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Autor: Kellner, Beate | Reichlin, Susanne | Rudolph, Alexander | Mertens, Volker

Titel: HANDBUCH MINNESANG (KELLNER ET AL.) DGR


Medium: Germanisch-Romanische Monatsschrift GRM
Rezensent: Kraß, Andreas
Version: 72, 4, 2022, Seite: 483-486

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Zugzwang geraten zu lassen, dass er sich gegen seine Frau wendet – womit tatsächlich
deutlich wird, dass neben der Ehefrau letztlich auch sämtliche weitere Figuren zu den
Opfern des Magiers zu zählen sind. Die Autorin betont wiederholt und zu Recht, dass
weibliche Tugend in diesem Text bestraft wird; dass die Erzählung ein gewisses misogynes
Potenzial birgt, lässt sich sicherlich nicht bestreiten – doch das eklatante Spannungsver-
hältnis zwischen der Aufrichtigkeit der Protagonistin und dem von ihr erlittenen Unrecht
fungiert als erzählerisches Mittel, um die abgründige Boshaftigkeit Vergils zu fokussieren.
Damit wird die Rache des Magiers von der Erzählung verurteilt; diese als „inarguably
misogynistic“ einzustufen (S. 178), ist in meinen Augen nicht haltbar.
Mit einem Beitrag zur Funktion des Herzens als Gabe in Konrads von Würzburg
Herzmære beschließt Jutta Eming den Band. Ausgangspunkt der Textinterpretation bildet
die Überlegung, dass die Gabe, die sich zum Ziel setzt, das Leid des gestorbenen Gelieb-
ten auf die Adressatin zu übertragen, einen grundlegend aggressiven Charakter besitzt. Die
Einverleibung des Herzens bezieht die Autorin auf Liebe und Begehren, indem sie die
Handlung im Horizont Freud’scher Überlegungen zu kannibalischen Elementen infantiler
Sexualorganisation liest; die Reaktion der Dame auf die Offenbarung, dass sie gerade das
Herz ihres Geliebten zu sich genommen hat, wird unter Berücksichtigung von Erzähl-
mustern der Mystik als Ausdruck des Ekels verstanden, der hier in psychoanalytischer
Hinsicht wiederum mit der Tabuisierung des Begehrten in Verbindung gebracht wird.
Dabei falle die Dame angesichts einer patriarchalen Ordnung gleich zwei männlichen
Manövern zum Opfer: Dem Ehemann gelinge es, die aggressive Handlung des Geliebten
aufzugreifen und für seine Zwecke umzuwandeln. Angesichts des komplexen Zusammen-
spiels der Emotionen der Liebe, der Aggression und des Ekels konstatiert die Autorin eine
Ambivalenz, die sie zu Recht in vielfacher Hinsicht für ausschlaggebend erachtet – und
die die Suche nach einem einzelnen Interpretationsansatz, der eine etwaige zentrale Bot-
schaft der Erzählung entschlüsselte, schließlich unmöglich macht. Von einer deutlicheren
Profilierung des zentralen Forschungsinteresses, das gelegentlich aus dem Blick gerät, hätte
der Aufsatz gewiss profitiert; auch erweist sich das wiederholt auftretende Interesse an der
Figurenpsychologie in meinen Augen als wenig griffiges Untersuchungskriterium. Dem
Beitrag gelingt es aber, die Anschlussfähigkeit eines einzelnen, zentralen Handlungsele-
mentes für eine Vielzahl von Ansätzen überzeugend hervorzuheben, deren Implikationen
nicht zuletzt auch die Frage nach der Gattungszuordnung betreffen.
Der Band überzeugt durch den Facettenreichtum der Gegenstände und Ansätze der
in ihm versammelten Beiträge. Darüber hinaus liegt mit diesem Projekt das Ergebnis eines
internationalen und interkulturellen Austausches zu einem Kernthema der Altgermanistik
vor. Die Wahl der englischen Sprache vermag dieses Gespräch unter Germanisten über
die Grenzen der Nationalphilologien hinweg zu öffnen und Diskurse der germanistischen
Mediävistik, die (auch) innerhalb des deutschsprachigen Raums geführt werden, in ver-
stärktem Maße für eine erweiterte Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Dass Koope-
rationen dieser Art dem Fach sehr zu Gute kommen können, liegt auf der Hand; es steht
zu hoffen, dass sie in Zukunft häufiger zu Stande kommen.
Jessica Quinlan (Mainz)

