden.

Die Wendung sei gesegnet deinem Volk wirft die Frage auf, ob sie als ‚gesegnet für dein Volk‘ oder
als ‚gesegnet durch dein Volk‘ zu verstehen ist. Im Kontext mit dem vorangegangenen Hosianna ist
die Wendung als ‚gesegnet für das Volk‘ naheliegend. Eine freie Übertragung der ersten Zeile der
zweiten Strophe könnte sein: „Ach, Gott, hilf doch. Sorge für Rettung und Heilung, sorge für Glück in
deinem Volk!“

Die Hoffnung auf Hilfe und Rettung ist verbunden mit der Hoffnung darauf, dass der angekündigte
Friedensfürst sein Reich aufbauen wird. Laut der in Strophe 1 angeklungenen Stelle aus Jesaja 9
zeichnen „Recht und Gerechtigkeit (vgl. Jes 9,6)“ neben Frieden dieses Reich aus. Willem Beuken
sieht hier ein „neues Element gegenüber der davidischen Tradition“, denn „nur von JWHW wird in
kosmischem Kontext gesagt, dass sein Thron darauf aufgebaut ist (Beuken 2003:254)“.

Aufforderung zur Freude – Sieh! Er kömmt demüthiglich

Sieh! er kömmt demüthiglich


Reitet auf dem Eselein, Tochter Zion freue dich!
Hol ihn jubelnd zu dir ein.

Die Beschreibung des ankommenden Königs verzichtet auf die Adjektive gerecht und siegreich aus
Sach 9,9, das Zitat in Mt 21,5 dagegen stellt die Milde dessen in den Vordergrund: „Siehe, dein König
kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen, dem Jungen eines Lasttiers.“
Die Konzentration der Beschreibung auf demüthiglich im Lied unterstreicht die Vorstellung, dass der
kommende König anders ist als die bisher bekannten.

Das Wort Eselein lässt Raum für mehrere Interpretationen. Unter der Voraussetzung, dass ein Esel im
Kontext des AT als Reittier für Könige galt (vgl. 2.4.2) wird unterstrichen, dass tatsächlich ein König
kommt. Die Annahme, Esel seien Alltagsreittiere, unterstützt die demütige Haltung des Königs.

Die Verkleinerung -lein suggeriert den Ritt auf einem Jungtier. Beim Vergleich mit den biblischen
Texten fällt auf, dass nur Matthäus von einer Eselin mit Füllen berichtet. Die Parallelstellen in den
anderen Evangelien sowie die dem Zitat zugrundeliegende Stelle aus Sach 9,9 berichten von einem
Füllen (vgl. Mk 11,1-11; Lk 19,28-40; Joh 12,12-19). Markus und Lukas betonen, dass es ein Tier
war, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat (vgl. Mk 11,2; Lk 19,30). In der jüdischen Kultur war
ein ungerittenes Tier heiligen Zwecken vorbehalten (McArthur 2002:1396). Unter dieser

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Voraussetzung bekommt der Friedensfürst göttlichen Charakter. Bisher konnte ein menschlicher
König angenommen werden, der unter besonderem Schutz und Segen Gottes steht. Nun wird es
denkbar, dass der König Gott selbst ist.

Die Wendung Hol ihn jubelnd zu dir ein, wirkt wie eine Verstärkung zu der bisherigen Aufforderung
sich zu freuen. Die Angesprochene soll nicht nur am Rande stehen und sich freuen, sie soll dem
Ankommenden freudig entgegengehen. Eine Interpretation Tochter Zions als personale Größe drängt
sich an dieser Stelle auf. Endlich kommt der König, in diesem Kontext JHWH, und Tochter Zion wird
eindringlich gebeten ihn aufzunehmen.

Unter Hinzuziehung der Parallelstelle aus Lk 19 bekommt diese Aufforderung einen brisanten Aspekt.
Dort berichtet Lukas über Matthäus hinaus

Und als er [Jesus] nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch
auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist's vor deinen Augen
verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen
Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden
gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil
du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist (Lk 19,41ff.).

Jesus sieht in sich JHWH, der zum Zion und damit zu seinem Volk zurückkehrt. Doch er wurde
abgelehnt, die Folgen sah Jesus voraus. Tatsächlich ist die von ihm angekündigte Katastrophe im
jüdischen Krieg 66-70 n.Chr. eingetreten. Bei der Annahme eines prophetischen Charakters des Liedes
bekommt das Lied auf diese Weise einen indirekten paränetischen Aspekt. Zwar ist die Parusie Christi
nicht Gegenstand seiner eigenen Lehre, dennoch kann die Warnung Jesu an Jerusalem auf die
christliche Kirche übertragen werden. Den Gläubigen ist der Heilsort laut Hebr 12,22 versprochen, in
Vers 25 schließt sich eine Warnung an, die an Jesu Weinen über Jerusalem erinnert: „Seht zu, dass ihr
den nicht abweist, der da redet.“ Die christliche Kirche ist aufgefordert, dem wiederkommenden
Friedensfürsten aktiv und jubelnd zu begegnen, wie es Johannes in seinem Bericht des Einzugs Jesu in
Jerusalem von den Bewohnern der Stadt schreibt: „Darum ging ihm auch die Menge entgegen (Joh
12,18)“.

Jubelruf als Antwort – Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!


Ewig steht dein Friedensthron, du des ewgen Vaters Kind.
Hosianna, Davids Sohn, sei gegrüßet, König mild!

Der Jubelruf mit der verbundenen Bitte um Hilfe aus Strophe zwei wird wiederholt. Nun schließt sich
die explizite Begrüßung des Königs an. Es wird noch einmal betont, dass es sich um einen milden,
folglich alternativen König handelt.

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Wieder greift Ranke auf Jes 9,6 zurück. Er beschreibt den Thron des Königs als Friedensthron. Im
Vergleich zu Strophe zwei ist ein Wechsel der Zeitform zu vermerken. Dieser Wechsel kann inhaltlich
begründet oder schlicht dem Versmaß geschuldet sein. In Offb 4,8 beschreibt Johannes Jesus als den,
„der war und der ist und der kommt“. Damit wird die Darstellung der Zeit als fortlaufender Strahl
aufgelöst. Insofern ist der Wechsel der Zeitform im Rahmen der zeitlichen Dimensionen Gottes.
Innerhalb der westlichen Vorstellung eines fortlaufenden Zeitstrahls ergibt sich eine Spannung
zwischen ‚Schon jetzt‘ und ‚Noch nicht‘. ‚Schon jetzt‘ steht der Friedensthron Christi, ‚Schon jetzt‘ ist
Erlösung und Befreiung möglich, doch das ewige Reich, der neue Himmel und die neue Erde sind
‚Noch nicht‘.

Schon in Strophe zwei klingt die Dauer des Friedensreiches an, in Strophe vier betont der
Liederdichter die Ewigkeit mit dem zweimaligen Gebrauch des Adverbs. Die mehrfach in diesem Lied
erwähnte Stelle aus Jesaja 9 scheint hier wieder durch. In der prophetischen Schau greift Jesaja auf die
Weissagung Nathans zurück, nach der Gott David und seinen Nachkommen den Thron ewiglich
bestätigt (vgl. 2 Sam 7, 13.16) (vgl. Beuken 2003:254).

Neben der unbegrenzten Dauer kann das Adverb ewig noch weitere Eigenschaften beschreiben. Als
Synonyme werden unter anderen „beständig“, „konstant“, „zeitlos“, „souverän“, „umfänglich“ und
„unbegrenzt“ aufgezählt (www.woxikon.de). Werden diese Eigenschaften auf das angekündigte Reich
und den kommenden König angewandt, erweitert sich deren Bedeutungsdimension um ein Vielfaches.
Der umfängliche Friede wird ebenso betont wie die Souveränität des Ankommenden. Beständigkeit,
Konstanz und Zeitlosigkeit vermitteln Zuversicht, Gewissheit und Geborgenheit.

Nur in dieser vierten Strophe wird der angekündigte König als Vaters Kind bezeichnet, der König wird
als (Gottes) Sohn vorgestellt. Deutlich klingt die Christologie des Matthäus durch, in dessen Zentrum
die Bezeichnung Gottes Sohn stand (Klaiber 2015:300). Jesus war auf einzigartige Weise mit Gott
verbunden und hat „den Menschen dessen Wesen und Willen offenbart (:301)“.

2.5.3 Zusammenfassung der Textbetrachtung

Das Lied wurde unter der Fragestellung, wer mit Tochter Zion angesprochen sei, betrachtet. Die
alttestamentlichen Interpretationen als weibliche Person sowie als das jüdische Volk wurden schon zu
Beginn ausgeschlossen. Die weiteren Interpretationsmöglichkeiten ergaben die Fragestellung, ob das
Lied historisch oder eschatologisch zu verstehen sei.

Beide Alternativen sind nach der theologischen Betrachtung weiterhin denkbar. Der Text weist
deutliche Parallelen zu den neutestamentlichen Berichten von Jesu Einzug nach Jerusalem auf. Die
Annahme, das Lied sei eine historische Erzählung, gesungenes Evangelium, wird unterstützt durch die

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ursprüngliche Überschrift des ersten Drucks „Am Palmsonntage“ (Parents 2002:[5]18). Der
angekündigte König des Liedes kann jedoch auch durch alle vier Strophen auf den wiederkommenden
Christus gedeutet werden. Die Eingliederung unter der Rubrik „Advent“ im Evangelischen
Gesangbuch bestätigt diesen Gedankengang.

Der Text fällt auf durch Jubelcharakter, der in Strophe eins und drei eingefordert wird. Grund für den
Jubel ist die Ankunft eines Königs, der umfassenden Frieden mit sich bringt. Dieser König wird als
mild und sanftmütig beschrieben – Eigenschaften, die nicht zwangsläufig mit einem König in
Verbindung gebracht werden.

