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Februar 2022
ZEITJUNG Rhein-Neckar-Zeitung / Nr. 45
Vertrocknete Böden wie hier in Libyen setzen Landwirten weltweit zu. Durch den richtigen Einsatz von Weidetieren lassen sich Dürren vermeiden. Auf allen Kontinenten arbeiten Landwirte nach den Erkenntnissen von Allan Savory. Foto: Getty Images
M
it Regenjacke und Gummi- Jahrzehntelang arbeitete der Biologe Wie konnte „Holistic Management“ Und genau da kommt „Holistic Ma- Weidetiere in riesigen Herden bewegt. Als
stiefeln stapft die Land- deshalb mit zahlreichen Landwirten dar- ihr helfen, wieder auf die Beine zu kom- nagement“ ins Spiel. „Ich fokussiere mich der Mensch begann, Tiere zu domestizie-
wirtin Viviane Theby auf die an, Weidetiere so in einer Herde zu be- men? „Alles, was ich zuvor im Leben über darauf, unsere Kühe als Herde so zu be- ren und Landwirtschaft zu betreiben, sei
Wiese. Hier, in der Nähe von wegen, dass der Boden sich regenerieren Landwirtschaft gelernt hatte, musste ich wegen, dass die Tiere erst zurückkehren, die Beziehung zwischen Jäger und Ge-
Trier auf dem Scheuerhof, weiden ihre 70 kann und gleichzeitig genügend Futter wieder vergessen“, erklärt Theby. Es sei wenn die Fläche sich genügend erholen jagtem ins Ungleichgewicht geraten. Zeit-
Kühe. Voller Erleichterung sagt sie: „Hier nachwächst. Nach unzähligen Rückschlä- eine komplett andere Sichtweise auf die konnte.“ Somit verbessert Theby die Bo- zeuge dieser Entwicklung ist die Sahara,
muss ich mir keine Sorgen machen, dass gen entwickelte sich daraus „Holistic Ma- Natur. In ihrer Ausbildung zur Land- denbiologie, weil die Tiere die Gräser die noch vor 10 000 Jahren fruchtbar war.
der Boden durch eine Dürre austrock- nagement“ („Ganzheitliches Manage- wirtin habe sie zwar gelernt, dass die nicht dauerhaft abfressen und auf ihnen Mit Erfolg regenerieren bereits Land-
net.“ Dann hebt sie den Elektrozaun an ment“). Dieses soll Landwirten helfen, Pflanzen Nährstoffe brauchen, jedoch sei herumtrampeln. wirte auf allen Kontinenten ihre Län-
und beobachtet zufrieden, wie ihre Rin- ökologische, ökonomische und soziale As- man einem Nährstoffmangel im Boden In Abwesenheit der Rinder können die dereien, so wie Theby es macht. Auch die
der lautstark muhend auf eine frische pekte in Einklang zu bringen. Viviane The- mit chemischen Düngern entgegenge- Gräser dann neue Kraft sammeln. In- „New York Times“ berichtete im Febru-
Weide rennen. by managt ihre Flächen ganzheitlich seit kommen. Doch dadurch gerate man sekten, Würmer, Pilze, Bakterien und ar 2021 über solch eine Erfolgsgeschich-
Theby ist eine von vielen Landwirten, 2017. schnell in eine Abhängigkeit, da die gu- viele weitere Arten helfen dabei, die te. Doch bis jetzt ist das noch ein Trop-
die nach den Erkenntnissen des Biologen ten Bodenorganismen mit der Zeit ver- Nährstoffe der Kuhfladen in den Boden fen auf den heißen Stein. Denn der Mensch
Allan Savory (Simbabwe) arbeitet. Savo-
ry entwickelte ein Konzept mit weltwei-
tem Erfolg: Auf allen Kontinenten gibt es
N och vor fünf Jahren standen Theby
und ihr Lebensgefährte Karl Reiß-
ner vor dem finanziellen Abgrund. „2016
schwänden. „Die Biologie des Bodens war
in meiner Ausbildung ein weißes Feld auf
der Landkarte“, so Theby.
einzuarbeiten. Dadurch steigt der Hu-
musanteil an, was dem Boden ermög-
licht, mehr Wasser zu speichern. Somit
nutzt knapp 50 Prozent der global be-
wohnbaren Landfläche für Ackerbau und
Tierhaltung – Tendenz steigend.
inzwischen Landwirte, die nach seinem rechnete ich meinem Mann vor, dass können die Pflanzen besser wachsen Durch den Verwüstungsprozess ver-
Konzept, „Holistic Management“ ge- wir für unsere Arbeit im Stall 100 Euro und mehr Kohlenstoff binden. schwindet, so die Meinung vieler Ökolo-
nannt, erfolgreich Land nutzen. Darunter pro Tag draufzahlen“, so Theby. Die Zudem sorgt das Trampeln der gen, nicht nur die Lebensgrundlage vie-
auch Tomas Alvarez aus Chile oder Re- Schulden und Sorgen häuften sich, Tiere dafür, dass Pflanzenreste den ler Tiere, sondern auch die des Men-
bekah Karimi in Kenia. denn die Ausgaben für den Kuhmilch- Boden bedecken. Ohne chemische schen. Rund ein Drittel der Menschheit ist
Bereits 1950 forschte Savory zu dem betrieb überstiegen die Einnahmen. Pestizide oder Düngemittel stärkt direkt in die Landwirtschaft involviert.