Handbuch Minnesang. Hg. von Beate K e l l n e r , Susanne R e i c h l i n und Alexander


R u d o l p h . Berlin/Boston: de Gruyter, 2021. 857 S., geb., € 154,95 (Print/E-Book).
Auf das 2019 von Dorothea Klein, Jens Haustein und Horst Brunner vorgelegte Handbuch
Sangspruch/Spruchsang folgt nun als Gegenstück das Handbuch Minnesang, an dem sich
neunundreißig Fachgelehrte beteiligten, die Herausgeber*innen Beate Kellner, Susanne
Reichlin und Alexander Rudolph eingeschlossen. Das über 850 Seiten umfassende Kom-

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pendium, das den aktuellen Forschungsstand zur höfischen Liebeslyrik des deutschen
Mittelalters zusammenfasst, gliedert sich in acht Abschnitte: (1) „Überlieferung und Edi-
tion“, (2) „Europäische Kontexte“, (3) „Form und Pragmatik“, (4) „Themen und Seman-
tiken“, (5) „Literarhistorische Perspektiven“, (6) „Subgattungen und Gattungsinterferen-
zen“, (7) „Autorbilder und Autorprofile“ und (8) „Minnesang-Rezeption“.
Der Abschnitt zu Überlieferung und Edition des Minnesangs umfasst drei Beiträge:
einen Überblick über die Handschriften und Sammlungszusammenhänge, in denen die
Lieder des Minnesangs bezeugt sind (Franz-Josef Holznagel), eine differenzierte Dar-
stellung des Phänomens der Liedvarianz (Manfred Eikelmann/Daniel Pachurka) und eine
editionsphilologische und editionsgeschichtliche Einführung, die von den Anfängen bis
zur digitalen Edition ‚Lyrik des deutschen Mittelalters‘ (LDM) reicht (Eva Bauer/Holger
Runow). Der Abschnitt zu den europäischen Kontexten befasst sich mit sechs Sprachen
bzw. Regionen: der altokzitanischen Lyrik, mit der die Gattungsgeschichte des Minnesangs
ihren Anfang nahm (Stephanie Seidl), der nordfranzösischen und italienischen Lyrik, in
die sie ausstrahlte (Sebastian Neumeister), der niederländischen Lyrik, der auch Heinrich
von Veldeke zugerechnet wird (Frank Willaert), und der alttschechischen Lyrik, die sich an
deutschsprachigen Vorbildern orientierte (Sylvie Stanovská). Besonders informativ ist der
Beitrag zur klerikal geprägten lateinischen Liebeslyrik des Mittelalters (Frank B
­ ezner). Der
Abschnitt zur Form und Pragmatik des Minnesangs enthält fünf Beiträge, die sich mit den
metrischen und strophischen Formen (Holger Runow), den überlieferten Melodien (Horst
Brunner), der pragmatischen und medialen Dimension des Minnesangs, der Thematisie-
rung des Singens (beide Susanne Reichlin) und der Form- und Klangkunst (­Alexander
Rudolph) befassen. Der Abschnitt zu den Themen und Semantiken des Minnesangs ver-