Das Hosianna aus den Strophen zwei und vier hört sich zunächst wie ein Jubelruf an, in der
ursprünglichen Bedeutung ist es die Bitte um Hilfe, die in der zweiten Strophe verstärkt wird durch die
Bitte, dass der Kommende ein Segen für sein Volk sein möge. In Strophe vier ist eine Fortentwicklung
zu Strophe zwei zu erkennen: stand in Strophe zwei noch die Bitte um Hilfe im Vordergrund, so wird
der König in Strophe vier nun begrüßt. In Strophe zwei wird der König gebeten sein Reich zu bauen,
in Strophe vier steht der Friedensthron schon.

Die dritte Strophe fordert nicht nur zum Jubel auf, vielmehr wird die Angesprochene gebeten, aktiv
auf den König zuzugehen und ihn zu sich zu holen. Die Tatsache, dass der angekündigte König auf
einem Eselein kommt, weist seine Göttlichkeit aus. Das korrespondiert wiederum mit Jesu Anspruch,
der auf den Zion zurückkehrende JHWH zu sein.

Insgesamt lässt sich für das Lied feststellen, dass der Text sowohl „ganz im Bereich der
alttestamentlichen Verheißungen (Parents 2002:[5]18)“ als auch nah an der Erzählung des
Matthäusevangeliums ist. Mit der ursprünglich dritten Strophe erhält das Lied meiner Einschätzung
nach einen deutlich höheren Erzählcharakter, sodass die Zuschreibung „Am Palmsonntage“ zutreffend
erscheint.

Durch die Weglassung ergibt sich jedoch ein etwas anderes Bild. Dann stehen die Bitte um das ewige
Friedensreich und die Verheißung dessen im Vordergrund. Da der Text auf Jesus Christus gedeutet
wird, ist dann davon auszugehen, dass die Parusie Christi besungen wird. Ulrich Parents lässt dies zu
dem Schluss gelangen: „Rankes Lied ist, genau gelesen, doch mit größerem Recht ein Adventslied als
ein Palmsonntagslied – ein Adventslied allerdings, mit dem der Dichter schon in die Ewigkeit
hinausschaut, die der Kommende verbürgt (:[5]18)“.

2.6. Fazit der theologischen und literarischen Analyse

Zion war zunächst die Ortsangabe einer Stadt, die König David erobert und zu seiner politischen
Metropole gemacht hatte. Religiösen Charakter erhielt die Stadt, nachdem er die Bundeslade in die
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Stadt holte. Der Bau des Tempels durch Davids Sohn Salomo manifestierte die religiöse Bedeutung
Zions. In der prophetischen Literatur ist mitunter eine synonyme Verwendung der Namen Jerusalem
und Zion festzustellen, während die Psalmen die Termini nahezu durchgängig unterscheiden.
Jerusalem hat hier nationalen Charakter, während Zion universale Bedeutung zugeschrieben wird.
Dem Zion gilt laut den Psalmen JHWHs uneingeschränkte und einzigartige Liebe.

Die Psalmen sind maßgeblich an der Entstehung einer Zionstheologie beteiligt, die sich in der Präsenz
JHWHs begründet. Zion ist der Nabel der Welt, die Beter und Pilger erfahren hier Schutz und Hilfe
sowie Recht und Gerechtigkeit. Aufgrund JHWHs Präsenz ist Zion dem Ansturm der Völker
ausgesetzt, doch zeigt es sich uneinnehmbar. Im Rahmen der prophetischen Literatur ändert sich das
Motiv des Völkeransturms in die Wallfahrt der Heiden, die nun nach Zion pilgern, um JHWH
ebenfalls anzubeten. Die Überzeugung, unter dem Schutz JHWHs zu stehen, führte zu einer ethischen
Indifferenz der geistlichen Führer (Mi 3,1), die von Propheten wie Micha und Jeremia scharf kritisiert
wurde.

Mit der Erfahrung der Wegführung und der Zerstörung Jerusalems 587/586 vor Christus wurde die
JHWH-Wahrnehmung massiv erschüttert. In der Folge entstand in der exilischen und nachexilischen
Literatur das Bild der weiblichen Person Zion, die sich durch eine Beziehung sowohl zu JHWH als
auch zum jüdischen Volk auszeichnete. Das Bild der Frau Zion lässt eine Wandlung während der
Reflektion der Krise erkennen. Zunächst ist sie trauernde und verlassene Witwe, die um ihre Kinder
weint. Im nächsten Schritt wird sie Ehebrecherin und Hure genannt, die die Verantwortung trägt für
ihre Verlassenheit, denn sie war JWHW untreu. Doch JHWH ist gnädig und rehabilitiert sie. Noch
einmal wandelt sich das Bild. Die Frau Zion wird nun zur Braut, Königin und Freudenbotin, die dem
Volk verkünden darf, dass JHWH zum Zion zurückkehrt.

Die personale Gestalt steht wie ein Mittler zwischen JHWH und den Menschen. Daher wird das Bild
der personalen Größe Zions im NT nicht aufgenommen oder weitergeführt. Zweimal wird im NT der
Terminus Tochter Zion genannt, als Zitate des AT werden sie von Jesus selbst gebraucht. Im Kontext
der Perikopen kann der Terminus als poetisches Stilmittel betrachtet werden. Für das NT ist
durchgängig die Beschreibung Zions als Heilsort festzustellen, allerdings ohne eine geographische
Manifestation.

Im Rahmen seiner Reich-Gottes-Lehre hat Jesus Motive der Zionstheologie aufgenommen und
uminterpretiert. Jesus nahm für sich in Anspruch, der nach Zion zurückkehrende JHWH zu sein, und
warnte Israel mit dem Gleichnis von den anvertrauten Pfunden vor dem Gericht Gottes, sollten sie ihn
ablehnen. So kam Jesus als Retter und gleichzeitig Richter nach Israel, wie es in Mal 3 prophezeit
wurde. Neben dem Motiv von JHWHs Präsenz auf dem Zion und der Gerechtigkeit ist im NT auch das
Motiv der Völkerwallfahrt zu finden. Jesus deutet es jedoch umgekehrt zu dem tradierten Verständnis,

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er sagt den Heiden zu, dass sie beim eschatologischen Gastmahl dabei sein werden, „aber die Kinder
des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis (Mt 8,12)“.

Durch Martin Luther wurde Zion auf die christliche Kirche interpretiert. Ebenso wie der Berg Zion
hoch erhoben ist, ist auch die Kirche erhöht. Luther erkennt sowohl eine Ähnlichkeit in den Aufgaben,
Fürsorge für die Menschen und Kontakt zu Gott halten, als auch in der Form. Die Erhabenheit der
Kirche liegt nach Luther in ihrer Weisheit, auch wenn die Kirche seiner Zeit nach seinem Urteil sich
nicht mehr von der Welt in ihrem Verhalten unterscheidet. Das Ideal der Kirche findet Luther in Zion
beschrieben.

Die topographische Lage Zions / Jerusalems nutzt Luther als Beispiel für die Wechselfälle des
geistlichen Lebens, das Gebirge dient ihm als Sinnbild für den Kampf zwischen Fleisch und Geist.
Christus ist der Heilsort Gottes, folglich kann Luther behaupten, dass der Geist Christi auf dem Zion
geboren wurde. Umgekehrt erhält Zion seine Heiligkeit durch Jesus.

Für die theologische Textbetrachtung des Liedes wurden die Interpretationsmöglichkeiten Zion als
topographische Größe sowie Zion als christliche Kirche in Erwägung gezogen. Die alttestamentlichen
Interpretationsmöglichkeiten wurden ausgeschlossen.

Die verbliebenen Deutungen sorgen einerseits für eine unterschiedliche Charakterisierung des Liedes
und erklären andererseits die differenten Zuordnungen des Liedes im Kirchenjahr. Bei Annahme der
topographischen Größe Zion erhält das Lied geschichtlichen Charakter und ist, wie in der
Entstehungszeit, am Palmsonntag einzuordnen. Wenn von Zion als christlicher Kirche ausgegangen
wird, entsteht ein prophetischer Liedcharakter, der die Einteilung unter der Rubrik Advent unterstützt.

Der textliche Aufbau lässt das Lied als ein Gespräch erscheinen. Strophe eins und drei fordern Tochter
Zion zur Freude und zur Begrüßung des Königs auf. Strophe zwei und vier sind der Jubelruf als
Antwort. Inhaltlich ist eine Dynamik im Gespräch zu erkennen. In Strophe eins wird Tochter Zion
aufgefordert zu jubeln, Strophe drei enthält eine Anweisung, aktiv dem König entgegen zu treten. In
Strophe zwei wird darum gebeten, dass der König sein Reich baut, in Strophe vier ist der Thron des
Königs schon Gegenwart.

Der König ist ein alternativer König, ihn zeichnen Milde und Sanftmut aus. Seine Aufgabe ist es
Frieden zu bringen. Die deutsche Übersetzung Friede-Fürst gibt nur unzureichend das ‫ שלום‬des Textes
aus Jes 9,5 wieder. Der kommende König bringt mehr als Waffenruhe, er bringt Ruhe, Heil und
Unversehrtheit.

Das Lied nennt weder Gott noch Jesus, dennoch wird der Friede-Fürst allgemein auf Jesus gedeutet.
Anhand der Lehre und des Lebens Jesu ist zu begründen, dass diese Deutung nicht willkürlich
geschehen ist.