Thema „Verwüstung der Grasländer in den Lange hätte es so nicht weitergehen Theby so die Mikroorganismen im Bo- Zudem treibt die industrielle Landwirt-
Nationalparks Afrikas“. Dabei gab er zu- können. Auf der Suche nach einer Lö- den, sodass die Pflanzen an ihre Nähr- schaft mit ihrer Massentierhaltung, das
nächst den Tieren die Schuld für die Ver- sung stieß die 55-Jährige zufällig auf stoffe kommen. Dies funktioniere al- ständige Pflügen sowie der Einsatz che-
wüstung. Wie viele andere Wissenschaft- „Holistic Management“: Weidetiere so lerdings nur, wenn man die Bewei- mischer Dünger und Pestizide für Mono-
ler vermutete er, dass das Vieh die Flächen nutzen, dass das Wachstum der Pflan- dung der Flächen plant, sagt Theby. kulturen die Verwüstung voran. Das wie-
zu stark abweide. In der Hoffnung, der zen und die Bodenqualität sich ver- Mit bloßem Rotieren ist das nicht zu derum beschleunigt den Klimawandel.
Verwüstung entgegenzuwirken, wurden in bessern. Das schien zu schön, um wahr vergleichen. „Es kommt darauf an, Unsere Erdböden speichern bis jetzt
den folgenden Jahren 40 000 Elefanten er- zu sein. Aus Neugierde und der Not dass die Tiere zur richtigen Zeit am noch ein Vielfaches des Kohlenstoffs, der
schossen. Doch die Folge war: Das Land heraus machte Theby sich mit dem richtigen Ort mit dem richtigen Ver- sich aktuell in der Atmosphäre befinde.
verödete noch mehr. „Das war der trau- „Ganzheitlichem Management“ ver- halten sind.“ Und dafür müsse man Doch die Ressource Boden schwindet.
rigste und gravierendste Fehler meines Le- traut. Heute ist sie fest davon über- die Beweidung planen. Sonst gesche- Schätzungen gehen davon aus, dass pro
bens“, erzählt Savory in seinem Ted-Talk, zeugt, dass es sich gelohnt hat. „Ohne he das Gleiche, wie in vielen Regio- Tonne produziertem Essen mehr als zehn
mit dem Titel „How to green the world’s Probleme sind wir durch die trocke- nen auf der Welt – sie verwüsten. Tonnen Erdboden erodieren. Schon jetzt
deserts and reverse climate change“ im nen Sommer von 2018, 2019 und 2020 leiden mehr als 800 Millionen Menschen
Jahr 2013. Seine ganze Lebenszeit wid-
mete er deshalb der Suche nach einer Lö-
sung gegen die Verödung des Landes.
gekommen.“ Nur vier Jahre später, im
Januar 2021, erzählte Theby eupho-
risch: „Seit diesem Monat schreiben wir
K napp 40 Prozent der globalen
Landfläche sind Grasländer.
Und vielerorts ist die Verwüstung in
auf dem Planeten an Hunger – und das,
obwohl die produzierte Menge an Essen
laut Vereinten Nationen für mehr als eine
Es dauerte, bis Savory verstand, dass endlich wieder schwarze Zahlen.“ vollem Gange. „Grasländer haben sich Weltbevölkerung ausreicht.
nicht die Menge der Tiere das Land un- Da es Landwirten immer schwie- über Millionen Jahre hinweg mit den Viviane Theby ist stolz darauf, einen
fruchtbar mache, sondern es darauf an- riger fällt, sich finanziell über Wasser Weidetieren zusammen entwickelt“, Beitrag für eine nachhaltige Zukunft zu
komme, wie lange die Tiere auf einer Flä- zu halten, ähnelt Thebys Fall einem Mit der richtigen Planung regeneriert Viviane Theby erklärt Allan Savory. Immer auf der leisten. Glücklich blickt sie auf ihre grü-
che sind und wie sie sich verhalten. Wunder. seit fünf Jahren ihre Weiden. Foto: Laura Längsfeld Hut vor Raubtieren haben sich die nen Wiesen und ihre Herde.
„Unsere Herde ist fast das ganze Jahr auf den Weiden“
Interview mit der Landwirtin Viviane Theby – Wie sie ihrem Hof wieder eine Perspektive gab – Ohne chemische Keule
Von Robin Höltzcke zahlt, wussten wir, sehr neugierig und experimentierfreudig > Worin unterscheidet sich, was Sie und ergibt auch 365 Tagesfutterrationen, aber
dass wir etwas än- bin, wollte ich das unbedingt auspro- was andere Landwirte tun? die Weide hat 364 Tage Zeit, sich zu er-