sammelt neun Beiträge. Nach einem Überblick über den Zusammenhang von Minne-
konzepten und semantischen Feldern (Kellner/Rudolph) geht es um spezifische Themen
wie Natur (Ludger Lieb) und Zeit (Kellner) sowie um spezifische Semantiken wie Religion
(Kellner/Rudolph), Imagination (Kellner) und Visualität (Mireille ­Schnyder). Der Abschnitt
führt außerdem in drei theoretische Perspektiven ein: die Sozialgeschichte (Ursula Peters),
die Psychoanalyse (Rüdiger Schnell) und die Gender und Queer Studies (Judith Klinger).
Dieser Trias hätte man vielleicht auch einen eigenen Abschnitt widmen und diesen um
weitere zentrale Theoriekonzepte wie zum Beispiel die Diskursgeschichte erweitern kön-
nen: So hat zum Beispiel auch Niklas Luhmann in seinem Buch Liebe als Passion (1982)
Relevantes zur höfischen Liebe zu sagen. Der Abschnitt zu den literaturgeschichtlichen
Perspektiven umfasst nur einen Beitrag, der die chronologische Einteilung des deutschen
Minnesangs in Phasen eher problematisiert als referiert (Manuel Braun). Der Abschnitt
zu den Gattungstypen und Gattungsinterferenzen des Minnesangs stellt die verschiedenen
Textsorten des Minnesangs vor: die Kanzone (Ricarda Bauschke), das Frauenlied (Albrecht
Hausmann), das Tagelied (Jan Mohr), das Kreuzlied (Dorothea Klein), den im weiteren
Sinne dialogischen Komplex von Dialoglied, Wechsel und Botenlied (Marina Münkler), das
Tanzlied (Julia ­Zimmermann), die Sommer- und Winterlieder (Anna Kathrin Bleuler) und
das Erzähllied (Fabian Prechtl). Abschließend werden in diesem Abschnitt auch die Gat-
tungsinterferenzen zwischen Minnesang und Sangspruchdichtung (Margreth Egidi) sowie
zwischen Minnesang und höfischer Epik (Caroline Emmelius) behandelt. Der Abschnitt
zu den Liederdichtern stellt zunächst die übergreifende Frage nach den Autorbildern
des deutschen Minnesangs (Nicola Zotz) und lässt dann Einzel- und Doppelporträts zu
sechzehn ausgewählten Liederdichtern folgen. Als Repräsentant des frühen Minnesangs
wird der Kürenberger vorgestellt, als Repräsentant des rheinischen Minnesangs Heinrich
von Veldeke. Die professionellen („klassischen“) Minnesänger werden in einer Auswahl
porträtiert: Reinmar der Alte (Dorothea Klein) und Heinrich von Morungen (Kellner)
sowie zwei Lyriker, die vor allem als Epiker hervortraten, nämlich Heinrich von Veldeke
und Hartmann von Aue (Florian Kragl). Walther von der Vogelweide erhält den ihm
gebührenden eigenen Beitrag (Ricarda Bauschke). Die Auswahl der späteren Minnesänger