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Friede-Fürst: Als die Engel den Hirten auf dem Feld die Geburt Jesu verkündigten, lobten sie Gott
und offenbarten die Wirkung des Neugeborenen: „Friede in den Menschen (Lk 2,14)“. Die
Lutherbibel übersetzt: „Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Die
unterschiedliche Übersetzung der Präposition weist auf das doppelte Resultat des göttlichen Friedens
hin. Der Messias verhilft den Menschen zu innerem Frieden und ermöglicht ihnen Frieden im
Miteinander. Das griechische 𝜀ί𝜌ή𝜈𝜂 meint ebenso wie das hebräische ‫„ שלום‬eine Situation
ungetrübten, ungestörten Wohlseins …Solch ein Friedenszustand ist Gegenstand der göttlichen und
rettenden Verheißung und wird durch Gottes Erbarmen herbeigeführt (Elberfelder Studienbibel
2001:1926)“.

Als Jesus seine Jünger darauf vorbereitet, dass er sterben wird, sagt er zu ihnen: „Frieden lasse ich
euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz werde nicht
bestürzt, sei auch nicht furchtsam (Joh 14,27)“. In diesem Moment wusste er, dass seine eigene nahe
Zukunft nicht friedlich im weltlichen Sinne sein würde und dass die Zukunft seiner Jünger und der
christlichen Kirche von Verfolgung, Gewalt und Auseinandersetzungen geprägt sein würde. Daher
betont er seinen Frieden, der „ein völliger Friede in der schlimmsten Bedrängnis von allen Seiten und
in der äußersten Dunkelheit der Leiden (de Boor 1973:116)“ ist, wie es seine eigene
Passionsgeschichte und das Martyrium vieler seiner Nachfolger zeigen (:116). Es gehört zum
Paradoxon des christlichen Glaubens seine Feinde zu lieben (Mt 5,44), denen Gutes zu tun, die einen
hassen (Lk 6,27) und seinen Schuldigern zu vergeben (Mt 6,12).

Demut / Milde: Weithin wird Demut als eine soziale Tugend mit dienender Grundhaltung verstanden,
doch meint Demut zunächst die „Einsicht in die Notwendigkeit und [den] Willen zum Hinnehmen der
Gegebenheiten (www.duden.de)“. Besser verständlich ist das lateinische humilitas, das das
„Aussöhnen mit unserer Erdhaftigkeit, mit unserer Erdenschwere, mit unserer Triebwelt, mit unserem
Schatten (Grün 1994:10)“ beschreibt. Ähnlich ist das griechische ταπείνος zu verstehen. Es beschreibt
die Haltung des Geschöpfes anzuerkennen, dass es nur Geschöpf, aber nicht der Schöpfer ist
(Elberfelder Studienbibel 2001:2085). Demut bezeichnet demnach „unser Verhältnis zu Gott … [u]nd
sie ist der Ort, an dem [der Mensch] dem wirklichen Gott begegnen kann (Grün 1994:10)“. Wenn
Jesus sich in Mt 11,29 als demütig vorstellt, dann bedeutet es, dass er seine völlige Abhängigkeit von
Gott anerkannte und sich selbst erniedrigte, um Mensch zu werden (vgl. Phil 2,6-8).

Ihren Ausdruck kann die demütige Haltung in sozialem Tun finden. Der Parallelstelle zu Mt 21,1-22
im Johannesevangelium folgt ein Beispiel dafür. Seit alters her ist das Bild eines Königs davon
geprägt, dass dieser über Diener verfügt. Jesus stellt das Bild auf den Kopf, indem er selbst wie ein
Diener seinen Jüngern die Füße wäscht (vgl. Joh 13,5). Seine Nachfolger lehrt er sich so zu verhalten
wie er es tut: „So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer

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Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht
gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene (Mt 20,26ff.)“.

Ewigkeit / ewiges Reich: Auch Nicht-Gläubige stellen mit dem Begriff Ewigkeit eine Verbindung zu
Gott her. Dabei steht der Gedanke an eine unbegrenzte Zeitdauer und / oder ein Leben nach dem
irdischen Tod im Vordergrund. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit und der Gegenwart ergibt
sich die Frage: was bringt die Zukunft? Es wird im Rahmen der Zeitdimensionen an das Futur
gedacht.

Vor dem Hintergrund der Beschreibung Jesu des „der kommt, der ist und der war (Offb 1,4; 8,4) ergibt
sich eine andere Sichtweise. Es geht um „Advent“, das heißt, die Zukunft kommt auf uns zu. Jesus
kommt aus der Zukunft in die Gegenwart. Er ist unterwegs. Michael Borkowski illustriert dies mit
folgendem Bild; ein Boot auf einem See sendet seine Bugwellen voraus. Ebenso sind Auswirkungen
der Ewigkeit Gottes in der Gegenwart zu erkennen22. Das besagt auch die Verheißung aus Jes 43,19:
„Siehe, ich wirke Neues! Jetzt sprosst es auf. Erkennt ihr es nicht? Ja, ich lege durch die Wüste einen
Weg, Ströme durch die Einöde“.

Zu Beginn seiner Tätigkeit sagte Jesus: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen
(Mk 1,15)“. Der scheinbare Widerspruch des Liedes, dass erst um den Bau des Reiches gebeten wird
und die vierte Strophe im Präsenz vom Friedensthron berichtet, löst sich im Rahmen Jesu Reich-
Gottes-Verkündigung auf. Im Vaterunser lehrt Jesus seine Nachfolger um das Offenbarwerden von
Gottes Heiligkeit zu bitten: „Dein Reich komme (Mt 6,10)“ (Schnelle 2014:78). Gleichzeitig lässt Jesu
Handeln erkennen, dass das Reich Gottes schon angebrochen ist. Die Dämonenaustreibungen und
Heilungen Jesu sind eine „Entmachtung des Teufels und … Zurückdrängen des Bösen (:80)“ und
offenbaren die Gegenwart Gottes.

„Ewgen Vaters Kind“: Neben einigen anderen Fakten bleibt die Geburt Jesu durch eine Jungfrau,
wie Matthäus und Lukas es bezeugen, für Nicht-Gläubige wie für Gläubige rätselhaft bis unglaublich.
Im Gegensatz zu antiken Vorstellungen von der Zeugung eines Halbgottes durch den Verkehr Gottes
mit einer Frau ist Jesus durch die schöpferische Macht des Heiligen Geistes gezeugt (Mt 1,22). Diese
theologische Aussage ist für das Erlösungsverstehen von immenser Bedeutung. Nur Gott selbst ist es
möglich, den Menschen aus seiner Verstrickung der Sünde zu erlösen. Erlösung geschieht ohne
menschliches Tun, Schaffen, Handeln.

22
Michael Borkowski, BTI-Seminar Einführung in die Offenbarung, Hannover 2014.
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Davids-Sohn: Jesus ist, wie eben dargestellt, Gottes Sohn, gleichzeitig dient das Geschlechtsregister
bei Matthäus dazu, aufzuzeigen, dass Jesus ein Nachkomme König Davids ist. Gottes Verheißung an
David erfüllt sich mit der Geburt Jesu

So verkündigt dir nun der Herr, dass der Herr dir ein Haus machen wird. Wenn deine Tage
erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern gelegt hast, dann werde ich deinen Nachkommen, der
aus deinem Leib kommt, nach dir aufstehen lassen und werde sein Königtum festigen. Der
wird meinem Namen ein Haus bauen. Und ich werde den Thron seines Königtums festigen für
ewig. Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein. (2 Sam 7,12ff.)

Jesus ist durch die Adoption Josefs direkter Nachfahre Davids: „Für antikes Denken mindert das nicht
die Legitimation Jesu durch eine Abstammung von David (auch Augustus wurde aufgrund der
Adoption durch Cäsar legitimiert) (Klaiber 2015:299)“.

Matthäus nutzt den Titel des „Davidssohn“ überwiegend, im Zusammenhang mit Heilungsberichten
(vgl. 2.4.2). Zur Zeit Jesu galt ein körperlich versehrter Jude in einigen jüdischen Kreisen als
unvollständiger Jude, d.h. zusätzlich zur Behinderung oder Krankheit war er von der Gemeinschaft des
Volkes Gottes ausgeschlossen (Wright 2013:234). Jesus heilte Menschen, die als rituell unrein galten
und, wie im Fall der Leprakranken, auch sozial geächtet waren, dies bedeutete für sie „die Gabe des
Schalom, der Vollständigkeit … [und] auch die erneuerte Mitgliedschaft im Volk JHWHs (:234)“.
Wright stellt fest: „Die Heilungen hatten daher eine exakt parallele Funktion wie das
Willkommenheißen der Sünder (:233)“.

Die Aufforderung aktiv auf Jesus zuzugehen und in das persönliche Leben aufzunehmen gilt den
Menschen und Kirchen des 21. Jahrhunderts nach wie vor. Der Gemeinde in Laodizea lässt Jesus vom
Seher Johannes ausrichten: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme
hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir (Offb 3,20)“.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Lied Tochter Zion auf biblische Verheißungen und
Berichte zurückgreift. Die theologische Kernaussage lautet „Gott ist auf dem Weg, er bringt dir Ruhe
und Zufriedenheit. Er unterstützt dich und hilft dir. Nimm ihn in dein Leben auf, dann kannst du die
Ewigkeit schon jetzt in deinem Leben erleben.“ Martin Luthers Interpretation, dass die christliche
Kirche Zion ist, folgend schlage ich vor, Tochter Zion als persönliche Ansprache für jeden Einzelnen
zu betrachten.

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3 Tochter Zion in der Gegenwart


Roland Hardmeier beschreibt in seinem Buch Geliebte Welt den Ist-Zustand der Erde in ihrer
derzeitigen politischen, ökonomischen und ökologischen Situation (Hardmeier 2012:28ff.). Die
Globalisierung nennt er einen „Todesmechanismus (:29)“, der nur Wenigen zugutekommt, jedoch für
viele Andere Ausbeutung und Verlust des Lebensraums bedeutet. Mit der Globalisierung geht der
Klimawandel einher, aufgrund dessen der WWF eine Zunahme von Dürren, Stürmen,
Überschwemmungen sowie das Aussterben von einem Drittel aller Pflanzenarten prognostiziert
(WWF-Magazin 4/2006 nach Hardmeier). Für das Jahr 2014 hat die Bundeszentrale für politische
Bildung über 300 weltweite Kriege und Konflikte23 registriert, auch die Bunderepublik Deutschland ist
mit Auslandseinsätzen daran beteiligt (www.bpb.de). Die innenpolitische Lage in Deutschland weist
spätestens seit den Pegida-Demonstrationen daraufhin, dass in Deutschland ein Teil der Bevölkerung
den Politkern misstraut und ihnen un(ge)rechtes Handeln vorwirft. Aufgrund dieser Aspekte ist davon
auszugehen, dass die Botschaft eines kommenden, alternativen Herrschers, der umfassenden Frieden
und Gerechtigkeit für den Einzelnen und die Gesellschaft bringt, nach wie vor aktuell und relevant ist.

Der Fragestellung der Arbeit lag die Erfahrung aus meinem Berufsalltag zugrunde, dass das Lied zwar
beliebt, die Botschaft jedoch unbekannt ist. Anhand von vier Gesprächen wollte ich herausfinden, was
Menschen mit diesem Lied verbinden und ob die Einschätzung stimmt, dass die theologische Aussage
nach wie vor relevant ist.

3.1 Erfahrungsanalyse zur Bedeutung des Liedes in der Gegenwart

Die vier Teilnehmer24 sind Laienmusiker, ihnen ist das Lied bekannt und sie haben eine christliche
Vorbildung durch Religions- und Konfirmandenunterricht. Ihren Glauben an Jesus Christus
beschreiben die Teilnehmer unterschiedlich: von ablehnend über zweifelnd bis zu überzeugt gläubig.

Im Vorfeld hatte ich einen Leitfaden erarbeitet, der während des Gesprächs lediglich als Unterstützung
diente. Im ersten Teil des Gesprächs erzählten die Teilnehmer von ihren Emotionen zu Tochter Zion
und ob das Lied eine Bedeutung für sie hat. Ich fragte sie, ob sie den Text verstehen würden und ob es
wichtig sei zu wissen, was man singt.

Der zweite Teil des Gesprächs war geprägt durch ein Referat über den Inhalt des Liedes. Von der
Einnahme der Feste Zion durch David über die Katastrophe der Zerstörung und Wegführung im 6.

23
Die hier zugrunde gelegte Kriegsdefinition beinhaltet nur Kriege bzw. Konflikte, bei denen mindestens ein
Staat beteiligt ist und mehr als 25 Personen auf Grund von bewaffneten Gefechten gestorben sind (www.bpb.de).
24
Im Interesse der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die doppelte Schreibweise (männlich/weiblich)
verzichtet.
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Jahrhundert vor Christus mit der Herausbildung der Person Zion. Es wurde die Messiaserwartung des
jüdischen Volkes zur Zeit Jesu erläutert und abschließend die Begriffe Friedefürst, Hosianna, Davids
Sohn und demüthiglich erklärt.

Mit der Frage, ob sich das Verstehen und/oder die Empfindungen der Teilnehmer in Bezug auf
Tochter Zion geändert haben wurde, das Gespräch beendet.

3.1.1 Der Skeptiker

Der 72-jährige Herr D. hatte als Kind und Teenager bis zur Schulentlassung nach der achten Klasse
Religionsunterricht und wurde im Alter von 14 Jahren konfirmiert. Seit dieser Zeit ging er nur noch zu
familiären Festen oder Konzerten in die Kirche, mit etwa 40 Jahren ist er aus der Kirche ausgetreten.
Herr D. ist musikalisch interessiert und aktiv: er besucht regelmäßig Konzert unterschiedlicher
Musikrichtungen und ist seit 40 Jahren aktiver Sänger im Chor seines Heimatdorfes.

Als ich fragte, ob er bereit sei mit mir über das Lied zu sprechen, antwortete er: „Wenn du die Antwort
erträgst. Ich bin nämlich sehr kritisch.“ Nach den Emotionen zu diesem Lied gefragt trennte Herr D.
sofort in Text und Melodie. Die Melodie beschwingt ihn, er empfindet sie als „Balsam für die Seele“
und sie hat für ihn die „Tendenz zum Ohrwurm“.

Der Text „muss gesungen werden, er steht da“. Herr D. versteht ihn nicht und hat keinen Bezug dazu,
vielmehr weckt der Text bei ihm negative Emotionen. Auf meine Nachfrage, warum das so sei, zeigt
Herr D. auf das Wort Zion. In dem folgenden Gespräch kristallisiert sich heraus, dass Herr D. Zion mit
dem Zionismus25 verknüpft. Er hat sich über die politischen, europäischen und amerikanischen
Zionisten der Gegenwart informiert und bezeichnet sie als „Gauner“. Die Wendung Tochter Zion kann
er nicht deuten, aber er weiß, dass mit Zion der Tempelberg in Jerusalem bezeichnet wird.

Auf die Worte Friedefürst, Friedensthron und König mild angesprochen, erwidert Herr D., dass es alte
Texte seien, die mit der Gegenwart nichts zu tun haben. Das Wort Friedefürst ist für ihn mit einem
Klischee überlagert, „ein Reiter auf einem weißen Pferd aus dem Himmel“ könne nicht für Frieden
sorgen. Den Wunsch nach weltweitem Frieden bestätigte er, doch dieser sei nur möglich, wenn eine
Organisation wie z.B. die UN dafür sorge, dass alle Waffen vernichtet würden. Auf den eigenen,

25
Zionismus: jüdische Nationalbewegung, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand. Ziel dieser
Bewegung war die Errichtung eines jüdischen Staates. Hervorgegangen aus dem religiösen Bestreben wieder in
die Heimat, zum Zion zurück zu kehren, hat sich der Zionismus in eine politische Bewegung verwandelt. Der im
19. Jahrhundert entstandene europäische Nationalismus mit den beginnenden antijüdischen Pogromen
bekräftigte und unterstützte dieses Ansinnen (Brenner 2002: 7ff.)
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inneren Frieden angesprochen, meinte Herr D., dass er die zehn Gebote als Leitplanken für sein Leben
ansehe und wenn sich jeder daran hielte, könnte jeder in Frieden leben.

Das Lied enthält keine Botschaft für ihn, vielmehr reizen ihn die Worte und Wendungen Hosianna,
Eselein, Davids Sohn und König kommt. Das seien Phrasen, die zu schönen Geschichten des Vorderen
Orients passen würden, doch mit der Gegenwart und der westlichen Kultur nichts zu tun hätten. Sicher
gäbe es Menschen, die das anders als er bewerten, für einen Großteil der Menschen hätte das Lied
keinerlei Relevanz. Einen Zusammenhang zu Advent oder Weihnachten kann Herr D. nicht erkennen.

Die Frage, ob er wissen möchte, was er singt, antwortet Herr D.: „Ja, Lieder enthalten doch eine
Botschaft. Ich muss doch wissen, ob ich hinter dieser Botschaft stehe.“ Er wünscht sich so etwas wie
eine Gebrauchsanleitung, eine Inhaltsangabe oder sogar einen neuen verständlichen Text.

Zu unserem zweiten Treffen bringe ich Herrn D. die erarbeitete inhaltliche Aussage des Liedes als
Handout mit. Nachdem er die Stichpunkte gelesen hat, entwickelt sich ein angeregtes Gespräch.
Zunächst interessiert ihn die Entwicklung vom Berg Zion über Zion als Wohnort Gottes zu der
personalen Gestalt Zion. Er kann es nachvollziehen, dass jemand, der zerstört ist, wieder rehabilitiert
wird, „schließlich redet man ja auch über Tote nur noch Gutes“.

Den Ausführungen zu Worte und Wendungen Hosianna, Eselein, Davids Sohn und König kommt hört
er zu. Obwohl er sie nun kognitiv verstehen kann, bleiben sie für ihn nach wie vor Phrasen.

Herr D. ist sehr nachdenklich und fragt, ob er das Lied weiterhin singen solle. Für ihn habe das keine
Aussagekraft, sodass er die Botschaft auch nicht vertrete: „Ist das dann nicht Gotteslästerung?“. Er
unterscheidet Kirchenlieder von säkularen Liedern. Immer, wenn der Chor an kirchlichen
Gelegenheiten im Gottesdienst singt, fühlt er sich unwohl, weil er die Lieder nicht versteht. Auch hier
stellt er sich die Frage, ob er sich der Gotteslästerung schuldig mache. Er wünscht sich kurze
Erklärungen, damit er entscheiden könne, welche Lieder er mitsingt.

Das Handout mit den Erklärungen behält er gern und will sich eingehender mit dem Lied Tochter Zion
beschäftigen.

3.1.2 Die Wissbegierige

Frau B. ist eine 18-jährige Abiturientin, die in einem säkularen Chor singt und an der Musikschule
Unterricht erhält. Sie ist konfirmiert und hatte bis zur neunten Klasse Religionsunterricht, danach hat
sie Philosophie als Unterrichtsfach gewählt. Frau B. geht gelegentlich in die Kirche zum Gottesdienst.

Die Emotionen zu diesem Lied beschreibt Frau B. als Freude und Zuversicht, sie fühlt sich dadurch
beschwingt. Insgesamt ruft das Lied bei ihr ein „allgemeines Adventsgefühl“ hervor, das sie als

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feierlich beschreibt und mit ihrer Familie in Zusammenhang bringt. Die Melodie ist für sie ein
„leichter Ohrwurm“.

Die Freude und Beschwingtheit werden nach ihrer Aussage durch die Kombination von Text und
Melodie hervorgerufen. Sie sagt: „Wenn du das Lied singst, kannst du den Mund weit aufmachen und
laut singen. Das Lied steigert sich und die Worte lösen positive Stimmung aus.“ Insbesondere das
gedoppelte jauchze der ersten Strophe versetze sie selbst in den Jubel.