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reicht bis ins 15. Jahrhundert: Neidhart (Anna Kathrin Bleuler), Burkhard von Hohenfels
und Gottfried von Neifen (Markus Stock), Konrad von Würzburg (Eva Bauer), Steinmar
und Hadlaub (Max Schiendorfer), Ulrich von Liechtenstein und Oswald von Wolkenstein
(Sandra Linden), Frauenlob und Heinrich von Mügeln (Franziska Wenzel). Das Handbuch
schließt mit zwei Beiträgen zur Rezeption des Minnesangs in Literatur (Jens Haustein) und
Musik (Volker Mertens).
Trotz der thematischen Fülle und Breite der Beiträge scheinen mir zwei Aspekte
des deutschen Minnesangs unterrepräsentiert zu sein: der historische und der politische.
Der Mangel an Historisierung schlägt sich in drei Abschnitten nieder: (1) Der literatur-
historische Abschnitt enthält, wie gesagt, nur einen Beitrag, der die Gattungsgeschichte
des Minnesangs problematisiert. Hier hätte man sich separate Darstellungen zu den
unterschiedlichen Phasen des Minnesangs gewünscht, mindestens zum donauländischen,
rheinischen und professionellen („klassischen“) Minnesang, zum Minnesang Walthers von
der Vogelweide und zu den „nachklassischen“ Traditionen. Immerhin werden die Phasen
ab dem professionellen Minnesang im Abschnitt zu den Liederdichtern exemplarisch
angesprochen. Auch fehlt meines Erachtens ein Beitrag zum Ursprung des deutschen
Minnesangs. Dass sich der rheinische Minnesang romanischen Vorbildern verdankt, wird
vielfach betont, aber eine zusammenhängende Darstellung zu den Entstehungsbedingungen
fehlt. So bleibt auch die Herkunft des donauländischen Minnesangs als erster Phase des
deutschen Minnesangs ungeklärt. Hier ist wohl ebenfalls mit einer selektiven Rezeption
romanischer Traditionen zu rechnen, denn insbesondere die im donauländischen Minne-
sang anzutreffenden Gattungen des Frauen- und Tagelieds haben romanische Vorbilder.
So könnte man zeigen, dass die Lieder des donauländischen Minnesangs Parallelen in den
Frauenliedern der Trobairitz Beatriz de Dia haben. Auch wäre ein Hinweis auf die Dis-
kussion um die „aristokratisierenden“ und „popularisierenden Register“ des romanischen
Minnesangs (Pierre Beck, Ulrich Mölk) und den „Erlebnisstil“ des frühen und den „Gedan-
kenstil“ des hohen Minnesangs (Hennig Brinkmann) hilfreich gewesen, um die Genealogie
der gegen- und einseitigen Liebeskonzepte und ihrer ästhetischen Erscheinungsformen
zu beschreiben. (2) Der Abschnitt zu den Untergattungen erweckt den Eindruck, dass
der Minnesang einen bunten Reigen verschiedener Textsorten hervorgebracht hätte, die
gleichberechtigt nebeneinander stehen. Das ist freilich nicht der Fall, vielmehr verschiebt
sich das Gattungsspektrum von Phase zu Phase. Die durchaus übliche Einordnung der
Kanzone als Gattungstyp ist zu überdenken, denn zum einen handelt es sich eher um
einen spezifischen Formtyp des hohen Minnesangs, der sich von der Langzeilenstrophe
des frühen Minnesangs abgrenzen lässt, zum anderen wurde die Kanzonenstrophe für alle
Untergattungen des Minnesangs herangezogen (der Beitrag nennt Preislied, Klagelied und
Reflexionslied). Implizit wird die Kanzone also mit dem Männerlied gleichgesetzt, doch
auch Frauenlieder liegen in Kanzonenform vor. Meines Erachtens wäre daher eine Syste-
matik hilfreich, die zwischen themen- und rollenbezogenen Untergattungen differenziert.
Zu den thematischen Gattungen können beispielsweise das Tagelied und das Kreuzlied
(auch das im Handbuch fehlende Falkenlied) gezählt werden, zu den rollenbezogenen
Gattungen die Frauen-, Männer- und Botenlieder incl. der dialogischen Formen. Außerdem
ist festzuhalten, dass es einige der angeführten Untergattungen im Grunde nicht gibt. Das
„Tanzlied“ ist weniger eine Frage der Gattung als der Performanz und hätte daher gut in
den Abschnitt zur Pragmatik gepasst. Die Gattung der „Sommer- und Winterlieder“ ist
im Wesentlichen an Neidhart gebunden und schließt (wie der betreffende Beitrag zu Recht
betont) Minnelieder, die sich in Natureingängen auf Sommer und Winter beziehen, nicht
ein. Auch die Gattung des „Erzähllieds“ beschränkt sich auf nur einen Liederdichter,
nämlich Hadlaub; dagegen können Lieder mit narrativen Elementen – wie die szenischen
Miniaturen des Kürenbergers – dieser Untergattung nicht zugerechnet werden (wie der
betreffende Beitrag zu Recht betont). (3) Im Abschnitt zu den Liederdichtern führen das
weitgehende Fehlen der donauländischen und rheinischen und die breite Berücksichtigung