Frau B. kann in dem Lied die Weihnachtsbotschaft erkennen: Jesus kommt. Nachdem ich ihr die
ehemals dritte Strophe vorgelegt habe, wird das Lied für sie komplett. Denn nun kommt Jesus
angeritten, wenn auch nur als „Ungeborener in Marias Bauch“. Worte wie Hosianna, König mild,
demüthiglich oder Davids Sohn kennt sie aus Weihnachtspredigten.

Nach Frau B.s Einschätzung hat das Lied eine Aussage mit Bedeutung für Menschen des 21.
Jahrhunderts. Schließlich würden sich doch alle nach einer besseren Welt sehnen, die das Lied
verkündigen würde. Das Lied gehört zum Liederfundus und stellt eine Verbundenheit zu früheren
Generationen her. Auf meine Nachfrage, wen sie damit meine, verweist Frau B. auf die Juden vor
Christus, die vertrieben worden waren und sich nach einem zu Hause sehnten.

Es sei durchaus möglich, schöne Lieder zu singen, ohne zu verstehen was man singt, denn der Text
kann die Freude, die eine Melodie vermittelt, unterstreichen. Es sei wichtig, mit welcher Motivation
man singe. Insgesamt sollte man nach Frau B.s Einschätzung dennoch „eine grobe Ahnung davon
haben“, was man singt, „man will ja schließlich nichts Rassistisches oder Gewalttätiges singen.“

Nachdem ich Frau B. den theologischen Inhalt erläutert habe und sie darauf hingewiesen habe, dass
dies Lied zunächst am Palmsonntag gesungen wurde, wurde sie nachdenklich. Ostern und
Weihnachten hatte sie bisher immer getrennt betrachtet. Sie will sich damit eingehender beschäftigen.

Die Erklärung zu dem Messiastitel und der Hinweis, dass Jesus die körperliche Heilung immer mit der
seelisch-geistlichen Heilung verbunden hatte, waren für Frau B. die wichtigste Information. An ihrer
bisherigen Haltung zu dem Lied hat sich nach ihrem Bekunden nichts geändert, vielmehr profitiere sie
davon genauer zu wissen, worum es geht. Allgemein sind für sie nun weitere Fragen zum christlichen
Glauben entstanden, die sie gerne in Zukunft mit mir klären würde.

3.1.3 Die Differenzierte

Frau G. ist 45 Jahre alt und singt in einem kirchlichen Chor, seit zehn Jahren nimmt sie Instrumental-
Unterricht an der Musikschule. Sie ist konfirmiert und hatte bis zur Schulentlassung
Religionsunterricht. Den kirchlichen Gottesdienst besucht Frau G. gelegentlich.

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Das Lied Tochter Zion empfindet Frau G. als sehr eingängig, was nach ihrer Meinung an der
Melodieführung liegt. Wenn sie es in einer vollen Kirche singt, erlebt sie es als mächtig und stark. Die
Botschaft wird dann „herausgerufen“. Daher freut sie sich darauf es zu singen.

Allerdings spricht der Text sie weniger an. Die ehemals dritte Strophe ist für sie am ehesten
verständlich. Das genannte Eselein macht die Weihnachtsbotschaft erst komplett, schließlich „waren
die Esel auch im Stall“ und außerdem rühren Tiere das Herz an. Die Aufforderung dieser Strophe Hol
ihn jubelnd zu dir ein, ist für sie eine Aufforderung selbst aktiv zu werden, um dem König zu
begegnen. Insgesamt ist das Lied für Frau G. ein typisches Weihnachtslied, das an die Ankunft Gottes
erinnert und das auffordert „sich zu freuen, dass der Heiland kommt“.

Hin und wieder fragt sich Frau G. bei diesem und auch anderen Liedern, „was verstehe ich
eigentlich?“, dann merkt sie, dass sie sich den Sinn des Liedes „erbastelt“. Sie hat sich noch nie
Gedanken gemacht, wer Tochter Zion sein könnte, Wendungen wie Davids Sohn, König mild,
Hosianna und demüthiglich versteht sie „nur oberflächlich“. Nach ihrer Aussage ist es „schon schön“,
wenn man den Inhalt versteht. Denn man singt anders, wenn man hinter der Botschaft eines Liedes
steht. Das gilt insbesondere für Kirchenlieder, bei weltlichen Liedern sei der Text nicht so wichtig.

Frau G. unterscheidet zwei Ebenen des Verstehens. Einerseits gibt es nach ihrer Ausführung eine
einfache Botschaft, eine „verständliche Kernbotschaft, sozusagen leichte Kost für die Masse“.
Daneben gibt es noch ein umfassenderes Wissen und Verstehen des Textes und der Botschaft, über die
zumindest die verantwortlichen Musiker oder Pastoren verfügen sollten. Doch auch Sänger und
Musiker sollten sich mit den Inhalten des Liedes intensiver auseinandersetzen.

Nach der Erklärung des Liedes kann Frau G. sich gut in die Situation des jüdischen Volkes, das den
Messias und die Erlösung durch Gott erwarte, hineinversetzen. Bisher war sie immer davon
ausgegangen, dass der im Lied besungene Friedensfürst für Frieden unter den Menschen sorgen sollte.
Der Aspekt, dass Jesus Frieden mit Gott bringt, war für sie irrelevant. Wichtig ist, mit sich und den
Mitmenschen friedlich zu leben.

3.1.4 Die Nachdenkliche

Die 54-jährige Frau E. ist Küsterin der evangelisch-lutherischen Landeskirche in ihrem Heimatort. Seit
ca. 20 Jahren spielt sie im Posaunenchor ihrer Kirchengemeinde, ferner singt sie seit einigen Jahren im
säkularen Gesangsverein des Dorfes. Sie hatte bis zum Ende der Schulzeit Religionsunterricht, ist
konfirmiert und geht regelmäßig in den Gottesdienst. Als ich sie anfragte, sich mit mir über Tochter
Zion zu unterhalten, reagierte sie freudig. Das Lied sei der Posaunenchorschlager, doch so genau
wüsste keiner, was gemeint sei.

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Zu ihren Emotionen bezüglich dieses Liedes gefragt, berichtet sie von purer Freude. Das Lied wecke
in ihr eine Erwartungshaltung und Spannung. Auf meine Frage, ob es auch ihr Gottvertrauen stärke
antwortet sie: „Das ist doch das allgemeine Anliegen von Kirchenliedern, oder?“

Diese Empfindungen werden bei ihr durch das Zusammenspiel von Text und Melodie ausgelöst. Der
Text allein spricht sie nicht so sehr an, beim Instrumentalspiel im Posaunenchor schwingen die Worte
im Kopf immer mit.

Als ich ihr den Text vorlege, wird sie nachdenklich. So genau hatte sie sich noch nicht damit
beschäftigt. Sie ist irritiert, wer mit König mild gemeint sein könnte. Der erste Impuls war, es sei Gott,
doch nun fragt sie sich und mich, ob es Jesus sein könnte. Oder vielleicht beide? Auch Hosianna und
Davids Sohn lösen bei ihr Fragen aus, obwohl es für sie geläufige Worte sind. Die Wendung Tochter
Zion kann Frau E. insofern zuordnen, dass Zion doch Jerusalem sei. Hingegen hat sie für Friedensfürst
eine differenzierte Erklärung. Dieser bringt Frieden, der mehr bedeutet als Waffenruhe. Frieden
bedeutet für Frau E., dass „es allen gut geht. Jeder bekommt, was er braucht“. Sie beschreibt Frieden
im umfassenden Sinne von ‫שלום‬.

Doch findet sie das Wort Friedensfürst nicht unbedingt für jeden verständlich. Insgesamt hält sie das
Lied nur für Menschen nachvollziehbar, die „christlich vorgebildet“ sind. Daher geht sie davon aus,
dass das Lied eine Botschaft hat die relevant für Menschen des 21. Jahrhunderts ist. Diese wird nach
ihrer Einschätzung jedoch von der Masse nicht verstanden.

Für sich selbst sieht Frau E. darin die Botschaft vom Warten auf die Geburt Jesu. Es ist für sie ein
Erinnern an das Geschehen vor 2000 Jahren. Auf die Frage, ob Advent auch die Wiederkunft Christi
bedeuten könnte, reagierte sie erstaunt. Darüber hatte sie sich bisher noch keine Gedanken gemacht.

Die Erklärungen zu Tochter Zion interessierten Frau E. sehr. Sie hatte nicht vermutet, dass so viel
Inhalt in dem Lied zu finden sei. Der Sinn des Liedes hat sich für sie vertieft. Die Botschaft ist nach
ihrer Aussage nach wie vor aktuell, allerdings bezweifelt sie, dass die Menschen sie hören wollen oder
verstehen würden.

3.1.5 Fazit der Erfahrungsanalyse

Alle vier Gesprächspartner hatten nach eigener Aussage im Vorfeld der Gespräche „keine Ahnung“
vom Inhalt des Liedes. Gleichwohl sind sie übereinstimmend der Ansicht, dass es allgemein
angebracht sei, die Botschaft eines Liedes zu kennen. Zumindest eine Teilnehmerin erwartet, dass
neben Kirchenmusikern auch aktiv Musizierende wissen sollten, wovon sie singen. Die Diskrepanz
zwischen Vorstellungen und der Realität ist deutlich zu erkennen.

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Herr D., der nur zu Konzerten / Konzertgottesdiensten die Kirche besucht, berichtete von einer
allgemeinen Unverständlichkeit kirchlicher Lieder. Er wünschte sich Liederklärungen. Ebenso
erwähnte Frau G., dass sie bei ihren gelegentlichen Gottesdienstbesuchen sich die Inhalte der Lieder
„zusammenreimt“. Diese Äußerungen werfen die Frage auf, inwieweit andere Kirchenlieder geeignet
sind, das Evangelium zu verkünden. Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit diese Frage, zu untersuchen
und zu beantworten, dennoch erlaube ich mir den Hinweis, dass die Auswahl der Lieder im
Gottesdienst ebenso sorgfältig geschehen sollte wie die Predigtvorbereitung. Bei der
Zusammenstellung muss sowohl die Verständlichkeit von Sprache und Ausdruck als auch der
theologische Inhalt kritisch betrachtet werden.

Das Lied konnte von den Teilnehmern in Zusammenhang mit Weihnachten werden, die zumindest
gelegentlich in den Gottesdienst gehen. Auffällig war die Wichtigkeit des Eseleins aus der dritten
Strophe für zwei Gesprächsteilnehmerinnen. Es hatte den Anschein, als sei ihre Wahrnehmung des
Weihnachtsevangeliums vorrangig durch Krippendarstellungen und Postkarten geprägt. Daher ist die
Frage zu stellen, inwieweit die Weihnachtsbotschaft bei gelegentlichen oder seltenen Kirchgängern
bekannt ist.

Alle vier Teilnehmer erkennen einen Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Frieden. Die
Überzeugung von drei Gesprächsteilnehmern lässt sich überspitzt so zusammenfassen: „Wenn jeder
mit sich im Frieden ist, dann folgt der äußere Frieden nahezu automatisch.“ Unfrieden,
Ungerechtigkeit und Leid als Folge der Loslösung des Einzelnen und der Gemeinschaft der Menschen
von Gott zu betrachten wurde von ihnen gar nicht in Erwägung gezogen. Lediglich die regelmäßige
Gottesdienstbesucherin konnte diesen Zusammenhang herstellen. Folglich war die Bedeutung Jesu als
Friedensmittler zwischen Gott und der Menschheit für die drei Anderen nur schwer nachzuvollziehen.

Insofern gibt das Lied Antwort auf eine Frage, die sie nicht gestellt haben und die für sie ohne Belang
ist. Wenn die zerstörte Beziehung zwischen Mensch(en) und Gott nicht thematisiert wird, bleibt die
Aussage ‚Jesus ist der Frieden bringende, göttliche König‘ an der Oberfläche und büßt die ihr
innewohnende Radikalität ein. Die Aussage Jesu: „Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich
euch (Joh 14,27)“ bekommt nur dann Relevanz, wenn es ein Bewusstsein über die gestörte Beziehung
zu Gott gibt.

In engem Zusammenhang mit dieser Feststellung steht die Tatsache, dass Friede nur von der
regelmäßigen Gottesdienstbesucherin auf den umfassenden ‫ שלום‬gedeutet wurde. Alle anderen
deuteten Frieden als Waffenruhe oder „keine Streitigkeiten mit den Mitmenschen“. Die Aussage der
18-jährigen Abiturientin, dass sich doch jeder nach einer besseren Welt sehne, zeigt die Beliebigkeit,
mit der dieser Text interpretiert werden kann. Unter 2.5.1. wurde kurz die mittelalterliche Praxis,
einem Adventslied eine Bußaufforderung voran zu schicken erwähnt. Bei den Überlegungen über

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Vermittlungsansätze sollte diese Praxis mit in Betracht gezogen werden, zumindest sollte der Aspekt
der Beziehungsstörung zwischen Mensch und Gott angesprochen werden.

Erstaunlich empfand ich die Aussage einer Teilnehmerin, die zwar den Zusammenhang zwischen
gestörter Beziehung zu Gott und Unfrieden nicht erkennen konnte, gleichzeitig jedoch mit Bezug zur
dritten Strophe darauf verwies, dass es wichtig sei, dem Friedenskönig aktiv entgegen zu gehen. Damit
bezog sie sich nicht auf die Erzählung von Jesu Einzug nach Jerusalem, vielmehr betonte sie die
Wichtigkeit Gott Raum im eigenen Leben zu geben und sich aktiv auf den Weg zu machen ihn zu
suchen.

Frau B. beendete das Gespräch mit der Aussage, dass ihr Interesse am christlichen Glauben geweckt
sei, sie wolle mehr über Gott, Jesus und die Bibel erfahren. Dies bestätigt meine Annahme, dass
Kirchenlieder ein ‚Türöffner‘ für Gespräche mit Nicht-Gläubigen sein können. Der zeitliche Rahmen
während des Unterrichts ist zwar äußerst begrenzt, doch gerade im Unterricht mit Teenagern,
Jugendlichen und Erwachsenen ist es immer wieder möglich, in Gesprächen ein Statement abzugeben
oder Texte kurz zu erläutern. Es ist zu überlegen, inwieweit prägnante Handouts vorbereitet werden
sollten, die im Bedarfsfall gezielt weitergegeben werden können.

Oben habe ich meine Einschätzung wiedergegeben, dass die Botschaft des Liedes Tochter Zion auch
in der Gegenwart noch von Bedeutung ist. Dem stimmten drei meiner Gesprächsteilnehmer zu,
wenngleich sie die Botschaft entweder hauptsächlich im Erinnern an das historische Ereignis von Jesu
Geburt oder als mehr oder weniger triviale Antwort auf das Sehnen nach einer besseren Welt
interpretierten. Gleichzeitig habe ich Bedenken angeführt, ob die Botschaft von den Menschen des 21.
Jahrhunderts verstanden wird. Die Gespräche mit vier Laienmusikern haben mich in der Annahme
bestätigt, dass die theologische Botschaft nur mit christlicher Vorbildung zu verstehen ist.

3.2 Schwierigkeiten der Vermittlung

Drei der Gesprächsteilnehmer stimmen mit mir überein, dass die Botschaft des Liedes nach wie vor
Gültigkeit hat. Ebenso haben die Gespräche gezeigt, dass es nicht ausreichend ist, das Lied nur zu
singen, wenn man die Menschen erreichen möchte. Neben der Tatsache, dass die Botschaft nicht auf
den ersten Blick zu erkennen ist, ergeben sich weitere Schwierigkeiten in Bezug zur Vermittlung
derselben.

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Geringe christliche Bildung

Zu Beginn der Pegida-Demonstrationen in Dresden wurde 2014 von den Beteiligten Bewahrung und
Schutz „der Identität unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“26 gefordert, Nick Pollard kommt
jedoch zu der Einschätzung, dass die westliche Kultur keineswegs generell als christlich definiert
werden kann (Pollard 2008:43). Die christliche Bildung durch Kirche und Schule ist nicht mehr
gegeben wie in den vorherigen Generationen. Das Wissen über die Inhalte der christlichen Lehre – wie
Gott, Himmel, Sünde oder Vergebung – kann nicht mehr vorausgesetzt werden.

Das Lied Tochter Zion beschreibt einen Friedensfürsten – der Text kann ohne weiteres auf einen
menschlichen Herrscher interpretiert werden. Die Verknüpfung mit Jesus ergibt sich nur auf dem
Hintergrund christlicher Vorbildung.

Misstrauen gegenüber Gott

In seinem Lied Ein Stück vom Himmel formuliert Herbert Grönemeyer eine Frage an sämtliche
Religionen: „Welches Ideal heiligt die Mittel, wer löscht jetzt den Brand, Legionen von Kreuzrittern
haben sich blindwütig verrannt (www.magistrix.de)“. In den gegenwärtigen Diskussionen, sowohl in
den Massenmedien als auch den sozialen Medien, ist folgendes Statement häufig anzutreffen: die
Religionen sind Schuld an Kriegen und Gewalt. In Bezug auf das Christentum wird auf die Kreuzzüge
des Mittelalters oder die gewalttätigen Auseinandersetzungen der evangelischen und katholischen
Christen in Irland verwiesen. Der Anspruch Jesu, seine Nachfolger sollten Friedenstifter sein (Mt 5,9)
steht in Diskrepanz zum tatsächlichen Handeln. Die Schlussfolgerung, dass Friede von Gott nicht zu
erwarten ist, wie es Herr D. in unserem Gespräch formuliert hat, scheint naheliegend (vgl. 3.1.1).

Ebenso wird die Gerechtigkeit Gottes in Frage gestellt. Das Missverhältnis zwischen Arm und Reich
weltweit oder Naturkatastrophen mit vielen Todesopfern werden dahingehend interpretiert, dass es
keinen Gott gibt oder dass dieser Gott ungerecht ist. Denn ein gerechter Gott darf Leid nicht zulassen.

Bezug zu Weihnachten

Ich stimme Parents Einschätzung, dass das Lied ein Adventslied mit Blick in die Ewigkeit auf den
wiederkommenden Christus ist, zu. Doch auch regelmäßige Kirchgänger können diesen
Zusammenhang, trotz christlicher Bildung, nicht zwangsläufig erkennen. Advent und Weihnachten
haben überwiegend Erinnerungscharakter an das Geschehen vor 2000 Jahren. Der Hoffnungscharakter
auf die Parusie Christi spielt keine Rolle (vgl. 3.1.4). Es ist auch zu überlegen, ob im Gespräch mit
Nicht-Gläubigen diese Perspektive in den Vordergrund rücken sollte, oder ob es zunächst ausreichend
ist, Jesus als den zu präsentieren, der im Hier und Heute Frieden für das eigene (Er)leben anbietet. Die

26
So die Zeitung „Die Welt“ vom 6.12.2014
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Wiederkunft Christi bekommt (aus Sicht des ‚Betroffenen‘) für das persönliche Leben erst dann eine
Bedeutung, wenn die biblische Lehre von Gott, Jesus, Sünde und Erlösung als wahr und real geglaubt
und akzeptiert wird.