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der späteren Minnesänger zu einer literaturgeschichtlichen Schieflage. Meines Erachtens


wären zusätzliche Porträts mindestens der frühen Minnesänger Meinloh von Sevelingen
und Dietrich von Aist sowie der rheinischen Minnesänger Friedrich von Hausen, A ­ lbrecht
von Johansdorf und Rudolf von Fenis-Neuenburg sinnvoll gewesen, zumal sie dem pro-
fessionellen Minnesang den Weg bereiteten.
Mit der Auslassung des rheinischen Minnesangs hängt auch die Vernachlässigung der
politischen Dimension des Minnesangs zusammen. Bekanntlich bildet die Große Heidelberger
Liederhandschrift die Hierarchie der hochmittelalterlichen Ständegesellschaft ab, indem sie
den Minnesänger „Kaiser Heinrich“ – den staufischen Herrscher Heinrich VI. – an den
Anfang stellt und in einem Thronbild präsentiert, in dem die den Minnesang symboli-
sierende Pergamentrolle den Platz des Reichsapfels einnimmt und somit als Herrschafts-
zeichen ausgewiesen wird. Der Romanist Sebastian Neumeister, der im Handbuch mit
zwei Beiträgen vertreten ist, erinnerte kürzlich in einer kommentierten Textausgabe der
Dichtungen der Staufer (2021) daran, dass nach Kaiser Heinrich VI. auch sein Sohn Kaiser
Friedrich II., sein Enkel Heinz (Re Enzo) und sein Urenkel Konradin (in der Großen
Heidelberger Liederhandschrift „König Konrad der Junge“) als Liederdichter hervortra-
ten. Giacomo da Lentini, Notar Friedrichs II., spielte für die Sizilianische Dichterschule
eine ähnlich zentrale Rolle wie Friedrich von Hausen, Reichsministeriale Friedrichs I.
Barbarossa und Heinrichs VI., für den rheinischen Minnesang. Dass Minnesang ein
­
Politikum sein kann, zeigt auch der im rheinischen Minnesang häufig eingesetzte, von
Reinmar, Morungen und Walther aufgegriffene Kaisertopos, der Liebe und Herrschaft
gegeneinander ausspielt und nicht nur als erotische, sondern auch als politische Gedanken-
figur gedeutet werden kann. Dass das fiktive Dienstverhältnis zwischen Minnesänger und
Minnedame die Machtverhältnisse der Lehnsgesellschaft abbildet und dass Walther nicht
nur die Gattungen der Sangspruchdichtung und des Leichs, sondern auch des Minnesangs
politisierte, ist bekannt. Dieser Zusammenhang wäre meines Erachtens einen eigenen
Beitrag im Abschnitt zu den „Themen und Semantiken“ des Minnesangs wert gewesen.
Diese Hinweise ändern freilich nichts daran, dass das Handbuch Minnesang eine
enorme Bereicherung für Lehre und Forschung darstellt, zumal es in den meisten Universi­
tätsbibliotheken auch in digitaler Form frei zugänglich ist. Der Großteil dessen, was man
heute über den Minnesang wissen kann, wird hier in kompakter und übersichtlicher
Form vorgestellt. Dafür ist den Herausgeber*innen und Beiträger*innen, die sich dieser
anspruchsvollen Aufgabe gestellt haben, sehr zu danken.
Andreas Kraß (Humboldt-Universität zu Berlin)

Johann Georg Hamann: Sokratische Denkwürdigkeiten / Wolken. Mit einer Einführung und
einem Stellenkommentar herausgegeben von Leonard K e i d e l und Janina R e i b o l d ,
unter Mitarbeit von Konrad B u c h e r . Hamburg: Felix Meiner, 2021. CX + 335 S., geb.,
€ 48.–
Till K i n z e l : Johann Georg Hamann: Zu Leben und Werk. Wien: Karolinger, 2019. 205 S.,
geb., € 22.–
Die Publikation der Sokratischen Denkwürdigkeiten im Winter des Jahres 1759 ist einer der
bemerkenswertesten Momente der deutschen Aufklärung. Wie aus dem Nichts erhob sich
hier eine Stimme gegen den Optimismus und das Selbstvertrauen der Rationalität, die bis
in die Gegenwart hinein eigenwillig, verstörend und verwirrend geblieben ist. In Moses
Mendelssohn fand der Text einen kongenialen Kritiker, der am 19. Juni 1760 in den ­Briefen,
die neueste Litteratur betreffend allerdings auch gestehen musste, „daß mir manche Stelle
dunkel scheinet“ (zit. nach dem hier besprochenen Band, S. 95). Hinter dem anonymen

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