Unverständlichkeit der Sprache

Unabhängig davon, ob ein Zuhörer die Wendung Tochter Zion deuten kann, weist das Lied
Formulierungen auf, die in der Alltagsprache unbekannt, ungewöhnlich oder in ihrer Interpretation
unterschiedlich zur biblischen / kirchlichen Bedeutung sind. Könige werden als Repräsentanten
anderer Länder wahrgenommen, jedoch nicht als regierende Herrscher. Das Adjektiv „mild“ wird für
Kaffeesorten oder das Wetter genutzt, jedoch kaum als Charakterbeschreibung. Unter „Friede“ wird
weithin zunächst Waffenruhe verstanden. Die umfängliche Bedeutung des hebräischen ‫ שלום‬kommt
nicht zum Tragen, auch wenn der Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit, Wohlbefinden und Frieden
erkannt wird.

3.3 Vorschläge für Vermittlungsansätze

Die vier Laienmusiker sind übereinstimmend der Meinung, dass „man wissen sollte, was man singt.“
Gleichzeitig haben meine Gespräche ergeben, dass die Botschaft des Liedes Tochter Zion nur bedingt
verstanden wird. Daher stellt sich nun die Frage, wie die Botschaft des Liedes Menschen des 21.
Jahrhunderts nahegebracht werden kann.

Einen ersten Versuch unternahmen wir 2014 in der Musikschule. Für die Weihnachtsausgabe unserer
Musikschulzeitung verfassten wir einen Artikel, der Hintergründe zu dem Lied erläuterte und einen
Bezug zu Weihnachten herstellen sollte. Die Resonanz darauf war ernüchternd. Nur wenige Schüler
oder Eltern hatten den Artikel gelesen, obwohl in den Gesprächen im Vorfeld Interesse bekundet
wurde. Ein breit gestreuter Artikel in Printmedien erscheint demnach wenig Erfolg versprechend.
Welche Formen kann es stattdessen geben? Die Rückmeldungen nach meinen vier Gesprächen waren
durchweg positiv, eine Vermittlung im Rahmen eines Dialogs und / oder Vortrags erscheint daher
hilfreicher.

Als Hilfestellung zu Gesprächen über Gott und den christlichen Glauben hat Nick Pollard die
Menschen in seinem Buch „Von Jesus reden?!“ in vier Gruppen bezüglich ihrer Stellung zu
christlichem Glauben eingeteilt. Pollard schreibt: „Wenn wir in unseren evangelistischen Bemühungen
effektiv sein wollen, müssen wir in der Lage sein, Menschen aus all diesen Gruppen zu helfen (Pollard
2008:12)“. Diese Aussage sollte in die Überlegungen einfließen, wie Menschen aus dem 21.
Jahrhundert die Botschaft von Tochter Zion vermittelt werden kann.

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Eine meiner Gesprächsteilnehmerinnen erwartet, dass zumindest Chorleiter die Botschaft des Liedes
deuten könnten. Hier sehe ich einen ersten Ansatz Tochter Zion Menschen der Gegenwart nahe zu
bringen. Leiter musikalischer Gruppen sollten in die Lage versetzt werden, ihren Musikern die Inhalte
des Repertoires zu erklären. Die Ausbildung der nebenberuflichen Kirchenmusiker in Deutschland
umfasst einige, wenige Stunden das Fach „Theologische Informationen“, in dem Themen wie
„Bibelaufbau“ oder „Kirchenjahr“ erörtert werden27. Eine ausführliche theologische Unterweisung der
Kirchenmusiker ist zwar wünschenswert, angesichts der Fülle der Lieder und der musikalischen
Anforderungen jedoch kaum zu realisieren. Die Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch, ein
Begleitwerk dessen, bietet für Tochter Zion nur wenige theologische Informationen, sodass auch
Kirchenmusiker darauf angewiesen sind, sich weiterführende Informationen anderweitig zu
beschaffen.

Eine Möglichkeit die Botschaft des Liedes zu vermitteln sehe ich in Liedpredigten. Die Unwissenheit
in Bezug auf das Lied betrifft auch regelmäßige Kirchgänger, wie das Beispiel von Frau E. zeigt.
Andere Gemeindemitglieder haben mir das in etlichen Gesprächen bestätigt. Gegenüber der oben
genannten Erwartung an musikalische Leiter liegt der Vorteil darin, dass der Prediger sich auf ein Lied
konzentrieren kann. Dadurch ist es möglich umfassendere Aussagen zu vermitteln. Hier sehe ich zwei
unterschiedliche Möglichkeiten: einerseits bietet das Lied mit der Betonung, dass Jesus ein
alternativer, friedenstiftender Herrscher ist, die Chance die Mittlerposition Jesu zwischen Gott und
Menschen in den Fokus zu nehmen. Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit gehen vermehrt
Menschen in die Gottesdienste, die eher abseits des kirchlichen Lebens stehen. Eine evangelistische
Liedpredigt kann die zerstörte Beziehung zwischen Gott und Menschen, Gottes Versöhnungsangebot
und den umfassenden ‫ שלום‬in den Fokus nehmen.

Für Gottesdienste in denen überwiegend Gläubige erwartet werden, bietet es sich an die Parusie
Christi und / oder die zeitliche Dimension Gottes anhand von Offb 4,8 zu thematisieren.

In einen echten Dialog gelangt man, wenn im Rahmen von Gesprächskreisen das Lied ähnlich wie
biblische Texte beim Bibel-Teilen28 betrachtet wird. So können die unter 3.1 erwähnten
Schwierigkeiten als Diskussionsgrundlage genutzt werden. Der Vorteil zu einer Liedpredigt liegt
darin, konkrete Fragen der Anwesenden zu beantworten und die Relevanz differenzierter heraus zu
arbeiten. Ein weiterer Vorteil dieses Tools liegt in der Möglichkeit auf den Einzelnen individuell
einzugehen.

27
Aussage B.Steck, C-Kirchenmusikerin, 2016.
28
Methode für das gemeinsame Bibellesen, anhand folgender sieben Schritte wird sich dem Bibeltext genähert:
Sich öffnen, Lesen, Verweilen, Schweigen, Mitteilen, Austauschen, Beten.
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Neben Vorträgen oder Dialogen bieten künstlerische Angebote einen Rahmen die Botschaft von
Tochter Zion einem breiteren Publikum verständlich zu machen. Als Beispiele seien hier nur zwei
Vorschläge genannt. Mit musikalischen Lesungen können auf konzertante Art und Weise Inhalte
vermittelt werden. Die Wechselstruktur der Strophen bieten es an, einen Dialog zu erarbeiten, der die
Inhalte der einzelnen Strophen herausstellt.

Im Rahmen meiner Musikschultätigkeit habe ich mit einer weiteren Dozentin im vergangenen Jahr
zwei Orgelmärchen aufgeführt. Ich sehe eine gute Chance darin eine derartige Aufführung zu nutzen,
um Kinder an die historischen Hintergründe und die inhaltliche Aussage von Tochter Zion
heranzuführen. Die beiden letztgenannten Ansätze bieten die Chance einem breiten Publikum in
ungezwungener Atmosphäre Teile des Evangeliums zu vermitteln. Jedoch sollte man sich darüber
bewusst sein, dass man weiterhin recht oberflächlich bleibt. Fragen nach der gestörten Beziehung zu
Gott oder die umfassende Bedeutung des ‫ שלום‬können nur kurz angedacht werden.

Neben der Vermittlung durch Vorträge, Dialoge oder künstlerischen Angeboten hat das Internet in
Bezug auf Informationsvermittlung einen hohen Stellenwert. Mithilfe eines Blogs kann der textliche
Inhalt des Liedes einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.

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4 Fazit
Als ich 2013 mein Studium beim IGW begann, wurde meine bisherige Arbeitsstelle an der
Musikschule zu meiner Praktikumsstelle. Neben einigen anderen Projekten erschien es mir eine gute
Möglichkeit anhand der Weihnachtslieder mit den Schülern und Eltern über Jesus in Gespräch zu
kommen. Doch gerade eines der populärsten Lieder meiner Schüler stellte mich vor ungeahnte
Schwierigkeiten.

Im Rahmen dieser Arbeit habe ich die Botschaft des Liedes analysiert, mit Laienmusikern über ihre
Empfindungen und ihr Verständnis in Bezug zu dem Lied gesprochen und habe Vermittlungsansätze
für die Botschaft des Liedes vorgeschlagen.

Die Worte des Liedes sind einerseits deutlich biblisch und andererseits durch die Sprachgewohnheiten
des frühen 19. Jahrhunderts geprägt. Dadurch ist der Text schwer verständlich und bedarf einer
Übertragung in das 21. Jahrhundert. Im Folgenden schlage ich einen Text vor, der als
Gesprächsgrundlage dienen kann. Dabei ist mir bewusst, dass die Wortwahl nicht durchgängig alle
Altersgruppen und sozialen Schichten ansprechen wird.

In Anlehnung an Martin Luthers Interpretation von Zion als christliche Kirche wurde unter 2.6
vorgeschlagen, dass Adventslied Tochter Zion als eine persönliche Ansprache jedes Einzelnen zu
deuten. Für die Übertragung des Textes wird die Gemeinde Christi angesprochen. Jedoch ist es
möglich, diese Ansprache durch Eigennamen zu ersetzen. Dadurch erhält der Text persönlichen
Charakter.

Die Struktur des Liedes aus Aufforderung und Antwort darauf (vgl. 2.5.1) wurde beibehalten. Nach
meiner Einschätzung hebt dies die Verantwortung der Menschen in Bezug auf ihre Reaktion auf
Gottes Kommen hervor.

Gemeinde Christi: Es gibt Grund zur Freude. Juble, tanze und feiere vor Begeisterung. Gott
kommt als ein wahrer Leiter. Er sorgt für Zufriedenheit und umfassendes Glück eines jeden
Einzelnen und im Miteinander Aller.

Ach, Gott, hilf doch. Sorge für Rettung und Heilung, sorge für Glück und Gerechtigkeit! Bau
dein souveränes Reich auf. Sorge für Zuversicht und Gewissheit. Lass Geborgenheit an der
Tagesordnung sein.

Da kommt er tatsächlich. Er ist freundlich, aufmerksam und hilfsbereit. Er ist der souveräne
Leiter und wird er dich in den Schwierigkeiten deines Alltags unterstützen. Geh auf ihn zu,
mach ihm Raum in deinem Leben.

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Ach, Gott, hilf doch. Wir erwarten dich. Schenke Zufriedenheit und Beständigkeit. Du bist
freundlich, geduldig und souverän. Bei dir erfahren wir Geborgenheit und Vertrauen. Du bist
Gott der Allmächtige und Allgegenwärtige. Gott – wir erwarten dich!

Ich plädiere dafür, dass musikalisch interessierte, versierte und aktive Gläubige sich mit der Botschaft
des Liedes auseinandersetzen. Die vielfältigen Aspekte und Aussagen können dem eigenen
Glaubensleben neue Dimensionen eröffnen. Das Gespräch über die Botschaft dieses Liedes kann der
Anfang zu weiteren Gesprächen über den christlichen Glauben sein, so wie ich es mit einer meiner
Gesprächsteilnehmerinnen erfahren habe (vgl. 3.1.2). Bei allem Wissen um die musikalische Wirkung
und die theologische Bedeutung des Liedes sollte es uns jedoch immer bewusst sein, dass es Gott
selber ist, der sich durch seinen Geist den Menschen offenbart: „Es wird nicht durch Musik und Text
geschehen, sondern durch meinen heiligen Geist (vgl. Sach 4,6)“.

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Unsere Absolventen

Leitsatz Was machen unsere Absolventen?


Wir bieten Ausbildung, Weiterbildung und Dienstleistun- Soeben haben wir eine umfassende Recherche über die mo-
gen an, die sich auf die Bewahrung der Schöpfung, auf die mentanen Tätigkeiten unserer Absolventen abgeschlossen.
Ausbreitung und Vertiefung des Evangeliums sowie auf die Das Ergebnis ist sehr erfreulich: 66 % der Absolventen mit
Gestaltung der Gesellschaft beziehen (Leitbild 2008). Bachelor- oder Masterabschluss (über 400) arbeiten in einem
vollzeitlichen Dienst, wobei Berufsbezeichnungen je nach
Organisation variieren können.
Unsere Absolventen und Absolventin-
nen Wo arbeiten unsere Absolventen?
In den letzten 20 Jahren haben in Deutschland und in der Unsere Absolventen sind in verschiedenen Kirchen, Freikir-
Schweiz über 400 Personen ein Studium auf Bachelor- oder chen, Gemeindeverbänden und Werken (rund 20 verschie-
Master-Level absolviert. Hinzu kommen rund 100 weitere dene Organisationen) tätig. In der Regel bleiben sie in ihren
Personen, die ein Kurz- oder Fernstudium abgeschlossen ha- Gemeinden, in denen sie sich schon während des Studiums
ben. Total sind es 527 Absolventen (Stand 30. Oktober 2012). engagierten.
Jährlich kommen weitere 40 bis 50 Absolventen dazu.
Berufliche Tätigkeit

Absolvierende Pastor, Gemeindeleiter 47 %


Sozialdiakonische Mitarb. 19 %
Männer 381 (72%) Jugendpastor 14 %
Frauen 146 (28%) Werksleitungen 10%
Missionar 7 %
Gemeindegründer 4 %

Abschlüsse Arbeitgeber

Bachelor Abschlüsse 228 (44%) 12% Freie Evangelische Gemeinden


Master Abschlüsse 181 (35%) 11% Schweizerische Pfingstmission
Zertifikate 86 (17%) 8% Chrischona Gemeinden
Diplome 23 (4%) 8% Evangelisches Gemeindewerk
8 % Reformierte Landeskirche
7% BewegungPlus
3 % ICF
3 % Evang. Methodistische Kirche
3 % Täufergemeinden
3% Bund Evang. Gemeinden
2% Gemeinde von Christen
2% Freie Missionsgemeinden
2% Heilsarmee
2% Vineyard D.A.CH.
22% weitere Freikirchen (vereinzelt)
Bei IGW studieren

Leitsatz
Wir gestalten Aus- und Weiterbildung modular und nach er-
Theorie
wachsenenbildnerischen Grundsätzen. Dabei legen wir Wert
Fach- und Forschungs-
auf eine Verbindung von Theorie, Praxis und Persönlichkeits- kompetenz
entwicklung. Die Studierenden werden in ihrer Spiritualität,
in ihrer sozialen, fachlichen und methodischen sowie in ihrer
Forschungskompetenz gefördert. (Leitbild 2008)
Dozierende Ausbildende

Lernfelder Ausbildende

Das Ausbildungskonzept von IGW sieht drei Lernfelder als Praxis-


Teilelemente des Studiums vor.
Praxis begleitung
Praxisbegleiter
Praxiskompetenz Selbst- und
Lernfeld Theorie: IGW vermittelt den Studierenden auf allen Sozialkompetenz
Gebieten der Theologie das notwendige Fachwissen.
Lernfeld Praxis: Mitarbeit in Leitungsaufgaben oder sonstige
studienrelevante Praxisarbeit können mit einer definierten
Praxisbegleitung angerechnet werden. Die Ausbildung er-
fordert daher eine verantwortliche Mitarbeit in einer lokalen vertiefen, die für den Dienst und die persönliche Entwicklung
Gemeinde bzw. einem Werk, die im Verlaufe des Studiums entscheidend sind. Es kann ein Master of Arts (IGW) oder ein
idealerweise in eine teilzeitliche Anstellung mündet. MTh (Unisa) erworben werden.

Lernfeld Praxisbegleitung: Da wir die Ausbildungsthemen


Charakterschulung, Jüngerschaft, Praxisbegleitung und Per- Kurzprogramme
sönlichkeitsentwicklung prozesshaft angehen, gestalten wir Unsere Kurzprogramme dauern ein Jahr und sind zur Be-
die entsprechenden Module dazu aufeinander aufbauend. rufungsklärung oder als Zwischenjahr für ehrenamtliche
Mitarbeitende gedacht.
Studienangebote
Quereinsteiger
Studium Dieses Angebot richtet sich an Hochschulabsolventen, die
Das drei- bis vierjährige Studium wurde für Personen ent- sich in Theologie weiterbilden möchten. Abschluss ist ein
wickelt, die über einen Berufsabschluss oder eine Matura Master of Arts (IGW); Credits: 60 ECTS.
(Abitur) verfügen. Der Student studiert drei Tage bei IGW
und arbeitet in seiner lokalen Gemeinde. Diese fundierte, Swiss Quality: eduQua-zertifiziert!
praxisbegleitende Ausbildung befähigt für den vollzeitigen
Dienst. Credits: 180 ECTS. Abschluss: Bachelor (IGW). Das eduQua-Zertifikat bescheinigt IGW ein zeitgemässes, hoch-
stehendes sowie praxisrelevantes Angebot und garantiert den
Teilnehmerinnen und Teilnehmern den für Weiterbildungs-In-
Weiterbildung stitutionen geforderten Standard. Das eduQua-Label ist das
IGW steht für lebenslanges Lernen. Unser berufsbeglei- wichtigste und bedeutendste schweizerische Qualitätszertifikat
tendes Weiterbildungsangebot richtet sich an Pastoren im für Aus- und Weiterbildungsinstitutionen. Weitere Informatio-
Gemeindedienst, die hier jene Kompetenzen und Fähigkeiten nen zu eduQua finden sich im Internet unter www.eduqua.ch.
Unsere Partner

Leitsatz Zusammenarbeit in der Ausbildung


Wir sehen uns als Ergänzung zu unseren Mitbewerbern, IGW sucht die Zusammenarbeit zwischen Ausbildner und Ge-
stärken die Partnerschaft mit Verbänden und engagieren uns meinden, Verbänden und Werken – den zukünftigen Arbeit-
in Netzwerken. In der Zusammenarbeit mit Partnern streben gebern der Studierenden. Es bestehen Ausbildungsvereinba-
wir Win-Win-Situationen an. (Leitbild 2008) rungen mit 16 Verbänden, Werken und Ausbildungsstätten.
Unter anderem mit:

Mitgliedschaften
IGW International ...
... ist Mitglied der Schweizerischen Evangelischen Allianz
(SEA).
... verfügt über den Gästestatus beim Verband Freikirchen
Schweiz (VFG).
... ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft evangelischer Mis-
sionen (AEM).
... ist Mitglied der Christlichen Institutionen der Sozialen
Arbeit (CISA).
... beteiligt sich am Seminarleitertreffen der theologischen
Seminare der Schweiz.
... ist Mitglied der Europäischen evangelikalen Akkreditie-
rungs-Gesellschaft (EEAA).
... ist Mitglied der Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstät-
ten (KbA).

Akademische Zusammenarbeit
Die GBFE (Gesellschaft für Bildung und Forschung in Euro-
pa, www.gbfe.org) ist der europäische Vertreter der Unisa
(University of South Africa, www.unisa.ac.za). Ihre Verein-
barungen mit der Unisa ermöglichen es der GBFE, Studien-
programme der Unisa anzubieten und zu begleiten. IGW ist
seit 1. Jan 2002 Vollmitglied der GBFE und betreut in Zusam-
menarbeit mit GBFE/Unisa ein Master-of-Theology-(MTh)-
Programm. Mit diesem Abschluss können Absolventen
anschliessend an der Unisa ins Doctor-of-Theology-(DTh)-
Programm einsteigen. Die Anforderungen in diesen beiden
Programmen werden nach der Vorgabe von GBFE/Unisa
gestaltet.

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